Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.286: Verwaltungsgericht
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hat in einem Fall der Arbeitslosenversicherung entschieden, dass die Beschwerdeführerin, A.___, zu Recht in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung eingestellt wurde. Die Beschwerdegegnerin, das Amt für Wirtschaft und Arbeit, hatte die Einstellung verfügt, da A.___ eine mögliche Anstellung vereitelt habe. A.___ hatte vergeblich versucht, die Einstellung abzuwenden, jedoch ohne Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass A.___ durch ihr Verhalten ein potenzielles Arbeitsverhältnis verhindert hatte und somit der Tatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt war. Die Einstelldauer wurde auf vier Tage reduziert, da die Stelle als Zwischenverdienst angesehen wurde. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, und es wurden keine Verfahrenskosten erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.286 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 06.02.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Arbeit; Arbeitgeber; Arbeitgeberin; Richt; Anruf; Person; Recht; E-Mail; Anrufe; Anspruch; Bundesgericht; Einstellung; Personalberaterin; Versicherungsgericht; Anspruchsberechtigung; Urteil; Bundesgerichts; Kontakt; Verschulden; Verhalten; Zwischenverdienst; Mobiltelefon; Arbeitslosenversicherung; Bewerbung; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 17 AVIG;Art. 24 AVIG;Art. 30 AVIG; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.286 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 06.02.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.31 |
Titel: | Einstellung in der Anspruchsberechtigung |
Resümee: |
Urteil vom 6. Februar 2024 Es wirken mit: Gerichtsschreiber Haldemann In Sachen A.___ Beschwerdeführerin gegen
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn, Beschwerdegegnerin
betreffend Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Einspracheentscheid vom 17. November 2023)
zieht die Präsidentin des Versicherungsgerichts in Erwägung: I.
1. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) stellte die Versicherte A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) mit Verfügung vom 3. November 2023 ab 16. September 2023 für vier Tage in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein. Zur Begründung gab die Beschwerdegegnerin an, die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten eine mögliche Anstellung bei der B.___ AG vereitelt (Akten der Beschwerdegegnerin / AWA S. 51 ff.). Die dagegen gerichtete Einsprache (AWA S. 40 f.) wurde mit Entscheid vom 17. November 2023 abgewiesen (Aktenseite / A.S. 1 ff.).
2. 2.1 Die Beschwerdeführerin gelangt mit Schreiben vom 21. November 2023 (Postaufgabe: 20. November 2023) an die Beschwerdegegnerin und begehrt sinngemäss, es sei von einer Einstellung abzusehen (A.S. 5). Diese Eingabe wird zuständigkeitshalber an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) weitergeleitet und dort als Beschwerde entgegengenommen (A.S. 6).
2.2 Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Beschwerdeantwort vom 7. Dezember 2023, die Beschwerde sei ohne Auflage von Gerichtskosten abzuweisen (A.S. 8 ff.).
2.3 Die Beschwerdeführerin gibt innert der Frist bis 15. Januar 2024 keine Replik ab (s. A.S. 14 + 17) und lässt sich auch sonst nicht mehr vernehmen.
II.
1. 1.1 Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2 Sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten fallen bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 in die Präsidialkompetenz (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Diese Grenze wird hier bei vier streitigen Einstelltagen offenkundig nicht erreicht, weshalb die Präsidentin des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichterin zuständig ist.
2. 2.1 Die versicherte Person, welche Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchen will, muss mit Unterstützung des zuständigen Arbeitsamtes alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden zu verkürzen. Insbesondere ist sie verpflichtet, Arbeit zu suchen (Art. 17 Abs. 1 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0), ab der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung die Kontrollvorschriften zu befolgen (Art. 17 Abs. 2 AVIG) sowie eine ihr vermittelte zumutbare Arbeit anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 AVIG). Dies korrespondiert mit der Schadenminderungspflicht, wonach die versicherte Person grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich anzunehmen hat, ausser sie ist unzumutbar (Art. 16 Abs. 1 und 2 AVIG). Letzteres ist u.a. der Fall, wenn eine Arbeit einen Lohn einbringt, der geringer ist als 70 % des versicherten Verdienstes, es sei denn, die versicherte Person erhalte nach Art. 24 AVIG Kompensationsleistungen (Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG). Die Pflicht zur Annahme einer Arbeit gilt sowohl für Arbeit, welche die Arbeitslosigkeit beendet, als auch für Arbeit, welche einen Zwischenverdienst (d.h. ein Einkommen innerhalb einer Kontrollperiode, Art. 24 Abs. 1 AVIG) ermöglicht (s. Boris Rubin, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 30 N 60).
