Zusammenfassung des Urteils VSBES.2021.158: Verwaltungsgericht
Der Versicherte war bei einem Unfall am 29. November 2020 beteiligt, bei dem er sich an der rechten Schulter verletzte. Die Beschwerdegegnerin erbrachte gesetzliche Leistungen, schloss den Fall jedoch ohne weitere Leistungen ab. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, der jedoch abgewiesen wurde. Es folgten Beschwerden beim Versicherungsgericht, bei denen es um die Frage ging, ob der Versicherte weiterhin Leistungen erhalten sollte. Nach mehreren Gutachten und Untersuchungen kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Unfall nur vorübergehend die bestehenden Beschwerden verschlimmert hatte und kein natürlicher Kausalzusammenhang mehr bestand. Somit wurde die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin ab dem 6. April 2021 aufgehoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2021.158 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 15.12.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Labrum; Schulter; Unfall; Gericht; Beweis; Gerichtsgutachten; Läsion; Labrums; Supra; Untersuchung; Ereignis; Supraspinatus; Subscapularis; Ursache; Schmerz; Beurteilung; Beschwerden; Labrumläsion; Begutachtung; Suva-Nr; Gutachten; Wahrscheinlichkeit; Experte; Kausalzusammenhang; Trauma; Subscapularissehne; Akten |
Rechtsnorm: | Art. 16 UVG ;Art. 19 UVG ;Art. 4 ATSG ;Art. 45 ATSG ; |
Referenz BGE: | 117 V 261; 117 V 359; 122 V 157; 125 V 351; 128 V 133; 129 V 177; 132 V 393; 134 V 109; 135 V 465; 139 V 496; 140 V 70; 142 V 435; 143 V 269; 145 V 314; |
Kommentar: | -, , 1900 |
Geschäftsnummer: | VSBES.2021.158 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 15.12.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.7 |
Titel: | Unfallversicherung |
Resümee: |
Urteil vom 15. Dezember 2023 Es wirken mit: Oberrichter Thomann Oberrichterin Kofmel Gerichtsschreiber Haldemann In Sachen A.___ Beschwerdeführerin B.___ Beigeladener gegen Suva Rechtsabteilung, Postfach 4358, 6002 Luzern, Beschwerdegegnerin
betreffend Unfallversicherung (Einspracheentscheid vom 20. August 2021)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. 1.1 Der Versicherte B.___, geb. 1984, war seit 1. Juli 2019 bei der Firma C.___ AG in der Kommissionierung beschäftigt und aufgrund dieser Anstellung bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva (fortan: Beschwerdegegnerin) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 29. November 2020 stürzte er, als er beim Schlitteln den Hang hinaufging, und verletzte sich an der rechten Schulter (s. Schadenmeldung UVG vom 8. März 2021, Akten der Beschwerdegegnerin / Suva-Nr. 1). Die Beschwerdegegnerin erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen in Form von Taggeldern und Heilbehandlung (Suva-Nr. 6).
1.2 Mit Verfügung vom 19. Mai 2021 schloss die Beschwerdegegnerin den Fall ohne weitere Leistungen per 6. April 2021 ab, da die bestehenden Schulterbeschwerden nicht mehr unfallbedingt seien (Suva-Nr. 29). Dagegen erhob die A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) als obligatorische Krankenversicherung des Versicherten Einsprache (Suva-Nr. 30), welche die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 20. August 2021 abwies (Aktenseite / A.S. 1 ff.).
2. 2.1 Die Beschwerdeführerin erhebt am 21. September 2021 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde und stellt folgende Rechtsbegehren (A.S. 9 ff.): 1. Es sei die Verfügung vom 19. Mai 2021 aufzuheben. 2. Eventualiter sei die Verfügung vom 19. Mai 2021 aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
2.2 Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Beschwerdeantwort vom 11. Oktober 2021 die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung des angefochtenen Einspracheentscheides (A.S. 23 ff.), während sich der in das Beschwerdeverfahren beigeladene Versicherte nicht äussert (s. A.S. 21 + 31). Die Beschwerdeführerin wiederum gibt in der Folge keine Replik ab (s. A.S. 34).
2.3 Die damalige Vizepräsidentin des Versicherungsgerichts teilt den Parteien am 17. Januar 2022 mit, es sei beabsichtigt, bei Dr. med. D.___, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, ein monodisziplinäres Gerichtsgutachten in Auftrag zu geben (A.S. 34 ff.). Während sich die Beschwerdegegnerin damit am 1. Februar 2022 ausdrücklich einverstanden erklärt (A.S. 39), lassen sich die Beschwerdeführerin und der Versicherte nicht vernehmen. Die Vizepräsidentin erteilt daraufhin Dr. med. D.___ am 15. Februar 2022 den Begutachtungsauftrag (A.S. 40 ff.). In der Folge verlangt der Experte zusätzliche Unterlagen des behandelnden Arztes Prof. Dr. med. E.___ (A.S. 45), worauf das Gericht beim Versicherten eine Entbindung vom Arztgeheimnis einholt (A.S. 50) und die fraglichen Unterlagen ediert (A.S. 51 ff.).
2.4 Dr. med. D.___ erstattet sein Gutachten am 8. Juni 2022 (A.S. 83 ff.). Die Beschwerdegegnerin hält am 17. August 2022 am Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest (A.S. 191), während sich die Beschwerdeführerin und der Versicherte nicht vernehmen lassen (s. A.S. 193). Die Präsidentin des Versicherungsgerichts stellt Dr. med. D.___ am 10. November 2022 eine Ergänzungsfrage (A.S. 192 ff.), welche dieser am 4. Dezember 2022 beantwortet (A.S. 195 f.). Während die Beschwerdegegnerin am 23. Dezember 2022 erneut ihren Antrag auf Abweisung der Beschwerde bekräftigt (A.S. 202), äussern sich die Beschwerdeführerin und der Versicherte nicht. Sodann stellt die Präsidentin den Parteien am 27. Februar 2023 in Aussicht, bei Dr. med. F.___, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, ein weiteres monodisziplinäres Gerichtsgutachten einzuholen. Ausserdem fordert sie den Versicherten auf, sämtliche radiologischen Aufnahmen der rechten Schulter in seinem Besitz einzureichen sowie die Entbindung der behandelnden Ärzte vom Arztgeheimnis zu unterzeichnen (A.S. 203 ff.). Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin bringen in den Eingaben vom 3. resp. 15. März 2023 keine Einwände gegen den neuen Experten vor und beantragen keine Zusatzfragen (A.S. 208 f.). Der Versicherte lässt sich nicht vernehmen und reicht weder die radiologischen Aufnahmen noch die Entbindung vom Arztgeheimnis ein. Die Präsidentin erteilt daraufhin Dr. med. F.___ am 31. März 2023 den Begutachtungsauftrag (A.S. 210 ff.). Zugleich verlangt sie vom Versicherten noch einmal – jedoch erneut ohne Erfolg –, die Bildgebung sowie die Entbindungserklärung einzureichen (A.S. 214).
