Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.123 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 16.02.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Der Beschwerdeführer, ein Elektroinstallateur, verletzte sich bei einem Arbeitsunfall und erhielt Leistungen von der Suva. Nach weiteren ärztlichen Untersuchungen und Einsprüchen wurde die Leistungspflicht der Suva eingestellt. Der Beschwerdeführer forderte daraufhin eine Integritätsentschädigung, die von der Suva abgelehnt wurde. Das Versicherungsgericht bestätigte die Entscheidung der Suva, da der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den Schulterbeschwerden nicht mehr bestand. Die Beschwerde wurde abgewiesen, ohne Anspruch auf Parteientschädigung oder Verfahrenskosten. |
Schlagwörter: | Unfall; Suva-Nr; Integrität; Integritätsentschädigung; Urteil; Schulter; Verfügung; Einsprache; Bundesgericht; Versicherungsgericht; Beurteilung; Einspracheentscheid; Läsion; Kausalzusammenhang; Recht; Gericht; Anspruch; Kreisärztin; Leistungen; Bundesgerichts; Ereignis; Akten; Beweiswürdigung; Verlauf; Hinweis; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 16 UVG ; Art. 19 UVG ; Art. 24 UVG ; Art. 25 UVG ; Art. 6 UVG ; |
Referenz BGE: | 117 V 261; 122 V 157; 132 V 393; 134 V 109; 140 V 356; 142 V 435; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.123 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 16.02.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.41 |
Titel: | Integritätsentschädigung |
Resümee: |
Urteil vom 16. Februar 2024 Es wirken mit: Oberrichter Flückiger Oberrichter Thomann Gerichtsschreiber Lazar In Sachen A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser Beschwerdeführer
gegen Suva Rechtsabteilung, Postfach 4358, 6002 Luzern, Beschwerdegegnerin
betreffend Integritätsentschädigung (Einspracheentscheid vom 4. April 2023)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. 1.1 Der 1958 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) war im Unfallzeitpunkt vom 11. September 2020 seit dem 28. März 2011 bei der B.___ AG, [...], als Elektroinstallateur angestellt und in dieser Funktion gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) versichert (Akten der Suva [Suva-Nr.] 1).
1.2 Mit Schadenmeldung UVG vom 16. September 2020 (Suva-Nr. 1) wurde der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, der Beschwerdeführer habe am 11. September 2020 während der Arbeit beim Heruntersteigen einer Leiter das Gleichgewicht verloren und sich am linken Oberarm und an der Taille verletzt. Im Verlaufsbericht der Klinik C.___ vom 16. Oktober 2020 (Suva-Nr. 38, S. 3 f.) wurden eine fortgeschrittene posttraumatische Omarthrose links, eine Subscapularissehnenruptur links, eine subtotale Supraspinatussehnenruptur links sowie eine Läsion der langen Bizepssehne links diagnostiziert. Die Beschwerdegegnerin anerkannte mit Schreiben vom 22. September 2020 ihre Leistungspflicht und richtete Taggelder aus (Suva-Nr. 3).
1.3 In der Folge fanden diverse ärztliche Konsultationen und Therapien statt. Die Beschwerdegegnerin nahm weitere Abklärungen vor, insbesondere holte sie frühere Arztberichte in Bezug auf Behandlungen der linken Schulter ein. Am 23. März 2021 fand eine Besprechung zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Beschwerdeführer statt (siehe Bericht vom 23. März 2021; Suva-Nr. 57). Anschliessend veranlasste die Beschwerdegegnerin bei der Kreisärztin Dr. med. D.___, Fachärztin Allgemeinchirurgie und Traumatologie, eine ärztliche Beurteilung (Suva-Nr. 64).
1.4 Mit Schreiben vom 9. Juni 2021 (Suva-Nr. 67) teilte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit, der Zustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden habe, sei gemäss medizinischer Beurteilung spätestens am 20. Juni 2021 wieder erreicht worden, demzufolge die Beschwerdegegnerin per 20. Juni 2021 nicht mehr leistungspflichtig sei. Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 (Suva-Nr. 76) ersuchte der Beschwerdeführer um eine anfechtbare Verfügung. Daraufhin veranlasste die Beschwerdegegnerin bei Dr. med. D.___ eine weitere ärztliche Beurteilung, welche am 16. Juni 2021 erstattet wurde (Suva-Nr. 77).
