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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STREV.2022.9)

Zusammenfassung des Urteils STREV.2022.9: Verwaltungsgericht

Der Gesuchsteller A.___ wurde in einem Strafbefehl wegen Verkehrsverstössen verurteilt und beantragte später die Revision dieses Strafbefehls. Er argumentierte, dass neue Beweise seine Unschuld belegen würden. Das Gericht entschied jedoch, dass das Revisionsgesuch unbegründet und rechtsmissbräuchlich war und wies den Antrag auf amtliche Verteidigung ab. A.___ wurde verpflichtet, die Gerichtskosten in Höhe von CHF 650.00 zu tragen. Der Richter war männlich.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STREV.2022.9

Kanton:SO
Fallnummer:STREV.2022.9
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STREV.2022.9 vom 31.05.2023 (SO)
Datum:31.05.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Gesuch; Gesuchsteller; Revision; Staatsanwaltschaft; Befehl; Verfahren; Zeuge; Revisionsgesuch; Gesuchstellers; Beweismittel; Fahrtenschreiber; Zeugen; Entscheid; Zeitpunkt; Verteidigung; Anzeiger; Befehls; Geschwindigkeit; Rechtsmittel; Frist; Privatkläger; Revisionsgr; Sache; Solothurn
Rechtsnorm: Art. 132 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 352 StPO ;Art. 354 StPO ;Art. 410 StPO ;Art. 412 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:129 I 129;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts STREV.2022.9

 
Geschäftsnummer: STREV.2022.9
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 31.05.2023 
FindInfo-Nummer: O_ST.2023.40
Titel: Revision des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (STA.2022.02878)

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

 

 

Beschluss vom 31. Mai 2023       

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Marti

Oberrichter Werner  

Gerichtsschreiberin Schmid

In Sachen

A.___, vertreten durch Martin Schreier

Gesuchsteller

 

gegen

 

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Gesuchsgegnerin

 

betreffend     Revision des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (STA.2022.02878)


Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I.

 

1.   Mit Strafbefehl vom 28. Juni 2022 wurde A.___ (nachfolgend Gesuchsteller) wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügenden Abstand zu anderen Strassenbenützern sowie zu frühem Einbiegen nach dem Überholen, einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch Vornahme einer Verrichtung, welche die Bedienung des Fahrzeuges erschwert, und Beschimpfung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je CHF 90.00 und einer Busse von CHF 300.00, bei Nichtzahlung ersatzweise zu 3 Tagen Freiheitsstrafe, verurteilt. Der Strafbefehl erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

2.   Mit Gesuch vom 17. Oktober 2022 ersuchte der nun durch Rechtsanwalt Martin Schreier vertretene Gesuchsteller um Revision des Strafbefehls und stellte folgende Rechtsbegehren:

 

1.    Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Juli 2022 (STA.2022.2876) sei aufzuheben.

2.    Der Gesuchsteller sei von der Anschuldigung der groben Verletzung der Verkehrsregeln, der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln und der Beschimpfung, angeblich begangen am 8. April 2022 in [Ort 1], von Schuld und Strafe frei zu sprechen.

3.    Eventuell sei der Strafbefehl im Verfahren STA.2022.2876 aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4.    Der Unterzeichnete sei als amtlicher Verteidiger des Gesuchstellers einzusetzen unter Ansetzung einer Frist zur Dokumentierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse.

5.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates Solothurn.

 

3.   Mit Verfügung vom 24. Oktober 2022 wurde das Revisionsgesuch der Staatsanwaltschaft zur Einreichung der Akten und Stellungnahme zugestellt. Die Staatsanwaltschaft äusserte sich mit Eingabe vom 2. Dezember 2022 zum Revisionsbegehren.

 

4.   Mit Verfügung vom 23. Januar 2023 wurde festgestellt, dass der damalige Privatkläger B.___ im Revisionsverfahren bisher fälschlicherweise nicht mit Verfügungskopien bedient wurde, und dies nachgeholt. Gleichzeitig wurde die erstreckte Frist des Gesuchstellers zur Replik ausgesetzt.

 

5.   Mit Verfügung vom 23. Februar 2023 wurde festgestellt, dass sich der damalige Privatkläger zum Revisionsgesuch nicht vernehmen liess und dem Gesuchsteller neu Frist für allfällige Bemerkungen zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft angesetzt.

