Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2023.75 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 14.03.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Zusammenfassung: Ein unbekannter Täter drang in das Haus einer Familie ein, bedrohte die Mutter und ihre Kinder mit einer Schreckschusspistole und forderte Geld. Die Mutter versuchte Hilfe zu rufen, worauf der Täter die Waffe auf sie richtete und drohte abzudrücken. Schliesslich liess der Täter die Familie gehen und verliess das Haus. Die Aussagen der Opfer sind detailliert und glaubhaft, während der Täter bestreitet, mit der Waffe gedroht zu haben. Die Beweislage stützt die Version der Opfer. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Waffe; Privatklägerin; Täter; Urteil; Recht; Freiheit; Beschuldigten; Kinder; Freiheitsstrafe; Beruf; Urteils; Staat; Polizei; Berufung; Apos; Telefon; Schreckschusspistole; Aussage; Opfer; Gefährlichkeit; Waffen; Pistole; Staatsanwalt; Gericht; Beweis |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 136 StPO ; Art. 139 StGB ; Art. 140 StGB ; Art. 181 StGB ; Art. 185 StGB ; Art. 186 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 34 StGB ; Art. 408 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 43 StGB ; Art. 448 StPO ; Art. 453 StPO ; Art. 456a StPO ; Art. 46 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 50 StGB ; Art. 63 StGB ; |
Referenz BGE: | 110 IV 77; 113 IV 60; 113 IV 63; 115 IV 286; 116 IV 317; 117 IV 135; 117 IV 425; 117 IV 97; 118 IV 119; 118 IV 142; 120 IV 317; 120 Ia 36; 121 IV 202; 133 I 33; 134 IV 17; 134 IV 1; 134 IV 97; 135 IV 180; 136 IV 1; 137 IV 57; 138 IV 120; 142 IV 265; 143 IV 361; 144 IV 217; 144 IV 277; |
Kommentar: | Hans, Basler Kommentar Strafrecht [Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz], Art. 139 StGB, 2019 |
Geschäftsnummer: | STBER.2023.75 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 14.03.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2024.30 |
Titel: | versuchter qualifizierter Raub (besondere Gefährlichkeit), evtl. versuchter qualifizierter Raub (Mitführen einer Waffe), subevtl. versuchter Raub, Geiselnahme, evtl. Freiheitsberaubung, Nötigung, versuchte Nötigung, Hausfriedensbruch, mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz, mehrfache Übertre |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 14. März 2024 Es wirken mit: Oberrichter Thomann a.o. Ersatzrichter Marti Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Berufungsklägerin
A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Roman Frey, Beschuldigter
betreffend versuchter qualifizierter Raub (besondere Gefährlichkeit), evtl. versuchter qualifizierter Raub (Mitführen einer Waffe), subevtl. versuchter Raub, Geiselnahme, evtl. Freiheitsberaubung, Nötigung, versuchte Nötigung, Hausfriedensbruch, mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz, mehrfache Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes Es erscheinen zur Berufungsverhandlung vor Obergericht vom 14. März 2024 um 8:30 Uhr:
1. Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Berufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter, zugeführt von zwei Polizisten; 3. Rechtsanwalt Roman Frey, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten; 4. C.E.___, Privatklägerin, in Begleitung einer Betreuerin der Opferhilfe sowie ihres Ehemannes (Anwesenheit aller drei Personen ausschliesslich für die Dauer der Einvernahme von C.E.___ als Auskunftsperson).
Zudem erscheinen: - [Journalistin] (Solothurner Zeitung); - [Journalist] (Regionaljournal Aargau Solothurn, SRF 1); - eine Schulklasse der Kantonsschule Solothurn (Schwerpunktfach: Wirtschaft und Recht) mit der Lehrerin […].
Staatsanwalt B.___ stellt und begründet im Namen der Berufungsklägerin folgende Schlussanträge (Plädoyernotizen: Aktenseiten Berufungsverfahren [ASB] 079 - 101):
« 1. A.___ sei schuldig zu sprechen im Sinne der Anklage wegen - versuchten qualifizierten Raubes mit besonderer Gefährlichkeit, - Geiselnahme, Nötigung und versuchter Nötigung (AZ 1), - Hausfriedensbruchs (AZ 2), - mehrfachen Widerhandlungen gegen das Waffengesetz (AZ 3), - mehrfachen Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes (AZ 4). 2. A.___ sei zu bestrafen mit - einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten, - einer Busse von CHF 300.00. 3. Die von A.___ seit dem 4. Januar 2022 ausgestandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie die Zeit im vorzeitigen Strafvollzug seien an die Freiheitsstrafe anzurechnen. 4. Es sei eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme gemäss Art. 63 Abs. 1 StGB anzuordnen. 5. Gegen A.___ sei Sicherheitshaft anzuordnen bzw. A.___ sei zur Sicherung des Vollzugs sowie im Hinblick auf ein allfälliges Rechtsmittelverfahren in Sicherheitshaft zu belassen. 6. Die nach richterlichem Ermessen festzusetzenden Verfahrenskosten seien gemäss Art. 426 Abs. 1 und 4 StPO dem Beschuldigten zur Bezahlung aufzuerlegen. 7. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung sei nach richterlichem Ermessen festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu bezahlen, unter Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO.»
Rechtsanwalt Roman Frey stellt und begründet als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten folgende Schlussanträge (ASB 102 f.):
«1. Es sei der Angeklagte A.___ freizusprechen von den Vorwürfen des a. versuchten qualifizierten Raubes (besondere Gefährlichkeit; Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) (Vorhalt 1, Hauptantrag); b. versuchten qualifizierten Raubes (Mitführen einer Waffe; Art. 140 Ziff. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) (Vorhalt 1, Eventualantrag); c. der Geiselnahme (Vorhalt 1); d. der Nötigung (Vorhalt 1). 2. Es sei A.___ schuldig zu sprechen wegen a. versuchten Raubes (Art. 140 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) (Vorhalt 1, Subeventualantrag); b. versuchter Nötigung (Vorhalt 1); c. Freiheitsberaubung (Vorhalt 1); d. Hausfriedensbruchs (Vorhalt 2); e. mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz (Vorhalt 3); f. mehrfacher Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes (Vorhalt 4). 3. Es sei der Angeklagte A.___ wie folgt zu verurteilen: a. zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten; b. zu einer Busse von CHF 500.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen. 4. Es sei dem Angeklagten A.___ die seit dem 4. Januar 2022 ausgestandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie die Zeit im vorzeitigen Strafvollzug an die Freiheitsstrafe anzurechnen. 5. Es sei der Angeklagte A.___ umgehend aus der Sicherheitshaft zu entlassen. 6. Es sei A.___ eine Entschädigung wegen überlanger Haft in der Höhe von CHF 14'000.00, zzgl. CHF 200.00 für jeden Tag bis zur effektiven Entlassung aus der Haft auszurichten. 7. Es sei von der Anordnung einer vollzugsbegleitenden ambulanten therapeutischen Behandlung abzusehen. 8. Es sei die mit Strafbefehl vom 21. Oktober 2021 wegen Vergehens gegen das Waffengesetz ausgesprochene Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu CHF 60.00 zu widerrufen. 9. Es seien sämtliche beschlagnahmten Gegenstände gemäss Verfügung vom 9. September 2022 einzuziehen und zu vernichten, den Berechtigten herauszugeben sonst wie nach richterlichem Ermessen zu verwenden mit Ausnahme folgender Gegenstände, welche A.___ herauszugeben sind: a. 1x Herrenjacke mit Kapuze, Columbia Grösse XL dunkelgrün b. 1x Pullover mit Kapuze, Smog, Grösse XL grau c. 1x Trainerhose ldentic Grösse L grau d. 1 Paar Schuhe Adidas Grösse 44 ¾ e. 1x zusammengerollte 50-er-Note (Bargeld CHF) f. Fahrkarte/Abonnement ÖV 10. Es sei die Privatklägerin D.___ zur Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung gegenüber A.___ auf den Zivilweg zu verweisen. 11. Es seien die Verfahrenskosten im Strafpunkt nach Massgabe der Schuldsprüche aufzuerlegen. 12. Es sei dem amtlichen Verteidiger das Honorar und der Auslagenersatz gemäss eingereichter Kostennote zuzusprechen. 13. Es sei beim Angeklagten A.___ auf die Ein- und Rückforderung sämtlicher Kosten zu verzichten.»
Im Weiteren wird in Bezug auf die Berufungsverhandlung vom 14. März 2024 auf folgende Dokumente in den Akten verwiesen:
- Verhandlungsprotokoll: ASB 058 ff.; - Protokoll der Einvernahme der Privatklägerin C.E.___ als Auskunftsperson: ASB 067 ff.; - Protokoll der Einvernahme des Beschuldigten: ASB 073 ff.; - Audiodateien der beiden Einvernahmen: ASB 078a ff.; - Audiodateien mit den Parteivorträgen (inkl. Replik und Duplik) sowie dem letzten Wort des Beschuldigten: ASB 108a ff.; - Zusammenfassung der (ersten und zweiten) Parteivorträge (Notizen der Gerichtsschreiberin), sofern diese nicht als schriftliche Plädoyernotizen zu den Akten gegeben worden sind: ASB 104 ff.
Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Am Montag, 3. Januar 2022, um 19:45 Uhr, wurde der Polizei Kanton Solothurn gemeldet, dass soeben in [Ort 1], [Adresse], ein bewaffneter Raubüberfall (Versuch) in einem Einfamilienhaus begangen worden sei (vgl. polizeiliche Strafanzeige vom 7. April 2022, Akten Seiten 001 ff., nachfolgend: AS 001 ff.). Ein mit einem Revolver bewaffneter Mann habe sich nach dem Klingeln ins Haus gedrängt und die Anwesenden, C.E.___ (nachfolgend: die Privatklägerin) und deren Sohn E.E.___ (nachfolgend: der Sohn) und Tochter F.E.___ (nachfolgend: die Tochter), beide zur Tatzeit rund neuneinhalb Jahre alt, bedroht und Geld gefordert. Die ausgerückten Polizeibeamten konnten vor Ort – bis auf ein paar DNA-Spuren, welche die Erstellung von DNA-Profilen gar nicht nur in Form von komplexen Mischprofilen zuliessen (vgl. AS 057) – keine Hinweise auf die Täterschaft finden.
2. Am Dienstag, 4. Januar 2022, 9:15 Uhr, meldete sich A.___ (nachfolgend: der Beschuldigte) bei der Polizeiwache […] und gab an, er habe am Vorabend eine Frau und deren Kinder in einem Haus in [Ort 1] mit einer Schreckschusspistole bedroht und Geld von ihr verlangt. Es tue ihm leid, was er getan habe; er bereue es und habe sich aus diesem Grund gestellt. Er habe einen Absturz erlitten, Alkohol und Drogen konsumiert und seit drei Tagen nicht mehr geschlafen (AS 008).
3. Die vom Beschuldigten benutzte Waffe konnte nicht sichergestellt werden: Nach seinen Angaben habe er sie auf dem Heimweg weggeworfen. Da der von ihm bezeichnete Ort auf französischem Hoheitsgebiet lag, wurden keine weiteren Nachforschungen angestellt (AS 008). Die Waffe konnte aber identifiziert werden: In der Wohnung des Beschuldigten wurden die Verpackung der Schreckschusspistole (Selbstlade-Signal-Pistole RG 9: AS 051) und dazugehörige Munition (Knallpatronen, Pfefferpatronen, CS-Reizstoffpatrone: AS 050) aufgefunden.
4. Der Beschuldigte wurde am 4. Januar 2022 festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft.
Am 3. Mai 2022 erstellte Dr. G.___ ein strafrechtliches Gutachten über den Beschuldigten (AS 717 ff.).