2.5 Der Versicherte versäumt den Begutachtungstermin vom 23. Juni 2023 unentschuldigt. Das Gericht sieht davon ab, ihn nochmals für eine Exploration aufzubieten und passt den Begutachtungsauftrag dahingehend an, dass ein Aktengutachten zu erstellen sei (A.S. 216 ff.). Dieses ergeht am 4. Oktober 2023 (A.S. 222 ff.). Während sich die Beschwerdegegnerin in der Eingabe vom 31. Oktober 2023 mit dem Gutachten einverstanden erklärt und den Antrag auf Abweisung der Beschwerde unter a/o Kostenfolge erneuert (A.S. 253 f.), äussern sich die Beschwerdeführerin und der Versicherte nicht (s. A.S. 255).
II.
1. Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte auch nach dem 6. April 2021 Anspruch auf Leistungen der Beschwerdegegnerin für das Unfallereignis vom 29. November 2020 hat. Bei der Beurteilung des Falles ist grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, der bis zum Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides am 20. August 2021 eingetreten ist (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366).
2. 2.1 Soweit das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) nichts anderes bestimmt, werden Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG). Die versicherte Person hat u.a. Anspruch auf die zweckmässige Behandlung der Unfallfolgen (Art. 10 Abs. 1 UVG) sowie auf ein Taggeld, sofern sie infolge des Unfalls voll teilweise arbeitsunfähig ist (Art. 16 Abs. 1 UVG). Dabei handelt es sich um vorübergehende Leistungen, die – wie aus Art. 19 Abs. 1 UVG erhellt – nur solange zu gewähren sind, als von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes (d.h. eine Wiederherstellung eine ins Gewicht fallende Steigerung der Arbeitsfähigkeit, s. BGE 134 V 109 E. 4.3 S. 115) erwartet werden kann. Sobald dies nicht mehr der Fall ist (und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind), erfolgt der Fallabschluss mit Einstellung der vorübergehenden Leistungen bei gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente sowie auf eine Integritätsentschädigung (BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 114 + E. 4.3 S. 115).
2.2 2.2.1 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers gemäss UVG setzt voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche geistige Integrität des Versicherten beeinträchtigt hat, der Unfall mit anderen Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438, 129 V 177 E. 3.1 S. 181). Ob zwischen einem schädigenden Ereignis einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber der Versicherer bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (s. dazu BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt nicht, um einen Leistungsanspruches zu begründen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181). Weiter ist für den Nachweis einer unfallkausalen gesundheitlichen Schädigung der Grundsatz «post hoc, ergo propter hoc», wonach eine gesundheitliche Schädigung schon dann als durch einen Unfall verursacht gilt, wenn sie nach diesem aufgetreten ist, nicht massgebend (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341 f.). Der Beweis der Gesundheitsschädigung und des natürlichen Kausalzusammenhangs (resp. seines Wegfallens) wird in erster Linie mittels Angaben der medizinischen Fachpersonen geführt, d.h. mit den Berichten der behandelnden Ärzte und allenfalls einem Gutachten (Irene Hofer in: Ghislaine Frésard-Fellay / Susanne Leuzinger / Kurt Pärli [Hrsg.], Basler Kommentar zum UVG, Basel 2019, Art. 6 N 66).
2.2.2 Ist die Unfallkausalität einmal mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, entfällt die deswegen anerkannte Leistungspflicht des Unfallversicherers erst, wenn der Unfall nicht länger die natürliche und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, dieser also nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (status quo ante) aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher später eingestellt hätte (status quo sine), erreicht ist. Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Die blosse Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen des Unfalles genügt nicht (BGE 117 V 359 E. 4a S. 360, 117 V 369 E. 3a S. 376; 115 V 133 E. 8b S. 142). Da es sich hierbei um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die entsprechende Beweislast – anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist – nicht bei der versicherten Person, sondern beim Unfallversicherer (Urteil des Bundesgerichts 8C_669/2019 vom 25. März 2020 E. 2.2). Der Beweis des Wegfalls des natürlichen Kausalzusammenhangs muss indes nicht durch den Nachweis unfallfremder Ursachen erbracht werden. Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer den negativen Beweis zu verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliege die versicherte Person nun bei voller Gesundheit sei. Entscheidend ist allein, ob unfallbedingte Ursachen des Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind (Kaspar Gehring in: Ueli Kieser / Kaspar Gehring / Susanne Bollinger [Hrsg.], Kommentar zu den Bundesgesetzen über die Krankenversicherung, die Unfallversicherung und den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, Zürich 2018, Art. 4 ATSG N 40; Urteil des Bundesgerichts 8C_608/2020 vom 15. Dezember 2020 E. 5.2).
2.3 2.3.1 Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum – auf Verwaltungs- und Gerichtsstufe geltenden – Grundsatz der freien Beweiswürdigung auf. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (sog. antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148, 124 V 90 E. 4b S. 94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und / Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteil des Bundesgerichts 8C_281/2018 vom 25. Juni 2018 E. 3.2.1).
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel die Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264, mit Hinweis).
2.3.2 Hinsichtlich des Beweiswertes eines medizinischen Gutachtens ist entscheidend, ob dieses für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet sowie in seinen Schlussfolgerungen begründet ist. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht Gutachten, sondern dessen Inhalt (BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468 ff., 125 V 351 E. 3a S. 352 ff.). Die Rechtsprechung erachtet es jedoch als mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung vereinbar, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen (BGE 125 V 351 E. 3b S. 352). So darf von einem Gerichtsgutachten nur bei zwingenden Gründen abgewichen werden (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469, BGE 143 V 269 E. 6.2.3.2 S. 282). Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn das Gerichtsgutachten widersprüchlich ist ein vom Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu anderen Schlussfolgerungen gelangt. Eine divergierende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Gericht als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Gerichtsgutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass es die Überprüfung durch einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass es ohne Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f.; Urteil des Bundesgerichts 9C_429/2017 vom 30. August 2017 E. 3.1.3). Andererseits kommt auch den Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f.). Soll ein Versicherungsfall jedoch ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229, 135 V 465 E. 4.4 S. 470).
