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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2021.137)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2021.137: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A.___ beantragte Kurzarbeit aufgrund der Coronapandemie, die Beschwerdegegnerin bewilligte dies zunächst für drei Monate, dann bis November 2021. Nach Unstimmigkeiten und Anträgen auf Verlängerung wurde die Kurzarbeitsentschädigung ab Mai 2021 nicht mehr bewilligt. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde ein, die Beschwerdegegnerin trat nicht auf das Gesuch ein. Das Versicherungsgericht entschied, dass die Beschwerde abgewiesen wird, da die Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig reagiert hatte. Es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2021.137

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2021.137
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2021.137 vom 23.11.2021 (SO)
Datum:23.11.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Kurzarbeit; Arbeit; Covid; Covid-; Bewilligung; -Gesetz; Voranmeldung; Verfügung; Bundes; Versicherungsgericht; Gesuch; Voranmeldefrist; Recht; AWA-Nr; Einsprache; Arbeitgeber; Weisung; Arbeitslosenversicherung; Verordnung; Massnahme; Anpassung; Frist; Revision; Massnahmen; Präsident; Amtsstelle; Revisionsentscheid
Rechtsnorm: Art. 17b Covid-19-Gesetz ;Art. 36 AVIG;Art. 53 ATSG ;
Referenz BGE:117 V 244; 128 V 133; 133 V 257; 136 V 331; 143 V 95;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2021.137

 
Geschäftsnummer: VSBES.2021.137
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 23.11.2021 
FindInfo-Nummer: O_VS.2021.212
Titel: Kurzarbeit; Covid19

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 23. November 2021

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___

Beschwerdeführerin

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend       Kurzarbeit / Covid-19 (Nichteintretens- und Revisionsentscheid vom 29. Juli 2021)

 


zieht der Präsident des Versicherungsgerichts in Erwägung:

I.

 

1.

1.1     Die Arbeitgeberin A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) beantragte am 27. Dezember 2020 beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) in Zusammenhang mit der Coronapandemie Kurzarbeit ab 1. Januar 2021, da sie den Gymnastikbetrieb habe einstellen müssen (Akten der Beschwerdegegnerin / AWA-Nr. 1). Die Beschwerdegegnerin bewilligte daraufhin mit Verfügung vom 6. Januar 2021 für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2021 Kurzarbeit (AWA-Nr. 2).

 

1.2     Am 17. Mai 2021 meldete die Beschwerdeführerin für den Monat April 2021 Kurzarbeit an (AWA-Nr. 3). Die Beschwerdegegnerin bewilligte jedoch in der Verfügung vom 25. Mai 2021 Kurzarbeit für die Zeit vom 17. Mai bis 16. November 2021 (AWA-Nr. 4).

 

1.3     In ihrer Eingabe an die Beschwerdegegnerin vom 4. Juni 2021 (AWA-Nr. 5) erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe leider nicht wahrgenommen, dass die Kurzarbeit ab 1. Januar 2021 nicht wie üblich für sechs Monate, sondern nur für drei Monate bis 31. März 2021 zugesprochen worden sei. Deshalb habe sie am 17. Mai 2021 beantragt, die am 6. Januar 2021 bewilligte Kurzarbeit sei bis 30. April 2021 zu verlängern. Ab Anfang Mai 2021 sei der Gymnastikbetrieb wieder aufgenommen worden.

 

1.4     Die Beschwerdegegnerin fasste die Eingabe vom 4. Juni 2021 gemäss ihrem Schreiben vom 2. Juli 2021 (AWA-Nr. 6) einerseits als Einsprache gegen die Verfügung vom 25. Mai 2021 auf. Sie gab der Beschwerdeführerin Gelegenheit, die Einsprache zurückzuziehen; andernfalls werde ein Einspracheentscheid ergehen und die ab 17. Mai 2021 bewilligte Kurzarbeit im Sinne einer reformatio in peius aufgehoben, da ab dem 1. Mai 2021 kein anrechenbarer Arbeitsausfall mehr vorliege. Andererseits stelle die Eingabe vom 4. Juni 2021 ein Gesuch um Wiedererwägung der rechtskräftigen Verfügung vom 6. Januar 2021 dar, wobei jedoch die einschlägigen Voraussetzungen für eine Anpassung dieser Verfügung nicht erfüllt seien.