5. Mit Anklageschrift vom 7. November 2022 wurden die Akten dem Amtsgericht von Dorneck-Thierstein überwiesen zur Beurteilung der dem Beschuldigten gemachten Vorhalte (AS 899 ff.). 6. Das Amtsgericht von Dorneck-Thierstein fällte am 10. Mai 2023 folgendes Strafurteil:
« 1. A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht: a) versuchter Raub, begangen am 3. Januar 2022, b) versuchte Nötigung, begangen am 3. Januar 2022, c) Freiheitsberaubung, begangen am 3. Januar 2022, d) Hausfriedensbruch, begangen am 3. Januar 2022, e) mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz, begangen bis zum 4. Januar 2022, f) mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit vom 1. Januar 2022 bis 4. Januar 2022. 2. A.___ wird verurteilt zu: a) einer Freiheitsstrafe von 31 Monaten, b) einer Busse von CHF 500.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen. 3. A.___ werden 492 Tage Haft und vorzeitiger Strafvollzug an die Freiheitsstrafe angerechnet. 4. Für A.___ wird vollzugsbegleitend eine ambulante therapeutische Behandlung angeordnet. 5. Zur Sicherung des Strafvollzugs bzw. im Hinblick auf ein mögliches Berufungsverfahren wird gegen A.___ die Fortsetzung der Sicherheitshaft für 3 Monate, d.h. bis am 10. August 2023, angeordnet. 6. Der A.___ mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Oktober 2021 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 60.00 gewährte bedingte Vollzug wird widerrufen. 7. Folgende beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) werden A.___ nach Rechtskraft des Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben: a) 1x Herrenjacke mit Kapuze, Columbia, Gr. XL, dunkelgrün b) 1x Pullover mit Kapuze, Smog, Gr. XL, grau c) 1x Trainerhose, Identic, Gr. L, grau d) 1 Paar Schuhe, Adidas, Gr. 44 ¾ e) 1x zusammengerollte 50-er Note (Bargeld CHF) f) 1x Fahrkarte/Abonnement ÖV Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände 3 Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei vernichtet. 8. Folgende beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) werden der Privatklägerin C.E.___ nach Rechtskraft des Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben: a) 1x Damenleggins, H&M, Gr. S, schwarz b) 1x Damenkleid mit Blumenmuster, F&F, Gr. 36 Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände 3 Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei vernichtet. 9. Folgende beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten: a) 1x Jeanshose Herren, Russel, Gr. W36/L32, blau b) 1x Herrengürtel, Twister Denim, Gr. 52/130, schwarz c) 1x Pullover mit Kapuze, Smog, Gr. XL, schwarz d) 1x Herrenwindjacke, Mammut, Gr. XL, schwarz e) 1 Paar Schuhe, EQT, Gr. 44.5 f) 1x geöffnete Bierdose, Feldschlösschen g) 50 Gramm Marihuana h) 8 Gramm Kokain (1 Minigrip) i) 1x 20-er Note (Bargeld CHF) (mit Kokainanhaftungen) j) 1x Kosmetikkoffer (mit Kokainanhaftungen) k) 34x Knallpatronen (Pistolenmunition), Geco, 8mm l) 7x Pfefferpatronen (Pistolenmunition), Wadie, 8mm m) 9x CS-Reizstoffpatronen (Pistolenmunition), 8mm n) 1x Verpackung für Selbstlade-Signal-Pistole RG 9 (Schreckschusspistole) inkl. Munition und Reinigungsbürste o) 1x pyrotechnischer Gegenstand (Feuerwerkskörper), Exploder TP 4 p) 1x pyrotechnischer Gegenstand (Feuerwerkskörper), Supereffekt Leuchtsterne q) 1x Kugellagerkugeln (für Steinschleuder) r) 1x Zubehör für Waffe, EM-GE Zusatzlauf 9/15mm s) 1x Schlagrute, schwarz 10. Folgende beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) sind den Berechtigten nach Rechtskraft des Urteils herauszugeben: a) 1x Jagdgewehr, Mauser 98, an: H.___, geb. […], von […], [Adresse] b) 1x Bohrmaschine/Bohrhammer Hilti, SFC 22-A, Serien Nummer […], 1x Ladegerät Hilti, C 4/36-90, Seriennummer […] und 2x Li-ion Akku Hilti, B22/1.6, Nummer […] und […] an: I.___ AG, [Adresse], c) 1x Li-ion Akku Hilti, B22/5.2, Aufschrift […], S/N 932430162 an: J.___ AG, [Adresse]. 11. A.___ wird verurteilt, den Privatklägern C.E.___, E.E.___ und F.E.___ CHF 5'000.00 als Genugtuung zu bezahlen. Die darüberhinausgehenden Forderungen werden auf den Zivilweg verwiesen. 12. Die D.___ wird zur Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung gegenüber A.___ auf den Zivilweg verwiesen. 13. A.___ hat den Privatklägern C.E.___, E.E.___ und F.E.___, bis 18. November 2022 vertreten durch Advokat Stefan Suter, eine Parteientschädigung von CHF 3'241.55 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. 14. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Roman Frey, wird auf CHF 20'427.05 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben. Es wird festgestellt, dass die Zentrale Gerichtskasse gemäss Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 8. September 2022 dem amtlichen Verteidiger bereits CHF 11'186.80 (inkl. Auslagen und MwSt.; als Vorschuss für den Aufwand bis und mit 06.09.2022) überwiesen hat, so dass ihm noch die Differenz von CHF 9'240.25 auszubezahlen ist. 15. A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 5'600.00, total CHF 22'095.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 1'200.00, womit die gesamten Kosten CHF 20'895.00 betragen.»
7. Gegen das Urteil meldete die Staatsanwaltschaft am 19. Mai 2023 die Berufung an. Mit Berufungserklärung vom 6. September 2023 (ASB 003) wurde eine Verurteilung des Beschuldigten wegen versuchten qualifizierten Raubes und wegen Geiselnahme beantragt. Zudem sei eine höhere Freiheitsstrafe auszufällen.
8. Der Beschuldigte verzichtete mit Eingabe vom 10. Oktober 2023 auf eine Anschlussberufung (ASB 024). Ebenso ergriff die Privatklägerschaft kein Rechtsmittel.
9. Damit ist das erstinstanzliche Urteil wie folgt in Rechtskraft getreten:
- Ziffer 1 (teilweise): Schuldsprüche wegen versuchter Nötigung, Hausfriedensbruchs, mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes; - Ziffer 4: Anordnung einer ambulanten Massnahme; - Ziffern 7 bis 10: Entscheide über beschlagnahmte Gegenstände; - Ziffern 11 bis 13: Entscheide über Zivilforderungen und Parteientschädigung an die Privatklägerschaft; - Ziffer 14 (teilweise): Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Höhe nach.
Ebenfalls rechtskräftig ist der implizite Freispruch vom Vorhalt der Nötigung in Zusammenhang mit dem Raubdelikt.
Praxisgemäss nicht rechtskräftig, obwohl nicht angefochten, werden die mit der Strafzumessung zusammenhängenden Entscheide wie die ausgefällte Busse und der Widerrufsentscheid. Alle Aspekte der Strafzumessung im weiteren Sinne (Strafmass, Frage des bedingten Strafvollzugs, Widerruf, Rückversetzung) sind als Gesamtpaket zu betrachten (vgl. SOG 2013 Nr. 15 und SOG 2005 Nr. 15). Um ein kohärentes Sanktionenpaket zu bestimmen, ist bei der Strafzumessung eine Teilanfechtung abzulehnen, wenn damit Fragen auseinandergerissen werden, die in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (SOG 1999 Nr. 25; BGE 117 IV 97).
10. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 13. November 2023 wurden der Beschuldigte und sein amtlicher Verteidiger sowie der die Anklage vertretende Staatsanwalt zur Berufungsverhandlung auf den 14. März 2024 vorgeladen.
11. Mit Verfügung vom 19. Januar 2024 wurde auf Antrag des Staatsanwalts überdies die Privatklägerin zur Befragung als Auskunftsperson zur Berufungsverhandlung vorgeladen. Es wird in Bezug auf die Berufungsverhandlung und die Einvernahmen des Beschuldigten und der Privatklägerin als Auskunftsperson auf die separaten Protokolle verwiesen (ASB 058 ff., 067 ff. und 073 ff.).
II. Anwendbares Recht
1. Per 1. Januar 2024 trat eine Teilrevision der StPO in Kraft (AS 2023 468; BBL 2019 6697). Die Änderungen enthalten keine Regelung betreffend Übergangsrecht. Es stellt sich somit die Frage, welches Recht vorliegend anwendbar ist, da erstinstanzlich vor Inkrafttreten der Revision geurteilt wurde, das Berufungsurteil nun aber nach diesem ergeht.
Art. 448 StPO sieht vor, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen (Abs. 1). Unter dem Abschnitt der Rechtsmittelverfahren hält Art. 453 Abs. 1 StPO fest, dass, sofern ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden ist, Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden.
2. Die Thematik des Übergangsrechts wurde in den parlamentarischen Beratungen nie diskutiert, daraus lassen sich damit keine Erkenntnisse ableiten. Der Basler Kommentar zur StPO (BSK StPO, 3. Aufl., 2023) hält zu Art. 448 StPO Folgendes fest: «Hinzuweisen ist darauf, dass in der vom Parlament am 17. Juni 2022 verabschiedeten Teilrevision der Strafprozessordnung keine von Art. 448 StPO abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind und die revidierten Bestimmungen der StPO demnach sofort in Kraft treten.» (Moritz Oehen in: BSK StPO, Art. 448 StPO N 2). Diese Formulierung ist aber insofern unklar, als daraus nicht genau hervorgeht, ob das neue Recht generell zur Anwendung gelangt eben Art. 453 StPO als Ausnahme für Rechtsmittelverfahren Anwendung findet. Im Grundsatz richtig ist, dass Art. 448 StPO für alle hängigen Verfahren gilt und damit die Revision sofort in Kraft tritt. Anderes sieht aber Art. 453 StPO für die Rechtsmittelverfahren vor, nämlich, dass die Rechtsmittel gegen einen Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden. Es würde zu eng greifen, die Formulierung «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Vielmehr kommen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung beschlossen und nichts anderes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich neues Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtsmittelverfahren sieht aber Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung gefällt wurde. Diese Auslegung verhindert unbefriedigende Ergebnisse in der Praxis: Um nur zwei Beispiele zu nennen, müsste in allen hängigen Berufungsverfahren die Privatklägerschaft mit URP nach nArt. 136 Abs. 3 StPO noch einen Antrag für URP stellen (soweit noch nicht geschehen), um die URP im Berufungsverfahren überhaupt zu erhalten. Oder der Beschuldigte würde benachteiligt, wenn ihm erstinstanzlich eine Entschädigung direkt zugesprochen wird und auf seine Berufung hin die Entschädigung dann nach nArt. 429 Abs. 3 StPO im Berufungsverfahren dem Verteidiger direkt zugesprochen werden müsste. Fänden die neuen Bestimmungen auch für Rechtsmittelverfahren gegen erstinstanzliche Urteile vor dem Jahr 2024 Anwendung, würde dies bedeuten, dass bei teilweiser Anfechtung der rechtskräftige Teil des Urteils nach altem Recht ergeht, und der angefochtene nach neuem Recht. Es kann aber nicht sein, dass für ein Urteil (Art. 408 StPO) ein Teil nach altem und ein Teil nach neuem Prozessrecht gefällt wird. Diese Rechtsauffassung wird auch von früheren StPO-Revisionen gestützt: Mit der Änderung vom 28. September 2012 wurde mit Art. 456a StPO eine von den allgemeinen Regeln von Art. 448 StPO und der Ausnahme von Art. 453 StPO abweichende Regelung geschaffen, wonach das neue Recht in allen Verfahren gelte, somit auch für Rechtsmittelverfahren. Im Weiteren kann auch Art. 2 des StGB herangezogen werden, dessen Formulierung in Abs. 1 «nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht» jeweils die entsprechende Änderung des Gesetzes meint.
3. Es hat demnach Folgendes zu gelten: Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO kommen als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung der StPO beschlossen und nichts Anderslautendes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich das neue Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtmittelverfahren sieht Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (der neuen Bestimmung) gefällt worden ist (gl. M. nun auch Moritz Oehen in: BSK StPO «PLUS», Aktualisierung vom 31. Januar 2024 zu Art. 448 StPO N 2, online abrufbar unter www.legalis.ch).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folglich, dass das alte Recht (vor dem 1. Januar 2024) zur Anwendung gelangt.
III. Sachverhalt
1. Vorhalt
Unter Ziffer 1 der Anklageschrift wird dem Beschuldigten u.a. versuchter qualifizierter Raub (besondere Gefährlichkeit; Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. versuchter qualifizierter Raub (Mitführen einer Waffe; Art. 140 Ziff. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), subevtl. versuchter Raub (Art. 140 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) sowie Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 1 StGB), evtl. Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 StGB) vorgehalten.
Konkret wird ihm vorgehalten, am 3. Januar 2022, ca. zwischen 19:45 Uhr und 19:54 Uhr, in [Ort 1], [Adresse], Einfamilienhaus, zum Nachteil der Privatklägerin einen versuchten qualifizierten Raub und zum Nachteil von Sohn und Tochter eine Geiselnahme, evtl. Freiheitsberaubung begangen zu haben, indem er in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, die Privatklägerin vorsätzlich unter Androhung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben und unter Bewirken der Widerstandsunfähigkeit zu nötigen versucht haben soll, ihm Geld herauszugeben. Zudem soll er die beiden Kinder vorsätzlich der Freiheit beraubt sich ihrer sonstwie bemächtigt haben, um die Privatklägerin zu nötigen, ihm Geld herauszugeben, wobei er zu diesem Zwecke eine mit Schreckmunition geladene, jedoch wie eine echte Faustfeuerwaffe aussehende Schreckschusspistole mit sich geführt haben und damit auf die drei Geschädigten gezielt haben soll.
Konkret habe der Beschuldigte um ca. 19:45 Uhr an der Türe des Einfamilienhauses der Familie E.___ geklingelt, dabei die mitgeführte Schreckschusspistole sichtbar auf der rechten Seite seiner Hose eingesteckt, eine schwarze Hygienemaske sowie eine schwarze Jacke getragen und die Kapuze eng über den Kopf gezogen. Als die Privatklägerin die Türklinke heruntergedrückt habe, habe der Beschuldigte die Türe mit seinem Körper bzw. mittels Gewalt aufgedrückt und gegen den Willen der Privatklägerin das Haus betreten. Der Sohn, welcher sich beim Öffnen der Tür hinter der Privatklägerin befunden habe, habe die aus dem Hosenbund des Beschuldigten ragende Schreckschusspistole erblickt, sei gleich zurückgewichen und habe die Hände hochgehoben. Nachdem die Privatklägerin den Griff der Schreckschusspistole ebenfalls erblickt gehabt habe, habe sie nach dem bei der Türe in unmittelbarer Nähe auf einem kleinen Tisch stehenden Telefon gegriffen, um die Polizei zu alarmieren. In diesem Moment habe der Beschuldigte mit seiner rechten Hand die Schreckschusspistole gezückt und diese aus maximal 50 cm Entfernung auf die Privatklägerin gerichtet, wobei er sie auf Brust/Kopf-Höhe gehalten habe, um die Privatklägerin dazu zu bringen, das Telefon wieder hinzulegen. Dabei habe der Beschuldigte «Leg das Telefon ane. Kei Polizei ich druck ab» gesagt, woraufhin diese das Telefon zu Boden fallen gelassen habe.