1.5 Mit Verfügung vom 23. Juni 2021 (Suva-Nr. 80) stellte die Beschwerdegegnerin die Leistungen per 20. Juni 2021 ein. Die dagegen erhobene Einsprache vom 23. August 2021 (Suva-Nr. 92), welche am 28. September 2021 ergänzt wurde (Suva-Nr. 97), wurde mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2021 abgewiesen (Suva-Nr. 98). Die am 8. November 2021 dagegen erhobene Beschwerde (Suva-Nr. 103) wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) mit Urteil vom 26. April 2022 (VSBES.2021.188; Suva-Nr. 128) ab. Die gegen das Urteil des Versicherungsgerichts erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde vom Bundesgericht mit Urteil 8C_355/2022 vom 2. November 2022 abgewiesen (Suva-Nr. 139).
2. 2.1 Mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 (Suva-Nr. 141) beantragte der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung.
2.2 Mit Verfügung vom 4. Januar 2023 (Suva-Nr. 145) lehnte die Beschwerdegegnerin die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung ab. Zur Begründung hielt sie fest, der natürliche Kausalzusammenhang zwischen den Schulterbeschwerden und dem Unfallereignis vom 11. September 2020 sei mit Verfügung vom 23. Juni 2021 per 20. Juni 2021 als dahingefallen angesehen worden. Das kantonale Gericht und das Bundesgericht hätten dies bestätigt.
2.3 Der Beschwerdeführer liess am 3. Februar 2023 Einsprache gegen die Verfügung vom 4. Januar 2023 erheben (Suva-Nr. 147). Mit Einspracheentscheid vom 4. April 2023 (Aktenseite [A.S.] 1 ff.; Suva-Nr. 149) wies die Beschwerdegegnerin die Einsprache ab.
3. Mit Zuschrift vom 12. Mai 2023 lässt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. April 2023 erheben und folgende Rechtsbegehren stellen (A.S. 8 ff.):
1. Dem Beschwerdeführer sei eine Integritätsentschädigung von mindestens 15% auszurichten. 2. Die Integritätsentschädigung sei mit 5% zu verzinsen. 3. Eventualiter sei ein Gerichtsgutachten für die Prüfung und die Höhe der Integritätsentschädigung anzuordnen. 4. Eventualiter sei die Causa an die Beschwerdegegnerin zwecks Bestimmung der Integritätsentschädigung zurückzuweisen. 5. Es sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen. 6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin.
4. Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Beschwerdeantwort vom 26. Mai 2023 (A.S. 16) auf Abweisung der Beschwerde.
5. Am 7. Juni 2023 reicht der Vertreter des Beschwerdeführers seine Kostennote zu den Akten (A.S. 19).
6. Auf die Ausführungen in den Rechtsschriften der Parteien wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
1. 1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.2 Streitig ist vorliegend, ob die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 4. Januar 2023 die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung zu Recht abgewiesen hat.
2. 2.1 Soweit das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG). Die versicherte Person hat u.a. Anspruch auf die zweckmässige Behandlung der Unfallfolgen (Art. 10 Abs. 1 UVG) sowie auf ein Taggeld, sofern sie infolge des Unfalles voll teilweise arbeitsunfähig ist (Art. 16 Abs. 1 UVG). Dabei handelt es sich um vorübergehende Leistungen, die – wie aus Art. 19 Abs. 1 UVG erhellt – nur solange zu gewähren sind, als von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes (d.h. eine Wiederherstellung bedeutende Steigerung der Arbeitsfähigkeit, s. BGE 134 V 109 E. 4.3 S. 115) erwartet werden kann, wobei nur der unfallbedingt, und nicht aber der krankheitshalber geschädigte Gesundheitszustand zu berücksichtigen ist (Alexandra Rumo-Jungo / André Pierre Holzer: Rechtsprechung des Bundesgerichts zum UVG, 4. Aufl., Zürich 2012, S. 101). Sobald dies nicht mehr der Fall ist (und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind), erfolgt der Fallabschluss mit Einstellung der vorübergehenden Leistungen bei gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente sowie auf eine Integritätsentschädigung (BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 114).
2.2 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers gemäss UVG setzt voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche geistige Integrität des Versicherten beeinträchtigt hat, der Unfall mit anderen Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 140 V 356 E. 3.1 S. 358, 129 V 177 E. 3.1 S. 181, 119 V 335 E. 1 S. 338, 118 V 286 E. 1b S. 289 je mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_326/2017 vom 10. Oktober 2017 E. 3).