 

1.5     Nachdem die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. Juli 2021 an ihrem Begehren festgehalten hatte, die Kurzarbeitsbewilligung vom 6. Januar 2021 sei bis Ende April 2021 zu verlängern (AWA-Nr. 7), erliess die Beschwerdegegnerin am 29. Juli 2021 zwei separate Entscheide:

·      Revisionsentscheid (Aktenseite / A.S. 4 ff.): Die Beschwerdegegnerin hob darin die Verfügung vom 25. Mai 2021 auf und erkannte, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2021 keine Kurzarbeitsentschädigung mehr ausgerichtet werden könne.

·      Nichteintretensentscheid (A.S. 1 ff.): Die Beschwerdegegnerin trat darin auf das Gesuch vom 8. Juli 2021, die Verfügung vom 6. Januar 2021 sei in Wiedererwägung zu ziehen, nicht ein.

 

2.

2.1     Die Beschwerdeführerin erhebt am 25. August 2021 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, ihr sei für April 2021 Kurzarbeit zu bewilligen (A.S. 7). Sie, die Beschwerdeführerin, habe in der Tat übersehen, dass die Kurzarbeit nur für drei statt wie bei früheren Bewilligungen für sechs Monate gewährt worden sei. Als sie das bemerkt habe, habe sie sich sofort bei der Beschwerdegegnerin gemeldet. Leider sei diese nicht darauf eingegangen, sondern habe stattdessen ab Mai 2021 Kurzarbeit bewilligt. Man habe alles daran gesetzt, dass ab Mai 2021 wieder Kurse angeboten werden können.

 

2.2     Die Beschwerdegegnerin stellt mit Beschwerdeantwort vom 23. September 2021 folgende Anträge (A.S. 10 ff.):

1.    Auf die Beschwerde vom 25. August 2021 sei nicht einzutreten.

2.    Gerichtskosten seien keine aufzuerlegen.

3.    Es sei keine Parteientschädigung auszuzahlen.

 

2.3     Nachdem der Präsident des Versicherungsgerichts mit Verfügung vom 28. September 2021 festgestellt hatte, dass auf die Beschwerde gegen den «Revisionsentscheid» vom 29. Juli 2021 einzutreten sei (A.S. 13 f.), gab die Beschwerdegegnerin am 19. Oktober 2021 eine Beschwerdeantwort ab, in der sie sich materiell zur Beschwerde äusserte und folgende Anträge stellte (A.S. 15 ff.):

1.      Die Beschwerde vom 25. August 2021 sei abzuweisen.

2.      Gerichtskosten seien keine aufzuerlegen.

3.      Es sei keine Parteientschädigung auszuzahlen.

 

2.4     Die Beschwerdeführerin reicht innert der Frist bis 10. November 2021 (s. A.S. 20) keine Replik ein und lässt sich auch sonst nicht mehr vernehmen (A.S. 22).

 

II.

 

1.

1.1

1.1.1  Gegen Verfügungen eines Sozialversicherungsträgers kann innert 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und verfahrensleitende Verfügungen (Art. 52 Abs. 1 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Gegen den entsprechenden Einspracheentscheid wiederum (sowie gegen Verfügungen, bei denen eine Einsprache ausgeschlossen ist) ist die Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht gegeben (Art. 56 Abs. 1 ATSG).

