Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.207: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin A.___ erhält Ergänzungsleistungen zur Invalidenversicherung. Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn hat die Leistungen rückwirkend neu festgesetzt und fordert eine Rückzahlung von CHF 2'820.00 aufgrund eines Umzugs und veränderten Wohnverhältnissen. Die Beiständin der Beschwerdeführerin beantragt einen Erlass der Rückforderung, was jedoch abgelehnt wird. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn weist die Beschwerde ab und entscheidet, dass keine Verfahrenskosten anfallen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.207 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 25.10.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | AK-Nr; Beiständin; Glaube; Apos; Melde; Beistand; Erlass; Ergänzungsleistung; Glauben; Meldepflicht; Urteil; Verfügung; Partner; Versicherungsgericht; Rückforderung; Einsprache; Bundesgericht; Person; E-Mail; Ergänzungsleistungen; Akten; AK-Nrn; Bundesgerichts; Hinweis; Sozialarbeiter; Sozialregion; Recht; Einspracheentscheid; Berechnung |
Rechtsnorm: | Art. 394 ZGB ; |
Referenz BGE: | 112 V 97; 138 V 218; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.207 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 25.10.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2023.172 |
Titel: | Ergänzungsleistungen IV / Erlass Rückforderung |
Resümee: |
Urteil vom 25. Oktober 2023 Es wirken mit: Gerichtsschreiberin Wittwer In Sachen A.___ vertreten durch Beiständin B.___ Beschwerdeführerin
gegen Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
betreffend Ergänzungsleistungen IV / Erlass Rückforderung (Einspracheentscheid vom 25. Juli 2023)
zieht der Vizepräsident des Versicherungsgerichts in Erwägung: I.
1. 1.1 Die 1989 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) bezieht Ergänzungsleistungen zu ihrer Rente der Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 5. Mai 2022 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) die jährliche Ergänzungsleistung ab 1. April 2022 auf CHF 1'738.90 pro Monat (inkl. Prämienvergütung an die Krankenversicherung von CHF 452.90) fest (Akten der Ausgleichskasse [AK-Nr.] 206). Ab 1. Januar 2023 belief sich der Anspruch (inkl. Prämienvergütung) auf CHF 1'742.20 pro Monat (Verfügung vom 23. Dezember 2022, AK-Nr. 141). Bei der Berechnung wurde als Ausgabeposition ein Mietzins von CHF 14'400.00 pro Jahr (entsprechend CHF 1'200.00 pro Monat) berücksichtigt (vgl. Berechnungsblätter, AK-Nrn. 196 und 139).
1.2 Am 6. März 2023 teilte B.___, die am 19. Oktober 2022 eingesetzte Beiständin der Beschwerdeführerin (vgl. AK-Nr. 99), der AHV Zweigstelle mit, die Beschwerdeführerin sei per 1. März 2023 in den Kanton Aargau umgezogen (AK-Nr. 107).
2. Mit Verfügung vom 16. März 2023 setzte die Beschwerdegegnerin die jährliche Ergänzungsleistung der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. November 2022 neu fest, und zwar auf je CHF 1'138.90 pro Monat für November und Dezember 2022, je CHF 1'142.20 pro Monat für Januar und Februar 2023 und CHF 1'322.20 für März 2023. Gleichzeitig forderte sie die Differenz gegenüber den ausbezahlten Beträgen in der Höhe von total CHF 2'820.00 (4 x CHF 600.00 für November 2022 bis Februar 2023 plus CHF 420.00 für März 2023) zurück (AK-Nr. 95). Zur Begründung wurde erklärt, per 1. November 2022 sei C.___ zu der Beschwerdeführerin in die Wohnung eingezogen, es handle sich seither um einen Zweipersonenhaushalt und der Beschwerdeführerin sei nur noch die Hälfte des Mietzinses anzurechnen. Zusätzlich sei der Umzug per 1. März 2023 berücksichtigt worden.
3. 3.1 Am 6. April 2023 wandte sich die Beiständin B.___ mit einem als Einsprache bezeichneten Schreiben an die Beschwerdegegnerin und ersuchte namens der Beschwerdeführerin darum, «die Rückforderung im Sinne eines Härtefalls zu erlassen» (AK-Nr. 69). Die Beschwerdegegnerin antwortete am 13. April 2023 mit der Bitte, entweder eine formgültig abgefasste Einsprache einzureichen schriftlich mitzuteilen, ob die Eingabe als Erlassgesuch zu behandeln sei (AK-Nr. 63). Die Beiständin teilte daraufhin mit, es handle sich um ein Erlassgesuch (Schreiben vom 18. April 2023, AK-Nr. 53).