3. 3.1 3.1.1 Der Versicherte gab am 11. März 2021 anlässlich eines Telefonats mit der Beschwerdegegnerin an (Suva-Nr. 3), er sei beim Schlitteln den Hang hochgelaufen und dabei nach vorne gestürzt, aber mehr nach rechts. Er habe den Sturz mit beiden Händen abgefangen. Ob er direkt auf die rechte Schulter gefallen sei, wisse er nicht mehr. Er sei zunächst zur Arbeit gegangen; als es jedoch schlimmer geworden sei und immer mehr blockiert habe, habe er seine Hausärztin Dr. med. G.___ aufgesucht, welche ihn vollständig arbeitsunfähig geschrieben habe (s. Suva-Nr. 2). Vom 1. Februar bis 2. März 2021 habe er gearbeitet, sei aber seit dem 3. März 2021 wieder zu 100 % arbeitsunfähig (s. Suva–Nr. 9 f.), nachdem es erneut zu vermehrten Blockaden gekommen sei. Dr. med. G.___ erklärte im Arztzeugnis UVG vom 19. März 2021 (Suva-Nr. 14), der Versicherte habe sich am 22. Dezember 2020 bei ihr in Behandlung begeben, welche am 29. Januar 2021 abgeschlossen worden sei. Die Beweglichkeit beider Schultergelenke sei seit dem 23. Dezember 2020 erheblich schmerzhaft eingeschränkt, mit einem Druckschmerz über der Supraspinatussehne bei Impingement-Syndrom. Von einem Trauma habe der Versicherte nicht gesprochen.
3.1.2 Die MRI-Untersuchung der rechten Schulter vom 30. Dezember 2020 (Suva-Nr. 4 S. 2) ergab Ansatztendinopathien der Supraspinatus- und Subscapularissehne mit interstitiellen Mikroeinrissen der anterioren Supraspinatussehne und gelenkseitigem Einriss der Subscapularissehne kranial, einen posterioren Labrumriss bei ca. 9 bis 11 Uhr sowie einen Reizzustand im AC-Gelenk ohne wesentliche Arthrose.
3.1.3 Der Bericht des Spitals H.___ vom 24. März 2021 (Suva-Nr. 11) hielt fest, die Schulterbeschwerden rechts seien dominant. Es lägen eine Tendinose der Supraspinatus- und Subscapularissehne sowie eine posteriore Labrumläsion vor. Seit dem Sturz am 29. November 2020 sei es zu einer Schmerzexazerbation gekommen. Im Rahmen der Abstützbewegung beim Sturz sei ventralseitig ein stechendes Schmerzereignis aufgetreten. Nach geringer Regredienz habe die Belastung bei der Arbeit als Lagerist zu einer erneuten Beschwerdeprogression geführt. Es sei von einer relevanten Begleitbursitis auszugehen. Nach initial guter Wirksamkeit einer subakromialen Mischinfiltration zeigte sich eine erneute Beschwerdeprogredienz (A.S. 71).
3.1.4 Die bei Prof. Dr. med. E.___ eingeholten Arztberichte (s. E. I. 2.3 hiervor) sind entweder erst nach dem angefochtenen Einspracheentscheid ergangen betreffen eine Verletzung der linken Schulter aus dem Jahr 2012. Soweit sich die Gerichtsgutachten mit diesen Unterlagen befassen, wird auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen (s. E. II. 3.3 und 3.4 hiernach).
3.2 3.2.1 3.2.1.1 Der Suva-Kreisarzt Dr. med. I.___, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, hielt in seiner Stellungnahme vom 1. April 2021 dafür (Suva-Nr. 12), die an der Schulter festgestellten Befunde seien als degenerativ im Rahmen der früheren Tätigkeit als Gipser zu sehen. Das geltend gemachte Ereignis habe eine vorübergehende Verschlimmerung bewirkt. Der Vorzustand sei nach drei Monaten erreicht worden. Danach bestehe unfallkausal eine volle Arbeitsfähigkeit in der aktuellen Tätigkeit.
3.2.1.2 In seinem Bericht vom 12. Mai 2021 (Suva-Nr. 27) ergänzte Dr. med. I.___, eine akute Verletzung der Rotatorenmanschette des posterioren Labrums sei nicht als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten, nachdem der Versicherte erst drei Wochen nach dem Ereignis ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Bei eigener Durchsicht der MRI-Bilder vom 30. Dezember 2020 zeigten sich in der kranialen Subscapularissehne und in der ventralen Supraspinatussehne kleinste interstitielle Läsionen, welche jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich auf ein akutes Trauma zurückgingen, sondern Ergebnis einer zeitlich länger dauernden Abnützung seien, besonders da Ödembildungen fehlten. Es sei davon auszugehen, dass die Läsionen bereits vor dem Ereignis vorgelegen hätten und durch dieses nur zu Tage getreten seien. Ausserdem sei der Sturz nach vorne gemäss einschlägiger Fachliteratur nicht geeignet, Zerreissungen im Bereich der Subscapularis- und Supraspinatussehne hervorzurufen. Da nur eine relativ kleine durchgehende Ablösung des Labrum glenoidale vom Glenoid vorliege, sei eine traumatische Läsion eher unwahrscheinlich. Gemäss Literatur würden traumatische Labrumschäden praktisch nur bei Schulterluxationen auftreten, was hier nicht unterstellt werden könne. Somit sei dieser kleine posteriore Labrumdefekt überwiegend wahrscheinlich ebenfalls auf Degeneration zurückzuführen. Im früheren Beruf als Gipser seien schwere Überkopfarbeiten charakteristisch, welche das posteriore Labrum glenoidale stark belasteten. Eine traumatische Bursitis subacromialis sei ca. vier Monate nach dem Ereignis nicht mehr als unfallkausal zu betrachten. Zusammengefasst seien die geltend gemachten Schädigungen an Supraspinatus- und Subscapularissehne sowie am Labrum glenoidale posterior nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kausal zum Ereignis vom 29. November 2020. Es sei somit von einer Schulterdistorsion und einem Erreichen des Vorzustandes acht bis zehn Wochen nach dem Ereignis auszugehen. Unfallkausal bestehe nach diesem Zeitraum eine volle Arbeitsfähigkeit als Mitarbeiter in der Kommissionierung.
3.2.1.3 Am 29. Juni 2021 erklärte Dr. med. I.___, er bleibe bei seiner Beurteilung und habe nichts hinzuzufügen (Suva-Nr. 31).