 

1.1.2  Soweit sich die Beschwerde gegen den «Revisionsentscheid» vom 29. Juli 2021 richtet, sind die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt. Wie bereits in der Verfügung vom 28. September 2021 dargelegt (s. dortige Kurzbegründung, A.S. 13), beinhaltet die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 4. Juni 2021 neben dem Wiedererwägungsgesuch auch eine Einsprache gegen die Verfügung vom 25. Mai 2021 (wovon denn auch die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 2. Juli 2021 ausgegangen war, E. I. 1.4 hiervor). Beim angefochtenen «Revisionsentscheid» geht es mit anderen Worten gar nicht um eine Revision nach Art. 17 Art. 53 Abs. 1 ATSG, vielmehr handelt es sich um einen Entscheid, der die Einsprache vom 4. Juni 2021 sinngemäss abweist, da dem Einsprachebegehren nicht entsprochen wird. Dieser Entscheid stellt deshalb ein zulässiges Anfechtungsobjekt dar, so dass diesbezüglich auf die Beschwerde einzutreten ist. Streitig und zu prüfen ist, inwieweit der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. bis 30. April 2021 Kurzarbeit bewilligt werden kann.

 

1.1.3  Was das Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführerin betrifft, so befand die Beschwerdegegnerin darüber im Nichteintretensentscheid vom 29. Juli 2021. Tritt indes der Sozialversicherungsträger wie hier auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht ein, so kann gegen diesen Entscheid weder Einsprache noch Beschwerde an das Versicherungsgericht erhoben werden (Susanne Genner in: Ghislaine Frésard-Fellay / Barbara Klett / Susanne Leuzinger [Hrsg.], Basler Kommentar zum ATSG, Basel 2020, Art. 49 Abs. 1 – 4 N 25 und Art. 52 Abs. 1 – 3 N 23). In dieser Hinsicht kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

 

1.2     Der Präsident des Versicherungsgerichts beurteilt sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 als Einzelrichter (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Diese Grenze wird hier offenkundig nicht überschritten, da es nur um einen Anspruchsmonat (E. II. 1.1.2 hiervor) und eine einzige Arbeitnehmerin geht (s. AWA-Nrn. 1 + 3). Der Präsident des Versicherungsgerichts ist deshalb zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichter zuständig ist.

 

2.

2.1     Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren normale Arbeitszeit verkürzt deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 1 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0). Zu den Voraussetzungen, welche dafür kumulativ erfüllt sein müssen, gehört u.a., dass der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 31 Abs. 1 lit. b AVIG), was dann der Fall ist, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist (Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG). Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen zurückgehen, sind anrechenbar, wenn der Arbeitgeber sie nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden kann (Art. 51 Abs. 1 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02). Unter behördliche Massnahmen in diesem Sinne fallen auch die Anordnungen, die in Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen (SECO-Weisung 2021/13, Aktualisierung «Sonderregelungen aufgrund der Pandemie», vom 30. Juni 2021, S. 11 f. Ziff. 2.3).

 

2.2

2.2.1  Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich voranmelden (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (BGE 117 V 244 E. 3b S. 246). Ausnahmsweise beträgt die Voranmeldefrist drei Tage, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Kurzarbeit wegen plötzlich eingetretener, nicht voraussehbarer Umstände eingeführt werden muss (Art. 58 Abs. 1 AVIV). Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Voranmeldung fristgemäss zu erstatten, so kann er die Kurzarbeit bis vor ihrem Beginn, allenfalls auch telefonisch, anmelden (Art. 58 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AVIV). Hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne entschuldbaren Grund nicht fristgemäss vorangemeldet, so wird der Arbeitsausfall erst anrechenbar, wenn die für die Voranmeldung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist (Art. 58 Abs. 4 AVIV). Die Voranmeldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als drei Monate dauert (Art. 36 Abs. 1 Satz 3 AVIG).

 

2.2.2  Der Bundesrat erliess am 20. März 2020 notrechtlich die Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, SR 837.033) Am 25. März 2020 wurden u.a. die zwei folgenden Bestimmungen in die Verordnung eingefügt:

·         Art. 8b Abs. 1 Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, wonach der Arbeitgeber in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 Abs. 1 bis 4 AVIV keine Voranmeldefrist abwarten musste, wenn er beabsichtigte, Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen. Diese Regelung trat per 1. Juni 2020 ausser Kraft, so dass wieder die ordentlichen Voranmeldefristen gemäss AVIG und AVIV galten (s. dazu SECO-Weisung 2020/10 vom 22. Juli 2020, S. 14 Ziff. 2.13).

