Zusammenfassung des Urteils VSBES.2021.133: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin, eine Arbeitgeberin, beantragte Kurzarbeit aufgrund der Coronapandemie beim Amt für Wirtschaft und Arbeit. Nach verschiedenen Entscheiden und Einsprüchen bewilligte das Amt schliesslich Kurzarbeit bis Ende Dezember 2021. Die Beschwerdeführerin forderte jedoch eine frühere Bewilligung ab April 2021, was abgelehnt wurde. Das Gericht urteilte, dass die Bewilligung erst ab dem 29. Juni 2021 gültig ist. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, und Kurzarbeit wurde nur für den Zeitraum vom 29. bis 30. Juni 2021 bewilligt. Es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen, und keine Verfahrenskosten wurden erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2021.133 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 12.11.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Kurzarbeit; Arbeit; Covid; Covid-; Bewilligung; -Gesetz; Verfügung; Voranmeldung; Bundes; AWA-Nr; Voranmeldefrist; Arbeitgeber; Verordnung; Recht; Arbeitslosenversicherung; Gesuch; Massnahme; Weisung; Versicherungsgericht; Anspruch; Massnahmen; Frist; Vertrauen; Amtsstelle; Solothurn; Verlängerung; Beginn |
Rechtsnorm: | Art. 17b Covid-19-Gesetz ;Art. 36 AVIG; |
Referenz BGE: | 110 V 132; 117 V 244; 133 V 257; 136 V 331; 143 V 95; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 4. Aufl., Zürich, Art. 53 ATSG, 2020 |
Geschäftsnummer: | VSBES.2021.133 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 12.11.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2021.202 |
Titel: | Kurzarbeit; Covid19 |
Resümee: |
Urteil vom 12. November 2021 Es wirken mit: Oberrichterin Weber-Probst Oberrichter Marti Gerichtsschreiber Haldemann In Sachen A.___ Beschwerdeführerin gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn, Beschwerdegegnerin
betreffend Kurzarbeit / Covid-19 (Einspracheentscheid vom 17. August 2021)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. 1.1 Die Arbeitgeberin A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) beantragte am 3. Januar 2021 beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) in Zusammenhang mit der Coronapandemie Kurzarbeit (Akten der Beschwerdegegnerin / AWA-Nr. 8). Die Beschwerdegegnerin bewilligte daraufhin mit Verfügung vom 8. Januar 2021 für den Zeitraum vom 14. Januar bis 13. April 2021 Kurzarbeit (AWA-Nr. 5).
1.2 Mit Abrechnung vom 29. Juni 2021 machte die Beschwerdeführerin bei der Beschwerdegegnerin die Kurzarbeitsentschädigung für den Monat April 2021 geltend (AWA-Nr. 6).
1.3 Am 16. Juli 2021 meldete die Beschwerdeführerin für die Zeit ab 14. April 2021 formell Kurzarbeit an (AWA-Nr. 7). Die Beschwerdegegnerin betrachtete indes in ihrer Verfügung vom 22. Juli 2021 die bereits zuvor eingereichte Abrechnung vom 29. Juni 2021 (E. I. 1.2 hiervor) als gültige Voranmeldung, da aus ihr hervorgehe, dass die Kurzarbeit im April 2021 habe weitergeführt werden müssen. Folglich könne ab dem 29. Juni 2021 Kurzarbeit bewilligt werden (AWA-Nr. 1). Das Dispositiv dieser Verfügung nannte aber fälschlicherweise einen Bewilligungszeitraum vom 14. Januar bis 13. April 2021, der bereits durch die Verfügung vom 8. Januar 2021 abgedeckt worden war (s. E. I. 1.1. hiervor).
1.4 Die gegen die Verfügung vom 22. Juli 2021 gerichtete Einsprache (AWA-Nr. 2) wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 17. August 2021 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.).