2.2 Die versicherte Person ist in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung einzustellen, wenn sie die Kontrollvorschriften Weisungen der zuständigen Amtsstelle nicht befolgt, namentlich eine zumutbare Arbeit nicht annimmt (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG), worunter auch eine selbst gefundene Arbeit von Dritten vermittelte resp. angebotene Stellen fallen (Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 227). Vorsatz ist nicht erforderlich, eine leichte Fahrlässigkeit genügt (Melissa Traber, Die schuldhafte Ablehnung einer zumutbaren Arbeit in der Arbeitslosenversicherung, in: SZS 2022 S. 158 Ziff. 3). Es handelt sich bei Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG um einen Auffangtatbestand, der sämtliche vorwerfbaren Verletzungen der Kontrollvorschriften und Weisungen der zuständigen Amtsstelle erfasst, welche nicht durch einen eigenen Einstellungstatbestand geregelt werden (Dejan Simic, Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach Art. 30 AVIG, Zürich 2023, S. 53 Ziff. 3; Urteil des Bundesgerichts 8C_709/2022 vom 14. September 2023 E. 3.3 mit Hinweisen). Sanktioniert wird mit anderen Worten grundsätzlich jedes Verhalten, welches das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses scheitern lässt (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 229; Urteil des Bundesgerichts 8C_24/2021 vom 10. Juni 2021 E. 3.1). Dazu gehört auch ein Verhalten, welches bewirkt, dass es gar nicht erst zu Vertragsverhandlungen mit dem potentiellen Arbeitgeber kommt (s. Urteil des Bundesgerichts 8C_468/2020 vom 27. Oktober 2020 E. 5.2).
3. 3.1 3.1.1 Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (fortan: RAV) leitete das Kandidatenprofil der Beschwerdeführerin am 25. August 2023 an die B.___ AG (fortan: Arbeitgeberin) weiter, welche eine Stelle als Raumpflegerin zu vergeben hatte. Die Arbeitgeberin zeigte sich interessiert und bat am 30. August 2023 darum, zuvor die Arbeitszeugnisse einsehen zu dürfen (AWA S. 84 ff.), welche ihr das RAV am gleichen Tag per E-Mail zukommen liess. Am 15. September 2023 teilte die Arbeitgeberin dem RAV indes mit, sie habe die Beschwerdeführerin nicht erreichen können und sehe deshalb von dieser Bewerbung ab (AWA S. 83).
3.1.2 Nachdem die Beschwerdegegnerin ihr am 18. September 2023 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (AWA S. 87), antwortete die Beschwerdeführerin am 23. September 2023, es hänge wohl damit zusammen, dass sie vom 20. bis 31. August 2023 über kein Mobiltelefon verfügt habe, weil es defekt gewesen sei. Per E-Mail sei sie jedoch jederzeit erreichbar gewesen. Hätte man ihr eine Mailnachricht zugesandt, so hätte sie ganz klar darauf geantwortet. Man könne nachprüfen, dass sie am 28. August 2023 eine E-Mail an Frau C.___, ihre Personalberaterin, gesendet habe (AWA S. 82).
In einem zweiten Schreiben, welches ebenfalls auf den 23. September 2023 datiert ist (AWA S. 6), erwiderte die Beschwerdeführerin, sie könne sich nicht erklären, warum der Betrieb von ihr keine Rückmeldung erhalten habe. Sie achte penibel darauf, alle Anrufe entgegenzunehmen, und sei auch per Mail immer erreichbar. Da sie in diesem Zeitraum weder einen Anruf auf ihrer Anrufliste noch eine Mailnachricht finden könne, sehe sie bei sich keine Schuld. Auf eine E-Mail hätte sie geantwortet; man könne nachprüfen, dass sie am 28. August 2023 eine Mailnachricht an die Personalberaterin verschickt habe.
