Zusammenfassung des Urteils VSBES.2022.240: Verwaltungsgericht
Eine Person hat sich bei der IV-Stelle angemeldet und wurde zuerst abgelehnt, dann erneut angemeldet aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustands. Nach einem Gutachten wurde ein Anspruch auf berufliche Massnahmen und Invalidenrente abgelehnt, worauf die Person Beschwerde einreichte. Das Versicherungsgericht entschied zugunsten der Beschwerdeführerin und sprach ihr eine Invalidenrente in Höhe von 50% ab dem 1. Juli 2021 zu. Die Beschwerdeführerin erhält eine Parteientschädigung von CHF 2'337.60. Die IV-Stelle muss die Verfahrenskosten von CHF 600.00 tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2022.240 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 11.01.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | ähig; IV-Nr; Recht; Gutachten; Invalidität; Arbeitsfähigkeit; Behandlung; Verfügung; Rente; IV-Stelle; Anspruch; Gutachter; Renten; Verwaltung; Invaliditätsgrad; Befunde; Untersuchung; Invalidenrente; Hinweis; Beurteilung; Schweiz; Bundesgericht; Person; Urteil; Solothurn; Zeitpunkt |
Rechtsnorm: | Art. 13 ATSG ;Art. 17 ATSG ;Art. 29 AHVG ;Art. 44 ATSG ;Art. 8 ATSG ; |
Referenz BGE: | 104 V 212; 125 V 352; 125 V 353; 130 V 68; 132 V 99; 133 V 108; 134 V 231; 136 I 229; 141 V 281; 144 V 210; 148 V 49; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2022.240 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 11.01.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.19 |
Titel: | Eingliederungsmassnahmen und Invalidenrente |
Resümee: |
Urteil vom 11. Januar 2024 Es wirken mit: Präsidentin Weber-Probst Oberrichter Flückiger Oberrichterin Kofmel Gerichtsschreiberin Baltermia-Wenger In Sachen A.___ vertreten durch Rechtsanwältin Clivia Wullimann Beschwerdeführerin
gegen
IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
betreffend Eingliederungsmassnahmen und Invalidenrente (Verfügung vom 18. Oktober 2022)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. Die 1973 geborene A.___ meldete sich am 12. November 2014 bei der IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend: IV-Stelle) zum Leistungsbezug an (IV-Nr. 1). Mit Verfügung vom 21. Juni 2016 lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf berufliche Massnahmen und eine Invalidenrente ab (IV-Nr. 38).
2. 2.1 Am 30. Juli 2020 meldete sich A.___ erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an unter Hinweis auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (IV-Nr. 44).
2.2 Die IV-Stelle holte in der Folge die medizinischen Berichte ein und führte ein Intake-Gespräch durch (IV-Nr. 51). Danach veranlasste sie ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. med. B.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, welches am 29. November 2021 erstattet wurde (IV-Nr. 79), sowie eine Haushaltsabklärung (IV-Nr. 80). Mit Stellungnahme vom 7. Dezember 2021 bestätigte der regionale ärztliche Dienst (nachfolgend: RAD) die gutachterlich attestierte Arbeitsfähigkeit von 50 % spätestens ab dem Zeitpunkt der Wiederanmeldung (IV-Nr. 83). Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens (IV-Nr. 91) lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. Oktober 2022 einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen sowie auf eine Invalidenrente ab (A.S. 1).
3. Dagegen erhebt A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin), vertreten durch Rechtsanwältin Clivia Wullimann, am 21. November 2022 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) mit folgenden Rechtsbegehren (A.S. 10): 1. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 18. Oktober 2022 sei vollumfänglich aufzuheben. 2. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Invalidenrente sei ab Anmeldung vom 18. September 2020 gut zu heissen. 3. Eventualiter sei die Beschwerdesache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz/Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 4. Es sei der Beschwerdeführerin eine angemessene Frist zur Einreichung einer eingehenden Beschwerdebegründung anzusetzen. 5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
4. Die Beschwerdegegnerin verzichtet mit Eingabe vom 14. Februar 2023 auf eine Beschwerdeantwort (A.S. 37).
5. Mit Verfügung vom 22. Mai 2023 wird der Beschwerdeführerin ab Prozessbeginn die unentgeltliche Rechtspflege (Befreiung von Gerichtskosten und von der Kostenvorschusspflicht) bewilligt und Rechtsanwältin Clivia Wullimann als unentgeltliche Rechtsbeiständin eingesetzt (A.S. 50).
6. Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften der Parteien wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
1. 1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.2 Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) in Kraft. Vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen sind in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen materiellen Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1 mit Hinweisen). Dementsprechend ist der Anspruch für die Zeit bis Ende 2021 nach denjenigen materiellrechtlichen Normen zu beurteilen, welche damals in Kraft standen.
2. Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]). Sie kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit Unfall sein. Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (Art. 4 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG, SR 831.20]). Nach Art. 28 Abs. 1 IVG haben jene Versicherte Anspruch auf eine Rente, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten verbessern können (lit. a) und zusätzlich während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig gewesen sind (lit. b) sowie nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid (Art. 8 ATSG) sind.
3. 3.1 Wurde eine Rente wegen eines fehlenden zu geringen Invaliditätsgrades bereits einmal verweigert bzw. aufgehoben, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV). Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorausgegangener rechtskräftiger Rentenverweigerung immer wieder mit gleichlautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Rentengesuchen befassen muss (BGE 130 V 68 E. 5.2.3, 125 V 412 E. 2b, 117 V 200 E 4b).
3.2 Tritt die Verwaltung – wie im vorliegenden Fall – auf eine Neuanmeldung ein, so hat sie die Sache materiell abzuklären und sich zu vergewissern, ob die von der versicherten Person glaubhaft gemachte Veränderung des Invaliditätsgrades auch tatsächlich eingetreten ist; sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorzugehen (AHI 1999 S. 84 E. 1b mit Hinweisen, bezogen auf Art. 41 a.F. IVG). Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so weist sie das neue Gesuch ab. Andernfalls hat sie zusätzlich noch zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine rentenbegründende Invalidität zu bejahen, und hernach zu beschliessen. Im Beschwerdefall obliegt die gleiche materielle Prüfungspflicht auch dem Gericht (BGE 133 V 108, 117 V 198 E. 3a, 109 V 115 E. 2b).
Ob eine anspruchsbegründende Änderung in den für den Invaliditätsgrad erheblichen Tatsachen eingetreten ist, beurteilt sich im Neuanmeldungsverfahren – analog zur Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG – durch Vergleich des Sachverhaltes, wie er im Zeitpunkt der Ablehnungsverfügung bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der streitigen neuen Verfügung (BGE 130 V 73 E. 3.1 mit Hinweisen; AHI 1999 S. 84 E. 1b). Zeitlicher Referenzpunkt für die Prüfung einer anspruchserheblichen Änderung bildet die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108 E. 5.4).
4. 4.1 Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen angewiesen, die Ärztinnen und Ärzte sowie gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind ärztliche Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der versicherten Person noch zugemutet werden können (BGE 132 V 99 f. E. 4, 125 V 261 E. 4).
4.2 Sowohl im Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Sozialversicherungsprozess gilt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit weiteren Hinweisen) zu betrachten, und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148, 124 V 90 E. 4b S. 94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile des Bundesgerichts 9C_360/2015 vom 7. April 2016 E. 3.1 mit Hinweis, 9C_662/2016 vom 15. März 2017 E. 2.2).
4.3 Im Sozialversicherungsverfahren sind die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 352 E. 3a). Das Sozialversicherungsgericht hat alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt. Der Beweiswert eines ärztlichen Berichts hängt davon ab, ob er für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352).
4.4 Die Rechtsprechung erachtet es als mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung vereinbar, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen (BGE 125 V 352 ff. E. 3b). So ist einem im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten medizinischen Gutachten durch externe Spezialärztinnen und -ärzte, welches aufgrund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten erstellt worden ist und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangt, in der Beweiswürdigung volle Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 104 V 212). Andererseits ist der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, dass behandelnde Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen mitunter eher zu Gunsten ihrer Patientinnen und Patienten aussagen (BGE 125 V 353). Schliesslich haben die Berichte versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen grundsätzlich Beweiswert, doch kommt ihnen praxisgemäss nicht dieselbe Beweiskraft zu wie einem Gutachten, das der Versicherungsträger im Verfahren nach Art. 44 ATSG von einer externen Fachperson eingeholt hat einem Gerichtsgutachten (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f. mit Hinweisen).
