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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2020.63)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2020.63: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht hat in einem Urteil vom 6. September 2022 entschieden, dass A.___ keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung hat. A.___ hatte einen Antrag auf Insolvenzentschädigung gestellt, nachdem die Firma, bei der er angestellt war, Konkurs angemeldet hatte. Die Arbeitslosenkasse verneinte den Anspruch, da A.___ bereits vorher eine arbeitgeberähnliche Stellung innehatte und das Unternehmen finanzielle Schwierigkeiten hatte. A.___ erhob Beschwerde, die jedoch abgelehnt wurde. Das Gericht entschied, dass A.___ keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung hat, da das Unternehmen bereits vor der Konkurseröffnung in finanziellen Schwierigkeiten war. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF [Betrag der Gerichtskosten].

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.63

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2020.63
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2020.63 vom 06.09.2022 (SO)
Datum:06.09.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Konkurs; Apos; Verwaltungsrat; Software; Entwicklung; Beschwerdeführers; Verwaltungsrats; Insolvenzentschädigung; Konkursakten; Konkursamt; Ordner; Register; Forderung; Position; Präsident; BB-Nr; Anspruch; Mitglied; Gesellschaft; Entwicklungen; Akten; Firma; Sanierung; Protokoll; Bilanz
Rechtsnorm: Art. 242 KG ;Art. 3 AVIG;Art. 52 AVIG;Art. 725 OR ;
Referenz BGE:121 V 362; 126 V 134;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.63

 
Geschäftsnummer: VSBES.2020.63
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 06.09.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.129
Titel: Insolvenzentschädigung

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 6. September 2022

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Oberrichter Flückiger

Oberrichterin Hunkeler

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Habegger

Beschwerdeführer

gegen


Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn,
Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Insolvenzentschädigung (Einspracheentscheid vom 17. Februar 2020)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.      

1.1     A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) stellte am 27. November 2019 bei der Arbeitslosenversicherung einen Antrag auf Insolvenzentschädigung für die Zeit vom 1. August bis [...] November 2019 (Akten der Arbeitslosenkasse [nachfolgend: Beschwerdegegnerin] / ALK-Nr. 3). Er erklärte, er sei vom 1. Oktober 2017 bis [...] November 2019 bei der B.___ AG, über die am [...] November 2019 der Konkurs eröffnet wurde (vgl. ALK-Nr. 1), angestellt gewesen. Seine offenen Lohnforderungen beliefen sich auf monatlich CHF 10'300.00 (inkl. Zulagen von je CHF 300.00) für August, September und Oktober 2019 sowie auf CHF 2'381.00 für die Zeit vom 1. bis [...] November 2019.

 

1.2     Mit Verfügung vom 11. Dezember 2019 (Beschwerdebeilage / BB-Nr. 1) verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Zur Begründung wurde erklärt, der Beschwerdeführer habe bis Anfang Juli 2019 eine arbeitgeberähnliche Stellung bei der B.___ AG innegehabt und das Unternehmen habe sich bereits damals in grossen finanziellen Schwierigkeiten befunden. In dieser Konstellation bestehe kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Die dagegen erhobene Einsprache (BB-Nr. 5) wies die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 17. Februar 2020 (Aktenseiten / A.S. 1 ff.) ab.

 

2.       Mit Zuschrift vom 18. März 2020 lässt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 17. Februar 2020 erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:

 

1.   Die Verfügung vom 11. Dezember 2019 und der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 17. Februar 2020 seien aufzuheben.

2.   Das Gesuch des Beschwerdeführers um Ausrichtung der Insolvenzentschädigung sei gutzuheissen.

– unter Kosten- und Entschädigungsfolge –

 

3.       Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Beschwerdeantwort vom 1. Mai 2020 (A.S. 13 ff.) auf Abweisung der Beschwerde.

 

4.       Mit Replik vom 15. Juni 2020 (A.S. 24 ff.) und Duplik vom 6. Juli 2020 (A.S. 30 f.) halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

 

5.       Am 17. August 2020 lässt der Beschwerdeführer weitere Unterlagen einreichen (vgl. A.S. 33). Gleichzeitig gibt der Vertreter des Beschwerdeführers seine Kostennote (A.S. 34 ff.) zu den Akten.

 

6.       Mit Verfügung vom 6. Juli 2021 (A.S. 39) werden beim kantonalen Konkursamt die Akten des Konkursverfahrens betreffend die B.___ AG ediert. Diese gehen am 13. Juli 2021 beim Versicherungsgericht ein (A.S. 41).

 

7.       Auf die Ausführungen in den Rechtsschriften der Parteien wird im Folgenden, soweit erforderlich, eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

 

II.

 

1.      

1.1     Die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

1.2     Bei der Beurteilung des Falles ist grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, der bis zum Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides vom 17. Februar 2020 eingetreten ist (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366).

 

2.      

2.1     Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben u.a. dann Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen (Art. 51 Abs. 1 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0). Die Insolvenzentschädigung deckt für das gleiche Arbeitsverhältnis Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Art. 3 Abs. 2 AVIG. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen (vgl. Art. 52 Abs. 1 AVIG).

 

2.2     Der Arbeitnehmer muss im Konkurs- und Pfändungsverfahren alles unternehmen, um seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG). Dies gilt als Ausdruck der allgemeinen Schadenminderungspflicht auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgelöst wird. Eine Leistungsverweigerung infolge Verletzung der Schadenminderungspflicht setzt voraus, dass dem Versicherten ein schweres Verschulden, also vorsätzliches grobfahrlässiges Handeln resp. Unterlassen, vorgeworfen werden kann. Das Ausmass der geforderten Schadenminderungspflicht richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (Urteil des Bundesgerichts 8C_85/2019 vom 19. Juni 2019 E. 4.1; Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 332; Boris Rubin, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 55 N 7 f. und N 10). Nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses obliegt dem Arbeitnehmer eine strengere Schadenminderungspflicht als vor der Auflösung (vgl. Rubin, a.a.O., Art. 55 N 11; AVIG-Praxis IE B38).

 

Ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung entfällt, wenn es die versicherte Person nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses versäumt, ihre Lohnforderung innert nützlicher Frist geltend zu machen und die nötigen rechtlichen Schritte einzuleiten (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl., Basel 2016, N 627 mit Hinweisen; siehe auch, Rubin, a.a.O., Art. 55 N 9). Die Arbeitnehmer sollen sich gegenüber dem Arbeitgeber so verhalten, als ob es keine Insolvenzentschädigung gäbe (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 334). Die Pflicht zur Schadenminderung umfasst namentlich zwangsvollstreckungsrechtliche Massnahmen bis hin zu einem der Stadien, in denen von Gesetzes wegen ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung besteht (a.a.O., S. 331 f.). In der Regel dürfte eine Untätigkeit von mehr als drei bis vier Monaten eine Missachtung der Schadenminderungspflicht darstellen. Da jedoch die konkreten Umstände massgebend sind, kann keine generelle Maximaldauer festgelegt werden, innert welcher die versicherte Person zuwarten darf, ohne den Anspruch auf Insolvenzentschädigung zu verlieren (Rubin, a.a.O., Art. 55 N 12). So nahm die Rechtsprechung eine zumindest grobfahrlässige Verletzung der Schadenminderungspflicht bei einem Arbeitnehmer an, der seine Lohnansprüche drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses immer noch nicht geltend gemacht hatte und auf die Konkurseröffnung warten wollte (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 329; Rubin, a.a.O., Art. 55 N 12). In anderen Fällen hingegen verneinte das Bundesgericht eine relevante Pflichtverletzung auch bei einer Verzögerung von drei bis vier Monaten (vgl. etwa Urteil 8C_643/2008 vom 4. November 2008 E. 3.2, 3.3 und 4, mit Hinweisen). Ein weiterer Entscheid hielt wiederum fest, eine Untätigkeit während vier Monaten bedeute für sich allein noch keine Verletzung der Schadenminderungspflicht, werfe aber Fragen auf, nachdem keine Umstände ersichtlich seien, welche ein monatelanges Zuwarten erklären würden, wie z.B. ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts C 269/06 vom 2. April 2007 E. 3.1).

