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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2023.76)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2023.76: Verwaltungsgericht

Das Obergericht bestätigt die Verurteilung von A.___ wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln und Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit. Die Staatsanwaltschaft hatte A.___ zu einer Geldstrafe und einer Busse verurteilt, gegen die er Einspruch erhob. Das Obergericht bestätigt die Strafen und entscheidet, dass A.___ die Kosten des Berufungsverfahrens tragen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2023.76

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2023.76
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2023.76 vom 14.08.2024 (SO)
Datum:14.08.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Polizei; Recht; Beschuldigte; Anordnung; Atemalkoholprobe; Staat; Staatsanwalt; Massnahme; Urteil; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Blutprobe; Berufung; Feststellung; Fahrunfähigkeit; Fahrzeug; Massnahmen; Verfahren; Beschuldigten; Strasse; Kammer; Verteidigung; Entscheid; Strassen; Obergericht
Rechtsnorm: Art. 106 StGB ;Art. 198 StPO ;Art. 251a StPO ;Art. 27 SVG ;Art. 406 StGB ;Art. 408 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 448 StPO ;Art. 453 StPO ;Art. 456a StPO ;Art. 55 SVG ;Art. 90 SVG ;Art. 91a SVG ;
Referenz BGE:131 IV 36; 144 1 242; 145 IV 50; 146 IV 88;
Kommentar:
Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 3. Aufl., Zürich, Art. 251; Art. 91 StPO, 2018

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2023.76

 
Geschäftsnummer: STBER.2023.76
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 14.08.2024 
FindInfo-Nummer: O_ST.2024.46
Titel: Widerhandlungen gegen das SVG sowie Widerruf

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 14. August 2024        

Es wirken mit:

Präsident Werner

Oberrichterin Marti

Oberrichter Rauber  

Gerichtsschreiberin Fröhlicher

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anklägerin

 

gegen

 

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Camill Droll,

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Widerhandlungen gegen das SVG

 


Die Berufung wird im schriftlichen Verfahren behandelt (Art. 406 Abs. 2 StGB).

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Mit Strafbefehl vom 26. September 2022 verurteilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn A.___ wegen mehrfacher Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten von Signalen, Markierungen Weisungen der Polizei, Missachtens der Sperrfläche ohne Gefährdung Behinderung sowie Missachtens eines richterlichen Verbotes zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 300.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu drei Tagen Freiheitsstrafe. Des Weiteren wurden ihm die Verfahrenskosten von total CHF 675.00 auferlegt (Akten Voruntersuchung Seiten 456 ff. [im Folgenden: AS 456 ff.].

2. Gegen diesen Strafbefehl erhob Rechtsanwalt Camill Droll mit Eingabe vom 3. Oktober 2022 namens des Beschuldigten frist- und formgerecht Einsprache (AS 459).

3. Mit Verfügung vom 5. Oktober 2022 überwies die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn die Akten an das Gerichtspräsidium von Solothurn-Lebern; dies unter Festhaltung am angefochtenen Strafbefehl.

4. Am 24. April 2023 fällte der a.o. Amtsgerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern folgendes Urteil (Akten Vorinstanz S. 73 ff. [im Folgenden S-L 73 ff.]:

1.    A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht:

a)    mehrfache Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, begangen am 30. Dezember 2020 und am 26. April 2022,

b)    mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten von Signalen, Markierungen Weisungen der Polizei sowie Missachten der Sperrfläche ohne Gefährdung Behinderung, begangen am 30. Dezember 2020,

c)    Missachten eines richterlichen Verbotes, begangen am 8. März 2021.

2.    A.___ wird verurteilt zu:

a)    einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 3 Jahren,

b)    einer Busse von CHF 300.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 3 Tagen.

3.    Der A.___ mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 10. Juni 2020 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird nicht widerrufen, stattdessen wird A.___ verwarnt.

4.    Der A.___ mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten von Basel-Stadt vom 6. August 2020 für eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird nicht widerrufen, stattdessen wird A.___ verwarnt.

5.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 975.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 200.00, womit die gesamten Kosten CHF 775.00 betragen.

 

5. Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte mit Schreiben vom 28. April 2023 die Berufung an (S-L 69). Die Berufungserklärung datiert vom 8. September 2023. Angefochten werden die Ziffern 1a), 2a) und 5 des Urteils. Verlangt wird ein Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, dem Beschuldigten seien für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren die Kosten seiner Verteidigung zu ersetzen und sämtliche Verfahrenskosten seien vom Staat zu tragen. Der Beschuldigte habe gegen ein schriftliches Berufungsverfahren nichts einzuwenden.

6. In Rechtskraft erwachsen sind demnach folgende Ziffern des angefochtenen Urteils:

Ziff. 1b) und 1c):         Schuldsprüche betr. mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten von Signalen, Markierungen Weisungen der Polizei und Missachten der Sperrfläche ohne Gefährdung Behinderung, begangen am 30. Dezember 2020, sowie betr. Missachten eines richterlichen Verbotes, begangen am 8. März 2021.

7. Mit Stellungnahme vom 14. September 2023 teilte der Oberstaatsanwalt mit, die Staatsanwaltschaft verzichte sowohl auf eine Anschlussberufung als auch auf eine weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.

 

8. Mit Verfügung des Präsidenten der Strafkammer vom 25. September 2023 wurde das schriftliche Berufungsverfahren angeordnet und dem privaten Verteidiger zur Einreichung der Berufungsbegründung Frist gesetzt bis 16. Oktober 2023. Die Berufungsbegründung ging innert mehrfach erstreckter Frist am 20. Dezember 2023 ein.

 

 

 

II. Anwendbares Recht (Strafprozessordnung)

 

1.   Per 1. Januar 2024 trat die Revision der Strafprozessordnung (StPO) in Kraft. Die Änderungen enthalten keine Regelung betreffend Übergangsrecht. Es stellt sich somit die Frage, welches Recht vorliegend anwendbar ist, da erstinstanzlich vor Inkrafttreten der Revision geurteilt wurde, das Berufungsurteil nun aber nach diesem ergeht.

 

Art. 448 StPO sieht vor, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen (Abs. 1). Unter dem Abschnitt der Rechtsmittelverfahren hält Art. 453 Abs. 1 StPO fest, dass, sofern ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden ist, Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt werden. 

