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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2021.97)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2021.97
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2021.97 vom 03.08.2022 (SO)
Datum:03.08.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Beschwerdeführerin, eine 1960 geborene Frau, hat gegen die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn geklagt, da ihr Anspruch auf Ergänzungsleistungen abgelehnt wurde. Nach einer Reihe von Einsprüchen und Verhandlungen wurde entschieden, dass sie ab August 2020 Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung in Höhe von CHF 476.00 pro Monat hat. Der Richter in diesem Fall war Präsident Flückiger. Die Gerichtskosten betrugen CHF 7'158.40.
Schlagwörter: Apos; Vermögens; Vermögensverzicht; Anspruch; Leistung; Ergänzungsleistung; Einnahmen; Einsprache; Ausgaben; Einspracheentscheid; AK-Nr; Berechnung; Einnahmenüberschuss; Stunden; Ergänzungsleistungen; Versicherung; Versicherungsgericht; Bezug; Vermögensverzichts; Bezüge; Urteil; Akten; Betrag; Verfahren; Mietzins; Über
Rechtsnorm: Art. 82a ATSG ;
Referenz BGE:113 V 159; 131 V 329; 146 V 306;
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VSBES.2021.97
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 03.08.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.111
Titel: Ergänzungsleistungen IV

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 3. August 2022

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Oberrichter Kiefer

Oberrichter von Felten

Gerichtsschreiberin Wittwer

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Peter

Beschwerdeführerin

 

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend       Ergänzungsleistungen IV (Einspracheentscheid vom 10. Mai 2021)

 


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.

 

1.       Die 1960 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ist Bezügerin einer ganzen Rente der Invalidenversicherung (vgl. Akten der Ausgleichskasse [AK-Nr.] 6 S. 1). Seit Oktober 2015 ist sie verwitwet. Sie meldete sich im Februar 2020 bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) zum Bezug von Ergänzungsleistungen an (AK-Nr. 1). Mit Verfügung vom 11. August 2020 (AK-Nr. 24) verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch. Die dagegen erhobene Einsprache (AK-Nr. 26), die am 1. Oktober 2020 ergänzt wurde (AK-Nr. 30), wies die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 10. Mai 2021 ab (AK-Nr. 40; Aktenseiten [A.S.] 1 ff.).

 

2.       Dagegen lässt die Beschwerdeführerin am 10. Juni 2021 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde erheben (A.S. 16 ff.). Sie stellt den Antrag, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und es sei «der Anspruch auf Leistungen nach ELG ohne Anrechnung eines Vermögensverzichts vorzunehmen», unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin.

 

3.       Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Beschwerdeantwort vom 8. Juli 2021 auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei (A.S. 30 ff.).

 

4.       Die Beschwerdeführerin hält mit Replik vom 24. August 2021 an ihrem Standpunkt fest (A.S. 44 ff.).

 

5.       Auch die Beschwerdegegnerin bestätigt mit Duplik vom 13. September 2021 die in der Beschwerdeantwort gestellten Rechtsbegehren (A.S. 62 ff.).

 

6.       Mit Eingabe vom 28. September 2021 lässt die Beschwerdeführerin erklären, sie verzichte auf eine weitere Stellungnahme. Gleichzeitig reicht ihr Vertreter seine Honorarnote ein (A.S. 71 ff.).

 

II.

 

1.      

1.1     Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Folglich ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten (vgl. aber E. II. 4 und 5 hiernach betreffend den Anspruch bis Ende Juli 2020).