·         Art. 8c Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, wonach die Voranmeldung in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG zu erneuern war, wenn die Kurzarbeit länger als sechs Monate dauerte. Bewilligungen, die für weniger als sechs Monate ausgestellt worden waren, konnten auf Ersuchen des Betriebs direkt durch die kantonale Amtsstelle mittels neuer Verfügung auf insgesamt maximal sechs Monate verlängert werden (SECO-Weisung 2020/10, S. 15 Ziff. 2.14). Diese Regelung trat per 1. September 2020 ausser Kraft, so dass wieder eine maximale Bewilligungsdauer von drei Monaten galt (a.a.O., Ziff. 2.16).

 

2.2.3

2.2.3.1 Das für dringlich erklärte Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020 (Covid-19-Gesetz, SR 818.102) trat am Folgetag in Kraft und wurde mittlerweile in der Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 angenommen. Mit der Änderung vom 19. März 2021 wurden folgende bis 31. Dezember 2021 geltende Bestimmungen zur Voranmeldung und Dauer von Kurzarbeit in das Gesetz aufgenommen:

·           Art. 17b Abs. 1 Satz 1 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): In Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG ist keine Voranmeldefrist einzuhalten.

·           Art. 17b Abs. 1 Satz 2 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): Die Voranmeldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als sechs Monate dauert.

·           Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): Für rückwirkende Anpassungen einer bestehenden Voranmeldung ist bis am 30. April 2021 bei der kantonalen Amtsstelle ein entsprechendes Gesuch einzureichen.

·           Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz (in Kraft ab dem 20. März 2021): Betrieben, die auf Grund der seit dem 18. Dezember 2020 beschlossenen behördlichen Massnahmen von Kurzarbeit betroffen sind, wird der Beginn der Kurzarbeit auf Gesuch hin rückwirkend auf das Inkrafttreten der entsprechenden Massnahme bewilligt. Dieses Gesuch ist bis zum 30. April 2021 bei der kantonalen Amtsstelle einzureichen.

 

2.2.3.2 Die bundesrätliche Botschaft zum Covid-19-Gesetz vom 17. Februar 2021 enthielt zu Art. 17b Abs. 1 folgende Bemerkungen (BBl 2021 285 S. 29):

Art. 36 Abs. 1 AVIG sieht grundsätzlich eine Voranmeldefrist von zehn Tagen für die Kurzarbeit vor. Der Bundesrat hat die Kompetenz, für Ausnahmefälle eine kürzere Voranmeldefrist festzulegen. Eine vollständige Aufhebung der Voranmeldefrist ist im AVIG nicht vorgesehen. Mit [Art. 17b] Absatz 1 erster Satz wird die Voranmeldefrist für alle Betriebe vollständig aufgehoben. Das heisst, Betriebe, die zukünftig Kurzarbeit anmelden, müssen keine Voranmeldefrist mehr einhalten. Der Beginn der Kurzarbeit kann somit ab Datum der Voranmeldung bewilligt werden, sofern alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Art. 36 Abs. 1 AVIG sieht weiter vor, dass die Kurzarbeit, wenn sie länger als drei Monate dauert, neu vorangemeldet und bewilligt werden muss. Mit [Art. 17b] Absatz 1 zweiter Satz soll die Kurzarbeitsbewilligung der kantonalen Amtsstelle neu für sechs Monate gültig sein.

 

2.2.3.3 Die SECO-Weisung 2021/13 führt aus, rückwirkend ab dem 1. September 2020 könne bei bereits erteilten Kurzarbeitsbewilligungen die Voranmeldefrist aufgehoben und die Bewilligung auf das Datum der Voranmeldung zurückverschoben werden, sofern das entsprechende schriftliche Gesuch des Betriebs bis 30. April 2021 erfolge (S. 12 Ziff. 2.3 b). Der Weisung lässt sich weiter entnehmen, dass ab dem 20. März 2021 Kurzarbeit für sechs Monate bewilligt werden dürfe, jedoch nicht über den 31. Dezember 2021 hinaus. Rückwirkend ab dem 1. September 2020 könne die Bewilligung auf ein fristgerechtes schriftliches Begehren des Betriebs hin auf sechs Monate verlängert werden (S. 27 f. Ziff. 2.14).

