Zusammenfassung des Urteils VSBES.2020.218: Verwaltungsgericht
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat dem Beschwerdeführer A.___ eine Invalidenrente zugesprochen, die jedoch teilweise an das Jobcenter C.___ und andere Institutionen ausbezahlt werden soll. Der Beschwerdeführer wehrt sich dagegen und argumentiert, dass er keine Unterhaltszahlungen leisten müsse. Es wird festgestellt, dass eine Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinen Söhnen besteht, weshalb die Nachzahlungen an das Jobcenter gerechtfertigt sind. Die Beschwerden werden abgewiesen, ohne Parteientschädigung oder Verfahrenskosten.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2020.218 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 14.12.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Leistung; Recht; Mitglied; Leistungen; Zahlung; Mitgliedstaat; Jobcenter; Kinder; Unterhalt; Person; Träger; Ausgleich; Sicherheit; Verordnung; Beschwerdeführers; Rente; Sozialhilfe; Verfahren; Verfügung; Renten; Verrechnung; Söhne; Ausgleichs; Forderung; Familienangehörige; Mitgliedstaats; Zeitraum; Urteil; Beigeladene; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 22 ATSG ;Art. 45 AHVG ; |
Referenz BGE: | 121 V 17; 130 V 51; 135 V 2; 136 V 286; 137 V 282; 141 V 246; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2020.218 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 14.12.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2021.232 |
Titel: | Invalidenrente |
Resümee: |
Urteil vom 14. Dezember 2021 Es wirken mit: Gerichtsschreiber Isch In Sachen A.___ Beschwerdeführer gegen IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
Beigeladene betreffend Invalidenrente (Verfügungen vom 22. Oktober und Verfügung 25. November 2020)
zieht die Vizepräsidentin des Versicherungsgerichts in Erwägung: I.
1. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2020 sprach die IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend Beschwerdegegnerin) dem Versicherten A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer), geb. 1961, ab 1. Oktober 2012 bis 30. Juni 2013 eine ganze Invalidenrente und vom 1. Juli 2013 bis 30. September 2020 eine Viertelsrente sowie Kinderrenten für seine Söhne D.___ (vom 1. Oktober 2012 bis 30. Juni 2020), geb. 4. November 2000, und E.___ (vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2020, geb. 6. September 2002, wobei die Beschwerdegegnerin Drittauszahlung der gesamten Rentennachzahlungen von CHF 23'553.00 aufgrund bevorschussten Leistungen an das Jobcenter C.___, DE (CHF 10'407.00; aufgrund der finanziellen Unterstützung der beiden Söhne ab Oktober 2012, vgl. AA [Akten der Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel] 5), an die F.___ AG (CHF 4'244.00) sowie an die Sozialregion G.___ (CHF 8'902.00) verfügte.
2. Gegen diese Verfügung erhebt der Beschwerdeführer am 17. November 2020 (Datum Postaufgabe) Beschwerde (A.S. [Akten-Seite] 8) und stellt den Antrag, die Forderung des Jobcenters C.___ sei abzuweisen. Mit einem zweiten Schreiben vom 17. November 2020 (A.S. 9; Datum Postaufgabe) macht der Beschwerdeführer ergänzend geltend, er widerspreche jeglicher Weitergabe von Daten, welche mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun hätten.
3. Mit Verfügung vom 25. November 2020 legt die Beschwerdegegnerin den Nachzahlungsanspruch betreffend die Kinderrente des Sohnes D.___ vom 1. Juli 2020 bis 30. November 2020 im Gesamtbetrag von CHF 215.00 fest, wovon aufgrund bevorschussten Leistungen eine Drittauszahlung von CHF 172.00 an das Jobcenter C.___, DE, verfügt wird.
4. Gegen diese Verfügung erhebt der Beschwerdeführer am 1. Dezember 2020 (Datum Postaufgabe) ebenfalls Beschwerde und stellt die Anträge, die Forderung des Jobcenters C.___ sei abzuweisen, zudem sei ihm der Rentenbetrag wegen besonderer persönlicher Härte auszuzahlen.
5. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2020 wird das Verfahren VSBES.2020.235 mit dem Verfahren VSBES.2020.218 vereinigt und neu unter der Verfahrensnummer VSBES.2020.218 weitergeführt.
6. Mit Beschwerdeantwort vom 20. Januar 2021 (A.S. 13) schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerden und reicht eine Stellungnahme der Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel vom 14. Januar 2021 (A.S. 14 f.) ein.