5. Streitig und zu beurteilen ist, ob die Beschwerdegegnerin das im Rahmen der Neuanmeldung beantragte Leistungsbegehren der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 18. Oktober 2022 zu Recht abgewiesen hat.
6. Zunächst sind die für ausländische Staatsangehörige vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 IVG und Art. 31 IVG zu prüfen.
6.1 Grundsätzlich sind (über 20jährige) ausländische Staatsangehörige gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG nur dann leistungsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben. Anspruch auf eine ordentliche Invalidenrente haben gemäss Art. 36 Abs. 1 IVG nur jene Versicherte, die bei Eintritt der Invalidität während mindestens drei Jahren Beiträge geleistet haben. Für die Berechnung der ordentlichen Renten sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.1) sinngemäss anwendbar (Art. 36 Abs. 2 IVG).
6.2 Die Beschwerdeführerin ist am 21. Juli 2004 aus dem Jemen in die Schweiz eingereist. Die Erfordernisse des Wohnsitzes in der Schweiz und des zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthaltes in der Schweiz sind somit gegeben. Die versicherungsmässigen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 IVG sind demnach erfüllt.
6.3 Fraglich ist indessen, ob die nie erwerbstätig gewesene Versicherte auch die für den Erhalt einer ordentlichen Rente notwendige Beitragsdauer von drei Jahren gemäss Art. 36 Abs. 1 IVG erfüllt. Die Beitragsdauer lässt sich nebst dem Erwerbseinkommen auch mit Betreuungs- und Erziehungsgutschriften berechnen (Art. 36 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 AHVG). Erziehungsgutschriften sind fiktive Einkommen und werden im Gegensatz zu den Betreuungsgutschriften nicht laufend im individuellen Konto der anspruchsberechtigten Person eingetragen (Kieser Ueli, in: RBS-Kommentar, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AHVG, Art. 29sexies AHVG, Rz. 4). Eine Erziehungsgutschrift wird Versicherten für diejenigen Jahre angerechnet, in welchen ihnen die elterliche Sorge für eines mehrere Kinder zusteht, die das 16. Altersjahr noch nicht erreicht haben. Dabei werden Eltern, die gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge sind, jedoch nicht zwei Gutschriften kumulativ gewährt (Art. 36 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 29sexies Abs. 1 AHVG). Bei verheirateten Personen wird die Erziehungsgutschrift während der Kalenderjahre der Ehe hälftig aufgeteilt. Der Teilung unterliegen aber nur die Gutschriften für die Zeit zwischen dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und dem 31. Dezember vor Eintritt des Versicherungsfalles beim Ehegatten, welcher zuerst rentenberechtigt wird (Art. 36 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 29sexies Abs. 3 AHVG). Die Kinder der Beschwerdeführerin waren im Zeitpunkt der Einreise in die Schweiz ein Jahr (geb. 2003) bzw. neun Jahre alt (geb. 1995). Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und es ist davon auszugehen, dass sich die Ehegatten das Sorgerecht für die beiden Kinder teilen. Unter Berücksichtigung der maximalen Anrechenbarkeit bis zum 16. Altersjahr des jüngsten Kindes und der hälftigen Aufteilung zwischen den Ehegatten beträgt die Dauer der Erziehungsgutschrift rund siebeneinhalb Jahre. Die massgebenden Erziehungsbeiträge wurden bis Juni 2019 und damit vor dem hier umstrittenen Eintritt der Invalidität (im Zeitpunkt der Wiederanmeldung per Juli 2020; IV-Nr. 44) geleistet. Das Erfordernis der dreijährigen Beitragsdauer gemäss Art. 31 Abs. 1 IVG ist folglich erfüllt.