 

2.3     Keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten (Art. 51 Abs. 2 AVIG). Der Ausschluss vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung nach Massgabe von Art. 51 Abs. 2 AVIG gilt auch für Zeiten nach dem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat, wenn die finanziellen Schwierigkeiten, die schliesslich zum Konkurs geführt haben, schon vorher bestanden und das Arbeitsverhältnis weiterdauert (vgl. Kupfer Bucher, a.a.O., S. 319 mit Hinweis auf BGE 126 V 134 E. 5a S. 136 f.). Nicht verlangt wird, dass eine versicherte Person für die Gründe, welche schliesslich zum Konkurs führten, verantwortlich ist dass ihr eine Missbrauchsabsicht vorgeworden werden kann (Urteil des Bundesgerichts 8C_705/2007 vom 6. Mai 2008 E. 3.2 mit Verweis auf BGE 126 V 134; Kupfer Bucher, a.a.O., S. 320).

 

3.      

3.1     Die Beschwerdegegnerin führt im angefochtenen Einspracheentscheid vom 17. Februar 2020 aus, der Beschwerdeführer sei vom 23. November 2015 bis 8. März 2017 Präsident des Verwaltungsrats und Mitglied der Geschäftsleitung (mit Kollektivunterschrift zu zweien) der B.___ AG gewesen. Später sei er vom 28. November 2017 bis zum 7. März 2019 als Mitglied des Verwaltungsrats und anschliessend vom 8. März bis 2. Juli 2019 als Präsident des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen gewesen. Nach seinem Austritt aus dem Verwaltungsrat sei er ab dem 1. Juli 2019 als CPO ohne Handelsregistereintragung angestellt worden. Nach konstanter Rechtsprechung bestehe auch bei definitiver Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn der Betrieb bereits in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sein, als der betroffenen Person (hier dem Beschwerdeführer) noch ein massgeblicher Einfluss zugekommen sei. Davon könne ausgegangen werden, wenn zwischen der Beendigung der arbeitgeberähnlichen Stellung und dem Eintritt des «Insolvenzentschädigungsereignisses» nur ein kurzer Zeitraum liege wenn die betreffende Person bereits während der Zeit ihres massgebenden Einflusses Lohnausstände zu verzeichnen gehabt habe. Hier sei der Konkurs am [...] November 2019 eröffnet worden, etwas mehr als vier Monate nach der Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung. Nach Angaben des Konkursamtes sei die Firma schon seit längerer Zeit überschuldet gewesen. Auch aus der Vereinbarung vom 28. Mai 2019 sei ersichtlich, dass die B.___ AG hohe Schulden gehabt habe. Es sei belegt, dass sich der Betrieb schon in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, als dem Beschwerdeführer noch ein massgebender Einfluss zugekommen sei. Zudem sei aus der Forderungsanmeldung des Beschwerdeführers beim Konkursamt ersichtlich, dass sich bereits in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 erhebliche Lohnausstände (ca. CHF 77'774.00) angehäuft hätten. Da sich die B.___ AG demnach schon in starken finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, als der Beschwerdeführer noch eine arbeitgeberähnliche Stellung innegehabt habe, bestehe kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung.

 

3.2     Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde (A.S. 5 ff.) im Wesentlichen geltend, die B.___ AG entstamme einem Start-up in der IT-Branche. Die Entwicklung der B.___-Plattform sei «das Kind» des Beschwerdeführers; von ihm stamme auch die Projektidee. Ende 2016 sei er als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer aus der Unternehmung ausgestiegen. Nach einem Jahr sei er wieder zurückgeholt worden. Ab Ende 2017 sei er alleiniger Verwaltungsrat und Geschäftsführer gewesen. Die Jahresrechnung 2017 sei am 18. Dezember 2018 in Anwesenheit eines Notars genehmigt und dem Beschwerdeführer sei Décharge erteilt worden. Im Mai 2019 hätten die an der B.___ AG beteiligten Parteien vereinbart, dass der Beschwerdeführer aus dem Verwaltungsrat austrete und die Funktion als Geschäftsführer abgebe. Anlässlich der Verwaltungsratssitzung vom 18. Juni 219 habe C.___ erklärt, er fühle sich in der Lage, die Sanierung des Unternehmens durchzuführen. In einer E-Mail vom gleichen Tag habe er mitgeteilt, dass er und D.___ bereits Zusagen von Investoren im Umfang von über CHF 500'000.00 hätten. An der Verwaltungsratssitzung vom 28. Juni 2019 habe C.___ mitgeteilt, die Sanierung der AG verlaufe planmässig. Am 19. Juli 2019 sei die Übergabe erfolgt. Der Beschwerdeführer sei als Verwaltungsratspräsident ausgeschieden und habe die Funktion des Geschäftsführers übergeben. Im Protokoll der Übergabe sei festgehalten worden, dass die Sanierung kurz vor der Vollendung stehe und sich C.___ in der Lage sehe, die Sanierung abzuschliessen. An der Generalversammlung vom 29. Juli 2019 sei die Rechnung 2018 genehmigt und C.___ neu als Präsident des Verwaltungsrates gewählt worden.

 

Es treffe zu, dass zwischen dem Austritt des Beschwerdeführers aus dem Verwaltungsrat am 2. Juli 2019 und der Konkurseröffnung über die B.___ AG am [...] November 2019 lediglich vier Monate verstrichen seien und dass das Unternehmen vor dem 2. Juli 2019 mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen gehabt habe. Es sei aber nachgewiesen und dokumentiert, dass der Beschwerdeführer nicht einfach davongelaufen sei, sondern sich intensiv um Investoren bemüht habe. Ob die Zusagen der Investoren nach dem 1. Juli 2019 eingelöst worden seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Dies wäre wohl aus den Konkursakten ersichtlich. Bei Einlösen der Zusagen hätte der Betrieb weitergeführt werden können.

 

Zudem habe der Beschwerdeführer Kenntnis davon, dass der Verwaltungsrat nach dem 1. Juli 2019 den Wert der Position «Eigene Entwicklungen» nach unten korrigiert habe. Der Konkurs sei dadurch bewirkt worden, dass einerseits die zugesprochenen Investitionen nicht getätigt worden seien und andererseits ein wesentlicher Aktivposten nach unten bewertet worden sei. Fakt sei, dass die vom Beschwerdeführer entworfene Lösung nun offenbar in die Hände der E.___ AG gelangt sei, welche das Produkt auf den Markt bringe. Der Beschwerdeführer habe keinen Einfluss mehr gehabt auf die Nichtgeltendmachung der Zahlungsversprechen und die Korrektur der Bilanz. Der Beschwerdeführer habe jahrelang für die Entwicklung der Software gearbeitet und sehr viel Zeit und persönliche Energie darin investiert. Es sei daher verständlich, dass er persönlich bereit gewesen sei, mit der Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber der AG zuzuwarten.

 

Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens sei bei Ausscheiden aus der Firma im Sommer 2019 sicherlich nicht rosig gewesen. Aber auf das Ausscheiden seien zwei entscheidende Massnahmen erfolgt, die zum Konkurs geführt hätten und auf die der Beschwerdeführer keinen Einfluss mehr gehabt habe.

 

4.      

4.1     Der Beschwerdeführer meldete am 27. November 2019 im Konkursverfahren der B.___ AG die folgenden Lohnforderungen an (ALK-Nr. 5): Er machte geltend, für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 habe sein Bruttogehalt CHF 12'000.00 pro Monat betragen, vom 1. Juli bis [...] November 2019 CHF 10'000.00 pro Monat. Ausstehend seien Lohnforderungen von CHF 111'055.15. Hinzu kämen «Kinder- und Familienzulagen» von CHF 8’900.00. Insgesamt beliefen sich die offenen Lohn- und Zulagenforderungen aus der Zeit vor der Konkurseröffnung somit auf CHF 119'955.15. Weiter machte er für die Zeit vom [...] November 2019 bis 31. Dezember 2020 eine Lohnforderung von CHF 126'058.50 geltend. Zur Dokumentation reichte der Beschwerdeführer Lohnabrechnungen der Zeit ab 1. Januar 2018 ein, welche er teilweise mit handschriftlichen Bemerkungen versah, wobei er u.a. festhielt, die Lohnabrechnungen habe er selbst zusammengestellt zur Bestimmung des Guthabens. Diese monatlichen Lohnabrechnungen lauten ab 1. Januar 2018 auf einen Bruttolohn von CHF 12'000.00 und einen Nettolohn von CHF 10'547.00, wobei dieser laut den Abrechnungen in keinem einzigen Monat (ausser im März 2019) vollständig ausbezahlt wurde. Unten auf den Lohnabrechnungen wird deshalb jeweils ein «Guthaben aus Lohn kumuliert» aufgeführt, das beinahe jeden Monat anstieg und Ende Juni 2019 (laut diesen Lohnabrechnungen) einen Stand von CHF 82'163.85 erreichte. Ab Juli 2019 belief sich der Monatslohn laut diesen Abrechnungen auf brutto CHF 10'000.00 und netto CHF 8'804.65. Eine Zahlung in dieser Höhe erfolgte für den Monat Juli 2019, anschliessend gab es laut den Lohnabrechnungen keine Zahlungen mehr, so dass sich die Ausstände entsprechend erhöhten auf CHF 108'577.80 bis Ende Oktober 2019 resp. CHF 111'055.15 bis zur Konkurseröffnung am [...] November 2019 (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Register 6, Forderungseingabe Nr. 20). Das Konkursamt gelangte, weil es mit Bruttolöhnen rechnete, auf einen Betrag von CHF 117'317.95 für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 sowie eine Summe von CHF 34'000.05 für die Periode vom 1. August 2019 bis [...] November 2019 (a.a.O., vor Forderungseingabe Nr. 20).