 

6.   Der Gesuchsteller replizierte nach mehrfach erstreckter Frist mit Eingabe vom 17. Mai 2023 auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft.

 


 

II.

 

1.   Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, welches es erlaubt, rechtskräftig erledigte Strafverfahren wieder aufzunehmen und den Fall neu zu beurteilen. Sie ist deshalb nur in engem Rahmen zulässig. Entsprechend streng sind die Voraussetzungen einer Revision. Wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, kann die Revision verlangen, wenn u.a. neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO). Im Weiteren kann eine beschwerte Person die Revision verlangen, wenn der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b).

2.       

2.1.  Der Gesuchsteller macht zu Beginn geltend, der Strafbefehl sei nur in Rechtskraft erwachsen, weil er keine Kenntnis vom Erlass des Strafbefehls gehabt habe. Obwohl die Staatsanwaltschaft von der rechtlichen Vertretung Kenntnis gehabt habe, da sein Vertreter bereits mehrfach in diversen anderen parallel laufenden Strafangelegenheiten aufgetreten sei, sei der Strafbefehl nur an die Privatadresse des Gesuchstellers geschickt worden. Da dieser sich zu jenem Zeitpunkt wegen der schmerzhaften Nachwirkung eines Messerangriffs aus dem April 2022 selten in seiner Wohnung aufgehalten habe, habe er keine Kenntnis vom Eingang des Strafbefehls gehabt.

 

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft war korrekt, wenn sie den Strafbefehl direkt dem Gesuchsteller zustellte, nachdem dieser ausdrücklich auf eine Verteidigung im betreffenden Strafverfahren verzichtet hatte und offensichtlich kein Fall einer notwendigen Verteidigung vorlag. Ebenfalls stellt die Staatsanwaltschaft korrekt fest, dass die Behauptung, der Gesuchsteller habe keine Kenntnis vom Strafbefehl erlangt, aktenwidrig ist, wie sie durch den entsprechenden Postbeleg auch beweist. Der Strafbefehl wurde dem Gesuchsteller nachweislich am 11. Juli 2022 am Postschalter in [Ort 2] gegen Unterschrift ausgehändigt. Es wäre ihm somit ohne weiteres möglich gewesen, fristgerecht Einsprache gegen den Strafbefehl zu erheben.

 

2.2.  Der Gesuchsteller stützt sich auf den Revisionsgrund der neuen Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO. Die Beweise, welche die Unschuld des Gesuchstellers nachweisen würden, hätten im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft nicht vorgebracht werden können. Der Gesuchsteller habe erst im Oktober 2022 von diesen Beweismitteln Kenntnis nehmen können. Der Gesuchsteller reicht eine Auswertung seines Fahrtenschreibers (Beilage 3 Revisionsgesuch) ein, die belege, dass er, als er sich hinter dem damaligen Privatkläger befand, stets unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (53 bzw. 26 km/h) gefahren sei. Da der Anzeiger selbst zu Protokoll gegeben habe, dass er im 60er tachomässig knapp unter 70 gefahren sei, sei dieser schneller gefahren als der Gesuchsteller, wodurch sei es nicht möglich sei, dass der Gesuchsteller diesem nahe aufgefahren sei. Weiter sei ersichtlich, dass der Gesuchsteller beim Überholen die Geschwindigkeit auf 79 km/h erhöht und in Folge auf 25 km/h reduziert habe. Dass der Gesuchsteller den Anzeiger mit 79 km/h habe überholen können, zeige auf, dass der Anzeiger nicht mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit gefahren sei. Gleiches belege auch die Zeugenaussage von C.___ (Beilage 4). Dieser schildere, dass er das im Zentrum stehende Vorgehen genau habe beobachten können, und habe angegeben, dass der Gesuchsteller zu keinem Zeitpunkt dem Anzeiger nahe aufgefahren sei. Vielmehr sei es so, dass der Anzeiger auf der Landstrasse, auf welcher man mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h fahren dürfe, massiv verlangsamt unterwegs gewesen sei. So habe auch er diesen überholen müssen. Beim Überholvorgang des Gesuchstellers habe C.___ keine gefährliche Situation feststellen können, weil immer der notwendige Abstand eingehalten worden sei. Nachdem auch er den Anzeiger überholt gehabt habe, habe er sich mit seinem Fahrzeug hinter dem Gesuchsteller und vor dem Anzeiger befunden. Er habe zu keinem Zeitpunkt wahrnehmen können, dass der Gesuchsteller dem Anzeiger irgendwelche Gesten gezeigt habe und auch nicht, dass dieser die Lenkvorrichtung losgelassen haben solle. Die beiden genannten Beweismittel seien zum Zeitpunkt des Strafbefehls bereits vorgelegen, hätten jedoch nicht in das Verfahren eingebracht werden können. Der Gesuchsteller habe bereits in seiner Einvernahme vom 30. April 2022 darauf hingewiesen, dass sich in seinem Auto ein Fahrtenschreiber befinde. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch darauf verzichtet, dieses Beweismittel zu berücksichtigen bzw. die Auswertung des Fahrtenschreibers einzuholen. Aufgrund dessen habe der Gesuchsteller eigens die Auswertung des Fahrtenschreibers bei der zuständigen Firma einholen müssen. Auch der Zeuge sei zum Zeitpunkt des Strafbefehls dem Gesuchsteller noch nicht bekannt gewesen. So habe dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt feststellen können, dass C.___ den gesamten Vorfall habe beobachten können. Die Staatsanwaltschaft habe von dem Zeugen keine Kenntnis haben können, da der Anzeiger in seiner Einvernahme vom 11. April 2022 angegeben habe, dass der Gesuchsteller immer darauf geachtet habe, dass keine Zeugen vorhanden seien. Der Zeuge habe demnach zum Zeitpunkt des Strafbefehls bereits bestanden, habe jedoch nicht berücksichtigt werden können.

