Zusammenfassung des Urteils STREV.2022.7: Verwaltungsgericht
Ein Gesuchsteller wurde wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt, erhob jedoch Einspruch. Das Urteil wurde vom Obergericht revidiert, und der Gesuchsteller wurde freigesprochen. Die sichergestellten Substanzen sollten vernichtet werden, aber der Gesuchsteller beantragte, das CBD-Cannabisharz zurückzuerhalten. Die Staatsanwaltschaft lehnte dies ab, und das Gericht entschied, dass eine Gesetzesänderung keine Revision rechtfertigt. Das Revisionsgesuch wurde abgelehnt, und die Kosten des Verfahrens wurden dem Gesuchsteller auferlegt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STREV.2022.7 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 05.12.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Revision; Urteil; Recht; Gesuch; Staat; Urteils; Cannabis; Staatsanwaltschaft; Entscheid; Person; Gesetzesänderung; Gesuchsteller; Cannabisharz; Gramm; Sache; Bundesgericht; Revisionsgesuch; Berufung; Einziehung; Revisionsgr; Obergericht; Solothurn; Rechtskraft; Tatsache; Obergerichts |
Rechtsnorm: | Art. 410 StPO ;Art. 413 StPO ;Art. 69 StGB ; |
Referenz BGE: | 130 IV 72; 137 IV 59; 92 IV 179; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | STREV.2022.7 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 05.12.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2022.74 |
Titel: | Revisionsgesuch |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Beschluss vom 5. Dezember 2022 Es wirken mit: Oberrichter Werner Oberrichter Marti Gerichtsschreiberin Schmid In Sachen A, vertreten durch Dr.iur. Nicolas Roulet, Advokat, Gesuchsteller
Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Gesuchsgegnerin
betreffend Revisionsgesuch Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I.
1. Am 12. Juni 2020 wurde A.___ (nachfolgend Gesuchsteller) als Beifahrer des Personenwagens Seat, Kennzeichen […], gemeinsam mit zwei Kollegen in […] von einer Patrouille der Kantonspolizei Solothurn angehalten und einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Am 13. Oktober 2020 erliess die Staatsanwaltschaft gegen den Gesuchsteller einen Strafbefehl wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes. Der Beschuldigte wurde zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je CHF 30.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren, und einer Busse von CHF 150.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu 2 Tagen Freiheitsstrafe, verurteilt sowie zur Übernahme der Verfahrenskosten von CHF 796.00 verpflichtet. Die sichergestellten Gegenstände (200 Gramm Cannabisharz, 0.5 Gramm Marihuana und 1 angerauchter Joint) seien einzuziehen und zu vernichten.
2. Der Gesuchsteller erhob Einsprache gegen den Strafbefehl und dieser wurde am 5. Februar 2021 von der Staatsanwaltschaft zur Beurteilung an das zuständige Richteramt Dorneck-Thierstein überwiesen.
3. Am 28. September 2021 erliess die Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein das nachfolgende Urteil:
1. A.___ wird von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.
2. Folgende bei A.___ sichergestellten Gegenstände werden eingezogen und sind, soweit noch nicht geschehen, durch die Polizei zu vernichten: - 200 Gramm Cannabisharz (2 Platten) (Aufbewahrungsort: Kantonspolizei Solothurn/Kantonspolizei St. Gallen); - 0.5 Gramm Marihuana (Aufbewahrungsort: Kantonspolizei Solothurn); - 1 Joint angeraucht (Aufbewahrungsort: Kantonspolizei Solothurn).
3. A.___, vertreten durch Advokat Nicolas Roulet, wird eine Parteientschädigung von CHF 3'088.20 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zugesprochen, zahlbar durch den Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse.
4. Die Amtsgerichtspräsidentin verzichtet auf die schriftliche Begründung des Urteils, wenn keine Partei ein Rechtsmittel ergreift innert 10 Tagen seit Zustellung des Urteilsdispositivs niemand ausdrücklich eine schriftliche Begründung verlangt.
5. Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1’876.00, gehen zu Lasten des Staates Solothurn.
4. Gegen das Urteil erhob die Staatsanwaltschaft die Berufung. Die Berufung richtete sich gegen die Ziffern 1, 3 und 5 des erstinstanzlichen Urteils.
5. Mit Beschluss der Strafkammer des Obergerichts vom 31. August 2022 wurde die Berufung zufolge Rückzugs der Staatsanwaltschaft als erledigt von der Geschäftskontrolle abgeschrieben.