 

Weisungen, welche das SECO als administrative Aufsichtsbehörde den Arbeitsämtern und den Arbeitslosenkassen erteilt, stellen zwar keine Rechtsnorm dar und sind damit für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich. Er berücksichtigt jedoch solche Weisungen und weicht nicht ohne triftigen Grund von ihnen ab, wenn sie eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen (BGE 133 V 257 E. 3.2 258 f., 132 V 121 E. 4.4 S. 125).

 

3.

3.1

3.1.1  Im vorliegenden Fall ist einmal zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt die Voranmeldung vom 17. Mai 2021 frühestens wirksam ist.

 

Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz waren die Voranmeldefristen im AVIG und in der AVIV ab dem 1. September 2020 nicht mehr anwendbar. Der Wegfall dieser Fristen ändert aber nichts daran, dass weiterhin eine Voranmeldung erfolgen muss und Kurzarbeit grundsätzlich erst ab dem Datum dieser Anmeldung bewilligt werden darf, wie aus der Botschaft des Bundesrates erhellt (E. II. 2.2.3.2 hiervor). Die Materialien stellen gerade bei der Auslegung jüngerer Erlasse ein wichtiges Erkenntnismittel dar, wenn sie zuverlässigen Aufschluss über den Sinn einer Norm geben (BGE 126 V 435 E. 3b S. 439). Dies muss im vorliegenden Fall umso mehr gelten, als die Fassung des Covid-19-Gesetzes vom 19. März 2021 erst vor wenigen Monaten verabschiedet wurde und sich die Aussagen in der Botschaft zwanglos mit dem Wortlaut von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz vereinbaren lassen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Bestimmung von der Anpassung bestehender Voranmeldungen die Rede ist. Durch die Verwendung dieses Begriffs brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er keineswegs beabsichtigte, auf Voranmeldungen zu verzichten und nachträgliche Anmeldungen für bereits vergangene Zeiträume uneingeschränkt zuzulassen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Bewilligung von Kurzarbeit, die vom 1. September 2020 bis 19. März 2021 unter Beachtung einer Voranmeldefrist erfolgte, auf Gesuch hin nachträglich korrigiert werden kann, indem die Frist entfällt und die Bewilligung neu auf den Zeitpunkt der Voranmeldung zurückbezogen wird (s. Urteil des Versicherungsgerichts Solothurn VSBES.2021.133 vom 12. November 2021 E. 3.1.2). Diese Auslegung steht denn auch in Einklang mit der SECO-Weisung 2021/13 (E. II. 2.2.3.3 hiervor). Bei der Beschwerdeführerin liegt aber keine Konstellation nach Art. 17b Abs. 1 Satz 1 Covid-19-Gesetz vor, da der Beginn der vorhergehenden Kurzarbeitsbewilligung ab 1. Januar 2021 nicht streitig ist, sondern nur die Zeit, nachdem diese dreimonatige Bewilligung am 31. März 2021 abgelaufen war. Die Beschwerdeführerin hat es indes versäumt, sich innert der Bewilligungsdauer bis 31. März erneut für Kurzarbeit anzumelden. Indem sie erst am 17. Mai 2021 an die Beschwerdegegnerin gelangte, ist es auch vor dem Hintergrund des neuen Art. 17b Abs. 1 Satz 1 und 4 Covid-19-Gesetz nicht möglich, für den vorhergehenden Monat April 2021 Kurzarbeit zu bewilligen. Dies könnte frühestens ab dem Datum der Voranmeldung vom 17. Mai 2021 geschehen. Die Beschwerdeführerin hatte aber nach ihren eigenen Angaben den Gymnastikbetrieb Anfang Mai 2021 wieder uneingeschränkt aufgenommen (E. I. 1.3 + 2.1 hiervor), so dass gar keine Grundlage für Kurzarbeit mehr bestand (s. E. II. 2.1 hiervor). Die Beschwerdegegnerin hob deshalb im «Revisionsentscheid» vom 29. Juli 2021 die Kurzarbeitsbewilligung ab 17. Mai 2021 zu Recht auf.