 

2.3.  Am Vorgehen der Staatsanwaltschaft, bei der damals vorliegenden Beweislage einen Strafbefehl zu erlassen, ist nichts auszusetzen. Durch die Aussagen der Beteiligten war der Sachverhalt hinreichend klar (Art. 352 Abs. 1 StPO). So hätte es dem Gesuchsteller denn auch freigestanden, Einsprache gegen den Strafbefehl zu erheben und allenfalls weitere Beweisanträge zu stellen (Art. 354 f. StPO).

 

2.4.  Betreffend den Fahrtenschreiber des Gesuchstellers ist mit der Staatsanwaltschaft festzuhalten, dass der Gesuchsteller diesen in einem Einspracheverfahren hätte einbringen müssen. Er begründete denn auch nicht, weshalb die entsprechenden Daten erst im Zeitpunkt des Revisionsgesuches vorgelegen sein sollen und nicht früher hätten beigebracht werden können. Vielmehr erwähnte der Gesuchsteller den Fahrtenschreiber bereits anlässlich der Einvernahme vom 30. April 2022, dass sich ein solcher in seinem Auto befinde und die Fahrdaten aufzeichne. Offensichtlich wären die Daten demnach damals bereits verfügbar gewesen. Die Staatsanwaltschaft erklärte in ihrer Stellungnahme, dass auf die Einholung dieser Daten verzichtet worden sei. Soweit der Gesuchsteller diese nun also im Revisionsverfahren vorbringt, ist das Beweismittel nicht neu. Um diese Tatsachen gültig einzubringen, hätte er Einsprache erheben und damit die Durchführung des ordentlichen Verfahrens veranlassen müssen. Dies hat er nicht getan. Er hat auch keinerlei Gründe für diese Unterlassung genannt als die aktenwidrige Behauptung, er habe den Strafbefehl nicht erhalten, und es sind auch keine ersichtlich. Unter diesen Umständen erscheint sein Revisionsgesuch als Mittel, um den ordentlichen Rechtsmittelweg zu umgehen. Eine Revision ist aber nicht dazu da, nicht genutzte Rechtsmittel zu ersetzen. Das Revisionsgesuch wurde zeitgleich mit einer Beschwerde gegen einen Führerausweisentzug (VWBES.2022.386) eingereicht, der offensichtlich als Folge der Verurteilung vom 28. Juni 2022 erfolgte. Es macht den Anschein, dass der Gesuchsteller nun nachträglich versucht, dem Führerausweisentzug zu entgehen. Soweit es die Auszüge aus dem Fahrtenschreiber betrifft, ist das Revisionsgesuch folglich als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Gemäss Art. 412 Abs. 2 StPO tritt das Gericht auf das Revisionsgesuch nicht ein, wenn es offensichtlich unzulässig unbegründet ist. Insoweit ist darauf nicht einzutreten.