3.1.3 Die Personalberaterin vermerkte am 29. September 2023 im Verlaufsprotokoll, als die Zuweisung durch das RAV erfolgt sei, habe sich die Beschwerdeführerin in den Ferien befunden. Ihr Telefon sei ins Wasser gefallen und habe nicht mehr funktioniert. Die Beschwerdeführerin wolle die Datenfreigabe wegen dieses Vorfalls schliessen (AWA S. 1).
3.1.4 Die Arbeitgeberin gab am 31. Oktober 2023 an, man habe ca. zwei- bis dreimal versucht, die Beschwerdeführerin telefonisch zu erreichen, ihr aber keine Nachricht auf der Combox hinterlassen. Eine Kontaktaufnahme mittels E-Mail entspreche nicht dem standardmässigen Vorgehen. Es hätte sich um eine unbefristete Festanstellung mit einem Pensum von 10 bis 15 % gehandelt, welche sofort hätte angetreten werden können. Die Stelle sei gegenwärtig noch offen, aber man befinde sich «in der letzten Phase». Die Beschwerdeführerin habe sich nach dem 18. September 2023 nicht bei ihnen gemeldet (AWA S. 55 ff.). Der Stundenlohn hätte CHF 27.00 betragen (AWA S. 58).
3.1.5 In ihrer Einsprache vom 6. November 2023 (AWA S. 40 f.) hielt die Beschwerdeführerin zusammengefasst dafür, es sei nicht belegt, dass die Arbeitgeberin vom 1. bis 15. September 2023 versucht habe, sie zu kontaktieren. Aus ihrem Verbindungsnachweis für September 2023 (AWA S. 42 ff.) gehe nicht hervor, dass sie angerufen worden sei; gemäss Datenschutzrecht würden die eingehenden Anrufe zwar aufgezeichnet, aber nicht die abgehende Nummer. Ab dem 28. August 2023 sei sie wieder verpflichtet gewesen, allen Anspruchsvoraussetzungen nachzukommen. An diesem Tag habe sie der Personalberaterin eine E-Mail zugesandt und diese am 29. August 2023 über die eingeschränkte Verfügbarkeit informiert. Nach ihrer Rückkehr habe sie innert drei Tagen ein neues Mobiltelefon organisiert, was sich im Ausland relativ schwierig gestaltet hätte, und sei wieder voll erreichbar gewesen. Per E-Mail hätte man sie sehr wohl kontaktieren können. Mit der Personalberaterin habe sie am 29. August 2023 kein weiteres Vorgehen vereinbart, da absehbar gewesen sei, dass sie am 1. September 2023 Ersatz für ihr Telefon erhalten werde und zur Not via E-Mail erreichbar sei. Im Übrigen habe ihr die Arbeitgeberin heute mitgeteilt, dass die Stelle bereits vergeben sei.
Die Personalberaterin hielt dem am 7. November 2023 entgegen, sie habe anlässlich des Beratungsgesprächs am 29. September 2023 von dem Missgeschick mit dem Mobiltelefon erfahren, und nicht per Mail (s. AWA S. 46 i.V.m. S. 1). In der E-Mail vom 28. August 2023 sei es lediglich um die Ferien vom 21. bis 27. August 2023 gegangen (s. dazu AWA S. 34). Daraufhin präzisierte die Beschwerdeführerin am 14. November 2023, es sei ihr Ehemann gewesen, der am 29. August 2023 eine E-Mail an jemanden bei der Beschwerdegegnerin geschrieben habe (AWA S. 20).
3.1.6 Die Arbeitgeberin ergänzte am 10. November 2023, dass sie nur für die letzten vier Wochen feststellen könne, welche Anrufe man getätigt habe (AWA S. 30 ff.).
3.1.7 In der Beschwerdeschrift (A.S. 5) bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, eine Kontaktierung durch die Arbeitgeberin resp. eine Nichtannahme der Kontaktversuche ihrerseits sei nicht belegt. Es gelte die Unschuldsvermutung. Nicht korrekt sei lediglich gewesen, dass sie die Personalberaterin nicht sofort, sondern erst am 29. September 2023 über ihre eingeschränkte telefonische Erreichbarkeit informiert habe; wenn sie früher von einer E-Mail vom 29. August 2023 gesprochen habe, so sei dies eine Fehlaussage, das Datum sei vertauscht worden. Es sei ihr nicht schneller als in vier Arbeitstagen möglich gewesen, Ersatz für das Telefon zu beschaffen. Sie sei bei der Stellensuche alles andere als passiv, wie ihre Arbeitsbemühungen zeigten.