Aus Angst vor dem Beschuldigten sei die Privatklägerin zur Balkontür gerannt, habe diese aufgerissen und «Hilfe» nach draussen geschrien. Der Beschuldigte sei ihr in Richtung der Balkontüre gefolgt, habe sich jedoch stets auf der Seite der Küche aufgehalten, wo die Lamellenstoren heruntergelassen gewesen seien und niemand habe hineinsehen können. Der Beschuldigte habe dann zur Privatklägerin gesagt «Hör uf. Mach die Türe zue». Als C.E.___ erwiderte, dass dies nicht gehe, habe der Beschuldigte gesagt «Verarsch mi nit» und mit der freien Hand versucht, die Balkontüre zu schliessen, was ihm jedoch nicht gelungen sei.
Daraufhin habe er die Privatklägerin und den Sohn mit hochgehaltener Pistole angewiesen, sich in den Küchenbereich zu begeben, wo niemand sie habe sehen können. Der Sohn habe daraufhin seine Mutter in die Küche geschoben und sie angefleht, zu tun, was der Beschuldigte verlange. Der Beschuldigte habe dann mit der Schreckschusspistole aus einer Entfernung von ca. 15 cm gegen den Kopf der Privatklägerin gezielt und gesagt «No ei mol sone Schrei, lueg ich han sie in de Hand und ich drugg ab» und «Hör uf. Mach die Türe zue», wobei der Beschuldigte die Pistole ununterbrochen gegen die Privatklägerin gerichtet und den Finger am Abzug gehabt haben soll. Im Verlauf des Geschehens sei die Tochter, welche zuvor im oberen Stock am Duschen gewesen sei und die Schreie gehört habe, nach unten gekommen und habe ebenfalls zu schreien begonnen. Die Privatklägerin habe den Beschuldigten gefragt «Was willsch vo uns?», worauf er mit «Geld Wahrheit» geantwortet haben soll. Nachdem die Privatklägerin dem Beschuldigten versichert gehabt habe, kein Bargeld im Haus zu haben, habe der Sohn dem Beschuldigten angeboten, das Geld aus seinem «Sparkässeli» nehmen zu können, worauf der Beschuldigte geantwortet habe «Das will ich nicht. Ich will das vo dinere Muetter».
Als die Privatklägerin den Beschuldigten schliesslich mit den Worten «Gang bitte. Gang bitte» gebeten habe, zu gehen, und gesagt habe, dass die Kinder traumatisiert seien, habe der Beschuldigte geantwortet, dass alles gut sei und er gehe, wobei er die Pistole gesenkt haben soll. Auf dem Weg nach draussen soll der Beschuldigte noch gesagt haben «Es isch alles guet. Ich gang jetzt do use. Ihr holet kei Hilf. Es wird kei Telefon gmacht. Wenn ihr dr Polizei alütet, denn passiert öpis Schlimms». Dabei solle er die Pistole nochmals hochgehoben haben, bevor er noch «Do hinde sind no zwei, drei, wo luege» gesagt und mit seinen Fingern zuerst auf seine Augen und dann in Richtung Garten gezeigt und schliesslich die Pistole eingesteckt und das Haus verlassen haben soll.
2. Allgemeines zur Beweiswürdigung
2.1 Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff, 127 I 40 f) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.
Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).
2.2 Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): Es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.
Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam - einander ergänzend und verstärkend - können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile 6B_360/2016 vom 1. Juni 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 2.3; je mit Hinweisen).
2.3 Bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts von Zeugenaussagen hat sich die sogenannte Aussageanalyse durchgesetzt. Überprüft wird dabei in erster Linie die Hypothese, ob die aussagende Person unter Berücksichtigung der Umstände, der intellektuellen Leistungsfähigkeit und der Motivlage eine solche Aussage auch ohne realen Erlebnishintergrund hätte machen können. Methodisch wird die Prüfung in der Weise vorgenommen, dass das im Rahmen eines hypothesengeleiteten Vorgehens durch Inhaltsanalyse (aussageimmanente Qualitätsmerkmale, sogenannte Realkennzeichen) und Bewertung der Entstehungsgeschichte der Aussage sowie des Aussageverhaltens insgesamt gewonnene Ergebnis auf Fehlerquellen überprüft und die persönliche Kompetenz der aussagenden Person analysiert werden. Dabei ist immer davon auszugehen, dass die Aussage nicht realitätsbegründet ist. Ergibt die Prüfung, dass diese Unwahrhypothese (Nullhypothese) mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen. Es gilt dann die Alternativhypothese, dass die Aussage wahr ist (vgl. Urteil 6B_298/2010 E. 2.3, mit Verweis auf BGE 133 I 33 E. 4.3; 129 I 49 E. 5). Weiter hat das Bundesgericht verschiedentlich ausgeführt, dass die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen primär Sache des Gerichts ist. Auf Begutachtungen sei nur bei besonderen Umständen zurückzugreifen (vgl. u.a. Urteil 6B_165/2009 E. 2.5).
3. Beweiswürdigung
3.1 Der Sachverhaltsablauf, wie er in der Anklage dargelegt wird, ist im Grundsatz unbestritten. Unterschiede ergeben sich im Wesentlichen nur hinsichtlich des Gebrauchs der Schreckschusspistole, mithin ob und aus welcher Distanz der Beschuldigte auf die Privatklägerin gezielt haben soll. Dabei stützen sich Anklage und Vorinstanz auf die Aussagen der Privatklägerin und der beiden Kinder.
Die Vorinstanz hat die vorliegenden Aussagen der Privatklägerin, der beiden Kinder und des Beschuldigten auf US 9 ff. umfassend wiedergegeben. Sie hat diese Aussagen in der Folge einer sorgfältigen Analyse unterzogen und kam zum zutreffenden Schluss, dass die Aussagen der Privatklägerin – unter Einbezug der Aussagen der beiden Kinder, und dabei namentlich der Aussagen des Sohnes, der das Vorgehen erstaunlich differenziert schildern konnte – grundsätzlich als ausgesprochen glaubhaft zu qualifizieren sind (US 17 ff., Ziff. 1.2.3) bzw. die Aussagen des Beschuldigten mit Blick auf das Kerngeschehen wenig detailliert und nicht konstant sind und dass sich ihnen kaum Realkennzeichen entnehmen lassen (US 26, Ziff. 1.2.5). Diesen Erwägungen kann gefolgt werden, darauf kann somit verwiesen werden.
3.2 Genauer zu prüfen sind die Aussagen zur Frage der konkreten Verwendung der Schreckschusspistole:
- Bei der Ersteinvernahme unmittelbar nach der Tat gab die Privatklägerin an (ohne gestellte Fragen: AS 137 ff.), der Täter habe den Revolver nach dem Eindringen sofort mit der rechten Hand gezückt. Als er hereingekommen sei, habe sie versucht, nach rechts zum Telefon zu greifen. Da habe er gesagt: «Leg das Telefon ane. Keine Polizei, ich druck ab.» Auf ihr Schreien habe er gesagt: «No eimol sone Schrei, lueg ich han sie in de Hand und ich drugg ab.». Den Finger habe er die ganze Zeit am Abzug gehabt. Er habe danach die Waffe immer auf die Person gerichtet, die geschrien habe. Als sie immer wieder gesagt habe «Gang, gang bitte. Mir hei kei Gäld. Sehsch nit, die Chinder sind traumatisiert», habe er auf einmal gesagt «Ok. Ich gang.» Er habe auf einmal abklatschen und ihr ein kumpelhaftes «High Five» geben wollen. Dabei habe er die Waffe gesenkt und habe mit seiner linken Hand mit ihr abklatschen wollen. Er habe E.E.___ ins Gesicht gefasst und sei diesem liebkosend über die Backe gefahren. Der Beschuldigte habe, so glaube sie, sich selbst beruhigen wollen. Die Waffe habe er immer noch in der rechten Hand gehalten und gesagt: «Es isch alles guet. Ich gang jetz do use. Ihr holet kei Hilf. Es wird kei Telefon gmacht. Wenn ihr dr Polizei aalütet, denn passiert öpis schlimms.». In diesem Moment habe er die rechte Hand hochgezogen und den Revolver gezeigt. Sie habe Todesangst gehabt. Sie habe nicht gewusst, ob die Waffe geladen sei. Der Beschuldigte habe sie ständig auf sie und die Kinder gerichtet gehabt. Den Finger habe er am Abzug gehabt.
- Am 7. Januar 2022 (AS 179 ff.): (In freier Rede) Als der Beschuldigte die Türe von aussen aufgestossen habe und eingedrungen sei, habe sie gesehen, dass bei ihm rechts eine Waffe aus der Hose schaue. Dieser habe dann gesagt, es sei alles gut. Für sie sei überhaupt nichts gut gewesen. Sie habe dann versucht, nach dem Telefon zu greifen und die Nummer 117 zu wählen. Da habe sie gesehen, wie er die Waffe gezogen und gegen sie und den Sohn gerichtet habe. Er habe sie angeschrien, sie solle sofort das Telefon hinlegen. Sie sei in Panik durch das Haus gelaufen, habe die Balkontüre aufgerissen und nach Hilfe geschrien. Da sei der Täter in den Küchenbereich gegangen, wo die Storen unten gewesen seien. Er habe sich im Bereich aufgehalten, der nicht einsehbar sei. Er habe dann aus nächster Nähe die Waffe auf sie gerichtet. So von oben auf ihren Kopf, aus einer Entfernung von ca. 15 cm. Er habe gesagt, noch einmal einen solchen Schrei. Sie solle auf seine Hand schauen, er drücke ab. Sie habe genau in die Waffe hineingeschaut und gedacht, jetzt sei fertig, jetzt würden sie alle sterben. Sie habe gesehen, dass er den Finger am Abzug gehabt habe. Dann habe er sie Beide unter Waffengewalt gezwungen, in den Küchenbereich zu gehen, wo sie niemand sehe. Der Täter habe die Waffe immer oben gehabt. Dann sei auch noch die Tochter gekommen und habe zu kreischen begonnen. Da habe sie gerade noch einmal die Panik gepackt wegen der Warnung des Täters vorher, er drücke beim nächsten Schreien ab. Sie habe den Täter dann gefragt, was er eigentlich wolle, ob er Geld wolle. Er solle bitte gehen. Ihr Sohn habe dem Täter dann sein «Sparkässeli» angeboten. Das habe der Täter abgelehnt. Der Täter habe gesagt: Geld Wahrheit. Sie habe ihn angefleht zu gehen, die Kinder seien traumatisiert. Dann habe er gesagt, okay, er gehe. Dann habe er ihren Sohn noch über den Kopf streicheln und mit ihr ein «High Five» machen wollen. Er habe gesagt, sie dürften keine Hilfe holen, und habe dabei die Waffe noch einmal gezeigt. Dann habe er das Haus verlassen und die Waffe eingesteckt. Die Waffe sei permanent auf sie (Privatklägerin und Kinder) gerichtet gewesen mit einer Distanz von 30 bis 50 cm. Ihr sei die Waffe echt vorgekommen, sie habe Todesangst gehabt. Sie habe gedacht, er drücke ab, wie er das ja auch angedroht gehabt habe.