7. Mit Verfügung vom 29. Januar 2021 (A.S. 16) wird das Jobcenter C.___, im vorliegenden Verfahren beigeladen.
8. Mit Stellungnahme vom 16. Februar 2021 (A.S. 18 f.) beantragt das Jobcenter C.___ (nachfolgend Beigeladene) sinngemäss die Abweisung der Beschwerden
9. Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird nachfolgend, soweit notwendig, eingegangen.
II.
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
2. Im vorliegenden Fall wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Drittauszahlung der Rentennachzahlungen an die Beigeladene im Gesamtbetrag von CHF 10'579.00. Damit liegt der Streitwert unter CHF 30'000.00, weshalb die Vizepräsidentin des Versicherungsgerichts die Angelegenheit gemäss § 54bis Abs. 1 lit. a GO als Einzelrichterin beurteilt.
3. 3.1 Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz. Sodann hat das Jobcenter C.___, dessen Verrechnungsanspruch strittig ist, Sitz in Deutschland. Somit ist vorliegend das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Freizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) anwendbar (Art. 80a IVG). Das Freizügigkeitsabkommen setzt die verschiedenen bis dahin geltenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union insoweit aus, als darin derselbe Sachbereich geregelt wird (Art. 20 FZA). Gemäss Art. 8 Bst. a FZA werden die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert, um insbesondere die Gleichbehandlung aller Mitglieder der Vertragsstaaten zu gewährleisten.
3.1.1 Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage von Art. 8 FZA ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden (Art. 15 FZA) Anhangs II FZA in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121) und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) gleichwertige Vorschriften an. Mit Wirkung auf 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; im Folgenden: VO 883/2004) sowie DVO 987/2009 abgelöst worden (vgl. zum Ganzen BGE 141 V 246 E. 2.1).
3.1.2 Mit Blick auf die Verfügungszeitpunkte (22. Oktober und 25. November 2020) finden vorliegend die am 1. April 2012 in Kraft getretenen VO 883/2004 sowie DVO 987/2009 Anwendung. Nach Art. 4 VO 883/2004 haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates selbst, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Dabei ist im Rahmen des FZA und der Verordnung auch die Schweiz als «Mitgliedstaat» zu betrachten (Art. 1 Abs. 2 von Anhang II des FZA). Gemäss Art. 8 VO 883/2004 tritt diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit. Einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung geschlossen wurden, gelten jedoch fort, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind sich aus besonderen historischen Umständen ergeben und ihre Geltung zeitlich begrenzt ist. Um weiterhin Anwendung zu finden, müssen diese Bestimmungen in Anhang II aufgeführt sein. Ist es aus objektiven Gründen nicht möglich, einige dieser Bestimmungen auf alle Personen auszudehnen, für die diese Verordnung gilt, so ist dies anzugeben.
3.1.3 Soweit das FZA keine abweichenden Bestimmungen vorsieht, sind mangels einer einschlägigen gemeinschafts- bzw. abkommensrechtlichen Regelung die Ausgestaltung des Verfahrens sowie die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen in der Sozialversicherung grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung (BGE 141 V 246 E. 2.2, BGE 137 V 282 E. 3.3, BGE 130 V 51 ff.; SVR 2004 AHV Nr. 16 S. 49; Urteil des EVG [heute: Bundesgericht] H 13/05 vom 4. April 2005 E. 1.1; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-1056/2015 vom 29. Dezember 2016 E. 3.4)
4. Gemäss den Ausführungen des Beschwerdeführers gebe es ohne Zweifel auch in Deutschland die Pflicht, Sozialleistungen an Familienangehörige zu erstatten. Für die Forderung zur Leistungserstattung durch unterhaltsfähige Dritte gebe es einen gesetzlich vorgeschriebenen Verwaltungsakt. Das Jobcenter C.___ sei niemals auf ihn zugekommen, um in einem solchen Verfahren auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen seine Erstattungsfähigkeit festzustellen, insbesondere gestützt auf § 11 Abs. 3, § 11a, und § 33 Abs. 3 SGB II. Da diese Forderung aufgrund bekannter Leistungsunfähigkeit keinem Verfahren standgehalten hätte, habe man scheinbar darauf verzichtet. Eine mögliche Forderung seitens des Jobcenters hätte in Deutschland nach geltendem Recht keine Substanz und würde von jedem Gericht abgewiesen werden. Bevor eine Nachzahlung an das Jobcenter C.___ vorgenommen werde, wolle er deren Berechnung für die übernommenen Leistungen einsehen. Da seine Kinder derzeit keinerlei finanzielle Unterstützung erhielten, aber am Beginn eines neuen Lebensabschnitts stünden, der gerade jetzt in diesem Moment finanzieller Unterstützung bedürfe, sei dies eine besondere persönliche Härte, die durch diese Verzögerungen, wie sie gerade passiere, mit noch mehr finanziellen Mitteln bewältigt werden wolle.