6. Mit Eingabe vom 7. September 2022 gelangte Rechtsanwalt Roulet als Vertreter des Gesuchstellers an die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, es sei Ziff. 3 des Strafbefehls vom 13. Oktober 2020 (Einzug und Vernichtung der sichergestellten 200 Gramm Cannabisharz, 0.5 Gramm Marihuana und 1 Joint) in Wiedererwägung zu ziehen und teilweise aufzuheben, indem die 200 Gramm Cannabisharz an den Gesuchsteller unter Aufhebung der Beschlagnahme herauszugeben seien. Eventualiter sei das Wiedererwägungsgesuch als Revisionsgesuch dem zuständigen Richteramt Dorneck-Thierstein weiterzuleiten. Er macht geltend, dass von ihm im Rahmen der erstinstanzlichen Verhandlung keine Einwände gegen Ziff. 3 des Strafbefehls vom 13. Oktober 2020 vorgebracht worden seien, weil zum damaligen Zeitpunkt das entsprechende Cannabisharz trotz Freispruchs durch die erste Instanz als illegale Substanz habe eingezogen werden können. Seit dem 1. August ac. handle es sich bei CBD-Cannabisharz um keine illegale Substanz mehr, weshalb deren Einziehung zum jetzigen Zeitpunkt und nach Abschluss des obergerichtlichen Verfahrens nicht mehr gerechtfertigt und sogar gesetzwidrig sei. Somit sei die Beschlagnahme aufzuheben und die 200 Gramm CBD-Cannabisharz seien an den Gesuchsteller herauszugeben.
7. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 12. September 2022 wurde das Schreiben von Rechtsanwalt Roulet vom 7. September 2022 zuständigkeitshalber der Strafkammer des Obergerichts weitergeleitet. Dies mit der Begründung, der Strafbefehl sei nie in Rechtskraft erwachsen und könne daher nicht in Wiedererwägung gezogen werden, zumal die StPO auch gar keine solche vorsehe. Die Revision stelle die einzige Rechtsmittelmöglichkeit gegen rechtskräftige Strafentscheide dar. Da gegen Ziff. 2 des Urteils vom 28. September 2021 keine Berufung geführt worden sei, sei diese Ziffer in Rechtskraft erwachsen. Nur weil das Urteil dem Forensisch-Naturwissenschaftlichen Dienst der Kantonspolizei St. Gallen nicht mitgeteilt worden sei, sei das CBD-Haschisch noch vorhanden und könne Gegenstand eines Revisionsgesuches sein.
8. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2022 wurde die Eingabe von Rechtsanwalt Roulet als Revisionsgesuch anhand genommen und ihm Frist zur ergänzenden Begründung gesetzt.
9. Mit Eingabe vom 18. Oktober 2022 begründete der Verteidiger das Revisionsgesuch. Die Staatsanwaltschaft nahm mit Schreiben vom 28. Oktober 2022 dazu Stellung und beantragte die Abweisung des Gesuches, unter Kostenfolge. Der Verteidiger replizierte mit Eingabe vom 16. November 2022.
II.
1. Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, welches es erlaubt, rechtskräftig erledigte Strafverfahren wieder aufzunehmen und den Fall neu zu beurteilen. Sie ist deshalb nur in engem Rahmen zulässig. Entsprechend streng sind die Voraussetzungen einer Revision. Wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, kann die Revision verlangen, wenn u.a. neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO). Im Weiteren kann eine beschwerte Person die Revision verlangen, wenn der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b). 2. 2.1. Der Verteidiger begründet sein Gesuch wie folgt: Die Ziff. 2 des Urteils vom 28. September 2021 sei unangefochten geblieben und im Oktober 2021 in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund der Praxis des Bundesgerichts sei damals keine Berufung Anschlussberufung gegen Ziff. 2 in Erwägung gezogen worden, da jegliches Cannabisharz, auch mit weniger als 1 % THC, als verbotene Substanz angeschaut worden sei. Am 1. August ac. sei die aktuelle Version der Betäubungsmittelverordnung in Kraft gesetzt worden, wonach Cannabisharz mit weniger als 1 % THC (CBD-Cannabis) keine verbotene Substanz mehr darstelle, sondern nunmehr ein legales Produkt sei. Aufgrund dessen habe die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurückgezogen. Er habe sich