- Am 11. August 2022 bei der Staatsanwältin (AS 263 ff.): (In freier Rede) Der Unbekannte habe sie mit der Türe reingedrückt und gesagt, alles gut, alles gut. Schnell habe sie gesehen, dass eine Waffe aus seiner Hose rausschaue. Deshalb habe sie versucht, das Telefon zu ergreifen, habe aber keine Nummer einstellen können. In diesem Moment habe der Täter die Waffe ergriffen und ein erstes Mal auf sie gezielt und gesagt, sie solle das Telefon hinlegen. Nachdem der Mann auf sie gezielt gehabt habe, sei ihr bewusst geworden, dass sie wirklich in Lebensgefahr seien. In dieser Panik sei sie in Richtung Gartentüre gelaufen, um Hilfe zu holen, damit sie wenigstens noch etwas gemacht habe. Sie habe die Türe aufgerissen und um Hilfe geschrien. Der Mann sei ihr gefolgt, aber immer im Bereich geblieben, in dem man ihn von aussen nicht habe sehen können. Das sei ihr gut (in Erinnerung) geblieben. Ins erleuchtete Wohnzimmer habe man gut gesehen. Nachdem sie Hilfe gerufen gehabt habe, habe er aus nächster Nähe die Waffe auf sie gerichtet und ihr befohlen, auf die Waffe zu schauen. Dabei habe er gesagt «Noch einmal so einen Schrei und ich drücke ab». Das sei ihr wie durch Mark und Bein gegangen. Sie habe gesehen, dass ein Finger am Abzug gewesen sei und sie habe in den Lauf hineingesehen. Danach sei auch die Tochter runtergekommen und habe auch zu schreien begonnen. Vor dem Gehen habe der Täter die Waffe noch einmal gehoben und so schwenkend in die Luft gehalten. (Auf Frage) Als sie zum Telefon gegriffen habe, habe der Täter die Waffe sofort gezückt. Er sei kognitiv sehr aufmerksam gewesen. (Auf Frage) Er habe dann die Waffe aus nächster Nähe auf sie gerichtet. Wie weit sie in diesem Moment von der Waffe entfernt gewesen sei, könne sie nicht sagen. Das Ganze sei aber sehr nahe gewesen. (Auf Frage) Nein, aufgesetzt habe er die Waffe nicht, sie sei aber sehr nahe gewesen, etwa auf Höhe Brust/Kopf in einer senkrechten Linie zu ihr. (Auf Frage) Vor der Kochinsel habe er ihr dann erneut mit der Waffe gedroht. Dieses Mal wirklich direkt gegen ihren Kopf und noch viel näher als vorher. Er habe gesagt, sie solle auf die Waffe schauen und sie habe in den Lauf reingeschaut. Sie habe gedacht, jetzt sei fertig. Dann habe er gesagt, noch einmal einen solchen Schrei und er drücke ab. (Auf Frage) Sie sei da in der Nähe vom Fenster gestanden, der Täter vermutlich leicht versetzt hinter ihr. (Auf Frage) Was nachher mit der Waffe passiert sei, könne sie nicht sagen, einmal habe er sie noch hoch gehalten beim Rauslaufen. Ob er sie zwischenzeitlich mal versorgt gehabt habe, könne sie nicht sagen. (Auf Frage) Die Tochter sei nach ihrer Erinnerung erst runtergekommen, als sie (die Privatklägerin) vor der zweiten Bedrohung geschrien habe. Diese habe die Waffe gar nicht sehen können, weil er sie dann unten getragen habe. (Auf die Frage, warum nicht) Sie habe diese wahrscheinlich einfach nicht wahrgenommen, das nehme sie jedenfalls an.
- Vor Berufungsgericht führte die Privatklägerin zusammengefasst Folgendes aus (ASB 067 ff.): Als er an der Türe geklingelt habe, habe sie nur die Türfalle nach unten gedrückt. Die Person, welche maskiert und schwarz gekleidet gewesen sei, habe sich sofort hineingeschoben, so dass sie gar nichts mehr habe machen können. Ihr Sohn sei (von oben) nach unten gekommen und habe die Hände gehoben, wie beim «Hände hoch». Es sei alles so schnell gegangen, sie sei mit dieser Situation total überfordert gewesen. Sie habe dann den Griff einer Waffe wahrgenommen, die aus der Hose dieser Person herausgeragt habe. Die Person habe gesagt, dass alles okay sei, wohingegen sie realisiert habe, dass überhaupt nichts okay gewesen sei. Sie habe in diesem Moment riesige Angst bekommen. Sie sei damals noch Polizistin gewesen und habe gewusst, was eine Waffe bedeute, nämlich nichts Gutes. Sie sei zum Tischchen mit dem Telefon gegangen, wobei sie die Telefontasten kaum habe drücken könne, weil ihre Hände so stark gezittert hätten. Der Beschuldigte habe ihren Anrufversuch sofort bemerkt und habe zum ersten Mal die Waffe auf ihren Kopf gerichtet. Er habe ihr dann befohlen, das Telefon wieder hinzulegen. Sie habe den Telefonhörer auf den Boden geworfen. Sie sei sich in diesem Moment sicher gewesen, dass sie jetzt alle sterben müssten. Sie habe sich gedacht, wenn sie ohnehin sterben würden, müsse sie zumindest für ihre Kinder Hilfe holen, weshalb sie versucht habe, zur Terrassentüre zu rennen, um auf sie (= Privatklägerin und ihre beiden Kinder) aufmerksam zu machen. Sie habe die Schiebetüre geöffnet und um Hilfe gerufen, worauf der Beschuldigte ein zweites Mal die Waffe gegen ihren Kopf gerichtet und Folgendes gesagt habe: «Verarsch mich nicht! Noch einmal schreien und ich drücke ab.» Sie habe den Finger des Beschuldigen am Abzug der Waffe gesehen und gedacht «jetzt ist fertig». Als dann noch ihre Tochter nach unten gekommen sei und diese geschrien habe, sei sie überzeugt gewesen, dass nun sowieso alles vorbei sei. Sie (Privatklägerin) habe den Beschuldigten darauf hingewiesen, dass die Kinder traumatisiert seien und ihm gesagt, «gönd, gönd einfach», sie habe nichts zu geben, sie habe kein Bargeld zu Hause. Der Beschuldigte habe dann eingelenkt und sei gegangen, wobei er hinzugefügt habe, dass keine Polizei geholt werden dürfe, sonst passiere etwas noch Schlimmeres. (Befragt nach dem Abstand im Zeitpunkt, als der Beschuldigte die Waffe zweimal auf die Privatklägerin gerichtet habe) Das sei aus nächster Nähe gewesen. Die Waffe sei aber nicht aufgesetzt gewesen. Sie könne sich nicht auf Zentimeter festlegen. In der Folge zeigt die Privatklägerin mit ihren Händen einen Abstand, der etwa 30 - 40 cm entspricht. Wo die Waffe sonst (d.h. unmittelbar vor und nach dem Zielen) gewesen sei, könne sie nicht mehr genau sagen. Sie erinnere sich einfach noch an die beiden anderen Situationen, als der Beschuldigte die Waffe auf ihren Kopf gerichtet habe. Das sei extrem gewesen. Sie habe Todesangst gehabt.
Der Beschuldigte blieb vor Berufungsgericht dabei (ASB 073 ff.), dass er weder mit der Waffe auf jemanden gezielt noch den Finger am Waffenabzug gehabt habe. Ebenso wenig habe er mit der Waffe gedroht. (Auf die Frage, was er dann gemacht habe, als die Privatklägerin den Telefonhörer ergriffen und später um Hilfe gerufen habe? Darauf habe er doch seinerseits reagieren müssen) Er sei selber schockiert gewesen. Er habe schon den Fluchtplan im Kopf gehabt. Die beiden Kinder habe er erst im Haus drinnen wahrgenommen. (Auf Frage) Nein, er habe die beiden Kinder nicht zeitgleich wahrgenommen. Das Mädchen sei vorne gestanden, der Bub rechts. Dieser sei als zweiter von der Treppe runtergekommen.
Mit den beiden Kindern der Privatklägerin wurde am 12. Januar 2022 unter Wahrung des Teilnahmerechts des Beschuldigten eine Videoeinvernahme durchgeführt (AS 229 ff.).
Der Sohn schilderte den Vorgang sehr ähnlich wie die Privatklägerin, wobei er auch ähnliche Dialoge wiedergab. Zum konkreten Verwenden der Schreckschusspistole sagte er in der freien Rede einzig, dass der Täter das Telefonieren verboten habe mit dem Hinweis, er habe eine Waffe. Diese habe er in der rechten Hosentasche gehabt, die Waffe habe einen braunen Horngriff mit einem Muster gehabt. Auf Nachfragen gab er an, als die Mutter die Fenstertüre aufgerissen und geschrien gehabt habe, habe der Beschuldigte gesagt, wenn sie noch einmal schreie, dann drücke er ab. Dabei habe er die Waffe ungefähr 30 cm vom Gesicht der Mutter entfernt gehabt. Er habe gesehen, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt den Finger am Abzug gehabt habe. (Auf Frage) Dies habe rund 10 Sekunden gedauert, einfach so lange, wie die Drohung gedauert habe. Danach habe der Täter die Waffe noch in der Hand gehalten, bis er sie wieder in der Hosentasche versorgt habe. (Auf Frage) Der Täter habe die Waffe etwa drei, vier Minuten in der Hand gehalten, einfach um sie zu ängstigen, damit man keine Polizei rufe. (Auf die Frage, wie genau) Er habe einfach die Drohungen gemacht und dann auch die Waffe gezeigt, einfach so, dass man sie sehe. Teils habe er sie auch vor das Gesicht gehalten. So, dass man sie sehe und in Angst versetzt werde und keine Polizei rufe. (Auf Frage) Der Täter habe die Waffe nur dem «Mami» vor das Gesicht gehalten und dies ungefähr zwei Mal. Der Täter habe die Anwesenheit seiner Schwester erst gar nicht bemerkt. Als er diese dann gesehen habe, dürfte es ihm (dem Täter) zu viel geworden sein, und er dürfte dann befürchtet haben, er könne die Kontrolle nicht mehr innehaben und gehe nun wohl besser. (Auf Frage) Zu ihm habe der Täter nie etwas gesagt, einzig das Angebot mit dem Geld aus dem «Kässeli» habe dieser abgelehnt. (Auf Frage) Den Finger habe der Täter nur rund 10 Sekunden am Abzug gehabt, als dieser der Mutter die Drohung gesagt habe. Dann habe er die Waffe nur noch hinten am Horngriff gehalten. (Auf Frage) Er habe mit den Eltern und dem Grossvater über das Geschehen gesprochen. Auf die abschliessende Frage, ob er sich mit dem «Mami» abgesprochen habe, gab der Sohn an: «Nein, eigentlich nicht. Diese Frage möchte ich nun eigentlich nicht mehr beantworten. Mehr sage ich nicht zu dem.» (Auf erneute Nachfrage aufgrund von Verständigungsproblemen) «Mehr möchte ich eigentlich nicht zu dieser Frage sagen.»
Die Tochter gab Folgendes an (AS 242 ff.): Als sie von der Dusche die Treppe runter gekommen sei, habe sie den Mann sagen gehört «Geld Wahrheit». Er habe nicht explizit nach Geld gefragt. Die Mutter habe gesagt: «Gang use, gang use». Ihr Bruder habe dem Mann Geld aus seinem «Kässeli» angeboten, das habe der Mann nicht gewollt. Als der Mann nach draussen gegangen sei, habe sie gesehen, dass er eine Waffe mitgeführt habe. Da habe er die Waffe eingesteckt. Er habe gesagt: «Kei Polizei, kei Hilf, sonst passiert öppis.» Als sie geschrien hätten, habe der Mann gesagt, «ned schreie bitte».
3.3 Die Aussagen der Privatklägerin zum Gebrauch der Waffe sind durchwegs konstant und sie verband diese auch immer mit konkreten Aussagen des Beschuldigten. Sie sprach immer von zwei konkreten Situationen, in welchen sie vom Beschuldigten mit der Waffe bedroht worden sei: Als sie zum Telefon gegriffen habe, habe dieser aus einer Distanz von 30 bis 50 cm auf sie gezielt und gesagt, «leg das Telefon ane; keine Polizei ich druck ab». Beim zweiten Mal habe er ihr nach ihrem Schrei nach draussen die Pistole aus einer Entfernung von ca. 15 cm direkt vor das Gesicht gehalten und gesagt, sie solle auf die Waffe schauen, noch einen solchen Schrei und er drücke ab. Dabei habe sie gerade in den Lauf der Waffe geschaut und auch gesehen, wie er den Finger am Abzug gehabt habe. Gerade diese Szene dürfte der Privatklägerin eingefahren sein (nach ihren Worten: «durch Mark und Bein») und entsprechend in Erinnerung geblieben sein. Diesen Vorgang schilderte auch der Sohn sehr anschaulich: Er schätzte die Distanz zwischen Pistole und Kopf der Mutter auf 30 cm und gab an, der Mann habe rund 10 Sekunden lang seine Mutter so bedroht.
Dass der Beschuldigte die Pistole nicht die ganze Zeit auf die Privatklägerin gerichtet hatte, wird von der Tochter und vom Nachbarn K.___ so dargelegt (AS 223 ff.), weshalb nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» davon auszugehen ist. Der Nachbar gab an, er sei durch Schreie aufmerksam geworden, welche als Kinderschreie interpretiert worden seien. Er sei deshalb aus der Wohnungstüre im ersten Stock raus gegangen, von wo er gut in den Wohnraum und das Esszimmer der Geschädigten habe sehen können. Er habe drei Personen gesehen, die Privatklägerin und ihren Sohn und eine unbekannte männliche Person mit schwarzem Kapuzenpulli und dunkler Hose. Das Gesicht des Mannes habe er aus seinem Blickwinkel nicht sehen können, nur bis zum Hals. Die Tochter sei glaublich erst etwas später die Treppe herunter gekommen. Er habe diese Situation so interpretiert, dass sich die Privatklägerin und die beiden Kinder bedroht gefühlt hätten. Das habe er wegen den gehörten Schreien gedacht. Die Terrassentüre sei leicht geöffnet gewesen. Die Mutter habe die beiden Kinder schützend an sich genommen. Diese habe geschrien «Denke/Denket an die Kinder». Er habe von der männlichen Person keine Drohgebärden wahrgenommen, sondern eine entspannte Haltung. Dann habe er entschieden, dass eine Drohsituation vorliege und habe die Polizei verständigen wollen. (Auf Frage) Er habe die männliche Person gesehen, auch deren Hände, habe aber keine Waffe sehen können. Der Mann sei sehr langsam gegangen und habe keine ausserordentlichen Bewegungen gemacht. Wie gesagt, habe er keine Drohgebärden gesehen. Die Privatklägerin und die Kinder seien sehr verängstigt gewesen. Bis auf den Ausruf «Denk an die Kinder» habe er keine Aussagen wahrgenommen.
