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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2021.205)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2021.205: Verwaltungsgericht

Der französische Staatsangehörige A. hat beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde gegen die Entscheidung des Departements des Innern eingereicht, die ihn nicht von der obligatorischen Krankenversicherungspflicht in der Schweiz befreit hat. Er argumentiert, dass er in Frankreich versichert ist und daher von der Schweizer Versicherungspflicht befreit werden sollte. Das Gericht entscheidet jedoch, dass A. aufgrund verspätet ausgeübten Optionsrechts in der Schweiz krankenversicherungspflichtig ist. Die Beschwerde wird abgewiesen, es wird keine Parteientschädigung zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben. Der Bundesgerichtshof weist eine Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts ab.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2021.205

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2021.205
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2021.205 vom 10.02.2022 (SO)
Datum:10.02.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Schweiz; Krankenversicherung; AD-Nr; Entscheid; Versicherungspflicht; Staat; Person; Krankenversicherungspflicht; Frankreich; Gesuch; Einsprache; Kanton; Optionsrecht; Grenzgänger; Versicherungsgericht; Befreiung; Solothurn; Einspracheentscheid; Personen; Rechtsmittel; Bundesgericht; Urteil; Departement; Kantons; Akten; Parteien; Brief; Rechtsmittelfrist
Rechtsnorm: Art. 3 KVG ;Art. 95a KVG ;
Referenz BGE:136 V 295;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2021.205

 
Geschäftsnummer: VSBES.2021.205
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 10.02.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.11
Titel: Befreiung von der obligatorischen Krankenversicherungspflicht

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 10. Februar 2022

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Oberrichter Kiefer

Oberrichterin Hunkeler

Gerichtsschreiber Isch

In Sachen

A.___

Beschwerdeführer

 

gegen

Departement des Innern, Ambassadorenhof, 4500 Solothurn

Beschwerdegegner

 

Betreffend    Befreiung von der obligatorischen Krankenversicherungspflicht

                     (Einspracheentscheid vom 19. Oktober 2021)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.       Der französische Staatsangehörige, A.___, (nachfolgend Beschwerdeführer), geb. 1989, ist in Frankreich wohnhaft und in der Schweiz [...]) erwerbstätig. Am 19. Mai 2021 reichte er aufgrund seiner Tätigkeit in der Schweiz beim Departement des Innern des Kantons Solothurn (nachfolgend Beschwerdegegnerin) ein Gesuch um Befreiung von der obligatorischen Krankenversicherungspflicht in der Schweiz ein (AD-Nr. [Akten des Departements] 1). Darauf trat die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 7. September 2021 nicht ein (AD-Nr. 17). Mit Schreiben vom 13. September 2021 erhob der Beschwerdeführer dagegen Einsprache (AD-Nr. 30), welche mit Einspracheentscheid vom 19. Oktober 2021 (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.) abgewiesen wurde.

 

2.       Dagegen erhebt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn am 1. Dezember 2021 (Datum Postaufgabe) Beschwerde (A.S. 4) und stellt sinngemäss den Antrag, er sei von der Krankenversicherungspflicht nach KVG zu befreien. Zur Begründung führt er aus, er sei seit dem 1. Mai 2020 bei der französischen CPAM registriert und bezahle dort seinen monatlichen Beitrag. Er sei davon ausgegangen, dass die französischen Behörden der Beschwerdegegnerin diese Information übermitteln würden. Er habe lediglich als temporärer Mitarbeiter im Kanton Jura gearbeitet, weshalb er damals keine Krankenversicherung habe abschliessen müssen.

 

3.       Mit Eingabe vom 13. Dezember 2021 verzichtet die Beschwerdegegnerin auf Einreichung einer begründeten Stellungnahme und schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

 

4.       Auf die weiteren Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird nachfolgend, soweit erforderlich, eingegangen.

 

II.

 

1.       Der vorliegend angefochtene Einspracheentscheid wurde an den Beschwerdeführer mit eingeschriebenen Brief vom 19. Oktober 2021 versandt. Der Beschwerdeführer konnte jedoch an der angegebenen Adresse «[...]» durch die Post nicht ermittelt werden, weshalb der Brief an die Beschwerdegegnerin zurückgesandt wurde. Mit Schreiben vom 9. November 2021 (AD 40) stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer den Entscheid per A-Post zu, wobei die Adresse «c/o B.___ AG, [...]» lautete. Im betreffenden Schreiben machte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass der bereits mit eingeschriebenem Schreiben vom 19. Oktober 2021 versandte Entscheid von der Post nicht habe zugestellt werden können resp. nicht abgeholt worden sei, weshalb die erneute Zustellung keine neue Rechtsmittelfrist auslöse. So habe die Rechtsmittelfrist bereits am letzten Tag der Abholfrist des eingeschriebenen Entscheides zu laufen begonnen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der am 19. Oktober 2021 versandte eingeschriebene Brief ohne Zusatz «c/o B.___ AG» (Anmerkung: hierbei handelt es sich um die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers) an den Beschwerdeführer versandt wurde, weshalb es nachvollziehbar ist und dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, dass er unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden konnte. Die Rechtsmittelfrist hat demnach erst mit dem Zugang des am 9. November 2021 per A-Post erneut versandten Einspracheentscheides zu laufen begonnen, womit die am 1. Dezember 2021 erhobene Beschwerde rechtzeitig erfolgt und demnach darauf einzutreten ist.