 

2.   Die Thematik des Übergangsrechts wurde in den parlamentarischen Beratungen nie diskutiert, daraus lassen sich damit keine Erkenntnisse ableiten. Der Basler Kommentar zur StPO (BSK StPO, 3. Aufl., 2023) hält zu Art. 448 Folgendes fest: «Hinzuweisen ist darauf, dass in der vom Parlament am 17. Juni 2022 verabschiedeten Teilrevision der Strafprozessordnung keine von Art. 448 StPO abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind und die revidierten Bestimmungen der StPO demnach sofort in Kraft treten» (BSK StPO-Oehen, Art. 448 StPO N 2). Diese Formulierung ist aber insofern unklar, als daraus nicht genau hervorgeht, ob das neue Recht generell zur Anwendung gelangt eben Art. 453 StPO als Ausnahme für Rechtsmittelverfahren Anwendung findet. Im Grundsatz richtig ist, dass Art. 448 StPO für alle hängigen Verfahren gilt und damit die Revision sofort in Kraft tritt. Anderes sieht aber Art. 453 StPO für die Rechtsmittelverfahren vor. Es würde zu eng greifen, die Formulierung «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Vielmehr kommen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung beschlossen und nichts anderes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich neues Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtsmittelverfahren sieht aber Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung gefällt wurde. Diese Auslegung verhindert unbefriedigende Ergebnisse in der Praxis: Um nur zwei Beispiele zu nennen, müsste in allen hängigen Berufungsverfahren die Privatklägerschaft mit URP nach Art. 136 Abs. 3 nStPO noch einen Antrag für URP stellen (soweit noch nicht geschehen), um die URP im Berufungsverfahren überhaupt zu erhalten. Oder der Beschuldigte würde benachteiligt, wenn ihm erstinstanzlich eine Entschädigung direkt zugesprochen wird und auf seine Berufung hin die Entschädigung dann nach Art. 429 Abs. 3 nStPO im Berufungsverfahren dem Verteidiger zugesprochen werden müsste. Fänden die neuen Bestimmungen auch für Rechtsmittelverfahren gegen erstinstanzliche Urteile vor dem Jahr 2024 Anwendung, würde dies bedeuten, dass bei teilweiser Anfechtung der rechtskräftige Teil des Urteils nach altem Recht ergeht, und der angefochtene nach neuem Recht. Es kann aber nicht sein, dass für ein Urteil (Art. 408 StPO) ein Teil nach altem und ein Teil nach neuem Prozessrecht gefällt wird. Diese Rechtsauffassung wird auch von früheren StPO-Revisionen gestützt: Mit der Änderung vom 28. September 2012 wurde mit Art. 456a StPO eine von den allgemeinen Regeln von Art. 448 StPO und der Ausnahme von Art. 453 StPO abweichende Regelung geschaffen, wonach das neue Recht in allen Verfahren gelte, somit auch für Rechtsmittelverfahren. Im Weiteren kann auch Art. 2 des Strafgesetzbuches herangezogen werden, dessen Formulierung in Abs. 1 «nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht» jeweils die entsprechende Änderung des Gesetzes meint.

 

3.   Es hat demnach Folgendes zu gelten: Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO kommen als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung der StPO beschlossen und nichts Anderslautendes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich das neue Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtmittelverfahren sieht Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (der neuen Bestimmung) gefällt worden ist.

 

4.   Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folglich, dass das alte Recht (vor dem 1. Januar 2024) zur Anwendung gelangt.

 

 

 

III. Rechtskräftige Schuldsprüche

A.___ hat sich schuldig gemacht:

-        der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 SVG) durch Nichtbeachten von Signalen, Markierungen Weisungen der Polizei (Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 93 Abs. 2 SSV), begangen am 30. Dezember 2020, ca. 20:58 Uhr, in [...], Autobahn, Höhe Raststätte Deitingen, Fahrtrichtung Zürich, indem der Beschuldigte als Lenker des Personenwagens Smart, [...], die Anweisung der Polizei (Matrix «Bitte folgen») missachtete;

 

-        des Missachtens einer Sperrfläche ohne Gefährdung Behinderung (Autobahnen; Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 90 Abs. 1 SVG, Art. 78 SSV), begangen und festgestellt am 30. Dezember 2020, ca. 20:58 Uhr, in [...], Autobahn, Höhe Raststätte Deitingen, Fahrtrichtung Zürich, indem der Beschuldigte als Lenker des Personenwagens, [...], die Sperrfläche befuhr;

 

-        des Missachtens eines richterlichen Verbotes, Parkdauer bis 24 Std. (Art. 258 Zivilprozessordnung), begangen am 08. März 2021, 07:30 Uhr, in [...], indem der Beschuldigte den Personenwagen Audi, [...], trotz richterlichem Verbot parkierte.

 

 

 

IV. Angefochtene Schuldsprüche

 

1. Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer) (Art. 91a Abs. 1 SVG; Vorhalt 1.1.1)

 

1.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll sich am 30. Dezember 2020, ca. 20:58 Uhr, in Flumenthal, Autobahn, Höhe Raststätte Deitingen, Fahrtrichtung Zürich, als Lenker des Personenwagens Smart, [...], der Anordnung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit entzogen haben, mit welchen er aufgrund der Umstände (nachfolgend geschildertes Fahrverhalten, Anzeichen auf Drogenmissbrauch etc.) habe rechnen müssen.

 

B.___ meldete sich bei der Polizei Kanton Solothurn und gab an, der Beifahrer des Personenwagens Smart, [...], habe im Lüsslingentunnel beim Überholen einen Gegenstand an ihren Personenwagen geworfen. Anlässlich dieser Meldung konnte der entsprechende Smart von einer Patrouille vorbeifahrend festgestellt werden. Der Smart wurde mittels Matrix «bitte folgen» aufgefordert, der Patrouille zu folgen. Dem kam der Beschuldigte jedoch nicht nach und er überfuhr in der Folge eine Sperrfläche. Erst später hielt der Beschuldigte auf dem Pannenstreifen und verweigerte in der Folge die Durchführung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit.

 

 

1.2 Rechtskräftig festgestellter und unbestrittener Sachverhalt

 

Wie unter Ziffer III ausgeführt, ist der Sachverhalt insoweit rechtskräftig festgestellt, als der Beschuldigte der Aufforderung der Polizei, ihr zu folgen, nicht nachkam und eine Sperrfläche überfuhr. Es wird vom Beschuldigten zudem nicht bestritten, dass die Polizei ihn aufgrund einer Meldung von B.___ anhalten wollte. Weiter ist unbestritten, dass er nach der Anhaltung für die Durchführung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nicht Hand geboten hat (DrugWipe, Atemalkoholtest, Blutentnahme).

 

Der in Anklageziffer 1.1.1 vorgehaltene Sachverhalt ist mithin teils rechtskräftig festgestellt und im Übrigen unbestritten.