erkundigt, ob die 200 Gramm CBD-Cannabisplatten noch vorhanden bereits vernichtet worden seien. Seitens der Staatsanwaltschaft sei ihm mitgeteilt worden, dass die Platten noch existierten und sich bei der Polizei in St. Gallen befänden. Aufgrund dessen sei er mit Schreiben vom 7. September 2022 an die Staatsanwaltschaft gelangt. Die Sicherheitseinziehung des CBD-Cannabisharz ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit des Gesuchstellers sei zum damaligen Zeitpunkt möglich gewesen. Seit dem 1. August handle es sich um eine legale Substanz. Diese sei im vorliegenden Verfahren weder durch eine Straftat hervorgebracht worden, noch habe sie zur Begehung einer Straftat gedient, sodass die Voraussetzungen einer Sicherheitseinziehung nach Art. 69 StGB nicht mehr vorliegen würden. Das Bundesgericht habe im Entscheid 6F_12/2011 in einer ähnlich gelagerten Angelegenheit das Revisionsgesuch abgewiesen mit der Begründung, dass eine nachträgliche Gesetzesänderung keinen Revisionsgrund in der Strafsache an sich darstelle, unter Hinweis auf den Basler Kommentar zur StPO. Begründet werde dies jedoch weder seitens des Bundesgerichts, noch der Kommentarstelle, die mittlerweile auch einzig auf diesen Bundesgerichtsentscheid verweise. Weshalb eine Gesetzesänderung per se keinen Revisionsgrund darstellen solle, werde nicht begründet und beziehe sich aus seiner Sicht insbesondere einzig auf den Straf- und nicht den Einziehungsgrund. Vorliegend gehe es um die Frage, ob ein vormals illegales Produkt, welches nunmehr legal sei, eingezogen und vernichtet werden könne, nachdem die Vernichtung noch nicht stattgefunden habe. Die Gesetzesänderung habe den Rückzug der Berufung und somit die Rechtskraft des Freispruchs des Gesuchstellers zur Folge. Insofern stehe der Abschreibungsbeschluss des Obergerichts mit Ziff. 2 des Urteils vom 28. September 2021 unverträglich im Widerspruch im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO. Mit Vollzug der Ziff. 2 würde überdies in die Eigentumsrechte der betroffenen Person widerrechtlich eingegriffen, was als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden müsse. Einen bis anhin noch nicht vernichteten Gegenstand trotz geänderter Gesetzeslage zu vernichten, stelle einen Eingriff in die Eigentumsverhältnisse dar, da der Gegenstand nun eigentumsfähig sei. Ziff. 2 verletze damit die Eigentumsgarantie und es liege für die Vernichtung zum jetzigen Zeitpunkt keine genügende gesetzliche Grundlage mehr vor. Jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden müsse eine entsprechende Gesetzesänderung als neue erhebliche Tatsache gewertet werden, welche die Frage der Einziehung anders bewerten lasse. Das Festhalten an der Einziehung und Vernichtung müsse schliesslich auch als treuwidrig und somit als im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2 lit. ac (recte lit. a) StPO bezeichnet werden. Somit seien die Revisionsgründe gemäss Art. 410 Abs. 1 lit. a und b StPO erfüllt und die angesinnte Vernichtung der legalen Substanz sei als treuwidriges Verhalten des Staates zu bezeichnen. Die Revision sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge gutzuheissen und es sei Ziff. 2 des Urteils der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 28. September 2021 teilweise aufzuheben und die 200 Gramm CBD-Cannabisharz an den Gesuchsteller unter Aufhebung der Beschlagnahme zurückzugeben.
2.2. Die Staatsanwaltschaft dagegen führt folgendes aus: Nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO könne die Revision eines rechtskräftigen Urteils verlangt werden, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen. Nach dem Urteil eingetretene Umstände, und dazu gehöre auch die nachträgliche Veränderung der Rechtslage, seien nicht geeignet, eine Revision zu begründen (Urteil des Bundesgerichts 6B_836/2016). Die spätere Legalisierung von CBD-Haschisch stelle somit keinen Revisionsgrund dar. Das Gesuch sei abzuweisen.
