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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2020.205)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2020.205: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn entscheidet am 13. September 2021 über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung des Beschwerdeführers A.___. Dieser hatte sich bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn angemeldet, erfüllte jedoch nicht die Beitragszeit und wurde abgewiesen. Der Beschwerdeführer legte Einspruch ein und beantragte eine Verlängerung der Rahmenfrist aufgrund von Erziehungszeit. Nach einer detaillierten Prüfung und dem Einreichen verschiedener Unterlagen entschied das Gericht, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat, da die Beitragszeit nicht erfüllt wurde. Die Beschwerde wird abgewiesen, und es besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung. Die Gerichtskosten betragen CHF 0.-.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.205

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2020.205
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2020.205 vom 13.09.2021 (SO)
Datum:13.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Gefängnis; Richt; ALK-Nr; Arbeit; Kinder; Afrika; Botschaft; Erziehung; Beweis; Beitragszeit; E-Mail; Zeugen; Gericht; Ehefrau; Zeugenaussage; Anspruch; Akten; Beschwerdeführers; Erziehungszeit; Arbeitslosenentschädigung; Rahmenfrist; Replik; Bestätigung; Familie; Aufenthalt; Unterlagen
Rechtsnorm: Art. 13 AVIG;Art. 9b AVIG;
Referenz BGE:142 V 389; 144 V 427;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.205

 
Geschäftsnummer: VSBES.2020.205
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 13.09.2021 
FindInfo-Nummer: O_VS.2021.172
Titel: Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 13. September 2021

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Oberrichter Kiefer

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiberin Wittwer

In Sachen

A.___

Beschwerdeführer

 

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Rathausgasse 16, Juristische Dienstleistungen, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Einspracheentscheid vom 21. September 2020)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.       Der Versicherte A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) meldete sich per 23. März 2020 bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an (Akten der Arbeitslosenkasse [ALK-Nr.] 11). Mangels erfüllter Beitragszeit verneinte die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 14. Mai 2020 (ALK-Nr. 9) einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung. Die dagegen erhobene Einsprache vom 11. Juni 2020 (ALK-Nr. 12) wies die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 21. September 2020 (ALK-Nr. 10; Aktenseiten [A.S.] 1 ff.) ab.

 

2.       Mit Zuschrift vom 19. Oktober 2020 (Postaufgabe: 21. Oktober 2020) erhebt der Beschwerdeführer beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) fristgerecht Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 21. September 2020 und beantragt sinngemäss, infolge Erziehungszeit (und daher verlängerter Rahmenfrist) sei von der Erfüllung der Beitragszeit auszugehen und ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu bejahen (A.S. 6).

 

3.       Auf Antrag der Beschwerdegegnerin (A.S. 9 f.) wird das Beschwerdeverfahren bis zum Vorliegen der für die Prüfung der Sachlage notwendigen Unterlagen bzw. zunächst bis 4. Januar 2021 sistiert (Verfügung vom 30. Oktober 2020; A.S. 11). Auf erneutes Ersuchen der Beschwerdegegnerin vom 4. Januar 2021 (A.S. 14 f.) erfolgt eine weitere Sistierung des Beschwerdeverfahrens bis zum 3. März 2021 (Verfügung vom 6. Januar 2021; A.S. 16).

 

4.       Mit Eingabe vom 1. März 2021 (A.S. 19 ff.) reicht der Beschwerdeführer weitere Unterlagen (elektronisch auf einem USB-Stick) ein.

 

5.       In ihrer Beschwerdeantwort vom 2. März 2021 (A.S. 22 ff.) schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde.

 

6.       Mit Replik vom 14. April 2021 (A.S. 34 ff.) gibt der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu den Akten und hält sinngemäss an seinen Rechtsbegehren fest. Die Beschwerdegegnerin verzichtet in der Folge auf eine Duplik (vgl. A.S. 45).

 

7.       Auf die Ausführungen der Parteien wird im Folgenden, soweit erforderlich, eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

 

II.      

 

1.

1.1     Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

1.2     Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 23. März 2020 mit Einspracheentscheid vom 21. September 2020 (A.S. 1 ff.) zu Recht aufgrund nicht erfüllter Beitragszeit verneint hat.

 

2.

2.1     Wer Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erheben will, muss die Beitragszeit erfüllt haben von deren Erfüllung befreit sein (Art. 8 Abs. 1 lit. e Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIG, SR 837.0]). Die Beitragszeit erfüllt, wer innerhalb der Beitragsrahmenfrist während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG), selbst wenn der Arbeitgeber die für diese Zeit geschuldeten, vom ihm zu entrichtenden paritätischen Beiträge nicht an die Ausgleichskasse weitergeleitet hat (vgl. BGE 131 V 444 E. 3.1.1 S. 449; Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 59). Diese Rahmenfrist beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem die versicherte Person erstmals sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (vgl. Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 AVIG). Hier ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 23. März 2020 streitig. Die (ordentliche) Beitragsrahmenfrist lief dementsprechend vom 23. März 2018 bis 22. März 2020.

