Zusammenfassung des Urteils VSBES.2021.164: Verwaltungsgericht
Die Helsana Versicherungen AG forderte A.___ auf, ausstehende Kostenbeteiligungen und Prämien zu bezahlen. Nach Einsprachen reduzierte die Beschwerdegegnerin die Forderungen teilweise. A.___ konnte den geforderten Betrag aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht zahlen. Die Beschwerdegegnerin reduzierte daraufhin die Forderung erneut. Das Versicherungsgericht entschied, dass A.___ einen Teil der Forderung bezahlen muss, die Mahngebühren jedoch zu hoch waren und auf CHF 80.00 gesenkt werden. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, A.___ muss CHF 959.00 zahlen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2021.164 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 17.02.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Kostenbeteiligung; Kostenbeteiligungen; Mahngebühr; Wiedererwägung; Prämien; Forderung; Einsprache; Leistungsabrechnung; Versicherungsgericht; Apos; Entscheid; Forderungen; Urteil; Einspracheentscheid; Versicherer; Zahlung; Recht; Person; Mahngebühren; Verhältnis; Ausstände; Krankenversicherung; Helsana; Akten; Betrag; Spesen; Bundesgericht |
Rechtsnorm: | Art. 53 ATSG ;Art. 64a KVG ; |
Referenz BGE: | 125 V 276; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 4. Auflage , Art. 53 ATSG, 2020 |
Geschäftsnummer: | VSBES.2021.164 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 17.02.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2022.19 |
Titel: | Krankenversicherung KVG |
Resümee: |
Urteil vom 17. Februar 2022 Es wirken mit: Vizepräsidentin Weber-Probst Gerichtsschreiber Isch In Sachen A.___ Beschwerdeführer
gegen Helsana Versicherungen AG, Recht und Compliance, Postfach, 8081 Zürich Beschwerdegegnerin
betreffend Krankenversicherung KVG (Einspracheentscheid vom 15. September 2021)
zieht der Präsident des Versicherungsgerichts in Erwägung: I.
1. Mit Verfügung vom 20. Juli 2021 (AH [Akten der Helsana] 36) hielt die Helsana Versicherungen AG (nachfolgend Beschwerdegegnerin) fest, A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) werde verpflichtet, die ausstehenden Kostenbeteiligungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von Oktober 2018 bis Juli 2020 von CHF 1'783.35, ein ausstehender Prämienbetrag vom Januar 2021 von CHF 7.90, eine Mahngebühr von CHF 270.00 sowie ein aufgelaufener Zinsbetrag von CHF 5.65 zu bezahlen. Die dagegen am 17. August 2021 und 6. September 2021 erhobenen Einsprachen (HA 37 und 39) hiess die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 15. September 2021 (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.) insofern teilweise gut, als sie die Mahngebühr auf CHF 170.00 reduzierte. Zudem forderte sie im Entscheid neben der genannten Mahngebühr nur noch die ausstehenden Kostenbeteiligungen von total CHF 1'783.35 ein. Der obengenannte Prämienbetrag von CHF 7.90 sowie der Zinsbetrag von CHF 5.35 wurden dagegen nicht mehr verlangt. Im Übrigen wies sie die Einsprache ab.
2. Gegen diesen Einspracheentscheid erhebt der Beschwerdeführer am 23. September 2021 fristgerecht Beschwerde bei der Beschwerdegegnerin, welche diese zuständigkeitshalber an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn weiterleitet. Darin macht der Beschwerdeführer geltend, er sei arbeitsunfähig und mit € 580.00 Krankengeld pro Monat sei es ihm leider nicht möglich, den geforderten Betrag zu bezahlen. Nach Auskunft seiner Ärzte werde sich sein Zustand auch nicht mehr verbessern.
3. Mit Beschwerdeantwort vom 17. November 2021 (A.S. 15 ff.) teilt die Beschwerdegegnerin mit, sie habe den angefochtenen Einspracheentscheid vom 15. September 2021 mit Entscheid vom 17. November 2021 insofern teilweise in Wiedererwägung gezogen, als sie die geforderten ausstehenden Kostenbeteiligungen auf CHF 879.00 reduziere.
4. Auf die weiteren Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird im Folgenden, soweit notwendig, eingegangen.
II.
1. 1.1 Im vorliegenden Fall ist die Bezahlung von ausstehenden Kostenbeteiligungen im Betrag von CHF 879.00 zuzüglich Mahnspesen von CHF 170.00 strittig, womit der Streitwert unter CHF 30'000.00 liegt, weshalb die Angelegenheit von der Vizepräsidentin des Versicherungsgerichts als Einzelrichterin zu beurteilen ist (§ 54bis Abs. 1 lit. a GO).