2. 2.1 Die Beschwerdeführerin erhebt am 18. August 2021 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, das nachträglich eingereichte Gesuch um Kurzarbeit sei ab dem 14. April 2021 zu bewilligen (A.S. 4). Zur Begründung gibt die Beschwerdeführerin an, im Jahr 2020 sei die für drei Monate beantragte Kurzarbeit automatisch verlängert worden, weil der erste Lockdown länger als diese drei Monate gedauert habe. Im zweiten Lockdown liege nun die gleiche Situation vor, aber es sei keine automatische Verlängerung erfolgt, obwohl sie das Café weiterhin nicht hätten betreiben dürfen.
2.2 Die Beschwerdegegnerin zieht die Verfügung vom 22. Juli 2021 in Wiedererwägung und erlässt eine neue Verfügung vom 16. September 2021 (AWA-Nr. 4), welche die Kurzarbeit für die Zeit vom 29. Juni bis 28. Dezember 2021 bewilligt. Sodann stellt die Beschwerdegegnerin dem Versicherungsgericht in der Beschwerdeantwort vom 17. September 2021 folgende Anträge (A.S. 7 ff.): 1. Der Beschwerdeführerin sei die Bewilligung zur Einführung von Kurzarbeit vom 29. Juni 2021 bis zum 28. Dezember 2021 gemäss unserer Verfügung vom 16. September 2021 zu gewähren. 2. Die Beschwerde vom 18. August 2021 sei teilweise gutzuheissen. 3. Gerichtskosten seien keine aufzuerlegen. 4. Es sei keine Parteientschädigung auszuzahlen.
2.3 Die Beschwerdeführerin wiederholt in der Replik vom 29. September 2021 die Beschwerdebegründung und ergänzt, die ab dem 29. Juni 2021 bewilligte Kurzarbeit brauche man nicht, da der Lockdown da schon beendet gewesen sei. Man verlange vielmehr Kurzarbeit vom 14. April bis 30. Juni 2021 und berufe sich auf die Vertrauenshaftung (A.S. 14).
2.4 Die Beschwerdegegnerin reicht innert der Frist bis 22. Oktober 2021 (s. A.S. 15) keine Duplik ein und lässt sich auch sonst nicht mehr vernehmen (A.S. 16).
II.
1. 1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten. Streitig und zu prüfen ist, inwieweit der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 14. April bis 30. Juni 2021 Kurzarbeit bewilligt werden kann. Dabei sind sich die Parteien einig, dass die Anspruchsvoraussetzungen der Kurzarbeit erfüllt sind und es lediglich um den Beginn der Bewilligung geht.
1.2 Der Versicherungsträger kann eine Verfügung einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange in Wiedererwägung ziehen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt (Art. 53 Abs. 3 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Insbesondere steht es dem Versicherungsträger frei, während des laufenden Beschwerdeverfahrens ohne Beachtung der besonderen Wiedererwägungsvoraussetzungen (namentlich ohne Annahme einer zweifellosen Unrichtigkeit) auf seinen Entscheid zurückzukommen. Entspricht die Wiedererwägung indes nicht vollumfänglich den Rechtsbegehren, welche die versicherte Person im Beschwerdeverfahren gestellt hat, so kommt sie bloss einem Antrag an das Gericht gleich (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 53 N 88 ff., mit Hinweisen). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, denn auch in der neuen Verfügung vom 16. September 2021 wird der Beschwerdeführerin entgegen ihren Anträgen vor dem 29. Juni 2021 keine Kurzarbeit bewilligt.
2. 2.1 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren normale Arbeitszeit verkürzt deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 1 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0). Zu den Voraussetzungen, welche dafür kumulativ erfüllt sein müssen, gehört u.a., dass der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 31 Abs. 1 lit. b AVIG), was dann der Fall ist, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist (Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG). Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen zurückgehen, sind anrechenbar, wenn der Arbeitgeber sie nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden kann (Art. 51 Abs. 1 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02). Unter behördliche Massnahmen in diesem Sinne fallen auch die Anordnungen, die in Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen (SECO-Weisung 2021/13, Aktualisierung «Sonderregelungen aufgrund der Pandemie», vom 30. Juni 2021, S. 11 f. Ziff. 2.3).