7. Zu beurteilen sind somit die allgemeinen Rentenvoraussetzungen nach Art. 8 Abs. 1 und 28 Abs. 1 IVG.
7.1. Die Beschwerdegegnerin stellt sich bei der Abweisung des Leistungsanspruchs auf den Standpunkt, dass dem im Verwaltungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten von Dr. med. B.___ die rechtliche Massgeblichkeit zu versagen sei. Die darin attestierte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im Umfang von 50 % werde nicht schlüssig erklärt. Folglich lasse sich weder eine Einschränkung im Erwerb noch im Haushalt plausibilisieren. Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, dass gestützt auf das Gutachten von Dr. med. B.___ von einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Nachfolgend ist zu beurteilen, ob das umstrittene Verwaltungsgutachten beweiswertig ist und ob eine anspruchsbegründende Änderung des Gesundheitszustands seit der letzten Rentenbeurteilung vorliegt.
7.2 Im psychiatrischen Gutachten vom 29. November 2021 diagnostiziert Dr. med. B.___ basierend auf den gutachterlichen Untersuchungsbefunden und den medizinischen Vorakten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, mit somatischen Symptomen (F33.11). Ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit bestünden (-) Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung (Z60.3), ein (-) Störungsbild Krankheit des mittleren Sohnes, (-) Tod des ältesten Sohnes (Z63.4) und (-) Probleme in der Beziehung zum Ehepartner (Z63.0). Medizinisch-theoretisch bestehe aktuell eine quantitative Arbeitsfähigkeit von 50 %. Im Vergleich zur Voruntersuchung im Jahre 2015 sei davon auszugehen, dass sich insbesondere der Antrieb, die Denkverlangsamung, die Affektinkontinenz und die Verzweiflungsgefühle akzentuiert hätten. Das Gutachten von Dr. med. B.___ beruht auf einer umfassenden Aktenanamnese sowie einer psychiatrischen Untersuchung. Des Weiteren lässt sich die gutachterlich diagnostizierte rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, anhand der Untersuchungsbefunde, namentlich der festgestellten deutlich herabgesetzten Stimmungslage, der erheblichen Antriebsminderung, der Affektinkontinenz, der Denkverlangsamung, der psychomotorischen Verlangsamung sowie dem Gedankengrübeln, der Ein- und Durchschlafstörung mit Albträumen und der Libidominderung nachvollziehbar begründen. Die erheblichen psychosozialen Faktoren werden im Gutachten thematisiert und in zutreffender Weise als Faktoren ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit bewertet. Der Gutachter stellt in dieser Hinsicht klar, dass die psychosozialen Faktoren zwar relevant seien, das depressive Störungsbild letztlich aber als eigenständige Entität zu verstehen sei. Die gutachterliche Diagnosestellung erweist sich demnach als schlüssig und wird auch vom RAD und dem behandelnden Psychiater Dr. med. C.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, unterstützt. Der behandelnde Psychiater diagnostiziert zusätzlich noch eine posttraumatische Belastungsstörung. Diesbezüglich legt Dr. med. B.___ plausibel dar, dass entsprechende Befunde – beispielsweise Nachhallerinnerungen, Gefühle des Betäubtseins eine emotionale Stumpfheit – nicht hätten eruiert werden können. Insgesamt gelangt der Gutachter zum Ergebnis, dass die Arbeitsfähigkeit der Versicherten 50 % betrage. Der Gutachter begründet die attestierte quantitative Einschränkung von 50 % mit der Denkverlangsamung, insbesondere der Antriebsminderung bzw. der zu erwartenden vorzeitigen Erschöpfung sowie untergeordnet auch dem Gedankenkreisen. Der RAD bestätigt in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2021 die Arbeitsfähigkeit von 50 %. Der Beginn der Verschlechterung sei spätestens zum Zeitpunkt der Wiederanmeldung erkennbar (IV-Nr. 83). In der angefochtenen Verfügung weicht die Beschwerdegegnerin von dieser einhelligen medizinischen Ausgangslage ab und beziffert die Arbeitsfähigkeit mit 100 %. Als Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass eine schlüssige Erklärung für die gutachterlich attestierte Arbeitsfähigkeit im Umfang von 50 % fehle, da keine schwere psychische Störung vorliege. Namentlich unter Berufung auf das strukturierte Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 kommt die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer Indikatorenprüfung zum Ergebnis, dass die diagnoserelevanten Befunde nicht schwer ausgeprägt seien, ein therapeutisches Potenzial nicht ausgeschlossen werden könne und eine nennenswerte psychiatrische Komorbidität fehle.