In der mit Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin eingereichten Stellungnahme der Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel wird ausgeführt, nach RZ 10063 ff. der Wegleitung über die Renten und in Anwendung von Art. 20 in Verbindung mit Art. 22 ATSG könnten die von einer öffentlichen Fürsorge erbrachten Vorschussleistungen bis zum Betrag der für die gleiche Periode nachzuzahlenden Renten direkt zurückerstattet werden. Art. 111 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 laute wie folgt: «Hat eine Person, für die die Verordnung gilt, während eines Zeitraums, in dem sie nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Anspruch auf Leistungen hatte, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Fürsorgeleistungen erhalten, so kann die Stelle, die sie gewährt hat, im Fall eines gesetzlich zulässigen Regressanspruchs auf die der genannten Person geschuldeten Leistungen vom Träger jedes anderen Mitgliedstaats, der gegenüber dieser Person zu Leistungen verpflichtet ist, verlangen, den für Fürsorgeleistungen verauslagten Betrag von den Beträgen einzubehalten, die dieser Träger der genannten Person zahlt. Hat ein Familienangehöriger einer Person, für die die Verordnung gilt, während eines Zeitraums, in dem diese Person für den betreffenden Familienangehörigen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Anspruch auf Leistungen hatte, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Fürsorgeleistungen erhalten, so kann die Stelle, die sie gewährt hat, im Fall eines gesetzlich zulässigen Regressanspruchs auf die der betreffenden Person für den betreffenden Familienangehörigen geschuldeten Leistungen vom Träger jedes anderen Mitgliedstaats, der gegenüber dieser Person zu solchen Leistungen verpflichtet ist, verlangen, den für Fürsorgeleistungen verauslagten Betrag von den Beträgen einzubehalten, die dieser Träger der genannten Person für den betreffenden Familienangehörigen zahlt. Der leistungspflichtige Träger behält den entsprechenden Betrag unter den Bedingungen und in den Grenzen ein, die nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften für einen solchen Ausgleich vorgesehen sind; er überweist den einbehaltenen Betrag der forderungsberechtigten Stelle.» Vorliegend seien die Söhne des Beschwerdeführers von einer deutschen Sozialbehörde unterstützt worden, so dass gemäss den zitierten Bestimmungen die Rentennachzahlung mit deren Vorschussleistungen periodengerecht verrechnet werden könne. Die Ausführungen des Beschwerdeführers über die mangelnde Pfändbarkeit, eines fehlenden Schuldtitels etc. vermöchten an der Gesetzmässigkeit der angefochtenen Verfügungen nichts zu ändern, weshalb die Beschwerden als unbegründet abzuweisen seien.
