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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2022.118)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2022.118: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hat entschieden, dass die Beschwerde von A.___ gegen das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn abgewiesen wird. A.___ wurde für 38 Tage in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung eingestellt, da er eine zumutbare Arbeit abgelehnt hatte. Trotz Einsprache wurde die Entscheidung bestätigt. Das Gericht stellte fest, dass A.___ die Bewerbungspflicht nicht erfüllt hatte und somit zu Recht eingestellt wurde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Verfahrenskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2022.118

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2022.118
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2022.118 vom 26.04.2023 (SO)
Datum:26.04.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Arbeit; Arbeitgeber; Person; Arbeitgeberin; Bewerbung; Automobilbranche; Hausarzt; Versicherungsgericht; -Mechatroniker; Bundesgericht; Einstellung; Urteil; Beschwerdeführers; Verschulden; Bundesgerichts; Verhalten; Traumatisierung; Anspruchsberechtigung; Einsprache; Arbeitslosenversicherung; Bewerbungsunterlagen; Frist; Traber; Revision
Rechtsnorm: Art. 16 AVIG;Art. 24 AVIG;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Ueli Kieser, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2022.118

 
Geschäftsnummer: VSBES.2022.118
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 26.04.2023 
FindInfo-Nummer: O_VS.2023.51
Titel: Einstellung in der Anspruchsberechtigung

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 26. April 2023

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___ vertreten durch B.___

Beschwerdeführer

gegen

 

Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend       Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Einspracheentscheid vom 11. Mai 2022)

 


zieht die Präsidentin des Versicherungsgerichts in Erwägung:

I.

 

1.       Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) stellte den Versicherten A.___ (fortan: Beschwerdeführer) mit Verfügung vom 23. Februar 2022 ab 14. Oktober 2021 für 38 Tage in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein. Zur Begründung gab die Beschwerdegegnerin an, der Beschwerdeführer habe eine zumutbare Arbeit abgelehnt (Akten der Beschwerdegegnerin / AWA S. 8 ff.). Die dagegen gerichtete Einsprache (AWA S. 5 f.) wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 11. Mai 2022 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.).

 

2.

2.1     Am 8. Juni 2022 erhebt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, es sei von einer Einstellung abzusehen zumindest die Einstelldauer zu reduzieren (A.S. 5 f.).

 

2.2     Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Beschwerdeantwort vom 30. Juni 2022, die Beschwerde sei abzuweisen und es seien keine Gerichtskosten aufzuerlegen (A.S. 9 ff.).

 

2.3     B.___, die Mutter des Beschwerdeführers, reicht für ihn am 14. August 2022 eine Replik sowie am 25. August 2022 eine Ergänzung dazu ein, weil er sich im Ausland aufhalte (A.S. 17 / 18 ff. / 25). Das Versicherungsgericht setzt daraufhin am 18. August 2022 Frist bis 8. September 2022, um eine schriftliche Vollmacht für die Mutter einzureichen (A.S. 21 f. + 26). Der Beschwerdeführer gibt diese Vollmacht am 7. September 2022 in [...] bei der Post auf (A.S. 28), also innert Frist.

 

2.4     Die Beschwerdegegnerin verzichtet am 7. Oktober 2022 auf eine Duplik und verweist auf ihre Beschwerdeantwort (A.S. 31).

 

II.

 

1.

1.1     Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

1.2     Sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten fallen bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 in die Präsidialkompetenz (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Diese Grenze wird hier, bei 38 streitigen Einstelltagen und einem versicherten monatlichen Verdienst von CHF 4'841.00 (s. AWA S. 47), offenkundig nicht erreicht, weshalb die Präsidentin des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichterin zuständig ist.

 

2.

2.1     Die versicherte Person, welche Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchen will, muss mit Unterstützung des zuständigen Arbeitsamtes alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden zu verkürzen. Insbesondere ist sie verpflichtet, Arbeit zu suchen (Art. 17 Abs. 1 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0) sowie eine ihr vermittelte zumutbare Arbeit anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 AVIG). Dies korrespondiert mit der Schadenminderungspflicht, wonach die versicherte Person grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich anzunehmen hat, ausser sie ist unzumutbar (Art. 16 Abs. 1 und 2 AVIG).

