Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.194: Verwaltungsgericht
Der Beschwerdeführer A. hat beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn beantragt, die Kosten für den Erwerb des Führerausweises Kat. C zu übernehmen, was abgelehnt wurde. Seine Einsprache gegen diesen Entscheid wurde ebenfalls abgelehnt. Daraufhin hat er Beschwerde beim Versicherungsgericht eingereicht, um den Kurs doch genehmigt zu bekommen. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen, da die arbeitsmarktliche Notwendigkeit für den Führerausweis Kat. C nicht gegeben war. Die Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.194 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 09.10.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Arbeit; Führerausweis; Arbeitsmarkt; Massnahme; Versicherungsgericht; Einsprache; Massnahmen; Solothurn; Kursgesuch; Arbeitslosenversicherung; Person; IV-Stelle; Hände; Recht; Präsidentin; Einspracheentscheid; Kantons; Erwerb; Akten; Entscheid; Eingliederung; Rubin; Händen; Bundesgericht; Urteil; Führerausweises; Verfügung; Arbeitsvertrag |
Rechtsnorm: | Art. 59 AVIG;Art. 60 AVIG; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 4. Aufl., Zürich, Art. 61 ATSG, 2020 |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.194 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 09.10.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2023.160 |
Titel: | Kurs |
Resümee: |
Urteil vom 9. Oktober 2023 Es wirken mit: Gerichtsschreiber Haldemann In Sachen A.___ Beschwerdeführer gegen
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Logistik arbeitsmarktlicher Massnahmen, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn, Beschwerdegegnerin
betreffend Kurs (Einspracheentscheid vom 14. August 2023)
zieht die Präsidentin des Versicherungsgerichts in Erwägung: I.
1. Der Versicherte A.___ (fortan: Beschwerdeführer) beantragte am 20. Juni 2023 beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin), es seien die Kosten für den Erwerb des Führerausweises Kat. C inkl. CZV (Chauffeurzulassungsverordnung) zu übernehmen (Akten der Beschwerdegegnerin / AWA S 61 ff.). Die Beschwerdegegnerin wies dieses Kursgesuch mit Verfügung vom 3. Juli 2023 ab. Sie begründete dies mit der fehlenden arbeitsmarktlichen Notwendigkeit, da der besagte Führerausweis die Vermittelbarkeit nur dann im gewünschten Masse steigere, wenn bereits ein Arbeitsvertrag vorhanden sei (AWA S. 47 ff.). Die dagegen gerichtete Einsprache (AWA S. 40 f.) wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 14. August 2023 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.).
2. 2.1 Am 23. August 2023 erhebt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Einspracheentscheid vom 14. August 2023 sei aufzuheben und das Kursgesuch gutzuheissen. Er verweist dabei auf gesundheitsbedingte Schwierigkeiten bei der Stellensuche (A.S. 5 f.).
2.2 Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Beschwerdeantwort vom 13. September 2023, die Beschwerde sei ohne Auflage von Gerichtskosten abzuweisen (A.S. 9 ff.).
2.3 Der Beschwerdeführer hält mit Replik vom 20. September 2023 sinngemäss an seinem Beschwerdebegehren fest (A.S. 18), während die Beschwerdegegnerin am 27. September 2023 auf eine Duplik verzichtet und auf die Anträge in der Beschwerdeantwort verweist (A.S. 20).
II.
1. 1.1 Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. Bei der Beurteilung des Falles ist grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, der bis zum Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides am 14. August 2023 eingetreten ist (Ueli Kieser in: ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 61 N 109).
1.2 Sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten fallen bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 in die Präsidialkompetenz (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Diese Grenze wird hier mit Kurskosten von insgesamt CHF 5'655.00 (s. AWA S. 62 + 64) nicht überschritten, weshalb die Präsidentin des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichterin zuständig ist.
2. 2.1 Zu den Zielen des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG, SR 837.0) gehört es, drohende Arbeitslosigkeit zu verhüten, bestehende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sowie die rasche und dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern (Art. 1a Abs. 2 AVIG).
2.2 Die Arbeitslosenversicherung erbringt finanzielle Leistungen für arbeitsmarktliche Massnahmen zu Gunsten von versicherten Personen sowie von Personen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind (Art. 59 Abs. 1 AVIG). Mit solchen Massnahmen soll die Eingliederung von Personen gefördert werden, die aus Gründen des Arbeitsmarktes erschwert vermittelbar sind (Art. 59 Abs. 2 AVIG). Zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen gehören u.a. Bildungsmassnahmen (Art. 59 Abs. 1bis AVIG), d.h. namentlich individuelle kollektive Kurse zur Umschulung, Weiterbildung Eingliederung sowie Übungsfirmen und Ausbildungspraktika (Art. 60 Abs. 1 AVIG).