 

1.2     Streitig ist der Anspruch auf Ergänzungsleistungen für die Zeit ab 1. Februar 2020. Da die jährliche Ergänzungsleistung als Jahresleistung konzipiert ist, kann der entsprechende Entscheid nur bis Ende 2020 gelten. Nach allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsätzen sind in zeitlicher Hinsicht diejenigen Rechtssätze massgebend, die in Geltung standen, als sich der massgebende Sachverhalt verwirklicht hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt betrifft das Jahr 2020. Die am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) und der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301) sind daher nicht anwendbar. Im Folgenden werden deshalb diejenigen Bestimmungen zitiert, welche bis Ende 2020 gültig waren. Die neue Regelung ist für den Zeitraum ab 1. Januar 2021 massgebend, falls zuvor kein Anspruch bestanden hat; andernfalls bleiben bis Ende 2023 einzelne Normen des früheren Rechts massgebend (vgl. ELG, Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 22. März 2019 [EL-Reform], Abs. 1). Dem Entscheid über den Anspruch bis Ende 2020 kommt damit auch für die anschliessende Periode präjudizierende Wirkung zu. Es rechtfertigt sich daher, das Urteil in Dreierbesetzung zu fällen, auch wenn der reine Streitwert, berechnet für die Zeit bis Ende 2020, allenfalls eine einzelrichterliche Beurteilung zuliesse (vgl. § 54bis Abs. 1 und 2 des kantonalen Gesetzes über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]).

 

2.      

2.1     Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG). Als Einnahmen angerechnet werden unter anderem Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG). Der Tatbestand dieser Bestimmung ist erfüllt, wenn der Leistungsansprecher ohne rechtliche Verpflichtung ohne adäquate Gegenleistung auf Einkünfte Vermögen verzichtet hat. Dabei ist ein Verzicht nicht alleine deswegen anzunehmen, weil jemand vor der Anmeldung zum Ergänzungsleistungsbezug über seinen Verhältnissen gelebt haben könnte; das System der Ergänzungsleistungen bietet keine gesetzliche Handhabe für eine wie auch immer geartete «Lebensführungskontrolle» (BGE 146 V 306 E. 2.3.1 S. 308 mit Hinweisen). Die seit 1. Januar 2021 geltende Regelung, welche in diesem Punkt zu einer vollständigen Änderung geführt hat (vgl. den neuen Art. 11a Abs. 3 ELG), ist im vorliegenden Verfahren wie erwähnt nicht anwendbar.

 

2.2     Die leistungsansprechende Person hat sich im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht an der Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu beteiligen. Insbesondere hat sie bei einer ausserordentlichen Abnahme des Vermögens diejenigen Tatsachen zu behaupten und soweit möglich auch zu belegen, die einen Vermögensverzicht ausschliessen. Ist ein einmal bestehendes Vermögen nicht mehr vorhanden, trägt sie die Beweislast dafür, dass es in Erfüllung einer rechtlichen Pflicht gegen eine adäquate Gegenleistung hingegeben worden ist. Dabei genügt weder die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts noch Glaubhaftmachen, sondern es gilt der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dieser ist erfüllt, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen. Bei Beweislosigkeit, d.h. wenn es dem Leistungsansprecher nicht gelingt, einen (überdurchschnittlichen) Vermögensrückgang zu belegen die Gründe dafür rechtsgenügend darzutun, wird ein Vermögensverzicht angenommen und ein hypothetisches Vermögen sowie darauf entfallender Ertrag angerechnet (BGE 146 V 306 E. 2.3.2 S. 308 f. mit Hinweisen).

 

2.3     Der anzurechnende Betrag von Vermögenswerten, auf die verzichtet worden ist, wird jährlich um CHF 10'000.00 vermindert (Art. 17a Abs. 1 ELV). Der Wert des Vermögens im Zeitpunkt des Verzichtes ist unverändert auf den1. Januar des Jahres, das auf den Verzicht folgt, zu übertragen und dann jeweils nach einem Jahr zu vermindern (Art. 17a Abs. 2 ELV). Für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung ist der verminderte Betrag am 1. Januar des Bezugsjahres massgebend (Art. 17a Abs. 3 ELV).