2.3. Der Verteidiger ergänzte sodann, dass gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO grundsätzlich die Revision verlangt werden könne, soweit die betroffene Person durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert sei. Damit seien sämtliche mit einem Urteil einhergehenden Eingriffe in die Sphäre des Betroffenen gemeint. Die Staatsanwaltschaft berufe sich einzig und allein auf den Umstand, ob Beweismittel vorliegen würden, die geeignet seien, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen gemäss lit. a der genannten Bestimmung. Hier werde übersehen, dass jegliche Beschwer von Relevanz sei, gemäss lit. a derselben Bestimmung explizit aber nur die Bestrafung und keine Nebenfolge des Urteils erwähnt werden. Dass bei der Revision von Freiheitsstrafen und eigentlichen Sanktionen eine Gesetzesänderung nicht von Relevanz sei, ergebe sich aus dem Umstand, dass für solche Fälle ein Begnadigungsgesuch gestellt werden müsse. Soweit ein Verhalten nach erfolgter Verurteilung nicht mehr strafbar sei, könne eine Begnadigung ausgesprochen werden, wobei eine allfällige Verletzung der persönlichen Freiheit des Betroffenen umfassend geprüft werden könne. Vorliegend habe die Gesetzesänderung zur Folge, dass eine bis Ende Juli ac. nicht eigentumsberechtigte Sache seit dem 1. August ac. nunmehr eigentumsfähig sei. Die Sache unterstehe somit neu der Eigentumsgarantie, womit sich die vorangegangenen Instanzen im Einzelnen noch nie zu beschäftigen gehabt hätten. Der Schutz eines Grundrechts müsse jederzeit in einem hierfür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden können. Das Begnadigungsgesuch komme offensichtlich nicht in Frage, weil dort nur Freiheitsstrafen gemeint seien. Somit sei in eindeutiger Auslegung von Art. 410 Abs. 1 StPO, wonach jegliche Beschwer zu einer Revision führen könne und wie im vorliegenden Fall auch eine Gesetzesänderung als Revisionsgrund in Frage komme, die ausgesprochene Einziehung entsprechend aufzuheben, da diese die Eigentumsgarantie verletze.
3. Mit Ziff. 2 des Urteils der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 28. September 2021 wurde u.a. die Einziehung und Vernichtung der sichergestellten 200 Gramm Cannabisharz verfügt. Diese Ziffer wurde weder von der Staatsanwaltschaft als vormalige Berufungsklägerin, noch vom Gesuchsteller als vormaligen Berufungsgegner angefochten. Sie ist daher bereits früher in Rechtskraft erwachsen. Mittlerweile ist mangels Anfechtung des Abschreibungsbeschlusses des Obergerichts vom 31. August 2022 das gesamte Urteil vom 28. September 2021 rechtskräftig. Die Voraussetzungen von Art. 410 StPO sind insofern erfüllt, als dass ein rechtskräftiger Entscheid vorliegt. 4. 4.1. In Lehre und Rechtsprechung wird einhellig die Auffassung vertreten, dass mit einer Praxis- Gesetzesänderung keine Revision begründet werden kann (Marianne Heer in: Basler Kommentar Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, Hrsg. Marcel Alexander Niggli, Marianne Heer, Hans Wiprächtiger, 2. Auflage, 2014 [BSK StPO-Heer], Art. 410 StPO N 3). Nach dem Urteil eingetretene Umstände eine nachträgliche Entwicklung sind nicht neu, sie vermögen eine Revision somit nicht zu begründen. Zu beachten ist, dass die Gesetzesänderung als solche als Revisionsgrund nicht anerkannt ist (BSK StPO-Heer, Art. 410 StPO N 43). Dazu wird ausführlicher festgehalten: Gestützt auf eine Gesetzesänderung nach Rechtskraft des Urteils kann ebenso wenig eine Revision eingeleitet werden wie mit der Behauptung einer mittlerweile eingetretenen, also neuen geänderten Rechtsanschauung einer Änderung der Rechtsprechung, selbst wenn diese gefestigt sind. Es ist dem Konzept der Revision Rechnung zu tragen. Es soll der dem Urteil zugrunde gelegte Sachverhalt, der als unrichtig erachtet wird, korrigiert werden. Es wird nicht eine Überprüfung Änderung seiner rechtlichen Würdigung vorgenommen (BSK StPO-Heer, Art. 410 StPO N 51).
4.2. Das Bundesgericht hielt in seinem Entscheid 6F_12/2011 vom 19. Oktober 2011 in E. 2.4 folgendes fest: «Bei der Erhöhung des THC-Grenzwertes von Cannabis von 0,3% auf 1% handelt es sich nicht um eine revisionsrechtlich relevante Tatsache im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. b BGG (vgl. vorstehend E. 2.1). Es geht vielmehr um eine im Rahmen der Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes erfolgte Gesetzesänderung, die am 1. Juli 2011 und damit erst nach dem Urteil des Bundesgerichts vom 17. Mai 2011 in Kraft getreten ist (vgl. Verordnung des EDI vom 30. Mai 2011 [SR 812.121.11]). Das vom Gesuchsteller angefochtene bundesgerichtliche Urteil erging somit (im Übrigen ebenso wie der Beschwerdeentscheid der letzten kantonalen Instanz) noch unter altem Recht. Eine Gesetzesänderung nach Rechtskraft eines Urteils kann indessen ebenso wenig zu einer Revision führen wie eine neue geänderte Rechtsanschauung eine Änderung der Rechtsprechung (vgl. auch MARIANNE HEER, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Rz. 51 zu Art. 410; ferner BGE 92 IV 179).»
