Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.290: Verwaltungsgericht
Das Versicherungsgericht entscheidet, dass der Beschwerdeführer Schadenersatz in Höhe von CHF 71'403.65 an die Beschwerdegegnerin zahlen muss, da er als Verwaltungsrat grob fahrlässig gehandelt hat. Die Beschwerdegegnerin hatte den Beschwerdeführer zur Zahlung von entgangenen Beiträgen verpflichtet, die sich aufgrund von Missachtung von Vorschriften ergeben hatten. Trotz Einsprüchen wurde die Schadenersatzsumme reduziert, aber letztendlich bestätigt. Das Gericht stellt fest, dass die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers einen Schaden verursachte, für den er haftbar ist. Die Beschwerde wird abgewiesen, und es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.290 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 18.06.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beiträge; Schaden; AK-Nr; Arbeitgeber; Apos; Reichmuth; Schadenersatz; Verwaltung; Organ; Bundesgericht; Urteil; Verwaltungsrat; Bundesgerichts; Liquidität; Versicherungsgericht; Recht; Unternehmen; Ausgleichskasse; Frist; Unternehmens; Akten; Person; Pflicht; Einspracheentscheid; Haftung; Verfahren; Höhe |
Rechtsnorm: | Art. 52 AHVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.290 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 18.06.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.123 |
Titel: | Schadenersatz nach Art. 52 AHVG |
Resümee: |
Urteil vom 18. Juni 2024 Es wirken mit: Oberrichter Flückiger Oberrichter Thomann Gerichtsschreiber Haldemann In Sachen A.___ Beschwerdeführer gegen Beschwerdegegnerin
betreffend Schadenersatz nach Art. 52 AHVG (Einspracheentscheid vom 26. Oktober 2023)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. 1.1 Die C.___ AG in [...] resp. [...] war der Ausgleichskasse B.___ (fortan: Beschwerdegegnerin) seit dem 1. Oktober 2015 als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen (Akten der Beschwerdegegnerin / AK-Nr. 7 S. 1). Das Domizil der Gesellschaft wurde per 17. September 2018 nach [...] verlegt. Am […] 2019 geriet die C.___ AG in Konkurs, der am […] 2019 mangels Aktiven wieder eingestellt wurde (s. Handelsregisterauszug, AK-Nr. 328 S. 17 f.).
1.2 A.___ (fortan: Beschwerdeführer) war vom 19. September 2017 bis 27. August 2018 als einziges Mitglied des Verwaltungsrates im Handelsregister eingetragen (AK-Nr. 328 S. 18). Er wurde in der Folge durch D.___ ersetzt.
1.3 Die Beschwerdegegnerin verpflichtete den Beschwerdeführer wie folgt zur Bezahlung von insgesamt CHF 106'275.25 Schadenersatz für entgangene Beiträge: · Verfügung vom 3. Mai 2021: CHF 73'867.65, unter solidarischer Haftung mit D.___ (AK-Nr. 316 S. 1 ff.; s.a. AK-Nr. 292 S. 1 ff.) · Verfügung vom 16. November 2021: CHF 32'407.60 (AK-Nr. 328 S. 2 ff.).
Die dagegen gerichteten Einsprachen (AK-Nr. 329 S. 1 f. + Nr. 331) hiess die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 26. Oktober 2023 teilweise gut, indem sie die Schadenersatzsumme auf insgesamt CHF 71’403.65 reduzierte (AK-Nr. 333).
2. 2.1 Der Beschwerdeführer erhebt am 27. November 2023 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem Rechtsbegehren «Keine Haftung der AHV Beiträge während meiner Amtszeit bis Juli 2018» (Aktenseite / A.S. 6 f.).
2.2 Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Beschwerdeantwort vom 11. Januar 2024 die Abweisung der Beschwerde (A.S. 13 f.).
2.3 Der Beschwerdeführer begehrt mit Replik vom 5. Februar 2024, es sei der angefochtene Einspracheentscheid aufzuheben und festzustellen, dass er keinen Schadenersatz schulde (A.S. 16 ff.). Die Beschwerdegegnerin wiederum gibt innert der Frist bis 27. Februar 2024 keine Duplik ab (s. A.S. 21 + 23).
II.
1. Im vorliegenden Verfahren ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin Schadenersatz in der Höhe von CHF 71’403.65 schuldet. Das Versicherungsgericht ist zur Beurteilung dieser Streitigkeit sachlich und, nachdem die Arbeitgeberin C.___ AG ihren Sitz im Zeitpunkt des Konkurses im Kanton Solothurn hatte (E. I. 1.1 hiervor), auch örtlich zuständig (Art. 52 Abs. 5 Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG, SR 831.10] sowie § 54 Abs. 1 und § 54bis Abs. 3 Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]; Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, Zürich 2008, N 1041).