2.2 2.2.1 Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich voranmelden (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (BGE 117 V 244 E. 3b S. 246). Ausnahmsweise beträgt die Voranmeldefrist drei Tage, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Kurzarbeit wegen plötzlich eingetretener, nicht voraussehbarer Umstände eingeführt werden muss (Art. 58 Abs. 1 AVIV). Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Voranmeldung fristgemäss zu erstatten, so kann er die Kurzarbeit bis vor ihrem Beginn, allenfalls auch telefonisch, anmelden (Art. 58 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AVIV). Hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne entschuldbaren Grund nicht fristgemäss vorangemeldet, so wird der Arbeitsausfall erst anrechenbar, wenn die für die Voranmeldung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist (Art. 58 Abs. 4 AVIV). Die Voranmeldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als drei Monate dauert (Art. 36 Abs. 1 Satz 3 AVIG).
2.2.2 Der Bundesrat erliess am 20. März 2020 notrechtlich die Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, SR 837.033) Am 25. März 2020 wurden u.a. die zwei folgenden Bestimmungen in die Verordnung eingefügt: · Art. 8b Abs. 1 Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, wonach der Arbeitgeber in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 Abs. 1 bis 4 AVIV keine Voranmeldefrist abwarten musste, wenn er beabsichtigte, Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen. Diese Regelung trat per 1. Juni 2020 ausser Kraft, so dass wieder die ordentlichen Voranmeldefristen gemäss AVIG und AVIV galten (s. dazu SECO-Weisung 2020/10 vom 22. Juli 2020, S. 14 Ziff. 2.13). · Art. 8c Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, wonach die Voranmeldung in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG zu erneuern war, wenn die Kurzarbeit länger als sechs Monate dauerte. Bewilligungen, die für weniger als sechs Monate ausgestellt worden waren, konnten auf Ersuchen des Betriebs direkt durch die kantonale Amtsstelle mittels neuer Verfügung auf insgesamt maximal sechs Monate verlängert werden (SECO-Weisung 2020/10, S. 15 Ziff. 2.14). Diese Regelung trat per 1. September 2020 ausser Kraft, so dass wieder eine maximale Bewilligungsdauer von drei Monaten galt (a.a.O., Ziff. 2.16).
2.2.3 Das für dringlich erklärte Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020 (Covid-19-Gesetz, SR 818.102) trat am Folgetag in Kraft und wurde mittlerweile in der Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 angenommen. Mit der Änderung vom 19. März 2021 wurden folgende bis 31. Dezember 2021 geltende Bestimmungen zur Voranmeldung und Dauer von Kurzarbeit in das Gesetz aufgenommen: · Art. 17b Abs. 1 Satz 1 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): In Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG ist keine Voranmeldefrist einzuhalten. · Art. 17b Abs. 1 Satz 2 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): Die Voranmeldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als sechs Monate dauert. · Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz (rückwirkend in Kraft ab dem 1. September 2020): Für rückwirkende Anpassungen einer bestehenden Voranmeldung ist bis am 30. April 2021 bei der kantonalen Amtsstelle ein entsprechendes Gesuch einzureichen. · Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz (in Kraft ab dem 20. März 2021): Betrieben, die auf Grund der seit dem 18. Dezember 2020 beschlossenen behördlichen Massnahmen von Kurzarbeit betroffen sind, wird der Beginn der Kurzarbeit auf Gesuch hin rückwirkend auf das Inkrafttreten der entsprechenden Massnahme bewilligt. Dieses Gesuch ist bis zum 30. April 2021 bei der kantonalen Amtsstelle einzureichen.
3. 3.1 Im vorliegenden Fall ist einmal zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt die massgeb-liche Voranmeldung vom 29. Juni 2021 frühestens wirksam ist.