 

2.       Zu prüfen ist vorliegend, ob der Beschwerdeführer der Versicherungspflicht in der schweizerischen Krankenpflegeversicherung untersteht ob er in Anbetracht der in Frankreich abgeschlossenen Krankenversicherung davon befreit werden kann.

 

2.1     Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA [SR 0.142.112.681]) in Kraft getreten. Gemäss Art. 95a KVG gilt dieses Abkommen für die in Art. 2 der EU-Verordnung Nr. 1408/71 bezeichneten Personen (Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende sowie Studierende), soweit es um Leistungen gemäss Art. 4 der Verordnung (entspricht den Leistungen nach KVG) geht. Die Versicherungspflicht von Staatsangehörigen der EU der Schweiz richtet sich nach der Rechtsordnung eines einzigen Staates. Dieser Staat bestimmt sich, wenn Wohn- und Beschäftigungsland auseinander fallen, nach dem sogenannten Erwerbsortprinzip. Zuständig ist somit die Rechtsordnung desjenigen Staates, in dem die betroffene Person arbeitet.

 

2.2     Der Beschwerdeführer ist, wie erwähnt, in Frankreich wohnhaft, arbeitet aber in der Schweiz. Die Versicherungspflicht richtet sich somit nach den Regeln des schweizerischen Rechts.

 

3.      

3.1     Nach Art. 3 KVG muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme in der Schweiz für Krankenpflege versichern (Abs. 1). Der Bundesrat kann die Versicherungspflicht auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen, insbesondere auf solche, die in der Schweiz tätig sind dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Abs. 3 lit. a).

 

Die Schweiz hat jedoch mit den angrenzenden Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich) Sondervereinbarungen getroffen, damit sich die in diesen Ländern wohnhaften Personen im Wohnland versichern können (Optionsrecht). Die Ausnahme von dieser Versicherungspflicht erfordert nach Art. 2 Abs. 6 KVV ein entsprechendes Gesuch, welches nach Anhang II FZA (Abschnitt A Ziff. 1 lit. i Abs. 3b/aa) grundsätzlich innerhalb von drei Monaten nach Entstehung der Versicherungspflicht in der Schweiz zu stellen ist (BGE 136 V 295 E. 2.3.3 S. 301). Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in Frankreich versichert sind und über ein Optionsrecht verfügen, müssen innerhalb von drei Monaten das Formular «Choix du système d'assurance-maladie» ausfüllen und durch die Caisse primaire d'assurance-maladie française (CPAM) visieren lassen, bevor es der zuständigen Behörde des Arbeitskantons zurückgeschickt wird.

 

3.2     Das vorgenannte Formular «Choix du système d'assurance-maladie» reichte der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin am 19. Mai 2021 ein (AD-Nr. 1). Wie jedoch aus den vorliegenden Akten ersichtlich, hat der Beschwerdeführer die Grenzgängertätigkeit in der Schweiz gemäss Grenzgängerausweis am 22. April 2020 aufgenommen (AD-Nr. 3). Die Frist für die Ausübung des Optionsrechts und die Einreichung eines Gesuches um Befreiung von der Krankenversicherungspflicht lief somit bis 22. Juli 2020. Das vorliegend am 19. Mai 2021 gestellte Gesuch ist demnach verspätet. Wie zudem die weiteren Abklärungen der Beschwerdegegnerin ergeben haben, hat der Beschwerdeführer sein Optionsrecht – entgegen seinen Angaben (s. AD-Nr. 9) – auch nicht anlässlich einer anderen Grenzgängertätigkeit im Kanton Jura ausgeübt (AD-Nr. 13). Demnach ist der Beschwerdeführer nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen in der Schweiz krankenversicherungspflichtig.

 

3.3     Ein Ausnahmefall im Sinne von Art. 2 KVV liegt zudem nicht vor: Abs. 2 dieser Bestimmung gelangt nicht zur Anwendung, wenn ein Tatbestand – wie hier – von den Abgrenzungsregeln des FZA erfasst ist (Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 427 N 87). Abs. 7 gilt nur für Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung ohne Erwerbstätigkeit, womit diese Bestimmung ebenfalls nicht anwendbar ist.

 

4.

4.1     Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin auf das eingereichte Gesuch aufgrund des verspätet ausgeübten Optionsrechts nicht eingetreten ist. Demnach ist die Beschwerde abzuweisen.

 

4.2     Bei diesem Verfahrensausgang besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung.

 

4.3     Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es werden weder eine Parteientschädigung zugesprochen noch Verfahrenskosten erhoben.

3.    Die Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 13. Dezember 2021 geht zur Kenntnisnahme an den Beschwerdeführer.

 

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident                           Der Gerichtsschreiber

Flückiger                                   Isch

 

 

Auf die gegen den vorliegenden Entscheid erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 9C_167/2022 vom 4. April 2022 nicht ein.



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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