 

2.2     Die versicherte Person ist in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung einzustellen, wenn sie die Kontrollvorschriften die Weisungen der zuständigen Amtsstelle nicht befolgt, namentlich eine zumutbare Arbeit nicht annimmt (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG). Damit werden auch Weisungen erfasst, welche die versicherte Person auffordern, sich für eine bestimmte Arbeit zu bewerben (s. Boris Rubin, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 30 N 58 + 61). Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG stellt einen Auffangtatbestand dar, der sämtliche vorwerfbaren Verletzungen der Kontrollvorschriften und Weisungen der zuständigen Amtsstelle abdeckt, soweit diese nicht durch einen eigenen Einstellungstatbestand geregelt sind (Urteil des Bundesgerichts 8C_339/2016 vom 29. Juni 2016 E. 4.2 mit Hinweisen). Sanktioniert wird mit anderen Worten grundsätzlich jedes Verhalten, welches das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags scheitern lässt (Urteil des Bundesgerichts 8C_24/2021 vom 10. Juni 2021 E. 3.1). Dazu gehört nicht nur die ausdrückliche Ablehnung einer Stelle die Unterlassung einer nach den Umständen gebotenen ausdrücklichen Annahmeerklärung, sondern auch ein Verhalten, welches bewirkt, dass es gar nicht erst zu Vertragsverhandlungen mit dem potentiellen Arbeitgeber kommt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich die versicherte Person nicht ernsthaft um die Aufnahme von Verhandlungen bemüht (s. Urteil des Bundesgerichts 8C_468/2020 vom 27. Oktober 2020 E. 5.2) auf eine Bewerbung ganz verzichtet (Melissa Traber, Die schuldhafte Ablehnung einer zumutbaren Arbeit in der Arbeitslosenversicherung, in: SZS 2022 S. 158 Ziff. 3).

 

3.

3.1

3.1.1  Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (fortan: RAV) forderte den Beschwerdeführer am 13. Oktober 2021 auf, sich bis 19. Oktober 2021 elektronisch telefonisch bei der C.___ AG (fortan: Arbeitgeberin) für eine offene Stelle als Automobil-Fachmann Automobil-Mechatroniker zu bewerben. Es handelte sich dabei um eine Vollzeitstelle, welche sofort hätte angetreten werden können (AWA S. 18 f.). Gemäss Rückmeldung der Arbeitgeberin vom 10. November 2021 meldete sich der Beschwerdeführer jedoch nicht bei ihr (AWA S. 21).

 

3.1.2  Der Beschwerdeführer erklärte am 15. November 2021, er habe die Arbeitgeberin elektronisch kontaktiert, aber nie eine Antwort erhalten (AWA S. 30 f.). Die betreffende Mailnachricht vom 18. Oktober 2021 lautete wie folgt (AWA S. 26):

Das RAV fordert mich auf, mich bei der [Arbeitgeberin] als Automobil-Mechatroniker zu bewerben. Ich habe denen bereits mehr als einmal deutlich erklärt, wieso ich nicht mehr in der Automobilbranche (AGVS) arbeite […] Bevor ich Ihnen also meine Bewerbungsunterlagen schicke, muss ich Sie auf folgende Tatsachen aufmerksam machen: Mein Ziel war es 2020 in die USA auszuwandern, dann kam Corona. Seit 2017 bin ich 3 Monate pro Jahr am reisen, das war während Corona nicht möglich, wird danach aber wieder so weitergehen bis zum Auswandern. In der Automobilbranche kriegte ich keinen unbezahlten Urlaub und nie mehr als 2 Wochen Ferien am Stück, deshalb wechselte ich zu Temporärarbeit. Hauptsächlich arbeite ich temporär als Revisionsmechaniker, seit 3 Jahren bin ich auch im Revisionsteam des [...]. Dort nehme ich an der jährlichen rund 1-monatigen Revision teil. Diesen Job kann und will ich nicht aufgeben, weil er interessant und sehr gut bezahlt ist. In der Automobilbranche sind die Löhne zu tief als was ich mir mittlerweilen gewohnt bin. Dazu bin ich mit den strikten Zeitvorgaben nicht so gut zurecht gekommen. Privat repariere ich mein Auto und Autos von Freunden so weit als möglich, jedoch bin ich mittlerweilen schon mehr als drei Jahre nicht mehr in der Auto-Branche tätig. Auch würde ich die Erfahrungs-Anforderung bez. des Stelleninserates nicht wirklich erfüllen. Ich müsste zuerst einiges an Detail-Fachwissen auffrischen. Ausserdem gäbe es Garagen mit kürzerem Arbeitsweg für mich, die ebenfalls auf Arbeitnehmer-Suche sind. Danke für Ihr Verständnis. Für eine allfällige Rücksprache wäre ich erst am Freitag wieder erreichbar.