Betreffend nachträgliche Entwicklungen wurde im Urteil 6B_836/2016 vom 7. März 2017 in E. 1.3.2 folgendes festgehalten: «Nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO kann die Revision eines rechtskräftigen Urteils verlangt werden, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen. Nach dem Urteil eingetretene Umstände eine nachträgliche Entwicklung sind nicht neu und daher nicht geeignet, eine Revision zu begründen (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 43 zu Art. 410 StPO). Vorliegend hätte die alleinige Tatsache, dass der Beschwerdegegner am 16. Januar 2013 eine Straftat beging, bei der Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzuges nicht berücksichtigt werden dürfen. Erst das in Rechtskraft erwachsene Urteil des Bezirksgerichts Zofingen vom 16. Januar 2015 hätte - hypothetisch - eine andere Beurteilung zugelassen. Dieses Urteil stellt aber in Bezug auf den Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2013 eine nachträgliche Entwicklung dar und lässt daher keine Revision zu.»
Dies bestätigte das Bundesgericht im Entscheid 6B_562/2020 vom 23. Juni 2020, E. 2.4, wonach nach dem Urteil eingetretene Umstände eine nachträgliche Entwicklung nicht neu und daher nicht geeignet sind, eine Revision zu begründen.
4.3. Die Lehre und Rechtsprechung gehen bezüglich einer Gesetzesänderung als Revisionsgrund also einher und lassen keinen Spielraum für andere Rechtsauffassungen. Auch wenn vorliegend nicht der Strafpunkt das Strafmass Gegenstand des Revisionsgesuchs bilden, ist nicht ersichtlich, weshalb für die Frage der Einziehung eine andere Rechtsauffassung gelten sollte. Die Voraussetzungen für eine Revision nach Art. 410 Abs. 1 lit a StPO sind sehr streng. Nur wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen, ist eine Revision möglich. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung müssen die neuen Tatsachen erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 137 IV 59 E. 5.1.4; BGE 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_1353/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 2.3.1; 6B_833/2020 vom 27. Juli 2020 E. 1.1). Die Revision definiert sich nach dem Grundsatz, dass sie auf eine Korrektur eines unrichtigen Sachverhalts fokussiert ist, der bereits zum Zeitpunkt des Urteils in der Hauptsache bestanden haben muss (BSK StPO-Heer, Art. 410 StPO N 3). Dies ist im vorliegenden Fall klarerweise nicht zutreffend. Eine Gesetzesänderung bringt naturgemäss mit sich, dass frühere Urteile nicht mehr im Einklang mit der nun anderen Rechtslage stehen. Dies ist durch die strenge Lehre und Rechtsprechung diesbezüglich aber gewollt und zu akzeptieren. Dies gilt umso mehr, als dass die Frage der Einziehung und Vernichtung einer vormals illegalen Substanz den Betroffenen nicht annähernd in dem Ausmass trifft, wie dies bei einem wirklichen Revisionsgrund, der eine wesentlich mildere strenge Bestrafung zur Folge hätte, der Fall wäre. Der Einziehung einer sichergestellten Sache kommt diesbezüglich nur eine untergeordnete Rolle zu, die erst recht keinen Praxiswechsel zu begründen vermag.
5. Der Vollständigkeit halber ist zudem festzuhalten, dass der Abschreibungsbeschluss vom 31. August 2022 keinen späteren Strafentscheid darstellt, der in unverträglichem Widerspruch zum Entscheid vom 28. September 2021 stünde (Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO). Es handelt sich beim Abschreibungsbeschluss gerade nicht um einen Strafendentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, sondern um einen verfahrenserledigenden Beschluss im gleichen Strafverfahren. Auch diese Argumentation der Verteidigung ist nicht zu hören.
6. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass kein Revisionsgrund vorliegt. Das Gesuch ist abzuweisen.
7. Gemäss Art. 428 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Revisionsverfahrens mit einer Gerichtsgebühr von CHF 800.00, total CHF 850.00, dem unterliegenden Gesuchsteller aufzuerlegen.
Demnach wird in Anwendung von Art. 413 Abs. 1 StPO beschlossen: 1. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 2. Die Prozesskosten mit einer Gerichtsgebühr von CHF 800.00, total CHF 850.00, hat A.___ zu bezahlen. Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Entscheids zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin von Felten Schmid |
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