 

Am 7. Januar 2020 machte der Beschwerdeführer ausserdem unter Hinweis auf eine E-Mail-Nachricht von (offenbar) C.___ vom 16. Juli 2019, in dem dieser erklärt «Ich fühle mich auch besser, wenn Du noch die CHF 60'000.00 bekommst (…)», eine zusätzliche Forderung von CHF 60'000.00 geltend (Konkursakten, Ordner 2/2, Register 6, Forderungseingabe Nr. 27).

 

4.2     Im Konkursverfahren über die B.___ AG wurden schliesslich Lohnforderungen des Beschwerdeführers in der Höhe von brutto CHF 34'000.05 (für die Zeit vom 1. Juli bis [...] November 2019) in der ersten Klasse sowie von brutto CHF 117'317.95 für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 zugelassen (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Register 6, S. 1 ff. / S. 4 Position 20). Weiter machte der Beschwerdeführer künftige Lohnforderungen für die Zeit ab [...] November 2019 bis 31. Dezember 2020 in der Höhe von CHF 137'619.00 (ebenda, Position 20, zugelassen in der 1. Klasse) sowie eine Forderung von CHF 60'000.00 («Zusicherung einer Zahlung»; a.a.O., Position 27, zugelassen in der 3. Klasse) geltend. Insgesamt beliefen sich die Forderungen aller Gläubiger der B.___ AG auf CHF 679'906.10 (a.a.O., S. 6). Im Rahmen der Forderungserwahrung hatte der Verwaltungsratspräsident C.___ sämtliche Forderungen mit zwei Ausnahmen ([...] sowie [...]) nach Bestand, Umfang und Rang vollumfänglich anerkannt (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Reg. 6, S. 8). Das Konkursamt liess auch die beiden nicht anerkannten Forderungen zu (a.a.O., S. 5 Position 27).

 

5.       Zur «Geschichte» der B.___ AG ist den Akten insbesondere Folgendes zu entnehmen:

 

5.1     Im Juli 2014 verlegte die F.___ AG ihren Sitz von [...] nach [...]. Im [...] 2015 änderte sie ihre Firma in B.___ AG. Der Zweck wurde laut Handelsregistereintrag ab diesem Datum im Wesentlichen wie folgt umschrieben: «Erbringen von Internetdienstleistungen, Erstellen und Support von PC-Systemen, Schulungen im EDV-Bereich und Verkauf von EDV-Produkten». Im Protokoll der Generalversammlung der F.___ AG vom 20. Oktober 2015 wurde festgehalten, es werde bei einem Aktienkapital von CHF 100'000.00 eine gesetzliche Kapitalreserve von CHF 516'427.90 gebildet. Der Beschwerdeführer war nach Lage der Akten die treibende Kraft und fungierte ab dem [...] 2015 (Eintragung im Handelsregister) als Präsident des Verwaltungsrats mit Kollektivunterschrift zu zweien.

 

5.2     Aus einem bei den Konkursakten liegenden Papier des späteren Verwaltungsrats G.___ (Mitglied des Verwaltungsrates ab 23. August 2016, dessen Präsident ab 2. November 2017, Rücktritt 28. November 2017) unter dem Titel «Die B.___-Story» vom 29. November 2019 (Konkursakten, Ordner 1/2, Register 2) geht hervor, dass es sich bei der B.___ AG um die Nachfolgefirma der (in Konkurs gefallenen) H.___ AG handelte. Von dieser Gesellschaft konnte die B.___ AG Arbeitsergebnisse übernehmen, namentlich digitale Kataloge und eine webbasierte Software, welche im Rahmen eines KTI-Projektes [KTI = Kommission für Technologie und Innovation, Förderagentur des Bundes] zwischen November 2012 und Dezember 2015 zusammen mit der Fachhochschule [...] entwickelt worden waren. Diese Darstellung (ohne Erwähnung der H.___ AG) findet sich auch in der vom Beschwerdeführer eingereichten Vereinbarung vom 28. Mai 2019 (BB-Nr. 8).

 

5.3     Laut dem in den Konkursakten enthaltenen Geschäftsbericht 2015 war 2015 für die B.___ AG ein herausforderndes Jahr gewesen. Im Zentrum gestanden hätten der Aufbau eines schlagkräftigen Managements, das Insourcing der Softwareentwicklung von der Fachhochschule [...] zur B.___ AG, die Integration der verschiedenen Dienstleistungsmodule in eine einheitliche Struktur, die Projektfinanzierung sowie die Vorbereitung auf den Markteintritt mit den Modulen für Handel und Industrie. Weiter seien die strategischen Massnahmen für den Markteintritt in Kooperation mit Partnerunternehmen im In- und Ausland aufgegleist worden. Das Insourcing der Softwareentwicklung habe gegen Ende 2015 abgeschlossen werden können. Unter Führung von I.___ sei ein Entwicklungsteam aufgebaut worden. Weiter wird ausgeführt, die Übergabe der Softwareentwicklung (KTI-Projekt) an die B.___ AG sei seitens der Fachhochschule nicht zufriedenstellend erfolgt. Dank Professionalität und Know-How seitens der jetzigen Entwickler und des […] (I.___) könnten nun Verzögerungen von drei bis fünf Monaten sukzessive aufgeholt werden. Durch die allgemeinen Verzögerungen der Applikationen hätten die Verkaufsaktivitäten nicht optimal erfolgen können. Per Juni 2016 gingen nun im Bereich Handel und Industrie die ersten Unternehmen «live».

 

5.4     In der Folge kam es zwischen den Beteiligten zu Unstimmigkeiten. Der Beschwerdeführer musste laut seinen Angaben gegenüber dem Konkursamt im Dezember 2016 die Firma verlassen. Am [...] März 2017 wurde er im Handelsregister gelöscht (ALK-Nr. 1). Laut der Darstellung im bereits zitierten Papier von G.___, welche sich mit der übrigen Aktenlage vereinbaren lässt und auch inhaltlich als plausibel erscheint, wurde der Beschwerdeführer bereits im August 2016 entmachtet, hatte aber weiterhin den Auftrag, Investoren zu suchen. Zudem verfügten er und seine Ehefrau auf Grund ihres Aktienanteils über eine Sperrminorität in der Firma. Für die Entwicklung der Software wurden schon zuvor und auch weiterhin enorme Geldsummen und zahlreiche Arbeitsstunden (von Aktionären) eingesetzt. Die Mitarbeitenden waren gleichzeitig Aktionäre und über andere, eigene Firmen durch flexible Mandatsverträge mit der B.___ AG verbunden, so dass es keine Lohnempfänger gab und der Aufwand fast ausschliesslich für die Weiterentwicklung der Software anfiel. Eine Überschuldung lag nicht vor, weil die Software in der Bilanz aktiviert wurde.