 

2.2    

2.2.1  Die Rahmenfrist für die Beitragszeit von Versicherten, die sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben, beträgt vier Jahre, sofern zu Beginn der einem Kind unter zehn Jahren gewidmeten Erziehung keine Rahmenfrist für den Leistungsbezug lief (Art. 9b Abs. 2 AVIG; vgl. auch AVIG-Praxis ALE, Rz. B71 ff.). Gemäss Art. 3b Abs. 1 der Arbeitslosenversicherungsverordnung (AVIV, SR 837.02) wird die Rahmenfrist für die Beitragszeit nach einer Erziehungszeit nur verlängert, wenn das Kind der versicherten Person bei Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung das 10. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat. Diese Verordnungsbestimmung ist gesetzeskonform (BGE 136 V 146 E. 3.2.4 S. 154; Kupfer Bucher, a.a.O., S. 38; Boris Rubin, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Zürich 2014, N 7 zu Art. 9b AVIG). Unter dem Begriff Kinder sind nicht nur die eigenen Kinder, sondern auch Pflege- und Stiefkinder, Adoptivkinder und Kinder, die im Hinblick auf eine Adoption betreut werden, zu verstehen (Thomas Nussbaumber, Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Soziale Sicherheit, SBVR Band XIV, 3. Aufl., Basel 2016, Rz. 118). Für die Rahmenfristverlängerung können auch Erziehungszeiten im Ausland berücksichtigt werden (AVIG-Praxis ALE, Rz. 80; vgl. auch Nussbaumer, a.a.O., Rz. 119). Eine Mindestdauer der Erziehung ist nicht vorausgesetzt (BGE 140 V 379 E. 2.3 S. 382; 136 V 146 E. 1.4 S. 150; Nussbaumer, a.a.O., Rz. 116).

 

2.2.2  Nach der ratio legis des Art. 9b AVIG soll Personen, die infolge Geburt eines Kindes wegen Erziehungsaufgaben ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben erleichtert werden (BGE 139 V 482 E. 7.2.3 S. 485, 139 V 37 E. 5.3.1 S. 39; Nussbaumer, a.a.O., Rz. 113; vgl. auch Rubin, a.a.O., N 2 zu Art. 9b AVIG). Art. 9b Abs. 2 AVIG findet nur Anwendung bei Versicherten, die sich tatsächlich eine Zeit lang vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, um sich der Erziehung eines Kindes zu widmen, und die deshalb die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit nicht erfüllen konnten (BGE 140 V 379; Rubin, a.a.O., N 4 zu Art. 9b AVIG).

 

2.3     Die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind. Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz keine abweichende Regelung vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhaltes genügt diesen Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste ansieht (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360).

 

Nach dem allgemeinen Grundsatz von Art. 8 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) muss derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (BGE 142 V 389 E. 2.2 S. 391). Der im Sozialversicherungsrecht geltende Untersuchungsgrundsatz schliesst indes die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache der Verwaltung resp. des Gerichts ist, das Beweismaterial zusammenzutragen. Im Sozialversicherungsprozess tragen die Parteien folglich eine Beweislast in der Regel nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 144 V 427 E. 3.2 S. 429 f.).

 

3.       Ausweislich der Akten stand der Beschwerdeführer in den zwei Jahren vor Antragsstellung per 23. März 2020 lediglich während 10.899 Monaten in einem beitragspflichtigen Arbeitsverhältnis und vermag daher bei einer ordentlichen zweijährigen Rahmenfrist im Sinne von Art. 9 AVIG die Beitragszeit von zwölf Monaten nicht zu erfüllen (vgl. ALK-Nrn. 9, 14 – 18). Dies wird vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren denn auch nicht (mehr) bestritten. Vielmehr macht er in seiner Beschwerde geltend, er sei vom 26. November 2018 bis 30. Dezember 2018 nach [...] (Afrika) gereist, wo seine Frau und seine drei Kinder lebten. Dies aus dem Grund, weil seine Frau in dieser Zeit ins Gefängnis habe gehen müssen und die Kinder alleine zu Hause gewesen seien. Nebst der Tatsache, dass seine Frau unschuldig sei, habe er jemanden organisieren müssen, der bis zum 4. Januar 2019 auf die Kinder aufpasse, da seine Frau erst an diesem Tag freigekommen sei. Somit habe er in dieser Zeit eine Erziehungszeit wahrnehmen und dafür sorgen müssen, dass seine Frau aus dem Gefängnis komme. Er erfülle damit die Auflage von mindestens 30 Tagen Betreuungszeit und habe daher auch die Beitragszeit erfüllt (A.S. 6). Die Beschwerdegegnerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, es lägen nicht genügend Beweise vor, um die Zeit vom 27. November 2018 bis 30. Dezember 2018 als Erziehungszeit berücksichtigen zu können. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit könne daher nicht verlängert werden (A.S. 29).

 

4.       Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Erziehungszeit im Ausland lässt sich den Akten folgendes entnehmen:

 

4.1     Auf dem im November 2016 ausgefüllten Formular «Unterhaltspflicht gegenüber Kindern» (ALK-Nr. 24) bestätigte der Beschwerdeführer, dass er in [...] (Afrika) zwei leibliche Kinder ([...], geboren am […] 2011, und [...], geboren am […] 2014) sowie eine Stieftochter ([...], geboren am […] 2006) habe.

 

4.2     Der vom Beschwerdeführer eingereichten Buchungsbestätigung der Fluggesellschaft B.___ (Beschwerdebeilage [BB] 3) lässt sich entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer am 17. November 2018 ein Ticket für den Flug von [...] nach [...] am 26. November 2018 sowie für den Rückflug am 30. Dezember 2018 gekauft hat. Gemäss dem ebenfalls eingereichten Passauszug (BB 4) reiste er am 27. November 2018 nach [...] (Afrika) ein; der Ausreisestempel datiert vom 30. Dezember 2018.

 

4.3     Aufgrund der mit Beschwerde vom 19. Oktober 2020 (A.S. 6) neu geltend gemachten Erziehungszeit wurde das Verfahren bis 4. Januar 2021 sistiert, um die für die Prüfung der Sachlage notwendigen Unterlagen zu beschaffen (A.S. 11; vgl. E. I. 3 hievor).