 

Der Beschwerdeführer gab dazu in seiner Stellungnahme an, mittlerweile hätten sich schon öfter Arbeitgeber aus der Automobilbranche bei ihm gemeldet, die durch das RAV auf sein Profil gestossen seien. Wenn er dann aber seine Bewerbungsunterlagen zugeschickt und die Fragen bezüglich seiner Lohnvorstellung etc. beantwortet habe, habe er nie mehr etwas gehört. Deshalb finde er es sinnvoll, seine Bewerbungsunterlagen nicht mehr direkt zuzuschicken, sondern zuerst seine Situation zu erklären.

 

3.1.3  Die Arbeitgeberin ergänzte am 6. Dezember 2021, es habe sich um eine unbefristete Festanstellung gehandelt. Wenn der Beschwerdeführer gesagt hätte, er wolle nur ein bis drei Jahre bleiben, so wäre dies kein Hindernis für eine Anstellung gewesen (AWA S. 27). Eine weitere Nachfrage durch die Beschwerdegegnerin ergab am 20. Januar 2022, dass die Arbeitgeberin bei einem Vorstellungsgespräch vorerst von einem Lohn von CHF 5'500.00 ausgegangen wäre (AWA S. 47).

 

3.1.4  Am 5. März 2022 erklärte Dr. med. D.___, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH und damals Hausarzt des Beschwerdeführers, dieser habe in der Vergangenheit als Lastwagenmechaniker gearbeitet, wodurch leider eine Traumatisierung entstanden sei. Eine Rückkehr in die angestammte resp. eine ähnliche Tätigkeit könne aus medizinischen Gründen nicht unterstützt werden (AWA S. 7). Am 1. April 2022 ergänzte Dr. med. D.___ (fortan: Hausarzt), diese Einschätzung beruhe auf Angaben, die bei der persönlichen Exploration des Beschwerdeführers erhoben worden seien. Dessen Traumatisierung sei vor über drei Jahren während der Arbeit als LKW-Mechaniker entstanden. Damals sei keine ärztliche Behandlung erfolgt. Die gesundheitlichen Einschränkungen würden die ganze Automobilbranche betreffen (AWA S. 37 f.).

 

3.1.5  Am 12. April 2022 hielt der Beschwerdeführer im Wesentlichen fest, er sei mit der Aussage des Hausarztes betreffend die erlittene Traumatisierung einverstanden. Er sei in keinem Bereich des klassischen Garagenbetriebs mehr einsetzbar. Mit den Zeitvorgaben und dem Druck bei Service- und Reparaturarbeiten könne er nicht umgehen. Was die Einsätze bei der E.___ AG von März bis Mai 2021 und bei der F.___ AG vom 19. August bis 8. Oktober 2021 angehe, so sei zwar in den Verträgen von einer Beschäftigung als Wohnmobil- resp. Automobil-Mechatroniker die Rede gewesen. Tatsächlich hätten ihn diese Firmen aber nicht im Service- und Reparaturbereich eingesetzt, wie das bei einem Automobil-Mechatroniker der Fall gewesen wäre, sondern im Fahrzeugbau, der sich von der Automobilbranche unterscheide. Der Zeitdruck in einer Wohnmobil-Garage sei nicht mit demjenigen in einer klassischen Garage zu vergleichen (AWA S. 23 ff.).

 

3.1.6  Auf die erneute Nachfrage der Beschwerdegegnerin hin teilte der Hausarzt am 17. Juni 2022 mit, die besagte persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers sei am 5. März 2022 erfolgt. Das wichtigste Instrument für die Erhebung psychologisch-psychosozialer Störungen sei die Anamnese, welche vorgenommen worden sei. Der zu hohe zeitliche und emotionale Druck habe zu innerer Unruhe, Schlaflosigkeit und Gedankenkreisen geführt. Seines Wissens sei deswegen bislang keine ärztliche Behandlung erfolgt, der Beschwerdeführer habe diese Arbeit nicht mehr verrichtet (AWA S. 223 f.).

