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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2022.64)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2022.64: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht hat über den Anspruch auf einen Assistenzbeitrag für die Versicherte A.___ entschieden. Die IV-Stelle Solothurn hatte den Anspruch auf den Assistenzbeitrag verneint. Die Eltern der Versicherten haben dagegen Beschwerde erhoben. Das Gericht entschied, dass die IV-Stelle die Handlungsfähigkeit der Versicherten genauer prüfen muss, um über den Anspruch auf den Assistenzbeitrag neu zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin erhält eine Parteientschädigung von CHF 2'066.65, während die IV-Stelle die Verfahrenskosten von CHF 600.00 tragen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2022.64

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2022.64
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2022.64 vom 14.09.2022 (SO)
Datum:14.09.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: ähig; Handlungsfähigkeit; Assistenz; Person; Assistenzbeitrag; IV-Nr; Urteil; IV-Stelle; Anspruch; Vertretung; Solothurn; Verfügung; Invalidenversicherung; Kantons; Beistand; Vertretungsbeistandschaft; Versicherungsgericht; Sinne; Beistands; Entscheid; Urteils; Entschädigung; Personen; Hilfe; Haushalt
Rechtsnorm: Art. 14 ZGB ;Art. 16 ZGB ;Art. 19d ZGB ;Art. 391 ZGB ;Art. 393 ZGB ;Art. 394 ZGB ;Art. 395 ZGB ;Art. 396 ZGB ;Art. 398 ZGB ;
Referenz BGE:127 V 228;
Kommentar:
Thomas Geiser, Kommentar zum Zivilgesetzbuch, Art. 394 OR ZGB ZG, 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2022.64

 
Geschäftsnummer: VSBES.2022.64
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 14.09.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.134
Titel: Assistenzbeitrag

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 14. September 2022

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Oberrichter Flückiger

Oberrichter Thomann

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___, vertreten durch C.___ und D.___, hier vertreten durch Rechtsanwältin Irja Zuber c/o Procap Schweiz

Beschwerdeführerin

gegen

 

IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend       Assistenzbeitrag (Verfügung vom 8. März 2022)

 


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.

 

1.

1.1     Die Versicherte A.___ (fortan: Beschwerdeführerin), geb. [...] 2000, leidet seit Geburt an einer ausgedehnten Hirnnekrose der linken Hemisphäre mit Hemisyndrom rechts, allgemeinem Entwicklungsrückstand sowie Hydrocephalus internus (IV-Stelle Beleg / IV-Nr. 3 S. 3). Sie bezog deswegen in ihrer Kindheit und Jugend verschiedene Leistungen der Invalidenversicherung wie z.B. Sonderschulung.

 

1.2     Am 18. Februar 2021 meldete sich die nunmehr erwachsene Beschwerdeführerin bei der IV-Stelle des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) für eine Hilflosenentschädigung sowie einen Assistenzbeitrag an (IV-Nr. 203 f.). Die Beschwerdegegnerin gewährte in der Folge mit Verfügung vom 23. Juli 2021 per 1. November 2018 eine Entschädigung wegen mittelschwerer Hilflosigkeit (IV-Nr. 216), verneinte jedoch mit Verfügung vom 8. März 2022 einen Anspruch der auf einen Assistenzbeitrag (Aktenseite / A.S. 1 ff.). Zur Begründung gab sie an, die Beschwerdeführerin sei nur eingeschränkt handlungsfähig und erfülle die diesfalls erforderlichen besonderen Anspruchsvoraussetzungen nicht.

 

2.

2.1     C.___ und D.___, Vater und Mutter der Beschwerdeführerin, sind seit [...] 2018 als deren Beistand resp. Beiständin eingesetzt (IV-Nr. 206). Sie lassen am 7. April 2022 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde erheben und folgende Rechtsbegehren stellen (A.S. 5 ff.):

1.      Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 8. März 2022 sei aufzuheben.

2.      Der Beschwerdeführerin sei grundsätzlich ein Assistenzbeitrag zuzusprechen.

3.      Die Angelegenheit ist zu weiteren Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

4.      Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

 

2.2     Die Beschwerdegegnerin verzichtet am 17. Mai 2022 auf eine Beschwerdeantwort und beantragt die Abweisung der Beschwerde (A.S. 20). Die anwaltliche Vertreterin der Beschwerdeführerin reicht sodann am 23. Mai 2022 eine Kostennote ein (A.S. 23 f.). Diese geht am 25. Mai 2022 zur Kenntnisnahme an die Beschwerdegegnerin (A.S. 25), welche sich in der Folge nicht dazu äussert.

 

II.