2. Ein Arbeitgeber hat der Ausgleichskasse denjenigen Schaden zu ersetzen, welchen er ihr durch absichtliche grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften verursacht hat (Art. 52 Abs. 1 AHVG). Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung Liquidation befassten Personen (Art. 52 Abs. 2 Satz 1 AHVG). Die Ausgleichskasse macht den Schadenersatzanspruch mittels Verfügung geltend (Art. 52 Abs. 4 AHVG).
3. 3.1 Ein Schaden im Sinne von Art. 52 AHVG ist eingetreten, wenn geschuldete Sozialversicherungsbeiträge aus rechtlichen tatsächlichen Gründen nicht mehr beim Arbeitgeber eingefordert werden können (BGE 126 V 443 E. 3a S. 444; Reichmuth, a.a.O., N 329), z.B. weil dieser zahlungsunfähig geworden ist (Reichmuth, a.a.O., N 332; BGE 123 V 12 E. 5b S. 15). Die Höhe des Schadens entspricht den entgangenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen zuzüglich Verzugszinsen, Verwaltungskostenbeiträge und Aufwand für das Beitragsinkasso (Reichmuth, a.a.O., N 367).
Da über die C.___ AG der Konkurs eröffnet wurde (E. I. 1.1 hiervor), sind die ausstehenden Beiträge von ihr nicht mehr im ordentlichen Verfahren erhältlich (Reichmuth, a.a.O., N 357). Damit ist die erste Voraussetzung für eine Haftbarkeit der Organe der Gesellschaft gegeben.
3.2 3.2.1 Die Beschwerdegegnerin führt im Einspracheentscheid aus, der Schaden von insgesamt CHF 129'160.85 setze sich aus den offenen Lohnbeiträgen für 2017 und 2018 plus Verzugszinsen sowie Mahn- und Betreibungskosten zusammen. Davon abzuziehen seien die Beiträge ab August 2018, da der Beschwerdeführer am 27. August 2018 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden sei und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hafte. Es handle sich dabei um Beiträge in der Höhe von CHF 54'846.00 sowie Zinsen und Kosten von CHF 2'911.20, so dass eine Schadenersatzpflicht im Umfang von CHF 71'403.65 verbleibe (AK-Nr. 333 S. 2 f. Ziff. 3c).
3.2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Beschwerdegegnerin die Beiträge, welche auf den ausgerichteten Löhnen zu bezahlen waren, richtig berechnet hat. Ebenso wenig bringt er vor, die Schadenersatzsumme beinhalte nach der Reduktion im angefochtenen Einspracheentscheid weiterhin Beiträge, Zinsen Kosten, für die er im Hinblick auf den Austritt aus dem Verwaltungsrat nicht hafte. Der Beschwerdeführer macht lediglich geltend, die C.___ AG habe bis Juli 2018 Anspruch auf über CHF 60'000.00 an Kinderzulagen gehabt. Sie habe diese Zulagen vollumfänglich den Arbeitnehmenden ausbezahlt, doch sei ihr nur ein ganz kleiner Bruchteil davon gutgeschrieben worden (A.S. 6). Die Beschwerdegegnerin entgegnet, sie habe die Familienzulagen, für welche die nötigen Anmeldungen vorgelegen hätten, ausbezahlt mit offenen Beiträgen verrechnet (A.S. 13).
Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdegegnerin bis August 2018 für insgesamt drei Kinder von Arbeitnehmenden der C.___ AG Kinderzulagen bewilligte. Die für 2017 geschuldeten Zulagen wurden dabei alle mit Beitragsforderungen verrechnet: 1) E.___ und F.___, 1. bis 13. Januar 2017: CHF 174.20 (s. AK-Nr. 45 / 47 / 54 / 65 / 68 / 76 / 275). 2) G.___, 1. Januar bis 28. Februar 2017: CHF 400.00 (AK-Nr. 58 / 65 / 76 / 86 / 91 / 96 / 275).
Die aufgrund der Akten der Beschwerdegegnerin belegten Kinderzulagen erreichen somit noch nicht einmal annähernd den Betrag von CHF 60'000.00, der laut Beschwerdeführer hätte vergütet werden sollen. Er hat für seine Darstellung weder Beweismittel eingereicht noch beantragt, weshalb sich weitere Abklärungen zu diesem Punkt erübrigen.