 

3.1.2  Weiter stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die ab 1. Januar 2021 für drei Monate bewilligte Kurzarbeit nachträglich über den 31. März 2021 hinaus zu verlängern.

 

Richtig ist, dass Art. 17b Abs. 1 Satz 2 und 4 Covid-19-Gesetz die maximale gesetzliche Bewilligungsdauer mit Wirkung ab 1. September 2020 auf sechs Monate ausdehnt und es erlaubt, bereits erteilte Bewilligungen entsprechend anzupassen (E. II. 2.2.3.1 hiervor). Diese Anpassungsmöglichkeit bezieht sich auf Arbeitgeber, denen nach der früheren Rechtslage für drei Monate Kurzarbeit bewilligt worden war, bevor am 19. März 2021 rückwirkend per 1. September 2020 Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz in Kraft gesetzt wurde (s. dazu E. II. 2.2.2 + 2.2.3.1 hiervor). Eine automatische Verlängerung einer Bewilligung von drei auf sechs Monate ist indes im Gesetz nicht vorgesehen. Dies folgt einerseits aus dem Wortlaut von Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz, der die Anpassung ausdrücklich von einem Gesuch des Arbeitgebers abhängig macht. Andererseits findet sich in der bundesrätlichen Botschaft kein klarer Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber entgegen dem Gesetzestext eine automatische Verlängerung bestehender Bewilligungen wollte (s. E. II. 2.2.3.2). Im Übrigen ist auch in der SECO-Weisung 2021/13 von einer Anpassung auf Gesuch hin die Rede (s. E. II. 2.2.3.3). Es stellt sich zwar die Frage, ob die vorliegende Situation, in der die dreimonatige Bewilligung erst nach dem Erlass von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz am 19. März 2021 endete, überhaupt von dieser Bestimmung erfasst wird nicht. Dies kann jedoch offenbleiben, den auf die eine wie auf die andere Weise ergibt sich nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin: Sieht man Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz hier als einschlägig an, so wäre die für rückwirkende Anpassungen vorgesehene Gesuchsfrist bis 30. April 2021 (E. II. 2.2.3.1 hiervor) durch die Eingabe vom 17. Mai 2021 nicht gewahrt worden. Ein früheres Gesuch macht die Beschwerdeführerin nirgends geltend. Andererseits wäre es ihr nach dem Erlass von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz am 19. März 2021 möglich gewesen, noch innerhalb der Bewilligungsdauer bis 31. März 2021 eine neue Voranmeldung für eine Anschlussbewilligung ab 1. April 2021 einzureichen und so eine Anspruchslücke zu vermeiden. Genau dies hat die Beschwerdeführerin aber unterlassen (s. E. II. 3.1.1 hiervor).

 

3.1.3  Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz spricht zwar von einer vom Zeitpunkt der Voranmeldung unabhängigen rückwirkenden Bewilligung von Kurzarbeit, soweit es um behördliche Massnahmen geht, welche nach dem 18. Dezember 2020 in Kraft traten (wie z.B. die Schliessung der Restaurants ab dem 22. Dezember 2020). Auch hier ist aber die massgebliche Gesuchsfrist bis 30. April 2021 mit der Eingabe vom 17. Mai 2021 nicht eingehalten worden.

 

3.2

3.2.1  Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, die Beschwerdegegnerin habe ihr am 6. Mai 2020 für die Zeit vom 8. April bis 7. Oktober 2020, also für sechs Monate, Kurzarbeit bewilligt (AWA-Nr. 13), weshalb sie nicht erwartet habe, dass die neue Bewilligung ab 1. Januar 2021 nur für drei Monate gelte. Damit beruft sich die Beschwerdeführerin sinngemäss auf den Vertrauensschutz.