Ob zwischen einem schädigenden Ereignis einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber der Versicherer bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht (BGE 129 V 181 E. 3.1, 119 V 338 E.1, 118 V 289 E.1b, je mit Hinweisen).
2.3 Wird durch den Unfall ein krankhafter Vorzustand verschlimmert überhaupt erst manifest, entfällt die Leistungspflicht des Unfallversicherers erst, wenn der Unfall nicht die natürliche und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn also letzterer nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft dann zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (status quo ante) aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher später eingestellt hätte (status quo sine) erreicht ist (RKUV 1994 U 206 S. 328 E. 3b).
3. Nach Art. 24 Abs. 1 UVG hat die versicherte Person Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung, wenn sie durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen geistigen Integrität erleidet. Die Integritätsentschädigung wird in Form einer Kapitalleistung gewährt. Sie darf den am Unfalltag geltenden Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen und wird entsprechend der Schwere des Integritätsschadens abgestuft (Art. 25 Abs. 1 UVG). Gemäss Art. 25 Abs. 2 UVG regelt der Bundesrat die Bemessung der Entschädigung. Von dieser Befugnis hat er in Art. 36 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV, SR.832.202) Gebrauch gemacht. Abs. 1 dieser Vorschrift bestimmt, dass ein Integritätsschaden als dauernd gilt, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche geistige Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig stark beeinträchtigt wird. Gemäss Abs. 2 gelten für die Bemessung der Integritätsentschädigung die Richtlinien des Anhanges 3.
4. Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum – auf Verwaltungs- und Gerichtsstufe geltenden – Grundsatz der freien Beweiswürdigung auf. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148, 124 V 90 E. 4b S. 94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und / Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile des Bundesgerichts 8C_101/2010 vom 3. Mai 2010 E. 4.1, 8C_1021/2009 vom 3. November 2010 E. 4.2 und 8C_956/2011 vom 20. Juni 2012 E. 5.1).
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel die Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264, mit Hinweis).
5. 5.1 Die Beschwerdegegnerin legt im angefochtenen Einspracheentscheid vom 4. April 2023 dar, das Bundesgericht habe mit Urteil vom 2. November 2022 das Urteil des Versicherungsgerichts vom 26. April 2022 bestätigt. Das kantonale Gericht habe die Verfügung der Suva vom 23. Juni 2021 als korrekt bezeichnet. Folglich sei die Verfügung der Suva, wonach der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 11. September 2020 und den Schulterbeschwerden links nach drei Monaten weggefallen sei und die Leistungen per 20. Juni 2021 eingestellt worden seien, von allen Instanzen bestätigt worden. Nachdem der Kausalzusammenhang zwischen den Schulterbeschwerden links und dem Unfall weggefallen sei, bestehe auch kein Anspruch auf eine Integritätsentschädigung. Denn eine solche Zahlung wäre nur geschuldet, wenn die dauernde und erhebliche Schädigung der Integrität durch den bei Suva versicherten Unfall hervorgerufen worden sei.
5.2 Der Beschwerde vom 12. Mai 2023 lässt sich entnehmen, die Beschwerdegegnerin wende das Recht willkürlich an, indem sie beurteile, dass mit der Verfügung vom 23. Juni 2021 sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 11. September 2020 abgehandelt worden seien. Die Abweisung der Beschwerde des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Verfügung vom 23. Juni 2021 und der Abweisung des Bundesgerichts mit Urteil vom 2. November 2022 behandle aber materiellrechtlich die Frage der Ausrichtung einer Integritätsentschädigung nach Art. 24 UVG nicht, da die Frage mit grundlegender Verfügung vom 23. Juni 2021 auch nicht behandelt worden sei. Die Beschwerdegegnerin verkenne, dass die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung auch geschuldet sei ohne die Zusprache einer UV-Rente. Massgebend seien allein die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Einspracheerhebung vom 3. Februar 2023 die entsprechenden medizinischen Grundlagen ins Recht gelegt. Diese seien aber von der Beschwerdegegnerin in ihrem Einspracheentscheid nicht gewürdigt und behandelt worden. Mit anderen Worten habe die Beschwerdegegnerin einen Einspracheentscheid gefällt, der sich nicht auf die medizinische Einschätzung als grundsätzliche Leistungsvoraussetzung abstütze.