Sodann führt die Beigeladene aus, es sei zunächst richtig, dass das Jobcenter C.___ in den vergangenen Jahren nicht an den Beschwerdeführer herangetreten sei, da hier bekannt gewesen sei, dass er Leistungen von der Sozialregion G.___ bezogen habe und somit nicht zu Unterhaltszahlungen habe herangezogen werden können. Auch das Jugendamt des Kreises C.___, das bis September 2017 durch die Kindesmutter mit der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche beauftragt gewesen sei, habe nach hiesiger Aktenlage zuletzt im März 2013 Unterhalt in Höhe von 20.00 € je Kind vereinnahmen können und anschliessend keine weiteren Unterhaltszahlungen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers bezögen sich jedoch nur auf den Übergang privatrechtlicher Unterhaltsansprüche nach § 33 SGB II. Vorliegender Sachverhalt müsste entsprechend der Stellungnahme der Ausgleichskasse jedoch nach den sich aus § 102 ff. SGB X ergebenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen bewertet werden, so dass die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit keine Rolle spielen dürfte. Da hier ein Rentenmodell, beim dem zu Lebzeiten des Versicherten Zahlungen für unterhaltsberechtigte Kinder ausserhalb des Haushalts vorgesehen sei, bisher nicht geläufig sei, sei in den Anschreiben zu den Verrechnungsgesuchen auf beide deutschen Rechtsvorschriften Bezug genommen, also sowohl auf den Übergang von Unterhaltsansprüchen als auch auf die Erstattungspflicht von Leistungsträgern untereinander. Zudem stünde die unterhaltsrechtliche Leistungsunfähigkeit des Beschwerdeführers den von hier gestellten Verrechnungsanträgen auch nicht entgegen, weil durch die Bewilligung der Kinderrenten zum Zwecke der Unterhaltszahlungen ja gerade die rückwirkende Leistungsfähigkeit eintrete. Wäre die Rente unmittelbar nach der Antragsteilung bewilligt worden und die Kinderrenten wie vorgesehen von dem Beschwerdeführer für Unterhaltszahlungen verwendet worden, wären diese Zahlungen als Einkommen der Kinder angerechnet worden und es hätten vom Jobcenter C.___ entsprechend geringere Leistungen erbracht werden müssen. Nach hiesiger Auffassung bestehe der Ausgleichsanspruch des Jobcenter C.___ somit auf jeden Fall, da die unterhaltsberechtigten Kinder des Beschwerdeführers von hier im betreffenden Zeitraum mit Sozialleistungen unterstützt worden seien. Dies sei im Übrigen auch weiterhin der Fall, so dass die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Söhne würden derzeit keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten, nicht nachvollziehbar sei. Der Sohn E.___ wohne nach wie vor im Haushalt der Kindesmutter und werde bei der Berechnung des Leistungsanspruchs einbezogen und auch D.___ halte sich seit Mitte Dezember 2020 wieder bei der Mutter auf, da zurzeit keine Vorlesungen stattfänden, und sei seitdem auch wieder Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Der Sohn E.___ verfüge darüber hinaus bereits seit August 2020 über eigene Einkünfte in Form seiner Ausbildungsvergütung. Die Kinder würden weiterhin durch Sozialleistungen des Jobcenter C.___ unterstützt und eine besondere persönliche Härte sei nicht ersichtlich. Unklar sei noch, welche Berechnung über die von hier übernommenen Leistungen der Beschwerdeführer laut seines Schreibens einsehen wolle. Sollte er sämtliche von hier erlassene Leistungs-Bescheide mit zugehörigen Berechnungsbögen aus dem streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 2012 einsehen wollen, würde dies vermutlich mehrere hundert Seiten umfassen. Frau H.___ bzw. die Kinder selbst müssten dem Beschwerdeführer gegenüber doch bestätigen können, dass sie mindestens seit Oktober 2012 durchgehend Leistungen des Jobcenter C.___ erhalten hätten.
Strittig und zu prüfen ist demnach, ob die Beschwerdegegnerin den Drittauszahlungsanspruch der Beigeladenen für Rentennachzahlungen im Zeitraum von 1. Oktober 2012 bis 30. September 2020 im Zusammenhang mit im selben Zeitraum zu Gunsten der Söhne des Beschwerdeführers in Deutschland erbrachten Sozialleistungen zu Recht bejaht hat.
5. 5.1 Art. 72 Abs. 3 DVO 987/2009 statuiert den Ausgleichsanspruch der Träger der Sozialhilfe, wenn eine versicherte Person in einem Staat Sozialhilfe für einen Zeitraum bezogen hat, für den nachträglich ein anderer Mitgliedstaat – wozu auch die Schweiz gehört (vgl. E. 3.1.2 hiervor) – Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne der VO 883/2004 (vorliegend: Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung) gewährt hat. Diese Bestimmung gilt zudem gemäss Abs. 3 entsprechend, wenn – wie im vorliegenden Fall – «ein Familienangehöriger einer betroffenen Person während eines Zeitraums, in dem die versicherte Person für diesen Familienangehörigen nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anspruch auf Leistungen hatte, im Gebiet eines Mitgliedstaats Sozialhilfe bezogen hat.» Voraussetzung ist zunächst, dass eine Zeitidentität zwischen den gewährten Sozialhilfeleistungen und dem Anspruch auf von der VO 883/2004 erfassten Leistung der sozialen Sicherheit besteht. Ferner muss nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates bei einem entsprechenden nationalen Sachverhalt ein Regressanspruch des Sozialhilfeträgers gegen einen Träger der sozialen Sicherheit dieses Staates bestehen, wenn dieser eine entsprechende Leistung der sozialen Sicherheit zahlen würde. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann dieser Sozialhilfeträger vom Träger der sozialen Sicherheit des anderen Mitgliedstaates verlangen, dass dieser den für Sozialhilfe gezahlten Betrag von den Beträgen der Leistung, die dieser Träger zu gewähren hat, einbehält. Allerdings sieht der dritte Unterabsatz von Art. 72 Abs. 3 DVO 987/2009 im Sinne eines doppelt grenzüberschreitenden nationalen Ausgleichs vor, dass der Träger der sozialen Sicherheit des anderen Mitgliedstaates den Ausgleich so durchführt, wie wenn es sich um eine Forderung eines Sozialhilfeträgers in diesem Mitgliedstaat handeln würde. Der Ausgleich kann demnach nur erfolgen, wenn in beiden betroffenen Mitgliedstaaten ein Regressanspruch zwischen den Trägern der Sozialhilfe und den Trägern der sozialen Sicherheit vorgesehen ist (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-80/2015 vom 13. September 2017 E. 4.2; vgl. zum Ganzen BERNHARD SPIEGEL, in: Europäisches Sozialrecht, Maximilian Fuchs [Hrsg.], 6. Aufl. 2013, N 1, N 5 und N 26-28 zu Art. 84 VO 883/2004).