3.2.2 Der Vertrauensarzt der Beschwerdeführerin, Dr. med. J.___, Facharzt für Sportmedizin und Manuelle Medizin, hielt in seiner Stellungnahme vom 14. September 2021 dafür (Beschwerdebeilage / BB-Nr. 12), die grosse dorsale Labrumläsion sowie die gelenkseitige gegenüberliegende Subsacpularisläsion an der rechten Schulter seien nicht als krankhaft resp. degenerativ anzusehen. Bei der MRT-Untersuchung vier Wochen nach dem Sturz habe sich ein frischer Schaden am Labrum dorsal und an der Subscapularissehne ventral ergeben. Degenerative Schulterbefunde fehlten nahezu vollständig. Der MRT-Befund prädestiniere keineswegs zu seltenen spontanen Subscapularissehnenrissen und überwiegend wahrscheinlich nicht zu einem posterioren grossen Labrumeinriss ohne bekannte Vorbefunde. Eine Vorschädigung des dorsalen Labrums zu nahezu einem Viertel wäre sehr aussergewöhnlich. Eine derartige dorsale Labrumläsion weise bei gelenkseitigen Gegenrissen in der Subscapularissehne und mangels vorbestehender Instabilität überwiegend wahrscheinlich auf ein zeitnahes Ereignis hin. Ein Hämatom sei vier Wochen nach dem Ereignis in der MRT-Untersuchung nicht mehr zu erwarten, da es mit hoher Wahrscheinlichkeit resorbiert worden sei. Das gleiche gelte für ein vom Kreisarzt erwähntes Ödem; eine Labrumläsion ziehe aufgrund des Gewebes ohne Blutgefässe sehr selten eine Ödembildung nach sich. Die drei Wochen zwischen Unfall und Arztbesuch seien nicht ungewöhnlich, da Risse der Subscapularissehne nicht derart rasch als störend empfunden würden wie bei der Supraspinatussehne. Am Ereignistag habe keine einfache Kontusion der Schulter mit Bagatellanprallmechanismus vorgelegen, denn der Versicherte habe den Sturz mit den Armen abzufangen versucht und bei der Armfixierung eine Rotationsbewegung mit Anspannung der Innenrotatoren durchgeführt. Im Übrigen sei die stereotype Argumentation, dass eine Kontusion keine Rotatorenmanschettenläsion bewirke, zu einfach, wobei sich der Kreisarzt auf eine veraltete Literaturstelle berufe.
3.3 3.3.1 Der Experte Dr. med. D.___ stellt im ersten Gerichtsgutachten vom 8. Juni 2022 (A.S. 83 ff.) folgende Diagnosen (A.S. 91): · acute on chronic posteriore Labrum-Läsion (Kim’s-Lesion) an der rechten Schulter (S43.4) · Supraspinatus-Subscapularis-Tendinose (M75.1) · Scapula-Thoracale Dyskinesie (M25.91)
Der Beschwerdeführer gebe an, am 29. November 2020 habe er den Schlitten bergauf gezogen, sei ausgerutscht und habe sich mit beiden Händen nach vorne abgestützt. Rechts hätte er einen einschiessenden brennenden Schmerz wie eine Spritze verspürt; links seien die Schmerzen nicht so schlimm gewesen. In der Folge seien dann zunehmend Schmerzen und Blockaden aufgetreten. Bis Mitte Dezember habe er gearbeitet, dann habe ihn die Hausärztin bei erheblich eingeschränkter Beweglichkeit zu 100 % arbeitsunfähig geschrieben. Unter Physiotherapie habe er sich besser gefühlt, aber nach zwei Wochen Arbeit sei es wieder zur Blockade mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit gekommen. Nach einer Infiltration hätten sich Schmerzen und Beweglichkeit verbessert, doch als er wieder gearbeitet habe, sei erneut eine Verschlechterung eingetreten (A.S. 89 f.).
Der Ereignismechanismus mit Abstütztrauma bilde überwiegend wahrscheinlich eine geeignete Ursache für eine posteriore Labrumläsion (A.S. 91). Da aber kein frisches Kontrastmittel einfliesse und bereits die Vernarbung auf eine mögliche ältere Läsion hinweise, handle es sich überwiegend wahrscheinlich um eine acute on chronic-Verletzung mit persistierenden Schmerzen beim Absenken des Armes, welche eine richtungsgebende Verschlimmerung darstelle. Der Kapselansatz Typ III begünstige eine Instabilität. In diesem Sinne sei nicht ausgeschlossen, dass der dorsale Labrumriss durch rezidivierende Mikrotraumata erfolgt sei, was auch der Häufigkeit in der Literatur entspreche. Die verminderte Innenrotation führe zu einer pathologischen Beweglichkeit im Schultergelenk, was eine subacromiale Reizung bewirken könne. Diese Labrumruptur sei aber nicht alleinige Ursache der vom Versicherten geschilderten und demonstrierten Beschwerden. Die Untersuchungen für dorsale Instabilität seien nicht eindeutig positiv. Schmerzen würden bei geringster Berührung auftreten. Für die hintere Instabilität spreche, dass vor allem das Absenken aus Überkopfposition mit langem Hebelarm schmerzhaft sei; Kardinalsymptom sei der Schmerz und nicht die Instabilität. Mit kurzem Hebel gelinge das Absenken besser. Auffallend sei der kräftige M. Trapezius, was auf eine gewisse Inkonsistenz zwischen geklagter und tatsächlicher Gebrauchsfähigkeit hindeute, wozu auch der etwas grössere Oberarmumfang passe. Als Fazit hätten die beschriebenen Tendinosen von Supra- und Infraspinatus nichts mit den Beschwerden zu tun. Die dorsale Labrumläsion sei möglicherweise alt, aber überwiegend wahrscheinlich durch das Trauma verstärkt worden, wobei der Beweglichkeitsverlauf nicht dieser Läsion angelastet werden könne. Zusätzlich gebe es nicht-orthopädische Gründe, die das Krankheitsbild beeinflussen könnten. Gemäss der vom Kreisarzt zitierten Publikation entstehe die dorsale Labrumläsion bei einer axialen Krafteinwirkung auf den Arm bei einem um 90° gebeugten Schultergelenk. Das Abstützen nach vorn mit beiden Händen entspreche dem natürlichen, reflexartigen Abwehrverhalten (A.S. 92). Der Abstand von drei Wochen zwischen dem Ereignis und dem Arztbesuch stelle keinen Beweis gegen eine akute Verletzung der Rotatorenmanschette des posterioren Labrums dar, da diese Läsion häufig verspätet diagnostiziert werde (A.S. 92 f.). Die minimalen und altersgemässen Veränderungen der Supraspinatus- und Subscapularissehne seien überwiegend wahrscheinlich nicht auf das Ereignis vom 29. November 2020 zurückzuführen. Dagegen habe das Ereignis überwiegend wahrscheinlich die Labrumläsion hervorgerufen einen Vorbefund traumatisiert. Bei einem ausgeprägten medialen Kapselansatz Typ III als Ausdruck einer gewissen Laxität könne es sein, dass Überkopfarbeiten und Arbeiten in Vorhalteposition konsekutiv zu Mikroinstabilitäten und dadurch zu vermehrter posteriorer Belastung des Labrums führten, was den möglichen Vorschaden erklären könnte. Durch das Ereignis vom 29. November 2020 sei es aber zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung gekommen mit persistierenden Beschwerden, klinisch sichtbar bei einschiessenden Schmerzen beim Absenken des Armes aus Überkopfbewegung. Es gehe nicht an, die Bursitis subacromialis nach vier Monaten nicht mehr als unfallkausal zu betrachten, sei diese doch Folge der veränderten Kinematik des Schultergelenkes. Das Fehlen eines Ödems heisse nicht, dass es sich nicht um eine frische Verletzung handle (A.S. 93). Die Cysten postero-superior fänden sich bei 95 % der asymptomatischen Bevölkerung ab 35 Jahren. Ob die vernarbte Labrumläsion im MRI vom 30. Dezember 2020 frisch älter sei, lasse sich nicht differenzieren. Ein Abstütztrauma wie hier entspreche einer Flexion in der Schulter, einer Adduktion und einer Innenrotation, was sowohl gemäss der alten wie der neuen Literatur eine dorsale Labrumläsion hervorrufen könne (A.S. 94).