3.2 3.2.1 Aufgrund der Akten steht einerseits fest, dass das RAV das Kandidatenprofil der Beschwerdeführerin am 25. August 2023 an die Arbeitgeberin weitergeleitet hatte, worüber die Beschwerdeführerin allerdings nicht orientiert war (AWA S. 84 unten). Andererseits anerkennt die Beschwerdegegnerin, dass sich die Beschwerdeführerin vom 21. bis 27. August 2023 in den Ferien befand und kontrollfreie Tage bezog (AWA S. 52), weshalb sie in diesem Zeitraum nicht vermittlungsfähig sein musste (Art. 27 Abs. 1 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02). Dies bedeutete, dass die Beschwerdeführerin nicht bereit und in der Lage sein musste, eine zumutbare Arbeit unverzüglich anzunehmen (s. Art. 15 Abs. 1 AVIG), sondern diese Pflicht bestand erst wieder ab dem 28. August 2023. Die Beschwerdeführerin wiederum verfügte nach eigenem Angaben ab dem 1. September 2023 wieder über ein funktionierendes Mobiltelefon (E. II. 3.1.5 + 3.1.7 hiervor). Im Übrigen wendet sie zu Recht nicht ein, die fragliche Stelle bei der Arbeitgeberin wäre für sie als Zwischenverdienst unzumutbar gewesen, sind doch keine derartigen Umstände ersichtlich.
3.2.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet einmal, dass die Arbeitgeberin überhaupt versucht habe, mit ihr in Kontakt zu treten, weshalb man ihr auch nicht vorwerfen könne, eine mögliche Anstellung vereitelt zu haben. Dem ist zu entgegnen, dass die Arbeitgeberin am 15. September 2023 erklärte, man habe die Beschwerdeführerin nicht erreichen können (E. II. 3.1.1 in fine hiervor). Am 31. Oktober 2023 ergänzte sie, es sei etwa zwei- bis dreimal versucht worden, die Beschwerdeführerin anzurufen (E. II. 3.1.4 hiervor). Belege dafür kann die Arbeitgeberin zwar nicht vorweisen, da es ihr nach mehr als vier Wochen aus technischen Gründen nicht mehr möglich war, für August und September 2023 eine Anrufliste zu erstellen (E. II. 3.1.6 hiervor). Ebenso wenig vermag die Beschwerdeführerin nachzuweisen, dass bei ihr keine Anrufe der Arbeitgeberin eingingen, fehlen doch auf der eingereichten Liste die Nummern der eingehenden Anrufe (s. E. II. 3.1.5 hiervor). Die Darstellung der Arbeitgeberin erscheint indes als plausibel. Einerseits war sie an einer Bewerbung der Beschwerdeführerin interessiert, hätte sie doch sonst nicht deren Arbeitszeugnisse beim RAV eingeholt (E. II. 3.1.1 hiervor). Dies bildet ein starkes Indiz dafür, dass die Arbeitgeberin sich tatsächlich darum bemühte, mit der Beschwerdeführerin telefonisch in Kontakt zu treten. Sollte sie indes nach der Einsicht in die Zeugnisse nicht mehr an der Beschwerdeführerin interessiert gewesen sein, so hätte kein Anlass bestanden, dies dem RAV gegenüber zu verschweigen und einen erfundenen Grund vorzuschieben, warum auf eine Bewerbung verzichtet wurde. Dies muss umso mehr gelten, als die Arbeitgeberin sich bemühte, ihre Anrufe im massgeblichen Zeitraum zu rekonstruieren, was zwar technisch nicht länger möglich war (E. II. 3.1.6 hiervor), aber zeigt, dass sie dem RAV offen Auskunft geben wollte. Die Angaben der Beschwerdeführerin hinterlassen demgegenüber einen deutlich weniger überzeugenden Eindruck. So mutet seltsam an, dass sie auf die Nachfrage des RAV vom 18. September 2023 hin mit zwei separaten Schreiben vom gleichen Tag antwortete (E. II. 3.1.2 hiervor), welche nicht deckungsgleich sind, ist doch im einen Schreiben vom defekten Mobiltelefon die Rede und im anderen von den fehlenden Anrufen in der Anrufliste. Letzteres ist jedoch ohnehin nicht stichhaltig, wenn die besagte Liste nicht dokumentiert, wer die Beschwerdeführerin angerufen hat (s. dazu E. II. 3.1.5 hiervor). Hinzu kommt, dass sich die Beschwerdeführerin in der Einsprache auf eine Mailnachricht an die Personalberaterin vom 29. August 2023 beruft, worin sie auf die eingeschränkte Erreichbarkeit hingewiesen habe (a.a.O.). Dieses Vorbringen erwies sich jedoch in der Folge, wie die Beschwerdeführerin selber einräumt, als unzutreffend (E. II. 3.1.7 hiervor).
