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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2023.28)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.28: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A. hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung beantragt, wurde jedoch von der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn abgelehnt. Ihr Ehemann hatte eine arbeitgeberähnliche Stellung bei ihrem letzten Arbeitgeber, der B.___ AG. Die Beschwerdeführerin legte Einspruch ein, der ebenfalls abgelehnt wurde. Sie reichte Beschwerde beim Versicherungsgericht ein, mit dem Begehren, die bezahlten Beiträge zurückerstattet zu bekommen. Das Gericht entschied, dass aufgrund der arbeitgeberähnlichen Stellung des Ehemanns der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 2022 kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht. Die Beschwerde wurde abgewiesen, es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.28

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2023.28
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2023.28 vom 01.09.2023 (SO)
Datum:01.09.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Arbeitslosenentschädigung; Person; Entscheid; Arbeitslosenversicherung; Anspruch; Recht; Stellung; Einsprache; Versicherungsgericht; Akten; Personen; Verwaltungsrat; Einspracheentscheid; Ehemann; Beiträge; Kupfer; Bucher; Handelsregister; Solothurn; Betrieb; Präsident; Gericht; Bundesgericht; Präsidentin; Kantons; Parteientschädigung; Frist; ätzlich
Rechtsnorm: Art. 23 AVIG;Art. 8 AVIG;
Referenz BGE:122 V 270; 123 V 234; 128 V 133; 143 V 95;
Kommentar:
Kurt Pärli, Basler Kommentar zum ATSG, Art. 27 ATSG, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.28

 
Geschäftsnummer: VSBES.2023.28
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 01.09.2023 
FindInfo-Nummer: O_VS.2023.134
Titel: Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung

Resümee:

 

sibylle

 

 

 

 

 

Urteil vom 1. September 2023

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___

Beschwerdeführerin

gegen

 

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Einspracheentscheid vom 5. Januar 2023)

 


 

zieht die Präsidentin des Versicherungsgerichts in Erwägung:

I.       

 

1.       Die Versicherte A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) stellte am 17. August 2022 bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) per 1. Oktober 2022 einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung (s. Akten der Beschwerdegegnerin / ALK S. 91 ff.). Mit Verfügung vom 7. November 2022 verneinte die Beschwerdegegnerin einen solchen Anspruch (ALK S. 50 f.), wobei sie zur Begründung angab, der Ehemann der Beschwerdeführerin nehme bei ihrer letzten Arbeitgeberin, der B.___  AG, eine arbeitgeberähnliche Stellung ein. Die dagegen gerichtete Einsprache (ALK S. 46 f.), worin die Beschwerdeführerin Arbeitslosenentschädigung vom 1. Oktober 2022 bis 15. Januar 2023 verlangte, wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 5. Januar 2023 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.).

 

2.

2.1     Am 25. Januar 2023 erhebt die Beschwerdeführerin beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem ausdrücklichen Rechtsbegehren, die Beiträge an die Arbeitslosenversicherung, welche sie vom 25. Juli 2007 bis 31. Dezember 2022 geleistet habe, seien ihr zurückzuerstatten (A.S. 6 f.).

 

2.2     Die Beschwerdegegnerin stellt mit Beschwerdeantwort vom 9. Februar 2023 folgende Anträge (A.S. 10 ff.):

1.    Die Beschwerde sei abzuweisen.

2.    Gerichtskosten seien keine aufzuerlegen.

3.    Es sei keine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

2.3     Die Beschwerdeführerin reicht innert der Frist bis 3. März 2023 keine Replik ein (A.S. 19 + 22) und lässt sich auch sonst nicht mehr vernehmen.

 

II.

 

1.

1.1     Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. Streitig ist dem Sinn der Beschwerde nach, ob der Beschwerdeführerin vom 1. Oktober 2022 bis zum Ende der Arbeitslosigkeit am 15. Januar 2023 Arbeitslosenentschädigung zusteht, und wenn nicht, ob sie die vom 25. Juli 2007 bis 31. Dezember 2022 bezahlten AVIG-Beiträge zurückerhält. Bei der Beurteilung des Falles ist grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, der bis zum Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides am 5. Januar 2023 eingetreten ist (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366).