3.1.1 3.1.1.1 Die bundesrätliche Botschaft zum Covid-19-Gesetz vom 17. Februar 2021 enthielt zu Art. 17b Abs. 1 folgende Bemerkungen (BBl 2021 285 S. 29): Art. 36 Abs. 1 AVIG sieht grundsätzlich eine Voranmeldefrist von zehn Tagen für die Kurzarbeit vor. Der Bundesrat hat die Kompetenz, für Ausnahmefälle eine kürzere Voranmeldefrist festzulegen. Eine vollständige Aufhebung der Voranmeldefrist ist im AVIG nicht vorgesehen. Mit [Art. 17b] Absatz 1 erster Satz wird die Voranmeldefrist für alle Betriebe vollständig aufgehoben. Das heisst, Betriebe, die zukünftig Kurzarbeit anmelden, müssen keine Voranmeldefrist mehr einhalten. Der Beginn der Kurzarbeit kann somit ab Datum der Voranmeldung bewilligt werden, sofern alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Art. 36 Abs. 1 AVIG sieht weiter vor, dass die Kurzarbeit, wenn sie länger als drei Monate dauert, neu vorangemeldet und bewilligt werden muss. Mit [Art. 17b] Absatz 1 zweiter Satz soll die Kurzarbeitsbewilligung der kantonalen Amtsstelle neu für sechs Monate gültig sein.
3.1.1.2 Die SECO-Weisung 2021/13 führt aus, rückwirkend ab dem 1. September 2020 könne bei bereits erteilten Kurzarbeitsbewilligungen die Voranmeldefrist aufgehoben und die Bewilligung auf das Datum der Voranmeldung zurückverschoben werden, sofern das entsprechende schriftliche Gesuch des Betriebs bis 30. April 2021 erfolge (S. 12 Ziff. 2.3 b). Der Weisung lässt sich weiter entnehmen, dass ab dem 20. März 2021 Kurzarbeit für sechs Monate bewilligt werden dürfe, jedoch nicht über den 31. Dezember 2021 hinaus. Rückwirkend ab dem 1. September 2020 könne die Bewilligung auf ein fristgerechtes schriftliches Begehren des Betriebs hin auf sechs Monate verlängert werden (S. 27 f. Ziff. 2.14).
Weisungen, welche das SECO als administrative Aufsichtsbehörde den Arbeitsämtern und den Arbeitslosenkassen erteilt, stellen zwar keine Rechtsnorm dar und sind damit für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich. Er berücksichtigt jedoch solche Weisungen und weicht nicht ohne triftigen Grund von ihnen ab, wenn sie eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen (BGE 133 V 257 E. 3.2 258 f., 132 V 121 E. 4.4 S. 125).
3.1.2 Mit dem Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz waren die Voranmeldefristen im AVIG und in der AVIV ab 1. September 2020 nicht mehr anwendbar. Der Wegfall dieser Fristen ändert aber nichts daran, dass weiterhin eine Voranmeldung erfolgen muss und Kurzarbeit grundsätzlich erst ab dem Datum dieser Anmeldung bewilligt werden darf, wie aus der Botschaft des Bundesrates erhellt (E. II. 3.1.1.1 hiervor). Die Materialien stellen gerade bei der Auslegung jüngerer Erlasse ein wichtiges Erkenntnismittel dar, wenn sie zuverlässigen Aufschluss über den Sinn einer Norm geben (BGE 126 V 435 E. 3b S. 439). Dies muss im vorliegenden Fall umso mehr gelten, als die Fassung des Covid-19-Gesetzes vom 19. März 2021 erst vor wenigen Monaten verabschiedet wurde und sich die Aussagen in der Botschaft zwanglos mit dem Wortlaut von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz vereinbaren lassen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Bestimmung von der Anpassung bestehender Voranmeldungen die Rede ist. Durch die Verwendung dieses Begriffs brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er keineswegs beabsichtigte, auf Voranmeldungen zu verzichten und nachträgliche Anmeldungen für bereits vergangene Zeiträume uneingeschränkt zuzulassen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Bewilligung