Vor diesem Hintergrund ist mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (s. dazu BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt, dass die Arbeitgeberin zwei- bis dreimal versuchte, die Beschwerdeführerin telefonisch zu erreichen; die im Strafrecht geltende Maxime «im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten» («in dubio pro reo») findet im Sozialversicherungsrecht keine Anwendung (Urteil des Bundesgerichts 8C_78/2016 vom 26. August 2016 E. 3.2). Es ist davon auszugehen, dass die fraglichen Anrufe nicht vor dem 30. August 2023 erfolgten, verlangte doch die Arbeitgeberin an diesem Tag beim RAV Einsicht in die Arbeitszeugnisse. Andererseits ist nicht anzunehmen, dass alle Anrufe der Arbeitgeberin bei der Beschwerdeführerin kurz hintereinander am 30. 31. August 2023 erfolgten. Dies erhellt einmal daraus, dass die Arbeitgeberin dem RAV erst am 15. September 2023 mitteilte, dass die Beschwerdeführerin nicht erreichbar gewesen sei und man auf deren Bewerbung verzichte. Wären sämtliche Anrufversuche auf den 30. und / 31. August 2023 gefallen, so hätte für die Arbeitgeberin kein Anlass bestanden, mit der Rückmeldung an das RAV rund zwei Wochen zuzuwarten. Naheliegender ist in dieser Situation, dass mindestens ein Anruf im September 2023 erfolgte. Dies umso mehr, als die Stelle einige Wochen später, am 31. Oktober 2023, noch nicht definitiv vergeben war, was bedeutet, dass die Arbeitgeberin den Bewerbungs- und Auswahlprozess nicht besonders eilig vorangetrieben hatte.
3.2.3 Nach dem Beweisergebnis rief die Arbeitgeberin die Beschwerdeführerin (auch) im September 2023 an, als diese wieder über ein funktionstüchtiges Mobiltelefon verfügte und in der Lage gewesen wäre, Anrufe entgegenzunehmen resp. gegebenenfalls zurückzurufen. Die Beschwerdeführerin hatte sich anlässlich der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung am 26. April 2023 unterschriftlich damit einverstanden erklärt, dass das RAV ihre Kontaktdaten an Arbeitgebende weitergibt, welche eine offene Stelle gemeldet haben (AWA S. 119). Diese Einwilligung wurde erst am 29. September 2023 widerrufen (AWA S. 1), weshalb die Beschwerdeführerin im hier interessierenden Zeitraum vom 1. bis 15. September 2023 jederzeit damit rechnen musste, dass Arbeitgebende sie zu kontaktieren versuchen. Angesichts dessen gebot die Schadenminderungspflicht, für die Arbeitgebenden erreichbar zu sein, um keine Chance auf eine Anstellung zu verpassen. Gewiss gibt es Situationen, in denen auch eine arbeitslose Person einen Anruf gerade nicht annehmen kann. Diesfalls muss sie aber unbedingt zeitnah zurückrufen, was hier unterblieb. Die Beschwerdeführerin hätte sich täglich vergewissern müssen, ob sie Anrufe verpasst hatte nicht, um rasch reagieren zu können. Indem sie dies versäumte, beging sie eine schuldhafte Pflichtverletzung. Die Beschwerdeführerin vermag sich nicht dadurch zu entschuldigen, dass die Arbeitgeberin nach den vergeblichen Anrufen davon absah, ihr auf die Combox zu sprechen eine E-Mail zukommen zu lassen. Die Beschwerdeführerin hatte für die Kontaktaufnahme sowohl ihre Telefonnummer als auch ihre Mailadresse angegeben (AWA S. 118). Die Arbeitgeberin durfte daher frei entscheiden, auf welchem Weg sie die Beschwerdeführerin kontaktierte.