7.3 Nachfolgend ist die gutachterliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit somit einer Prüfung mittels strukturiertem Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Diesbezüglich sind zusammengefasst folgende Standardindikatoren massgebend: 1) Kategorie «funktioneller Schweregrad» (E. 4.3) a) Komplex «Gesundheitsschädigung» (E. 4.3.1) - Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde (E. 4.3.1.1) - Behandlungs- und Eingliederungserfolg -resistenz (E. 4.3.1.2) - Komorbiditäten (E. 4.3.1.3) b) Komplex «Persönlichkeit» (Persönlichkeitsdiagnostik, persönliche Ressourcen; E. 4.3.2) c) Komplex «Sozialer Kontext» (E. 4.3.3) 2) Kategorie «Konsistenz» (Gesichtspunkte des Verhaltens; E. 4.4) - gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen (E. 4.4.1) - behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck (E. 4.4.2).
In Bezug auf die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome ist dem Gutachten zu entnehmen, dass affektiv eine deutlich herabgesetzte Stimmungslage und eine erhebliche Antriebsminderung vorliegen. Diagnoserelevant sind ausserdem die Affektinkontinenz, die Denkverlangsamung, die leichte psychomotorische Verlangsamung, das Gedankengrübeln, die Ein- und Durchschlafstörung mit Albträumen sowie die Libidominderung. Gemäss der gutachterlichen Einschätzung hätten sich im Vergleich zur Begutachtung im Jahre 2015 insbesondere die Antriebsminderung sowie auch die Denkverlangsamung und die Affektinkontinenz akzentuiert. Gestützt auf die vorstehenden Befunde klassifiziert der Gutachter die depressive Störung als mittelgradige Episode mit somatischen Symptomen (F32.11). Von einer schweren depressiven Episode gehe er nicht aus, zumal sich die Versicherte zu Beginn der gutachterlichen Untersuchung mit ihrem Ehemann handgreiflich gestritten habe, was auf den Erhalt eines gewissen Energieniveaus verweise. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde nicht als schwer bezeichnet werden könne, ist im Grundsatz nicht zu widersprechen. Eine leichte Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde ist hingegen – insbesondere mit Blick auf die deutlich herabgesetzte Stimmungslage und die erhebliche Antriebsminderung – ebenfalls zu verneinen. Vorliegend ist unter Berücksichtigung der vielseitig und teils erheblich ausgeprägten Symptomatik am ehesten von einem mittelschweren Leiden auszugehen. Hinsichtlich des Indikators Behandlungs- und Eingliederungserfolg resp. -resistenz ist dem Gutachten zu entnehmen, dass die Versicherte seit vielen Jahren in Behandlung bei Dr. med. C.___ steht, im Rahmen derer eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung in vier- bis sechswöchentlichen Abständen sowie eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Nach Auffassung des Gutachters sei eine Verbesserung des depressiven Zustandsbildes weder durch eine Optimierung der medikamentösen Behandlung noch durch eine relevante therapeutische Optimierung zu erwarten. Namentlich von einer stationären teilstationären Behandlung seien keine relevanten Verbesserungen zu erwarten, zumal eine teilstationäre Behandlung aufgrund der schlechten bzw. fehlenden Deutschkenntnisse auch kaum realistisch sein dürfte. Dennoch sei es psychotherapeutisch wichtig, die Versicherte im Bereiche des Möglichen sozialpsychiatrisch zu begleiten, auch wenn letztlich ein Arbeitsprozess aus medizinischen und psychosozialen Gründen unmöglich sein dürfte. Um der Versicherten gerecht zu werden, werde ein zumindest dreiwöchentliches, besser vierzehntägliches Therapiesetting vorgeschlagen. Die antidepressive Medikation sei adäquat und es könne mit Blick auf die Laboruntersuchung von einer aktuell guten Compliance ausgegangen