 

5.5     Die Geschäfte entwickelten sich jedoch nicht wunschgemäss. Laut dem Protokoll der VR-Sitzung vom 14. März 2017 in den Konkursakten waren vom für das Jahr 2017 budgetierten Umsatz von CHF 1'200'000.00 gemäss Budget 2017 bis Mitte März CHF 125'000,00 erzielt worden. Auch die bilanzmässige Bewertung der eigenen Entwicklungen bildete schon damals ein Thema. An der Sitzung vom 9. Mai 2017 beschloss der Verwaltungsrat, folgende Ergänzung in den Anhang zur Jahresrechnung 2016 einzufügen: «Die Position Software beinhaltet die laufenden Entwicklungskosten, deren Wert von der zukünftigen Realisierung von Erträgen abhängt. Eine abschliessende Beurteilung dieser Investition ist im heutigen Zeitpunkt nicht möglich». Im Juli 2017 trat sodann der gesamte Verwaltungsrat mit zwei Ausnahmen (G.___ und J.___) zurück. Den Anlass bildete offenbar der Umstand, dass die Generalversammlung vom 19. Juli 2017 eine erneute Kapitalerhöhung abgelehnt hatte (s. dazu Papier von G.___). Laut dem Protokoll der VR-Sitzung vom 3. Oktober 2017 beschlossen auch die beiden verbliebenen VR-Mitglieder, zurückzutreten. Sie setzten eine ausserordentliche Generalversammlung für den 21. November 2017 an.

 

5.6     Am 28. November 2017 trat der Beschwerdeführer wieder in den Verwaltungsrat ein. In der Folge war er dessen einziges Mitglied mit Einzelunterschrift (ALK-Nr. 1). Die Liquiditätssituation der Gesellschaft blieb weiterhin angespannt, was auch dadurch dokumentiert wird, dass der Beschwerdeführer einen Teil seines Lohns nicht bezog (vgl. E. II. 4.1 hiervor). Zudem bestand erneut ein erheblicher Finanzbedarf. Dieser hatte seinen Grund auch darin, dass die Gesellschaft zunächst gar keinen Zugriff auf die Software hatte, die extern (durch die einem Aktionär gehörende K.___ GmbH) entwickelt wurde, und diese mit neuem Kapital «auslösen» musste. Der zusätzliche Finanzbedarf konnte gedeckt werden, indem im Jahr 2018 C.___ und später D.___ als neue Investoren hinzukamen (Papier von G.___). In einer Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und seine Ehefrau einerseits sowie C.___ andererseits vom 6. Juni 2018 (Konkursakten, Ordner 1/2, Register 11 unter act. 43), wird das Produkt der B.___ AG beschrieben als «eine neuartige, modulare IT-Plattform, die Bauherr, Architekt / Planer, Handwerk, Handel und Industrie miteinander verbindet. Mittels eines Projektraums und integraler Prozessapplikationen schafft B.___ eine medienbruchfreie, sichere Lösung für die gesamte Prozesskette ‘Bauen’».

 

5.7     Ab [...] März 2019 war der Beschwerdeführer Präsident des Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift; zweites Mitglied war C.___ (ALK-Nr. 1). Am 28. Mai 2019 schlossen der Beschwerdeführer, seine als Aktionärin beteiligte Ehefrau, der seit 2015 mitarbeitende L.___, der seit Januar 2019 als Investor beteiligte M.___ sowie die künftigen Verwaltungsräte C.___ und D.___ eine Vereinbarung (BB-Nr. 8). Diese enthält u.a. Regelungen in Bezug auf Mittelzuschüsse und Ansprüche einzelner Beteiligter sowie das Bestreben, weitere Teilhaber zu gewinnen. Zudem wird festgehalten, der Beschwerdeführer trete aus dem Verwaltungsrat aus, C.___ werde Präsident und D.___ Mitglied des Verwaltungsrats. Weiter hält Ziffer 5.4 fest, der Beschwerdeführer werde offizieller CPO / Head Business Development und bekomme eine Jobgarantie bis 31. Dezember 2020. Zur Vergütung wird in Ziffer 4.4 Satz 2 ausgeführt, der Beschwerdeführer erhalte für seine Arbeitsleistungen CHF 10'000.00 in bar, «die allenfalls über die N.___ GmbH abgerechnet werden».

 

5.8     Laut dem durch den Beschwerdeführer eingereichten Protokoll (BB-Nr. 9) fand am 18. Juni 2019 eine Verwaltungsratssitzung statt. Im Protokoll wird festgehalten, gemäss neusten Erkenntnissen und nach Rücksprache mit dem Treuhandunternehmen O.___ AG vom 11. Juni 2019 stelle sich das Risiko der Überschuldung der C.___ AG. Begründet werde dies einerseits damit, dass im Jahr 2018 zugesagte Forderungsverzichte im Umfang von CHF 206'000.00 (Forderungen aus Mandatsleistungen) noch nicht umgesetzt worden seien. Andererseits sei die Bewertung der «Applikationen B.___» infrage zu stellen. In den letzten zwei Wochen nach Übernahme der Entwicklungsleistungen von der K.___ GmbH (vgl. E. II. 5.6 hiervor) zur Entwicklung in-house bei der B.___ AG habe erkannt werden müssen, dass vor allem im Back-End Neuentwicklungen erforderlich seien. De facto müsse «eine hohe Abschreibung der Bewertung immaterielle Güter» erfolgen. Gemäss Rechtsberatung müsse umgehend (max. innert 60 Tagen) eine Sanierung der B.___ AG erfolgen. Das Protokoll hält weiter fest, C.___ werde «die Sanierung mit den Altaktionären inkl. GV / ao. GV plus Cashmanagement (mit Unterstützung von D.___)» durchführen; der Beschwerdeführer werde die Aktionäre über die mögliche Überschuldung informieren und per 30. Juni 2019 als Verwaltungsrat zurücktreten. Das formelle Rücktrittsschreiben des Beschwerdeführers datiert vom 30. Juni 2019 (BB-Nr. 13, wobei beim Datum der Tag handschriftlich angepasst wurde). Anschliessend war er in der erwähnten Funktion als CPO bei der B.___ AG angestellt.

 

5.9     Am 28. Juni 2019 fand eine weitere Sitzung des Verwaltungsrats statt, an welcher der Beschwerdeführer als noch amtierender Präsident, C.___ als Mitglied und D.___ als Gast teilnahmen (vgl. Protokoll, BB-Nr. 10). Laut Protokoll orientierte C.___ darüber, dass die Sanierung der B.___ AG in Bezug auf die eingeplanten Forderungsverzichte früherer Aktionäre und Beteiligter bisher planmässig verlaufe. Weiter beschloss der Verwaltungsrat, eine Bewertung der Software extern in Auftrag zu geben.

 

5.10   Am [...] Juli 2019 erfolgte die Streichung des Beschwerdeführers als Verwaltungsrat im Handelsregister. Damit war C.___ einziges Mitglied des Verwaltungsrats. Ab [...] August 2019 fungierte er als dessen Präsident, als zweites Mitglied kam D.___ hinzu (vgl. ALK-Nr. 1).

 

5.11   Der neu zusammengesetzte Verwaltungsrat veranlasste ein Technisches Assessment bei der B.___ AG, das am 11. August 2019 stattfand. Dieses diente laut dem entsprechenden Bericht folgenden Zielen:

·         Identifikation des aktuellen Zustandes der B.___ Software, der verwendeten Technologie, der eingesetzten Prozesse, der Team-Fähigkeiten sowie von weiteren technischen Faktoren, die Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben können.

·         Identifikation von Handlungsalternativen zur Verbesserung erkannter Schwachstellen.

Die eingesetzten Experten gelangten zu einem vernichtenden Resultat: Sie hielten fest, zusammenfassend könne die Applikation bestenfalls als «Prototyp in Produktion» mit ungefähr 100 Usern betrachtet werden. Sie biete keine stabile Basis für ein kommerzielles System mit grosser Verbreitung (vgl. Konkursakten, Ordner mit Aufschrift «B.___», Register B; vgl. auch E. II. 6.2 hiernach).

 

5.12   Der Verwaltungsrat der B.___ AG nahm daraufhin laut Protokoll an der Sitzung vom 19. August 2019 «mit grossem Erstaunen zur Kenntnis», dass die EDV bei weitem nicht den Erwartungen entspreche und nicht Grundlage für den weiteren Auf- und Ausbau der Gesellschaft sein könne. Er zog die Schlussfolgerung, die Fortführung der Gesellschaft sei ernsthaft gefährdet (vgl. Konkursakten, Ordner B.___, Register K). Am 25. September 2019 beschloss der Verwaltungsrat, die Gesellschaft ordentlich zu liquidieren (a.a.O., Register L).