3.2.4 Da die Beschwerdeführerin durch ein vorwerfbares und vermeidbares Verhalten ein potentielles Arbeitsverhältnis verhinderte, obwohl die fragliche Stelle zumutbar gewesen wäre, ist der Tatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin folglich zu Recht in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung eingestellt.
3.3 3.3.1 Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG), wobei folgende Abstufung gilt (Art. 45 Abs. 3 AVIV): - leichtes Verschulden: 1 – 15 Tage - mittelschweres Verschulden: 16 – 30 Tage - schweres Verschulden: 31 – 60 Tage
Ein schweres Verschulden liegt vor, wenn die versicherte Person eine zumutbare Arbeit ohne entschuldbaren Grund ablehnt (Art. 45 Abs. 4 lit. b AVIV). Entschuldbare Gründe sind Umstände, die das Verschulden als mittelschwer leicht erscheinen lassen. Diese im konkreten Einzelfall liegenden Gründe können die subjektive Situation der betroffenen Person (z.B. gesundheitliche Probleme) eine objektive Gegebenheit (z.B. die Befristung einer Stelle) beschlagen (BGE 130 V 125 E. 3.5 S. 131). Die Festlegung der Einstellungsdauer stellt eine typische Ermessensfrage dar (Urteil des Bundesgerichts 8C_297/2022 vom 15. Februar 2023 E. 3.3). Bei der Überprüfung darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich vielmehr auf Gegebenheiten stützen können, welche seine abweichende Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (s. Rubin, a.a.O., Art. 30 N 110).
3.3.2 Die Beschwerdegegnerin ordnete das Verhalten der Beschwerdeführerin in einem ersten Schritt mit 38 Einstelltagen im Bereich des schweren Verschuldens ein. Sie hielt sich dabei an die Verwaltungsweisung des SECO, welche bei einer erstmaligen Ablehnung einer unbefristeten Stelle resp. eines Zwischenverdienstes eine Einstelldauer von 31 bis 45 Tagen vorsieht (s. AVIG-Praxis ALE D79 Ziff. 2.B/1, in der ab 1. Januar 2023 geltenden Fassung). Sodann berücksichtigte die Beschwerdegegnerin in einem zweiten Schritt, dass es sich bei der Teilzeitstelle der Arbeitgeberin um einen Zwischenverdienst gehandelt hätte. Bei der Ablehnung resp. Vereitelung einer Zwischenverdienstarbeit erfolgt eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nur in dem Umfang, in dem der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung den Anspruch auf Differenzausgleich übersteigt, der bestanden hätte, wenn es zum Zwischenverdienst gekommen wäre (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 232). Die entsprechende Berechnung, welche die Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 3. November 2023 vorgenommen hat (AWA S. 53), entspricht den Vorgaben des SECO (s. AVIG-Praxis ALE D68) und ergibt eine Reduktion der Einstelldauer auf vier Tage.
Weitere Milderungsgründe liegen nicht vor. Es sind keine Umstände ersichtlich, welche verständlich machen könnten, warum die Beschwerdeführerin passiv blieb und nicht reagierte, nachdem sie den Anruf der Arbeitgeberin verpasst hatte. Als Erklärung für ihr Verhalten drängt sich auf, dass es der Beschwerdeführerin in diesem konkreten Fall an der Motivation fehlte, der Schadenminderungspflicht nachzukommen. Darauf deutet auch hin, dass sie sich nicht umgehend an die Arbeitgeberin wandte, als sie durch das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 18. September 2023 erfahren hatte, was geschehen war. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe sich sonst an ihre Pflichten gehalten, ist unbehelflich, denn diesem Umstand wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Einstellrahmen für eine erstmalige Verfehlung gemäss SECO-Weisung zur Anwendung gelangte. Die Beschwerdegegnerin blieb folglich mit vier Einstelltagen innerhalb des ihr zustehenden Ermessensspielraums, weshalb das Gericht keinen Anlass hat, die Einstelldauer weiter zu reduzieren.
3.4 Zusammenfassend stellt sich die Beschwerde als unbegründet heraus und ist abzuweisen.
4. In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung hat das kantonale Versicherungsgericht (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten. Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Haldemann |
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