werden. Insgesamt spricht sich der Gutachter für eine Behandlungs- und Eingliederungsresistenz aus. Gegen diese Schlussfolgerung wendet die Beschwerdegegnerin indessen ein, es liege keine ausgewiesene Behandlungsresistenz im rechtlichen Sinne vor. Der psychiatrische Experte bezeichne nachweislich bestehende Therapieoptionen und -optimierungen einzig mit Berufung auf psychosoziale Belastungsfaktoren als nicht relevant. Dieser Rückschluss greift vorliegend zu kurz. Die Annahme, dass eine ungeeignete Behandlung mit Optimierungsmöglichkeiten erfolge, ist eine Mutmassung und lässt sich anhand der fachmedizinischen Ausführungen nicht begründen. Vielmehr bringt der Gutachter zum Ausdruck, dass grundsätzlich eine geeignete Therapie mit guter Compliance erfolge. Sein Vorschlag, die Therapiefrequenz zu erhöhen, hat zum Ziel, die Versicherte sozialpsychiatrisch zu begleiten. Seine negative Prognose hinsichtlich des Arbeitsprozesses führt der Gutachter ausserdem explizit auch auf medizinische Gründe zurück. Insgesamt ist vorliegend von einer eher negativen Prognose in Bezug auf den Behandlungs- und Eingliederungserfolg auszugehen. Relevante Komorbiditäten sind sodann nicht auszumachen. In diesem Punkt ist der Beschwerdegegnerin beizupflichten. Hingegen sind in Ergänzung zu den Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid bei der Beurteilung des «funktionellen Schweregrads» auch der Komplex «Persönlichkeit» und der «soziale Kontext» zu würdigen. Es ist vorliegend von einer ungünstigen Auswirkung der Persönlichkeitsstruktur auszugehen. Der Gutachter beschreibt eine niedergeschlagene, verzweifelte Versicherte mit Freudarmut und Hoffnungsarmut. Bei belastenden Themen bleibe sie häufig stumm und beginne zu weinen und zu schluchzen. Es fehlen auch eine Berufsausbildung und Sprachkenntnisse. Die persönlichen Ressourcen sind daher als bescheiden einzuordnen. Gleiches gilt für die soziale Ressourcenlage. Die Versicherte lebt zwar mit ihrem Ehemann und ihren beiden Söhnen zusammen. Gemäss Gutachter leide sie aber unter der Krankheit des älteren Sohnes und die Beziehung zu ihrem Ehemann sei konflikthaft. Weiter stehe sie in Dependenz von ihrem Ehemann und könne ein selbständiges Leben in der Schweiz nicht umsetzen. Nach Einschätzung des Gutachters sei die Ressourcenlage der Beschwerdeführerin als ausgesprochen dürftig anzusehen. Darauf ist abzustellen. Im Gutachten wird schliesslich eine gleichmässige Einschränkung des Aktivitäten-niveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen bejaht. Relevante Inkonsistenzen seien keine festzumachen und es könne im Wesentlichen von Konsistenz und Plausibilität ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin nimmt auch konsequente ambulante Therapiemassnahmen mit medikamentöser Behandlung in Anspruch. Ein behandlungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck kann somit ebenfalls bejaht werden.
7.4 Gestützt auf die obigen Erwägungen ergibt sich, dass das psychiatrische Gutachten von Dr. med. D.___ genügend Aufschluss über die massgeblichen Indikatoren gemäss BGE 141 V 281 gibt. Eine Gesamtwürdigung der Indikatoren führt zum Schluss, dass bei der Versicherten mehrere Belastungsfaktoren sowie ein konsistentes Verhalten bejaht werden können. Die gutachterliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von 50 % erweist sich somit auch im Lichte der Rechtsprechung nach BGE 141 V 281 als überzeugend. Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die vorliegend zu beurteilende Expertise aufgrund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten erstattet wurde und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangt, weshalb ihr volle Beweiskraft zuzuerkennen ist.