 

2.4     Bezügerinnen und Bezüger von jährlichen Ergänzungsleistungen erhalten einen Gesamtbetrag (Ergänzungsleistung und Differenzbetrag zur Prämienverbilligung), der mindestens der Höhe der Prämienverbilligung entspricht, auf die sie Anspruch haben (Art. 26 ELV in der bis Ende 2020 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung).

 

3.      

3.1     Der Verfügung vom 11. August 2020 (AK-Nr. 24) liegt die folgende Berechnung zugrunde: Die anerkannten Ausgaben wurden mit CHF 32'883.00 beziffert (Prämienpauschale Krankenversicherung CHF 5'712.00, AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige CHF 521.00, Mietzins CHF 7'200.00, Lebensbedarf CHF 19'450.00), die anrechenbaren Einnahmen mit CHF 43'741.00 (Renten CHF 32'926.00, Vermögensverzehr CHF 10'731.00, Vermögensertrag CHF 84.00). Der Vermögensverzehr entspricht 1/15 des anrechenbaren Vermögens von CHF 160'970.00. Dieses setzt sich zusammen aus Sparguthaben/Wertschriften von CHF 40'454.00 (Vermögen Ende 2019 CHF 1'261.05 plus Freizügigkeitsguthaben CHF 39'193.05) und einem Vermögensverzicht von CHF 158'016.00, abzüglich den Freibetrag von CHF 37'500.00. Die Gegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen ergab einen Einnahmenüberschuss von CHF 10'858.00 (AK-Nr. 25).

 

3.2     Im Einspracheentscheid wurden die folgenden Anpassungen vorgenommen:

 

3.2.1  Der Mietzins wurde neu festgesetzt auf CHF 500.00 pro Monat CHF 6'000.00 pro Jahr plus Heizkostenpauschale von CHF 280.00 pro Jahr für die Zeit von Februar 2020 bis Juli 2020, anschliessend ab August 2020 auf CHF 900.00 pro Monat CHF 10'800.00 pro Jahr zuzüglich Heizkostenpauschale CHF 420.00 pro Jahr (Einspracheentscheid, S. 5 f. Ziffern 2.2.5 und 2.2.6).

 

3.2.2  Der Vermögensverzicht wurde neu festgesetzt auf CHF 50'793.95 per 31. Dezember 2019 und auf CHF 58'035.15 per 31. August 2020.

 

3.3     Soweit ersichtlich, findet sich in den Akten – anders als üblich – keine Berechnung, welche den Einspracheentscheid umsetzen würde. Diese Berechnung ist daher im vorliegenden Entscheid vorzunehmen. Aus dem ursprünglichen Berechnungsblatt und dem Einspracheentscheid ergeben sich die folgenden neuen Zahlen:

 

3.3.1  Die anerkannten Ausgaben setzen sich für die Zeit von Februar bis Juli 2020 zusammen aus dem Lebensbedarf von CHF 19'450.00, der Prämienpauschale Krankenversicherung von CHF 5'712.00, den AHV-Beiträgen für Nichterwerbstätige von CHF 521.00, dem Mietzins von neu CHF 6'000.00 und der Heizkostenpauschale (Anteil Beschwerdeführerin) von CHF 280.00. Dies ergibt eine Summe von CHF 31'963.00.

 

Bei den anrechenbaren Einnahmen bleiben die Renten von CHF 32'926.00 unverändert. Der Vermögensverzehr beträgt neu für die Zeit ab Februar 2020 CHF 3'583.00 (Sparguthaben/Wertschriften CHF 40'454.00 plus Vermögensverzicht CHF 50'793.95 abzüglich Freibetrag CHF 37'500.00 ergibt CHF 53'747.00, davon 1/15), der Vermögensertrag CHF 46.00. Damit resultieren anrechenbare Einnahmen von CHF 36'555.00.

 

Die Gegenüberstellung ergibt einen Einnahmenüberschuss von CHF 4'592.00.