 

4.3.1  Mit Schreiben vom 29. Oktober 2020 (ALK-Nr. 1) forderte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer auf, Belege für den von ihm behaupteten Sachverhalt beizubringen. Sie benötige dazu Unterlagen, die bewiesen, dass die Kindsmutter, welche normalerweise die Betreuung wahrnehme, in der Zeit vom 26. November 2018 bis 30. Dezember 2018 abwesend gewesen sei respektive den Betreuungsaufgaben nicht habe nachkommen können, wie zum Beispiel eine schriftliche Bestätigung über die Dauer des vom Beschwerdeführer erwähnten Gefängnisaufenthaltes (siehe auch das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 3. Dezember 2020 [ALK-Nr. 2]).

 

4.3.2  Mit E-Mail vom 7. Dezember 2020 (ALK-Nr. 3) leitete der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin eine elektronische Anfrage an die schweizerische Botschaft in [...] vom 8. November 2020 (AKL-Nr. 4) weiter, worin er um Hilfe bei der Beschaffung einer schriftlichen und beglaubigten Bestätigung des Gefängnisaufenthaltes seiner Frau ersuchte (vgl. auch die automatisch generierte Empfangsbestätigung in ALK-Nr. 32). Am 10. Dezember 2020 informierte der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin per E-Mail, dass er sich zusätzlich an die Helpline des EDA gewandt habe, nachdem er von der Botschaft in [...] nichts gehört habe. In der angehängten Kopie dieser Nachricht an die EDA-Helpline fragte der Beschwerdeführer u.a. nach, ob seine Frau vom Konsulat in [...] die erforderliche Bestätigung / Beglaubigung erhalten könne (ALK-Nr. 5).

 

4.3.3  Am 14. Dezember 2020 (vgl. ALK-Nr. 7 unten) erhielt der Beschwerdeführer von der Botschaft in [...] eine Rückmeldung, wonach sie versucht hätten, über ihre Vertrauensanwälte Hinweise zu erhalten, ob und wie man eine Bestätigung eines Gefängnisses bekommen könne. Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass die Gefängnisbehörden allfällige Informationen am ehesten an die ehemalige Insassin selber erteilten und eher nicht an ihn als Ehemann. Idealerweise kontaktiere seine Ehefrau den National Prisons Service. Wahrscheinlich würde dieser aber Details der Verurteilung verlangen (Fall-Nr. und Gericht). Die Vertrauensanwälte der Botschaft könnten allenfalls eine erste Abfrage starten. Hierzu werde der volle Name der ehemals Inhaftierten (gemäss [...] ID) benötigt. Am besten sende der Beschwerdeführer der Botschaft hierzu eine Kopie der [...] ID per E-Mail zu (ALK-Nr. 6). Der Beschwerdeführer leitete diese Auskunft der Botschaft am 17. Dezember 2020 per E-Mail an die Beschwerdegegnerin weiter und ersuchte um eine Fristerstreckung. Bei jedem Schritt, den er unternehme, um die gewünschten Beweise zu liefern, sei er mit immens langen Wartezeiten konfrontiert. Zudem habe seine Frau jetzt schon panische Angst vor Repressalien jeglicher Behördenmitglieder und der Polizei. Es sollten auch Videos von Zeugen wie Nachbarn, seiner Kinder und der Bekannten, die ihm geholfen habe, seine Frau aus dem Gefängnis zu holen, zugelassen werden. Damit hätte die Beschwerdegegnerin Aussagen der Involvierten, die der Realität am nächsten kämen (ALK-Nr. 7).

 

4.4     Auf erneutes Gesuch der Beschwerdegegnerin vom 4. Januar 2021 (A.S. 21 f.) sistierte das Versicherungsgericht das Beschwerdeverfahren nochmals (längstens) bis 3. März 2021 (A.S. 16; vgl. E. I. 3 hievor).

 

4.4.1  Am 24. Februar 2021 leitete der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin eine ans EDA bzw. die schweizerische Botschaft in [...] gerichtete E-Mail-Nachricht von C.___ und D.___ vom 19. Februar 2021 weiter unter Beilage einer Kopie der [...] Identitätsausweise der beiden Frauen (siehe ALK-Nr. 33). Diese hielten in ihrer Nachricht an die Botschaft u.a. Folgendes fest:

 

«OUR NAMES ARE C.___ AND D.___.

WE ARE CONTACTING YOU AS WITNESSES TO MR A.___ IN REGARDS TO HIS WIFE E.___ WHO WAS IN [...] PRISON FROM THE 27TH OF NOVEMBER 2018 UP TO THE 4TH OF JANUARY 2019.

 

MR. A.___ LEFT [...] ON THE 4TH OF DECEMBER 2018.

 

MR. A.___ WAS TAKING GOOD CARE OF HIS CHILDREN NAMELY [...], [...] AND [...] WHILE HIS WIFE E.___ WAS IN JAIL.

 

I C.___ WAS HELPING TO VISIT E.___ IN JAIL AND SEE THAT SHE WAS RELEASED. I ALSO HELPED A.___ TO TAKE HIM SHOPPING WITH THE KIDS.

 

I D.___ WAS DOING SOME HOUSE CLEANING WORK FOR MR. A.___ AND THE CHILDREN UNTIL THE WIFE E.___ WAS RELEASED FROM JAIL ON THE 4TH OF JANUARY 2018.

 

WE, C.___ AND D.___ HAVE ATTACHED OUR IDENTIFICATION COPIES AND VIDEOS OF OURSELVES WILL BE SENT SEPARATELY IN ANOTHER EMAIL TO VERBALLY WITNESS THAT MR A.___ WAS IN [...] AND HIS WIFE E.___ WAS IN JAIL. […]» (ALK-Nr. 33).