3.2 Mit Verfügung vom 10. Mai 2023 lehnte die Beschwerdegegnerin das Erlassgesuch ab (AK-Nr. 41). Die dagegen erhobene Einsprache vom 4. Juni 2023 (AK-Nr. 29) wurde mit Einspracheentscheid vom 25. Juli 2023 abgewiesen (AK-Nr. 19; Aktenseiten [A.S.] 1 ff.).
4. Mit Zuschrift vom 5. September 2023 (A.S. 6 ff.) lässt die Beschwerdeführerin beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 25. Juli 2023 erheben. Sie stellt sinngemäss den Antrag, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Rückforderung von CHF 2'820.00 sei der Beschwerdeführerin zu erlassen.
5. Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Beschwerdeantwort vom 29. September 2023 auf Abweisung der Beschwerde (A.S. 14 ff.).
6. Die Beschwerdeführerin hält mit Replik vom 3. Oktober 2023 an ihrem Standpunkt fest (A.S. 19 f.).
7. Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird im Folgenden, soweit erforderlich, eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
1. 1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.2 Angefochten ist der Einspracheentscheid vom 25. Juli 2023, mit dem das Gesuch der Beschwerdeführerin, ihr sei die Rückforderung von CHF 2'820.00 zu erlassen, abgewiesen wurde. Die Rückforderung als solche ist in Rechtskraft erwachsen. Streitig und zu prüfen sind somit einzig die Erlassvoraussetzungen.
1.3 Der Präsident des Versicherungsgerichts entscheidet – vorbehältlich hier nicht gegebener Ausnahmen – als Einzelrichter über Streitigkeiten in Sozialversicherungssachen mit einem Streitwert bis höchstens CHF 30'000.00 (§ 54bis Abs. 1 lit. a Gesetz über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Die strittige Summe von CHF 2'820.00 liegt unter dieser Grenze. Das vorliegende Beschwerdeverfahren fällt somit in die einzelrichterliche Zuständigkeit und ist durch den Vizepräsidenten des Versicherungsgerichts (als Stellvertreter der Präsidentin) als Einzelrichter zu behandeln.
2. 2.1 Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1], im Bereich der Ergänzungsleistungen anwendbar gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELG, SR 831.30]; vgl. auch Art. 2 ff. der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSV, SR 830.11]). Der Erlass setzt somit einerseits den gutgläubigen Leistungsbezug und andererseits das Vorliegen einer grossen Härte voraus. Zu prüfen ist die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens, welche die Beschwerdegegnerin verneint hat.
2.2 Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben hat berufen bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen können (Urteil des Bundesgerichts 9C_453/2011 vom 15. September 2011 E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 122 V 221 E. 3 S. 223).
2.3 Der gute Glaube entfällt nicht nur bei wissentlichem Bezug zu Unrecht ausgerichteter Leistungen. Vielmehr darf sich die Leistungen beziehende Person nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Der gute Glaube ist somit von vornherein nicht gegeben, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige grobfahrlässige Melde- Auskunftspflichtverletzung zurückgeht. Demgegenüber kann sich die rückerstattungspflichtige Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten (beispielsweise die Meldepflichtverletzung) nur eine leichte Fahrlässigkeit darstellt (BGE 112 V 97 E. 2c S. 103). Wie in anderen Bereichen beurteilt sich die geforderte Sorgfalt nach einem objektiven Massstab, wobei jedoch das den Betroffenen in ihrer Subjektivität Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad usw.) nicht ausgeblendet werden darf (BGE 138 V 218 E. 4 S. 220 f.). Die rückerstattungspflichtige Person muss sich das Verhalten und die Kenntnisse ihrer mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung betrauten Beistandsperson grundsätzlich anrechnen lassen. Dies gilt auch für die Belange der Meldepflichterfüllung (Urteil des Bundesgerichts 9C_588/2019 vom 14. Februar 2020 E. 3.2 mit Hinweisen).