3.2.3 Vor diesem Hintergrund sind Bestand und Höhe der Schadenersatzforderung mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
4. 4.1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei jeder Lohnzahlung die Arbeitnehmerbeiträge abzuziehen und zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen an die Ausgleichskasse zu überweisen (Art. 14 Abs. 1 AHVG und Art. 34 ff. Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVV, SR 831.101]). Ausserdem hat er der Kasse periodisch Unterlagen über die ausbezahlten Löhne zuzustellen, damit die Beiträge ermittelt werden können. Die Pflicht zur Abrechnung und Beitragszahlung ist eine öffentlich-rechtliche Aufgabe des Arbeitgebers, deren Nichterfüllung grundsätzlich ein widerrechtliches und zumindest grobfahrlässiges Verhalten im Sinne von Art. 52 Abs. 1 AHVG darstellt, welches die volle Schadensdeckung nach sich zieht (Urteil des Bundesgerichts 9C_321/2022 vom 29. März 2023 E. 4.1 unter Hinweis auf BGE 118 V 193 E. 2a S. 195; Reichmuth, a.a.O., N 504 + 536). Die Ausgleichskasse und der Sozialversicherungsrichter dürfen davon ausgehen, dass der Arbeitgeber resp. dessen Organ die Vorschriften absichtlich mindestens grobfahrlässig verletzt hat, sofern keine Anhaltspunkte für die Rechtmässigkeit des Handelns die Schuldlosigkeit bestehen (Urteil des Bundesgerichts 9C_861/2018 vom 12. März 2019 E. 4.2.2; Reichmuth, a.a.O., N 536 + 745).
Die C.___ AG hat somit, indem sie geschuldete Beiträge nebst Folgekosten im Umfang von CHF 71'403.65 nicht bezahlte (E. II. 3.2 hiervor), rechtswidrig und qualifiziert schuldhaft gehandelt.
4.2 4.2.1 Die Nichtbezahlung von Beiträgen kann allenfalls auf Grund der besonderen Umstände im Einzelfall erlaubt bzw. entschuldbar sein. Fehlende finanzielle Mittel genügen zwar für sich allein nicht als Rechtfertigungs- Exkulpationsgrund (Urteil des Bundesgerichts 9C_861/2018 vom 12. März 2019 E. 4.2.1; Reichmuth, a.a.O., N 669). Ein solcher Grund kann jedoch namentlich dann vorliegen, wenn es einem Arbeitgeber bei ungenügender Liquidität gelingt, die Existenz seines Unternehmens zu retten, indem er die Beiträge zurückbehält (sog. «Business Defense»). Ein solches Vorgehen führt allerdings nur dann nicht zu einer Haftung nach Art. 52 AHVG, wenn der Arbeitgeber zunächst andere Forderungen (insbesondere der Arbeitnehmer und Lieferanten) befriedigt, welche für das Überleben des Unternehmens wesentlich sind, gleichzeitig aber auf Grund der objektiven Umstände und einer seriösen Beurteilung der Situation annehmen darf, er werde in der Lage sein, die geschuldeten Beiträge innert nützlicher Frist nachzuzahlen. Der finanzielle Engpass darf dabei nur vorübergehender Natur sein, d.h. er darf nicht Jahre andauern, sondern nur Monate (Urteile des Bundesgerichts 9C_779/2023 vom 20. März 2024 E. 5.3.1 f. und 9C_321/2022 vom 29. März 2023 E. 5.3.1). Es obliegt im Rahmen einer gesteigerten Mitwirkungspflicht grundsätzlich dem Arbeitgeber resp. seinen Organen, Gründe zu behaupten, welche eine Widerrechtlichkeit resp. ein Verschulden im Sinne von Absicht Grobfahrlässigkeit ausschliessen, und die entsprechenden Beweise beizubringen zu beantragen. Werden solche entlastenden Umstände nicht geltend gemacht nicht hinreichend substanziiert resp. sind sie nicht ohne weiteres ersichtlich, hat die ins Recht gefasste Person die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen (Urteile des Bundesgerichts 9C_779/2023 vom 20. März 2024 E. 5.3.4 und 9C_861/2018 vom 12. März 2019 E. 4.2.2; Reichmuth, a.a.O., N 745 f.).