 

 

1.3 Rechtliche Würdigung

 

1.3.1 Vorab kann auf die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz auf den Urteilsseiten 12 ff. verwiesen werden.

 

1.3.2 Die Verteidigung macht im Wesentlichen geltend, die Massnahmen seien nicht von der zuständigen Behörde bzw. der Staatsanwaltschaft angeordnet worden und der Beschuldigte sei demnach nicht gehalten gewesen, den Anordnungen Folge zu leisten. Gemäss ständiger Rechtsprechung sowie Lehre und Gesetz selbst sei unbestritten, dass der Polizei nur in sicherheitspolizeilichen Belangen eigenständige Befugnisse zukämen, entweder gemäss Polizeigesetz dann gemäss Normen spezifischer Erlasse. Sobald ein Strafverfahren jedoch – wie vorliegend – materiell eröffnet worden sei, stünden der Polizei nur noch diejenigen Befugnisse zu, welche in der StPO ausdrücklich kodifiziert worden seien. Ein Strafverfahren werde nicht erst mittels formeller Eröffnungsverfügung eröffnet, sondern mit der ersten Ermittlungshandlung der Polizei, welche auf die Abklärung eines Anfangsverdachtes wegen einer Straftat ziele. Vorliegend sei «rechtstechnisch» bewiesen, dass bereits ein Anfangsverdacht für eine Straftat bestanden habe, bevor die Polizei die Tests angeordnet habe.

 

1.3.3 Der Verteidigung ist insofern zuzustimmen, als ein Verfahren durch entsprechende Ermittlungshandlungen materiell eröffnet wird, nach Eröffnung grundsätzlich die Kompetenzregelung der StPO gilt und vorliegend die Testanordnungen aufgrund eines Anfangsverdachts erfolgten. Letzteres lässt sich bereits der Anklage entnehmen, welche explizit erwähnt, die Massanahmen seien wegen des fehlbaren Fahrverhaltens (kein Folgeleisten der Matrix-Ansage und Überfahren einer Sperrfläche) und der festgestellten Anzeichen eines Drogenmissbrauchs angeordnet worden. Bezüglich der Anzeichen für einen Drogenkonsum kann auf die polizeilichen Feststellungen in der Strafanzeige verwiesen werden, welche die Vorinstanz auf Urteilsseite 7 wiedergeben hat (starker Cannabisgeruch im Auto, stark gerötete Augen, leicht verlangsamte Reaktion).

 

Wie unter Ziffer II hiervor dargelegt, kommen im vorliegenden Fall die per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen revidierten Bestimmungen der StPO noch nicht zur Anwendung und mithin auch nicht der neue Artikel 251a StPO, der nun explizit der Polizei die Kompetenz einräumt, zur Feststellung der Fahrunfähigkeit Atemalkoholproben durchzuführen sowie die Abnahme von Blutproben und die Abgabe von Urin zur Analyse anzuordnen. Der vorliegende Fall ist demnach in Anwendung der alten Bestimmungen der StPO und der diesbezüglichen Lehre und Rechtsprechung zu beurteilen.

 

In der Anklage wird nicht näher erläutert, um welche Massnahmen es sich gehandelt haben soll. Die Verteidigung führt zu Recht ins Feld, dass sich in den Akten der Staatsanwaltschaft kein Beleg für eine im Voraus schriftlich angeordnete nachträglich schriftlich bestätigte Anordnung einer Blutentnahme findet, was aber Voraussetzung wäre für eine gültige Anordnung einer Blutentnahme. Dem Polizeirapport ist lediglich zu entnehmen (AS 186), dass der zuständige Staatsanwalt, als die Polizei mit ihm Rücksprache nahm, kundtat, es werde keine zwangsweise Blutentnahme angeordnet. Die Polizei ihrerseits konnte eine Blutentnahme nicht rechtsgültig selber anordnen. Es kann diesbezüglich auf den von der Verteidigung angerufenen Entscheid des Bundesgerichts 6B_307/2017 (E. 1.3.1 und 1.3.2) verwiesen werden. Somit lag keine gültige Anordnung einer Blutentnahme vor. Der Beschuldigte hatte deshalb einer solchen gegenüber keine Mitwirkungs- und Duldungspflicht, weshalb diesbezüglich Art. 91a SVG ausser Betracht fällt.

 

Gemäss Strafanzeige wollte die Polizeipatrouille einen Drogenschnelltest und einen Atemalkoholtest durchführen. Bei der Verweigerung eines Drogenschnelltests scheidet der Tatbestand von Art. 91a SVG aus. Das Bundesgericht führt in seinem Entscheid 146 IV 88 dazu aus, es handle sich um ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand sei erfüllt, wenn die zuverlässige Ermittlung der Fahrunfähigkeit mittels der im Gesetz vorgesehenen Untersuchungsmethoden durch aktiven passiven Widerstand verunmöglicht werde, d.h. definitiv nicht mehr möglich sei. Die Verweigerung von Betäubungsmittelvortests genüge hierzu nicht, da diesen lediglich eine Indikatorfunktion zukomme und sie nicht geeignet seien, den relevanten medizinischen Zustand der betroffenen Person zum Abnahme- bzw. Fahrzeitpunkt exakt festzustellen (Regeste mit Verweis auf E. 1.6.2 und 1.6.3). Ein solcher Betäubungsmittelvortest diene lediglich als Entscheidhilfe dafür, ob eine Blutprobe anzuordnen und der Fahrzeugführer einer Zwangsmassnahme zu unterziehen sei, ersetze jedoch im Gegensatz zur Atemalkoholprobe die Blutprobe nicht (E. 1.6.2).

 

Mithin ist lediglich noch hinsichtlich der verweigerten Atemalkoholprobe näher zu prüfen, ob diese rechtmässig angeordnet worden ist, der Beschuldigte diese daher zu dulden hatte und folglich durch deren Verweigerung den Tatbestand von Art. 91a SVG erfüllt hat. Es findet sich in den Akten auch bezüglich des Atemalkoholtests kein schriftlicher Befehl eine nachträgliche schriftliche Bestätigung der Staatsanwaltschaft in den Akten. Von einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung des Atemalkoholtests kann demnach nicht ausgegangen werden, weshalb der Einwand der Verteidigung näher zu prüfen ist, die Polizei sei (nach materieller Verfahrenseröffnung) ihrerseits nicht befugt gewesen, diesen Test selbständig anzuordnen.