2.4 Das Verhalten, das den guten Glauben ausschliesst, muss nicht in einer Melde- Anzeigepflichtverletzung bestehen. Auch ein anderes Verhalten, z.B. die Unterlassung, sich bei der Verwaltung zu erkundigen, fällt in Betracht (Urteil des Bundesgerichts 8C_243/2016 vom 7. Juli 2016 E. 4.1 mit Hinweisen). So ist der gute Glaube regelmässig zu verneinen, wenn die versicherte Person das EL-Berechnungsblatt nicht nur unsorgfältig kontrolliert und deshalb einen darin enthaltenen gravierenden, für sie leicht erkennbaren Fehler nicht meldet (Urteil des Bundesgerichts 9C_53/2014 vom 20. August 2014 E. 4.2.1). In diesem Sinn besteht neben der Melde- und Anzeigepflicht auch eine Kontroll- und Hinweispflicht der versicherten Person. Die Berechnungsblätter zu den jährlichen Verfügungen enthalten denn auch jeweils einleitend den Vermerk, die Berechnung sei zu überprüfen und allfällig falsche fehlende Angaben seien mit den entsprechenden Belegen innert 30 Tagen mitzuteilen, verbunden mit dem Hinweis auf «Meldepflicht und Rückerstattung» (vgl. z.B. AK-Nrn. 89, 91, 93, 139 und 194).
2.5 Für den Erlass entscheidend ist die Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Ergänzungsleistungsausrichtung (Urteile des Bundesgerichts 9C_728/2016 vom 26. Oktober 2017 E. 2.1 und 9C_139/2015 vom 9. März 2015 E. 5; Urteil des Versicherungsgerichts VSBES.2018.31 vom 16. Mai 2018 E. 3.4.3). Der gute Glaube muss demnach während des Bezugs der zu Unrecht ausgerichteten Leistungen, hier also im Zeitraum vom 1. November 2022 bis 31. März 2023, bestanden haben.
3. Die mit der Verfügung vom 16. März 2023 (AK-Nr. 95) vorgenommene rückwirkende Neuberechnung der Ergänzungsleistungen ab 1. November 2022 und die daraus resultierende Rückforderung basierten auf der Entdeckung des bis dahin unberücksichtigt gebliebenen Umstands, dass die Beschwerdeführerin seit November 2022 mit C.___ zusammenwohnte. Dieser Umstand wurde der Beschwerdegegnerin nicht gemeldet. Umstritten ist, ob eine Meldepflichtverletzung vorliegt, welche den guten Glauben ausschliesst.
3.1 Von jeder Änderung der persönlichen und von jeder ins Gewicht fallenden Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten hat dieser, sein gesetzlicher Vertreter gegebenenfalls die Drittperson die Behörde, welcher eine Ergänzungsleistung ausbezahlt wird, der kantonalen Durchführungsstelle unverzüglich Mitteilung zu machen (Art. 24 ELV).
3.2 3.2.1 Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, dass in den EL-Verfügungen jeweils auf die Meldepflicht hingewiesen wird, wobei der Tatbestand «Veränderung der Anzahl Mitbewohner» ausdrücklich Erwähnung findet. Die Beschwerdeführerin müsse sich die Handlungen der Beiständin anrechnen lassen. Die Beistandsperson wiederum müsse ein Vertrauensverhältnis aufbauen und eine persönliche Begleitung sicherstellen, um sich u.a. die zur Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Kenntnisse und Informationen zu verschaffen.
3.2.2 Die Beschwerdeführerin lässt einwenden, es habe einige Beistandswechsel gegeben; so habe die Beschwerdeführerin allein im Jahr 2022 drei unterschiedliche Beistände gehabt. Am 13. Juni 2022 sei D.___ zum Beistand ernannt und das Mandat (wegen Wohnsitzverlegung) von der KESB [...] auf die KESB E.___ übertragen worden. Per 19. Oktober 2022 sei B.___ als Beiständin eingesetzt worden. Die Beschwerdeführerin habe die heilpädagogische Schule besucht, was ein Indiz dafür sei, dass kognitiv eine gewisse Beeinträchtigung vorliege. Zwei Wochen nach dem am 19. Oktober 2022 erfolgten Beistandswechsel sei der Partner der Beschwerdeführerin bei dieser eingezogen; dies sei der Beiständin durch einen Sozialarbeiter der Sozialregion E.___, welcher für den Partner der Beschwerdeführerin zuständig gewesen sei, gemeldet worden. Am 15. November 2022 habe die Beiständin von demselben Sozialarbeiter erfahren, dass der Partner der Beschwerdeführerin nun nach [...] ziehe. Deshalb habe die Beiständin der Beschwerdegegnerin nicht gemeldet, dass der Partner bei der Beschwerdeführerin eingezogen sei. Der Wegzug des Partners nach [...] habe in der Folge doch nicht stattgefunden, was der Beiständin aber weder von der Beschwerdeführerin noch vom erwähnten Sozialarbeiter (der ferienhalber mehrere Wochen abwesend gewesen sei) noch von dessen Stellvertretung mitgeteilt worden sei. Die Beiständin habe keinen Anlass gehabt, die Mitteilung, der Partner ziehe nach [...], zu überprüfen anzuzweifeln. Regelmässige Hausbesuche seien mit den zeitlichen Ressourcen, die einer Beistandsperson zur Verfügung stünden, nicht möglich. Die Beschwerdeführerin sei wohl über ihre Meldepflicht informiert worden, es könne aber nicht bewiesen werden, dass sie diesbezüglich keine Schwäche bzw. keinen Schutzbedarf habe. Es handle sich um ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände. Aufgrund der fehlenden Beweise zu Ungunsten der Beschwerdeführerin respektive der Indizien zugunsten der Beschwerdeführerin sowie des Zusammentreffens unglücklicher Umstände sei im Sinne des Prinzips «in dubio pro reo» zugunsten der Beschwerdeführerin zu entscheiden.