1.2 Bezahlt die versicherte Person fällige Prämien Kostenbeteiligungen nicht, so hat der Versicherer ihr, nach mindestens einer schriftlichen Mahnung, eine Zahlungsaufforderung zuzustellen, ihr eine Nachfrist von 30 Tagen einzuräumen und sie auf die Folgen des Zahlungsverzuges hinzuweisen (Art. 64a Abs. 1 KVG). Der Versicherer muss die Zahlungsaufforderung bei Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen spätestens drei Monate ab deren Fälligkeit zustellen. Er muss sie getrennt von allfälligen anderen Zahlungsausständen zustellen (Art. 105b Abs. 1 KVV).
2. Wie vorgehend in E. I. 3. festgehalten, hat die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 17. November 2017 den angefochtenen Einspracheentscheid vom 15. September 2021 teilweise wiedererwägungsweise lite pendente aufgehoben. Nach Art. 53 Abs. 3 ATSG kann der Versicherungsträger eine Verfügung einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben worden ist, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt. Insbesondere steht es dem Versicherungsträger frei, während des laufenden Beschwerdeverfahrens ohne Beachtung der besonderen Wiedererwägungsvoraussetzungen (insbesondere ohne Annahme einer zweifellosen Unrichtigkeit) auf den Entscheid zurückzukommen. Insofern ist die vorliegende Wiedererwägung grundsätzlich zulässig. Entspricht die Wiedererwägung jedoch nicht dem im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag, kommt sie bloss einem Antrag an das Gericht gleich (Zum Ganzen: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. Auflage 2020, Art. 53, Rz 88 ff., mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
Der Beschwerdeführer macht vorliegend geltend, er könne die ausstehenden Forderungen nicht bezahlen und verlangt damit sinngemäss, es sei ihm die gesamte strittige Forderung zu erlassen (siehe auch HA 37 und 39). Damit entspricht die von der Beschwerdegegnerin teilweise vorgenommene Wiedererwägung nicht dem im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag. Da es sich aber bei den in Wiedererwägung gezogenen Forderungen um Kostenbeteiligungen handelt, welche als Teilforderungen klar von der Gesamtforderung trennbar sind, ist die von der Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 17. November 2017 vorgenommene teilweise Wiedererwägung dennoch als zulässig zu erachten.
3. 3.1 Sodann ist festzuhalten, dass die ausstehenden Kostenbeteiligungen im Gesamtbetrag von CHF 1'783.35 hinsichtlich der Höhe nicht bestritten werden. Der nicht in Wiedererwägung gezogene und im vorliegenden Verfahren weiterhin geforderte Betrag von CHF 879.00 ist denn auch nicht zu beanstanden. So ergibt sich dessen Höhe aus den von der Beschwerdegegnerin eingereichten Akten (vgl. Aufstellung in der Beschwerdeantwort, A.S. 19; Leistungsabrechnung vom 19. Januar 2019, HA 2; Leistungsabrechnung vom 26. April 2019, HA 5; Leistungsabrechnung vom 4. Mai 2019, HA 6; Leistungsabrechnung vom 11. Mai 2019, HA 8; Leistungsabrechnung vom 23. November 2019, HA 16; Leistungsabrechnung vom 8. August 2020, HA 22; Leistungsabrechnung vom 22. August 2020, HA 24; Leistungsabrechnung vom 29. August 2020, HA 25).
Was die in Wiedererwägung gezogenen ausstehenden Forderungen anbelangt, liegen dagegen keine Akten vor. Aber diesbezüglich kann auf die unbestritten gebliebenen Angaben der Beschwerdegegnerin abgestellt werden, wonach bezüglich dieser Forderungen das Mahnverfahren gemäss Art. 105b KVV Abs. 1 und Art. 64a KVG Abs. 1 (s. E. II. 1.2. hiervor) nicht korrekt durchgeführt wurde. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin diesbezüglich den Streitgegenstand um diese Forderungen reduziert hat. Diesbezüglich ist die Beschwerde gegenstandslos.
3.2 Der Beschwerdeführer verlangt vorliegend sinngemäss, dass ihm die gesamten ausstehenden Forderungen zu erlassen sind. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Versicherer gemäss Art 64a Abs. 2 KVG die Betreibung anheben muss, wenn die versicherte Person trotz Zahlungsaufforderung die Prämien, Kostenbeteiligungen und Verzugszinse nicht innert der gesetzten Frist bezahlt. Die Möglichkeit der Ratenzahlung des Erlasses ist somit gesetzlich nicht vorgesehen und die versicherte Person hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Versicherer ihr dies gewährt. Demnach kann das Versicherungsgericht die Beschwerdegegnerin vorliegend nicht anweisen, dem Beschwerdeführer die ausstehenden Kostenbeteiligungen zu erlassen ihm die Möglichkeit der Ratenzahlung zu geben.