7.5 Der Vollständigkeit halber bleibt anzufügen, dass die seitens der Beschwerdegegnerin angerufene Rechtsprechung in BGE 148 V 49 E. 6.2.2 und 6.3 aufgrund der abweichenden Ausgangslage nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Im besagten Fall bescheinigte der psychiatrische Experte der versicherten Person zwar ebenfalls eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. Im Gegensatz zur vorliegenden Situation waren hingegen die Therapiemöglichkeiten nach Ansicht des psychiatrischen Experten bei weitem nicht ausgeschöpft und es lagen gute Prognosen vor. Im zitierten Entscheid konnte folglich die Behandlungsresistenz klar verneint werden, was vorliegend nicht der Fall ist. Zu beachten ist im Weiteren auch, dass sich die im besagten Entscheid aufgeführten diagnoserelevanten Befunde nicht mit denjenigen der Beschwerdeführerin gleichsetzen lassen. Ebenfalls von Bedeutung ist schliesslich die Tatsache, dass bei der vorliegenden Beurteilung des funktionellen Schweregrades die Persönlichkeitsstruktur sowie der soziale Kontext ausgesprochen negativ ins Gewicht fallen. Aus all diesen Gründen liegen keine gewichtigen Gründe vor, um von der im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Expertise des externen Facharztes abzuweichen.
8. Ein Vergleich des Gesundheitszustandes im Zeitpunkt der letzten Ablehnungsverfügung vom 21. Juni 2016 (IV-Nr. 38) mit jenem zur Zeit der streitigen neuen Verfügung zeigt eine wesentliche Verschlechterung. Der Gutachter beschreibt eine im Vergleich zur Voruntersuchung im Jahre 2015 festgestellte Akzentuierung des Antriebs, der Denkverlangsamung, der Affektinkontinenz und der Verzweiflungsgefühle (IV-Nr. 79, S. 23). Auch nach Einschätzung des RAD liegt eine Verschlechterung vor, die spätestens zum Zeitpunkt der Wiederanmeldung im Juli 2020 erkennbar sei (IV-Nrn. 83 und 51, S. 4). Im Weiteren bestand damals – im Gegensatz zur jetzigen Situation – eine positive Behandlungsprognose und die Arbeitsfähigkeit wurde auf 70 % – heute auf 50 % – festgesetzt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass basierend auf dem Gutachten von Dr. med. B.___ und der RAD-Stellungnahme eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes spätestens per Juli 2020 ausgewiesen ist (IV-Nrn. 83 und 51, S. 4).
9. Demnach gilt es den Invaliditätsgrad und den damit verbundenen Rentenanspruch der Versicherten zu beurteilen.
9.1 Die Versicherte ist nie einer regelmässigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. In den Haushaltsabklärungen vom 11. Dezember 2015 und 30. November 2021 kommt der Abklärungsdienst dennoch wiederholt zum Ergebnis, dass die Versicherte im Gesundheitsfall zu 100 % erwerbstätig wäre. Der Ehegatte der Versicherten gehe keiner adäquaten Anstellung nach, weshalb von einer vollen Erwerbstätigkeit der hypothetisch gesunden Versicherten auszugehen sei (IV-Nrn. 30 und 80). Basierend auf dieser nachvollziehbaren Beurteilung ist der Invaliditätsgrad nachfolgend anhand der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs zu ermitteln. Beim Einkommensvergleich werden in der Regel die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Vorliegend fehlen konkrete Berechnungswerte für die Bemessung des Validenlohns und des Invalidenlohns, weshalb für die Ermittlung der beiden Vergleichseinkommen die Lohntabellen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (LSE) heranzuziehen sind (Urteil des Bundesgerichts 9C_287/2021 vom 9. Dezember 2022 mit Verweis auf AHI 1999 S. 237, I 377/98 E. 3b S. 240). In Bezug auf das Valideneinkommen ist dem Abklärungsbericht vom 30. November 2021 zu entnehmen, dass die Versicherte im Gesundheitsfall als Ungelernte in der Reinigung in einer repetitiven industriellen Tätigkeit arbeiten würde (IV-Nr. 80). Im psychiatrischen Gutachten wird im Hinblick auf das Invalideneinkommen festgehalten, dass als angepasste Tätigkeit am ehesten eine ungelernte Tätigkeit, beispielsweise im Reinigungsdienst in einer Fabrik zu verstehen sei (IV-Nr. 79). Es ist folglich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall und im Krankheitsfall in einer Hilfsarbeit tätig