 

Wie erwähnt, hat die Polizei mit dem neuen Artikel 251a StGB, der am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, nun explizit die Möglichkeit, u.a. selbständig Atemalkoholproben durchzuführen. Der Botschaft zu diesem Artikel ist zu entnehmen, dass diese Kompetenz im Vorentwurf noch keine Erwähnung fand. Zur Klarstellung dränge sich aber auch hier eine ausdrückliche Regelung auf. Gemäss Artikel 55 Absatz 1 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG) könnten Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer einer Atemalkoholprobe unterzogen werden. Diese Massnahme setze nicht zwingend einen Tatverdacht voraus, sondern könne auch bei voraussetzungslosen Routinekontrollen erfolgen. Soweit die Atemalkoholprobe ohne besonderen Anlass erfolge, handle es sich um eine polizeiliche Massnahme, zu deren Anordnung aufgrund der Zuständigkeitsvorschriften des kantonalen Rechts regelmässig die Polizei zuständig sei. Soweit die Atemalkoholprobe jedoch aufgrund eines Tatverdachts anzuordnen sei, gehe es in der Sache um eine strafprozessuale Massnahme, konkret um eine Untersuchung im Sinne von Artikel 251 StPO, für deren Anordnung die Staatsanwaltschaft zuständig sei (Art. 198 StPO). Das sei nicht sinnvoll und ungereimt: Die Polizei könne zwar voraussetzungslose Atemalkoholproben anordnen, solle aber nicht (mehr) zuständig sein, wenn bereits ein Tatverdacht bestehe. Die Rechtsprechung erachte es zum Teil als selbstverständlich, dass die Polizei auch für die Anordnung einer Atemalkoholprobe aufgrund eines konkreten Anfangsverdachts zuständig sei. Um alle Zweifel zu beseitigen und Kohärenz mit den Zuständigkeitsregeln der StPO zu schaffen, schlage der Entwurf vor, die Zuständigkeit der Polizei zur Durchführung einer Alkoholprobe aufgrund eines konkreten Tatverdachts ausdrücklich festzuschreiben (BBl 2019 6753).

 

Das Bundesgericht hatte sich mit dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht zu befassen. Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aarau bejahte die Frage in einem vergleichbaren Entscheid vom 16. Januar 2018 (SST.2017.265). Der Beschuldigte wurde als Lenker eines Personenwagens polizeilich zur Kontrolle angehalten, nachdem er aufgrund seiner Fahrweise (Schlangenlinienfahren) aufgefallen war. Ihm wurde vorgeworfen, sich einer Atemalkoholprobe mit dem «lion alcometer» widersetzt zu haben. Der Beschuldigte wandte ein, aufgrund der fehlenden Anordnung durch die Staatsanwaltschaft habe er keine Duldungs- Mitwirkungspflicht gehabt (E. 2.4.1).

 

Wie die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aarau zutreffend ausführte (E. 2.4.2), wird das Verfahren zur Feststellung der Fahrunfähigkeit teilweise in Art. 55 Abs. 1 bis 4 SVG und in Art. 55 Abs. 6, 6bis und 7 SVG sowie durch Ausführungsvorschriften der Bundesversammlung und des Bundesrats bzw. des Bundesamts für Strassen (ASTRA) geregelt. Nach Art. 55 Abs. 1 SVG können Fahrzeugführer einer Atemalkoholprobe unterzogen werden. Gemäss Art. 10 Abs. 1 SKV kann die Polizei zur Feststellung des Alkoholkonsums Vortestgeräte verwenden, die Auskunft über die Alkoholisierung geben. Art. 10 Abs. 5 SKV hält fest, dass die Polizei eine Alkoholprobe durchführt, wenn der Vortest hinsichtlich des Alkoholkonsums ein positives Resultat ergibt sie auf den Einsatz eines Vortestgerätes verzichtet hat. Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aarau schloss daraus, dass vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen die Polizei als ordentliches Kontrollorgan im Strassenverkehr für die Anordnung von Atemalkoholtests zuständig sei. Art. 10 Abs. 5 SKV finde sodann entgegen dem Vorbringen des Beschuldigten nicht nur in Fällen von Routinekontrollen Anwendung, sondern auch dann, wenn eine Atemalkoholprobe aufgrund eines konkreten Anfangsverdachts durchgeführt werde.

 

Nichts anderes ergebe sich aus dem Urteil des nämlichen Obergerichts SST.2015.113 vom 20. Oktober 2015 (publiziert in: CAN 2016 Nr. 59), auf welches der Beschuldigte verweise. Dort sei es – anders als vorliegend – nicht um die Durchführung einer Atemalkoholprobe, sondern um die Anordnung einer invasiven Blutprobe gegangen. Zwar treffe es zu, dass eine Blutprobe de lege lata immer durch die Staatsanwaltschaft anzuordnen sei (BGE 143 IV 313 E. 5.2). Dies führe jedoch nicht zur Schlussfolgerung, dies sei auch bei einer Atemalkoholprobe erforderlich. Auch wenn es bei einer Atemalkoholprobe in jenen Fällen, in denen keine Blutprobe angeordnet werde (siehe Art. 55 Abs. 3 SVG), um eine Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit und somit um eine Beweisabnahme im Sinne der StPO gehe, so handle es sich doch nicht um eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 196 Abs. 1 StPO, die gemäss Art. 198 Abs. 1 StPO nur von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden könne. Fahrzeugführer könnten gemäss Art. 55 Abs. 1 SVG vielmehr voraussetzungslos einer Atemalkoholprobe unterzogen werden, ohne dass es dazu einer Anordnung durch die Staatsanwaltschaft bedürfe. Eine solche sei unter den Voraussetzungen von Art. 55 Abs. 3 lit. b und c SVG erst für eine Blutprobe notwendig, d.h., wenn sich der Fahrzeugführer der Atemalkoholprobe widersetze, entziehe die Durchf.rung einer Blutalkoholanalyse verlange. Mithin sei ausgeschlossen, dass mit einer Atemalkoholprobe mit Zwang in die Grundrechte des betroffenen Fahrzeugführers eingegriffen werde. Es sei deshalb sachgerecht, zwischen der von der Polizei als ordentliches Kontrollorgan durchzuführenden Atemalkoholprobe und der Blutprobe, die als invasive Zwangsmassnahme de lege lata auch bei Zustimmung des Fahrzeuglenkers nur von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden könne, zu unterscheiden.