 

1.       Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen Assistenzbeitrag. Massgebend ist grundsätzlich der Sachverhalt, der bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung vom 8. März 2022 eingetreten ist (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366).

 

2.

2.1     Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) in Kraft. Dies hat jedoch im vorliegenden Fall keine Auswirkungen, da die hier einschlägigen Bestimmungen (s. E. II. 2.2 hiernach) von dieser Gesetzesänderung nicht betroffen sind.

 

2.2

2.2.1  Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben versicherte Personen, denen eine Hilflosenentschädigung nach Art. 42 Abs. 1 bis 4 Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) ausgerichtet wird, die zu Hause leben und die volljährig sind (Art. 42quater Abs. 1 IVG). Ein Assistenzbeitrag wird gewährt für Hilfeleistungen, die von der versicherten Person behinderungsbedingt benötigt und regelmässig von einer natürlichen Person erbracht werden. Diese Assistenzperson wird von der versicherten Person deren gesetzlicher Vertretung im Rahmen eines Arbeitsvertrages angestellt (Art. 42quinquies IVG).

 

2.2.2  Der Assistenzbeitrag bringt für die Bezügerinnen und Bezüger verschiedene Verantwortlichkeiten und Pflichten mit sich: Sie sind Arbeitgeberin Arbeitgeber der Assistenzpersonen, definieren und organisieren die benötigte Hilfe und kontrollieren deren Qualität. Die Bezügerinnen und Bezüger müssen deshalb entsprechende individuelle Fähigkeiten aufweisen. Bei handlungsfähigen (d.h. mündigen und urteilsfähigen) Personen wird davon ausgegangen, dass dies der Fall ist. Für die Prüfung der Handlungsfähigkeit stützt sich die IV-Stelle primär auf das Vorliegen einer vormundschaftlichen Massnahme der zuständigen Behörde, welche die Handlungsfähigkeit einschränkt. Bestehen keine vormundschaftlichen Massnahmen, hegt die IV-Stelle jedoch Zweifel an der Handlungsfähigkeit, so soll diese zusammen mit der zuständigen Behörde abgeklärt werden. Ob trotz eingeschränkter Handlungsfähigkeit mit einem Assistenzbeitrag ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglicht werden kann, hängt von der Schwere der Einschränkung der Handlungsfähigkeit und der davon betroffenen Bereiche ab (Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung / 6. IV-Revision vom 24. Februar 2010, BBl 2010 S. 1901). Der Bundesrat legt die Voraussetzungen fest, unter denen Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit keinen Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben (Art. 42quater Abs. 2 IVG). Gestützt darauf sieht die bundesrätliche Verordnung vor, dass volljährigen Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit dann ein Assistenzbeitrag zusteht, wenn sie eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung beziehen und zu Hause wohnen (Art. 39b Verordnung über die Invalidenversicherung / IVV, SR 831.201). Zusätzlich müssen sie alternativ einen eigenen Haushalt führen (lit. a), regelmässig eine Berufsausbildung im ersten Arbeitsmarkt absolvieren (lit. b), während mindestens zehn Stunden pro Woche eine Erwerbstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt ausüben (lit. c) bei Eintritt der Volljährigkeit bereits einen Assistenzbeitrag bezogen haben (lit. d).

 

2.2.3  Die Handlungsfähigkeit besitzt, wer volljährig und urteilsfähig ist (Art. 13 Schweizerisches Zivilgesetzbuch / ZGB, SR 210). Volljährig ist, wer das 18. Lebensjahr zurückgelegt hat (Art. 14 ZGB). Urteilsfähig im Sinne des Gesetzes wiederum ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB). Die Handlungsfähigkeit kann durch eine Massnahme des Erwachsenenschutzes eingeschränkt werden (Art. 19d ZGB). Das Gesetz unterscheidet zwischen folgenden Beistandschaften mit unterschiedlichen Auswirkungen:

·         Begleitbeistandschaft, wenn die hilfsbedürftige Person für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird nicht eingeschränkt (Art. 393 ZGB).

·         Vertretungsbeistandschaft, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss. Die Erwachsenenschutzbehörde kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entsprechend einschränken (Art. 394 ZGB), was ausdrücklich so angeordnet werden muss. Unterbleibt dies, so schränkt die Vertretungsbeistandschaft die Handlungsfähigkeit nicht ein (Yvo Biderbost / Helmut Henkel in: Thomas Geiser / Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar zum ZGB, 6. Aufl., Basel 2018, Art. 394 N 23).