 

1.2     Sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten fallen bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 in die Präsidialkompetenz (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Streitig ist hier einmal die Arbeitslosenentschädigung für die 3,5 Monate vom 1. Oktober 2022 bis 15. Januar 2023. Die Höhe des Taggeldes bestimmt sich nach einem Prozentsatz des versicherten Verdienstes (Art. 22 Abs. 1 und 2 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0), d.h. des im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebenden Lohns, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde (Art. 23 Abs. 1 AVIG). Der versicherte Verdienst bemisst sich nach dem Durchschnittslohn der letzten sechs Beitragsmonate vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug, sofern der Durchschnitt der letzten zwölf Beitragsmonate nicht höher ist (Art. 37 Abs. 1 und 2 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02). Die Beschwerdeführerin arbeitete seit Januar 2019 mit einem Pensum von 80 % für die B.___ AG (ALK S. 86), wobei sich der monatliche Bruttolohn nach Aktenlage seit September 2021, also ein Jahr vor dem letzten Arbeitstag am 31. August 2022, auf CHF 7'600.00 belief. Ein 13. Monatslohn und / Gratifikationen gehen aus den Lohnabrechnungen von September 2021 bis August 2022 nicht hervor (ALK S. 57 ff. + S. 73 Ziff. 17). Damit ergibt sich für 3,5 Monate ein versicherter Verdienst von CHF 26'600.00. Da zudem das Taggeld maximal 80 % des versicherten Verdienstes beträgt (Art. 22 Abs. 1 und 2 AVIG), bleibt die Arbeitslosenentschädigung, welche für die Zeit von Anfang Oktober 2021 bis Mitte Januar 2023 verlangt wird, erst recht unterhalb der Streitwertgrenze von CHF 30'000.00. Dasselbe gilt für eine Rückzahlung der ALV-Abzüge: Geht man dafür der Einfachheit halber vom Beitrag von CHF 83.60 aus, wie er von September 2021 bis August 2022 abgezogen wurde (ALK S. 57 ff.), dann ergeben sich für die Zeit vom 25. Juli 2007 bis 31. Dezember 2022 Beiträge von insgesamt etwas mehr als CHF 15'000.00. Vor diesem Hintergrund ist die Präsidentin des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichterin zuständig.

 

2.

2.1     Versicherte, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, finanziell am Betrieb beteiligte Personen Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten, haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0). Diese Regelung nebst der dazu entwickelten Rechtsprechung findet analog auch auf die Arbeitslosenentschädigung nach Art. 8 ff. AVIG Anwendung: Wenn ein Arbeitnehmer nach der Entlassung seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehält und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen massgeblich beeinflussen kann, so hat er insbesondere die Möglichkeit, sich bei Bedarf wieder in seiner Firma einzustellen und damit seine Arbeitslosigkeit nach eigenem Belieben zu verlängern zu beenden. Unter solchen Umständen besteht kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (s. BGE 123 V 234 E. 7b S. 239; Boris Rubin in: Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 10 N 18 + 19 sowie Art. 31 N 40). Anders verhält es sich, wenn nicht nur das Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern auch der Betrieb geschlossen wird, das Ausscheiden des betreffenden Arbeitnehmers mithin definitiv ist. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Unternehmen zwar weiterbesteht, der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig jene Eigenschaften verliert, derentwegen er vom Leistungsanspruch ausgenommen wäre (s. BGE 123 V 234 E. 7b S. 238 f.).

 

2.2     Ob Arbeitnehmer einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium angehören und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen können, ist aufgrund der internen betrieblichen Struktur zu beantworten (BGE 122 V 270 E. 3 S. 272 f.). Keine Prüfung des Einzelfalles ist indes erforderlich, wenn sich die massgebliche Entscheidungsbefugnis bereits zwingend aus dem Gesetz selbst ergibt, was z.B. bei mitarbeitenden Verwaltungsräten einer Aktiengesellschaft der Fall ist (BGE 123 V 234 E. 7a S. 237; 122 V 270 E. 3 S. 273).