Demgegenüber bestreitet der Beschuldigte, die Waffe je gegen einen Menschen gerichtet zu haben. Seine Aussagen sind aber teilweise unplausibel und auch widersprüchlich: Er will die Waffe nur beim Reingehen in der Hand gehabt und sie später wegen der Kinder in die Hosentasche gesteckt haben. Wie er aber die Privatklägerin dazu gebracht haben will, das Telefon wieder wegzulegen und sie von weiteren Schreien abzuhalten, ohne dazu die Waffe zur Bedrohung zu benutzen, ist nicht nachvollziehbar und unplausibel. Er berief sich zudem verschiedentlich auf eine schlechte Erinnerung an die Vorgänge. Dies zeigt sich auch darin, dass er immer dabei blieb, zuerst sei die Tochter am Ort des Geschehens erschienen, etwas später erst der Sohn. Dies kann aufgrund der glaubhaften und übereinstimmenden Aussagen der drei Geschädigten und des Nachbarn K.___ aber ausgeschlossen werden. Die Aussagen des Beschuldigten sind nicht geeignet, die glaubhaften Angaben der Privatklägerin in Zweifel zu ziehen. Möglicherweise will der Beschuldigte auch ganz einfach nicht wahrhaben, die Waffen gegen die Privatklägerin gerichtet zu haben, aber er sollte dann nicht der Privatklägerin ein berechnendes und übertriebenes Aussageverhalten unterstellen.
3.4 Zusammengefasst ist damit davon auszugehen, dass der Beschuldigte die mit Knallpatronen geladene Waffe in zwei Situationen direkt und gezielt gegen die Privatklägerin gerichtet hat:
- Als diese das Telefon zur Hand genommen hatte, um die Polizei zu rufen, richtete der Beschuldigte die Schreckschusspistole aus einer Distanz von rund 50 cm gegen den Oberkörper der Privatklägerin.
- Als diese die Terrassentüre geöffnet und nach draussen um Hilfe geschrien hatte, richtete der Beschuldigte die Waffe aus einer Entfernung von rund 30 cm (nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» wird von der Distanzschätzung des Sohnes ausgegangen, die Privatklägerin zeigte vor dem Berufungsgericht einen Abstand von ca. 30 bis 40 cm) für rund mehrere Sekunden gegen das Gesicht der Privatklägerin mit dem Finger am Abzug.
Im Übrigen hielt der Beschuldigte die Waffe zumeist unten und zielte auch namentlich nie direkt auf die beiden Kinder. Einzig beim Hinausgehen erhob er die Waffe noch einmal, ohne dabei auf eine Person zu zielen.
III. Rechtliche Würdigung
1. Allgemeines zum Raub
1.1 Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich des Raubes schuldig, wer mit Gewalt gegen eine Person unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht. Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe eine andere gefährliche Waffe mit sich führt (Ziff. 2).
Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn er bandenmässig handelt sonst wie durch die Art, wie er den Raub begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart (Ziff. 3).
Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt es grausam behandelt (Ziff. 4).
1.2 Der Grundtatbestand von Ziff.1 verlangt somit das Verüben von Gewalt, d.h. die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Opfers, eine Drohung, welche objektiv eine solche Intensität erreicht, dass ein durchschnittlicher Einsichtiger dem Ansinnen des Täters nachgäbe (vgl. Stefan Trechsel/Dean Crameri in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar StGB, 4. Auflage 2021, nachfolgend: PK StGB, Art. 140 StGB N 5). Ein versuchter Raub im Sinne des Grundtatbestandes wird vom Beschuldigten vorliegend anerkannt.
1.3 In der Anklage wird nicht konkret ausgeführt, inwiefern der darin beschriebene Sachverhalt die Qualifikationsmerkmale erfüllt haben soll. Die Anklageschrift unterlässt es insbesondere, diejenigen Elemente zu benennen, welche eine besonders gefährliche Tatbegehung im Sinne von Ziff. 3 von Art. 140 StGB offenbaren sollen. Eine Rückweisung zur Verbesserung kann aber unterbleiben, weil die Umstände, wie sie vom Staatsanwalt nun vor den beiden Gerichtsinstanzen mit weitreichenden Begründungen geltend gemacht wurden, die Qualifikationen nicht erfüllen, wie zu zeigen ist.
1.4 Ziff. 2 von Art. 140 StGB ist als eine Art abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet (Mitführen einer Schusswaffe einer anderen gefährlichen Waffe, ohne von dieser Gebrauch zu machen). Der Begriff der Gefährlichkeit hat sich an jener der Schusswaffe zu orientieren. Deren besondere Gefährlichkeit besteht gerade darin, dass sie es ermöglichen, ohne Kraftaufwand und auf eine gewisse Distanz einen Menschen schwer zu verletzen zu töten. Die gleichen Kriterien (geringer Kraftaufwand; Wirkung auf eine gewisse Distanz; Eignung, einen Menschen zu töten schwer zu verletzen) sind auch auf die Frage nach der Gefährlichkeit «anderer» (also nicht Schuss-)Waffen anzuwenden. Dabei dürfen die Besonderheiten von Feuerwaffen indes nicht unberücksichtigt bleiben, sodass etwa eine geringere Distanzwirkung durch ein extremes Schädigungspotenzial kompensiert werden kann. Es ist also eine Gesamtbetrachtung anzustellen mit dem Ziel, die Gefährlichkeit einer anderen Waffe mit einer Schusswaffe zu vergleichen, ohne die allenfalls bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zwischen Feuer- und anderen Waffen zu verkennen. Vom Begriff einer anderen gefährlichen Waffe ohne Weiteres erfasst sind Granaten, Bomben, sowie Gaspetarden mit hochtoxischen Substanzen. Ausdrücklich keine gefährlichen Waffen sind hingegen gemäss Basler Kommentar Schreckpistolen, denn diese seien nicht geeignet, einen Menschen zu töten schwer zu verletzen (Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht [Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz], 4. Auflage, Basel 2019, nachfolgend: BSK StGB, Art. 139 StGB N 150 f.). In BGE 118 IV 142 wurde beim Verwenden eines Gas-Schreckschussrevolvers bei einem Überfall in einem Taxi vom Bundesgericht festgehalten, eine Waffe sei gefährlich im Sinne (des früheren) Art. 139 Ziff. 1bis StGB, wenn sie bei unsachgemässer Anwendung Lungenödeme schwere Augenschäden bewirken könne, was bei Gas-/Schreckschussrevolvern, die mit CN-Gas enthaltenden Patronen geladen seien, bejaht werden könne. Dabei wurde namentlich auf die engen räumlichen Verhältnisse in einem Taxi Bezug genommen. Die Gefährlichkeit des früher verwendeten CN-Tränengases hatte das Bundesgericht bereits im BGE 113 IV 60 bejaht, die für Patronen mit dem moderneren CS-Tränengas aber ausdrücklich offen gelassen.
1.5 Die Anwendung von Ziff. 4 von Art. 140 StGB wiederum verlangt nach geltender bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Falle einer Schusswaffe, dass diese geladen, entsichert und auch durchgeladen gespannt ist, so dass sich ein Schuss – zumal dann, wenn der Täter den Finger am Abzug hält – jederzeit lösen und das Opfer töten könnte (BGE 117 IV 425). Unter Grausamkeit wird die Zufügung von Qualen um ihrer selbst willen verstanden (Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 140 StGB N 21).
1.6 Vorgehalten ist im vorliegenden Fall eine qualifizierte Tatbegehung nach Ziff. 3 von Art. 140 StGB, die sich von der Schwere her zwischen den Qualifikationen nach Ziff. 2 und 4 einreihen muss: Der Unrechtsgehalt muss somit höher sein als jener des Mitführens einer Schusswaffe. Nach der Rechtsprechung ist die in Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB vorausgesetzte besondere Gefährlichkeit mit Blick auf die darin enthaltene Mindeststrafandrohung von zwei Jahren Freiheitsstrafe nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass bereits der Grundtatbestand des Raubes einen Angriff auf das Opfer und damit begriffsnotwendig dessen mehr weniger grosse Gefährdung voraussetzt. Die in Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB genannte besondere Gefährlichkeit ist nur zu bejahen, wenn die konkrete Tat nach ihrem Unrechts- und Schuldgehalt besonders schwer wiegt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund der gesamten Tatumstände. Die besondere Gefährlichkeit lässt sich namentlich mit der professionellen Vorbereitung der Tat, dem Überwinden moralischer und technischer Hindernisse sowie der ausgeprägt kühnen, verwegenen, heimtückischen, hinterlistigen skrupellosen Art ihrer Begehung begründen (BGE 117 IV 135 E. 1a; 116 IV 312 E. 2d und e; Urteile 6B_626/2020 vom 11. November 2020 E. 3.3 und 6B_296/2017 und 330/2017 vom 28. September 2017 E. 8.3; je mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt zur Erfüllung der besonderen Gefährlichkeit nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB, dass der Täter eine konkrete Gefahr für das Opfer schafft, auch wenn es dadurch keine Verletzungen davonträgt. Wer aus kurzer Distanz eine Pistole auf den Kopf des Opfers richtet, schafft beispielsweise eine solche Gefahr, auch wenn die Waffe dabei gesichert bzw. nicht durchgeladen ist (BGE 120 IV 317 E. 2a; Urteil 6B_626/2020 vom 11. November 2020 E. 3.3). Im Rahmen der Qualifikation der besonderen Gefährlichkeit berücksichtigt die Rechtsprechung auch das Zusammenwirken mehrerer Täter sowie einen allfälligen Konsum von Alkohol Betäubungsmitteln und die sich daraus ergebende Möglichkeit unkontrollierter Handlungen (Urteile 6B_626/2020 vom 11. November 2020 E. 3.3 und 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Niggli/Riedo (BSK StGB, Art. 140 N 76) postulieren eine restriktive Auslegung aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten zum Grundtatbestand, dem bereits eine gewisse Gefährlichkeit inhärent sei, des hohen Strafminimums und der generalklauselartigen Umschreibung des Tatbestandes. Aus der Entstehungsgesichte zeige sich, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung das Bundesgericht dazu drängen wollte, von der täterbezogenen Rechtsprechung abzugehen (Niggli/Riedo, BSK StGB, Art. 140 N 75). «Die Gefährlichkeit des Täters soll mit den Tatumständen, etwa der besonders kühnen, verwegenen, heimtückischen skrupellosen Art, wie er die Tat begeht, begründet werden» (BGE 116 IV 317). Als massgebliche Kriterien nennt das Bundesgericht die Höhe der erhofften Beute, den planerischen und technischen Aufwand, das Überwinden moralischer und technischer Hindernisse, die professionelle Vorbereitung der Tat sowie hartnäckiges, hinterlistiges und brutales Vorgehen (BGE 116 IV 317, Urteil 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1). Beispiele aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung werden von Niggli/Riedo (Art. 140 StGB N 79 ff.) dargelegt, wie etwa den Überfall eines Postamtes mit geladenen Pistolen (BGE 110 IV 77, Pra 1985, Nr. 18); Überfall auf Gäste eines Restaurants mit einer Pistole, deren Magazin gefüllt war, hingegen befand sich keine Patrone im Lauf und die Waffe war gesichert (Urteil 6S.250/2003 vom 28. August 2004 E. 1.2); Halten einer Rasierklinge sehr nahe an Hals und Gesicht auch während eines Gerangels (Urteil 6B_491/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 6); Halten eines Messers an die Kehle des Opfers mit Ausführen von Schnittbewegungen auch bei gemeinsamem unkontrolliertem Rückwärtsbewegen (Urteil 6B_55/2013 vom 11. April 2014 E. 1.2 f.); Eindringen in ein Schlafzimmer und Bedrohen der im Schlaf überraschten Opfer mit einem Messer vor dem Gesicht (Urteil 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1 f.). Im Urteil 6B_1397/2019 – von der Staatsanwaltschaft zitiert – wurde im Falle der Benutzung einer Schreckschusspistole der vorinstanzliche Schuldspruch wegen Verstosses gegen Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB wie folgt bestätigt (E. 2.3.2): «(…) Aus den nicht angefochtenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ergibt sich namentlich (vgl. E. 1.2.2), dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau auch bei diesem Überfall brutal vorgegangen sind und u.a. eine täuschend echt wirkende Schreckschusspistole sowie Kabelbinder und Klebeband eingesetzt und den Opfern mit dem Tod gedroht haben. Die Pistole sei den Opfern u.a. an den Kopf gedrückt worden, um die Öffnung des Tresors zu erzwingen. Zur Erfüllung der Qualifikation der besonderen Gefährlichkeit im Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB genügt es, dass der Täter eine konkrete Gefahr für das Opfer schafft, was nach der Rechtsprechung der Fall ist, wenn aus kurzer Distanz eine Pistole auf den Kopf des Opfers gerichtet wird, auch wenn die Waffe dabei gesichert bzw. nicht durchgeladen ist (vgl. BGE 120 IV 317 E. 2a; Urteile 6B_626/2020 vom 11. November 2020 E. 3.3, 6B_1394/2019 vom 17. Juli 2020 E. 2.1; je mit Hinweisen). Gleiches muss gelten, wenn eine Schreckschusspistole an den Kopf eines Opfers gedrückt wird, da die Auslösung einer Patrone tödliche Verletzungen nach sich ziehen kann. Damit bestand eine mindestens konkrete einfache Lebensgefahr, womit die besondere Gefährlichkeit i.S.v. Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB zu bejahen ist (vgl. E. 2.3.1).»
