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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2020.170)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2020.170: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht entschied am 27. Januar 2022 in einem Fall der Unfallversicherung. Die Beschwerdeführerin, eine Arbeitnehmerin der Firma B., hatte sich beim Rasenmähen an zwei Fingern verletzt. Die Helsana Unfall AG lehnte die Versicherungsleistungen ab, da zum Zeitpunkt des Unfalls kein Arbeitsverhältnis bestand. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde ein, die abgewiesen wurde. Es folgte ein umfangreiches Verfahren, in dem die genauen Umstände des Unfalls und des Arbeitsverhältnisses geklärt wurden. Letztendlich entschied das Gericht, dass die Beschwerdeführerin am 3. September 2019 die Arbeit aufnahm und gleichentags verunfallte, somit bei der Beschwerdegegnerin unfallversichert war.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.170

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2020.170
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2020.170 vom 27.01.2022 (SO)
Datum:27.01.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Arbeit; Unfall; Versicherung; Spital; Versicherungsgericht; Firma; Finger; AH-Nr; Rasen; Recht; Verletzung; Spitals; Akten; Unterlagen; Arbeitgeber; Verfügung; Ärzte; Arbeitgeberin; Notfall; Einsprache; Einspracheentscheid; Zeitpunkt; Arbeitsverhältnis; Parteien; Fingerkuppe; Anstellung; Leistung
Rechtsnorm: Art. 1a UVG ;Art. 3 UVG ;Art. 320 OR ;
Referenz BGE:118 V 177; 132 V 215; 132 V 393;
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- 4. Aufl., Zürich, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2020.170

 
Geschäftsnummer: VSBES.2020.170
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 27.01.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.8
Titel: Unfallversicherung

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 27. Januar 2022

Es wirken mit:

Vizepräsidentin Weber-Probst

Oberrichter von Felten

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiberin Yalcin

In Sachen

A.___ vertreten durch Peter Arnold, Rechtsanwalt

Beschwerdeführerin

 

gegen

Helsana Unfall AG, Recht & Compliance, Postfach, 8081 Zürich

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Unfallversicherung (Einspracheentscheid vom 22. Juni 2020)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.      

1.1     Mit Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 (Allgemeine Akten der Helsana [AH-Nr.] 1) wurde der Helsana Unfall AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) mitgeteilt, die bei der Firma B.___ arbeitstätige A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin), geb. 1995, habe sich am 2. September 2019 beim Rasenmähen an zwei Fingern verletzt.

 

1.2     Mit Verfügung vom 13. März 2020 (AH-Nr. 39) lehnte die Beschwerdegegnerin die Ausrichtung von Versicherungsleistungen mit der Begründung ab, im Zeitpunkt des Unfalls vom 2. September 2019 habe kein Arbeitsverhältnis mit der Firma B.___ bestanden und damit bestehe auch keine Versicherungsdeckung, weshalb die Beschwerdegegnerin nicht für den Unfall zuständig sei. Gemäss Arbeitsvertrag sei die Beschwerdeführerin erst ab dem 3. September 2019 bei der Firma B.___ angestellt. Die fälschlicherweise bereits erbrachten Versicherungsleistungen würden zurückgefordert. Die dagegen erhobene Einsprache vom 3. April 2020 (AH-Nr. 42) wies die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 22. Juni 2020 ab (AH-Nr. 43; Akten-Seiten [A.S.] 1 ff.).

 

2.       Gegen den Einspracheentscheid vom 22. Juni 2020 lässt die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 26. August 2020 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) fristgerecht Beschwerde erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:

 

1.    Der Einspracheentscheid der Helsana Unfall AG vom 22. Juni 2020 sei aufzuheben.

2.    Die Helsana Unfall AG habe die aus dem Unfallereignis vom 3. September 2019 entstandenen und weiter entstehenden Behandlungskosten zu übernehmen und die Leistungen gemäss Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) auszurichten.

3.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Helsana Unfall AG.

 

3.       Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Beschwerdeantwort vom 21. September 2020 (A.S. 18 ff.) die Abweisung der Beschwerde.

 

4.       Die Beschwerdeführerin hält mit Replik vom 30. Oktober 2020 (A.S. 33 ff.) an ihren Beschwerdebegehren fest.

 

5.       Mit Duplik vom 10. November 2020 (A.S. 44 ff.) bekräftigt die Beschwerdegegnerin den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.

 

6.       Mit Triplik vom 25. November 2020 (A.S. 48 ff.) lässt sich die Beschwerdeführerin abschliessend vernehmen. Gleichzeitig gibt Rechtsanwalt Peter Arnold die Kostennote zu den Akten (A.S. 51 ff.).

7.       Mit Verfügung vom 8. April 2021 (A.S. 55 f.) teilt die Vizepräsidentin den Parteien mit, es sei beabsichtigt, zwecks Klärung des rechtsrelevanten Sachverhalts eine Stellungnahme bei den erstbehandelnden Ärzten des Spitals C.___ pract. med. D.___, Oberarzt, Dr. med. E.___, Leitender Arzt, und F.___, Assistenzarzt, einzuholen. Zugleich wird die Beschwerdeführerin gebeten, die Ärzte gegenüber dem Versicherungsgericht vom Arztgeheimnis zu entbinden und dem Versicherungsgericht eine entsprechende Entbindungserklärung zukommen zu lassen.

 

8.       Mit Eingabe vom 13. April 2021 (A.S. 58) erklärt sich die Beschwerdeführerin mit dem weiteren Vorgehen einverstanden und lässt dem Versicherungsgericht eine Entbindungserklärung zukommen (A.S. 59).

 

9.       Am 14. April 2021 (A.S. 61) teilt die Beschwerdegegnerin dem Versicherungsgericht ebenfalls mit, mit dem beabsichtigten Vorgehen sowie den Fragen, welche den Ärzten unterbreitet werden, einverstanden zu sein.

 

10.     Mit Verfügung vom 22. April 2021 (A.S. 64 f.) legt die Vizepräsidentin den erstbehandelnden Ärzten die folgenden Fragen zur Beantwortung vor:

 

Frau A.___ wurde am 3. September 2019 um 14:29 Uhr infolge eines Unfalls notfallmässig im Spital C.___ stationär aufgenommen. Es wurde die Diagnose einer «Fingerkuppenamputation Dig. II und III im Bereich der Endphalanx rechts mit/bei: Mehrfragmentäre Fraktur des Processus unguicularis Dig II und Dig III» gestellt, weshalb sie noch gleichentags operiert wurde.

 

1.    Wie alt waren die von Ihnen festgestellten Verletzungen, als sich Frau A.___ beim Notfall des Spitals C.___ meldete?