 

5.13   Mit Schreiben vom 27. September 2019 kündigte die B.___ AG dem Beschwerdeführer den Arbeitsvertrag vom 18. Juni 2019 unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist per 31. Dezember 2019. Zur Begründung wurde erklärt, aufgrund der wirtschaftlichen Situation sehe man sich nicht mehr in der Lage, die operative Tätigkeit der Firma weiterzuführen (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Register 6, Forderungseingabe Nr. 20, letzte Seite; Ordner «B.___», Register R).

 

5.14   In einem Aktionärsbrief vom 26. September 2019 führte der Verwaltungsrat unter anderem Folgendes aus (BB-Nr. 4 [Factsheet] am Ende): «Fakt ist, dass wir seit dem IT Audit vom 12. August wissen, dass die in der Bilanz aktivierte Software nicht mehr zu Fortführungswerten bilanziert werden darf. Damit ist die Firma faktisch überschuldet gemäss Art. 725 OR und müsste zusätzliche Sanierungsmassnahmen einleiten die Bilanz deponieren. Leider findet man mit der bestehenden Ausgangslage keine neuen Investoren, da kein fertiges Produkt, keine stabile Plattform, keine zahlenden Kunden, kein richtiges Team und noch Forderungen von Altaktionären. So will niemand einsteigen.»

 

5.15   An einer weiteren Sitzung vom 24. Oktober 2019 stellte der Verwaltungsrat fest, dass Aktiven von CHF 593'186.00 einem Fremdkapital von total CHF 747'515.00 gegenüberstünden. Sanierungsmöglichkeiten seien geprüft worden, es bestehe kein Handlungsspielraum, die Bilanz sei zu deponieren (Ordner «B.___», Register M). In der Folge wurde die Bilanz deponiert, was zur Konkurseröffnung vom [...] November 2019 führte.

 

6.       Zur Entwicklung der finanziellen Situation der B.___ AG lässt sich den Akten, einschliesslich der beigezogenen Konkursakten, insbesondere Folgendes entnehmen:

 

6.1     Wie dargelegt, enthielt bereits der Anhang zur Jahresrechnung 2016 – auf Grund eines entsprechenden Beschlusses des Verwaltungsrats – den Hinweis darauf, dass die Position Software die laufenden Entwicklungskosten enthalte und dass eine abschliessende Beurteilung dieser Investition zurzeit nicht möglich sei (vgl. E. II. 5.5 hiervor).

 

6.2     Die Bilanz per 31. Dezember 2017 bezifferte die Aktiven auf CHF 471'706.75. Den weitaus grössten Anteil machte die Position «eigene Entwicklungen» von CHF 445'400.00 aus. Die Passiven beliefen sich auf CHF 316'960.75 (= kurzfristiges Fremdkapital), das Eigenkapital auf CHF 154'746.19. Die Erfolgsrechnung 2017 schloss bei einem Ertrag von CHF 146'796.00 und einem Aufwand von CHF 328'334.28 (Personalaufwand CHF 206'572.44; übriger betrieblicher Aufwand CHF 121'761.84) mit einem betrieblichen Ergebnis vor Abschreibungen von minus CHF 181'538.28. Zusammen mit Abschreibungen von CHF 445'424.60 resultierte ein betriebliches Ergebnis nach Abschreibungen von minus CHF 626'962.88. Letztlich belief sich der Jahresverlust auf CHF 621'310.55 (Ordner «B.___», Register A).

 

6.3     Im Jahr 2018 resultierte laut der Erfolgsrechnung im gesamten Kalenderjahr ein Ertrag (Nettoerlös aus Lieferungen und Leistungen) von lediglich CHF 24'000.00. Diesem standen ein Personalaufwand von CHF 145'337.15 und ein übriger betrieblicher Aufwand von CHF 40'910.70, total demnach CHF 186'247.85, gegenüber. Mit Abschreibungen von CHF 430.00 und einem Finanzaufwand von CHF 243.95 sowie Steuern von CHF 2'594.00 resultierte ein Jahresverlust von CHF 165'515.80. Das Eigenkapital, das Ende 2017 noch CHF 154'746.19 betragen habe, reduzierte sich auf minus CHF 10'769.61. Dementsprechend lag in diesem Umfang eine Überschuldung vor. Diese wog umso schwerer, weil sich die Aktiven zu lediglich CHF 33'903.10 aus flüssigen Mitteln und Forderungen (davon CHF 0.00 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) zusammensetzten, während die restlichen CHF 504'107.25 aus der Aktivierung der eigenen Entwicklungen resultierten. Im Anhang zur Jahresrechnung wird erklärt, die B.___ AG sei im Umfang von CHF 10'769.61 überschuldet. Auf Grund der positiven Aussichten der eingeleiteten Sanierungsmassnahmen sei auf die Benachrichtigung des Richters verzichtet worden. Die angespannte Liquiditätssituation führe zu einer eingeschränkten Zahlungsfähigkeit. Mittels Darlehen von nahestehenden Personen werde bis zur Sanierung die Liquidität derzeit sichergestellt. Der Buchwert der eigenen Entwicklungskosten hänge von der zukünftigen Realisierung von entsprechenden Erträgen ab. Eine abschliessende Beurteilung dieser Position sei im heutigen Zeitpunkt nicht möglich (Ordner «B.___», Register A).

 

6.4     Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass sich der Betrieb bereits während der Zeit von Dezember 2017 bis Juni 2019, als der Beschwerdeführer als einziges Mitglied respektive Präsident des Verwaltungsrats fungierte, in erheblichen, existenzgefährdenden finanziellen Schwierigkeiten befand. Während des gesamten Zeitraums seit der Gründung im [...] 2015 war nie eine Situation erreicht worden, in der ein Ertrag resultierte, der auch nur annähernd dem Aufwand entsprochen hätte. Die Argumentation, es habe sich um ein Start-Up-Unternehmen gehandelt, kann in solchen Fällen eine gewisse Berechtigung haben, da neugegründete Firmen, welche in einer Branche mit einem hohen Kapitalbedarf tätig sind, in den ersten Jahren nicht selten Verluste ausweisen. Im hier gegebenen Zusammenhang ist die Qualifikation als Start-Up jedoch zu relativieren: Wie sich aus der durch den Beschwerdeführer eingereichten und von ihm unterzeichneten Vereinbarung vom 28. Mai 2019 (BB-Nr. 8) ergibt, hatte die Entwicklung der B.___-Plattform bereits 2012 begonnen, dies im Rahmen eines KTI-Projekts mit der Fachhochschule [...]. Diese Darstellung stimmt mit derjenigen von G.___ (vgl. E. II. 5.2 hiervor) überein. Laut dessen Schilderung liefen die damaligen Aktivitäten über die Gesellschaft H.___ AG, die ihrerseits in Konkurs fiel, was sich auch mit den übrigen Akten vereinbaren lässt. Bei Gründung bzw. Umbenennung der zuvor bestehenden Gesellschaft F.___ AG (bzw. des entsprechenden Aktienmantels) in B.___ AG im [...] 2015 konnte man demnach auf Arbeitsergebnisse zurückgreifen, welche unter erheblichem Arbeits- und Kapitaleinsatz sowie mit wissenschaftlicher Unterstützung in den Jahren 2012 bis 2015 entstanden waren. In den Folgejahren wurde aber nie ein Ertrag aus Lieferungen und Dienstleistungen erzielt, der auch nur entfernt ausgereicht hätte, um den Aufwand zu decken, und dies obwohl auf Grund der besonderen Ausgestaltung praktisch keine Lohnkosten anfielen (vgl. E. II. 5.4 hiervor). Wenn die Gesellschaft Ende 2016, Ende 2017 und Ende 2018 auf eine Überschuldungsanzeige verzichten konnte, war dies nur auf zwei Faktoren zurückzuführen, nämlich zum einen die wiederholte Einbringung erheblicher Geldsummen durch die Beteiligten und zum anderen die überaus hohe Bewertung der Position «eigene Entwicklungen», welche fast die gesamten Aktiven ausmachte. Ende 2018 lag sogar eine Überschuldung vor und die Anrufung des Gerichts unterblieb unter Berufung auf «positive Aussichten der eingeleiteten Sanierungsmassnahmen» (vgl. E. II. 6.3 hiervor). Zur Überschuldungsanzeige von Anfang November 2019 kam es schliesslich, weil die neuen Verantwortlichen auf Grund des durch sie veranlassten Gutachtens zum Ergebnis gekommen waren, die Position «eigene Entwicklungen» weise bei weitem nicht den in den bisherigen Bilanzen genannten Wert auf.