6. 6.1 Die Integritätsentschädigung beruht auf einer dauernden und erheblichen Schädigung der körperlichen, geistigen psychischen Integrität (Art. 24 Abs. 1 UVG; Art. 36 Abs. 1 UVV; siehe E. II. 3. hiervor). Wie jede Leistungspflicht des Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) setzt auch der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung einen Schaden voraus, welcher in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall steht (Urteil des Bundesgerichts 8C_763/2020 vom 22. Februar 2021 E. 6.3.1, mit Verweis auf BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181 und Urteil 8C_643/2018 vom 4. Juli 2019 E. 5.3.1.3).
6.2 Die Beschwerdegegnerin hielt in ihrer Verfügung vom 4. Januar 2023 sowie in ihrem Einspracheentscheid vom 4. April 2023 dafür, dass dem Beschwerdeführer per 20. Juni 2021 keine Leistungen mehr zustünden. Zur Begründung führte sie aus, der Unfall vom 11. September 2020 habe zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Zustandes geführt und nach einem Zeitraum von maximal 12 Wochen sei der Zustand erreicht gewesen, wie er sich auch ohne Unfall eingestellt hätte. Dabei stützte sie sich auf die Aktenbeurteilungen ihrer Kreisärzte Dr. med. D.___, Fachärztin Allgemeinchirurgie und Traumatologie, und Dr. med. E.___, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 16. Juni 2021 (Suva-Nr. 77) und 27. August 2021 (Suva-Nr. 95). Das Versicherungsgericht hat sich in seinem Urteil VSBES.2021.188 vom 26. April 2022 eingehend mit den Beurteilungen der beiden Kreisätzte auseinandergesetzt. Es hat dann in E. II. 8.2 Folgendes ausgeführt:
«Der Beurteilung von Dr. med. D.___ vom 16. Juni 2021 (Suva-Nr. 77; A.S. II. 7.13 hiervor) ist grundsätzlich voller Beweiswert zuzusprechen, denn sie ist für die streitigen Belange umfassend, ist in Kenntnis der vorhandenen Vorakten abgegeben worden und die Beurteilung der medizinischen Situation leuchtet ebenfalls ein (vgl. E. II. 6.4 hiervor): Dr. med. D.___ setzte sich in ihrer Beurteilung zunächst mit den Akten betreffend früherer Verletzungen der linken Schulter auseinander und stellte fest, dass beim Beschwerdeführer ein Vorzustand aus dem Jahre 2006 bestehe, als dieser erstmalig eine traumatische Schulterluxation erlitten habe. In der Folge habe er im Jahr 2007 eine erneute Schulterluxation ohne Trauma erlitten. Es sei damals eine MRI-Abklärung erfolgt, welche auch der Kreisärztin vorgelegen habe. Damals sei eine grosse Hill-Sachs-Läsion beschrieben worden und eine knorpelige Bankart-Läsion sowie auch Läsionen der Rotatorenmanschette und eine hypertrophe AC-Gelenksarthrose. Der Beschwerdeführer sei damals durch Dr. med. F.___ beurteilt worden. Bei instabiler Situation sei dem Versicherten eine Stabilisierungsoperation nahegelegt worden, welche er damals aber nicht gewollt habe. Im aktuellen MRI vom 2. Oktober 2020 habe sich nun eine ausgedehnte Ruptur der Subscapularissehne im mittleren Anteil sowie eine kalzifizierende Tendinose im oberen Anteil der Subscapularissehne, begleitet von einer fortgeschrittenen fettigen Degeneration und einer Atrophie der betroffenen Muskelregionen, dargestellt. Zusätzlich finde sich eine tiefreichende und ausgedehnte gelenkseitig betonte Partialruptur der Supraspinatussehne (PASTA-Läsion) und zusätzlich bursaseitig eine umschriebene kommunizierende Footprint-Läsion im mittleren Anteil. Weiter werde eine Ruptur der langen Bizepssehne im intraartikulären Verlauf beschrieben sowie eine fortgeschrittene Omarthrose und eine hypertrophe AC-Gelenksarthrose, die zum Zeitpunkt der MRI-Untersuchung auch aktiviert sei. Die Schlussfolgerung der Kreisärztin, wonach diese Läsionen insgesamt allseits degenerativer Genese respektive älterer Genese seien, wird nachvollziehbar begründet: So stellten sich in der Bildgebung keine frischen strukturellen Läsionen dar, die auf das Ereignis vom 11. September 2020 zurückzuführen wären. Mit Hinweis auf die medizinische Lehre führte die Kreisärztin weiter aus, dass das Ausmass der Sehnenretraktion einen Hinweis auf das Alter des Defektes einer Rotatorenmanschette gebe. Bei