2.    Hätten es die genannten Verletzungen zugelassen, dass Frau A.___ nach Erleiden dieser Verletzungen noch 24 Stunden zuwartet, bis sie ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt?

 

11.     Mit Verfügung vom 2. Juni 2021 (A.S.67 f.) stellt die Vizepräsidentin fest, dass die mit Verfügung vom 22. April 2021 erbetenen Berichte der Dres. D.___, E.___ und F.___ beim Versicherungsgericht nicht eingetroffen sind. Die Ärzte werden erneut gebeten, bis 23. Juni 2021 die Fragen gemäss Ziffer 5 der Verfügung vom 22. April 2021 zu beantworten.

 

12.     Mit Eingabe vom 7. Juni 2021 (A.S. 75) nehmen die behandelnden Ärzte Dres. med. D.___ und E.___ Stellung zu den gestellten Fragen (vgl. E. I. 10 hiervor).

 

13.     Mit Verfügung vom 12. Juli 2021 (A.S. 76 f.) geht je eine Kopie der Stellungnahme der Dres. med. D.___ und E.___ vom 7. Juni 2021 zur Kenntnisnahme an die Parteien. Zugleich werden bei der Arbeitgeberin B.___ folgende Unterlagen ediert:

 

-       Auftrag der G.___ GmbH betreffend Hauswartarbeiten im Jahr 2019

-       Rapport betreffend Arbeiten für die G.___ GmbH, ausgeführt am 2./3. September 2019

-       Einsatzplan betreffend die Beschwerdeführerin für September 2019

 

14.     Mit Verfügung vom 26. August 2021 (A.S. 78 f.) stellt die Vizepräsidentin fest, dass die mit Verfügung vom 12. Juli 2019 verlangten Unterlagen der Arbeitgeberin B.___ beim Versicherungsgericht nicht eingetroffen sind. Die Arbeitgeberin wird nochmals gebeten, bis 16. September 2021 die Unterlagen gemäss Ziffer 2 der Verfügung vom 12. Juli 2021 einzureichen.

 

15.     Am 13. September 2021 geht ein Schreiben der Arbeitgeberin B.___ vom 8. September 2021 beim Versicherungsgericht ein (A.S. 81). Nachdem nicht alle Unterlagen, die mit Verfügungen vom 12. Juli und 26. August 2021 verlangt wurden, eingetroffen sind, kontaktiert das Versicherungsgericht Herrn H.___, Geschäftsführer der B.___, telefonisch, um offene Fragen zu klären (vgl. Aktennotiz vom 16. September 2021; A.S. 82 f.). Daraufhin reicht Herr H.___ beim Versicherungsgericht weitere Unterlagen per E-Mail ein (A.S. 84 ff.).

 

16.     Mit Verfügung vom 20. September 2021 (A.S. 89 f.) teilt die Vizepräsidentin den Parteien mit, das Versicherungsgericht behalte sich vor, die Frage des Versicherungsbeginns auch unter dem Aspekt des tatsächlichen Arbeitsantritts der Beschwerdeführerin vor vertraglichem Beginn des Arbeitsverhältnisses als massgebendem Zeitpunkt zu prüfen. Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, sich bis zum 8. Oktober 2021 abschliessend zur Sache zu äussern.

 

17.     Mit Eingaben vom 7. Oktober 2021 (A.S. 93 f. und 98 f.) lassen sich die Parteien abschliessend vernehmen. Gleichzeitig reicht der Rechtsanwalt Peter Arnold eine ergänzte Kostennote zu den Akten (A.S. 95 ff.).

 

18.     Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird nachfolgend, soweit erforderlich, eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

 

II.      

 

1.      

1.1     Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung der Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

1.2     Bei der Beurteilung des Falles ist grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, der bis zum Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides am 22. Juni 2020 eingetreten ist (Ueli Kieser in: ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 61 N 109).

 

1.3     Gemäss der Übergangsbestimmung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieser Änderung am 1. Januar 2017 ereignet haben, nach bisherigem Recht gewährt. Da hier Leistungen für ein Unfallereignis von 2019 strittig sind, ist das neue Recht anwendbar.

 

2.

2.1     Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG).

 

2.2       Gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG sind die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der Heimarbeiter, Lernende, Praktikanten, Volontäre sowie der in Lehr- Invalidenwerkstätten tätigen Personen, obligatorisch nach den Be-stimmungen des UVG versichert. Als Arbeitnehmer gemäss dieser Gesetzesbestimmung gilt nach Art. 1 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV, SR 832.202), wer eine unselbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) ausübt. Die Versicherung beginnt an dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis anfängt erstmals Lohnanspruch besteht, in jedem Fall aber im Zeitpunkt, da der Arbeitnehmer sich auf den Weg zur Arbeit begibt (Art. 3 Abs. 1 UVG). Sie endet mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (Art. 3 Abs. 2 UVG).

 

3.

3.1       Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum – auf Verwaltungs- und Gerichtsstufe geltenden – Grundsatz der freien Beweiswürdigung auf. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148, 124 V 90 E. 4b S. 94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und / Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile des Bundesgerichts 8C_101/2010 vom 3. Mai 2010 E. 4.1, 8C_1021/2009 vom 3. November 2010 E. 4.2 und 8C_956/2011 vom 20. Juni 2012 E. 5.1).

 

Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel die Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264, mit Hinweis).

3.2     Die Verwaltung als verfügende Instanz und – im Beschwerdefall – das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind. Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht folgt vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 126 V 353 E. 5b mit Hinweisen; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 und 3.3).

4.