 

Nicht entscheidend sei dabei, ob es sich um eine Routinekontrolle eine Kontrolle aufgrund eines Tatverdachts handle, ändere sich doch an den Modalitäten der Durchführung der Atemalkoholkontrolle und den Voraussetzungen für eine allfällige Blutprobe gemäss Art. 55 SVG nichts (a. M. wohl Rino, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 100 zu Art. 91a SVG). Würde hingegen für die Durchführung einer Atemalkoholprobe im Sinne von Art. 55 Abs. 1 SVG die vorgängige Anordnung durch die Staatsanwaltschaft verlangt, wie dies in Art. 55 Abs. 3 SVG i. V. m. Art. 198 Abs. 1 StPO für die Blutprobe als invasive Zwangsmassnahme vorgesehen sei, so widerspräche dies dem Wortlaut, der Systematik und der ratio legis von Art. 55 SVG. Art. 55 SVG sehe bei der Feststellung der Fahrunfähigkeit in einem ersten Schritt die ohne Zwang durchzuführende Atemalkoholprobe und sodann nur unter bestimmten Voraussetzungen die Anordnung einer Blutprobe vor. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung der Polizei die Kompetenz zur Durchführung von Atemalkoholproben habe entziehen wollen, gebe es keine. Im Gegenteil sei der Gesetzgeber bei der im Rahmen des Massnahmenpakets «via sicura» per 1. Oktober 2016 in Kraft getretenen Revision von Art. 55 SVG, mit welcher die sogenannte beweissichere Atemalkoholprobe eingeführt worden sei, offensichtlich von der Durchführungskompetenz der Polizei ausgegangen. Darüber hinaus gehend sei im Vorentwurf zur Revision der StPO in einem neu zu schaffenden Art. 251a StPO vorgesehen, dass die Polizei zur Kontrolle der Fahrfähigkeit von Fahrzeuglenkern Urin sicherstellen und in den Fällen, in denen das Bundesrecht eine Blutuntersuchung vorschreibe, eine solche anordnen könne. Die gegenüber einer Urin- und Blutprobe weniger eingriffsintensive Atemalkoholprobe bleibe unerwähnt, woraus zu schliessen sei, dass die Zuständigkeit der Polizei für die Durchführung von Atemalkoholproben gemäss Art. 55 Abs. 1 SVG als selbstverständlich betrachtet werde. (Wie dargelegt, wird die Atemalkoholprobe im neuen Art. 251a StPO aber nun doch erwähnt; dies wie in der Botschaft festgehalten, der Klarheit halber.)

 

Diesen Erwägungen der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau kann sich die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn anschliessen. Es kann in der Tat ausgeschlossen werden, dass mit einer Atemalkoholprobe mit Zwang in die Grundrechte des betroffenen Fahrzeugführers eingegriffen wird. Es ist demnach zwischen der Atemalkoholprobe und der Blutprobe, die als invasive Zwangsmassnahme nach altem Recht auch bei Zustimmung des Fahrzeuglenkers nur von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden konnte, zu unterscheiden. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung (2011) der Polizei die Kompetenz zur Durchführung von Atemalkoholproben habe entziehen wollen, liegen nicht vor. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der im Rahmen des Massnahmenpakets «via sicura» per 1. Oktober 2016 in Kraft getretenen Revision von Art. 55 SVG, mit welcher die sogenannte beweissichere Atemalkoholprobe eingeführt worden ist, von der Durchführungskompetenz der Polizei ausgegangen. Wie erwähnt, fand die Kompetenz der Polizei zur Atemalkoholprobe nun Eingang in den neuen Artikel 251a StPO, dies gemäss Botschaft aber lediglich der Klarheit halber (und mithin nicht, weil die Kompetenz zuvor nicht bestand, wie dies von der Verteidigung eingewendet wird). In Übereinstimmung mit dem besagten Entscheid der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aarau ist daraus zu schliessen, dass die Polizei als ordentliches Kontrollorgan im Strassenverkehr für die Anordnung von Atemalkoholtests zuständig ist. Art. 10 Abs. 5 SKV finde sodann entgegen dem Vorbringen der Verteidigung nicht nur in Fällen von Routinekontrollen Anwendung, sondern auch dann, wenn eine Atemalkoholprobe aufgrund eines konkreten Anfangsverdachts durchgeführt wurde.

 

Zum gleichen Schluss kommt Felix Multerer in seinem Kommentar zum Entscheid der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau (Forumpoenale 1/2019, S. 32 ff.). Er legt mit Hinweisen auf die entsprechende Lehre treffend dar, dass die Atemalkoholprobe im Strassenverkehr zwei Gesichter annehmen könne, was an sich unbestritten sei. Sie könne einerseits als polizeiliche Massnahme im Rahmen einer Routinekontrolle ohne konkreten Tatverdacht ergehen und diene dann allein den polizeilichen Sicherheitsüberlegungen im Strassenverkehr. Andererseits könne sie die Gestalt einer strafprozessualen Zwangsmassnahme annehmen, nämlich dann, wenn sie aufgrund eines Anfangsverdachts angeordnet werde und der Beweissicherung für ein Strafverfahren diene. Bei genauerer Betrachtung erweise sich diese Differenzierung aber als reine Formalität: Art. 55 Abs. 1 SVG statuiere die Anordnungskompetenz der Polizei ohne zwischen einer polizeilichen und einer strafprozessualen Massnahme zu differenzieren. Wie das Obergericht des Kantons Aargau zutreffend ausführe, habe der Gesetzgeber mit Erlass vom heute in Kraft stehenden Strassenverkehrsgesetz die grundrechtskonforme Sicht eingenommen, dass bei einer Atemalkoholprobe die Polizei als anordnendes Organ genügen solle und dass unter Art. 55 Abs. 1 SVG sowohl die präventiv-polizeilich als auch die repressiv-strafprozessual motivierten Kontrollen gefasst werden könnten. In der Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, auf die die heutige Fassung des Art. 55 Abs. 1 SVG zurückzuführen sei, heisse es hierzu: «Die Polizei solle also Atemluftkontrollen anordnen können, auch ohne dass ein objektiver Anfangsverdacht [...] vorliegt» (vgl. Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 31. März 1999, 4471). Diese Formulierung lasse sich nur so verstehen, dass die neu eingeführte Möglichkeit der voraussetzungslosen, polizeilichen Atemalkoholkontrolle die auf einem Anfangsverdacht beruhenden Kontrollen keineswegs ersetzen sollte, sondern dass beide Möglichkeiten nebeneinander bestehen sollten und also die Anordnungskompetenz der Polizei nicht in dem Moment enden solle, in dem ein Anfangsverdacht begründet werde. Auch diesen Erwägungen schliesst sich die Strafkammer des Obergerichts an.

 

Felix Multerer widmet sich im Weiteren der Gegenauffassung und gibt zu bedenken, diesfalls bestünde ein Erklärungsbedarf hinsichtlich der Frage, was denn durch eine Überwälzung der Anordnungskompetenz an die Staatsanwaltschaft überhaupt gewonnen würde.