3.3.2 Am 4. Dezember 2022 ergänzte Dr. med. D.___ (A.S. 195 f.), es gebe harte Faktoren, bildgebend nachweis- und objektivierbar, und weiche Faktoren, zu denen Anamnese und klinische Untersuchung gehörten. Labrum und Kapsel seien Stabilisationsfaktoren. Sowohl bei der antero-inferioren als auch der hinteren Schulterluxation resp. Subluxation komme es nebst einer Labrumläsion zu einer plastischen Deformation der Kapsel. Bei der akuten posterioren Subluxation rutsche der Humeruskopf knapp über den dorsalen Pfannenrand und spontan wieder zurück in die normale Position, dies im Sinne eines «minor moderate» medical Traumas. Eine reversed Hill-Sachs Läsion könne, müsse aber nicht vorhanden sein. Er führe die Verschlimmerung auf eine Kapselveränderung im Sinne einer radiologisch nicht nachweisbaren Überdehnung zurück. Durch den Kapselansatz Typ III sei es überwiegend wahrscheinlich schon früher zu rezidivierenden Subluxationen gekommen, wovon der Versicherte aber nichts bemerkt habe. Das Trauma vom 23. Dezember [recte: 29. November] 2020 habe dann das labile Gleichgewicht definitiv gestört. Die Schilderung, dass das Absenken mit langem Hebelarm die Beschwerden auslöse, sei typisch, für den Laien aber nicht einzuordnen und deshalb authentisch. Die richtungsgebende Verschlimmerung äussere sich in der Persistenz der Beschwerden und der korrespondierenden Klink.
3.4 3.4.1 Der neue Experte Dr. med. F.___ gelangt im zweiten Gerichtsgutachten vom 4. Oktober 2023 (A.S. 222 ff.) aufgrund der Akten zu folgenden fallrelevanten Diagnosen (A.S. 235): · Status nach Schulterdistorsion rechts dominant, Unfalldatum 29. November 2020 (S43.7) · Unklare Schulterschmerzen rechts (M75.9) · Posterosuperiores (internes) Impingement Schulter rechts (M75.4) · Tendinose der Subscapularis- und Supraspinatussehne rechts (M75.1) · Status nach subacromialer Mischinfiltration Chirocain / Kenacort rechte Schulter am 25. März 2021 · Status nach subacromialer Infiltration rechte Schulter am 30. März 2022
3.4.2 Der Experte führt allgemein zur Schulterinstabilität aus, das Schultergelenk sei so ausgelegt, dass ein hohes Mass an Beweglichkeit und Funktion gewährleistet sei. Dies geschehe durch eine relativ kleine, flache Pfanne, welche mit einer Gelenklippe (Labrum) vergrössert werde, durch die Schultergelenkkapsel sowie durch eine kräftige Muskulatur. Eine Luxation erfolge anatomisch am häufigsten dort, wo wenig muskulärer Widerstand und / keine knöcherne Struktur vorhanden seien, welche die Luxation einschränkten verhinderten, also nach vorne, vorne / unten, unten hinten hinten / unten. Vorne oben verhindere das Korakoid, ein knöcherner Fortsatz und Muskelansatz, hinten oben je nach anatomischer Variante meist das Acromion (Schulterdach) zusammen mit den Muskelsehneneinheiten der Rotatorenmanschette eine Schulterluxation. Die mit über 90 % weitaus häufigsten Schulterinstabilitäten erfolgten durch Hebelwirkung am Arm nach vorne und vorne / unten. Hintere Schulterinstabilitäten seien deutlich seltener und könnten durch direkte Krafteinwirkung auf die Schulter von vorne durch axiale Krafteinwirkung auf den ca. 90° nach vorne angehobenem Arm in Adduktion und Innenrotation verursacht werden. Durch die Luxation nach vorne vorne / unten entstehe an der Pfanne häufig ein Abriss des Labrums mit ohne Knochenbeteiligung, d.h. eine sog. Bankartläsion; befinde sich der Labrumschaden hinten, spreche man von einer reversed Bankartläsion. Um die Lokalisation dieser Schäden genau zu definieren, lege man eine virtuelle Uhr auf die bohnenförmige Pfanne. Zudem werde der Oberarmkopf durch die Verhackung an der Gelenkpfanne je nach Art der Luxation hinten / oben (bei Luxationen nach vorne, sog. Hill-Sachs Läsion) vorne bei hinteren Luxationen (sog. reversed Hill-Sachs Läsion) eingedrückt. Diese Läsion sei praktisch immer ein radiologischer Beweis für eine stattgehabte Luxation. Echte traumatische hintere Schulterluxationen würden in der Regel eher durch Hochenergietraumata verursacht und seien radiologisch gut nachzuweisen (reversed Bankart und Hill-Sachs-Läsion). Schwieriger sei es bei axialen, nicht hochenergetischen Krafteinwirkungen auf den Arm, meist bei einem nach vorne 90° angehobenen Arm. Bei diesen Formen würden eher Subluxationen auftreten, Schäden am hinteren Labrum seien vorhanden auch nicht. Bei solchen Fällen müsse die Unfallkausalität wie beim Versicherten individuell aufgrund der Anamnese und der aufgetretenen Schäden am hinteren Labrum beurteilt werden. Diese Form der Instabilität trete auch ohne Trauma bei meist jüngeren Individuen Wurfsportlern auf (A.S. 236 f.).