 

7.

7.1     Der Beschwerdeführer argumentiert, eine Überschuldung habe nicht vorgelegen und sei erst nach seinem Rücktritt als Verwaltungsrat entstanden, als die neue Führung nach seinem Ausscheiden die Position «eigene Entwicklungen», also die Software, massiv tiefer bewertet habe als zuvor. Diese Abwertung sei nicht gerechtfertigt gewesen. Wie erwähnt, beschloss der Verwaltungsrat, dem der Beschwerdeführer damals noch als Präsident angehörte, am 28. Juni 2019, eine Expertise in Auftrag zu geben. Deren Ergebnis führte zur Bilanzdeponierung. Der Beschwerdeführer bestreitet die Stichhaltigkeit der Expertise.

 

7.2     Die P.___ GmbH erstattete am 14. August 2019 ihren Bericht über das am 11. August 2019 durchgeführte technische Assessment bei der B.___ AG (vgl. (Ordner «B.___», Register B). Als Ziele nennt der Bericht die Identifikation des aktuellen Zustandes der B.___-Software, der verwendeten Technologie, der eingesetzten Prozesse, der Teamfähigkeiten sowie von weiteren technischen Faktoren, die Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben können, sowie die Identifikation von Handlungsalternativen zur Verbesserung anerkannter Schwachstellen. Einleitend wird festgehalten, der Bericht basiere auf einem eintägigen Austausch mit Q.___ (einem Angestellten der B.___ AG) sowie einem direkten Einblick in SourceCode und verwendete Tools. Im Abschnitt «Geschäftszweck und Anforderungen» gelangten die Prüfer zum Ergebnis, es fehle an einer Anforderungsdatenbank, an Abnahmekriterien zur Beurteilung der fachlichen Güte und Nützlichkeit des Systems sowie an Mengenschätzungen (betreffend erwartete Nutzer, Datenmengen, Transaktionen usw.). Diese Angaben seien notwendig für die Entwicklung einer angemessenen Software- und Systemarchitektur, die Skalierung von Ressourcen (z.B. Server) sowie Last- und Performancetests. Unter dem Abschnitt «Entwicklungsteam» wird ausgeführt, ein angemessenes Team erfordere Fähigkeiten im Bereich Front-End, Back-End, Datenbank-Management, Infrastruktur- und IT-Betrieb, sowie querschnittliche Fähigkeiten, wie z.B. IT-Sicherheit und UX/UI-Design. Jede dieser Rollen sollte explizit qualifizierten Mitarbeitern zugeordnet sein und für jede Rolle sollte es zumindest eine Person geben, welche die Aufgaben zumindest temporär als Backup (Krankheit, Urlaub) übernehmen könne. Diese Anforderungen seien beim Entwicklungsteam der B.___ AG, welches aus drei Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Pensen und Qualifikationen bestehe, in keiner Weise erfüllt. Im Abschnitt «Technologie und Architektur» wird erklärt, die Sicherstellung eines tragfähigen zukünftigen Produktionssystems, seiner Angepasstheit an wachsende Anforderungen und seiner effizienten Wartung auf Jahre hinaus erfordere eine zielgerichtete Auswahl von Technologien, Prozessen und Architekturen. Gerade bei Startups müsse ein Kompromiss zwischen der besten Lösung und Kosteneffizienz gefunden werden. Dabei dürften allerdings Faktoren wie Sicherheit Verfügbarkeit nicht vernachlässigt werden, da diese schnell und nachhaltig die Akzeptanz im Markt beeinflussen könnten. Zur Software wird ausgeführt, der Sourcecode sei nach mehreren Übergaben in dritter vierter Generation übernommen worden. Die eingesetzte Technologie sei mindestens sechs Jahre alt. Es existiere praktisch keine Inline Dokumentation im Sourcecode sowie keine externe Dokumentation. Alle Änderungen und die Fehlerbehebung erforderten die forensische Analyse des Codes, was einen hohen Aufwand verursache und Risiken durch unerwartete Seiteneffekte berge. Als Fazit wurde festgehalten, zusammenfassend könne die Applikation bestenfalls als «Prototyp in Produktion» mit ungefähr 100 Usern betrachtet werden; sie biete keine stabile Basis für ein kommerzielles System mit grosser Verbreitung.

 

7.3     Der Beschwerdeführer führt dazu in einer Stellungnahme vom 11. Juni 2020 (BB-Nr. 14) aus, das IT-Audit sei innerhalb eines halben Tages erstellt worden, bevor das Back-End neu definiert worden sei. Es liege auf der Hand, dass es sich hier um eine konstruierte Geschichte handle. Das IT-Audit sei erfolgt für Software, die extern durch die K.___ GmbH erstellt worden sei (bis Ende Mai 2019). Von deren Seite sei das IT-Audit bestritten worden. Der Verwaltungsrat habe der K.___ GmbH keine Gelegenheit eingeräumt, die Software nachzubessern, obwohl eine Gewährleistung (Garantie) bestanden habe. Der Verwaltungsrat (C.___, D.___) wäre, so der Beschwerdeführer weiter, verpflichtet gewesen, die Gewährleistung abzurufen, anstatt die Software neu zu bewerten.

 

7.4     Die vorstehend wiedergegebene Argumentation des Beschwerdeführers vermag nicht zu überzeugen: Das Technische Assessment basierte auf einem eintägigen Austausch mit Q.___, dem hauptsächlichen Know-How-Träger, und einem direkten Einblick vor Ort. Es förderte nicht bloss einzelne Mängel am Produkt zutage, welche im Rahmen einer Gewährleistung innert nützlicher Frist behoben werden könnten. Vielmehr zeigte sich beispielsweise, dass die Software bzw. die eingesetzte Technologie als solche bereits veraltet war, die erforderlichen Dokumentationen fehlten, das Entwicklungsteam weder pensen- noch qualifikationsmässig ausreichend dotiert war, keine systematischen Systemtests existierten und keine modernen Entwicklungsmethoden eingesetzt wurden, Infrastruktur und Datenbank verschiedene Mängel aufwiesen und die Sicherheit in mehreren Punkten (Passwörter, Server-Konfiguration, keine klaren Zugriffsregeln, fehlende Dokumentationen zu Strukturen, Rollenverteilung usw.) unzureichend gewährleistet war. Vor diesem Hintergrund erscheint der Befund, bei der Applikation handle es sich bestenfalls um einen «Prototyp in Produktion» mit ca. 100 Usern, als überzeugend. Er wird im Übrigen auch durch den Umstand gestützt, dass der Applikation jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nie ein nennenswerter kommerzieller Erfolg beschieden war. Der Beschwerdeführer brachte denn auch nicht vor, welche Aussagen im Bericht über das Assessment unzutreffend sein sollten.

 

7.5     Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die «eigenen Entwicklungen» selbst im August 2019 bei weitem nicht so ausgereift waren, wie es für ein kommerzielles System mit grosser Verbreitung zwingend erforderlich wäre. Während der vorhergehenden Zeit von Ende 2017 bis Mitte 2019, als der Beschwerdeführer wieder die Geschicke der Gesellschaft leitete, kann es sich nicht anders verhalten haben. Die Bewertung der Position «eigene Entwicklungen» war jedoch für die Weiterexistenz der B.___ AG entscheidend. Die Revisionsstelle erklärte denn auch im Anhang zum Abschluss per 31. Dezember 2017 – analog zum Anhang zur Jahresrechnung 2016 (vgl. E. II. 5.5 hiervor) – Folgendes: «Die Position Informatik beinhaltet die aufgelaufenen Entwicklungskosten, deren Wert von der zukünftigen Realisierung von Erträgen abhängt. Eine abschliessende Beurteilung dieser Investition ist im heutigen Zeitpunkt nicht möglich». Die Möglichkeit, eine entsprechende Expertise einzuholen (wie es später die neuen Verwaltungsräte C.___ und D.___ veranlassten), wurde damals offensichtlich nicht erwogen. Ob der Beschwerdeführer, der selbst nur bedingt Experte auf diesem Gebiet ist, während seiner Zeit als Verwaltungsrat die Mängel der extern entwickelten Software kannte – wovon eher nicht auszugehen ist –, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Die Position «eigene Entwicklungen» hätte keinesfalls mit dem eingesetzten Betrag von CHF 503'657.25 (Ende 2018), sondern allenfalls mit einer massiv tieferen Summe aktiviert werden dürfen. Damit wäre die Gesellschaft überschuldet gewesen. Im Jahr 2019 trat keine Verbesserung ein. Vor diesem Hintergrund führt kein Weg am Ergebnis vorbei, dass die finanziellen Schwierigkeiten, die schliesslich im November 2019 zum Konkurs führten, schon bestanden, als der Beschwerdeführer noch als Verwaltungsrat im Amt war (vgl. E. II. 2.3 hiervor).