2.3 Massnahmen nach Art. 59 ff. AVIG sind nur zuzusprechen, wenn die Arbeitsmarktlage dies unmittelbar gebietet (Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 339 + 340; Boris Rubin, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 60 N 12). Es muss sich um Vorkehrungen handeln, welche es der versicherten Person erlauben, sich dem industriellen und technischen Fortschritt anzupassen, sie in die Lage versetzen, ihre bereits vorhandenen beruflichen Fähigkeiten auch ausserhalb der spezifischen bisherigen Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 353; Rubin, a.a.O., Art. 60 N 12).
3. 3.1 3.1.1 Der Beschwerdeführer, gelernter Strassenbauer, war zunächst in [...] und ab 2008 in der Schweiz in verschiedenen Branchen tätig, zuletzt ab Januar 2018 bei der B.___ GmbH im Hoch- und Tiefbau (AWA S. 32 f.). Die Firma löste diese Anstellung mangels Arbeit per 31. Januar 2020 auf, worauf sich der Beschwerdeführer bei der Arbeitslosenversicherung anmeldete (AWA S. 18), per 1. Dezember 2021 aber wieder abmeldete, nachdem sein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschöpft war (AWA S. 103 + 106).
3.1.2 Der Beschwerdeführer verletzte sich bei Unfällen im Jahr 2012 sowie am 30. Januar 2020 am linken resp. rechten Handgelenk, was letztlich dazu führte, dass beide Gelenke versteift werden mussten. Nach dem zweiten Unfall war der Beschwerdeführer zunächst zu 100 % und später zu 80 % arbeitsunfähig geschrieben, wobei am 30. März und 7. September 2021 operative Eingriffe erfolgten (AWA S. 4 / 9 ff. / 32 / 43). Das Zeugnis des C.___ vom 28. Oktober 2021 attestierte für administrative Tätigkeiten Eingliedermassnahmen ohne Belastung der linken Hand eine Arbeitsfähigkeit von bis zu 50 % (AWA S. 112). Die IV-Stelle Solothurn erteilte am 10. Dezember 2021 Kostengutsprache für ein Aufbautraining vom 13. Dezember 2021 bis 31. März 2022, welches bei der D.___ GmbH in der Kabelkonfektion durchgeführt und bis Juli 2022 verlängert wurde (AWA S. 32 + 104). Der Beschwerdeführer erwies sich in dieser Tätigkeit als zu langsam für den ersten Arbeitsmarkt (AWA S. 40). Über die IV-Stelle konnte er jedoch im Juli 2022 bei der E.___ AG einen Arbeitsversuch antreten (AWA S. 5 + 32).
3.1.3 Nachdem sein Arbeitsverhältnis mit der E.___ AG gesundheitshalber auf Ende 2022 hin beendet worden war (AWA S. 5), meldete sich der Beschwerdeführer am 19. Dezember 2022 wieder bei der Arbeitslosenversicherung an (AWA S. 101 f.). Dr. med. F.___, Leitender Arzt Orthopädie / Handchirurgie am C.___, hielt im Zeugnis vom 15. Dezember 2022 fest, bei kalter Witterung sei eine manuelle Tätigkeit aufgrund von Schmerzen bei mehrfachen Operationen an beiden Händen bis auf Weiteres nicht möglich. Bei höheren Aussentemperaturen bestehe eine Leistungsminderung von mindestens 60 %, bei kalten Temperaturen und Wetterwechsel von bis zu 100 % (AWA S. 89). Dr. med. G.___ ergänzte am 17. Januar 2023, in Frage kämen leichte Tätigkeiten im Innenbereich ohne Temperaturschwankungen, z.B. als Arbeitsagoge (AWA S. 81). Der Vorbescheid der IV-Stelle vom 14. Dezember 2022 stellte in Aussicht, dass das Rentenbegehren abgewiesen werde, wogegen der Beschwerdeführer Einwand erhob (AWA S. 5). Eine Verfügung der IV-Stelle über seinen Leistungsanspruch ist nach Aktenlage bislang nicht ergangen (s. AWA S. 1 und A.S. 18).
3.1.4 Am 20. Juni 2023 stellte der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin ein Kursgesuch, wonach ihm der Besuch der Fahrschule zum Erwerb des Führerausweises der Kat. C inkl. CZV (fortan: Führerausweis Kat. C) zu bewilligen sei (AWA S. 61 f.). Aufgrund seiner Krankengeschichte an beiden Händen könne er so gut wie keine Tätigkeiten das ganze Jahr ausüben. Wenn er den Führerausweis Kat. C mache, habe ihm sein Stellenvermittler sehr gute Chancen zugesichert. Eine Arbeit als Lkw-Chauffeur für Kipper Mulden wäre auch mit seinen Händen das ganze Jahr machbar.