·         Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung (Art. 395 ZGB). Die Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit entsprechen denjenigen einer Vertretungsbeistandschaft gemäss Art. 394 ZGB (Biderbost / Henkel, a.a.O., Art. 395 N 18 f.). Die Erwachsenenschutzbehörde kann der betroffenen Person den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen, ohne deren Handlungsfähigkeit einzuschränken.

·         Mitwirkungsbeistandschaft, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands der Beiständin bedürfen. Die Handlungsfähig-

keit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt (Art. 396 ZGB).

·         Umfassende Beistandschaft für besonders hilfsbedürftige Personen. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen (Art. 398 ZGB).

 

3.

3.1     Die Beschwerdeführerin hält dafür, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin sei sie trotz der Verbeiständung nicht in ihrer Urteilsfähigkeit eingeschränkt.

 

3.2     Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde [...] (fortan: KESB) fällte am 18. Juli 2018 folgenden Entscheid (IV-Nr. 213 S. 3 ff.):

3.1.      Gestützt auf Art. 394 ZGB i.V. mit Art. 395 ZGB wird mit Wirkung per [...] 2018 eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung angeordnet und den Beistandspersonen die Aufgabe übertragen,

-      das Einkommen und das Vermögen [der Beschwerdeführerin] sorgfältig zu verwalten;

-      [der Beschwerdeführerin] beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten und im Rechtsverkehr soweit nötig zu vertreten und allenfalls Auskünfte einzuholen, namentlich im Verkehr mit (Sozial-)Versicherungen, Banken, Institutionen, Ämter, Behörden.

3.2.      Die Beistandspersonen erhalten die Kompetenz, soweit notwendig gestützt auf Art. 391 Abs. 3 ZGB ohne Zustimmung [der Beschwerdeführerin] deren Post zu öffnen.

3.3.      Als Beistandspersonen für [die Beschwerdeführerin] werden eingesetzt: C.___ und D.___.

(…)

 

In der Begründung dazu trifft die KESB folgende Feststellung (IV-Nr. 213 S. 4 Ziff. 2.5):

Aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Behinderung ist [die Beschwerdeführerin] in vielen Lebensbereichen urteilsunfähig. Sie benötigt in allen finanziellen und administrativen Angelegenheiten vollumfängliche Unterstützung. Ebenso benötigt sie in vielen alltäglichen Belangen Hilfestellungen. [Die Beschwerdeführerin] wird am [...] 2018 volljährig. Die KESB erachtet für [die Beschwerdeführerin] auf dieses Datum hin die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 in Verbindung mit Art. 395 ZGB (…) als geeignet und erforderlich».

 

3.3     Dr. med. E.___, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH, verneinte in seiner E-Mail vom 1. November 2021 (IV-Nr. 220) die Frage der Beschwerdegegnerin, ob die Beschwerdeführerin aus ärztlicher Sicht fähig sei, selbständig einen Haushalt zu führen und mit einem Mindestmass an Selbständigkeit an der Definition ihres Hilfebedarfes teilzunehmen. Zur Begründung gab er an: «Einschätzung als langjähriger Hausarzt und Rücksprache mit den Eltern: Die Haushaltsführung ist nur mit Hilfe (= Assistenz) möglich».

 

3.4     Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass die KESB im Dispositiv ihres Entscheides vom 18. Juli 2018 eine vormundschaftliche Massnahme im Sinne einer Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung anordnete, ohne aber ihre Handlungsfähigkeit formell einzuschränken (s. E. II. 3.2 hiervor). Enthält das Entscheiddispositiv keine ausdrückliche Einschränkung der Handlungsfähigkeit einschliesslich einer Definition ihres Umfangs, so ist zwar grundsätzlich von einer uneingeschränkten Handlungsfähigkeit auszugehen, womit die besonderen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 39b IVV nicht anwendbar wären. Vorbehalten bleiben indes Fälle, in denen eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit anderweitig erstellt ist (s. Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 720 18 223 / 261 vom 27. September 2018 E. 3.3). Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dies treffe hier zu. In den Erwägungen des KESB-Entscheides heisst es in der Tat, die Beschwerdeführerin sei in verschiedenen Bereichen urteilsunfähig (s. E. II. 3.2 hiervor). Diese Feststellung bildet immerhin einen Anhaltspunkt dafür, dass sie faktisch nicht voll handlungsfähig ist. Das Ausmass dieser Einschränkung wird freilich nicht näher umschrieben. Dasselbe gilt für den Abklärungsbericht zur Hilflosigkeit vom 1. Juli 2021 (IV-Nr. 210), wonach die Beschwerdeführerin «rundweg» durch ihre Eltern betreut wird (S. 2) und hinsichtlich Bewältigung von Alltagssituationen, Administration und Haushaltung stets auf eine Begleitung angewiesen ist (S. 6), sowie für die gescheiterte Ausbildung zur Praktikerin Floristik im geschützten Rahmen, welche wegen physischer und psychischer Überlastung abgebrochen werden musste (IV-Nr. 179). Beides könnte auf eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit hindeuten, doch erfolgte jeweils keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die Urteilsfähigkeit, welche ein Assistenzbeitrag mit sich bringt. Erforderlich wäre daher eine ärztliche Stellungnahme zu dieser Frage. Die Mailnachricht von Dr. med. E.___ vom 1. November 2021 hält indes lediglich fest, dass die Beschwerdeführerin weder einen Haushalt selbständig führen noch ihren Hilfsbedarf definieren könne, ohne dass dies im Detail, unter Bezugnahme auf den Gesundheitsschaden der Beschwerdeführerin, begründet würde. Eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit lässt sich dadurch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweisen. Andere aktuelle ärztliche Unterlagen, die sich auf den massgeblichen Zeitraum ab der Volljährigkeit beziehen, sind nicht aktenkundig, so dass auf dieser Grundlage keine abschliessende Beurteilung der Handlungsfähigkeit möglich ist.