von Kurzarbeit, die vom 1. September 2020 bis 19. März 2021 unter Beachtung einer Voranmeldefrist erfolgte, auf Gesuch hin nachträglich korrigiert werden kann, indem die Frist entfällt und die Bewilligung neu auf den Zeitpunkt der Voranmeldung zurückbezogen wird (s. Urteil des Versicherungsgerichts Solothurn VSBES.2021.96 vom 13. Juli 2021 E. 3.1.1). Diese Auslegung steht denn auch in Einklang mit der SECO-Weisung 2021/13 (E. II. 3.1.1.2 hiervor). Hier liegt aber keine Konstellation nach Art. 17b Abs. 1 Satz 1 Covid-19-Gesetz vor, da der Beginn der vorhergehenden Bewilligung am 14. Januar 2021 nicht streitig ist, sondern nur die Zeit, nachdem diese dreimonatige Bewilligung am 13. April 2021 abgelaufen war. Die Beschwerdeführerin hat es indes versäumt, sich innert der Bewilligungsdauer bis 13. April 2021 erneut für Kurzarbeit anzumelden. Indem sie erst am 29. Juni 2020 an die Beschwerdegegnerin gelangte, ist es auch vor dem Hintergrund des neuen Art. 17b Abs. 1 Satz 1 und 4 Covid-19-Gesetz nicht möglich, die Kurzarbeit bereits ab 14. April 2021 zu bewilligen. Dies kann erst ab dem Datum der Voranmeldung vom 29. Juni 2020 geschehen, wie es die Beschwerdegegnerin in ihrer (als Antrag zu betrachtenden) Verfügung vom 16. September 2021 denn auch getan hat.
3.2 Weiter stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die ab 14. Januar 2021 für drei Monate bewilligte Kurzarbeit nachträglich über den 13. April 2021 hinaus zu verlängern. Richtig ist, dass Art. 17b Abs. 1 Satz 2 und 4 Covid-19-Gesetz die maximale gesetzliche Bewilligungsdauer mit Wirkung ab 1. September 2020 auf sechs Monate ausdehnt und es erlaubt, bereits erteilte Bewilligungen entsprechend anzupassen (E. II. 2.2.3 hiervor). Diese Anpassungsmöglichkeit bezieht sich auf Arbeitgeber, denen vor dem Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz am 20. März 2021 für drei Monate Kurzarbeit bewilligt worden war. Eine automatische Verlängerung einer Bewilligung von drei auf sechs Monate ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies folgt einerseits aus dem Wortlaut von Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz, der die Anpassung ausdrücklich von einem Gesuch des Arbeitgebers abhängig macht. Andererseits findet sich in der bundesrätlichen Botschaft kein klarer Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber entgegen dem Gesetzestext eine automatische Verlängerung bestehender Bewilligungen wollte (s. E. II. 3.1.1.1). Im Übrigen ist auch in de SECO-Weisung 2021/13 von einer Anpassung auf Gesuch hin die Rede (s. E. II. 3.1.1.2). Es stellt sich zwar die Frage, ob die vorliegende Situation, in der die dreimonatige Bewilligung erst nach dem Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz am 20. März 2021 endete, überhaupt von dieser Bestimmung erfasst wird. Dies kann jedoch offenbleiben. Wenn eine Bewilligung beim Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 1 Covid-19-Gesetz noch nicht abgelaufen war, so war es dem Arbeitgeber möglich, noch innerhalb der Bewilligungsdauer eine neue Voranmeldung für eine Anschlussbewilligung einzureichen und so eine Anspruchslücke zu vermeiden. Genau dies hat die Beschwerdeführerin aber unterlassen (s. E. II. 3.1.2 hiervor). Falls man hingegen Art. 17b Abs. 1 Satz 4 Covid-19-Gesetz hier als einschlägig ansieht, so wäre die vorgesehene Gesuchsfrist bis 30. April 2021 durch die Eingabe vom 29. Juni 2021 nicht gewahrt worden. So so ergibt sich nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin.