 

3.1.7  In seiner Einsprache vom 7. März 2022 (AWA S. 5 f.) erklärte der Beschwerdeführer zusammengefasst, er habe Mühe, den Vorwurf des schweren Verschuldens zu akzeptieren, wenn die fragliche Arbeit für ihn nicht zumutbar sei. Sein Hausarzt könne bestätigen, dass er psychisch in keiner genügenden Verfassung sei, um in der Automobilbranche zu arbeiten. Erst als man ihn im Rahmen der Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert habe, sei er informiert worden, dass er allenfalls eine ärztliche Bescheinigung brauche, damit ihn das RAV nicht mehr auffordere, in der Automobilbranche zu arbeiten. In der Vergangenheit sei eine solche Bescheinigung nicht nötig gewesen, da er selber festgestellt habe, dass er für diese Branche nicht gemacht sei. Der Hauptgrund seien die minuziösen Zeitvorgaben gewesen, denen er nur mit extremen Schwierigkeiten habe nachkommen können, sowie die daraus resultierende ständige Kritik. Er habe unter Schlafstörungen sowie einem wütenden und aggressiven Gemüt gelitten. Nachdem er bis Mitte 2018 insgesamt fünfeinhalb Jahre in der Automobilbranche tätig gewesen sei, habe er bis zur Pandemie in anderen Mechanik-Branchen Arbeit gefunden. Die Arbeitgeberin habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, auf seine E-Mail zu antworten, welche als Kontaktaufnahme und Informationsschreiben bezüglich der Bewerbungsaufforderung zu verstehen gewesen sei. Ihm sei klar, dass dies nicht als Bewerbung anerkannt werde. Er habe nur sicherstellen wollen, ob man überhaupt alle seine Bewerbungsunterlagen wünsche, auch wenn er sich laut dem Anforderungsprofil gar nicht für die Stelle qualifiziere. Er sei bereits drei Jahre nicht mehr in der Branche beschäftigt gewesen und habe ausgelernt auch keine genügend lange Berufserfahrung. LKW-Mechatroniker und PKW-Mechatroniker seien zwei unterschiedliche Berufe. Im Dezember 2021 sowie im Januar und Februar 2022 habe er als Revisionsmechaniker schon wieder genügend Einsätze gehabt, um in zwei Wochen mehr zu verdienen als er von der Arbeitslosenversicherung pro Monat bekäme. Er sei kein systematischer Arbeitsverweigerer. Sein Ziel sei es, eine Festanstellung in der Revisionsbranche zu bekommen.

 

3.1.8  In der Beschwerdeschrift (A.S. 5) ergänzt der Beschwerdeführer, er habe seiner persönlichen RAV-Beraterin mündlich erklärt, dass er diese Arbeit in der Automobilbranche nicht mehr ausführen könne. Die Einsprache sei von der gleichen Person bearbeitet worden, welche bereits seine Verfügung verfasst habe, was äusserst fragwürdig und nicht korrekt sei. Dass die Abklärung eines einzelnen Falles gesamthaft sagenhafte sechs Monate dauere, sei mit anständigen Worten nicht zu kommentieren. Der extreme Abzug von Bezugstagen habe eine Einsprache geboten.

 

3.1.9  In der Replik nebst Ergänzung (A.S. 18 ff. + 25) wird im Wesentlichen festgehalten, als Lastwagenmechatroniker sei man nicht automatisch Automechaniker. Der Lohn sei zu tief für die schwere und schmutzige Arbeit. Doch der Hauptgrund sei der Druck. Der Beschwerdeführer habe die RAV-Beraterin (wie zuvor schon die verschiedenen Arbeitsvermittler) am Telefon darauf aufmerksam gemacht, dass er nicht auf seinem erlernten Beruf arbeiten könne. Es sei unklar, warum sie dies nicht weitergeleitet habe. Da er sich als Maschinen-Revisor spezialisiert habe, habe das Arbeitsamt nicht das Recht, ihn zu einer anderen Arbeit zu verpflichten. Der Beschwerdeführer habe die Stelle begründet abgesagt. Es gehe nicht an, dass das Arbeitsamt den Arzt als Lügner darstelle.