3.1.5 In seiner Einsprache gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an (AWA S. 40 f.), er habe bei Kälte motorische Schwierigkeiten mit den Händen und dürfe ausserdem keine schweren Lasten tragen. Deshalb sei er nicht mehr in der Lage, in seinem erlernten Beruf zu arbeiten. Der Berater im Programm H.___ (s. dazu AWA S. 44) habe ihm bestätigt, dass es sehr schwierig sei, mit seinen Einschränkungen eine geeignete Arbeit zu finden. Nun habe er vom Stellenvermittler ein Angebot, für das er den Führerausweis Kat. C benötige. Bevor er nicht die Fahrerlaubnis besitze, werde kein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag ausstellen. Der Einsprache lag ein Schreiben der Temporärfirma I.___ vom 6. Juli 2023 bei, wonach der Beschwerdeführer mit der abgeschlossenen Prüfung zum Lastwagenfahrer C/E grössere Chancen habe, einen Job zu finden (AWA S. 45). Im August 2023 wurde ergänzt, in der Schweiz fehlten 700 bis 1'000 Fahrer der Kat. C / CE. Wenn die Beschwerdegegnerin den Führerausweis Kat. C bewillige, werde man umgehend mit Vermittlung entsprechender Stellen beginnen (AWA S. 20).
3.1.6 In der Beschwerde wird bekräftigt, dass die bisherigen Berufe im Strassenbau in der Metallbaubranche aufgrund des Arbeitsunfalls nicht mehr in Frage kämen. Chauffeure der Kat. C seien sehr gesucht. Da die Arbeit vom Führerstand aus erledigt werde, würden seine Hände nicht schwer belastet und er könnte ohne Einschränkungen tätig sein. Mit der Ablehnung des Kursgesuchs werde der Zugang zum Arbeitsmarkt verhindert. Er sei auf die Unterstützung der Beschwerdegegnerin angewiesen (A.S. 5 f.).
3.1.7 Der Beschwerdeführer ergänzt in seiner Replik (A.S. 18), da die IV-Stelle die berufliche Eingliederung bereits abgeschlossen habe und eine Rente prüfe, sei sie für sein Kursgesuch nicht mehr zuständig. Er erhalte von keiner Seite Unterstützung, um wieder einer Arbeit nachgehen zu können.
3.2 Die Beschwerdegegnerin begründete die fehlende arbeitsmarktliche Notwendigkeit, den Führerausweis Kat. C zu erwerben, im Einspracheentscheid und der vorhergehenden Verfügung einzig damit, dass der Beschwerdeführer über keinen Arbeitsvertrag verfüge, der diesen Ausweis voraussetze. Diese Argumentation geht fehl, denn weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass Bildungsmassnahmen wie Kurse ausschliesslich auf Fälle beschränkt sein sollen, in denen bereits eine konkrete Anstellung der versicherten Person im Raum steht. Im Ergebnis hat die Beschwerdegegnerin das Kursgesuch vom 20. Juni 2023 jedoch zu Recht abgewiesen. Der Beschwerdeführer beruft sich allein darauf, dass ihn sein Gesundheitszustand auf dem Arbeitsmarkt benachteilige (E. II. 3.1.4 – 3.1.6 hiervor), was in Einklang mit den Arztzeugnissen in den Akten und der dokumentierten beruflichen Entwicklung seit dem Unfall vom 30. Januar 2020 steht (E. II. 3.1.2 + 3.1.3 hiervor). Geht aber eine erschwerte Vermittlungsfähigkeit wie hier auf gesundheitliche Gründe zurück, so besteht kein Anspruch auf arbeitsmarktliche Massnahmen, da es an einem Zusammenhang mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt fehlt. Eine Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung entfällt von vornherein, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Vermittlungsfähigkeit durch die betreffende Massnahme verbessert würde (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 353; Rubin, a.a.O., Art. 60 N 15; Urteil des Kantonsgerichts Freiburg / I. Sozialversicherungsgerichtshof 605 2019 3 vom 19. Februar 2020 E. 2.2). Dies gilt selbst dann, wenn die Invalidenversicherung einen Leistungsanspruch der versicherten Person verneint (Rubin, a.a.O., Art. 60 N 15), weshalb der ausstehende Entscheid der IV-Stelle Solothurn über die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers nicht abgewartet werden muss.
3.3 Zusammenfassend sind mangels arbeitsmarktlicher Indikation die Voraussetzungen nicht erfüllt, um den Erwerb des Führerausweises Kat. C als arbeitsmarktliche Massnahme zu bewilligen. Die Beschwerde stellt sich damit als unbegründet heraus und ist abzuweisen.
4. In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung vor dem kantonalen Versicherungsgericht sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskos- ten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1).
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Haldemann
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