4. Der Anfang November 2022 erfolgte Einzug des Partners in die Wohnung der Beschwerdeführerin und die damit verbundene Umwandlung des bisherigen Einpersonenhaushalts in einen Zweipersonenhalt bildet eine meldepflichtige Veränderung. In den Verfügungen der Beschwerdegegnerin, welche sowohl an die jeweilige Beistandsperson als auch an die Beschwerdeführerin gingen (vgl. z.B. AK-Nrn. 202, 206), wird jeweils explizit auf die Meldepflicht hingewiesen und der Sachverhalt «Veränderung der Anzahl von Mitbewohnern» ausdrücklich erwähnt (vgl. AK-Nr. 203). Eine Meldung erfolgte nicht. Es stellt sich die Frage, ob dieser Umstand den guten Glauben in Bezug auf die Beschwerdeführerin selbst unter Berücksichtigung der Beistandschaft ausschliesst.
4.1 Die Beschwerdeführerin bezieht eine IV-Rente. Der Invaliditätsgrad beträgt laut den in den Akten enthaltenen Angaben 87 89 % (AK-Nr. 806; vgl. auch AK-Nrn. 415 ff., 634). Auf welchen Diagnosen die Invalidität basiert, ist nicht bekannt. Die Beiständin führt in diesem Zusammenhang aus, es brauche einen Schwächezustand, aus welchem ein Schutzbedarf erwachsen müsse, um überhaupt die Errichtung einer Beistandschaft zu rechtfertigen. Eine Diagnose für sich alleine sei nicht aussagekräftig, vielmehr spiele eine Rolle, wie sich diese auswirke. Ein Fakt sei, dass die Beschwerdeführerin die heilpädagogische Schule besucht habe und dies ein Indiz dafür sei, dass kognitiv eine gewisse Beeinträchtigung vorliege. Den Akten lässt sich aber auch entnehmen, dass die Beschwerdeführerin den Mietvertrag für die Zeit ab 1. März 2023 selbst unterzeichnen konnte (AK-Nrn. 147 f.). Es bestand also seitens der KESB offenbar kein Anlass für eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit; eine solche wird auch in der Ernennungsurkunde (AK-Nr. 99) nicht erwähnt. Dem nur auszugsweise eingereichten E-Mail-Verkehr vom 19. Januar 2023 zwischen Beiständin und Beschwerdeführerin (AK-Nr. 71) lässt sich weiter entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin durchaus Gedanken über die Zahlung der Miete gemacht hatte, auch wenn sie von einer unzutreffenden Regelung ausgegangen war. Kognitive Beeinträchtigungen, welche eine derartige Schwere aufweisen, dass die Beschwerdeführerin auch bei Anwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit ausserstande gewesen wäre zu erkennen, dass der Zuzug des Partners meldepflichtig war, und diesen der erst kurz zuvor eingesetzten neuen Beiständin mitzuteilen, sind damit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Der gute Glaube ist daher bereits mit Bezug auf die Beschwerdeführerin selbst zu verneinen.