 

3.3.2  Für die Zeit ab August 2020 – die Parteien gehen von einer Neuberechnung ab September 2020 aus, im Einspracheentscheid wird aber explizit festgehalten, der Mietzins werde bereits auf Anfang August 2020 angepasst – setzen sich die anerkannten Ausgaben zusammen aus dem Lebensbedarf von CHF 19'450.00, der Prämienpauschale von CHF 5'712.00, den AHV-Beiträgen von CHF 521.00, dem Mietzins von neu CHF 10'800.00 und den Heizkosten von neu CHF 420.00. Dies ergibt eine Summe von CHF 36'903.00.

 

Einnahmeseitig resultiert bei Renten von CHF 32'926.00, einem Vermögensverzehr von CHF 4'066.00 (Sparguthaben/Wertschriften CHF 40'454.00 plus Vermögensverzicht CHF 58'035.00 abzüglich Freibetrag von CHF 37'500.00 ergibt CHF 60'989.00, davon 1/15) und einem Vermögensertrag von CHF 49.00 ein Totalbetrag von CHF 37'041.00.

 

Die Gegenüberstellung führt zu einem Einnahmenüberschuss von CHF 138.00.

 

4.

4.1     Gemäss den Ausführungen in der Beschwerdeschrift (S. 3) richtet sich die Beschwerde einzig noch gegen den in der Berechnung berücksichtigten Vermögensverzicht von CHF 50'793.95 per 31. Dezember 2019 respektive CHF 58'035.15 per 31. August 2020. Andere Fehler der Berechnung sind jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar. Praxisgemäss hat sich die gerichtliche Überprüfung daher auf dieses Element zu beschränken (BGE 131 V 329 E. 4 S. 330).

 

4.2     Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, lässt die Berechnung für die Zeit von Februar bis Ende Juli 2020 auch ohne Berücksichtigung eines Vermögensverzichts keinen EL-Anspruch resultieren, denn der Einnahmenüberschuss von CHF 4'592.00 ist höher als 1/15 des Vermögensverzichts von CHF 50'793.95 (CHF 3'386.00). Wenn der Vermögensverzicht wegfiele, verbliebe demnach trotzdem ein Einnahmenüberschuss, der einen EL-Anspruch ausschliesst. In der Einspracheergänzung vom 1. Oktober 2020 wurde denn auch ausdrücklich anerkannt, dass die Berechnung per 1. Februar 2020 nach wie vor zu einem Einnahmenüberschuss führt und der Beschwerdeführerin daher zunächst kein monatlicher Anspruch auf Geldleistungen zugesprochen werden kann (AK-Nr. 30 S. 7). Anfechtbar ist einzig das Dispositiv einer Verfügung – hier die Verneinung eines Anspruchs auf eine jährliche Ergänzungsleistung ab 1. Februar 2020 –, nicht dagegen deren Begründung (BGE 113 V 159 E. 1c). Da das Dispositiv selbst dann korrekt bliebe, wenn der Argumentation der Beschwerdeführerin gefolgt würde, ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten. Daran ändert der von der Beschwerdeführerin angeführte Umstand nichts, dass die Hürde für die Übernahme allfälliger Krankheits- und Behinderungskosten sinkt, wenn sich der Einnahmenüberschuss reduziert. Über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten wäre nicht quasi «auf Vorrat», sondern erst dann und in einem separaten Verfahren zu entscheiden, wenn sich die Frage stellen sollte. Ebenso wenig rechtfertigt die (auch inhaltlich nicht ohne weiteres zutreffende) Argumentation, es könne künftig eher ein Anspruch entstehen, wenn von einem geringeren Einnahmenüberschuss ab 1. Februar 2020 auszugehen wäre, eine materielle Behandlung der Beschwerde. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit sie sich auf den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. Juli 2020 bezieht.