4.1     Die Beschwerdegegnerin hat im Einspracheentscheid vom 22. Juni 2020 (A.S. 1 ff.) insbesondere erwogen, zwischen der Firma B.___ und der Beschwerdeführerin sei am 30. August 2019 in [...] ein Arbeitsvertrag unterzeichnet worden. Darin sei festgehalten worden: «Beginn des Arbeitsverhältnisses 3. September 2019». Demzufolge habe die Unfallversicherung ab dem 3. September 2019 und somit einen Tag nach dem von der Arbeitgeberin mit Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 gemeldeten Ereignis vom 2. September 2019 zu laufen begonnen. Die Beschwerdeführerin habe dieses Unfalldatum später bestätigt. Die Vertreterin der Arbeitgeberin, die I.___ AG, Herr J.___, gehe in ihrer E-Mail vom 25. Februar 2020 hingegen davon aus, dass sich der Unfall am 2. September 2019 ereignet habe, als die Beschwerdeführerin im Auftrag der Firma B.___ Arbeiten ausgeführt habe. Der erste Arbeitstag sei somit der 2. September 2019 gewesen. Im Anstellungsvertrag sei fälschlicherweise der 3. September 2019 als Anstellungsdatum erfasst worden. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hingegen stütze sich ausschliesslich auf die medizinischen Unterlagen, woraus hervorgehe, dass die Beschwerdeführerin vom 3. bis 5. September 2019 im Spital C.___ stationiert gewesen und dort am 3. September 2019 operiert worden sei. Demzufolge gehe der Rechtsvertreter davon aus, dass sich der Unfall am 3. September 2019 und nicht am 2. September 2019 ereignet habe. Die Beschwerdeführerin könne nicht darlegen, dass im Zeitpunkt des Ereignisses vom 2. September 2019 eine Unfalldeckung bestanden habe. Dabei genüge der Hinweis allein auf die medizinischen Akten nicht, zumal in den medizinischen Unterlagen des Spitals C.___ nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargelegt werde, dass sich der Unfall am 3. September 2019 ereignet habe. Im Übrigen vermöge die Beschwerdeführerin den Widerspruch zwischen dem Arbeitsvertrag einerseits und der Schadenmeldung sowie der E-Mail der Vertreterin der Arbeitgeberin vom 25. Februar 2020 nicht zu entkräften.

 

4.2     Die Beschwerdeführerin wendet ein, sie habe sich am 3. September 2019 beim Rasenmähen für ihre Arbeitgeberin an der Hand schwer verletzt. Unmittelbar nach dem Unfall sei sie in das Spital C.___ gefahren, wo sie notfallmässig operiert worden sei. Aus den Unterlagen der Patientenadministration sei ersichtlich, dass der Eintritt am 3. September 2019 um 14:29 Uhr erfolgt sei. Als Eintrittsart sei ein Notfall dokumentiert worden, der eine Behandlung innert zwölf Stunden nötig mache. Entgegen den Erwägungen im angefochtenen Einspracheentscheid ergebe sich aus den Unterlagen des Spitals C.___ zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Unfall am 3. September 2019 ins Spital gefahren, bei der Notfallaufnahme vorstellig gewesen und anschliessend operiert worden sei. Die Beschwerdegegnerin berufe sich für die Leistungsverweigerung auf die Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 und auf den Fragebogen Unfallhergang vom 28. Oktober 2019, wonach sich der Unfall am 2. September 2019 ereignet haben soll. Zu beachten sei indes auch, dass als Uhrzeit des Unfallereignisses ca. 14:00 Uhr angegeben worden sei. Diese Zeitangabe korrespondiere mit der Notfallaufnahme im Spital C.___, welche am 3. September 2019 um 14:29 Uhr erfolgt sei. Damit stehe fest, dass der Unfall am 3. September 2019 um ca. 14:00 Uhr erfolgt sei. Aufgrund der medizinischen Akten könne sich die Beschwerdegegnerin nicht auf die Unfallmeldung berufen und sich damit ihrer Leistungspflicht entledigen. Soweit sich die Beschwerdegegnerin auf den Bericht ihres Leistungsaussendienstes Unfall vom 20. Dezember 2019 berufen sollte und daraus ebenfalls das Unfalldatum vom 2. September 2019 ableiten wolle, sei dazu festzuhalten, dass die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin für ein informatives Gespräch offenbar nicht ausreichend gewesen seien. Es werde bestritten, dass die Beschwerdeführerin den Unfallhergang selber in deutscher Sprache schriftlich festgehalten habe. Das entsprechende Blatt sei von der Beschwerdegegnerin vorbereitet, das Unfalldatum «Ereignis vom 2. September 2019» sei bereits vorgeschrieben worden. Sodann komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin in diesem Bericht selber ausgeführt habe, dass sie seit dem 1. September 2019 als Hauswartin im Auftrag der Firma B.___ bei der G.___ GmbH in [...] arbeite. Damit wäre eine Versicherungsdeckung selbst für ein Unfallereignis am 2. September 2019 gegeben. Dasselbe ergebe sich aus dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 4. Februar 2020 an das Migrationsamt, worin ausgeführt werde, dass die Beschwerdeführerin am 1. September 2019 bei der Firma B.___ angestellt worden sei (A.S. 7 ff.).

 

5.         Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin im Ereigniszeitpunkt bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch versichert war. Hinsichtlich der vorliegend umstrittenen Frage sind im Wesentlichen folgende Akten relevant:

 

5.1     Dem Arbeitsvertrag zwischen der Firma B.___ und der Beschwerdeführerin vom 30. August 2019 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin für die Hauswartung für diverse Liegenschaften der Firma B.___ zuständig sein werde. Zu ihrem Tätigkeitsbereich gehöre die Durchführung von Unterhalts- und Instandhaltungsarbeiten des zugewiesenen Portfolios, die Reparaturen an Gebäuden, Mobiliar, Maschinen und Einrichtungen, die Pflege der Grünanlagen der gemeindeeigenen Liegenschaften, der periodische Service an Gebäuden und Anlagen, das Führen der Termin- und Pendenzkontrolle und die Funktion als Ansprechpartner für Kunden und Mieter. Als Beginn des Anstellungsverhältnisses wurde der 3. September 2019 festgehalten (AH-Nr. 35).

 

5.2     Mit Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 (AH-Nr. 1) meldete die Firma B.___ der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerdeführerin am 2. September 2019 an der [...] in [...] einen Unfall erlitten habe, bei welchem sie sich beim Rasenmähen an zwei Fingern verletzt habe. Weiter geht aus dieser Schadenmeldung UVG hervor, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. September 2019 in einem 100%-Pensum bei der Firma B.___ angestellt sei.

 

5.3     Dem Operationsbericht des Spitals C.___ vom 4. September 2019 (Medizinische Akten der Helsana [MH-Nr.] 1) lässt sich die Diagnose „Fingerkuppenteilamputation Dig. II und III im Bereich der Endphalanx rechts mit/bei mehrfragmentärer Fraktur des Processus unguicularis Dig II und Dig III“ entnehmen. Die Beschwerdeführerin habe sich selber auf der Notfallstation vorgestellt. Bei vorliegender Situation sei die Indikation zum Wunddébridement und Kirschnerdrahtspickung des Dig. III gestellt worden. Auch eine Stumpfversorgung sei mit der Beschwerdeführerin besprochen worden. Die Beschwerdeführerin sei über das Operationsverfahren und die entsprechenden Risiken aufgeklärt worden und sie sei mit diesem einverstanden.