5.2 Die §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (im Folgenden: SGB X) regeln in Deutschland die Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander. Die Erstattungsansprüche gegenüber den anderen Sozialleistungsträgern gemäss §§ 102 ff. entstehen dabei kraft Gesetzes (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-80/2015 vom 13. September 2017 E. 4.2; vgl. zum Ganzen Urteil des deutschen Bundessozialgerichts [BSG] vom 29. September 2009, Aktenzeichen [AZ.] B 8 SO 11/08 R, Rz. 13 und Rz. 17). Wie aus dem Schreiben des beigeladenen Jobcenters C.___ vom 20. Mai 2020 (AA [Akten der Ausgleichskasse] 2) ersichtlich ist, handelt es sich bei den gegenüber den Söhnen des Beschwerdeführers erbrachten Leistungen um sogenannte Leistungen der Grundsicherung. Wie sodann einem Interneteintrag der Bundesagentur für Arbeit zu entnehmen ist (s. www.arbeitsagentur.de/lexikon/jobcenter, zuletzt besucht am 30. November 2021), erbringt ein Jobcenter im Zusammenhang mit Hartz IV Sozialleistungen. Es ist demnach davon auszugehen, dass es sich bei den im vorliegenden Fall durch die Beigeladene ausgerichteten Leistungen um Sozialleistungen handelt, bei welchen, wie erwähnt, Erstattungsansprüche gegenüber den anderen Sozialleistungsträgern gemäss §§ 102 ff. SGB X entstehen. Da die Sozialleistungen aber nicht an den Beschwerdeführer selbst, sondern an dessen Söhne ausbezahlt wurden, muss – wenn vorliegend eine Verrechnung vorgenommen werden soll – gestützt auf deutsches Recht im Verrechnungszeitraum (1. Oktober 2012 - 30. September 2020) eine Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinen Söhnen bestanden haben. Der Lehre zur deutschen Sozialgesetzgebung ist hierzu unter anderem Folgendes zu entnehmen: Der Unterhaltsbedarf von Kindern umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 BGB seinen gesamten Lebensbedarf. Dazu gehören Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Versorgung, Betreuung, Erziehung, Bildung, Ausbildung, Erholung, Gesundheits- und Krankheitsfürsorge, aber auch Haushaltsführung. Auch die Kosten für einen Ganztagskindergarten gehören zum Unterhaltsbedarf des Kindes. Wenn die Eltern mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, wird der Unterhalt in der Regel durch die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen als Naturalunterhalt erbracht. Leben die Eltern, wie im vorliegenden Fall getrennt voneinander, so setzt sich der Unterhalt für minderjährige Kinder zusammen aus den Komponenten Barunterhalt und Betreuungsunterhalt. Der Elternteil, der das minderjährige Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Kindesunterhalt beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes, der andere Elternteil durch Geldleistungen. Beide Komponenten sind gleichwertig (§ 1606 Abs. 3 BGB; Eva Maria Hohnerlein in: Die «dritte Generation», Rechte und Förderung von Kindern in Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden; Baden-Baden 2014, S. 109). Gestützt auf die vorgängigen Ausführungen ist demnach eine Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber seinem Sohn E.___, geb. 6. September 2002, im Verrechnungszeitraum zu bejahen, nachdem auch nach deutschem Recht eine Volljährigkeit erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres gegeben ist. Sodann steht aber auch volljährigen Kindern Unterhalt zu, der jedoch keinen Betreuungsbedarf mehr beinhaltet. Beide Eltern sind anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen unterhaltspflichtig. Bei der Unterhaltspflicht der Eltern ist zwischen privilegierten volljährigen Kindern unter 21 Jahren und sonstigen volljährigen Kindern zu unterscheiden. Die privilegierten volljährigen Kinder werden als ebenso schutzwürdig wie minderjährige Kinder behandelt, so dass zu ihren Gunsten eine erweiterte Barunterhaltspflicht der Eltern mit begrenztem Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) und die erste unterhaltsrechtliche Rangstufe (§ 1609 BGB) gelten. Der Anspruch umfasst auch die Kosten einer angemessenen Berufsausbildung entsprechend den Fähigkeiten des Kindes (Eva Maria Hohnerlein, a.a.O., S. 111). Gestützt darauf ist eine Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers im Verrechnungszeitraum auch gegenüber dessen Sohn D.___, geb. 4. November 2000, welcher sich gemäss Aktenlage noch in der Erstausbildung befindet (AA 6), zu bejahen.