 

Schon ein kurzer Vergleich mit der Rechtsprechung betreffend die Anordnung einer Blutprobe im Strassenverkehr, die nach geltendem Recht noch in die Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft falle, zeige, dass sich keine Argumente finden liessen, welche die Notwendigkeit der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft tragfähig stützen würden. Die Rechtsprechung zur (noch) geltenden Rechtslage beschränke sich insoweit auf den generellen Hinweis, dass es sich bei der Blutentnahme um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme handle, welche eben nur durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden könne. Ein Blick auf die Praxis zeige, dass das geltende System weder ein Mehr an Rechtsschutz Rechtsstaatlichkeit biete noch als praktikabel erachtet werde (SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, Art. 251 N 5; Christoph Riedo in: Basler Kommentar zum SVG [BSK SVG], Basel 2014, Art. 91a SVG N 95 f.; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, N 1082 mit Fn. 329). In der Praxis müsse der anordnende Staatsanwalt innert allerkürzester Zeit und regelmässig allein gestützt auf eine kurze Schilderung des Sachverhalts durch die Polizei eine Anordnung treffen, bei der es sich deshalb kaum um eine einzelfallgerechte Entscheidung handeln könne. – Auch diesen weitergehenden Erwägungen des Kommentators schliesst sich die Strafkammer an.

 

In casu ist mithin davon auszugehen, dass die Polizei trotz bereits materiell eröffneten Strafverfahrens befugt war, beim Beschuldigten selbständig einen Atemalkoholtest anzuordnen. Der Beschuldigte war demnach gehalten, dieser Anordnung Folge zu leisten. Indem er den Test konsequent verweigerte, auch nachdem er auf die Folgen der Verweigerung hingewiesen worden war, hat er den Tatbestand von Art. 91a SVG erfüllt. Der diesbezügliche Schuldspruch der Vorinstanz ist zu bestätigen.

 

 

2.  Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer) (Art. 91a Abs. 1 SVG; Vorhalt 1.1.2)

 

2.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll sich am 26. April 2022, ca. 12:45 Uhr, in [...], als Lenker des Personenwagens Renault F Clio, [...], der Anordnung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, insbesondere einem Drogenschnelltest, mit deren Durchführung er aufgrund der Umstände (Anzeichen auf Drogenmissbrauch) habe rechnen müssen, entzogen haben, indem er die Durchführung auch auf mehrmalige Aufforderung hin verweigert habe.

 

 

2.2 Sachverhalt

 

2.2.1 Gemäss Strafanzeige vom 25. Mai 2022 (AS 230 ff.) fuhr eine SVG-Patrouille während ihrer diesbezüglichen Tätigkeit (Fw C.___ - Wm D.___) auf dem [...] vom Parkplatz vor der Liegenschaft […] her in südwestliche Richtung. Dabei fuhr ihnen der Beschuldigte mit seinem PW entgegen. Die Patrouille wendete, um den Lenker bzw. den Beschuldigten einer Kontrolle zu unterziehen. Als die Patrouille beim Fahrzeug des Beschuldigten eingetroffen sei, sei der Lenker gerade dabei gewesen, das Fahrzeug in Richtung Hauseingang [...] zu verlassen. Er habe den Eindruck erweckt, als wolle er sich möglichst schnell von der Polizei entfernen. Er sei von Fw C.___ angesprochen und nach den Ausweisen gefragt worden. Der Beschuldigte habe sich mit einem gültigen Führerausweis ausgewiesen. Um seine Fahrfähigkeit zu überprüfen, sei beschlossen worden, ein Atemalkoholtest durchzuführen. Das Testresultat sei 0.00 mg/L gewesen.

 

Anschliessend seien die Pupillen des Beschuldigten auf den Einfall von Licht kontrolliert worden. Dabei habe festgestellt werden können, dass die Pupillen sehr klein (Durchmesser ca. 2 Millimeter) gewesen seien und der plötzliche Einfall von Licht keine Reaktion der Pupillen ausgelöst habe.

 

Angesprochen auf einen möglichen Drogenkonsum, habe der Beschuldigte Angaben verweigert. Als Folge sei ihm die Absicht erläutert worden, einen Drogenschnelltest durchzuführen, welcher Aufschluss über die Einnahme von möglichen Betäubungsmitteln geben solle. Dies, um die fehlende Lichtreaktion und kleinen Pupillen mit der gemachten Unterstellung «Betäubungsmittel konsumiert zu haben» in Einklang zu bringen. Der Beschuldigte habe sogleich gesagt, dass er dies nicht machen werde. Es sei ihm erläutert worden, dass er sich allenfalls strafbar mache wegen der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit.

 

Er habe dies zur Kenntnis genommen, habe aber weiterhin den Drogenvortest verweigert, ohne dies auf Nachfrage zu begründen. Der Beschuldigte sei einer Effektenkontrolle unterzogen worden. Im Anschluss daran sei mit dem Pikett-Staatsanwalt telefonisch Rücksprache genommen worden. Dieser habe via Telefon das Gespräch mit dem Beschuldigten gesucht und die Massnahmen und die rechtlichen Konsequenzen erläutert. Der Staatsanwalt habe in der Folge mündlich die Blut- und Urinentnahme (ohne Zwang) beim Beschuldigten angeordnet. Auf eine Entnahme unter Zwang sei verzichtet worden. Die mündliche Verfügung des Staatsanwaltes sei dem Beschuldigten anschliessend durch den Schreibenden abermals eröffnet worden. Der Beschuldigte habe die Abgabe von Blut und Urin verweigert.

 

Unter «Bemerkungen» wurde in der Strafanzeige festgehalten, Abklärungen in den polizeilichen Systemen hätten ergeben, dass der Beschuldigte bereits wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Besitz von Cannabis/Besitz und Konsum von Kokain) zur Anzeige gebracht worden sei.

 

2.2.2 Dass der Beschuldigte damals sein Auto durch die besagte Strasse lenkte, sein Fahrzeug parkierte, im Begriff war, das Fahrzeug in Richtung Hauseingang [...] zu verlassen, in dem Moment von der Polizei angehalten und kontrolliert wurde, er zu einem Atemalkoholtest Hand bot, jedoch einen DrugWipe und schliesslich auch eine Blutentnahme verweigerte, scheint unbestritten zu sein. Die Verteidigung wendet im Berufungsverfahren im Wesentlichen ein, es sei bei der Kontrolle von der Polizei kein ASTRA-gemässes Protokoll ausgefüllt worden, obwohl dies aufgrund von Art. 13 Abs. 3 SKV Pflicht gewesen wäre. Deshalb sei weder die gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. a SKV erforderliche Rechtsbelehrung des Beschuldigten noch der angeblich hinreichende Tatverdacht für die Durchführung eines Drogentests protokolliert worden; Rechtsbelehrung und die Angaben zum hinreichenden Tatverdacht betr. Betäubungsmittelkonsum würden auch in der nachträglichen Verschriftlichung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung einer Blutentnahme fehlen. Die Schilderungen der Polizei in ihrem Rapport liessen sich mithin nicht überprüfen.