 

5.4     Im Austrittsbericht des Spitals C.___ vom 5. September 2019 wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 3. bis 5. September 2019 hospitalisiert war. Folgende Diagnosen lassen sich diesem Bericht entnehmen:

 

Fingerkuppenteilamputation Dig. II und III im Bereich der Endphalanx rechts mit/bei:

-       Mehrfragmentärer Fraktur des Processus unguicularis Dig. II und einfacher Fraktur des Processus ungucularis sowie nahezu undislozierter Fraktur der radialen Basis der Endphalanx Dig. III

 

Weiter wurde folgender Lokalstatus festgehalten: 24-jährige Patientin in schmerzreduziertem Allgemeinzustand. Hand rechts: Dig. II distale Phalanx, ca. 1 x 2 cm grosse, tiefe stark blutende Wunde. Inspektorisch Teilamputation der Fingerkuppe. Distale Phalanx Dig. III ca. 1.5 cm lange und stark blutende Wunde. Restliche periphere DMS sei intakt. Der postoperative Verlauf habe sich komplikationslos gestaltet mit problemloser Mobilisation. Die Beschwerdeführerin sei stets hämodynamisch stabil und unter oraler Analgesie schmerzkompensiert gewesen. Eine Ruhigstellung sei in der Vierfingerschiene erfolgt. Die Wundkontrollen hätten vitale Fingerkuppen und reizlose Wundränder gezeigt, sodass die Beschwerdeführerin am 5. September 2019 in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen worden sei. Für die Zeit vom 3. bis 27. September 2019 wurde der Beschwerdeführerin eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % attestiert.

 

5.5     Dem Befundbericht von Dr. med. K.___, Spital C.___, vom 23. Oktober 2019 (MH-Nr. 7) lässt sich entnehmen, dass das distale Endglied durch die Spickung adaptiert, die Frakturspalte aber noch deutlich sichtbar und nicht ossär durchgebaut sei. Der Unfall sei wohl am 3. September 2019 erfolgt. Der Spickdraht sitze indes regelrecht im Knochen verankert und reizlos. Er berühre das distale Interphalangealgelenk nicht.

 

5.6     Im Fragebogen Unfallhergang (AH-Nr. 6) gab die Beschwerdeführerin am 28. Oktober 2019 an, der Unfall habe sich am 2. September 2019 um ca. 14 Uhr in [...] ereignet. Beim Rasenmähen habe sich Plastik in der Maschine eingeklemmt. Sie habe diesen entfernen wollen, während die Maschine gelaufen sei, und habe sich dabei an den Fingern verletzt.

 

5.7     Im UVG-Zwischenbericht gab Dr. med. L.___, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, am 28. November 2019 an, der Unfall habe sich am 3. September 2019 ereignet und am gleichen Tag sei auch die Versorgung im Spital C.___ erfolgt (MH-Nr. 10).

5.8     Dem Bericht Leistungsaussendienst Unfall vom 20. Dezember 2019 (AH-Nr. 15) lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. September 2019 als Hauswartin im Auftrag der Firma B.___ bei der Firma G.___ GmbH in [...] arbeite. Der Unfall beim Rasenmähen habe sich am 2. September 2019 ereignet. Gemäss der Schilderung der Beschwerdeführerin habe sie in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Rasen gemäht. Dazu habe sie einen mit Benzin betriebenen Rasenmäher benutzt. Nach einer gewissen Zeit habe die Effizienz des Mähers nachgelassen, weil sich Gras in den Messern abgelagert habe. Die Beschwerdeführerin habe in die rotierenden Messer gegriffen, um diese vom Gras zu befreien. Dabei habe sie sich an zwei Fingern (zweiter und dritter Finger der rechten, dominanten Hand) verletzt. Auch bei zweimaligem Nachfragen habe die Beschwerdeführerin bestätigt, dass der Motor des Rasenmähers gelaufen sei, als sie in die Messer gegriffen habe. Nach dem Unfall vom 2. September 2019 habe sich die Beschwerdeführerin am Folgetag in das Spital C.___ begeben, wo die erste Versorgung stattgefunden habe (Nähen der Schnittverletzungen).

 

5.9     Dem Bericht von Dr. med. M.___, Facharzt für Allgemein- und Unfallchirurgie, vom 3. Februar 2020 (MH-Nr. 15) ist zu entnehmen, am 3. Oktober 2019 (recte wohl: September) sei es zu einer Rasenmäher-Verletzung der Fingerkuppen zwei und drei rechts gekommen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin die üblichen ausgeprägten Schmerzen.

 

5.10   Nachdem der Beschwerdegegnerin der Arbeitsvertrag zwischen der Firma B.___ und der Beschwerdeführerin zugestellt worden war, stellte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24. Februar 2020 die Ablehnung ihrer Zuständigkeit für das Unfallereignis in Aussicht (AH-Nr. 31). Zur Begründung führte sie aus, gemäss Arbeitsvertrag sei die Beschwerdeführerin ab dem 3. September 2019 bei der Firma B.___ angestellt. Der Unfall sei am 2. September 2019 geschehen. Somit sei sie für den Unfall nicht zuständig. Daraufhin meldete sich Herr J.___ von der I.___ AG per E-Mail bei der Beschwerdegegnerin. Er führte aus, dass sich der Unfall am 2. September 2019 ereignet habe und die Beschwerdeführerin im Auftrag der Firma B.___ die Arbeiten ausgeführt habe. Das heisse, dass der erste Arbeitstag für die B.___ der 2. September 2019 gewesen sei. Im Anstellungsvertrag, datiert vom 30. August 2019, sei fälschlicherweise der 3. September 2019 als Anstellungsdatum erfasst worden. Es handle sich gemäss Herrn H.___ (Arbeitgeber) ganz einfach um einen Tippfehler.

 

5.11   Am 26. Februar 2020 meldete sich Herr J.___ erneut per E-Mail bei der Beschwerdegegnerin (AH-Nr. 37) und führte aus, in der Zwischenzeit sei er von Herrn H.___ informiert worden, dass sich der Unfall am 3. September 2019 und nicht am 2. September 2019 ereignet habe. Zur Dokumentierung und als Bestätigung sende er zusätzlich die E-Mail vom Spital C.___ mit dem Eintrittsformular, woraus ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin als Notfall eingeliefert worden sei. Gleichzeitig erlaube er sich den Hinweis, dass seine Arbeitskollegin die Unfallmeldung aufgrund einer telefonischen Meldung durch Frau N.___, welche bei der G.___ GmbH angestellt sei, ausgefüllt habe. Es könne gut sein, dass Frau N.___ fälschlicherweise den 2. September 2019 als Unfalldatum angegeben habe sie das Formular falsch ausgefüllt hätten. Unbestritten sei aber, dass der Unfall definitiv am 3. September 2019 passiert sei.