transmuraler Ruptur könne es im Verlauf zur Retraktion des proximalen Sehnenabschnittes kommen. Eine Studie von Braune zeige, dass innerhalb von 12 Wochen nach einer traumatischen Sehnenruptur der proximale Sehnenstumpf sich nicht bis zum Glenoid darüber hinaus retrahiere. Daraus lässt sich nach Auffassung der Kreisärztin schliessen, dass ein Retraktionsgrad, wie beim Versicherten beschrieben, eine akute Ruptur ausschliesse. Weiter seien eine Hypotrophie bzw. Muskelverschmälerung sowie vor allem eine fettige Infiltration des Muskels ein Zeichen, dass das Erfolgsorgan des Muskels, die Sehne, geschädigt sei. Hypotrophie und Verfettung sagten jedoch nichts aus über die Ursache der Sehnenschädigung. Die Art der Hypotrophie und die fettige Infiltration des Muskels könnten jedoch einen weiteren Hinweis auf das Alter der Ruptur geben. Bei Menschen sei die fettige Infiltration in der Bildgebung erst erkennbar, wenn die Symptome länger als sechs Monate andauerten. Nach einer Studie von Melis betrage das Intervall zwischen einer Rotatorenmanschettenläsion und einer Grad II-Degeneration des dazugehörigen Rotatorenmanschettenmuskels für die Supraspinatussehne drei Jahre und für die Infraspinatussehne zweieinhalb Jahre. Mit sorgfältiger und überzeugender Begründung gelangte die Kreisärztin zum Schluss, dass die Befunde beim Beschwerdeführer weder auf das Ereignis vom September 2020 noch auf das Ereignis aus dem Jahre 2017 zurückzuführen sind. So seien schon auf der Bilddokumentation aus dem Jahre 2006 / 2007 Läsionen im Bereich der Rotatorenmanschette und eine hypertrophe AC-Gelenksarthrose mit deutlichem Impingement nachzuweisen gewesen. Im Verlauf der Jahre, entsprechend der natürlichen Entwicklung, habe die Degeneration im Bereich der linken Schulter zugenommen.
Dagegen ist die ärztliche Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. E.___ vom 27. August 2021 (Suva-Nr. 95; E. II 7.16 hiervor) nur bedingt beweiskräftig. Dr. med. E.___ gelangte in seiner Beurteilung zwar zum selben Ergebnis wie Dr. med. D.___, indem er feststellte, dass sämtliche Befunde den vorbestehenden degenerativen Befunden entsprächen, welche sich im zeitlichen Verlauf von 2007 bis zum jetzigen MRI verstärkt hätten. Der Kreisarzt verglich aber die Bilder der MRI-Untersuchung der linken Schulter vom 23. April 2007 (Suva-Nr. 42; E. II. 7.2 hiervor) mit denjenigen der MRI-Untersuchung der rechten Schulter vom 23. Oktober 2020 (Suva-Nr. 59; E. II. 7.8 hiervor) statt mit den Bildern der linken Schulter vom 2. Oktober 2020 (siehe Suva-Nr. 63; E. II. 7.5 hiervor), weshalb auf seine Schlussfolgerungen nicht abgestellt werden kann. Dagegen ist die Feststellung des Kreisarztes, wonach die Ausführungen im Bericht des Hausarztes Dr. med. G.___ vom 31. Juli 2021 (Suva-Nr. 89; E. II. 7.15 hiervor) der vom Hausarzt selbst festgehaltenen Anamnese anlässlich der Erstkonsultation am 16. September 2020 widersprächen, zutreffend. So wurde von Dr. med. G.___ am 16. September 2020 festgehalten, dass seit vier Monaten zunehmende Schmerzen an der linken Schulter bestünden. Durch den Sturz am 11. September 2020 sei es zu einer Exacerbation der Symptomatik gekommen. Der Bewegungsumfang habe sich nicht wesentlich reduziert, der Kraftverlust sei schon seit längerem bekannt gewesen. Diese Dokumentation beweise eine vorübergehende Schmerzauslösung ohne weitere Funktionsdefizite und widerspreche insbesondere der nunmehrigen Behauptung von Dr. med. G.___, dass es anlässlich des geltend gemachten Ereignisses zu einer deutlichen und dauerhaften richtunggebenden Verschlimmerung des Beschwerdebildes gekommen sei»
Hieran vermochten die Berichte von Dr. med. G.___ vom 31. Juli 2021 und von Dr. med. H.___ vom 16. und 30. Oktober 2020 sowie vom 15. Juli 2021 nichts zu ändern (siehe E. II. 9.2). Das Versicherungsgericht bestätigte schliesslich die Verfügung der Beschwerdegegnerin, wonach der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 11. September 2020 und den Schulterbeschwerden links nach drei Monaten weggefallen sei und die Leistungen per 20. Juni 2021 eingestellt wurden.