Niggi/Riedo postulieren abschliessend eine Konkretisierung der Qualifikation nach Ziff. 3 anhand der Abgrenzung zu den Ziffern 2 und 4 und schlagen in folgenden Fällen die Annahme einer besonderen Gefährlichkeit vor (BSK StGB, Art. 140 StGB N 107 ff.):
- Das Opfer Dritte werden mit einer geladenen, aber gesicherten nicht durchgeladenen Schusswaffe bedroht; - Das Opfer ein Dritter werden mit einer ungesicherten und durchgeladenen Schusswaffe bedroht, ohne die Gefahr nötigenfalls verwirklichen zu wollen; - Das Opfer ein Dritter werden erheblich verletzt, sodass die Schwelle für das Vorliegen einer schweren Körperverletzung knapp nicht erreicht wird; - Dem Opfer einem Dritten werden erhebliche Schmerzen zugefügt, ohne dass bereits eine grausame Behandlung vorliegt.
2. Subsumtion Raubdelikt
Angewendet auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies Folgendes:
2.1 Im Untersuchungsbericht der Polizei Kanton Solothurn betreffend Schusswaffenbelange vom 14. August 2022 wird zur verwendeten Schreckschusspistole zusammengefasst Folgendes ausgeführt (AS 116 ff., zitiert werden die Äusserungen zu den Knall-/Platzpatronen, eine Verwendung von Reizstoffpatronen Signalmittel kann vorliegend ausgeschlossen werden): Die SRS-Waffe Röhm RG 9 sei der realen Faustfeuerwaffe Walther TPH nachempfunden. Das herausnehmbare Magazin fasse 6 Patronen im Kaliber 8 mm. Beim Abschuss von Schreckschuss-/Platzpatronen werde die Pulverladung in der Patronenhülse in Gas umgewandelt. Der maximale Gasdruck betrage 450 bar. Ein Teil dieser Energie werde bei der RG 9 für den Nachladevorgang gebraucht, der restliche Druck entweiche, zusammen mit Verbrennungsrückständen etc., durch den Lauf. (Auf Frage) Ja, man könne mit dem Abfeuern von Schreckschuss-Patronen Menschen verletzen. Die Auswirkungen auf die Gesundheit hingen von einer Vielzahl von Einflüssen ab. (Auf die Frage nach dem Umkreis) Bedingt durch das starke Mündungsfeuer, und weil die Gase praktisch ungehindert austräten, sei die Wirkung bei aufgesetzten Schüssen erheblich. Bei zunehmender Entfernung (schon nach wenigen Zentimetern) nehme sie relativ schnell ab. Bereits 1981 seien bei Versuchen am Institut für Rechtsmedizin in Giessen/D Einsprengungen von Pulverkörnchen bei Rinderaugen in Distanzen von mehr als einem Meter festgestellt worden. Wenn sich beim Abfeuern Teile aus der Patrone, z.B. Hülsenabdeckungen aus Kunststoff, ablösen könnten, so könnten solche Elemente im Nahbereich durchaus eine projektilähnliche Wirkung erzielen. Gemäss Literatur seien bei solchen Nahschüssen sogar tödliche Verletzungen nicht auszuschliessen. Nebst der betroffenen Körperregion (Gesicht/Oberkörper) und ob die Region durch Kleidung bedeckt sei, spiele die Distanz zwischen Laufmündung und Körperoberfläche eine entscheidende Rolle. Je grösser die Distanz zwischen Waffenmündung und Person sei, umso geringer sei die Verletzungsgefahr. Bei den meisten während der Recherche gefundenen Patronensorten für SRS-Waffen sei der Warnhinweis abgegeben, dass eine minimale Sicherheitsdistanz von einem Meter eingehalten werden müsse. Ein solcher Hinweis sei vorliegend auch auf der Patronenschachtel mit den Pfefferpatronen vorhanden. Mit der RG 9 könne keine Munition im Sinne von Art. 4 Abs. 5 WG verschossen werden. Eine Schreckschusswaffe könne ab dem 18. Altersjahr mit Vertrag frei erworben werden.
2.2 Die Tatbestandsvariante von Ziff. 2 von Art. 140 StGB wird zwar in der Anklageschrift eventualiter angerufen, wurde vom Anklage erhebenden Staatsanwalt bei seinem Parteivortrag vor Amtsgericht nicht mehr erwähnt. Vor dem Berufungsgericht wurde dann ausgeführt, worin nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die besondere Gefährlichkeit der mitgeführten Waffe liegen soll (ASB 086). Die Qualifikation ist nicht erfüllt: Der Beschuldigte hat keine Schusswaffe und auch keine andere gefährliche Waffe im Sinne des Gesetzes mitgeführt. Abgesehen davon, dass die zitierten Entscheide BGE 113 IV 60 und 118 IV 142 von der Lehre kritisch kommentiert wurden, ist der vorliegende Fall insofern ganz anders gelagert, als dass die Schreckschusspistole vorliegend nicht mit Tränengas-Patronen geladen war. Nur auf diesen (Tränengas-)Patronen war im Übrigen der Warnhinweis mit dem Abstand von einem Meter aufgedruckt.
2.3 Zur Qualifikation nach Ziff. 3 von Art. 140 StGB: Der Beschuldigte hat im zweiten Fall eine mit Knallpatronen geladene Schreckschusspistole aus einer Entfernung von rund 30 cm gegen den Kopf des Opfers gerichtet, den Finger am Abzug. Das kann entgegen den Vorbringen des Staatsanwaltes nicht mit einer Schreckschusspistole, die an den Kopf eines Opfers gedrückt wird, verglichen werden. Dies ergibt sich mit aller wünschbaren Deutlichkeit aus dem zitierten polizeilichen Untersuchungsbericht: Bedingt durch das starke Mündungsfeuer, und weil die Gase praktisch ungehindert austräten, sei die Wirkung bei aufgesetzten Schüssen erheblich. Bei zunehmender Entfernung (schon nach wenigen Zentimetern) nehme sie relativ schnell ab.
Auch die übrigen Umstände des vorliegenden Raubdelikts sprechen allesamt gegen eine besondere Gefährlichkeit: Der Beschuldigte ging weder planmässig noch zielgerichtet vor (er wusste offenbar nicht einmal recht, was er genau wollte: «Geld Wahrheit»), eine besonders hohe Beute konnte er sich aus dem Raub in einem Einfamilienhaus nicht versprechen, er brach das Delikt aus freien Stücken ab und versuchte die Geschädigten zu beruhigen. Das Vorgehen des Beschuldigten erscheint somit eher als plump, von Hinterlist, Heimtücke besonderer Skrupellosigkeit kann keine Rede sein. Dass der Beschuldigte höhere moralische Hindernisse überwinden musste, als dies jeder Raub erfordert, ist nicht erkennbar. Dass der Beschuldigte durch den vorgängigen Konsum von Alkohol und/oder Drogen deutlich beeinträchtigt gewesen sein könnte, geht aus den Aussagen der Geschädigten und des Zeugen K.___ nicht hervor, im Gegenteil. Zudem ist die Sache durchaus eskaliert, indem die Privatklägerin zuerst das Telefon behändigte, um die Polizei zu rufen, und dann aus der geöffneten Terrassentüre um Hilfe rief, ohne dass der Beschuldigte darauf unkontrolliert reagiert hat. Auch auf die unerwartete Anwesenheit der Kinder hat er nicht unkontrolliert reagiert, sondern hat nach dem Erscheinen der Tochter auf das Flehen der Privatklägerin sein Vorhaben abgebrochen.
Der Schuldspruch der Vorinstanz wegen versuchten (einfachen) Raubs ist somit zu bestätigen.
3. Geiselnahme
3.1 Die Staatsanwaltschaft beantragt, der Beschuldigte sei wegen Geiselnahme zum Nachteil der beiden Kinder schuldig zu sprechen. Er habe die beiden Kinder vorsätzlich der Freiheit beraubt sich ihrer sonst wie bemächtigt, um die Privatklägerin und Mutter der beiden Kinder zu nötigen, ihm Geld herauszugeben und die Alarmierung der Polizei zu unterlassen. Auch dieser Vorhalt ist in der Anklage nicht konkret begründet.
3.2 Der Geiselnahme macht sich schuldig und wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung Duldung zu nötigen wer die von einem anderen auf diese Weise geschaffene Lage ausnützt, um einen Dritten zu nötigen (Art. 185 Ziff. 1 StGB).
Dem Tatbestand der Geiselnahme liegt typischerweise eine Dreieckskonstellation zugrunde (Geiselnehmer – Geisel – Genötigter). Die Geisel wird vom Täter in seine Gewalt gebracht, um die genötigte Person (wegen des Drucks auf die Geisel) zu einer Handlung, Unterlassung Duldung zu zwingen (Vera Delnon/Bernhard Rüdy in: BSK StGB, Art. 185 StGB N 11).
3.3 Im vorliegenden Fall hat sich der Beschuldigte nicht der Kinder bemächtigt, um die Mutter zu einer Handlung, Unterlassung Duldung zu zwingen. Dass er die beiden Kinder kurzzeitig ihrer Freiheit beraubte, war eine – nicht beabsichtigte – Folge seines Raubdelikts zum Nachteil der Mutter. Im Gegenteil liess er rasch von seinem Raubversuch ab, nachdem noch ein zweites Kind aufgetaucht war, dies ohne je mit der Waffe auf eines der Kinder gezielt zu haben. Der Beschuldigte hat die beiden Kinder somit zwar kurzzeitig ihrer Freiheit beraubt, aber keineswegs in der Absicht, die Mutter zur Herausgabe von Geld zu nötigen. Damit kann dem Beschuldigten jedenfalls kein Vorsatz einer Geiselnahme hinsichtlich der beiden Kinder nachgewiesen werden. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich erheblich von denjenigen in den von der Staatsanwaltschaft zitierten BGE 113 IV 63 (Bedrohung einer Postkundin) und 121 IV 162, als die Ehefrau mit einer Waffe und dem Tod (innert drei Minuten) bedroht wurde, um den Ehemann zu nötigen, aus seinem Versteck zu kommen.
3.4 Es bleibt daher beim Schuldspruch der Vorinstanz wegen Freiheitsberaubung zum Nachteil der beiden Kinder, der nicht angefochten wurde. Dazu kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz (US 30 f.) verwiesen werden. Da keine mehrfache Begehung (zwei Kinder) angeklagt ist und auch die Vorinstanz nur auf einfache Tatbegehung geschlossen hat, bleibt es dabei. Dass zwei Kinder betroffen waren, ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
IV. Strafzumessung
1. Allgemeines zur Strafzumessung und Vollzugsform
1.1 Nach Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).
1.2 Bei der Tatkomponente können verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung ist es richtig, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld. Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw.. Auch äussere Umstände betreffen die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.
1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vorstrafen ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) –, und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters. Nach der Rechtsprechung kann ein Geständnis bei der Beurteilung des Nachtatverhaltens im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht auf Reue schliessen lässt der Täter dadurch zur Tataufdeckung über den eigenen Tatanteil beiträgt (vgl. BGE 121 IV 202 E. 2d/cc S. 205).
1.4 Strafen von bis zu 180 Tageseinheiten sind grundsätzlich in Form einer Geldstrafe auszusprechen (Art. 34 StGB). Das Gericht kann stattdessen auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn a. eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten, b. eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann (41 Abs. 1 StGB). Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen (Art. 41 Abs. 2 StGB). Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption somit nach wie vor (auch nach der auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzten Revision) «ultima ratio» und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; BGE 144 IV 217 vom 30. April 2018 E. 3.3. 3 mit Hinweisen). Bei der Wahl der Sanktionsart waren auch unter dem früheren Recht als wichtige Kriterien die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100 f. mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat entschieden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters und dessen voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit keine Kriterien für die Wahl der Strafart sind. Es ist vielmehr, wenn die Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind, eine bedingte Geldstrafe eine bedingte gemeinnützige Arbeit auszusprechen. Sinn und Zweck der Geldstrafe erschöpfen sich nicht primär im Entzug von finanziellen Mittel, sondern liegen in der daraus folgenden Beschränkung des Lebensstandards sowie im Konsumverzicht. Nach der Meinung des Gesetzgebers soll die Geldstrafe auch für einkommensschwache Täter, d.h. für solche mit sehr geringem, gar unter dem Existenzminimum liegenden Einkommen ausgefällt werden können. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Geldstrafe als unzweckmässige Sanktion angesehen und deshalb vielfach auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden müsste. Dies würde dem zentralen Grundanliegen der Revision diametral zuwiderlaufen. Gerade mittellosen Straftätern geht die Geldstrafe ans Lebensnotwendige, so dass sie für jene deutlich spürbar wird. Eine nicht bezahlbare Geldstrafe soll es nach der Botschaft – ausser durch Verschulden des Täters durch unvorhergesehene Ereignisse – denn auch nicht geben. Bei einkommensschwachen mittellosen Tätern, etwa Sozialhilfebezügern, nicht berufstätigen, den Haushalt führenden Personen Studenten ist somit die Ausfällung einer tiefen Geldstrafe möglich (BGE 134 IV 97 E. 5.2.3 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit sollte bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweis).