4.2 Die Beschwerdeführerin muss sich überdies das Handeln und Unterlassen der Beiständin anrechnen lassen (vgl. E. II. 2.3 hiervor). Die Beschwerdeführerin ist mindestens seit Februar 2016, möglicherweise aber schon deutlich länger, verbeiständet (Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 ZGB i.V.m. Art. 395 ZGB). Wegen mehrerer Wohnsitzwechsel sowie wegen Fluktuationen innerhalb der zuständigen Ämter kam es jeweils schon nach kurzer Zeit zu einem Wechsel der Beistandsperson (vgl. z.B. AK-Nrn. 839, 746, 694, 352, 298). Zuletzt wurde im Juni 2022 D.___, Berufsbeistand bei der Sozialregion E.___ (AK-Nr. 180) als Beistand eingesetzt; er wurde bereits im Oktober 2022 durch die bei derselben Sozialregion tätige Beiständin B.___ abgelöst (AK-Nr. 99). Die Beistandswechsel sind allerdings kein Grund, die Anforderungen an die Erfüllung der Meldepflicht herabzusetzen. Aus dem eingereichten E-Mail-Verkehr (Beschwerdebeilage 5) und den Ausführungen der Beiständin geht hervor, dass diese erfahren hatte, dass C.___ am 1. November 2022 bei der Beschwerdeführerin eingezogen war. Der für C.___ zuständige Sozialarbeiter erklärte jedoch am 15. November 2022 telefonisch und anschliessend per E-Mail, C.___ habe sich «entschieden, am 1. November 2022 nach [...] zu ziehen». In der Folge entschied sich C.___ jedoch (erneut) um und blieb bei der Beschwerdeführerin wohnen, was er dem Sozialarbeiter dessen Stellvertretung auch mitteilte. Diese Information gelangte jedoch nicht bis zur Beiständin der Beschwerdeführerin, weil der Sozialarbeiter mehrere Wochen lang ferienhalber abwesend war und seine Stellvertretung – beide arbeiten ebenfalls bei der Sozialregion E.___, im gleichen Haus wie die Beiständin – die Wichtigkeit der Information, die ihr vorlag, nicht erkannte. Der Beiständin kann angesichts der klaren, per E-Mail bestätigten Information nicht vorgeworfen werden, dass sie in diesem Moment und direkt anschliessend keine weiteren Abklärungen und Nachfragen tätigte. Ebenso wenig kann von ihr verlangt werden, die Beschwerdeführerin quasi im Monatsrhythmus zu Hause zu besuchen, um die Wohnverhältnisse abzuklären. Ob eine mangelhafte Stellvertretungsregelung innerhalb der Organisation geeignet sein könnte, den guten Glauben auszuschliessen, ist – auch unter dem Aspekt, dass die Sozialregion als Behörde mit Drittauszahlung auch selbst meldepflichtig sein könnte (vgl. E. II. 3.1 hiervor und zur Drittauszahlung AK-Nr. 170) – denkbar, muss aber hier nicht näher zu geprüft werden. Aktenkundig ist dagegen, dass die Beiständin der AHV-Zweigstelle am 14. Dezember 2022 einen Mietvertrag für die Zeit ab 1. März 2023 einreichte (vgl. AK-Nr. 151), welchen die Beschwerdeführerin und ihr Partner C.___ am 29. November 2022 unterzeichnet hatten, wobei als aktuelle Adresse bei beiden Personen [...] angegeben war (vgl. AK-Nr. 147 f.). Dieser klare Hinweis auf einen doch bestehenden gemeinsamen Wohnsitz hätte die Beiständin veranlassen müssen, bei der Beschwerdeführerin der innerhalb der Sozialregion für C.___ zuständigen Person nachzufragen. Dadurch hätte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort Kenntnis von den tatsächlichen Wohnverhältnissen erlangt und die Meldepflicht erfüllen können. Weiter legt der nur auszugsweise eingereichte E-Mail-Verkehr zwischen der Beiständin und der Beschwerdeführerin vom 19. Januar 2023 (AK-Nr. 71), in dem Letztere u.a. ausführt, C.___ werde sich «dann schon noch» [wohl: an der Miete beteiligen], «aber erst am neuen Ort», den Schluss nahe, dass eine Mietzinsteilung schon für die Zeit vor dem 1. März 2023 diskutiert wurde. Vor diesem Hintergrund ist eine Meldepflichtverletzung auch mit Blick auf das Verhalten der Beiständin zu bejahen.
4.3 Zusammenfassend hat die Beschwerdegegnerin zu Recht die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens verneint und es deshalb abgelehnt, die Rückforderung von CHF 2'820.00 zu erlassen. Die Beschwerde ist abzuweisen.
5. 5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung.
5.2 Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist (vgl. Art. 61 lit. fbis ATSG). Da das ELG keine Kostenpflicht vorsieht, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
Demnach wird beschlossen und erkannt: 1. Eine Kopie der Eingabe der Beiständin der Beschwerdeführerin vom 3. Oktober 2023 geht samt Beilagen (Urkunden 5 – 7 / E-Mail vom 15. November 2022, E-Mail vom 25. Januar 2023 und Kontoauszug Mietzinszahlungen) zur Kenntnisnahme an die Beschwerdegegnerin. 2. Die Beschwerde wird abgewiesen. 3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 4. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Flückiger Wittwer
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