 

Zu den erwähnten auf Video aufgezeichneten Zeugenaussagen von C.___ und D.___ (vgl. ALK-Nrn. 36 ff.) siehe E. II. 4.5.1 hienach (vgl. auch die auf dem Memorystick in ALK-Nr. 35 abgespeicherten Videos mit der Zeugenaussage von D.___).

 

4.4.2  Ebenfalls am 24. Februar 2021 erkundigte sich der Beschwerdeführer beim EDA bzw. bei der Botschaft in [...] nach dem aktuellen Stand für eine Beglaubigung dieser Zeugenaussagen. Er könne nur hoffen, die beiden Frauen würden sich auf den langen Weg zur Botschaft begeben, um zu unterschreiben. Die Vize-Konsulin beschied dem Beschwerdeführer kurze Zeit später unter Angabe eines möglichen Termins am 3. März 2021, dass seine Bekannten gerne bei der Botschaft in [...] vorbeikommen dürften, um die Aussage zu unterschreiben; die Unterschriften könnten anschliessend beglaubigt und die beglaubigten Aussagen alsdann an die zuständige Behörde in der Schweiz geschickt werden. Der Beschwerdeführer antwortete in der Folge, er werde das mit seinen Bekannten besprechen. Ob Frau D.___ kommen könne, wisse er noch nicht; sie habe in [...] eine Familie zu versorgen, und für die Reise nach [...] und retour brauche es gut zwei Tage. Er melde sich wieder, wenn er mehr wisse (siehe zum Ganzen: ALK-Nr. 34).

 

4.4.3  Der Beschwerdeführer reichte der Beschwerdegegnerin am 24. Februar 2021 ausserdem verschiedene weitere E-Mail-Nachrichten ein: So könne der Korrespondenz zwischen ihm und Frau C.___ vom 6. Januar 2019 (ALK-Nr. 27) entnommen werden, wie letztere versucht habe, mit dem Richter zu reden. Ein weiterer E-Mail-Wechsel zwischen dem Beschwerdeführer und Frau C.___ vom 6. / 7. Januar 2019 (ALK-Nr. 28) beweise, dass sie seine Frau aus dem Gefängnis holen wollten und wieviel sie dafür zahlen mussten. Eine Quittung hätten sie dafür nie erhalten. Das Personal wie Richter und Anwälte seien korrupt. Die E-Mail-Nachricht an Frau C.___ vom 9. Januar 2021 (ALK-Nrn. 29 und 31) habe er kurz nach seiner Ankunft zu Hause gemacht, weil ihm seine Frau nicht mitgeteilt habe, ob sie aus dem Gefängnis gekommen sei. Am 11. Januar 2021 habe ihm Frau C.___ dann geantwortet (ALK-Nr. 30: «Your wife ist out […]»).

 

4.4.4  Schliesslich liess der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin am 24. Februar 2021 mehrere Fotos zukommen, worauf seine Stieftochter […], seine Kinder […] und […] (im Innenhof des Hauses beim Baden / Spielen und vor dem Hauseingang mit den Hunden) sowie er selber (im Garten) zu sehen seien. Die Aufnahmen zeigten ausserdem Haus und Garten in [...]. Gemäss Betreff der E-Mails und Dateinamen stammten die Fotos alle vom Dezember 2018 (vgl. ALK-Nrn. 25 und 26).

 

4.5     Mit Eingabe an das Versicherungsgericht vom 1. März 2021 (A.S. 19 f.) übermittelte der Beschwerdeführer einen Memorystick, der neben bereits eingereichten Unterlagen drei Videos enthält (je ein Video mit der Aussage von C.___ und der Aussage von D.___ sowie eine weitere Aufnahme, auf der die beiden Frauen ihre schriftliche Zeugenaussage vom 19. Februar 2021 mit Datum 1. März 2021 unterschreiben). Die Zeuginnen bestätigen in den Videoaufnahmen im Wesentlichen ihre bisherigen Aussagen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei vom 27. November 2018 bis am 4. Januar 2019 inhaftiert gewesen. Im Unterschied zur bereits früher eingereichten E-Mail vom 19. Februar 2021 (vgl. E. II. 4.4.1 hievor) äussern sich beide aber nicht dahingehend, dass der Beschwerdeführer [...] (Afrika) am 4. Dezember 2018 verlassen habe, sondern sie sagen aus, er sei bis zum 30. Dezember 2018 dortgeblieben. Zudem befinden sich auf dem am 1. März 2021 eingereichten Memorystick weitere Fassungen der Zeugenaussage vom 19. Februar 2021 – einmal als E-Mail, kopiert in ein Worddokument, und einmal im PDF-Format in Briefform mit den beiden Unterschriften. In diesen Dokumenten wird als Abreisetag des Beschwerdeführers ebenfalls der 30. Dezember 2018 festgehalten. Schliesslich enthält der Memorystick, zusätzlich zu den bereits früher eingereichten Unterlagen, eine Worddatei mit weiterer Korrespondenz des Beschwerdeführers mit der Botschaft in […] vom 21. und 25. Januar 2021, worin er sich erkundigte, ob eine Beglaubigung nicht auch im näher gelegenen [...] möglich sei; gemäss Antwort des Konsuls fehle es dort jedoch an entsprechendem konsularisch ausgebildetem Berufspersonal.