 

Dem Polizeirapport lässt sich entnehmen, dass der Beschuldigte auf die Folgen einer Testverweigerung hingewiesen worden ist und der Drogenschnelltest infolge seiner kleinen Pupillen, die nicht auf Lichteinfall reagierten, angeordnet worden ist. Der Beschuldigte machte sowohl in der polizeilichen Befragung unmittelbar nach der Anhaltung als auch vor erster Instanz keine Aussagen zur Sache. Er hatte mithin aber auch nie bestritten, auf die Folgen einer Testverweigerung hingewiesen worden zu sein. Auch die Feststellungen zu seinen Pupillen hat er nie bestritten.

 

Entgegen den entsprechenden Ausführungen der Verteidigung ist ein Polizeirapport nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sehr wohl ein zulässiges Beweismittel. Es kann diesbezüglich auf den bereits von der Vorinstanz erwähnten Entscheid 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 verwiesen werden, in welchem das Bundesgericht u.a. erwog, die Polizei sei eine Strafverfolgungsbehörde (Art. 12 lit. a und Art. 15 StPO). Zu den Akten gehöre auch der Polizeirapport. Dieser sei ein zulässiges Beweismittel. Die Parteien hätten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Dazu gehöre insbesondere das Recht, Belastungszeugen zu befragen (Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK). Der Beschuldigte habe den Antrag auf Befragung eines Zeugen den Behörden rechtzeitig und formgerecht einzureichen. Stelle er seinen Beweisantrag nicht rechtzeitig, könne er den Strafverfolgungsbehörden nachträglich nicht vorwerfen, sie hätten durch Verweigerung der Konfrontation ergänzender Fragen an Belastungszeugen seinen Grundrechtsanspruch verletzt. Ob ein Antrag auf Befragung von Belastungszeugen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben rechtzeitig vorgebracht werde, hänge von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Auf das Recht der Befragung von Belastungszeugen könne verzichtet werden. Der Beschuldigte verwirke sein Recht auf die Stellung von Ergänzungsfragen nicht dadurch, dass er es erst im Rahmen der Berufung geltend macht (Urteil 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2 mit Hinweisen).

 

Die Strafverfolgungsbehörden waren demnach im vorliegenden Fall ohne entsprechenden Antrag des Beschuldigten nicht gehalten, diesbezüglich weitere Beweise zu erheben. Ein Antrag auf Befragung der Polizeibeamten wurde von der Verteidigung nie gestellt, auch nicht im Berufungsverfahren. Sie kann sich nun nicht darauf berufen, die entsprechenden Angaben im Polizeirapport seien nicht erstellt.

 

Der Beschuldigte beantragte, wie erwähnt, nie eine Befragung des rapportierenden Polizeibeamten. Er legte auch nicht dar, weshalb diese Angaben nicht stimmen sollten. Die Polizeibeamten hatten kein Motiv, diese Angaben wahrheitswidrig zu machen. Ein solches wird denn auch von der Verteidigung nicht geltend gemacht. Auf den Polizeirapport wird abgestellt.

 

 

2.3 Rechtliche Würdigung

 

2.3.1 Gemäss Art. 55 SVG können Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer einer Atemalkoholkontrolle unterzogen werden (Abs. 1). Weist die betroffene Person Anzeichen von Fahrunfähigkeit auf und sind diese nicht nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so kann sie weiteren Voruntersuchungen, namentlich Urin- und Speichelproben unterzogen werden (Abs. 2). Eine Blutprobe muss angeordnet werden, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind (Abs. 3 lit. a).

 

Selbst wenn der Fahrzeuglenker mit Rücksicht auf den Nemo-tenetur-Grundsatz Fragen nach einem allfälligen Betäubungsmittelkonsum nicht beantworten und sich damit nicht selbst belasten muss (BGE 131 IV 36 E. 3.5.4), ergeben sich nach der bundesgerichtlichen und konventionsrechtlichen Rechtsprechung für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus der Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten. Darunter fallen neben Verhaltenspflichten auch vielfältige Auskunftspflichten gegenüber den Behörden sowie namentlich die Duldungspflicht der beschuldigten Person zur Entnahme von Beweismitteln wie Blut, Atem, Urin, auch gegen ihren Willen (BGE 145 IV 50 E. 3.6; BGE 144 1 242 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Dies muss erst recht für die weit weniger einschneidenden Betäubungsmittelvortests (Drugwipe) gelten, die keinen Eingriff in die körperliche Integrität erfordern und rasch durchgeführt werden können (BGE 145 IV 50 E. 3.5). Gemäss vorgenannter Rechtsprechung hat der die Mitwirkung verweigernde Fahrzeuglenker zudem die Konsequenzen seiner Weigerung zu tragen, die gemäss Art. 13 Abs. 2 SKV in Verbindung mit Art. 55 SVG insbesondere in der Anordnung einer Blutprobe bestehen. Dabei sind die Gründe des Fahrzeugführers für die Verweigerung der Mitwirkung beim Vortest unerheblich, egal ob sie sich auf weltanschauliche Ansichten, religiöse ethische Überzeugungen stützen - wie vorliegend - auf die verschiedentlich kritisierte zu grosse Ungenauigkeit solcher Tests und den damit einhergehenden drohenden Führerausweisentzug im Falle eines positiven Ergebnisses.

 

2.3.2 Die Verteidigung wendet in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen ein, die nachträgliche Verschriftlichung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung einer Blutentnahme sei dem Beschuldigten nicht eröffnet worden, weshalb er diese nicht zeitnah habe anfechten können; die Voraussetzungen für einen Vortest genügten nicht für die Anordnung einer Blutentnahme (Verweis auf BGE 146 IV 88) und es seien die Protokollierungsvorschriften von Art. 13 Abs. 3 SKV verletzt worden. So sei u.a. auch die Rechtsbelehrung nicht protokolliert worden. Es habe sich in der Konsequenz nicht um taugliche Anordnungen eines Betäubungsmitteltests und einer Blutprobe gehandelt.