 

2.3     Der Ausschluss der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten Personen vom Entschädigungsanspruch ist absolut zu verstehen (BGE 123 V 234 E. 7a S. 237). Begegnet werden soll nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen, welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (Barbara Kupfer Bucher in: Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 19 f.).

 

3.

3.1

3.1.1  Die Beschwerdeführerin stand ab Februar 2001 zunächst in einem vollzeitlichen und später, mit einem Pensum von 60 resp. 80 %, in einem teilzeitlichen Arbeitsverhältnis mit der B.___ AG. Diese kündigte die Anstellung am 30. Mai 2022 mit Wirkung per 31. August 2022 (ALK S. 72 ff. / 86 / 91 ff. / 96). Nachdem die Beschwerdeführerin sich per 1. Oktober 2022 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet hatte (s. E. I. 1 hiervor), teilte sie der Beschwerdegegnerin am 13. Oktober 2022 mit, dass sie ab September 2022 weiterhin für die B.___ AG tätig sei, dies allerdings im Stundenlohn mit einem Pensum von ca. 10 % (ALK S. 56 sowie S. 28 f. / 31 f. / 33 f. / 37 f.). Dieses Arbeitsverhältnis wiederum wurde per 31. Dezember 2022 aufgelöst (ALK S. 24 f. + 30). Die Beschwerdeführerin konnte indes am 16. Januar 2023 eine andere Stelle antreten (ALK S. 40).

 

3.1.2  In den Akten befindet sich ein Handelsregisterauszug der B.___ AG per 4. Januar 2023, der u.a. folgende Einträge enthält (ALK S. 24 f.):

·      C.___ (seit 2007 Ehemann der Beschwerdeführerin, ALK S. 56): Bis 17. Mai 2016 Mitglied und seither Präsident des Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift. Nachdem die Generalversammlung der B.___ AG am 16. Dezember 2022 beschlossen hatte, den Betrieb per 31. Dezember 2022 einzustellen und die Gesellschaft aufzulösen, wurde der Ehemann am 20. Dezember 2022 zusätzlich als Liquidator mit Einzelunterschrift eingetragen.

·      Beschwerdeführerin: Seit 4. Januar 2021 Kollektivunterschrift zu zweien ohne Funktionsbezeichnung.

 

Das Gericht nimmt am 1. September 2023 online Einsicht in das Handelsregister ([…]). Dabei ergibt sich, dass die B.___ AG nach wie vor mit C.___ als Verwaltungsratspräsident und Liquidator eingetragen ist.

 

3.1.3  Die Beschwerdeführerin hielt in ihrer Einsprache vom 29. November 2022 (ALK S. 46 f.) im Wesentlichen dafür, nachdem ihr per 31. August 2022 gekündigt worden sei, kämen die rechtlichen Bestimmungen bezüglich Kurzarbeitsentschädigung nicht zur Anwendung. Die Verfügung vom 7. November 2022 diskriminiere sie in den Arbeitsbemühungen gegenüber anderen Stellensuchenden. Weiter sei stossend, dass die Leistungsverweigerung auf einer Vermutung basiere, wonach die mitarbeitende Ehegattin Einfluss nehmen könne. Sollte diese Vermutung auf einer berechtigten Grundlage beruhen, so müsste die Arbeitslosenversicherung bei der mitarbeitenden Ehegattin konsequenterweise auf die Einforderung von Beiträgen verzichten.

 

3.1.4  In ihrer Beschwerdeschrift ergänzt die Beschwerdeführerin (A.S. 6 f.), der Ausschluss von den dedizierten Programmen bei der Stellensuche behindere ihre Arbeitsbemühungen, was umso mehr befremde, als es erwiesenermassen schwierig sei, im Alter über 55 Jahren noch eine Stelle zu finden. Den Entscheid, die Firma zu liquidieren, habe sie nicht beeinflussen können. Es könne nicht vorausgesetzt werden, dass diese Vorgehensweise bei mitarbeitenden Ehegatten allgemein bekannt sei. Da die AHV und die Arbeitslosenversicherung jederzeit über ihren Zivilstand informiert gewesen seien, hätten sie sie explizit auf diese spezielle Versicherungspraxis aufmerksam machen müssen.