 

Zu seinen am 1. März 2021 neu eingereichten Unterlagen hielt der Beschwerdeführer fest, die Zeit habe nicht mehr gereicht, um die Aussagen von C.___ und D.___ vor Ende der Sistierung beglaubigen zu lassen und beim Gericht einzureichen, weshalb er das anders gelöst habe und stattdessen entsprechende Videos, auch vom Unterschreiben der Zeugenaussage, einreiche. Ein weiterer Grund sei die Corona-Pandemie. Er hätte es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren können, die beiden Zeuginnen auf eine gut zwanzig stündige Reise, hin und zurück, nach […] in die Botschaft zu schicken. Anhand der E-Mails zwischen ihm und Frau C.___ von vor zwei Jahren, den Zeugenaussagen und Videos sei leicht zu erkennen, dass dies den Fakten entspreche (A.S. 19). Seine Frau E.___ müsse nach wie vor jeden Monat seit diesem Gefängnisaufenthalt im [...] Gefängnis Rapport machen. In den letzten Monaten habe er mehrfach versucht, seine Frau zu einer Zeugenaussage zu bewegen, doch sie habe nicht unbegründete Angst vor Repressalien und dass sie wieder Geld zahlen müsse für nichts. Leider herrsche in [...] (Afrika) ein sehr grosses Mass an Korruption, was es alles andere als einfach mache, Beweise für den vorliegenden Fall zu erhalten. Er sei deshalb jederzeit bereit, mit einem akzeptierten Behördenvertreter das [...] Gefängnis zu besuchen, um seine eingetragenen Besuche bei seiner Frau und auch ihren Aufenthalt dort zu verifizieren. Diesem Behördenvertreter können er auch das Haus zeigen sowie die Nachbarschaft und seine Kinder, die alle seine Zeit der Kinderbetreuung bestätigen könnten (A.S. 20).

 

4.6     Im Rahmen seiner Replik vom 14. April 2021 ging der Beschwerdeführer im Einzelnen auf den Ablauf von der Flugbuchung bis zur Entlassung seiner Frau aus dem Gefängnis ein (A.S. 34 ff.):

 

Er habe am 17. November 2018 bei der Fluggesellschaft B.___ einen Flug nach [...] (Afrika) gebucht (Hinweis auf die Buchungsbestätigung in den Akten). Da sein letzter Arbeitseinsatz zu Ende gewesen, noch kein neuer Auftrag in Aussicht gestanden und er noch genug Geld gehabt habe – so der Beschwerdeführer weiter –, habe er dafür fünf Wochen eingeplant. Zu diesem Zeitpunkt sei noch alles in Ordnung gewesen und er habe, wie jedes Jahr zuvor, einfach zu seiner Familie gehen wollen. Am 26. November 2018 sei er dann geflogen und am frühen Morgen des 27. November 2018 in [...] angekommen (Hinweis auf die Passkopie in den Akten mit dem Einreisevisum), wo er am Flughafen von seiner Frau und seinen Kindern abgeholt worden sei. Mit dem Taxi seien sie dann zu ihrem neuen Haus in [...] im Randbezirk [...] gefahren. Am späteren Nachmittag sei seine Frau auf den Polizeiposten von [...] gegangen, weil der Taxifahrer mehr Geld verlangt habe als ursprünglich abgemacht. Von da sei sie erst am späteren Abend zurückgekehrt. Damals habe er noch nicht gewusst, dass dies der einzige Abend mit seiner Frau sein würde während dieses Aufenthaltes. Am nächsten Morgen sei seine Frau wieder zu diesem Polizeiposten gegangen, weil noch nicht alles geregelt gewesen sei. Das sei das letzte Mal gewesen, dass er seine Frau während dieses Aufenthaltes in Freiheit gesehen habe. Zum Polizeiposten sei sie von Frau C.___ gefahren worden, die er damals noch nicht gekannt habe. Seine Frau sei an diesem Tag nicht mehr zurückgekommen und Anrufe auf dem Handy seien unbeantwortet geblieben. Von der Polizei habe er auch keine Auskunft erhalten. Erst am nächsten Tag habe er dann Frau C.___ kennengelernt und von ihr erfahren, dass die Polizei seine Frau ins [...] Gefängnis gebracht habe. An die erste Anhörung am nächsten Morgen sei Frau C.___ alleine gegangen, da die Behörden, sobald sie wüssten, dass ein «Mzungu» (ein weisser Mann) mit dem Fall verbunden sei, die Kosten für eine Freilassung explodieren liessen. Anlässlich dieser Anhörung habe Frau C.___ Herrn F.___ kennengelernt, einen «Prosecutor» (Staatsanwalt und/oder Ankläger), der seine Hilfe angeboten habe. Er habe Herrn F.___ [...] (etwa CHF 600.00) bezahlt, darum gehe es auch in ALK-Nr. 28. Für dieses Geld habe er nie eine Quittung erhalten. Er sei von Herrn F.___ übergangen worden, der nichts für dieses Geld getan habe. An der nächsten Anhörung vom 3. Dezember [2018] sei es nicht mehr um den Fall mit dem Taxifahrer gegangen, sondern um einen neuen Fall mit einer Powerbar (zum Laden von Handys), die seine Frau gestohlen haben soll. Somit sei seine Frau im Gefängnis behalten worden, wieder ohne die Möglichkeit einer Kaution. Eineinhalb Wochen später sei verkündet worden, der Fall mit der Powerbar sei abgeschlossen, jedoch sei schon wieder ein neuer Fall aufgetaucht. Mittlerweile hätten die Mitarbeiter des Gerichts durch seine Besuche im Gefängnis erkannt, dass die Beschuldigte mit einem weissen Mann verheiratet sei. So habe das Gericht an der nächsten Anhörung eine Anklage mit zig verschiedenen Anklagepunkten präsentiert. Eine Abschrift davon habe er nie erhalten und seine Frau habe, wiederum ohne Möglichkeit einer Kaution, weiterhin im Gefängnis bleiben müssen. Die nächste Anhörung sei auf die Zeit nach Weihnachten gelegt worden. Er habe seine Frau mehrmals im Gefängnis besucht, wobei er jeweils sein Handy habe abgeben müssen und seine Passdaten seien in ein Besucherbuch eingetragen worden. Zwei Tage vor Weihnachten anlässlich des alljährlichen Familienbesuchstages habe er zum letzten Mal mit seiner Frau über alles ungestört reden können. Sein letzter Besuch bei seiner Frau im Gefängnis sei dann zwei Tage nach Weihnachten gewesen zusammen mit Frau C.___. Dabei habe ihnen eine Mitarbeiterin der Frauenabteilung mitgeteilt, seine Frau solle spätestens bis zum 4. Januar [2019] aus dem Gefängnis entlassen werden und es müssten nur noch die «Gerichtskosten» zusammengestellt werden. Das sei das letzte Mal gewesen, dass er seine Frau direkt getroffen habe. Da er nun gewusst habe, dass seine Frau spätestens am 4. Januar [2019] aus dem Gefängnis kommen sollte, habe er seinen Rückflug nicht verschoben und mit Frau D.___, die ihm während seines Aufenthaltes im Haushalt geholfen habe, vereinbart, dass sie bis zur Entlassung seiner Frau aus dem Gefängnis auf die Kinder aufpasse. Normalerweise sei er bis zu zwei Monaten zu Besuch bei seiner Familie. Dass er dieses Mal «nur» fünf Wochen da gewesen sei, sei an seiner finanziellen Situation gelegen. Er habe nach Hause gehen müssen, um wieder Arbeit zu finden und Geld zu verdienen. Leider habe das Gericht in der Folge nicht Wort gehalten mit dem Entlassungstermin am 4. Januar [2019] und erst am 6. Januar [2019] mitgeteilt, dass sich die Gerichtskosten auf [...] (in etwa CHF 2'000.00) beliefen. Da seine finanzielle Situation nicht mehr gut gewesen sei, habe ihm Frau C.___ [...] vorgeschossen, die ihr seine Frau später zurückgezahlt habe. Die offenen [...] habe er am 7. Januar [2019] per Western Union zugesendet (vgl. Beleg in den Replikbeilagen). Am 8. Januar [2019] habe Frau C.___ die Rechnung über [...] beim Gericht bezahlt, wofür sie keinen Beleg erhalten habe. Die [...] Behörden hätten leider viel Erfahrung in solchen Angelegenheiten. Am 10. Januar [2019] habe er dann schliesslich eine Nachricht von Frau C.___ erhalten, dass seine Frau aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Bis zu diesem Tag habe Frau D.___ auf seine Kinder aufgepasst und auch Frau C.___ sei öfters bei ihnen zu Hause gewesen.