 

8.       Der Beschwerdeführer bringt weitere Argumente vor, welche gegen die Annahme sprächen, die Probleme, welche schliesslich zum Konkurs führten, hätten schon während seiner Zeit als Verwaltungsrat bestanden.

 

8.1     Der Beschwerdeführer macht geltend, im Zeitpunkt seines Rücktritts als Verwaltungsratspräsident sei der Fortbestand der B.___ AG gesichert gewesen, weil dank seiner Bemühungen Investoren gefunden worden seien, deren versprochene Einlagen eine Weiterführung erlaubt hätten. Zudem sei nach seinem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat am 1. Juli 2019 der Wert der Position «Eigene Entwicklungen» nach unten korrigiert worden. Er, der Beschwerdeführer, habe keinen Einfluss mehr gehabt auf die Nichtgeltendmachung der Zahlungsversprechen und die Korrektur der Bilanz. Den Akten des Konkursamtes lässt sich dazu entnehmen, dass der Beschwerdeführer, wie bereits erwähnt, in der Tat neue Investoren gefunden hatte: C.___ und D.___ erklärten sich bereit, insgesamt CHF 600'000.00 zu investieren. Ohne diesen Mittelzufluss wären die Tage der B.___ AG schon damals gezählt gewesen, wie sich auch aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Einsprache vom 24. Januar 2020 (BB-Nr. 5) ergibt. Er führte dort aus, er habe die Firmenleitung per sofort abgeben müssen «aus der Vorgabe, dass sonst kein Geld in die Firma fliesst, daher war ich (…) gezwungen, diese Vereinbarung zu unterschreiben». Der Verwaltungsrat veranlasste in der Folge eine externe Überprüfung der Bewertung der entscheidenden Aktivposition «eigene Entwicklungen», indem er die vorhandene Software durch eine externe Prüfungsfirma gutachterlich untersuchen liess. Diese Überprüfung ergab, dass die Software lediglich den Stellenwert eines «Prototyps in Produktion» mit etwa 100 Usern beanspruchen konnte. Damit stand fest, dass eine Bilanzierung als Aktivum nicht bzw. höchstens noch zu einem massiv niedrigeren Wert möglich gewesen wäre. Es liegt auf der Hand, dass die Investoren nicht zu einer Investition in dieser Höhe bereit gewesen wären, wenn ihnen der geringe Wert der Software bekannt gewesen wäre. Der Beschwerdeführer kann daher aus der Tatsache, dass sich C.___ und D.___ finanziell stark engagierten, nichts zu seinen Gunsten ableiten.

 

8.2     Der Beschwerdeführer weist weiter darauf hin, dass die Software bzw. die Rechte an dieser im Konkursverfahren schliesslich durch die E.___ AG, an der C.___ und D.___ beteiligt seien, übernommen wurden.

 

8.2.1  Im bereits erwähnten Aktionärsbrief vom 26. September 2019 (vgl. E. II. 5.14 hiervor) führten die Verwaltungsräte C.___ und D.___ nach dem Hinweis auf die desolate Finanzlage Folgendes aus: «Wir hätten mit der Firma E.___ AG einen Käufer der Aktiven zu einem Preis, der es ermöglichen würde, dass man alle Löhne sicher bis am 30. September bezahlen kann plus die aufgelaufenenen VR-Verbindlichkeiten, sodass man die Firma still liquidieren könnte. Die Löhne von A.___ (dem Beschwerdeführer) und R.___ wären bis am 31. Dezember 2019 garantiert und mit S.___ sucht man eine faire Lösung, sodass es zu keinen Härtefällen kommen sollte. Sowohl R.___ wie auch S.___ könnten allenfalls im neuen IT-Team der E.___ AG einen Job bekommen. Dies kann man aber erst ab November fixieren.» Diese Lösung kam jedoch in der Folge nicht zustande, so dass es zur Konkurseröffnung kam.

 

8.2.2  Das Konkursinventar im Konkurs der B.___ AG vom 4. Februar 2021 enthielt unter dem Titel «Immaterialgut» unter den Ziffern 6 – 8 die Aktivpositionen «Software inkl. aller Komponenten & Applikationen (gem. Liste B)», «diverse Domains (gem. Liste A)» sowie «Rechte am Namen [...]», welche das Konkursamt gestützt auf den Bericht über das technische Assessment vom 11. August 2019 (vgl. E. II. 7.2 hiervor) mit je CHF 1.00, entsprechend einem Non-Valeur, bewertete (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Register 4). Der Beschwerdeführer hatte schon vor dem Abschluss des Inventars geltend gemacht, ihm stehe das Eigentum an diesen Positionen (Software inkl. Komponenten und Applikationen, diverse Domains, Rechte am Namen [...]) zu (vgl. E-Mail vom 7. Januar 2020, Konkursakten, Ordner 1/2, Register 11, act. 43). Der Konkurs wurde im summarischen Verfahren durchgeführt (vgl. Bewilligungsentscheid des a.o. Amtsgerichtsstatthalters vom 3. März 2020, a.a.O., act. 63). Nachdem der Anspruch des Beschwerdeführers fristgerecht bestritten worden war (vgl. Schreiben von C.___ vom 7. April 2020, a.a.O., act. 70), setzte das Konkursamt dem Beschwerdeführer Frist zur Erhebung einer Klage (vgl. Verfügung Eigentumsansprache / Fristansetzung zur Klage vom 20. April 2020, a.a.O., act. 71; s. dazu Art. 242 Abs. 2 SchKG). Nach Lage der Akten reichte der Beschwerdeführer daraufhin beim zuständigen Richteramt eine solche Klage ein. Diese genügte jedoch den Anforderungen nicht und das Verfahren wurde, nachdem die angesetzte Nachfrist zur Verbesserung der Klage abgelaufen war, abgeschrieben (vgl. E-Mail des Konkursamts an C.___ vom 10. Juli 2020, a.a.O., act. 77). Mangels rechtsgültiger Klageerhebung fielen die angesprochenen Gegenstände somit wieder in die Konkursmasse. Das Konkursamt setzte dem Beschwerdeführer daraufhin am 20. August 2020 eine Frist bis 28. August 2020, um ein schriftliches Kaufangebot einzureichen. Dieses Angebot blieb unbeantwortet (a.a.O., act. 81). In der Folge unterbreitete zunächst C.___, der ebenfalls ein Schreiben mit Frist bis 28. August 2020 erhalten hatte (act. 80), am 31. August und 11. September 2020 (a.a.O., act. 88 und 96) und später an seiner Stelle die E.___ AG ein Kaufangebot von CHF 4'000.00 «für die Übernahme des Inventars inkl. aller Software-IP-Rechte, Domains etc.». Das Konkursamt stellte am 26. Oktober 2020 fest, es sei kein anderes Angebot eingegangen, der Verkauf könne jedoch erst «nach Rechtskraft von Inventar und Kollokationsplan abgewickelt werden» (a.a.O., act. 100).

 

8.2.3  Die Darstellung des Beschwerdeführers, die E.___ AG von C.___ habe die Software übernommen, wird durch die Konkursakten bestätigt, wobei zu präzisieren ist, dass die E.___ AG die Software usw. im Konkurs von der Konkursmasse gekauft hat. Zuvor hatte der Beschwerdeführer seinerseits Gelegenheit erhalten, ein Kaufangebot zu unterbreiten, wovon er jedoch keinen Gebrauch machte. Dies lässt den Schluss zu, er habe für sich den Wert der Software usw. eher gering veranschlagt. Diese Annahme wird durch den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer selbst in einer E-Mail an das Konkursamt vom 5. Dezember 2019 erklärte hatte, die Software sei «nicht brauchbar» (a.a.O., act. 39 S. 2).