 

3.2

3.2.1  C.___ war am 5. Januar 2023, dem Stichtag des angefochtenen Einspracheentscheides (s. dazu E. II. 1.1 in fine hiervor), nach wie vor als Verwaltungsratspräsident der B.___ AG im Handelsregister eingetragen, woran sich im Übrigen auch in der Folge nichts änderte (E. II. 3.1.2 hiervor). Als Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft kam ihm von Gesetzes wegen eine arbeitgeberähnliche Stellung zu, ohne dass seine konkreten Entscheidungsbefugnisse aufgrund der innerbetrieblichen Struktur abgeklärt werden müssten (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 271). Für die Beendigung der Organstellung kommt es zwar nicht auf den Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister an, sondern auf den tatsächlichen Rücktritt, welcher unmittelbar wirksam wird (Urteil des Bundesgerichts 8C_478/2018 vom 16. August 2018 E. 3.2; Kupfer Bucher, a.a.O., S. 21). Oder anders ausgedrückt: Widersprechen die tatsächlichen Gegebenheiten nachweislich dem Handelsregistereintrag, so ist von ihnen auszugehen (AVIG-Praxis ALE B28). In den Akten ist allerdings nirgends dokumentiert (z.B. durch ein Rücktrittsschreiben) noch wird von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass C.___ als Verwaltungsrat faktisch demissioniert habe, bevor der Einspracheentscheid ergangen sei. Aus dem Umstand, dass die Generalversammlung der B.___ AG am 16. Dezember 2022 die Auflösung der Gesellschaft beschloss (E. II. 3.1.2 hiervor), vermag die Beschwerdeführerin nichts für sich abzuleiten. Eine beschlossene angeordnete Liquidation bildet kein taugliches Kriterium dafür, das Ausscheiden einer Person in arbeitgeberähnlicher Stellung zu belegen. Auch nach dem Liquidationsbeschluss hat diese Person die Möglichkeit, den Betrieb weiterzuführen resp. zu reaktivieren. Ob dies effektiv geschieht, ist unerheblich, da zumindest das Risiko eines Missbrauchs besteht (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 22 f.). Im vorliegenden Fall finden sich in den Akten keine Hinweise dafür, dass eine Fortsetzung resp. Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit schon im Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses faktisch ausgeschlossen war, z.B. weil es praktisch nichts zu liquidieren gab (s. dazu a.a.O., S. 271). Eine allfällige Überschuldung der B.___ AG würde für eine solche Annahme ebenso wenig genügen wie eine vorübergehende Inaktivität des Betriebs (a.a.O., S. 23; AVIG-Praxis ALE B26). Dafür, dass die Liquidation im Zeitpunkt des Einspracheentscheides noch nicht abgeschlossen war, spricht, dass die B.___ AG am 1. September 2023 weiterhin im Handelsregister eingetragen war und C.___ – wie bereits dargelegt – immer noch dem Verwaltungsrat angehörte und als Liquidator fungierte. Vor diesem Hintergrund ging die Beschwerdegegnerin zu Recht davon aus, dass C.___ bei der B.___ AG mindestens bis zum Datum des Einspracheentscheides, welches für den Sachverhalt massgeblich ist, eine arbeitgeberähnliche Stellung besass, die mit einem Missbrauchsrisiko einherging.