6.3 Mit Urteil 8C_355/2022 vom 2. November 2022 hat das Bundesgericht das Urteil des Versicherungsgerichts bestätigt. Konkret hielt es unter E. 9.1 Folgendes fest:
«Zusammenfassend erfüllt die Beurteilung der Dr. med. D.___ vom 16. Juni 2021 die Anforderungen an eine aktenbasierte medizinische Stellungnahme (hierzu vgl. SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95 E. 5d; Urteil 8C_582/2021 vom 11. Januar 2022 E. 8.2). Die Einwände des Beschwerdeführers vermögen keine auch nur geringen Zweifel an ihrer Schlussfolgerung zu begründen, wonach die Befunde an der linken Schulter des Beschwerdeführers maximal nach drei Monaten nicht mehr natürlich kausal auf den Unfall vom 11. September 2020 zurückzuführen gewesen seien. Die vorinstanzlich bestätigte Leistungseinstellung per 20. Juni 2021 ist somit bundesrechtskonform»
6.4 Wie die Beschwerdegegnerin in ihrer Verfügung vom 4. Januar 2023 sowie in ihrem Einspracheentscheid vom 4. April 2023 korrekt ausführt, haben sowohl das Versicherungsgericht als auch das Bundesgericht ihre Verfügung vom 23. Juni 2021 geschützt. Nachdem der Kausalzusammenhang zwischen den Schulterbeschwerden links und dem Unfall vom 11. September 2020 weggefallen ist, besteht folglich kein Anspruch auf eine Integritätsentschädigung. Ein solcher wäre – wie die Beschwerdegegnerin korrekt ausführt – nur geschuldet, wenn die dauernde und erhebliche Schädigung der Integrität durch den von der Beschwerdegegnerin versicherten Unfall hervorgerufen worden wäre.
Daran vermögen auch die eingereichten Berichte von Dr. med. H.___ vom 23. Januar 2023 und Dr. med. I.___ vom 27. Januar 2023 nichts zu ändern. Vielmehr bestätigte Dr. med. I.___ in seinem Bericht vom 27. Januar 2023 die Einschätzungen der Kreisärztin Dr. med. D.___. So stellten die bereits fettigen atrophierten Muskeln der Rotatorenmanschette keine frischen Läsionen dar, sondern es handle sich um eine über längere Zeit entwickelte Pathologie. Er hielt zwar fest, dass diese Beeinträchtigung der linken Schulter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Folge eines Unfalls gewürdigt werde. Er könne aber nicht mit derselben Sicherheit beurteilen, ob dies auf ein Ereignis von 2006 2007 zurückzuführen sei auf die erneute Traumatisierung durch einen Unfall im September 2020.
7. Zusammenfassend ist somit der angefochtene Einspracheentscheid vom 4. April 2023 zu bestätigen und die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen.
Im Übrigen ist betreffend weiterer Beweismassnahmen auf die Praxis zum Umfang der Beweisabnahmepflicht hinzuweisen, wonach der Richter auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten kann, wenn er auf Grund pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass ein bestimmter Sachverhalt als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten ist und dass weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern können (BGE 122 V 157 E. 1d S. 162, 104 V 209 E. a S. 211; Urteil des Bundesgerichts 8C_364/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 3.1). Da von der durch den Beschwerdeführer beantragten Erstellung eines Gerichtsgutachtens keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten sind, ist davon abzusehen.
8. 8.1 Bei diesem Verfahrensausgang besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung.
8.2 Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 3. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten. Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Lazar
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