 

5.12   Dem Auszug aus der Patientenadministration des Spitals C.___ vom 26. Februar 2020 (MH-Nr. 17) lässt sich entnehmen, dass der Eintritt der Beschwerdeführerin am 3. September 2019 um 14:29 Uhr erfolgt ist.

 

5.13   Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens holte das Versicherungsgericht zwecks Klärung des rechtsrelevanten Sachverhaltes eine Stellungnahme der erstbehandelnden Ärzte des Spitals C.___ Dres. med. D.___, Oberarzt, und E.___, Leitender Arzt, vom 7. Juni 2021 ein (A.S. 75). Auf die Frage des Versicherungsgerichts, wie alt die von den erstbehandelnden Ärzten festgestellten Verletzungen waren, als sich die Beschwerdeführerin beim Notfall des Spitals C.___ meldete, führten die Ärzte aus, die Beschwerdeführerin habe sich am 3. September 2019 auf der Notfallstation mit einer Fingerkuppenteilamputation des Zeigefingers und Mittelfingers der rechten Hand gestellt, nachdem sie in einen Rasenmäher gegriffen habe, um eine Blockade zu lösen. Da im Notfallbericht resp. in der Anamnese kein genauer Zeitpunkt dokumentiert worden sei, lasse sich eine Aussage bezüglich des genauen Zeitraumes zwischen Unfall und operativer Versorgung nicht mehr klären. Das Verletzungsmuster sei jedoch frisch gewesen. Weiter legten die behandelnden Ärzte dar, ob ein 24-stündiges Abwarten mit anschliessender chirurgischer Behandlung vertretbar wäre, lasse sich klar beantworten. Bei verzögerter operativer Behandlung steige das Risiko eines Infektes und einer notwendigen Stumpfbildung. Damit wäre es nicht zulässig, eine solche Verletzung über 24 Stunden nicht operativ zu behandeln.

 

5.14   Sodann wurden mit Verfügung des Versicherungsgerichts vom 12. Juli 2021 (A.S. 76 f.) die folgenden Unterlagen bei der Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin B.___ ediert: Auftrag der G.___ GmbH betreffend Hauswartarbeiten im Jahr 2019, Rapport betreffend Arbeiten für die G.___ GmbH, welche am 2. und 3. September 2019 ausgeführt wurden, und Einsatzplan betreffend die Beschwerdeführerin für September 2019. Nachdem die Unterlagen beim Versicherungsgericht nicht eingetroffen waren, wurde die Arbeitgeberin B.___ nochmals aufgefordert, diese einzureichen (A.S. 78 ff.). Daraufhin ging ein Schreiben der Arbeitgeberin vom 8. September 2021 beim Versicherungsgericht ein (A.S. 81). Die Arbeitgeberin B.___ führte aus, die Beschwerdeführerin habe erst am 3. September 2019 bei B.___ angefangen. Als erstes habe sie die Aufgabe gehabt, in der Liegenschaft an der [...] in [...] die Treppen zu reinigen und im Aussenberich den Rasen zu mähen. Da sie sich beim Rasenmähen in den Finger geschnitten habe, habe sie nicht weiterarbeiten können.

 

5.15   Anlässlich eines Telefongesprächs zwischen Herrn H.___ von der B.___ und dem Versicherungsgericht vom 15. September 2021 (vgl. Aktennotiz vom 16. September 2021; A.S. 82) wurde dem Versicherungsgericht bestätigt, dass Herr H.___ der Geschäftsführer der Firma B.___ wie auch der G.___ GmbH ist. Sodann teilte Herr H.___ mit, er müsse abklären, ob ein Auftrag seitens der G.___ GmbH an die B.___ bestehe. Rechnungen bestünden wohl keine. Auch ein Arbeitsrapport der Beschwerdeführerin existiere nicht, da sie bereits am ersten Arbeitstag verunfallt sei. Am 16. September 2021 teilt Herr H.___ dem Versicherungsgericht telefonisch mit, er werde dem Versicherungsgericht weitere Unterlagen zustellen. Am 17. September 2021 liess er per E-Mail eine Aufstellung des Immobilien-Portfolios sowie ein Pflichtenheft der Beschwerdeführerin einreichen (vgl. A.S. 84 ff.).

6.       Dass die Beschwerdeführerin als Arbeitnehmerin bei der Firma B.___ beschäftigt und mithin im Sinne von Art. 1a Abs. 1 UVG obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert wäre, ist unbestritten. Ob sie Versicherungsleistungen für das vorliegend massgebende Ereignis beanspruchen kann, hängt davon ab, wann sich der Unfall ereignet bzw. das Arbeitsverhältnis angefangen hat (vgl. E. II. 2.2 hiervor).

 

6.1     Die Regelung, wonach die Versicherung an dem Tag beginnt, an dem der Arbeitnehmer aufgrund der Anstellung die Arbeit antritt hätte antreten sollen, wurde anlässlich der UVG-Revision per 1. Januar 2017 (vgl. E. II. 1.3 hiervor) ersetzt durch den Zeitpunkt, an welchem das Arbeitsverhältnis anfängt erstmals Lohnanspruch besteht. Damit wird der Zeitpunkt des tatsächlichen Arbeitsbeginns ersetzt durch den Zeitpunkt des vertraglichen Beginns des Arbeitsverhältnisses. Damit werden heute bestehende Deckungslücken geschlossen, indem auch jene Personen versichert werden, die zwar einen Arbeitsvertrag besitzen, die Arbeit aber – bspw. wegen Ferien auf den Arbeitsbeginn fallender Feiertage Wochenenden Teilzeitpensum – noch nicht angetreten haben. Dadurch wird die Rechtslage im Gesetz zugunsten der Versicherungsdeckung geklärt, sofern der Arbeitnehmer vor dem tatsächlichen Arbeitsantritt Ferien bezieht (bisher galt der Bezug von Ferien nicht als tatsächlicher Arbeitsantritt, womit keine Versicherungsdeckung bestand) Vorbereitungskurse besuchen muss, zumindest dann, wenn dafür bereits der arbeitsvertraglich geschuldete Lohn ausbezahlt wird (Cécile Matter/Claudio Helmle in: Basler Kommentar zum UVG, Basel 2019, N. 4 f. zu Art. 3 UVG).