 

Den Einwänden ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der Anordnung der Blutprobe um einen strafprozessualen Zwischenentscheid handelt. Solche Entscheide können i.d.R. von Vorneherein nur unter besonderen Voraussetzungen selbständig angefochten werden (vgl. dazu Christoph Riedo, a.a.O., Art. 91a SVG N 117 f.). Die Protokollierungsvorschrift von Art. 13 Abs. 3 SKV ist eine Ordnungsvorschrift, Art. 13 Abs. 1 lit. a SKV eine Gültigkeitsvorschrift, so auch die Anordnungsvoraussetzungen (insb. keine Blutproben ohne Tatverdacht; Christoph Riedo, a.a.O., Art. 91a SVG N 126, 129 und 139). Dass die angeordneten Tests nicht ASTRA-gemäss protokolliert worden sind, führt daher nicht zur Ungültigkeit der Anordnung. Mit der Vorinstanz ist denn auch festzuhalten, dass Art. 13 Abs. 3 SKV bei Verweigerung angeordneter Massnahmen nicht explizit eine Pflicht zur Protokollierung vorsieht, so dass zumindest fraglich ist, ob diesbezüglich überhaupt eine Ordnungsvorschrift verletzt worden ist. Bezüglich der Rechtsbelehrung schreibt Art. 13 Abs. 1 lit. a SKV keine Schriftform vor. Dem Einwand, die Voraussetzungen für einen Drogen-Vortest würden für die Anordnung einer Blutprobe nicht genügen, ist entgegenzuhalten, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Verweigerung eines Drogenschnelltests bereits einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO begründet, welcher die Anordnung einer Blutprobe rechtfertigt (BGE 146 IV 88 E. 1.6.4). Der Drogenschnelltest seinerseits wurde aufgrund der kleinen Pupillen und deren fehlender Reaktion auf Lichteinfall angeordnet. Nach der Rechtsprechung genügen für die Durchführung eines Vortests nach Art. 10 Abs. 2 SKV bereits geringe Anzeichen für eine durch Betäubungs- Arzneimittel beeinträchtigte Fahrfähigkeit, wie beispielsweise ein blasser Teint und wässrige Augen (BGE 146 IV 88 E. 1.4.2 mit Verweis auf BGE 145 IV 50 E. 3.5; Urteil 68_244/2011 vom 20. Juni 2011 E. 1.4). Das Bundesgericht hat zudem unter Hinweis auf die generalpräventive Regelungsabsicht des Gesetzgebers präzisiert, dass die nach Art. 10 Abs. 2 SKV erforderlichen Hinweise dafür, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat, nicht mit einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO gleichzusetzen seien und die Polizei im Rahmen ihrer sicherheitspolizeilichen Tätigkeit befugt sei, einen Vortest nach Art. 10 Abs. 2 SKV anzuordnen. Je nach den konkreten Umständen und dem Ergebnis des Vortests kann indes ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO vorliegen, welcher zu einer nach Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO durch die Staatsanwaltschaft anzuordnenden Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit aufgrund des Verdachts einer Widerhandlung gegen das SVG führen kann (BGE 145 IV 50 E. 3.5).

 

Die in casu von der Polizei festgestellten kleinen Pupillen, die nicht auf den Einfall von Licht reagierten, waren vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte zur Durchführung eines Drogenvortestes. Der Beschuldigte wäre somit verpflichtet gewesen, der Aufforderung Folge zu leisten. Durch die Verweigerung trotz Hinweis auf die Folgen eines Nichtbefolgens hat er den Tatbestand von Art. 91a SVG in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Auch dieser Schuldspruch der Vorinstanz ist somit zu bestätigen.

 

 

 

V. Strafzumessung und Widerrufsverfahren

 

Vorab kann auf die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz zur Strafzumessung verwiesen werden (US 19 und 22). Die Verteidigung äusserte sich in der Berufungsbegründung nicht zur Strafzumessung der Vorinstanz. Es kann grundsätzlich auf die konkrete Strafzumessung der Vorinstanz verwiesen werden (US 19 - 23), die von ihr ausgesprochenen Strafen sind zu bestätigen. Demnach wird der Beschuldigte zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je CHF 30.00 und einer Busse von CHF 300.00 verurteilt, wobei ihm für die Geldstrafe der bedingte Strafvollzug gewährt wird, bei einer Probezeit von drei Jahren, und die Ersatzfreiheitsstrafe für die Busse auf drei Tage festgelegt wird.

 

Nicht näher einzugehen ist auf die Widerrufsfrage, da ein Widerruf der beiden betreffenden bedingt gewährten Strafen bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots ausgeschlossen ist.

 

 

 

VI. Kosten und Entschädigung

 

Bei diesem Verfahrensausgang ist der vorinstanzliche Kostenentscheid zu bestätigen und der Beschuldigte hat sämtliche Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 1'500.00, total CHF 1'550.00, zu tragen.

 

Das Entschädigungsbegehren des Beschuldigten wird abgewiesen.

 


 

Demnach wird in Anwendung von Art. 27 Abs. 1, Art. 90 Abs. 1, Art. 91a Abs. 1 SVG, Art. 258 ZPO, Art. 78 und Art. 93 Abs. 2 SSV, Art. 34, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 46 Abs. 2, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 106 StGB, Art. 379 ff., Art. 398 ff. und Art. 416 ff. StPO wird

 

festgestellt und erkannt:

 

1.    Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 1 des Urteils des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Solothurn-Lebern vom 24. April 2023 hat sich A.___ wie folgt schuldig gemacht:

-        mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten von Signalen, Markierungen Weisungen der Polizei sowie Missachten der Sperrfläche ohne Gefährdung Behinderung, begangen am 30. Dezember 2020,

-        Missachten eines richterlichen Verbotes, begangen am 8. März 2021.

 

2.    A.___ hat sich wegen mehrfacher Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, begangen am 30. Dezember 2020 und 26. April 2022, schuldig gemacht.

 

3.    A.___ wird verurteilt zu:

-        einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 3 Jahren,

-        einer Busse von CHF 300.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 3 Tagen.

 

4.    Der A.___ mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 10. Juni 2020 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird nicht widerrufen. Stattdessen wird A.___ verwarnt.

 

5.    Der A.___ mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten von Basel-Stadt vom 6. August 2020 für eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird nicht widerrufen. Stattdessen wird A.___ verwarnt.

 

6.    A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 600.00, total CHF 975.00, zu tragen.

 

7.    A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 1'500.00, total CHF 1'550.00, zu tragen.

 


 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Werner                                                                              Fröhlicher



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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