3.4.3 Weiter hält der Experte fest, wegen der unpräzisen Angaben des Versicherten sei der Unfallmechanismus zur Beurteilung der Unfallkausalität hier wenig aufschlussreich. Die Angaben der ersten Stunde seien lückenhaft. Die erst Mitte Dezember 2020 aufgesuchte Hausärztin habe primär kein Trauma festgehalten, dies sei erst in den UVG-Zeugnissen vom März 2021 geschehen. Die eigentliche Schadenmeldung für das Ereignis vom 29. November 2020 sei erst am 8. März 2021 erfolgt, also ca. drei bis vier Monate später. Nach dem Unfall seien die Schmerzen gemäss dem Versicherten nach initial stechendem Schmerz erträglich gewesen und erst während der Arbeit wieder vermehrt aufgetreten (A.S. 237).
3.4.4 Zu den radiologischen Befunden erklärt der Experte, Dr. med. D.___ postuliere im ersten Gutachten einen vorbestehenden, degenerativ bedingten Labrumschaden von 9 – 11 Uhr, mit einer richtungsgebenden Verschlimmerung durch eine Subluxation der Schulter nach hinten am 29. November 2020. Dies sei wie folgt nicht korrekt resp. schlüssig (A.S. 238 f.): · Die Kim’s Läsion des hinteren Labrums sei eine inkomplette und verborgene Läsion des posteroinferioren Labrums (6 – 9 Uhr). In den radiologischen Befunden werde aber eine Läsion des posterosuperioren Labrums (9 – 11 Uhr) beschrieben. Beim Versicherten bestehe also keine Kim’s Läsion des hinteren Labrums. Dr. med. D.___ stütze diese Diagnose mit dazu passenden Beschwerden, erwähne aber gleichzeitig die schwierige Befragung und Untersuchung des Beschwerdeführers. Die Schmerzen beim Absenken des langen Hebelarms passten effektiv zu einer Läsion des posterioren posteroinferioren Labrums, weniger aber zu einer Läsion des posterosuperioren Labrums, welche eher mit einer Armposition in Abduktion-Aussenrotation vereinbar sei. · Um den Schaden am Labrum zwischen 9 – 11 Uhr traumatisch zu erzeugen, müsste die axiale Krafteinwirkung auf den Arm in ca. 45° Flexion, d.h. bei nach vorne angehobenem Arm, erfolgen. Dies sei in der von Dr. med. D.___ zitierten Literatur nicht die typische Armposition für eine dorsale Schulterluxation bzw. Subluxation. Diese erfolgten meist in 90° Flexion / Adduktion und Innenrotation des Armes, was auch der Erfahrung des Experten entspreche. Eine echte Subluxation Luxation des Humeruskopfes nach hinten / oben sei zudem sehr selten, da je nach Lage das Schulterdach (Acromion), welches eher hinten oben oben liegen könne, und die kräftigen Muskel-Sehnen-Einheiten der Rotatorenmanschette in dieser Region (Supra- und infraspinatus) eine Subluxation verhinderten. Eine echte Subluxation Luxation würde wahrscheinlich auch zu einer sekundären Verletzung der Muskelsehneneinheiten der Supra- und Infraspinatussehne mit ohne Acromionfraktur führen, was sehr selten und unwahrscheinlich sei; zumindest müssten im MRT Veränderungen sichtbar sein, was nicht zutreffe. Möglich erscheine, dass der Versicherte das vorgeschädigte posterosuperiore Labrum durch eine Abstützung in ca. 45° leicht traumatisiert habe. Eine solche Abstützbewegung scheine plausibel, da er einen Schlitten gezogen und der Arm sich somit in extendierter Ausgangsposition befunden habe. · Der posterosuperiore Labrumschaden 9 – 11 Uhr dürfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine degenerative Ursache haben und vor dem Unfallereignis vom 29. November 2020 entstanden sein. Dies werde auch durch die Nachbeurteilung der Radiologin Dr. med. K.___ gestützt, welche eine ältere Labrumläsion postuliere und im Bericht vom 2. Oktober 2021 eine Unterflächenläsion der Supraspinatussehne diagnostiziere (s. dazu A.S. 59). Als Ursache dürfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die langjährige Tätigkeit als Gipser für den posterosuperioren Labrumschaden verantwortlich sein. Gipser arbeiteten sehr häufig stundenlang in Überkopfposition, die Arme in 90° mehr Abduktion, kombiniert mit maximalen Aussenrotationsbewegungen. Dies führe zu einem Anschlagen / Einklemmen (Impingement) des Tuberculum majus bzw. der Unterfläche der Supraspinatussehne am posterosuperioren Labrum. Ein solches Impingement sei vor allem bei Wurfsportlern als pathologische Entität bekannt, werde aber auch bei Patienten ohne Überkopfsportarten beobachtet. Dazu passten auch die Befunde der eingeschränkten Innenrotation und der scapulothorakalen Dyskinesie gemäss Dr. med. D.___, die bei Wurfsportlern mit falscher Wurftechnik bzw. Fehlbelastung häufig beobachtet würden. Das posterosuperiore interne Impingement werde in der Literatur teilweise auch als ein normales Phänomen beschrieben, so habe man etwa in einer Studie in 9 % der Fälle ohne klinische Symptome des posterosuperioren Impingements eine isolierte degenerativ bedingte Läsion desselben gefunden. Da der Versicherte die Tätigkeit als Gipser nach Aktenlage ohne Probleme und Schmerzen durchgeführt habe, sei die Läsion des posterosuperioren Labrums eher als Zufallsbefund zu deuten, der im Rahmen dieser Tätigkeit aufgetreten sei. Zum posterosuperioren Impingement passe auch der in der Beurteilung von Dr. med. K.___ beschriebene oberflächliche, gelenkseitige Teilriss der Supraspinatussehne. Für ein vorbestehendes posterosuperiores Impingement spreche auch, dass in der MR-Untersuchung der linken Schulter eine ältere, hintere Labrumläsion beschrieben werde, wenn auch ohne genaue Lokalisation. Während der Arbeit als Gipser würden ja beide Schultern durch ähnliche Überkopfarbeiten beansprucht.
Die Diagnose einer Tendinose der Subscapularis- und Supraspinatussehne müsse mangels direkter Einsicht in die MR-Bilder der rechten Schulter von Dr. med. D.___ übernommen werden, der sie als irrelevant (und unfallfremd) beurteile. Die Begleitbursitis subacromialis deute er als Folge der Scapuladyskinesie und eines posterosuperioren Impingements. Gehe man davon aus, dass dies korrekt sei, sei der Tendinose obiger Sehnen kein pathologischer Wert beizumessen. Somit bestehe auch bei der Diagnose einer Bursitis subacromialis keine Unfallkausalität (A.S. 240).