 

6.2     Die Beschwerdegegnerin gelangte nach Würdigung der Umstände zum Beweisergebnis, der Unfall habe sich am 2. September 2019 ereignet. Da das Arbeitsverhältnis am 3. September 2019 zu laufen begonnen habe, habe keine Versicherungsdeckung für das Ereignis vom 2. September 2019 bestanden. Der Beschwerdegegnerin ist insoweit zuzustimmen, als den Unterlagen im Zusammenhang mit dem Datum des Unfallereignisses verschiedene Ungereimtheiten zu entnehmen sind. So lässt sich der Schadenmeldung vom 11. September 2019 (vgl. E. II. 5.2 hiervor; AH-Nr. 1) entnehmen, dass sich am 2. September 2019 um 13:00 Uhr ein Unfall beim Rasenmähen ereignet habe. Die Beschwerdeführerin habe sich an zwei Fingern verletzt. Als Datum der Anstellung wurde der 1. September 2019 angegeben. Weiter lässt sich dem Fragebogen vom 28. Oktober 2019 zum Unfallhergang (vgl. E. II 5.6 hiervor; AH-Nr. 6) entnehmen, der Unfall habe sich am 2. September 2019 um ca. 14:00 Uhr ereignet, wobei die Beschwerdeführerin die Uhrzeit nicht genau sagen könne. Auch im Bericht Leistungsaussendienst Unfall vom 20. Dezember 2019 (vgl. E. II. 5.8 hiervor; AH-Nr. 15) wurde festgehalten, die Beschwerdeführerin arbeite seit dem 1. September 2019 als Abwartin im Auftrag der B.___ bei der Firma G.___ GmbH in [...]. Der Unfall beim Rasenmähen habe sich am 2. September 2019 ereignet. Nach dem Unfall am 2. September 2019 habe sich die Beschwerdeführer am Folgetag in das Spital C.___ begeben, wo die erste Versorgung stattgefunden habe. Nachdem die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24. Februar 2020 die Ablehnung ihrer Zuständigkeit für das Unfallereignis in Aussicht gestellt hatte, legte Herr J.___ von der I.___ AG in seiner E-Mail an die Beschwerdegegnerin vom 25. Februar 2020 (vgl. E. II. 5.10 hiervor; AH-Nr. 36) dar, der Unfall habe sich am 2. September 2019 ereignet und die Beschwerdeführerin habe im Auftrag der Firma B.___ die Arbeiten ausgeführt. Das heisse, dass der erste Arbeitstag für die B.___ der 2. September 2019 gewesen sei. Im Anstellungsvertrag, datiert vom 30. August 2019, sei fälschlicherweise der 3. September 2019 als Anstellungsdatum erfasst worden. Es handle sich gemäss Herrn H.___ (Geschäftsführer der B.___) ganz einfach um einen Tippfehler. In einer weiteren E-Mail vom 26. Februar 2020 (vgl. E. II. 5.11; AH-Nr. 37) führte Herr J.___ aus, in der Zwischenzeit sei er von Herrn H.___ informiert worden, dass der Unfall am 3. September und nicht am 2. September 2019 passiert sei. Zur Dokumentierung und als Bestätigung sende er zusätzlich die E-Mail des erstbehandelnden Spitals C.___ mit dem Eintrittsformular, woraus ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin als Notfall eingeliefert worden sei. Dem Auszug aus der Patientenadministration des Spitals C.___ vom 26. Februar 2020 (vgl. E. II. 5.12 hiervor; MH-Nr. 17) lässt sich entnehmen, dass der Eintritt der Beschwerdeführerin am 3. September 2019 um 14:29 Uhr erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin wurde noch gleichentags operiert bei einem Befund einer Fingerkuppenteilamputation Dig. II und II im Bereich der Endphalanx rechts mit/bei mehrfragmentärer Fraktur des Processus unguicularis Dig II und Dig III (MH-Nr. 1). Laut dem Austrittsbericht des Spitals C.___ vom 5. September 2019 (MH-Nr. 3) war die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 3. bis 5. September 2019 hospitalisiert. Der vom Versicherungsgericht des Kantons Solothurn veranlassten Stellungnahme der erstbehandelnden Ärzte des Spitals C.___ Dres. med. D.___ und E.___ vom 7. Juni 2021 (A.S. 75) ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin sich am 3. September 2019 auf der Notfallstation mit einer Fingerkuppenteilamputation des Zeigefingers und Mittelfingers der rechten Hand vorgestellt habe, nachdem sie in einen Rasenmäher gegriffen gehabt habe, um eine Blockade zu lösen. Da im Notfallbericht resp. in der Anamnese kein genauer Zeitpunkt dokumentiert worden sei, lasse sich eine Aussage bezüglich des genauen Zeitraumes zwischen Unfall und operativer Versorgung nicht mehr klären. Das Verletzungsmuster sei jedoch frisch gewesen. Die Frage, ob die genannten Verletzungen es zugelassen hätten, dass die Beschwerdeführerin nach Erleiden dieser Verletzungen noch 24 Stunden zuwarte, bis sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehme, beantworteten die behandelnden Ärzten folgendermassen: Ob ein 24-stündiges Abwarten mit anschliessender chirurgischer Behandlung vertretbar wäre, lasse sich klar beantworten. Bei verzögerter operativer Behandlung steige das Risiko eines Infektes und einer notwendigen Stumpfbildung. Damit wäre es nicht zulässig, eine solche Verletzung über 24 Stunden nicht operativ zu behandeln.

 

6.3     Vorliegend gibt es Indizien, die dafür als auch dagegen sprechen, dass sich der geltend gemachte Unfall am 3. September 2019 ereignete. Tatsache ist, dass die Arbeitgeberin B.___ der Beschwerdegegnerin als Unfalldatum den 2. September 2019 genannt und dieses Datum in den weiteren Unterlagen wiederholt als Unfalldatum angegeben hat. Demgegenüber bestehen gewichtige Indizien dafür, dass sich der Unfall am 3. September 2019 ereignet hat. Dafür sprechen unter anderem die medizinischen Unterlagen: So lässt sich den Akten entnehmen, dass der Eintritt im erstbehandelnden Spital C.___ am 3. September 2019 um 14:29 Uhr erfolgte. Mit Blick auf die Angabe in der Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 (AH-Nr. 1), wonach sich der Unfall um 13:00 Uhr ereignet habe, spricht die Uhrzeit des Eintritts in der Notfallabteilung des erstbehandelnden Spitals durchaus dafür, dass sich der Unfall am Tag des Spitaleintritts ereignet hat. Für die Annahme, der Unfall habe sich am 3. September 2019 ereignet, sprechen auch die dokumentierten Verletzungen, die die Beschwerdeführerin durch das Ereignis erlitten hat. Dass sie mit den erwähnten Verletzungen einer Fingerkuppenteilamputation zweier Finger im Bereich der Endphalanx verbunden mit mehrfragmentärer bzw. einfacher Fraktur der beiden Finger einen ganzen Tag zuwartet, bis sie schliesslich medizinische Versorgung in Anspruch nimmt, erscheint doch höchst unwahrscheinlich. So haben auch die erstbehandelnden Ärzte bestätigt, dass ein 24-stündiges Abwarten mit anschliessender chirurgischer Behandlung nicht vertretbar wäre, da bei verzögerter operativer Behandlung das Risiko eines Infektes und einer notwendigen Stumpfbildung steige. Den vorliegend ins Recht gelegten medizinischen Akten lässt sich nicht entnehmen, dass es zu Komplikationen gekommen wäre. Auch bestätigten die erstbehandelnden Ärzte des Spitals C.___, dass das Verletzungsmuster am Tag der Aufnahme im Spital frisch gewesen sei. So wurde auch im Austrittsbericht des Spitals C.___ vom 5. September 2019 (MH-Nr. 3) der folgende Lokalstatus der rechten Hand dokumentiert: Dig. II distale Phalanx, ca. 1 x 2 cm grosse, tiefe stark blutende Wunde. Inspektorisch Teilamputation der Fingerkuppe. Distale Phalanx Dig. III ca. 1.5 cm lange und stark blutende Wunde. Dass die Beschwerdeführerin mit der genannten, stark blutenden Verletzung einen ganzen Tag ohne medizinische Versorgung hätte zuwarten können, erscheint unrealistisch. Zusammenfassend ist es mit Blick auf die genannten Umstände überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Anstellungsverhältnisses mit der Firma B.___ am 3. September 2019 die Arbeit aufnahm und gleichentags verunfallte. Damit war sie bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch unfallversichert.