4.2.2 Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerdeschrift vor, sein Verhalten sei nicht grobfahrlässig gewesen. Als Organ habe er immer im Sinne des Unternehmens gehandelt und die AHV-Beiträge, soweit finanziell möglich, regelmässig bezahlt. Er habe weder aus Eigeninteresse gehandelt noch sich selber bereichert. Das Unternehmen sei erst nach seinem Austritt aufgrund eines einzigen Schuldners in Schieflage geraten. Der wirtschaftliche Zusammenbruch habe seinen Ursprung in diesem Klumpenrisiko und nicht, weil die Gesellschaft ein Organ absichtlich die Vorschriften missachtet habe (A.S. 6). In der Replik ergänzt der Beschwerdeführer, in den rund elf Monaten als Verwaltungsrat sei er seinen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen nachgekommen. Bis zu seinem Austritt sei die Firma nicht überschuldet gewesen, habe jedoch Liquiditätsprobleme gehabt, u.a. weil die Grosskundin H.___ AG die Rechnungen verspätet, nicht vollumfänglich überhaupt nicht bezahlt habe. Trotzdem habe er sich bemüht, die laufenden Verpflichtungen im Rahmen der verfügbaren Liquidität zu erfüllen. Die Mitarbeiter hätten pünktlich ihre Löhne erhalten; er selber habe nur einen Teil seines Gehalts zur Deckung seiner minimalen Existenzbedürfnisse bezogen. In seiner Zeit als Verwaltungsrat seien auch namhafte Teilzahlungen an die Beschwerdegegnerin erfolgt (A.S. 16). Da nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Zahlungsausstände der H.___ AG andauern würden, habe die C.___ AG in den Überlebensmodus geschaltet, die Aufwendungen so weit wie möglich heruntergefahren und versucht, die ausstehenden Zahlungen einzutreiben. Zu diesem Zweck habe D.___ den Verwaltungsrat übernommen, doch seien dessen Inkassobemühungen erfolglos geblieben (A.S. 17). Die C.___ AG habe trotz der schwierigen Liquiditätslage geglaubt, sie könne sich durch die verzögerte Bezahlung der Kreditoren, u.a. der AHV-Beiträge, retten. Auch er sei bis zu seinem Rücktritt als Verwaltungsrat davon ausgegangen, dass die Forderung der Beschwerdegegnerin innert nützlicher Frist beglichen werde (A.S. 18).
4.2.3 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Liquiditätsschwierigkeiten der C.___ AG und der Nichtbezahlung der Beiträge bleiben recht allgemein und wenig aussagekräftig. Sie lassen nicht darauf schliessen, dass ein gezieltes und – auch in zeitlicher Hinsicht – konkretes Sanierungskonzept bestand, das begründete Aussicht auf eine Stabilisierung des Unternehmens bot. Aus den vom Beschwerdeführer eingereichten Dokumenten geht nicht hervor, dass tatsächlich spezifische Massnahmen zur Verbesserung der Liquidität – z.B. in Form eines Personalabbaus – an die Hand genommen worden wären, und auch aus den Akten der Beschwerdegegnerin ergibt sich nichts dergleichen. Man beabsichtigte offenbar, so lange durchzuhalten, bis die Schuldnerin H.___ AG ihren Verpflichtungen nachkam und die offenen Rechnungen bezahlte. Allerdings bleibt unklar, welche rechtlichen Schritte die C.___ AG eingeleitet hatte, um ihre Guthaben einzutreiben. Der Umstand, dass die H.___ AG eine der Forderungen im Betrag von CHF 50'000.00 bestritt (AK-Nr. 228 S. 4), liess auf jeden Fall nicht erwarten, dass die C.___ AG rasch zu ihrem Geld kommen würde. Der Beschwerdeführer räumt denn auch ein, es sei nicht absehbar gewesen, wie lange die Zahlungsausstände der H.___ AG dauern würden; aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang seine Bemerkung, man habe geglaubt, den Liquiditätsengpass überwinden zu können. Die blosse Hoffnung, dass sich die finanzielle Situation früher später verbessert, berechtigt indes nicht dazu, einen unrentablen Betrieb auf Kosten der Ausgleichskasse weiterzuführen (SVR 1996 AHV Nr. 82 E. 5). Dies muss hier umso mehr gelten, als die C.___ AG ihren Beitragspflichten schon seit 2016 nicht anstandslos ankam. Sie musste vielmehr bis 27. August 2018 wiederholt nicht nur gemahnt (s. AK-Nr. 23 / 27 / 30 / 39 f. / 49 / 52 f. / 63 f. / 74 f. / 82 f. / 100 ff. / 108 f. / 114 / 118 / 125 / 130 / 138 / 146 / 163 f. / 171 / 184 / 190 / 194), sondern in der Folge auch betrieben werden (AK-Nr. 59 f. / 77 / 84 / 113 / 120 ff. / 127 / 133 / 141 / 153 / 158 f. / 183 / 186 / 198). Der Beitragsausstand wuchs (nach Abzug der Gutschriften) bis 31. Dezember 2016 auf CHF 7'964.05, bis 31. Dezember 2017 auf CHF 13'213.10 und bis 27. August 2018 auf CHF 75'629.35 an (s. AK-Nr. 275). Die Zahlungsvereinbarung vom 26. Mai 2017, wonach ein Betrag von CHF 4'556.05 in vier Raten per 31. Mai, 30. Juni, 31. Juli und 31. August 2017 zu bezahlen gewesen wäre (AK-Nr. 94), hielt die C.___ AG nicht ein (s. AK-Nr. 275 S. 3 f.).