 

Sodann ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin seit 2007 die Ehefrau von C.___ ist (ALK S. 56 und A.S. 7), was in Verbindung mit seiner fortbestehenden arbeitgeberähnlichen Stellung nach ständiger Rechtsprechung dazu führt, dass sie ab dem 1. Oktober 2022 vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen ist (s. dazu E. II. 2.1 + 2.3 hiervor). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin spielt es dabei keine Rolle, ob sie selber eine arbeitgeberähnliche Stellung besass und auf die B.___ AG Einfluss nehmen konnte (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 273), es reicht vielmehr aus, dass dies bei ihrem Ehemann der Fall war (AVIG-Praxis ALE B25 in fine). Die Stellensuche kann bei älteren arbeitslosen Personen erschwert sein; dies bildet aber angesichts des Ziels, Missbräuche zu verhindern, keinen Anlass, bei solchen Personen eine Ausnahme zu machen und ihnen Arbeitslosenentschädigung zu gewähren. Andererseits bedeutet der Leistungsausschluss nicht, dass die Beschwerdeführerin von der Beitragspflicht an die Arbeitslosenversicherung ausgenommen ist (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 20), womit eine Rückerstattung der Beiträge, welche in der Vergangenheit vom Lohn der Beschwerdeführerin abgezogen wurden, nicht in Frage kommt.

 

3.2.2    Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Arbeitslosenversicherung hätte sie darauf aufmerksam machen müssen, dass ihr als Gattin eines Verwaltungsrates keine Arbeitslosenentschädigung zustehe. Richtig ist, dass jede Person Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten durch den Versicherungsträger hat, dem gegenüber die Rechte geltend zu machen die Pflichten zu erfüllen sind (Art. 27 Abs. 2 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Zweck der Norm ist es, der betroffenen Person ein Verhalten zu ermöglichen, damit jene Rechtsfolge eintritt, welche den gesetzgeberischen Zielen des betreffenden Erlasses entspricht. Um solche Handlungen vorzunehmen, bedarf es einer genügenden Entscheidungsgrundlage, damit die Folgen der Nichtwahrnehmung abgeschätzt werden können. Insbesondere sollen die betroffenen Personen darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein gewisses Verhalten eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches gefährden kann (Kurt Pärli / Lea Mohler in: Ghislaine Frésard-Fellay / Barbara Klett / Susanne Leuzinger [Hrsg.], Basler Kommentar zum ATSG, Basel 2020, Art. 27 N 24). Eine ungenügende fehlende Wahrnehmung dieser Beratungspflicht kommt einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleich, weshalb dieser in Nachachtung des Vertrauensprinzips dafür einzustehen hat. Voraussetzung dafür ist u.a., dass die versicherte Person wegen der versäumten resp. unzureichenden Beratung Dispositionen getroffen hat, die sich nicht ohne Nachteil rückgängig machen lassen (s. BGE 143 V 95 E. 3.6.2 S. 103).

 

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage einer Beratung durch die Arbeitslosenversicherung erstmals, als die Beschwerdeführerin am 17. August 2022 Arbeitslosenentschädigung beantragte. Nach Aktenlage war sie vor der Verfügung vom 7. November 2022 nicht ausdrücklich über die Praxis bei arbeitgeberähnlichen Personen und deren Ehegatten orientiert worden. Allerdings legt die Beschwerdeführerin nicht dar, was sie anders gemacht hätte, wenn sie umgehend nach der Anmeldung darüber aufgeklärt worden wäre, dass die Position ihres Ehemanns einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschloss. Es kann schwerlich angenommen werden, dass sie sich diesfalls von ihrem Mann hätte scheiden lassen dass er per 1. Oktober 2022 demissioniert resp. sich um die Auflösung der B.___ AG auf dieses Datum hin bemüht hätte. Demnach ergibt sich auch im Hinblick auf den Vertrauensschutz nichts für die Beschwerdeführerin.

 

3.2.3  Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin zufolge der arbeitgeberähnlichen Stellung ihres Ehemanns ab 1. Oktober 2022 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung und auch kein Anrecht auf Rückerstattung der Beiträge an die Arbeitslosenversicherung, womit sich die Beschwerde als unbegründet herausstellt und abzuweisen ist.

 

4.       Bei diesem Verfahrensausgang steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu. Die Beschwerdegegnerin wiederum hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation – abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen – keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. etwa BGE 128 V 133 E. 5b, 126 V 150 E. 4a).

 

5.       In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung vor dem kantonalen Versicherungsgericht sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskos-

ten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis ATSG).

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben.

 

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Haldemann

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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