 

Im Weiteren schilderte der Beschwerdeführer in der Replik, wie die Betreuung seiner Kinder abgelaufen war, und äusserte sich zu den Vorbringen der Beschwerdegegnerin. Dabei führte er u.a. aus, dass es sich bei der E-Mail vom 19. Februar 2021 in ALK-Nr. 33 um einen ersten Entwurf der Zeugenaussagen von Frau C.___ und Frau D.___ handle, den Frau C.___ ihm zur Kontrolle der Daten gesendet habe. Dieser Entwurf sei auch nie an die Botschaft in […] weitergeleitet worden. Beim Durchlesen sei ihm aufgefallen, dass sich Frau C.___ mit dem Datum seiner Abreise vertan habe, worauf er sie per WhatsApp-Nachricht aufmerksam gemacht und sie es richtiggestellt habe. Die Beschwerdegegnerin werfe ihm vor, dass er seinen Zeuginnen die Daten seiner Aufenthaltsdauer genannt hätte. Das sei tatsächlich so, aber das sei auch sein gutes Recht als sein eigener Verteidiger. Auch er selbst habe zuerst die korrekten Daten nachschauen müssen, da er zum einen schon so oft in [...] (Afrika) gewesen sei, sodass er auch nicht mehr alle Hin- und Rückreisedaten auswendig im Kopf habe. Zum anderen sei dieser damalige Aufenthalt in mancherlei Hinsicht eher traumatisch gewesen. Die E-Mail mit dem korrekten Abreisedatum (30. Dezember [2018]) sowie eine Kopie der unterschriebenen Zeugenaussage werde sicherheitshalber nochmals eingereicht (vgl. Replikbeilagen; siehe auch bereits E. II. 4.5 hievor).

 