4. Ebenfalls nicht bestritten werden die erhobenen Mahngebühren von CHF 170.00. Bei Verzug der Zahlung von Prämien ist die Erhebung angemessener Mahngebühren und Umtriebsspesen zulässig, sofern die versicherte Person Aufwendungen schuldhaft verursacht hat und der Versicherer in seinen allgemeinen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der versicherten Personen eine entsprechende Regelung vorsieht (Urteil vom 12. Januar 2006, K 40/05; BGE 125 V 276). Die geltend gemachten Gläubigerkosten finden ihre Grundlage in Ziff. 5.5 der Versicherungsbestimmungen gemäss KVG (Versicherungsbedingungen [VB] BASIS – die obligatorische Krankenpflegeversicherung der Helsana, Ausgabe 1. Juli 2016).
Angesichts der verbleibenden Forderung von CHF 879.00 erscheinen Mahngebühren von total CHF 170.00 im Verhältnis aber als zu hoch. Das automatisierte Mahnsystem der Beschwerdegegnerin kann dazu führen, dass ungeachtet der Höhe der Ausstände Kosten anfallen, die bei geringen Prämienausständen – wie im vorliegenden Fall geringen ausstehende Kostenbeteiligungen – ein unangemessenes Verhältnis zwischen Ausstand und Spesen entsteht und die Spesen somit gegen das Äquivalenzprinzip verstossen. Unbestritten steht der sozialen Krankenversicherung im Rahmen der Spesenerhebung eine gewisse Autonomie zu. Abgesehen davon, dass Mahn- und Bearbeitungsgebühren keine zusätzliche Ertragsquelle der Versicherer, sondern höchstens kostendeckend sein dürfen (EUGSTER, Krankenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, 2015, Rz. 1349), ändert auch ein vollautomatisches Mahnsystem nichts daran, dass die Mahnkosten – in Nachachtung des Äquivalenzprinzips – in einem vernünftigen Verhältnis zu den Ausständen stehen müssen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat beispielsweise im Urteil K 112/05 vom 2. Februar 2006 eine Mahngebühr von CHF 160.00 (zuzüglich CHF 30.00 Bearbeitungskosten) bei einem Prämienausstand von CHF 1'770.00 sowie offenen Kostenbeteiligungen von CHF 363.00 (somit Ausständen von total CHF 2'133.15) ebenso als grenzwertig erachtet wie im Urteil K 76/03 vom 9. August 2005 eine Gebühr von CHF 300.00 bei einem Prämienausstand von CHF 4'346.70. Es wurden somit in Würdigung der konkreten Gegebenheiten bereits Spesen, die sich auf deutlich weniger als 10 % der Ausstände beliefen, als gerade noch im Bereich der Verhältnismässigkeit erachtet. Bei lediglich geringfügigen Ausständen hat das Bundesgericht allerdings auch eine wesentlich kleinere Differenz zwischen Ausstand einerseits und Mahn- sowie Verwaltungskosten anderseits nicht beanstandet (Urteil K 24/06 vom 3. Juli 2005 E. 3.2 [Mahnspesen von CHF 20.00, zuzüglich Bearbeitungsgebühren von CHF 30.00, bei einer ausstehenden Kostenbeteiligung von CHF 62.50]).
Wie eingehend festgehalten, sind die geltend gemachten Mahngebühren von total CHF 170.00 im Verhältnis zu den ausstehenden Kostenbeteiligungen von CHF 879.00 zu hoch, weshalb die Mahnkosten im Lichte der vorstehenden Erwägungen auf knapp 10 % der ausstehenden Forderungen – somit auf CHF 80.00 – zu senken sind. Somit ist die Beschwerde in diesem Punkt teilweise gutzuheissen.
5. 5.1 Die Beschwerde wird somit insoweit teilweise gutgeheissen, dass die Mahngebühren auf CHF 80.00 reduziert werden. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, insoweit sie nicht gegenstandslos ist.
5.2 Da der Beschwerdeführer weder anwaltlich noch anderweitig fachlich vertreten ist, besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung.
5.3 Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, der Beschwerdegegnerin den Betrag von total CHF 959.00 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos ist. 2. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 3. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Vizepräsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Isch |
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