3.3 Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz spricht zwar von einer vom Zeitpunkt der Vor-anmeldung unabhängigen rückwirkenden Bewilligung von Kurzarbeit, dies aber nur, soweit es um behördliche Massnahmen geht, welche nach dem 18. Dezember 2020 in Kraft traten (wie z.B. die Schliessung der Restaurants ab dem 22. Dezember 2020). Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er aus den Materialien hervorgeht, auf Massnahmen, welche zwischen dem 18. Dezember 2020 und dem Inkrafttreten von Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz am 20. März 2021 ergingen (s. bundesrätliche Botschaft zum Covid-19-Gesetz vom 17. Februar 2021, BBl 2021 285 S. 30). Der hier streitige Fall, ob ab dem 14. April 2021 Kurzarbeit bewilligt werden kann, fällt indes nicht in diesen Zeitraum, weshalb Art. 17b Abs. 2 Covid-19-Gesetz darauf nicht anwendbar ist.
3.4 3.4.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den Vertrauensschutz. Sie begründet dies damit, dass die Kurzarbeit, welche ihr im Jahr 2020 bewilligt wurde, sich automatisch verlängert habe, ohne dass sie einen Antrag hätte stellen müssen. Sie hält mit anderen Worten dafür, sie sei davon ausgegangen, dass auch 2021 eine automatische Verlängerung erfolge.
3.4.2 Der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft / BV, SR 101) schützt die Bürger in ihrem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten. Er bedeutet u.a., dass falsche behördliche Auskünfte bindend sind und eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung gebieten, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 143 V 95 E. 3.6.2 S. 103; s.a. die zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, immer noch geltende Rechtsprechung: BGE 121 V 65 E. 2a S. 66 f.): 1) Die Behörde hat in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt. 2) Die fragliche Behörde war für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig der Bürger durfte sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten. 3) Der Bürger konnte die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen. 4) Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft wurden Dispositionen getroffen, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. 5) Die gesetzliche Ordnung hat seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren. 6) Das Interesse am Schutz des berechtigten Vertrauens in die behördliche Auskunft überwiegt das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts.
3.4.3 Nachdem die Beschwerdeführerin am 19. März 2020 Kurzarbeit bis 30. Juni 2020 beantragt hatte (AWA-Nr. 9), erhielt sie mit Verfügung vom 25. März 2020 für die Zeit vom 23. März bis 22. Juni 2020 Kurzarbeit bewilligt (AWA-Nr. 10). Sodann nahm die Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 28. April 2020 von Amtes wegen eine Verlängerung der Bewilligung bis zum 22. September 2020 vor (AWA-Nr. 11). Daraus kann die Beschwerdeführerin aber im vorliegenden Fall nichts für sich ableiten. Eine Berufung auf den Vertrauensschutz entfällt schon deshalb, weil sich die Rechtslage in der Zwischenzeit geändert hat: Die Ausdehnung der Bewilligung von drei auf sechs Monate, wie sie die Beschwerdegegnerin am 28. April 2020 von sich aus verfügte, beruht auf Art. 8c Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, der am 31. August 2020 wieder ausser Kraft trat. Der neue Art. 17b Abs. 1 Satz 2 Covid-19-Gesetz, welcher nunmehr die Bewilligungsdauer regelt, gestattet indes eine nachträgliche Verlängerung der Bewilligung auf sechs Monate nur dann, wenn der Arbeitgeber dies beantragt (E. II. 3.2 hiervor), was in Art. 8c Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung noch nicht vorgesehen war (vgl. E. II. 2.2.2 hiervor).