 

3.2

3.2.1  Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der Aufforderung des RAV vom 13. Oktober 2021, sich bis 19. Oktober 2021 um die offene Stelle als Automobil-Fachmann resp. -Mechatroniker zu bewerben, habe er die Arbeitgeberin am 18. Oktober 2021 per E-Mail kontaktiert (E. II. 3.1.2 hiervor). Die Arbeitgeberin wiederum erklärte, der Beschwerdeführer habe sich nicht bei ihr gemeldet (E. II. 3.1.1 hiervor).

 

Ob die besagte Mailnachricht tatsächlich abgeschickt wurde und die Arbeitgeberin erreichte, kann offen bleiben, da der Beschwerdeführer damit seiner Bewerbungspflicht ohnehin nicht nachgekommen wäre. Er zählte nämlich in dieser E-Mail eine Reihe von Gründen auf, weshalb die Stelle für ihn nicht in Frage komme. Von einer Bewerbung kann mithin keine Rede sein. Unterlässt es die versicherte Person wie hier, die eindeutige Bereitschaft zum Vertragsabschluss zu signalisieren, so liegt eine nach Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG zu sanktionierende Pflichtverletzung vor (Urteil des Bundesgerichts 8C_24/2021 vom 10. Juni 2021 E. 5.2.1). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Arbeitgeberin darauf hinwies, sie könne sich bei ihm melden, ändert daran nichts. Der Beschwerdeführer nahm durch sein Verhalten in Kauf, dass es gar nicht erst zu Vertragsverhandlungen kommt, denn wenn jemand keine Bewerbungsunterlagen wie einen Lebenslauf etc. einreicht und zudem offen Vorbehalte hinsichtlich der angebotenen Stelle äussert, kann er nicht ernsthaft erwarten, dass der potentielle Arbeitgeber sich die Mühe macht, mit ihm Rücksprache zu nehmen. Im Übrigen genügt es bereits, dass die arbeitslose Person mit ihrem Verhalten das Risiko eines möglichen Schadens herbeiführt; der effektive Eintritt eines bezifferbaren Schadens ist nicht erforderlich (Traber, a.a.O., S. 159 Ziff. 4).

 

3.2.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, die ausgeschriebene Stelle als Automobil-Fachmann resp. -Mechatroniker wäre ihm gesundheitlich gar nicht zumutbar gewesen. Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhaltig.

 