 

4.3     Anders verhält es sich mit der Berechnung ab August 2020: Hier ist der geringe verbleibende Einnahmenüberschuss von CHF 138.00 deutlich niedriger als 1/15 des Vermögensverzichts von CHF 58'035.15. Falls der Vermögensverzicht wegfallen sollte, führt dies demnach zu einem EL-Anspruch. Allerdings kann an dieser Stelle auch bereits festgehalten werden, dass der Ausgabenüberschuss, der bei einer vollständigen Streichung des Vermögensverzichts resultieren würde, niedriger ist als die Prämienpauschale von CHF 5'712.00. Angesichts der Mindestgarantie von Art. 26 ELV (E. II. 2.4 hiervor) resultiert somit, falls der Vermögensverzicht gestrichen reduziert wird und dadurch ein Ausgabenüberschuss entsteht, ein EL-Anspruch in dieser Höhe. Dieser Anspruch von CHF 5'712.00 pro Jahr respektive CHF 476.00 pro Monat besteht bereits dann, wenn sich der Vermögensverzicht um mehr als das das Fünfzehnfache des Einnahmenüberschusses von CHF 138.00 (vgl. E. II. 3.3.2 hiervor), also, unter Berücksichtigung von Rundungsdifferenzen, um rund CHF 2'100.00 reduziert. Sollte dies zutreffen, könnte auf eine umfassende Überprüfung der übrigen umstrittenen Ausgaben verzichtet werden.

 

5.       Zu betrachten ist zunächst der Vermögensverzicht, der für das Jahr 2020 berücksichtigt wurde.

 

5.1     Die Beschwerdegegnerin hat den Vermögensverzicht per Ende 2019 auf CHF 50'793.95 beziffert und der Beschwerdeführerin anschliessend bis Ende August 2020 einen zusätzlichen Vermögensverzicht von CHF 7'241.20 angerechnet. Dieser zusätzliche Verzicht wird wie folgt begründet (vgl. Einspracheentscheid, S. 13 f., E. 2.2.23): Ende Dezember 2019 habe das Konto A einen Saldo von CHF 63'247.60 aufgewiesen, per Ende August 2020 einen solchen von CHF 41'403.89. Die Beschwerdeführerin habe somit in der Zwischenzeit einen Betrag von CHF 21'843.71 von diesem Konto ausgegeben. Die nachgewiesenen Ausgaben gemäss Kontoauszug beliefen sich auf CHF 12'339.81 respektive, unter Berücksichtigung der Mietzinsausgaben von CHF 4'800.00, auf CHF 17'139.81. Hiervon habe ein Betrag von CHF 2'537.30 durch die entsprechenden Eingänge aus der privaten Rente der Versicherung Swiss Life gedeckt werden können. Zur Bestreitung der nachgewiesenen Ausgaben von CHF 17'139.80 sei somit noch ein Betrag von CHF 14'602.50 benötigt worden. Im Umfang der Differenz zwischen dieser Summe und den Gesamtausgaben von CHF 21'843.70 liege ein Vermögensverzicht vor. Dieser belaufe sich demnach auf CHF 7'241.20.

 

5.2     Konkret qualifizierte die Beschwerdegegnerin sämtliche Belastungen auf dem Konto A, die nicht auf Postschalterzahlungen mit Belegen aus dem Postbüchlein, auf direkte Kartenzahlungen auf Bankspesen entfielen, als Vermögensverzicht, weil der Verwendungszweck nicht nachgewiesen sei. Konkret handelt es sich insbesondere um die folgenden Belastungen (vgl. Auszüge, AK-Nr. 31 S. 127 ff.):

·         Bargeldbezüge von CHF 100.00, CHF 50.00 und CHF 1'000.00, total CHF 1'150.00, im Januar 2020;

·         je ein Bargeldbezug von CHF 200.00 und CHF 100.00, total CHF 300.00, im Februar 2020;

·         ein Bargeldbezug von CHF 1'000.00 im März 2020;

·         Bargeldbezüge von drei Mal CHF 100.00 und einmal CHF 1'800.00, total CHF 2'100.00, im April 2020;