 

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Daten des Fahrtenschreibers auch materiell nicht geeignet wären, den Strafbefehl umzustossen. Die Staatsanwaltschaft klärte die Funktionsweise dieser Fahrtenschreiber bei der Firma Logifleet, die den entsprechenden Auszug anfertigte, ab (Telefonnotiz Staatsanwaltschaft). Dabei handelt es sich ohne Weiteres um ein zulässiges Vorgehen, das der Praxis der Staatsanwaltschaft entspricht. Der Gesuchsteller vermag keinerlei objektive Zweifel an der Richtigkeit der Notiz zu begründen und solche sind auch nicht ersichtlich. Die Abklärung einer derart kurzen Frage auf diesem Weg ist nicht zu beanstanden. Die Staatsanwaltschaft stellte sodann fest, dass es sich bei den Aufzeichnungen um Momentaufnahmen handle. Welche Geschwindigkeit zwischen den Aufnahmen gefahren werde, könne daraus nicht abgeleitet werden. Es werde nicht die höchste gefahrene Geschwindigkeit gemessen. Offensichtlich sind die Aufzeichnungen damit nicht geeignet zu beweisen, dass der Gesuchsteller hinter dem damaligen Privatkläger nie über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren sei. Die Momentaufnahme bescheinigt ihm zwar auf der [Strasse] eine Geschwindigkeit von 79 km/h, wobei zu Beginn der Strasse 80 km/h erlaubt sind, bis sie in eine 30er-Zone übergeht, und damit eine Geschwindigkeit im erlaubten Bereich, doch es ist nicht bewiesen, in welchem Moment er diese Geschwindigkeit fuhr. Ebensowenig beweisen die aufgezeichneten Geschwindigkeiten, dass er langsamer gefahren sei als der damalige Privatkläger und diesem so gar nicht habe nahe auffahren können. Das Beweismittel vermag somit keinen Freispruch des Gesuchstellers einen wesentlich milderen Entscheid zu begründen und es läge somit auch bei Zulässigkeit kein Revisionsgrund vor.

 

2.5.  Was die Zeugenaussage betrifft ist unklar, weshalb diese erst jetzt vorliegt. Der Gesuchsteller behauptet pauschal, vor Oktober 2022 nicht vom angeblichen Zeugen gewusst zu haben. Im Strafverfahren erwähnten jedoch weder er noch der damalige Privatkläger einen anderen Autofahrer, der im fraglichen Zeitpunkt auf derselben Strecke unterwegs gewesen wäre. Zumindest vom Gesuchsteller wäre doch zu erwarten gewesen, dass er aussagt, dass noch ein möglicher Zeuge existiert. Offenbar kennen sich die beiden, da C.___ das Fahrzeug des Gesuchstellers angeblich erkannt hat. So hätte doch wohl auch der Gesuchsteller C.___ erkennen und diesen als Zeugen benennen können. Das so viel später eingereichte Schreiben von C.___ wirkt unter dem Gesichtspunkt des laufenden Administrativverfahrens wie ein Gefälligkeitsschreiben. Sollte C.___ das Manöver des Gesuchstellers tatsächlich beobachtet haben, so hätte der Gesuchsteller auch dies – analog zum Fahrtenschreiber – im ordentlichen Einspracheverfahren geltend machen müssen. Auch diesbezüglich ist das Gesuch rechtsmissbräuchlich. Damit erübrigt sich auch eine Befragung des angeblichen Zeugen.

 