Soweit die Beschwerdegegnerin vorbringe, es sei merkwürdig, dass er von seiner Ehefrau E.___ keine Zeugenaussage eingereicht habe, stimme er dem voll zu, denn dieser Punkt habe ihn mehrfach zum Verzweifeln gebracht, ihn viel Energie und Zeit gekostet, und am Schluss könne er aber dennoch keine Bestätigung des Gefängnisses vorweisen. Er habe diesbezüglich von der Botschaft am 14. Dezember [2020] (vgl. E. II. 4.3.3 hievor) eine E-Mail mit Vorschlägen erhalten, wie er vorgehen könne. Dem Weg mit den Anwälten sei er nicht gefolgt, weil das letztlich wieder viel Geld gekostet hätte und er sich nicht nochmals für die gleiche Sache habe abzocken lassen wollen. Deshalb sei er dem ersten Rat gefolgt, wonach die Gefängnisbehörden allfällige Informationen am ehesten an seine Frau als ehemalige Insassin erteilten. Der Plan sei gewesen, ein Dokument zu erstellen, das den Aufenthalt und die Dauer im [...] Gefängnis bestätige. Da seine Frau keinen Laptop habe und damit nicht gut umgehen könne, habe er mit Frau C.___ vereinbart, dass sie ihr dabei helfe. Da seine Frau immer noch jeden Monat im Gefängnis bei einem Bewährungshelfer Rapport erstatten müsse, hätte sie das von ihm unterzeichnen lassen und danach, wenn nötig, beglaubigen lassen können. Er kommuniziere mit seiner Frau hauptsächlich über WhatsApp. Am 4. November 2020 habe er damit begonnen, seine Frau über die Sachlage zu informieren. Dabei habe er ihr immer wieder erklärt, worum es gehe und was alles davon abhänge. Auch drei Briefe der Beschwerdegegnerin habe er ihr so zukommen lassen mit dem Hinweis, sie solle das mit einem deutschsprachigen Anwalt ansehen, damit sie selbst sehe, dass alles der Wahrheit entspreche. Er verweise auf den WhatsApp-Verlauf mit seiner Ehefrau (vgl. Replikbeilagen). Zu Beginn habe ihm seine Frau noch mitgeteilt, sie würde diese Bestätigung beschaffen; sie habe es dann aber doch nicht gemacht. Das habe zu einem grossen Teil damit zu tun, dass seine Frau grosse Angst vor Repressalien der Justizmitarbeiter habe. Es sei keine Seltenheit in [...] (Afrika), dass korrupte Justizmitarbeiter Polizisten ehemalige Gefängnisinsassen und auch andere Bürger, mit Androhungen unter Druck setzten sie ohne Grund ins Gefängnis wärfen, um von ihnen Geld zu erpressen. Er habe diesbezüglich in den 16 Jahren, in denen er schon nach [...] (Afrika) gehe, viele Erfahrungen gesammelt und dabei schon einige Leute aus dem Gefängnis geholt.

 

5.      

5.1     Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich vom 26. bzw. 27. November 2018 bis am 30. Dezember 2018 in [...] (Afrika) um seine (damals 12-jährige) Stieftochter und seine leiblichen Kinder (damals im Alter von vier und sieben Jahren; vgl. E. II. 4.1 hievor) kümmern müssen, da seine Ehefrau während diesem Zeitraum im Gefängnis gewesen sei. Aus den Akten geht zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführer am 27. November 2018 nach [...] (Afrika) eingereist ist und das Land am 30. Dezember 2018 wieder verlassen hat (vgl. E. II. 4.2 hievor). Auch dass der Beschwerdeführer diese fast fünf Wochen grundsätzlich bei seiner Familie in [...] (Afrika) verbracht und im Haus in [...] (Afrika) gewohnt hat, ist aufgrund seiner Schilderungen glaubhaft und wird von der Beschwerdegegnerin nicht in Abrede gestellt. Hinsichtlich der geltend gemachten Erziehungszeit ist zwischen den Parteien jedoch strittig, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers, welche die Kinder offenbar normalerweise betreut, in der Zeit vom 27. November 2018 bis 30. Dezember 2018 tatsächlich abwesend war bzw. infolge Inhaftierung die Betreuung ihrer Kinder nicht wahrnehmen konnte. Eine schriftliche Bestätigung über den Gefängnisaufenthalt der Ehefrau sonstige behördliche Dokumente, aus denen dieser hervorgehen würde, liegen gemäss Akten (vgl. E. II. 4 hievor) nicht vor. Auf das Angebot der Schweizerischen Botschaft in [...], erste Nachforschungen durch deren Vertrauensanwälte zu veranlassen (vgl. E. II. 4.3.3 hievor), hat der Beschwerdeführer, wie er selbst darlegt, ausdrücklich verzichtet und seine Ehefrau hat sich offenbar geweigert, eine Bestätigung einzuholen bzw. bei der Beschaffung einer solchen mitzuwirken. Auch wenn die dahinterliegenden Beweggründe (vgl. E. II. 4.6 hievor) teilweise nachvollziehbar erscheinen, fehlt es damit an einem behördlichen Nachweis für den behaupteten Gefängnisaufenthalt der Ehefrau. Diese Beweislosigkeit wirkt sich grundsätzlich zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus (vgl. E. II. 2.3 hievor), zumal gerade mit Blick auf die Auskunft der zuständigen Botschaft (vgl. E. II. 4.3.3 hievor) auch nicht ersichtlich ist, auf welchem anderen Weg ein offizieller Beleg sonst noch hätte beschafft werden können.

 

5.2     Was die vom Beschwerdeführer eingereichten Zeugenaussagen anbelangt, fallen gewisse Ungereimtheiten mit den angegebenen Daten auf. So gaben die Zeuginnen in einer ersten Fassung ihrer Zeugenaussage vom 19. Februar 2021 als Rückreisedatum des Beschwerdeführers den 4. Dezember 2018 an (vgl. E. II. 4.4.1 hievor), was sie später auf den 30. Dezember 2018 korrigiert haben (vgl. E. II. 4.5 hievor), sowie (in sämtlichen Fassungen) als Datum der Haftentlassung der Ehefrau den 4. Januar 2019 (vgl. E. II. 4.4.1 und E. II. 4.5 hievor), obwohl diese gemäss dem Mailwechsel mit Frau C.___ und den Angaben in der Replik erst einige Tage später stattgefunden haben soll (vgl. E. II. 4.4.3 und E. II. 4.6 hievor). Der Beschwerdeführer räumt denn auch selber ein, dass er die Daten den Zeuginnen genannt und Frau C.___ auf ihren ersten Entwurf hin die Korrektur vom 4. auf den 30. Dezember 2018 gemeldet habe (vgl. E. II. 4.6 hievor). Die Zeuginnen konnten sich demnach von sich aus nicht mehr an die Daten erinnern. Vor diesem Hintergrund kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sich Frau C.___ und Frau D.___ auch sonst (über die Datumsangaben hinaus) haben beeinflussen lassen. Ihre Aussagen sind damit, unabhängig von der Beglaubigung ihrer Unterschriften, für sich allein nicht geeignet, die Sachverhaltsschilderung des Beschwerdeführers mit dem erforderlichen Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. E. II. 2.3 hievor) nachzuweisen. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer eingereichten Fotos von sich und seinen Kindern (vgl. E. II. 4.4.4 hievor). Mit der Beschwerdegegnerin (A.S. 28) ist festzuhalten, dass diese Bilder auch anlässlich eines gewöhnlichen Familienbesuchs entstanden sein könnten. Jedenfalls sind sie kein hinreichender Beweis dafür, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund eines Gefängnisaufenthaltes seiner Ehefrau um seine Kinder kümmern musste.