Die Beschwerdeführerin kann auch nicht vorbringen, sie habe von der geänderten Rechtslage nichts gewusst. Gesetze gelten mit der amtlichen Publikation des Textes als bekannt (vgl. Art. 8 Bundesgesetz über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt / Publikationsgesetz, PublG; SR 170.512). Aus der eigenen Rechtsunkenntnis kann – die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen vorbehalten – niemand Vorteile für sich ableiten (BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1 S. 336). Hinzu kommt, dass die besonderen Vorschriften der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung während der ausserordentlichen Lage als notrechtliche Massnahmen erlassen worden waren. Es war bekannt und auch für Bezüger von Kurzarbeitsentschädigung ersichtlich, dass sich die Situation und der Leistungsanspruch rasch wieder ändern konnten (BVR 2021 S. 347 E. 4.4.3). Dies muss hier umso mehr gelten, als die Verfügung vom 8. Januar 2021, welche die Kurzarbeit bis 13. April 2021 bewilligte, den Vorbehalt enthielt, dass sich die Anspruchs- und Abrechnungsbedingungen während der Gültigkeitsdauer der Verfügung ändern können (AWA-Nr. 5), d.h. die Beschwerdeführerin muss sich der speziellen Situation und der Möglichkeit kurzfristiger Rechtsänderungen bewusst gewesen sein. Folglich war sie in besonderem Masse aufgefordert, die Änderungen der einschlägigen Erlasse aktiv zu verfolgen, was angesichts der Publikation in der amtlichen Sammlung des Bundes, welche jeweils unmittelbar der Beschlussfassung folgte, möglich war (BVR 2021 S. 347 E. 4.4.3).
3.4.4 Somit bietet auch der Vertrauensschutz keine Grundlage, der Beschwerdeführerin bereits ab 14. April 2021 Kurzarbeit zu bewilligen.
3.5 Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde insoweit als unbegründet, als die Bewilligung von Kurzarbeit bereits ab dem 14. April 2021 begehrt wird. Hingegen besteht angesichts der Voranmeldung vom 29. Juni 2021 für diesen Tag und den 30. Juni 2021 Anspruch auf Kurzarbeit, da laut der Beschwerdegegnerin keine Ausschlussgründe vorliegen (s. Verfügung vom 16. September 2021, AWA-Nr. 4); einen weitergehenden Antrag stellt die Beschwerdeführerin nicht, da die Arbeitszeit in der Folge nicht mehr reduziert war (s. E. I. 2.3 hiervor). Die Beschwerde wird folglich in diesem Umfang teilweise gutgeheissen und ansonsten abgewiesen.
3.6 Anzufügen bleibt, dass das Unverständnis der Beschwerdeführerin über die in kurzer Folge ändernde Regelung und über die unterschiedliche Behandlung der beiden «Lockdowns» zu einem guten Teil nachvollziehbar ist. Sie entspricht aber dem klar nachweisbaren Willen des Gesetz- respektive Verordnungsgebers, den sowohl die Beschwerdegegnerin als auch das Gericht zu respektieren haben.
4. Die teilweise obsiegende Beschwerdeführerin war vor dem Versicherungsgericht weder durch einen Anwalt noch eine andere externe Fachperson vertreten, sondern handelte selber. Sie verfasste bloss zwei kurze Rechtsschriften von je einer Seite, so dass ihr Arbeitsaufwand sich in engen Grenzen hielt. Ein Anspruch auf eine Parteientschädigung entfällt daher schon aus diesem Grund (s. dazu BGE 110 V 132 E. 4d S. 134), einmal abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nur zu einem sehr geringen Teil obsiegte. Die Beschwerdegegnerin wiederum hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation – abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen – keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. etwa BGE 128 V 133 E. 5b, 126 V 150 E. 4a).
5. In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis ATSG).
Demnach wird erkannt: 1. Der Einspracheentscheid des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn vom 17. August 2021 sowie die Verfügung vom 16. September 2021 werden in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird für den 29. und 30. Juni 2021 Kurzarbeit bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben. Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Der Präsident Der Gerichtsschreiber Flückiger Haldemann |
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