2.6.  Was die Kritik des Gesuchstellers betrifft, die Staatsanwaltschaft stelle nun Fragen in den Raum, die in Rahmen des Untersuchungsverfahrens durch sie selbst zu klären seien, ist ihm entgegenzuhalten, dass im Revisionsverfahren die Verantwortung für die Stoffsammlung und den Nachweis von Behauptungen dem Gesuchsteller obliegt. Die Revisionsgründe und -ziele sind exakt zu benennen. Das Berufungsgericht ist nicht gehalten, selbst nach Revisionsgründen zu suchen ein ungenügendes Revisionsgesuch zu ergänzen. Weder der Untersuchungsgrundsatz nach Art. 6 noch die Unschuldsvermutung nach Art. 10 kommen hier zum Tragen. Im Gegensatz dazu gilt, dass Zweifel für die Rechtskraft des beanstandeten Urteils sprechen. Der Gesuchsteller hat im Einzelnen darzutun, inwiefern Tatsachen und Beweismittel neu sowie erheblich sind. So muss das Revisionsgesuch etwa Angaben darüber enthalten, welche Aussagen von einem Zeugen zu erwarten sind, welchen Inhalt eine Urkunde und welche Beschaffenheit ein bestimmtes Beweisstück haben wird. Die Anforderungen an einen Beweisantrag sind strenger als im Hauptverfahren. Dies gilt insbesondere für die allenfalls geltend zu machende Relevanz des Beweises. Es müssen im Wiederaufnahmeverfahren zusätzlich noch Anhaltspunkte für das zu erwartende Beweisergebnis vorgebracht werden. Die Behauptung, ein Zeuge werde nun so anders aussagen, vermag für sich allein nicht zu genügen. Es empfiehlt sich bspw. näher darzutun, bei welcher Gelegenheit und auf welche Weise der Zeuge das behauptete Wissen erlangt hat. Es wird mangels anderer Anhaltspunkte gegebenenfalls nötig sein, eine schriftliche Zeugenbestätigung einzureichen, aus der die Aussagebereitschaft des Zeugen und der rudimentäre Inhalt einer Aussage ersichtlich sind (BSK StPO-Heer, Art. 412 StPO N 1 f.)

 

 

III.

 

1.   Der Gesuchsteller ersucht um amtliche Verteidigung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Martin Schreier als amtlicher Verteidiger. Durch die in Art. 90 Abs. 2 SVG angedrohte Strafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe Geldstrafe liege kein Bagatellfall vor. Die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Gesuchstellers sei mit einem Einkommen von rund CHF 6'500.00 pro Monat mit einer Unterhaltspflicht für zwei Kinder im schulpflichtigen Alter gegeben. Er verfüge über keine Ersparnisse. Es handle sich vorliegend um ein rechtlich komplexes Verfahren, weshalb der Gesuchsteller nicht in der Lage sei, dieses alleine zu bewältigen. Er sei auf einen rechtlichen Beistand angewiesen.

 

2.   Im Revisionsverfahren, somit in einem nach rechtskräftiger Erledigung der Strafsache (Art. 410 StPO) angehobenen ausserordentlichen Rechtsmittelverfahren, besteht nach konstanter Praxis gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV nur dann ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand bzw. amtliche Verteidigung, wenn einigermassen begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Revisionsgrundes gegeben sind (BGE 129 I 129, W. 2.3; ZR 96 [1997] Nr. 118 m. H.; BGer vom 9.4.2013, 1B_74/2013, E. 2.2.).

 

Das Wiederaufnahmegesuch darf nicht völlig aussichtslos erscheinen. Eine amtliche Verteidigung ist angezeigt, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Fall in tatsächlicher rechtlicher Hinsicht schwierig ist, namentlich wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen zu erwarten sind (Art. 132 Abs. 2 und 3 StPO). Eine Wiederaufnahme bedingt oft komplizierte Abklärungen (BSK StPO-Heer, Art. 412 StPO N 11).

 

3.   Das Revisionsgesuch war von Beginn an unbegründet und aussichtslos. Das Revisionsgesuch bezüglich der angeblich neuen Beweismittel stellt sich als rechtsmissbräuchlich heraus und sie hätten am Entscheid auch materiell nichts zu ändern vermocht. Begründete Anhaltspunkte für einen Revisionsgrund lagen keine vor. Die ausgefällte Strafe betrug 60 Tagessätze Geldstrafe und eine Busse von CHF 300.00 und war damit weit geringer, als von Art. 132 Abs. 3 StPO für eine amtliche Verteidigung gefordert. Das Gesuch um amtliche Verteidigung ist daher abzuweisen.

 

4.   Gemäss Art. 428 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Revisionsverfahrens mit einer Gerichtsgebühr von CHF 600.00 dem unterliegenden Gesuchsteller aufzuerlegen.

 

 

Demnach wird in Anwendung von Art. 412 Abs. 2 und Art. 428 StPO beschlossen:

1.    Auf das Revisionsgesuch von A.___ vom 17. Oktober 2022 wird nicht eingetreten.

2.    Das Gesuch um amtliche Verteidigung wird abgewiesen.

3.    Die Prozesskosten mit einer Gerichtsgebühr von CHF 600.00, total CHF 650.00, hat A.___ zu bezahlen.

 

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Entscheids zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Entscheids beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Schmid



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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