 

5.3     Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer den ganzen Sachverhalt äusserst detailliert festgehalten hat (vgl. insb. Replik [A.S. 34 ff.]; siehe auch E. II. 4.6 hievor). So schildert er viele Einzelheiten und einen mehrstufigen und komplexen Ablauf. Gleichzeitig hat er sich mit der Kontaktnahme mit verschiedenen Behörden (EDA-Helpline, Botschaft in [...]) und dem Dokumentieren von Zeugenaussagen nachweislich um die Beibringung von Beweismitteln bemüht. Hinzu kommt, dass sich die Beweismittelbeschaffung über die zuständigen Behörden in [...] (Afrika) – wie vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt – im vorliegenden Fall offenbar als sehr schwierig erweist. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der aussergewöhnlichen Umstände des Einzelfalles und mit Blick auf die sehr detaillierten Darlegungen des Beschwerdeführers erscheint der geschilderte Gefängnisaufenthalt der Ehefrau als überwiegend wahrscheinlich. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kann sodann auch davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in [...] (Afrika) um seine Kinder gekümmert hat.

 

5.4     Gleichwohl kann – wie nachfolgend aufzuzeigen ist – keine Erziehungszeit im Sinne von Art. 9b Abs. 2 AVIG anerkannt werden. Diese Regelung gelangt nach ihrem Sinn und Zweck nur dann zur Anwendung, wenn das Nichterfüllen der Beitragszeit und die Kindererziehung einen kausalen Zusammenhang aufweisen. So setzt – wie vorstehend dargelegt (vgl. E. II. 2.2.2) – das Bundesgericht für die Bejahung einer Erziehungszeit im Sinne von Art. 9b Abs. 2 AVIG voraus, dass sich die versicherte Person tatsächlich eine gewisse Zeit lang vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hat, um sich der Erziehung eines Kindes zu widmen, und dass sie deshalb die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Der Beschwerdeführer legt in seiner Replik indessen dar, da sein Arbeitseinsatz zu Ende gewesen und noch kein neuer Auftrag in Aussicht gewesen sei, habe er am 17. November 2018 die Flugtickets gekauft und für seinen Aufenthalt in [...] (Afrika) fünf Wochen eingeplant. Zu diesem Zeitpunkt sei noch alles in Ordnung gewesen und er habe, wie jedes Jahr, einfach zu seiner Familie gehen wollen. Gemäss seinen weiteren Ausführungen ereigneten sich die Umstände, welche letztlich zur Inhaftierung seiner Ehefrau geführt hätten, erst nach seiner Ankunft in [...] (Afrika) (A.S. 34 ff.; vgl. E. II. 4.6 hievor). Der Beschwerdeführer flog demnach unabhängig vom Gefängnisaufenthalt seiner Ehefrau nach [...] (Afrika) und wäre so anders vom 27. November 2018 bis 30. Dezember 2018 bei seiner Familie gewesen. Gemäss seinen eigenen Angaben hat er deswegen auch keinen Arbeitseinsatz verpasst, denn ein solcher stand ohnehin nicht in Aussicht. Gemäss Bestätigung seiner bisherigen Arbeitgeberin vom 31. März 2021 (ALK-Nr. 14) kam es denn auch erst ab Juli 2019 zu einem nächsten Arbeitseinsatz als [...]. Die Möglichkeit anderweitiger Arbeitseinsätze geht aus den Akten nicht hervor und wird, wie gesagt, auch nicht geltend gemacht. Der Besuch seiner Familie im November / Dezember 2018 ist demnach nicht kausal für das Nichterfüllen der Beitragszeit, weshalb eine Berücksichtigung als Erziehungszeit im Sinne von Art. 9b Abs. 2 AVIG ausser Betracht fällt.

 

5.5     Im Ergebnis bleibt es somit bei der ordentlichen zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 23. März 2018 bis 22. März 2020, in welcher der Beschwerdeführer mit einer Beitragsdauer von 10.899 Monaten die Beitragszeit nicht zu erfüllen vermag (vgl. E. II. 3 hievor). Ein Befreiungsgrund ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdegegnerin hat einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 23. März 2020 demnach zu Recht verneint. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.

 

6.

6.1     Bei diesem Ausgang des Verfahrens besteht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 61 lit. g ATSG).

 

6.2     Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen (Art. 61 lit. fbis ATSG). Das AVIG sieht keine Kostenpflicht vor und es ist vorliegend keine mutwillige leichtsinnige Beschwerdeführung zu erkennen. Das Verfahren ist demnach kostenlos.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

 

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident                           Die Gerichtsschreiberin

Flückiger                                   Wittwer



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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