Die Unzumutbarkeit einer Arbeit aus gesundheitlichen Gründen (s. Art. 16 Abs. 1 lit. c AVIG) muss mit einem fundierten Arztzeugnis (oder durch andere geeignete Beweismittel) belegt sein (Traber, a.a.O., S. 158 lit. c/dd). Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen vermögen aber eine solche Unzumutbarkeit im Oktober 2021, als der Beschwerdeführer zur Bewerbung aufgefordert wurde, nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Der Einwand der gesundheitsbedingten Unzumutbarkeit stützt sich auf die Feststellung des Hausarztes, der Beschwerdeführer könne nicht mehr in der Automobilbranche arbeiten, da er dort vor einigen Jahren durch den Druck am Arbeitsplatz traumatisiert worden sei. Der Hausarzt gelangte zu dieser Beurteilung aufgrund der Untersuchung des Beschwerdeführers am 5. März 2022 (E. II. 3.1.4 + 3.1.6 hiervor). Nach Aktenlage erfolgte bis 2018 keine ärztliche Behandlung wegen einer solchen Traumatisierung; später wiederum, nachdem der Beschwerdeführer die Branche gewechselt hatte, war eine entsprechende Therapie selbstredend nicht mehr erforderlich. Der Hausarzt ist also einerseits nicht in der Lage, aus eigener Anschauung zu bestätigen, dass es bis 2018 zu einer Traumatisierung kam, welche jeden weiteren Einsatz im Automobilgewerbe ausschloss. Andererseits lagen dem Hausarzt auch keinerlei Arztberichte aus dieser Zeit vor, auf welche er hätte abstellen können. Er musste sich daher mangels echtzeitlicher Grundlagen allein auf die subjektiven Angaben verlassen, die der Beschwerdeführer am 5. März 2022 zu seinem früheren Gesundheitszustand machte. Solche Angaben einer versicherten Person sind indes im Rahmen der ärztlichen Beurteilung kritisch zu prüfen (s. Urteil des Bundesgerichts 8C_149/2022 vom 19. Januar 2023 E. 6.1). Ob der Hausarzt dies getan hat, lässt sich seinen knappen Ausführungen nicht entnehmen. In seiner Bescheinigung vom 5. März 2022 sowie in den beiden Stellungnahmen vom 1. April und 17. Juni 2022 gab er die vom Beschwerdeführer geklagten Symptome nicht bzw. nur sehr rudimentär wieder (E. II. 3.1.4 + 3.1.6 hiervor). Zudem stellte er keine Diagnose nach einem anerkannten Klassifikationssystem wie z.B. ICD-10. Angesichts dessen eignen sich die Berichte des Hausarztes mangels Nachvollziehbarkeit nicht dazu, eine vor Jahren eingetretene Traumatisierung des Beschwerdeführers zu belegen, welche Arbeiten in der Automobilbranche unzumutbar machte. Ohne diesen Nachweis entfällt zwangsläufig auch eine gesundheitliche Unzumutbarkeit in der Gegenwart. Aber selbst wenn es in der Vergangenheit eine wie auch immer geartete Traumatisierung gegeben haben sollte, so ergäbe sich daraus nichts für den Beschwerdeführer. Der Hausarzt erhob keinen aktuellen Psychostatus, aus dem sich etwas ableiten liesse, und legte nicht dar, aus welchen objektiven Umständen er ableitete, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2021 weiterhin nicht in der Lage sei, in der Automobilbranche zu arbeiten. Im Übrigen bleibt, nachdem der Beschwerdeführer Vertragsverhandlungen vereitelt hatte, offen, ob er am konkreten Arbeitsplatz, den die Arbeitgeberin anbot, nicht doch im Stande gewesen wäre, den Druck zu bewältigen.

 

3.2.3  Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, mangels aktueller Erfahrung sei er für die ausgeschriebene Stelle gar nicht geeignet gewesen. Wenn er anderen Firmen aus der Automobilbranche seine Unterlagen zugeschickt habe, habe er in der Folge nie mehr etwas gehört. Auch damit dringt er jedoch nicht durch.

 

Unzumutbar ist eine Arbeit, die nicht angemessen auf die Fähigkeiten auf die bisherige Tätigkeit der versicherten Person Rücksicht nimmt (Art. 16 Abs. 1 lit. b AVIG). Dadurch wird u.a. sichergestellt, dass die versicherte Person überhaupt in der Lage ist, die Arbeitstätigkeit sachgerecht auszuüben (Traber, a.a.O., S. 157 lit. c/aa). Für den Beschwerdeführer ergibt sich daraus aber nichts. Der Umstand, dass er seit 2018 nicht mehr in der Automobilbranche tätig war, bedeutet keineswegs, dass er 2021 in diesem Bereich als gänzlich unerfahren gelten musste, einmal abgesehen davon, dass er seine Kenntnisse auch wieder hätte auffrischen können. Ausserdem sind die Erfolgsaussichten einer Bewerbung unerheblich (Traber, a.a.O., S. 159 Ziff. 4 in fine). Die Befürchtung des Beschwerdeführers, es fehle ihm an der vorausgesetzten Erfahrung für eine Stelle als Automobil-Fachmann -Mechatroniker, berechtigte ihn daher nicht dazu, auf eine Bewerbung zu verzichten, zumal es an der Arbeitgeberin lag, ob sie seine Qualifikation und seine Erfahrung als ausreichend ansah nicht. Bestehen Zweifel über die Zumutbarkeit einer Stelle, so kann von einer versicherten Person erwartet werden, dass sie die Arbeit versuchsweise antritt sich bezüglich ihrer Bedenken zumindest vorgängig beim RAV erkundigt (a.a.O. Ziff. 3 in fine), was hier unterblieb. Auch der blosse Hinweis auf frühere erfolglose Bewerbungen verfängt nicht, da unklar ist, ob diese den qualitativen Anforderungen genügten ob es nicht an mangelhaften Unterlagen etc. lag, dass keine Reaktion erfolgte.