 

6.4    

6.4.1  An diesem Ergebnis würde sich im Übrigen auch nichts ändern, wenn davon ausgegangen würde, der Unfall habe sich doch am 2. September 2019 ereignet. Wie bereits dargelegt (vgl. E. II. 6.1 hiervor), wurden im Rahmen der UVG-Revision per 1. Januar 2017 bestehende Deckungslücken – zugunsten der Versicherungsdeckung – geschlossen, indem auch jene Personen versichert werden, die zwar einen Arbeitsvertrag besitzen, die Arbeit aber noch nicht angetreten haben. Unklar ist, ob mit der neuen gesetzlichen Regelung dem Kriterium des erstmaligen Lohnanspruchs gegenüber dem Kriterium des Beginns des Arbeitsverhältnisses eine selbständige Bedeutung zukommt. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war die Schliessung von Deckungslücken, womit – nach der Lehre – davon auszugehen ist, dass im Verhältnis zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und erstmaligem Lohnanspruch dasjenige Kriterium Vorrang haben soll, das zeitlich früher eintritt, um den Versicherungsschutz möglichst früh zu gewährleisten. In Fällen, in welchen der Lohnanspruch bereits vor dem Vertragsbeginn eintritt (z.B. bei Vorbereitungskursen, die vor dem eigentlichen Vertragsbeginn zu absolvieren sind und speziell entlohnt werden, bei ungültigen Arbeitsverträgen nach Art. 320 Abs. 3 OR bei frühzeitigem Arbeitsbeginn, z.B. wegen unvorhersehbarer Stellvertretung) würde der Versicherungsschutz somit, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zu Vorbereitungskursen, bereits vor dem vertraglichen Arbeitsbeginn eintreten (Matter/Helmle, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 3 UVG). Gemäss dieser Rechtsprechung zu Vorbereitungshandlungen ist für den Versicherungsbeginn der tatsächliche Arbeitsantritt als faktisches Ereignis massgeblich, d.h., wenn der Arbeitnehmer mit der eigentlichen Arbeit beginnt, für die er angestellt wurde, wenn er jene konkreten Vorbereitungshandlungen vornimmt, die für die Arbeit erforderlich sind (Matter/Helmle, a.a.O., N. 8 zu Art. 3 UVG). Das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht hat in BGE 118 V 177 entschieden, wie der Begriff "Antritt der Arbeit" auszulegen ist und daran seither in konstanter Rechtsprechung festgehalten (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 317/02 vom 21. März 2003 E. 2 mit Hinweisen). Demnach tritt der Arbeitnehmer die Arbeit an, wenn er mit der eigentlichen Arbeit, um derentwillen er angestellt wurde, beginnt. "Antritt der Arbeit" sei aber auch dann anzunehmen, wenn er jene Vorbereitungshandlungen konkret vornehme, die für die Arbeit erforderlich seien, so z.B., wenn er auf der Baustelle Werkzeug und Material fasse, Maschinen bereitstelle auf der Arbeitsstätte sich die Arbeitskleider anziehe. Die Auslegung, was "Arbeit antreten" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 UVG bedeutet, hat sich mitunter am Inhalt der "Anstellung" und damit am Arbeitsvertrag zu orientieren (BGE 118 V 177 E. 1b S. 179 mit Hinweisen).

 