3.4.5 Der Experte gelangt sodann zum Schluss, durch das Unfallereignis vom 29. November 2020 sei eine Schulterdistorsion mit einer möglicherweise leichten Traumatisierung des vorgeschädigten posterosuperioren Labrums (acute on chronic) aufgetreten. Insoweit könne mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine traumatische Ursache der Beschwerden angenommen werden. Es sei davon auszugehen, dass der Status quo ante dieser Schulterdistorsion nach ca. zwei Monaten wieder erreicht worden sei. Im längeren Verlauf sei die Unfallkausalität der Beschwerden an der rechten Schulter nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben. Die Beschwerden korrelierten ungenügend mit den diversen Untersuchungsbefunden der behandelnden Ärzte bzw. den Angaben im Gutachten von Dr. med. D.___ und seien von wechselndem Charakter; eine Aggravationstendenz werde implizit explizit von allen beschrieben. Zudem korrelierten die Beschwerden wenig mit den pathologischen Befunden der MR-Untersuchungen. Es bestünden somit im Langzeitverlauf rechts unklare Schulterschmerzen nicht traumatischer Ursache. Eine richtungsgebende Verschlimmerung liege aus diesen Gründen nicht vor. Vielmehr sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer vorbestehenden, degenerativ entstandenen Läsion des posterosuperioren Labrums im Rahmen der Tätigkeit als Gipser auszugehen, welche zu dieser Zeit wahrscheinlich asymptomatisch gewesen sei (A.S. 240). Die degenerativen Veränderungen der Supraspinatus- und Subscapularissehne seien nach Aktenlage ebenfalls nicht durch das Unfallereignis vom 29. November 2020 bedingt, und damit auch nicht die Begleitbursitis subacromialis (A.S. 241). Im Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 20. August 2021 habe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr bestanden (A.S. 243).
3.5 3.5.1 Als die Beschwerdegegnerin im angefochtenen Einspracheentscheid daran festhielt, dass mit dem Wegfall des natürlichen Kausalzusammenhangs per 6. April 2021 kein weiterer Leistungsanspruch mehr bestehe (E. I. 1.2 hiervor), stützte sie sich auf die drei Stellungnahmen ihres Kreisarztes Dr. med. I.___ (E. II. 3.2.1 hiervor). Diese kreisärztliche Beurteilung war einerseits in sich schlüssig. Andererseits lagen damals keine abweichenden Arztberichte vor, welche zu Zweifeln Anlass gegeben hätten, war doch keiner der behandelnden Ärzte vertieft auf die Frage der Kausalität eingegangen (s. E. II. 3.1.1 – 3.1.3 hiervor). Im Beschwerdeverfahren reichte die Beschwerdeführerin indes den Bericht ihres Vertrauensarztes Dr. med. J.___ ein (E. II. 3.2.2 hiervor), welcher die Ausführungen des Kreisarztes in verschiedenen Punkten kritisierte und den natürlichen Kausalzusammenhang bejahte. Damit bestand ein Widerspruch zwischen den beiden versicherungsinternen Ärzten, der vom Gericht mangels medizinischer Fachkenntnisse nicht selber aufgelöst werden konnte. Das zu diesem Zweck bei Dr. med. D.___ eingeholte Gerichtsgutachten erwies sich indes als nicht überzeugend. Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend geltend macht, ging Dr. med. D.___ von einem Vorzustand aus, der durch das Unfallereignis vom 29. November 2020 richtungsgebend verschlimmert wurde. Diesfalls müssten aber als Ursache für die anhaltenden Beschwerden neben dem Vorzustand zusätzliche strukturelle Veränderungen vorliegen, welche durch die Bildgebung objektiv ausgewiesen sind (s. dazu Urteil des Bundesgerichts 8C_473/2022 vom 20. Januar 2023 E. 5.1). Daran fehlt es hier, wie Dr. med. D.___ in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Dezember 2022 selber einräumte (E. II. 3.3.2 hiervor). Ein weiteres Gerichtsgutachten war damit unumgänglich.
3.5.2 Das zweite Gerichtsgutachten von Dr. med. F.___ geniesst vollen Beweiswert, erfüllt es doch die Anforderungen der Rechtsprechung (s. dazu E. II. 2.3.2 hiervor): Es stammt von einem unabhängigen Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, welcher aufgrund seiner Ausbildung qualifiziert ist, die sich hier stellenden Fragen zu beantworten. Eine persönliche Befragung und Untersuchung konnte der Experte zwar nicht durchführen, weil der Versicherte nicht zum Begutachtungstermin erschien und zudem durch sein Verhalten im Vorfeld, d.h. die Nichteinreichung der Bildgebung und der Entbindung vom Arztgeheimnis, deutlich gemacht hatte, dass er nicht gewillt war, an der erneuten Begutachtung mitzuwirken (s. dazu E. I. 2.4 + 2.5 hiervor). Um eine zweite gutachterliche Beurteilung zu erhalten, blieb daher nur die Möglichkeit, ein Aktengutachten einzuholen. Für dieses konnte sich Dr. med. F.___ nicht nur auf die Akten der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin mit den Berichten der behandelnden Ärzte stützen (A.S. 226 ff.), sondern insbesondere auch auf das vorhergehende Gerichtsgutachten, welches die Angaben des Versicherten und die von Dr. med. D.___ erhobenen objektiven Befunde enthielt (A.S. 229 f. / 230 ff.). Damit bestand eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage, um dem Experten eine reine Aktenbeurteilung der natürlichen Kausalität zu erlauben.
Dem Kriterium des Unfallmechanismus wird bei der Beurteilung der Unfallkausalität von Schulterverletzungen mittlerweile keine übergeordnete Bedeutung mehr beigemessen. Denn oftmals kann der genaue Unfallhergang nicht mehr rekonstruiert werden. Der Unfallmechanismus ist mit anderen Worten nicht länger als gewichtiges, sondern nur noch als ein Indiz unter mehreren zu werten. Die einzelnen für gegen eine traumatische Genese sprechenden Aspekte (bildgebende Befunde, Vorgeschichte, Unfallhergang, Primärbefund und Verlauf) sind aus medizinischer Sicht zu diskutieren und ein Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest überwiegend wahrscheinlich ist (Urteile des Bundesgerichts 8C_167/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 4.1 und 8C_593/2021 vom 6. Januar 2022 E. 5.2.3). Das Gerichtsgutachten von Dr. med. F.___ entspricht dieser Vorgabe. Die neue Bundesgerichtspraxis zum Stellenwert des Unfallmechanismus war ihm bekannt (A.S. 237 Ziff. 7.2.1). Dementsprechend befasste er sich nicht nur mit dem Ablauf des Unfalls vom 29. November 2020, sondern ging auch auf die anderen relevanten Umstände ein, d.h. den Abstand zwischen dem Vorfall und dem ersten Arztbesuch, die Entwicklung seit dem Unfall und die radiologischen Befunde (s. E. II. 3.4.3 – 3.4.5 hiervor). Dabei konsultierte er auch die Fachliteratur (A.S. 245) und legte die anatomischen Verhältnisse im Schultergelenk unter Zuhilfenahme von Abbildungen anschaulich dar (A.S. 247 f.), was die Beweiskraft des Gutachtens zusätzlich stärkt. Die Schlussfolgerungen, zu denen Dr. med. F.___ auf dieser Grundlage gelangt, sind daher nachvollziehbar und überzeugend, zumal er auch das erste Gerichtsgutachten von Dr. med. D.___ eingehend würdigte und erläuterte, warum er mit der dortigen Beurteilung nicht einverstanden war. Die Parteien erheben denn auch keinerlei Einwände gegen das neue Gerichtsgutachten (E. I. 2.5 hiervor), so dass unter diesem Blickwinkel ebenfalls kein Anlass besteht, davon abzuweichen.