 

9.       Gegen den Standpunkt des Beschwerdeführers sprechen verschiedene weitere Umstände:

 

9.1     Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im durch den Beschwerdeführer mitunterzeichneten Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 18. Juni 2019 (BB-Nr. 9), welche der Beschwerdeführer als Präsident leitete, ausdrücklich festgehalten wird, es bestehe das Risiko einer Überschuldung, auch weil nach der Übernahme der Entwicklungsdienstleistungen von der K.___ GmbH habe erkannt werden müssen, dass vor allem im Back-End Neuentwicklungen notwendig seien und dass eine hohe Abschreibung der Bewertung immaterielle Güter erfolgen müsse. An der Sitzung vom 28. Juni 2019, welche der Beschwerdeführer ebenfalls noch leitete, wurde laut dem durch ihn eingereichten Protokoll, das auch seine Unterschrift trug (BB-Nr. 10), beschlossen, eine Bewertung der Software extern in Auftrag zu geben.

 

9.2     Auch aus den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers geht hervor, dass die B.___ AG bereits während seiner Zeit als einziger Verwaltungsrat (ab 28. November 2017) und Verwaltungsratspräsident (anschliessend vom 8. März 2019 bis 2. respektive 10. Juli 2019) mit gravierenden Liquiditätsproblemen zu kämpfen hatte. So führte er in der Einsprache vom 24. Januar 2020 (BB-Nr. 5) aus, er sei gezwungen gewesen, seiner Absetzung im Juni 2019 (mit anschliessender Weiterbeschäftigung im Anstellungsverhältnis) zuzustimmen, weil die Investoren C.___ und D.___ nur unter dieser Bedingung bereit gewesen seien einzusteigen. Weiter geht aus seinen damaligen Ausführungen hervor, dass die neuen Gelder dieser Investoren notwendig waren, um den Fortbestand der Firma zu sichern. Davon, dass die Firma, die seit [...] 2015 existierte und schon damals auf vorhandene Arbeitsergebnisse zurückgreifen konnte, in die Lage versetzt werden sollte, ein positives Betriebsergebnis auch nur nennenswerte Betriebserträge zu erwirtschaften, war soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt die Rede. Die Liquidität, auch diejenige für die Bezahlung des Lohns des weiterhin angestellten Beschwerdeführers, wäre durch die neu eingebrachte Mittel geschaffen worden.

 

9.3     Bei der Würdigung der Argumentation des Beschwerdeführers kann auch der Umstand nicht übergangen werden, dass diese in einem offenkundigen Widerspruch zu seinem Verhalten im Konkursverfahren steht. Dieses spricht gleich in mehrfacher Hinsicht gegen die Annahme, die B.___ AG habe sich Mitte 2019 in einer Situation befunden, in der nicht mit einem Konkurs gerechnet werden musste:

 

9.3.1  Aus den Konkursakten geht hervor, dass schon während der (zweiten) «Verwaltungsratszeit» des Beschwerdeführers, welche von Dezember 2017 bis Juni 2019 dauerte, erhebliche Lohnausstände anfielen. Der Beschwerdeführer selbst bezog seinen vertraglichen Lohn schon während seiner Zeit als (wieder eingesetzter) Verwaltungsrat ab 1. Januar 2018 zu einem erheblichen Teil nicht, weil die Liquidität und Vermögenssituation der B.___ AG keine weitergehenden Lohnbezüge zuliess (vgl. Konkursakten, Ordner 2/2, Register 6, Forderungseingabe Nr. 20). Der vertraglich vereinbarte Lohn hätte gemäss seiner Eingabe beim Konkursamt monatlich CHF 12'000.00 brutto resp. CHF 10'547.00 netto betragen. Zur Dokumentation reichte der Beschwerdeführer Lohnabrechnungen der Zeit ab 1. Januar 2018 ein, welche er teilweise mit handschriftlichen Bemerkungen versah, wobei er u.a. festhielt, die Lohnabrechnungen habe er selbst zusammengestellt zur Bestimmung des Guthabens. Diese monatlichen Lohnabrechnungen lauten ab 1. Januar 2018 auf einen Bruttolohn von CHF 12'000.00 und einen Nettolohn von CHF 10'547.00, wobei dieser laut den Abrechnungen in keinem einzigen Monat vollständig ausbezahlt wurde. Unten auf den Lohnabrechnungen wird deshalb jeweils ein «Guthaben aus Lohn kumuliert» aufgeführt, das beinahe jeden Monat anstieg und Ende Juni 2019 einen Stand von CHF 82'163.85 erreichte (vgl. E. II. 4.1 hiervor). Dieser durch die angespannte Liquiditätssituation der B.___ AG veranlasste Nichtbezug des Lohns lässt sich kaum mit der Darstellung vereinbaren, die Probleme, welche zum Konkurs führten, seien erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus dem Verwaltungsrat Ende Juni 2019 entstanden.

 

9.3.2  Im hier laufenden Beschwerdeverfahren lässt der Beschwerdeführer vorbringen, seine Nachfolger im Verwaltungsrat hatten den Wert der in der Bilanz aktivierten eigenen Entwicklungen zu Unrecht reduziert und auf das dieser Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten könne nicht abgestellt werden. Er selbst führte jedoch in einer E-Mail an das Konkursamt vom 5. Dezember 2019 aus, die Software sei «nicht brauchbar» (E. II. 8.2.3 hiervor am Ende).

 

9.3.3  Im Januar 2020 machte der Beschwerdeführer gegenüber dem Konkursamt sogar geltend, die Software, Domains usw. stünden ihm persönlich (und nicht der B.___ AG) zu. Nachdem diese von ihm angemeldeten Drittansprüche im Konkursverfahren der B.___ AG durch C.___ angefochten worden waren, lehnte das Konkursamt mit Verfügung vom 20. April 2020 die Eigentumsansprachen des Beschwerdeführers ab und setzt ihm Frist zur Klage. Der Beschwerdeführer hob in der Folge auch tatsächlich ein Gerichtsverfahren an und erhob beim zuständigen Richteramt Klage. Auf diese wurde allerdings nicht eingetreten, nachdem eine Frist zur Verbesserung unbenutzt abgelaufen war (vgl. E. II. 8.2.2 hiervor). Der Beschwerdeführer machte also im hiesigen Beschwerdeverfahren geltend, die Software usw. hätte ein vollwertiges Aktivum der B.___ AG gebildet, welches zu Unrecht im Wert reduziert worden sei, während er beinahe zeitgleich im Konkursverfahren behauptete, die Rechte an der Software, den Domains usw. stünden gar nicht der B.___ AG, sondern ihm selbst zu.

 

9.4     Die Entscheide und Stellungnahmen der mit dem Konkurs befassten Behörden sprechen ebenfalls gegen die Darstellung des Beschwerdeführers, es habe in Wirklichkeit keine Überschuldung vorgelegen: Der Amtsgerichtspräsident gelangte im Urteil über die Konkurseröffnung vom [...] November 2019 denn auch zum Ergebnis, die Gesellschaft sei offensichtlich überschuldet. Seitens des Konkursamts wurde ebenfalls festgehalten, die B.___ AG sei seit längerem überschuldet gewesen (vgl. E-Mail an den Beschwerdeführer vom 20. Februar 2020, Ordner 1/2, Register 11, act. 57).

 

10.     Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist mit der Beschwerdegegnerin davon auszugehen, dass sich die B.___ AG schon während der Zeit von Dezember 2017 bis Juni 2019, als der Beschwerdeführer einziges Mitglied bzw. Präsident des Verwaltungsrats war, in erheblichen, existenzgefährdenden finanziellen Problemen befand sowie dass diese Probleme in der Folge nach seinem Ausscheiden anhielten und schliesslich zum Konkurs führten. In dieser Konstellation besteht kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung (vgl. E. II. 2.3 hiervor). Der angefochtene Einspracheentscheid ist demnach korrekt. Die Beschwerde ist abzuweisen.

 

11.    

11.1   Bei diesem Ausgang des Verfahrens besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 61 lit. g Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1).

 

11.2   Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen (Art. 61 lit. fbis ATSG). Das AVIG sieht keine Kostenpflicht vor und die Beschwerdeerhebung ist nicht als mutwillig leichtsinnig zu bezeichnen. Das Verfahren ist demnach kostenlos.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

 

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Haldemann

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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