6.4.2  Im Arbeitsvertrag vom 30. August 2019 zwischen der Firma B.___ und der Beschwerdeführerin (vgl. E. II. 5.1 hiervor; AH-Nr. 35) wurde unter Ziffer 2 „Tätigkeitsbereich“ festgehalten, die Beschwerdeführerin sei für die Hauswartung für diverse Liegenschaften der Firma B.___ zuständig; u.a. für die Durchführung von Unterhalts- und Instandhaltungsarbeiten des zugewiesenen Portfolios, die Reparaturen an Gebäuden, Mobiliar, Maschinen und Einrichtungen, die Pflege der Grünanlagen der gemeindeeigenen Liegenschaften, für den periodischen Service an Gebäuden und Anlagen, das Führen der Termin- und Pendenzkontrolle sowie Ansprechpartner für Kunden und Mieter. Der im Beschwerdeverfahren eingereichten Aufstellung des Immobilien-Portfolios der Firma B.___ lässt sich unter anderem auch das Mehrfamilienhaus an der [...] in [...] entnehmen. An dieser Adresse soll sich der Unfall mit dem Rasenmäher ereignet haben (vgl. Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 [E. II. 5.2 hiervor; AH-Nr. 1]). Im Pflichtenheft der Beschwerdeführerin (A.S. 87 f.) wird auf die separate Aufstellung der Liegenschaften verwiesen. Was den Unfallhergang anbelangt, so wurde in der Schadenmeldung UVG vom 11. September 2019 (AH-Nr. 1) festgehalten, die Beschwerdeführerin habe sich beim Rasenmähen an zwei Fingern verletzt. Im Fragebogen Unfallhergang vom 28. Oktober 2019 (vgl. E. II. 5.6 hiervor; AH-Nr. 6) gab die Beschwerdeführerin an, der Unfall habe sich in [...] ereignet. Weiter schilderte sie den Unfall. Sie legte dar, beim Rasenmähen habe sie Plastik entfernen wollen, das in der Maschine eingeklemmt gewesen sei. Dann sei der Unfall passiert. Im Bericht Leistungsaussendienst Unfall vom 20. Dezember 2019 (vgl. E. II. 5.8 hiervor; AH-Nr. 15) wurde ausgeführt, gemäss der Schilderung der Beschwerdeführerin habe sie in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Rasen gemäht. Dazu habe sie einen mit Benzin betriebenen Rasenmäher benutzt. Nach einer gewissen Zeit habe die Effizienz des Mähers nachgelassen, weil sich Gras in den Messern abgelagert habe. Die Beschwerdeführerin habe in die rotierenden Messer gegriffen, um diese vom Gras zu befreien. Dabei habe sie sich an zwei Fingern verletzt (zweiter und dritter Finger der rechten, dominanten Hand). Am 19. Dezember 2019 schilderte die Beschwerdeführerin erneut den Unfallhergang und führte aus, am 2. September 2019 habe sie während der Arbeit den Rasen gemäht. Das Gras habe sich in den Rädern verfangen, was sie habe entfernen wollen. Dabei habe sie sich mit den Messern an zwei Fingern verletzt. Der Motor sei dabei gelaufen, sie habe ihn nicht abgestellt (AH-Nr. 15 S. 4). Dem Austrittsbericht des C.___ vom 5. September 2019 (vgl. E. II. 5.4 hiervor; MH-Nr. 3) lässt sich entnehmen, die Beschwerdeführerin habe sich nach einem Arbeitsunfall notfallmässig vorgestellt. Sie habe mit der rechten Hand in das Messer des Rasenmähers gegriffen, um eine Blockade zu lösen. Dieser sei plötzlich angegangen und habe ihr die Verletzung zugefügt. Gestützt auf diese Darstellung des Unfallhergangs erscheint es im Hinblick auf den vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin als erstellt, dass die Beschwerdeführerin in Ausübung der eigentlichen Arbeit, um derentwillen sie angestellt wurde, verunfallt ist. Gemäss Beschrieb des Tätigkeitsgebietes ist die Pflege der Grünanlagen unter anderem auch der Liegenschaft an der [...] in [...] Teil des Pflichtenheftes. Dies wird denn auch von keiner Seite bestritten. So hat die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2021 (A.S. 99) bestätigt, dass die Beschwerdeführerin die eigentliche vertraglich geschuldete Leistung erfüllt habe. Vor diesem Hintergrund wäre vorliegend von einem effektiven Arbeitsantritt im Sinne eines frühzeitigen Arbeitsbeginns auszugehen. In Anbetracht der dargelegten Rechtsprechung (vgl. E. II. 6.4.1 hiervor) wäre demnach die Versicherungsdeckung auch für einen Unfall am 2. September 2019 zu bejahen, was jedoch nicht abschliessend beurteilt werden muss, da eine Versicherungsdeckung ohnehin zu bejahen ist. Der Beschwerdegegnerin ist insoweit zu folgen (A.S. 98 f.), als eine weitgefasste Auslegung des Begriffs des "effektiven Arbeitsantritts" dazu führen könnte, dass Versicherungsleistungen für lange vor dem effektiven Arbeitsbeginn getätigte Handlungen erbracht werden müssten, was nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung von Art. 3 Abs. 1 UVG entspricht (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 6/99 vom 10. Mai 2001 E. 4b mit Hinweis auf BGE 118 V 177 E. 1b S. 179). Vorliegend wäre jedoch die Annahme einer Versicherungsdeckung infolge des effektiven Arbeitsantritts insbesondere auch unter dem Aspekt der zeitlich unmittelbaren Nähe zum vertraglich vereinbarten ersten Arbeitstag am 3. September 2019 gerechtfertigt.

 

7.       Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Firma B.___ als Arbeitgeberin und der Beschwerdeführerin als Arbeitnehmerin spätestens am 3. September 2019 begann und die Beschwerdeführerin an diesem Tag die Arbeit aufnahm. Sie erlitt am 3. September 2019 einen Berufsunfall. Gegen dessen Folgen war die Beschwerdegegnerin im Sinne von Art. 1a Abs. 1 UVG bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch versichert. Der angefochtene Einspracheentscheid vom 22. Juni 2020 ist demnach aufzuheben. Die Akten sind an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Leistungen für das Unfallereignis vom 3. September 2019 auf dieser Grundlage neu prüft und darüber entscheidet. Die Beschwerde ist in diesem Sinne gutzuheissen.

 

8.

8.1     Die obsiegende Beschwerde führende Partei hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten (Art. 61 lit. g ATSG). Praxisgemäss gilt es unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf eine Parteientschädigung im Streit um eine Sozialversicherungsleistung bereits als Obsiegen, wenn die versicherte Person ihre Rechtsstellung im Vergleich zu derjenigen nach Abschluss des Administrativverfahrens insoweit verbessert, als sie die Aufhebung einer ablehnenden Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender Abklärung und neuer Beurteilung erreicht (BGE 132 V 215 E. 6.2 S. 235 f.). Der Beschwerdeführerin steht somit eine ordentliche Parteientschädigung zu, die die Beschwerdegegnerin zu bezahlen hat.

 

8.2     Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat in seiner Honorar- und Spesenrechnung vom 7. Oktober 2021 (A.S. 95 ff.) einen Zeitaufwand von insgesamt 17.09 Stunden sowie Auslagen von CHF 148.70, zuzüglich 7,7 % Mehrwertsteuer, geltend gemacht. Vom aufgelisteten Zeitaufwand von 17.09 Stunden entfallen 3 Stunden auf die Zeit vor Erlass des angefochtenen Einspracheentscheides vom 22. Juni 2020. Dieser vorprozessuale Aufwand ist zu streichen. Der verbleibende Aufwand von 14.09 Stunden erscheint angemessen. Unter Berücksichtigung des geltend gemachten Stundenansatzes von CHF 250.00, der Auslagen ab dem Zeitpunkt des angefochtenen Einspracheentscheides sowie der Mehrwertsteuer führt dies zu einer Parteientschädigung von insgesamt CHF 3'928.05 (Honorar von CHF 3'522.50, Auslagen von CHF 124.70 und MwSt. von CHF 280.85).

 

8.3     Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde vom 26. August 2020 wird gutgeheissen. Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 22. Juni 2020 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Unfalls vom 3. September 2019 bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch unfallversichert war.

2.    Die Akten gehen an die Beschwerdegegnerin, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin entscheide.

3.    Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 3'928.05 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

4.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Vizepräsidentin                   Die Gerichtsschreiberin

Weber-Probst                           Yalcin

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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