3.5.3 Gestützt auf das Gerichtsgutachten von Dr. med. F.___ ist folglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, dass der Unfall vom 29. November 2020 nur vorübergehend, d.h. während zwei Monaten, eine Verschlimmerung eines unfallfremden Vorschadens bewirkte und daher zwischen dem Unfallereignis und den persistierenden Beschwerden im Zeitpunkt des Fallabschlusses per 6. April 2021 kein natürlicher Kausalzusammenhang mehr bestand. Dies deckt sich denn auch grundsätzlich mit der Auffassung des Kreisarztes (E. II. 3.2.1 hiervor). Eine weitergehende Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Versicherten entfällt daher. Weitere Sachverhaltsabklärungen erübrigen sich im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigung, da von ihnen keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten wären (BGE 122 V 157 E. 1d S. 162).
3.6 Zusammenfassend stellt sich die Beschwerde als unbegründet heraus und ist abzuweisen.
4. Bei diesem Verfahrensausgang steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu. Die Beschwerdegegnerin wiederum hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation – abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen – keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. etwa BGE 128 V 133 E. 5b, 126 V 150 E. 4a).
5. 5.1 In Beschwerdesachen der Unfallversicherung sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im UVG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbisATSG).
5.2 5.2.1 Die Kosten eines Gerichtsgutachtens sind grundsätzlich vom Sozialversicherungsträger zu übernehmen (s. Art. 45 Abs. 1 ATSG, BGE 143 V 269 E. 6.2.1 S. 279 f.), sofern zwischen seiner unzureichenden Sachverhaltsabklärung und der Notwendigkeit eines Gerichtsgutachtens ein Zusammenhang besteht (BGE 139 V 496 E. 4.4 S. 502). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn ein manifester Widerspruch zwischen den verschiedenen, aktenmässig belegten ärztlichen Auffassungen besteht, ohne dass die Verwaltung diesen durch objektiv begründete Argumente entkräftet hat, wenn die Verwaltung zur Klärung der medizinischen Situation notwendige Aspekte unbeantwortet gelassen auf eine Expertise abgestellt hat, welche die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage nicht erfüllt (BGE 140 V 70 E. 6.1 und 6.2 S. 75, 139 V 496 E. 4.4 S. 502).
Als die Beschwerdegegnerin den angefochtenen Einspracheentscheid erliess, bestand vor dem Hintergrund der damaligen Aktenlage kein Anlass, an der Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. I.___ auch nur geringe Zweifel zu hegen. Dies war vielmehr erst im Beschwerdeverfahren der Fall, als die Beschwerdeführerin einen abweichenden, nach dem Einspracheentscheid eingeholten Bericht ihres Vertrauensarztes beibrachte (s. E. II. 3.5.1 hiervor). Man kann der Beschwerdegegnerin daher nicht vorwerfen, sie hätte bereits im Einspracheverfahren ein unabhängiges Gutachten einholen müssen, um den entscheidrelevanten Sachverhalt zu klären, weshalb ihr die Kosten der beiden Gerichtsgutachten von CHF 5'116.00 resp. 7'950.00 nicht überbunden werden dürfen.
5.2.2 Die Kosten von Abklärungsmassnahmen können der versicherten Person auferlegt werden, wenn sie trotz Aufforderung und Androhung der Folgen die Abklärung in unentschuldbarer Weise verhindert erschwert hat (Art. 45 Abs. 3 ATSG). Der Versicherte blieb dem Begutachtungstermin bei Dr. med. F.___ vom 23. Juni 2023 unentschuldigt fern, obwohl er in der Verfügung vom 31. März 2023, welche ihm am 3. April 2023 zugestellt worden war, ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflicht und die mögliche Kostenauflage bei einem unentschuldigten Nichterscheinen hingewiesen worden war (A.S. 214 Ziff. 6). Im Anschluss äusserte er sich nicht zu seinem Versäumnis, nachdem ihm am 10. Oktober 2023 Gelegenheit dazu gegeben worden war (A.S. 249). Der Versicherte missachtete folglich seine Pflichten in einer vorwerfbaren Weise, zumal er weder gesundheitliche Hinderungsgründe geltend machte noch vorbrachte, er habe das Aufgebot nicht erhalten. Da er an der ersten Begutachtung teilgenommen hatte, durfte davon ausgegangen werden, dass dies auch bei der zweiten Begutachtung der Fall sein wird. Anders als in BGE 145 V 314, wo die versicherte Person die Teilnahme an der Exploration bereits im Vorfeld ausdrücklich abgelehnt hatte, bestand für das Versicherungsgericht vorgängig kein Anlass, an der Mitwirkung des Versicherten zu zweifeln und den Begutachtungstermin vom 23. Juni 2023 wieder abzusagen. Der Versicherte hat daher die von ihm verursachten Begutachtungskosten zu tragen, d.h. den Betrag von CHF 750.00 für die drei Stunden, welche Dr. med. F.___ für Befragung und Untersuchung reserviert hatte. Diese Kostenauflage war dem Versicherten am 10. Oktober 2023 in Aussicht gestellt worden (A.S. 249), ohne dass er dagegen Einwände erhoben hätte.
5.2.3 Nach Abzug des Kostenbeitrags des Versicherten erliegen somit Begutachtungskosten von CHF 5'116.00 und CHF 7'200.00 auf dem Kanton Solothurn, insgesamt CHF 12'316.00.
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Die Kosten der Gerichtsgutachten von Dr. med. D.___ vom 8. Juni 2022 sowie von Dr. med. F.___ vom 4. Oktober 2023 erliegen im Umfang von insgesamt CHF 12'316.00 auf dem Kanton Solothurn. 4. Der Versicherte B.___ hat die von ihm verursachten Begutachtungskosten von CHF 750.00 zu tragen, zahlbar an die Zentrale Gerichtskasse des Kantons Solothurn.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Haldemann
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