wäre. Da demnach sowohl für das Validen- als auch für das Invalideneinkommen die gleiche Lohntabelle einschlägig erscheint, entspricht der Invaliditätsgrad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung eines allfälligen Abzugs vom Tabellenlohn (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_111/2023 vom 12. Oktober 2023 E. 6.2 mit weiteren Hinweisen). Ein allfälliger Abzug ist vorliegend nach dem bis 31. Dezember 2021 geltenden Recht zu ermitteln, da der vorliegend umstrittene Rentenanspruch mit Blick auf die massgebende Gesundheitsverschlechterung im Juli 2020 (IV-Nr. 44) unter Berücksichtigung des Wartejahrs nach Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG per 1. Juli 2021 entstehen würde (vgl. E. II.1.2). Das demnach anzuwendende Recht sieht vor, dass ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn der Tatsache Rechnung tragen soll, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Ohne für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen, ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Der Abzug darf 25 % nicht übersteigen (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 8C_744/2017 vom 14. Mai 2018 E. 3.1 mit Hinweisen). Vorliegend wurden die leidensbedingten Einschränkungen bereits bei der Arbeitsfähigkeitsschätzung berücksichtigt (vgl. Psychiatrisches Gutachten S. 27, IV-Nr. 79) und können entsprechend nicht nochmals beim Tabellenlohnabzug angerechnet werden (Urteil des Bundesgerichts 8C_586/2019 vom 24. Januar 2020 E. 5.3.2). Da auch die übrigen Merkmale nicht einschlägig sind, besteht kein Anlass, einen Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen.
9.3 Demnach bemisst sich der Invaliditätsgrad basierend auf der Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit und beträgt 50 %. Daraus resultiert ein Rentenanspruch in Höhe von 50 % (Art. 28 Abs. 2 IVG, in der bis 31. Dezember 2021 gültigen Fassung).
10. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass basierend auf dem im Verwaltungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten eine Arbeitsfähigkeit von 50 % vorliegt, die einen Anspruch auf eine Invalidenrente in Höhe von 50 % begründet. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch den behandelnden Psychiater, hat sich am 30. Juli 2020 (Eingang bei der Beschwerdegegnerin am 31. Juli 2020) bei der IV-Stelle (erneut) angemeldet (IV-Nr. 44), womit der Rentenanspruch unter Berücksichtigung des Wartejahrs per 1. Juli 2021 entsteht (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG). In Gutheissung der Beschwerde wird damit die Verfügung vom 18. Oktober 2022 aufgehoben und der Beschwerdeführerin ab 1. Juli 2021 eine Invalidenrente in Höhe von 50 % zugesprochen.
11. 11.1 Bei diesem Verfahrensausgang (formelles Obsiegen) steht der Beschwerdeführerin eine ordentliche Parteientschädigung zu, die von der Beschwerdegegnerin zu bezahlen ist. In Anbetracht von Aufwand und Schwierigkeit des Prozesses erscheint der in der Honorarnote vom 16. November 2022 geltend gemachte Aufwand von 8.43 Stunden gerechtfertigt. Die Parteientschädigung wird unter Berücksichtigung der per 1. Januar 2023 an die Teuerung angepassten Stundenansätze (§ 160 Abs. 4 des Gebührentarifs, GT; BGS 615.11) auf CHF 2'337.60 festgesetzt (6.1 Stunden zu CHF 230.00 plus 2.33 Stunden zu CHF 250.00 zuzüglich Auslagen von CHF 185.00 und MwSt.).
11.2 Aufgrund von Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von CHF 200.00 - 1'000.00 festgelegt. Nach dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens hat die IV-Stelle die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen.
Demnach wird erkannt: 1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 18. Oktober 2022 aufgehoben und der Beschwerdeführerin ab 1. Juli 2021 eine Invalidenrente in Höhe von 50 % zugesprochen. 2. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 2'337.60 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. 3. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Weber-Probst Baltermia-Wenger |
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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