·         Bargeldbezüge von fünf Mal CHF 100.00 und einmal CHF 150.00, total CHF 650.00, im Mai 2020;

·         Bargeldbezüge von elf Mal CHF 100.00, einmal CHF 200.00 und einmal CHF 1'800.00, total CHF 3'100.00, im Juni 2020;

·         Bargeldbezüge von einmal CHF 1'000.00, zweimal CHF 200.00, fünf Mal CHF 100.00 und einmal CHF 70.00, total CHF 1'970.00, im Juli 2020;

·         Bargeldbezüge von einmal CHF 1'000.00, sieben Mal CHF 100.00 und einmal CHF 50.00, total CHF 1'750.00, im August 2020.

Insgesamt belaufen sich diese Bezüge auf CHF 12'020.00. Nach Abzug der Miete von CHF 4'800.00 resultiert eine Summe von CHF 7'220.00. Die geringfügige Abweichung zum angerechneten Vermögensverzicht von CHF 7'241.20 ergibt sich aus Kleinstbewegungen.

 

5.3     Diesem Vorgehen kann jedenfalls in Bezug auf die Bezüge von höchstens CHF 200.00 nicht gefolgt werden. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass die Beschwerdeführerin, um der Anrechnung eines Vermögensverzichts zu entgehen, nachzuweisen hat, wofür das Geld verwendet wurde. In diesem Zusammenhang genügt es jedoch, wenn als überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass die jeweiligen Beträge nicht verschenkt wurden, sondern ihnen eine adäquate Gegenleistung gegenüberstand. Dies kann bei relativ geringen, sozialüblichen Barbezügen in der Regel vermutet werden, auch wenn der konkrete Verwendungszweck nicht feststeht (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 9C_515/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 4.1, wo Maestro-Card-Bezüge von CHF 300.00 bis 400.00, welche sich in einem Kalenderjahr auf CHF 16'700.00 summierten, bei den [belegten] Lebenshaltungskosten berücksichtigt wurden). Im konkreten Fall bestehen keine Anhaltspunkte, welche das Gegenteil, also ein Verschenken eine sonstige Hingabe ohne adäquate Gegenleistung, nahelegen würden. Die Barbezüge von CHF 50.00, CHF 70.00, CHF 100.00, CHF 150.00 CHF 200.00 in der Höhe von total CHF 4'420.00 von Januar 2020 bis August 2020 sind daher nicht als Vermögensverzicht zu qualifizieren.

 

5.4     Nach dem Gesagten liegt jedenfalls im Umfang von CHF 4'420.00 kein Vermögensverzicht vor. Da in den Vorjahren ebenfalls regelmässige Barbezüge im untersten dreistelligen Bereich erfolgten, die analog zu beurteilen sind, ist von einer zusätzlichen Reduktion des Vermögensverzichts auszugehen. Das Ausmass dieser weitergehenden Reduktion kann jedoch offenbleiben, da für die Zeit ab August 2020 bereits mit dem um die genannte Summe reduzierten Vermögensverzicht ein Ausgabenüberschuss und damit ein Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung von CHF 5'712.00 entsteht, der sich auch dann nicht erhöhen würde, wenn der Vermögensverzicht vollständig wegfiele (vgl. E. II. 4.3 hiervor). Falls man, da die Neuberechnung auf Anfang August 2020 erfolgt, die im August 2020 erfolgten Bezüge von CHF 750.00 unberücksichtigt liesse, wäre im Gegenzug auch der als Vermögensverzicht angerechnete Barbezug von CHF 1'000.00 vom 5. August 2020 auszuklammern, so dass sich das Vermögen im Ergebnis noch leicht reduziert.