 

3.2.2  Der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft / BV, SR 101) schützt die Bürger in ihrem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten. Er bedeutet u.a., dass falsche behördliche Auskünfte bindend sind und eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung gebieten, sofern verschiedene Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind (BGE 143 V 95 E. 3.6.2 S. 103; s.a. die zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, immer noch geltende Rechtsprechung: BGE 121 V 65 E. 2a S. 66 f.). Für die Anwendung des Vertrauensschutzes fehlt es hier indes bereits an einem behördlichen Verhalten, das die Beschwerdeführerin in die Irre hätte führen können. Aus der Verfügung vom 6. Januar 2021 ging unmissverständlich hervor, dass die Bewilligung bis 31. März 2021 befristet war, wie es der beim Erlass der Verfügung geltenden Rechtslage vor der rückwirkenden Inkraftsetzung von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetzes entsprach (s. E. II. 3.1.2 hiervor). Dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die frühere Bewilligung vom 6. Mai 2020 wieder eine sechsmonatige Bewilligungsdauer erwartete, beruht allein auf ihrer Unaufmerksamkeit beim Studium der Verfügung vom 6. Januar 2021, wie sie selber einräumt (E. I. 1.3 + 2.1 hiervor), und nicht auf einer falschen Auskunft einem missverständlichen Verhalten der Beschwerdegegnerin.

 

Wenn die Beschwerdeführerin mit der Bemerkung in der Voranmeldung vom 17. Mai 2021, die gegenüber früher kürzere Bewilligungsdauer von drei Monaten sei ihr unerklärlich (AWA-Nr. 3 Ziff. 2), darauf hinauswill, sie habe von der geänderten Rechtslage ab dem 1. September 2020 nichts gewusst (s. dazu E. II. 2.2.2 hiervor), ist dies durchaus glaubhaft, führt aber zu keiner anderen Beurteilung. Gesetze gelten mit der amtlichen Publikation des Textes als bekannt (vgl. Art. 8 Bundesgesetz über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt / Publikationsgesetz, PublG; SR 170.512). Aus der eigenen Rechtsunkenntnis kann – die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen vorbehalten – niemand Vorteile für sich ableiten (BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1 S. 336). Hinzu kommt, dass die besonderen Vorschriften der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung während der ausserordentlichen Lage als notrechtliche Massnahmen erlassen worden waren. Es war bekannt und auch für Bezüger von Kurzarbeitsentschädigung ersichtlich, dass sich die Situation und der Leistungsanspruch rasch wieder ändern konnten (BVR 2021 S. 347 E. 4.4.3), d.h. die Beschwerdeführerin muss sich der speziellen Situation und der Möglichkeit kurzfristiger Rechtsänderungen bewusst gewesen sein. Folglich war sie in besonderem Masse aufgefordert, die Änderungen der einschlägigen Erlasse aktiv zu verfolgen, was angesichts der Publikation in der amtlichen Sammlung des Bundes, welche jeweils unmittelbar der Beschlussfassung folgte, möglich war (BVR 2021 S. 347 E. 4.4.3). Der Umstand, dass es nicht einfach war, bei der für hiesige Verhältnisse ungewohnt häufigen Rechtsänderungen den Überblick zu behalten, ändert nichts an der Massgeblichkeit der jeweils geltenden Bestimmungen.

 

3.2.3  Somit bietet auch der Vertrauensschutz keine Grundlage, der Beschwerdeführerin für April 2021 Kurzarbeit zu bewilligen.

 

3.3     Zusammenfassend stellt sich die Beschwerde als unbegründet heraus und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 

4.       Bei diesem Verfahrensausgang steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu. Die Beschwerdegegnerin wiederum hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation – abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen – keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. etwa BGE 128 V 133 E. 5b, 126 V 150 E. 4a).

 

5.       In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung vor dem kantonalen Versicherungsgericht sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis ATSG).

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.    Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident                           Der Gerichtsschreiber

Flückiger                                   Haldemann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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