 

3.5     Zusammenfassend ist die Beschwerde in dem Sinne gutzuheissen, als die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Angelegenheit zurück an die Beschwerdegegnerin gewiesen wird. Diese hat durch die Einholung von Arztberichten abzuklären, inwieweit die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Anforderungen, welche eine versicherte Person in Zusammenhang mit einem Assistenzbeitrag erfüllen muss, in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist. Anschliessend hat die Beschwerdegegnerin neu über den Anspruch auf einen Assistenzbeitrag zu befinden.

 

4.

4.1     Bei diesem Verfahrensausgang, d.h. angesichts des formellen Obsiegens, hat die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin Anspruch auf eine volle Parteientschädigung, welche grundsätzlich gleich zu gewähren ist wie für ein Obsiegen im materiellen Sinne (BGE 127 V 228 E. 2b/bb S. 234, 110 V 54 E. 3a S. 57). Diese Entschädigung bemisst sich ohne Rücksicht auf den Streitwert nach dem zu beurteilenden Sachverhalt sowie der Schwierigkeit des Prozesses und ist in einer Pauschalsumme festzusetzen (Art. 61 lit. g Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Der anwaltliche Stundenansatz bewegt sich in einem Rahmen von CHF 230.00 bis 330.00 (§ 161 i.V.m. § 160 Abs. 2 Kantonaler Gebührentarif / GT, BGS 615.11).

 

4.2     Die von der Vertreterin eingereichte Kostennote vom 23. Mai 2022 (A.S. 24) weist einen Zeitaufwand von 8,6 Stunden aus, was als angemessen erscheint. Lediglich der nachprozessuale Aufwand für Urteilsstudium und Urteilsbesprechung ist angesichts des Obsiegens praxisgemäss von einer Stunde auf 0,5 Stunden zu kürzen. Bei einem anrechenbaren Aufwand von 8,1 Stunden ergibt sich mit dem beantragten Ansatz von CHF 230.00 eine Entschädigung von CHF 1'863.00. Die Auslagen wiederum werden in der Kostennote nicht einzeln aufgelistet, sondern als Spesenpauschale von 5 % der Entschädigung geltend gemacht. Praxisgemäss ist in einem solchen jedoch nur eine solche Pauschale von 3 % zu gewähren, d.h. CHF 55.90. Einschliesslich CHF 147.75 Mehrwertsteuer (7,7 %) beläuft sich die Parteientschädigung folglich auf insgesamt CHF 2'066.65.

 

5.       Das Beschwerdeverfahren vor dem Versicherungsgericht ist kostenpflichtig, sofern es sich wie hier um Streitigkeiten betreffend die Bewilligung Verweigerung von Leistungen der Invalidenversicherung handelt. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von CHF 200.00 bis 1‘000.00 festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG).

 

Im vorliegenden Fall hat die unterlegene Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen. Der geleistete Kostenvorschuss in Höhe von CHF 600.00 wird dementsprechend der Beschwerdeführerin zurückerstattet.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, als die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 8. März 2022 aufgehoben und die Angelegenheit zurück an die Beschwerde-

gegnerin gewiesen wird, damit diese im Sinne der Erwägungen verfährt.

2.    Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 2'066.65 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

3.    Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu tragen. Der geleistete Kostenvorschuss in Höhe von CHF 600.00 wird der Beschwerdeführerin zurücker-

stattet.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Haldemann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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