Zusammenfassend bestand demnach im Verrechnungszeitraum (1. Oktober 2012 - 30. September 2020) eine Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinen Söhnen, womit nach deutschem Recht ein grundsätzlicher Verrechnungsanspruch besteht. Wie vorstehend unter E. II. 5.1 hiervor ausgeführt, kann ein grenzüberschreitender Ausgleich im Sinne von Art. 72 Abs. 3 DVO 987/2009 jedoch nur erfolgen, wenn in beiden betroffenen Mitgliedstaaten ein Regressanspruch zwischen den Trägern der Sozialhilfe und den Trägern der sozialen Sicherheit vorgesehen ist. Somit ist nachfolgend zu prüfen, ob ein solcher Ausgleich im schweizerischen Recht ebenfalls vorgesehen ist.
5.3 Die Schweizer Rechtsordnung kennt mit Art. 85bis IVV, dessen Rechtsgrundlage sich in Art. 22 ATSG findet (vgl. BGE 136 V 286 E. 5.2), eine vergleichbare Ausgleichsregelung, wonach u.a. öffentliche Fürsorgestellen, welche im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, verlangen können, dass die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer Vorschussleistung verrechnet und an sie ausbezahlt wird (Abs. 1). Dabei gelten als Vorschussleistungen vertraglich aufgrund eines Gesetzes erbrachte Leistungen, soweit aus dem Vertrag dem Gesetz ein eindeutiges Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet werden kann (Abs. 2 Bst. b IVV). Mit dem gesetzlichen Rückforderungsrecht wird die soziale Hilfe zur Vorschussleistung, und die für eine Verrechnung erforderliche Wechselseitigkeit der zu verrechnenden Forderungen (Nachzahlung der Leistung des Sozialversicherers/Forderung der Behörde auf Rückerstattung von als Vorschuss bezogener Sozialhilfe) wird kraft Gesetzes herbeigeführt, weshalb es im Anwendungsbereich der Bestimmung der Abtretung nicht bedarf (vgl. dazu BGE 135 V 2 E. 5.2).
5.4 Da eine zeitliche Identität zwischen der von der Beigeladenen gewährten Sozialhilfe und der Leistung der Beschwerdegegnerin (Rentennachzahlungen vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2020) besteht sowie – wie eben dargelegt – die übrigen Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 3 DVO 987/2009 erfüllt sind, hat die Beschwerdegegnerin die Überweisung der Nachzahlung an die deutsche Sozialhilfebehörde zu Recht verfügt. Somit sind die Beschwerden abzuweisen.
6. 6.1 Bei diesem Verfahrensausgang besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung.
6.2 Der Streit um die Drittauszahlung einer Invalidenrente nach Art. 50 IVG und Art. 84 IVV i.V.m. Art. 45 AHVG und Art. 76 AHVV betrifft nicht die Bewilligung Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb das Verfahren vor dem Versicherungsgericht kostenlos ist (Art. 63 Abs. 1bis IVG e contrario; BGE 121 V 17 E. 2).
Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerden werden abgewiesen. 2. Es werden weder eine Parteientschädigung zugesprochen noch Verfahrenskosten erhoben.
Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten. Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Die Vizepräsidentin Der Gerichtsschreiber Weber-Probst Isch
|
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.