 

6.       Zusammenfassend ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit sie den Anspruch bis 31. Juli 2020 betrifft. In Bezug auf den Anspruch für die Zeit vom 1. August 2020 bis 31. Dezember 2020 ist die Beschwerde gutzuheissen mit der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung in der Höhe der Prämienpauschale für die Krankenversicherung von CHF 5'712.00 pro Jahr respektive CHF 476.00 pro Monat hat.

 

7.      

7.1     Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 1 Abs. 1 ELG in Verbindung mit Art. 61 lit. g Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]). Bei teilweisem Obsiegen ist die Parteientschädigung zu reduzieren, soweit das Rechtsbegehren, welches über die Gutheissung hinausgeht, den Prozessaufwand des Rechtsvertreters erhöht hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_995/2012 vom 17. Januar 2013 E. 3 mit Hinweisen).

 

7.2       Rechtsanwalt Viktor Peter macht in seiner Kostennote vom 28. September 2021 (A.S. 73 f.) einen Aufwand von 30.58 Stunden, einen Ansatz von CHF 250.00 und Auslagen von CHF 196.60 geltend. Der Aufwand erscheint im Quervergleich als ausserordentlich hoch, was aber grossenteils durch die Aktenlage und die von der Beschwerdegegnerin postulierten Beweisanforderungen erklärt wird. Nicht berücksichtigt werden können jedoch Positionen, deren direkter Bezug zum vorliegenden Verfahren nicht erkennbar ist welche aufgrund der Bezeichnung als Kanzleiaufwand zu betrachten sind, der im Ansatz des Rechtsanwalts inbegriffen ist. Dies trifft zu auf die Positionen vom 14. Juni 2021 (Korrespondenz Klientin, Anfrage Steuerämter, 0.75 Stunden), vom 5. Juli 2021 (Korrespondenz Steuerämter, 0.33 Stunden), teilweise vom 21. Juli 2021 (Anteil «Akten aufbereitet und retourniert», ermessensweise 0.5 Stunden) sowie vom 26. August 2021 (Abklärungen zum Verbleib der Akten, Telefonat Kanzlei Versicherungsgericht, 0.33 Stunden). Total ergibt sich eine Reduktion um 1.91 Stunden. Damit verbleiben 28.67 Stunden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten wird, soweit sie den Anspruch bis Ende Juli 2020 betrifft; die Beschwerdeführerin unterliegt also teilweise. Die Parteientschädigung ist zu kürzen, soweit das weitergehende Rechtsbegehren den Aufwand des Rechtsvertreters erhöht hat (Urteil des Bundesgerichts 8C_449/2016 vom 2. November 2016 E. 3.1.1). Dies ist hier in relativ geringem Umfang der Fall. Als angemessen erscheint unter diesem Titel eine Reduktion des zu vergütenden Aufwands von 28.67 Stunden um einen Zehntel auf 25.8 Stunden. Mit dem Stundenansatz von CHF 250.00, den Auslagen von CHF 196.60 und der Mehrwertsteuer von 7.7 % resultiert eine Parteientschädigung von CHF 7'158.40.

 

7.3       Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen (Art. 61 lit. fbis ATSG, in Kraft seit 1. Januar 2021 und hier anwendbar gemäss der speziellen Übergangsbestimmung von Art. 82a ATSG). Weil das ELG keine Kostenpflicht vorsieht und weder mutwillige noch leichtsinnige Beschwerdeführung vorliegt, sind keine Gerichtskosten zu erheben.

 

Demnach wird erkannt:

1.    In Bezug auf den Anspruch für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. Juli 2020 wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

2.    In Bezug auf den Zeitraum vom 1. August 2020 bis 31. Dezember 2020 wird die Beschwerde gutgeheissen. Der Einspracheentscheid vom 10. Mai 2021 wird in diesem Umfang aufgehoben. Die Beschwerdeführerin hat für diesen Zeitraum Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung in der Höhe von CHF 476.00 pro Monat.

3.    Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von CHF 7'158.40 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

4.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident                           Die Gerichtsschreiberin

Flückiger                                   Wittwer



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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