1.5 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen. Es darf dabei jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Das Gericht hat die Strafe zudem zu erhöhen, d.h. die Mindeststrafe darf nicht ausgefällt werden. Das Asperationsprinzip kommt indes nur zur Anwendung, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1 S. 58).
Der Richter hat somit in einem ersten Schritt, unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmindernden Umstände, gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen. In einem zweiten Schritt hat er diese Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten zu einer Gesamtstrafe zu erhöhen, wobei er ebenfalls den jeweiligen Umständen Rechnung zu tragen hat (Urteil des Bundesgerichts 6B_405/2011 vom 24.1.2012 E. 5.4). Dabei hat er sämtliche Einzelstrafen für die von ihm neu zu beurteilenden Taten festzusetzen und zu benennen (BGE 142 IV 265 E. 2.4.3). Aus dem Urteil muss hervorgehen, welche Einzelstrafen für die verschiedenen Straftaten festgesetzt werden und welche Strafzumessungsgründe für jede Einzelstrafe massgebend waren. Nur so lässt sich überprüfen, ob die einzelnen Strafen als auch deren Gewichtung bei der Strafschärfung bundesrechtskonform sind (vgl. BGE 118 IV 119E. 2b S. 120 f.; Urteil 6B_323/2010 vom 23. Juni 2010 E. 3.2; MATHYS, a.a.O., N 362; je mit Hinweisen). Die Nennung der Einzelstrafen stellt auch keinen Mehraufwand bei der Urteilsbegründung dar, denn das Gericht muss ohnehin gedanklich für jede Einzeltat eine selbstständige Strafe festsetzen und die entscheidrelevanten Überlegungen in Grundzügen wiedergeben (vgl. Art. 50 StGB; BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 20; Urteil 6B_493/2015 vom 15. April 2016 E. 3.2). Das Gericht ist jedoch nach wie vor nicht gehalten, in Zahlen Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen Strafzumessungsgründe innerhalb der Einzelstrafen gewichtet (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; Urteil 6B_1110/2014 vom 19. August 2015 E. 4.3). Nach der Festlegung der Gesamtstrafe für sämtliche Delikte sind endlich die Täterkomponenten zu berücksichtigen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_865/2009 vom 25.3.2010 E. 1.6.1, 6B_496/2011 vom 19.12.2012 E. 4.2). Die Gesamtstrafe ist schliesslich in einer Gesamtwürdigung auf Angemessenheit zu prüfen (vgl. Urteil 6B_323/2010 vom 23. Juni 2010 E. 3.2).
1.6.1 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider/Roy Garré in: BSK StGB, Art. 42 StGB N 61). Der Strafaufschub wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: Das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn die übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist. In die Beurteilung der Bewährungsaussichten im Rahmen von Art. 46 Abs. 2 StGB (Frage des Widerrufs des bedingten Strafvollzugs bezüglich eiern Vorstrafe) ist auch miteinzubeziehen, ob die neue Strafe bedingt unbedingt ausgesprochen wird. Das Gericht kann zum Schluss kommen, dass vom Widerruf des bedingten Vollzugs für die frühere Strafe abgesehen werden kann, wenn die neue Strafe vollzogen wird. Auch das Umgekehrte ist zulässig: Wenn die frühere Strafe widerrufen wird, kann unter Berücksichtigung ihres nachträglichen Vollzugs eine Schlechtprognose für die neue Strafe (im Sinne von Art. 42 Abs. 1 StGB) verneint und diese folglich bedingt ausgesprochen werden (BGE 144 IV 277 E. 3.2; 134 IV 140 E. 4.5; Urteile 6B_744/2020 26. Oktober 2020 E. 1.3.1; 6B_677/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 1.1.1; je mit Hinweisen).
1.6.2 Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene Teil wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6 S. 15; vgl. auch 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f. zur Beurteilung der Bewährungsaussichten). Auch die bloss teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB setzt indes das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss der Vollzug zumindest eines Teils der Strafe bedingt aufgeschoben werden. Andererseits ist bei einer schlechten Prognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen besteht die Möglichkeit, dass eine zwar grundsätzlich schlechte Prognose durch den Vollzug bloss eines Teiles der Strafe in Verbindung mit dem drohenden späteren Widerruf des aufgeschobenen Strafrests deutlich günstiger werden kann (vgl. hierzu etwa /Roy Garré in: BSK StGB, Art. 43 StGB N 15).
2. Konkrete Strafzumessung
2.1 Schwerste Straftat ist vorliegend der versuchte Raub, der zwingend mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren zu bestrafen ist. Da die weiteren Delikte bis auf eine Ausnahme eng mit diesem Hauptdelikt zusammenhängen (und der Beschuldigte als Folge davon bei einer Freiheitsstrafe von einer grosszügigen Asperation profitiert) und die am 21. Oktober 2021 ausgefällte Geldstrafe den Beschuldigten nicht zu beeindrucken vermochte, sind für die weiteren Vergehen ebenfalls Freiheitsstrafen auszusprechen. Beim Vergehen gegen das Waffengesetz handelt es sich um einen einschlägigen Rückfall. Auch die Verteidigung beantragt die Ausfällung einer Gesamtfreiheitsstrafe.
2.2 Vorweg ist die Einsatzstrafe für den Fall eines hypothetischen vollendeten Raubdelikts zu bestimmen. Zu Gunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass er das Raubdelikt nicht geplant hat, sondern dieses aufgrund einer sich ihm bietenden Gelegenheit (auf dem Rückweg eine Frau alleine im Haus gesehen, Schreckschusspistole zufällig dabei) spontan ausführte. Die Ausführung war dann auch alles andere als professionell und der Beschuldigte konnte sich bei diesem Vorgehen keine sehr hohe Beute erhoffen. Verschuldenserhöhend wirkt sich dagegen aus, dass der Beschuldigte die Privatklägerin in ihrem eigenen Zuhause überfiel, was wie ein Einbruchdiebstahl für die jeweiligen Liegenschaftsbesitzer einen schweren Eingriff in ihre Privatsphäre bedeutet und regelmässig zu einer einschneidenden und nachhaltigen Verunsicherung, ja gar zur Traumatisierung der Opfer führt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_510/2013 vom 3.3.2014). Belastend wirkt sich auch der Umstand aus, dass der Beschuldigte für seine Straftat eine Schreckschusspistole verwendete, welche für die Geschädigten von einer echten Schusswaffe nicht zu unterscheiden war. Dies hinterliess bei der Privatklägerin, welche Todesangst ausstand und auch um das Leben ihrer Kinder fürchtete, und bei den Kindern schwerwiegende gesundheitliche Folgen, auf die gleich bei der Frage des Versuchs noch im Detail zurückzukommen sein wird. Deutlich verschuldenserhöhend wirkt sich aus, dass der Beschuldigte die Schreckschusspistole – vor den Augen des rund neuneinhalbjährigen Sohnes – zwei Mal aus einer Distanz von 30 und 50 cm auf den Oberkörper bzw. auf den Kopf der Privatklägerin gerichtet hat und beim zweiten Mal den Finger am Abzug hatte. Dies, weil die Privatklägerin zuerst das Telefon behändigt hatte, um die Polizei zu alarmieren, und das zweite Mal aus dem geöffneten Fenster nach Hilfe geschrien hatte. Wäre unbeabsichtigt auf den Abzug gedrückt und eine Knallpatrone ausgelöst worden, wäre dies wegen des aus dem Lauf entweichenden Gases aus einer Distanz von 30 bis 50 cm nicht gänzlich ungefährlich gewesen. Immerhin kann beim Vorgehen des Beschuldigten keine Hartnäckigkeit erkannt werden und er hat auch keinerlei körperliche Gewalt angewandt. Allerdings hätte der Beschuldigte den Raubüberfall viel früher beenden können, als ihm bewusst wurde, dass Kinder betroffen sind. Das Vorgehen verrät aber auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit, indem sich der Beschuldigte keinerlei Gedanken darüber machte, was sein Vorgehen bei den Opfern bewirken könnte. Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz und aus egoistischen, finanziellen Motiven (kurz vor der Tat habe er daran gedacht, dass es ihm finanziell nicht gut gehe: AS 740). Da er sich die Tat selbst nicht erklären konnte, ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb er sich nicht rechtskonform hätte verhalten können. Der Beschuldigte trug am Folgetag, als er sich stellte, CHF 436.75 auf sich, er erhielt CHF 900.00 monatlich vom Sozialamt. Die gesundheitlichen Einschränkungen gemäss Gutachten vom 3. Mai 2022 (AS 717 ff., diagnostiziert werden Abhängigkeitssyndrome für Alkohol und Kokain sowie eine Persönlichkeitsakzentuierung mit auch bedeutsamer Selbstwertproblematik) führen nicht zu einer reduzierten Schuldfähigkeit, sind hingegen leicht verschuldensmindernd zu werten, da auch der Gutachter eine leichte Alkoholisierung im Tatzeitpunkt für möglich erachtet. Insgesamt ist von einem mittelschweren Verschulden, es sind sowohl leichter als auch schwerer wiegende Raubdelikte denkbar, und dies im mittleren Bereich auszugehen, was einer Einsatzstrafe für ein hypothetisch vollendetes Delikt von fünf Jahren 60 Monaten Freiheitsstrafe entspricht.
2.3 Bei der Strafmilderung zufolge Versuches ist zu Gunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, dass er das Delikt von sich aus abbrach, als die Tochter auch noch dazu gekommen war und die Privatklägerin ihn um Abbruch anflehte. Er hatte schon zuvor nicht ultimativ nach Geld verlangt, sondern die Waffe insbesondere zur Einschüchterung eingesetzt nach Reaktionen der Privatklägerin (Telefon, Fensteröffnung mit Hilferufen). Andererseits wurden die Privatklägerin und die beiden Kinder verständlicherweise durch den Raubüberfall in den eigenen vier Wänden gesundheitlich stark beeinträchtigt: Die Privatklägerin führte am 7. Januar 2022 aus (AS 188), sie und die Kinder seien vom Vorfall vor vier Tagen traumatisiert und hätten einen riesigen Schock. Sie seien alle in ärztlicher Behandlung, ihr seien Medikamente verschrieben worden. Es gehe ihnen sehr schlecht. Sie sei zu 100 % krankgeschrieben, ebenso die Kinder. Die Kinder könnten zuhause nicht mehr schlafen und schliefen nun bei den Schwiegereltern. Sie selbst schlafe auch schlecht und wache immer wieder auf. Sie habe viel Kopfschmerzen und Angstzustände. Sie könne zurzeit nicht alleine zuhause sein. Bei ihnen herrsche momentan ein familiärer Ausnahmezustand und das Leben funktioniere nur mit Unterstützung der Schwiegereltern, von Ärzten und Psychologen. Ein halbes Jahr später gab die Privatklägerin zu Protokoll, sie sei weiterhin rund zur Hälfte arbeitsunfähig und könne als Polizistin noch nicht alle Arbeiten ausführen, namentlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit Waffen. Eine Anmeldung bei der Invalidenversicherung sei erfolgt (AS 265 f.). Auch das im Berufungsverfahren eingereichte Arztzeugnis vom 2. Februar 2024 (ASB 51) bestätigt, dass die Privatklägerin weiterhin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und sie deswegen sogar ihren erlernten Beruf (die Privatklägerin war Polizistin) wechseln musste. Auch bei der Befragung vor dem Berufungsgericht war der Privatklägerin die starke Belastung nach wie vor deutlich anzumerken und anzuhören (vgl. auch das Audiodokument der Einvernahme: ASB 078a). Sie führte aus, der Vorfall habe nicht nur sie, sondern auch die Kinder durchgeschüttelt und sehr viel kaputt gemacht. Sie hätten nun enorm viel zu bewältigen und es bedürfe extrem viel Verständnis, Ruhe und Fingerspitzengefühl. Ihre Schilderungen vor Obergericht (vgl. insbesondere ASB 070 f.) offenbaren, dass der 3. Januar 2022 eine Zäsur im Leben der Privatklägerin und der ganzen Kernfamilie markiert. Seitdem die Privatklägerin und ihre Kinder in ihrem eigenen Zuhause und damit Rückzugsort Opfer eines (versuchten) Raubes wurden, ist ihr Sicherheitsgefühl tiefgreifend erschüttert. Alltägliche Situationen rufen Assoziationen mit dem Tatgeschehen hervor und konfrontieren die Hausbewohner erneut mit ihren damals erlittenen (Todes-)Ängsten. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beschuldigte die Tat bis auf den ausbleibenden monetären Erfolg vollständig ausgeführt hat.
Eine Strafreduktion zufolge Versuchs um einen Viertel – und damit im unteren Bereich des Gerichtsüblichen – auf nunmehr 45 Monate Freiheitsstrafe ist angebracht.
2.4 Bei der Straferhöhung zur Abgeltung der weiteren Delikte ist – mit Ausnahme des Vergehens gegen das Waffengesetz – vorweg festzuhalten, dass sie alle in direktem Zusammenhang mit dem Raubdelikt standen und damit ein grosser Teil des Unrechts- und Schuldgehalts durch die Strafe für den versuchten Raub abgegolten ist. Im Einzelnen ist noch Folgendes anzuführen:
2.4.1 Die Freiheitsberaubung der beiden Kinder dauerte kurz, sie wurden aber aus ihrer Sicht mit einer Schusswaffe bedroht, was schwer wiegt und was zu den oben dargelegten psychischen Folgen führte. Dieses Delikt hat der Beschuldigte nach kurzer Zeit auf Bitten der Privatklägerin aus eigenem Antrieb abgebrochen, er war davon ausgegangen, dass sich die Privatklägerin alleine im Haus befinden würde. Der Beschuldigte lehnte denn auch das Angebot des Sohnes, ihm den Inhalt seines «Sparkässelis» auszuhändigen, ab, was bei ihm vorhandene Skrupel beweist. Asperationsweise ist eine Straferhöhung um insgesamt drei Monate Freiheitsstrafe vorzunehmen.