 

3.2.4  Schliesslich kann der Beschwerdeführer nicht behaupten, der Lohn bei der Arbeitgeberin sei zu tief gewesen. Eine Arbeit ist dann unzumutbar, wenn sie der versicherten Person einen Lohn einbringt, der geringer ist als 70 % des versicherten Verdienstes, es sei denn, die versicherte Person erhalte Kompensationsleistungen nach Art. 24 AVIG (Art. 16 Abs. 1 lit. i AVIG). Angesichts dessen wäre die Stelle bei der Arbeitgeberin lohnmässig zumutbar gewesen, denn der dortige Lohn von CHF 5'500.00, der als Grundlage für Vertragsverhandlungen gedient hätte (E. II. 3.1.3 hiervor), lag über dem versicherten Verdienst von CHF 4'841.00 (E. II. 1.2 hiervor).

 

3.2.5  Formell beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Einstellungsverfügung von der gleichen Person verfasst worden sei, die seine Einsprache dagegen behandelt habe, was aber zulässig ist (vgl. dazu Ueli Kieser in: ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 52 N 32)

 

3.2.6  Da der Beschwerdeführer durch ein vorwerfbares und vermeidbares Verhalten das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhinderte, obwohl die fragliche Stelle zumutbar gewesen wäre, ist der Tatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer folglich zu Recht wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung eingestellt.

 

3.3

3.3.1  Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG), wobei folgende Abstufung gilt (Art. 45 Abs. 3 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02):

-      leichtes Verschulden: 1 – 15 Tage

-      mittelschweres Verschulden: 16 – 30 Tage

-      schweres Verschulden: 31 – 60 Tage

 

Ein schweres Verschulden liegt vor, wenn die versicherte Person ohne entschuldbaren Grund eine zumutbare Arbeit ablehnt (Art. 45 Abs. 4 lit. b AVIV). Entschuldbare Gründe sind Umstände, die das Verschulden als mittelschwer leicht erscheinen lassen. Diese im konkreten Einzelfall liegenden Gründe können die subjektive Situation der betroffenen Person (z.B. gesundheitliche Probleme) eine objektive Gegebenheit (z.B. die Befristung einer Stelle) beschlagen (BGE 130 V 125 E. 3.5 S. 131). Die Verwaltungsweisung des SECO sieht bei der erstmaligen Ablehnung einer unbefristeten Stelle eine Einstelldauer von 31 bis 45 Tagen vor (s. AVIG-Praxis ALE D79 Ziff. 2.B/1, in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung).

 

Die Festlegung der Einstellungsdauer stellt eine typische Ermessensfrage dar (Urteil des Bundesgerichts 8C_40/2019 vom 30. Juli 2019 E. 5.6). Bei der Überprüfung darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich vielmehr auf Gegebenheiten stützen können, welche seine abweichende Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (s. Rubin, a.a.O., Art. 30 N 110).

 

3.3.2  Die Beschwerdegegnerin ordnete das Verhalten des Beschwerdeführers zutreffend im Bereich des schweren Verschuldens ein, wobei sie 38 Einstelltage als Grundlage nahm, d.h. den Mittelwert des Rahmens, den die SECO-Weisung für die vorliegende Konstellation vorgibt (s. E. II. 3.3.1 hiervor). Milderungsgründe, welche eine Reduktion der Einstelldauer gebieten würden, liegen nicht vor. Es sind keine Umstände ersichtlich, welche verständlich machen könnten, warum der Beschwerdeführer der Arbeitgeberin nicht einfach vorbehaltlos seine Bewerbungsunterlagen zuschickte. In seinem Verhalten manifestiert sich doch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Schadenminderungspflicht. Die Beschwerdegegnerin blieb daher mit einer Einstelldauer von 38 Tagen innerhalb des ihr zustehenden Ermessensspielraums, den das Versicherungsgericht zu respektieren hat.

 

3.4     Zusammenfassend stellt sich die Beschwerde als unbegründet heraus und ist abzuweisen.

 

4.       In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung vor dem kantonalen Versicherungsgericht sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1).

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Haldemann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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