Ist aber kein überzeugendes und konsequent umgesetztes Sanierungskonzept für die C.___ AG nachgewiesen, so liegt auch kein Rechtfertigungs- resp. Entschuldigungsgrund für die Verletzung der Beitragspflicht vor.
5. 5.1 Das Organ einer juristischen Person haftet nur nach Art. 52 AHVG, soweit ihm das vorschriftswidrige Verhalten des Arbeitgebers im Hinblick auf seine rechtliche und faktische Stellung innerhalb des Unternehmens als zumindest grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen ist (Reichmuth, a.a.O., N 537). Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn das betreffende Organ ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (a.a.O., N 725). An die Sorgfaltspflicht der Organe einer Aktiengesellschaft sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGE 108 V 199 E. 3a S. 203).
5.2 Der Beschwerdeführer war von September 2017 bis August 2018 einziger Verwaltungsrat der C.___ AG (E. I. 1.2 hiervor). Er besass folglich in diesem Zeitraum formelle Organqualität (Reichmuth, a.a.O., N 203 – 205) und hatte die damit verbundenen gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Dazu gehören auch die Bestimmungen über den Abzug, die Ablieferung und die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge (a.a.O., N 613). Der Beschwerdeführer macht denn auch zu Recht nicht geltend, das Beitragswesen habe nicht zu seinen Aufgaben gehört. Er räumt vielmehr ein, dass er die Beitragszahlungen bewusst zurückstellte resp. nur Teilzahlungen veranlasste, wenn die Liquidität des Unternehmens nicht ausreichte, um sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen (E. II. 4.2.2 hiervor). Der Beschwerdeführer missachtete die Beitragspflicht somit vorsätzlich. Sein Einwand, er habe darauf vertraut, die Beitragsausstände innert nützlicher Frist ausgleichen zu können (a.a.O.), verfängt nicht. Wie bereits dargelegt, bestand nach dem Beweisergebnis kein begründeter Anlass für eine solche Zuversicht (s. E. II. 4.2.3 hiervor), weshalb das Vorgehen des Beschwerdeführers auch unter diesem Blickwinkel zumindest als grobfahrlässig zu werten ist. Er muss sich folglich das Verschulden der C.___ AG vollumfänglich anrechnen lassen und ist dementsprechend schadenersatzpflichtig. Der Umstand, dass er nach eigenen Angaben keinen persönlichen Vorteil aus der Nichtbezahlung der Beiträge zog, sich namentlich nicht bereicherte und auf einen Teil seines Lohns verzichtete, stellt keinen Entlastungsgrund dar (s. Urteil des Bundesgerichts 9C_88/2023 vom 8. November 2021 E. 4.3.2).
6. Zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers und dem Eintritt des Schadens muss ein (natürlicher und adäquater) Kausalzusammenhang bestehen (Reichmuth, a.a.O., N 768). Hätte der Beschwerdeführer pflichtgemäss für die vollumfängliche Bezahlung der Beiträge gesorgt aber die Lohnzahlungen in dem Masse reduziert, dass die darauf geschuldeten Beiträge abgedeckt gewesen wären (s. dazu Urteil des Bundesgerichts 9C_333/2023 vom 13. März 2024 E. 5.3), so wäre der Beschwerdegegnerin von vornherein kein Schaden entstanden. Damit ist der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der C.___ AG resp. des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Schaden zu bejahen.
7. Zusammenfassend stellt sich die Beschwerde als unbegründet heraus und ist abzuweisen.
8. In Beschwerdesachen nach Art. 52 AHVG hat das kantonale Versicherungsgericht (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AHVG nicht vorgesehen ist (Art. 61 lit. fbis Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]).
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Haldemann |
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