2.4.2 Die versuchte Nötigung, es passiere etwas Schlimmes, wenn sie die Polizei verständigen würden, erfolgte erst am Schluss, als sich der Beschuldigte bereits abgewandt hatte und das Haus verliess. Dennoch darf die Wirkung im Hinblick auf das vorher Vorgefallene nicht bagatellisiert werden, auch wenn sich die Privatklägerin davon in keiner Weise beeindrucken liess. Eine weitere Erhöhung der Einsatzstrafe um einen Monat Freiheitsstrafe ist angebracht.
2.4.3 Der Hausfriedensbruch war vorliegend ein notwendiges Begleitdelikt für den Raub und die Tatsache des Eindringens in eine Privatliegenschaft wurde bei der Strafzumessung für das Raubdelikt bereits verschuldenserhöhend berücksichtigt. Eine Erhöhung der Freiheitsstrafe um einen halben Monat ist angemessen.
2.4.4 Letztlich ist eine Straferhöhung vorzunehmen zur Abgeltung des Vergehens gegen das Waffengesetz (Erwerb und Besitz einer Schlagrute). Das Delikt wiegt nicht ganz leicht, gab es doch keinerlei Anlass für den Erwerb dieser Waffe. Eine Freiheitsstrafe von drei Monaten wäre angemessen, asperationsweise erfolgt eine Straferhöhung um anderthalb Monate.
2.4.5 Somit ergibt sich vor Berücksichtigung der Täterkomponenten eine Freiheitsstrafe von 51 Monaten.
2.5 Bei den Täterkomponenten kann hinsichtlich des Vorlebens auf die ausführliche Darstellung im Gutachten verwiesen werden. Zusammengefasst wurde der Beschuldigte am [Geburtsdatum] in der Türkei geboren und wuchs die ersten vier Jahre bei seinen Grosseltern in der Türkei auf, bevor er im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen in der Schweiz arbeitenden Eltern zog. Die Eltern hatten sich da schon getrennt, worauf der Beschuldigte vorwiegend bei seinem Vater und der Stiefmutter in [Ort 2] und [Ort 1] lebte und seine Schulzeit verbrachte. Es ist mit dem Gutachter (AS 745) von einer belasteten lebensgeschichtlichen Entwicklung zu sprechen. Als Jugendlicher geriet er dann auf die «falsche Bahn» und wurde in Heimen platziert, zunächst im Erlenhof und danach im Arxhof. Beide Platzierungen mussten abgebrochen werden, worauf der Beschuldigte nach eigenen Angaben eine Freiheitsstrafe von rund neun Monaten in [Ort 2] erstand. In der Folge absolvierte er erfolgreich eine Lehre als Koch, arbeitete danach aber nicht auf dem Beruf, sondern viele Jahre als Maschinenbediener in der Pharmaindustrie. Seine letzte längere Anstellung verlor er im Jahr 2017, worauf er noch kurzzeitig temporär tätig war und sich danach in [Ort 2] eine selbständige Existenz mit einem Café aufbauen wollte. Dabei verlor er aber nicht nur sein eingesetztes Pensionskassenkapital, sondern handelte sich auch Schulden im Umfang von mehreren CHF 10'000.00 ein. Als Folge davon kam es im Jahr 2019 zur Trennung von seiner langjährigen Partnerin, mit der er drei Söhne (8, 14 und 17 Jahre alt) hat, und der Beschuldigte gab sich dem Konsum von Alkohol und Kokain hin. Nach der Aussteuerung von der Arbeitslosenkasse war er zuletzt von der Sozialhilfe abhängig und half vereinzelt bei Kollegen aus. Wegen seiner Suchtprobleme verbrachte der Beschuldigte zwei stationäre Aufenthalte bei der Universitären Psychiatrischen Klinik in [Ort 2] (vom 8. Januar 2020 bis 4. Februar 2020 und vom 27. Oktober 2021 bis 3. Dezember 2021). Nach dem letzten Aufenthalt war er nach eigenen Angaben bis unmittelbar vor dem Tatzeitpunkt «clean», als er wegen des tödlichen Unfalls eines Freundes einen Rückfall erlitten habe. Vor der Tat mit anschliessender Inhaftierung, die bis heute andauert, hatte er regelmässigen Kontakt zu seinen Kindern (jedes zweite Wochenende und ab und zu auch unter der Woche). Nach seinen Angaben übten die beiden Elternteile das gemeinsame Sorgerecht aus. Die Söhne besuchten den Beschuldigten auch während der Haftdauer.
Im Strafregister ist eine Vorstrafe verzeichnet, ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Oktober 2021: 10 Tagessätze Geldstrafe, bedingt erlassen auf eine Probezeit von zwei Jahren, und Busse von CHF 300.00 wegen Vergehens gegen das Waffengesetz (Mitführen eines CS-Sprays im Auto). Dazu kommen mehrere Bussen, insbesondere aus dem Bereich des Strassenverkehrsrechts (AS 726 f.).
Der aktuelle Strafvollzugsbericht der JVA Lenzburg vom 30. Januar 2024 lautet positiv. Das Vollzugsverhalten des Beschuldigten könne trotz zwei Disziplinarmassnahmen als gut beurteilt werden. Der Beschuldigte erledige seine Arbeit zuverlässig und selbständig. Demgegenüber musste er gemäss dem Vollzugsbericht vom 14. März 2023 noch wegen schlechter Arbeitsleistung und auch Arbeitsverweigerung mehrfach diszipliniert werden (vgl. AS 1233). Sein Arbeitsverhalten hat sich folglich deutlich verbessert. Im Weiteren hält der aktuelle Strafvollzugsbericht fest, der Beschuldigte halte sich grösstenteils an die Hausordnung und falle gegenüber seinen Miteingewiesenen und dem Vollzugspersonal durch freundliches und hilfsbereites Verhalten positiv auf. Kritische Zwischenfälle seien nicht bekannt. Der Beschuldigte sei abstinent. Er habe sich im Sommer 2023 beim Psychiatrischen Dienst gemeldet. Die Abklärung habe eine Indikation für eine deliktsorientierte Therapie (vorzeitige ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB) ergeben. Im November habe die Behandlungsaufnahme stattgefunden und es seien danach zwei Gespräche durchgeführt worden. Die Motivation sei aber unzureichend, weshalb man nach der Berufungsverhandlung im März 2024 einen neuen Behandlungsversuch unternehmen werde. Der Beschuldigte habe im Frühling 2023 den Kurs der «Restaurativen Justiz» besucht und wäre sehr gerne bereit, sich mit dem Opfern seiner Straftat zu treffen, sofern diese dazu bereit wären. Er erhalte regelmässigen Besuch von seiner Mutter, seinen Geschwistern und seinen Söhnen.
Stark strafmindernd wirkt sich das Nachtatverhalten des Beschuldigten aus: Er stellte sich am Folgetag in [Ort 2] der Polizei. Dies, weil er nicht mehr habe abschalten und er das Delikt mit seinem Gewissen nicht habe vereinbaren können. Er zeigte auch im Verfahren wieder echte Reue und Einsicht in das Unrecht seiner Tat. Der Beschuldigte hätte angesichts der wenigen Hinweise und Spuren nicht als Täter eruiert werden können. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt bei einem Geständnis, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht auf Reue schliessen lässt der Täter dadurch zur Tataufdeckung über den eigenen Tatanteil hinaus beiträgt, eine Strafreduktion bis zu einem Drittel zu (BGE 121 IV 202, Urteile 6B_891/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 3.5.2; 6B_1235/2018 vom 28. September 2020 E. 4). Dass sich der Beschuldigte aus Gewissensgründen selbst gestellt hat, ohne dass ein Verdacht auf ihn gefallen war, ist eine höchst seltene Erscheinung und noch höher einzuschätzen und zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen als ein Geständnis. Anzumerken ist jedoch, dass der Beschuldigte in einem Punkt – Zielen mit der Schreckpistole auf die Privatklägerin – nicht geständig war und der Privatklägerin gar noch unterstellte, sie belaste ihn dabei wider besseres Wissen.
Die Gesamtstrafe des Beschuldigten ist daher unter Würdigung der Täterkomponenten um rund 35 % auf 33 Monate Freiheitsstrafe zu reduzieren.
2.6 Bei diesem Strafmass wäre der teilbedingte Strafvollzug grundsätzlich möglich. Allerdings stellt der Gutachter dem Beschuldigte eingehend und nachvollziehbar begründet eine ungünstige Legalprognose: Es stelle sich eine legalprognostische Belastung dar, die sich insbesondere aus der desolaten Lebenssituation des Beschuldigten mit längerer Arbeitslosigkeit, hoher Verschuldung und seiner schweren Abhängigkeitsstörung in Bezug auf Alkohol und Kokain mit ständigem Konsum ergebe. Ohne Massnahmen sei das Rückfallrisiko für Raubdelikte im Bereich des durchschnittlichen Rückfallrisikos (Basisrate 10 bis 25 %) dieser Deliktskategorie anzusiedeln. Auch für andere Arten von Eigentumsdelinquenz bestehe eine deutlich erhöhte Belastung. Es bestehe weiter ein hohes Risiko für Drogendelikte und ein erhöhtes Risiko für Verkehrsdelikte (insbesondere Fahren in nicht fahrfähigem in angetrunkenem Zustand, AS 755 f.). Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass für den Beschuldigten erstinstanzlich rechtskräftig eine ambulante Massnahme angeordnet worden ist. Gemäss dem Grundsatz von Art. 56 Abs. 1 lit. a StGB ist eine therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen. Mithin bedeutet die Anordnung der Massnahme immer auch eine ungünstige Prognose, so dass eine gleichzeitig ausgefällte Strafe weder ganz (Art. 42 StGB) noch teilweise (Art. 43 StGB) aufgeschoben werden kann (Urteil 6B_669/2014 vom 28.3.2017 E. 3.3.1 mit Hinweis auf BGE 135 IV 180 E. 2.3 S. 186 f.; Urteile 6B_223/2016 vom 8.9.2016 E. 3.3; 6B_141/2009 vom 24.9.2009 E. 1; je mit weiteren Hinweisen). Der teilbedingte Strafvollzug kann somit nicht gewährt werden, was nunmehr auch von Seiten der Verteidigung anerkannt wird.
2.7 An die Freiheitsstrafe ist dem Beschuldigten die seit dem 4. Januar 2022 erstandene Haft anzurechnen.
2.8 Zur Abgeltung der Übertretung des Waffengesetzes und der BetmG-Übertretungen ist angesichts der desolaten finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten eine Gesamtbusse von CHF 200.00, ersatzweise 10 Tage Freiheitsstrafe im Falle der Nichtbezahlung, auszufällen.
2.9 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe den bedingten Teil der Strafe (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Für einen Widerruf bedarf es zum einen einer Rückfalltat (Verbrechen Vergehen) und zum anderen einer damit verbundenen ungünstigen Prognose (Roland M. Schneider/Roy Garré in: BSK StGB, Art. 46 StGB N 7).
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Oktober 2021 wurde der Beschuldigte des Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Ihm wurde für die Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 60.00 der bedingte Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren gewährt. Der Beschuldigte delinquierte während der laufenden Probezeit erneut. Gemäss psychiatrischem Gutachten vom 3. Mai 2022 ist, wie soeben dargelegt, ohne Massnahme von einer ungünstigen Legalprognose auszugehen. Allerdings ist eine ambulante Massnahme angeordnet worden (vgl. rechtskräftige Dispositivziff. 4 des erstinstanzlichen Urteils). Zudem ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die neue Strafe von insgesamt 33 Monaten unbedingt zu vollziehen ist. Unter diesen Umständen ist dem Beschuldigten keine ungünstige Legalprogose zu stellen und auf den Widerruf des mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Oktober 2021 gewährten bedingten Strafvollzugs ist zu verzichten. Stattdessen wird die Probezeit um ein Jahr verlängert (Art. 46 Abs. 2 Satz 2 StGB).
2.10 Bezüglich Anordnung von Sicherheitshaft wird auf den separaten Beschluss des Berufungsgerichts verwiesen (ASB 111 ff.).
V. Kosten und Entschädigungen
1. Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid zu bestätigen: Der Beschuldigte hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 22'095.00 zu bezahlen und ist bezüglich der vom Staat bezahlten Entschädigung des amtlichen Verteidigers rückerstattungspflichtig.
2. Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist weitestgehend erfolglos: Die Freiheitsstrafe wird zwar geringfügig (Vorinstanz: 31 Monate, Berufungsinstanz: 33 Monate Freiheitsstrafe) erhöht (beantragt wurden von der Berufungsklägerin 63 Monate Freiheitsstrafe), es wird aber eine tiefere Busse ausgesprochen und es erfolgt kein Widerruf des bedingten Strafvollzugs hinsichtlich der Vorstrafe, sodass der Staat sämtliche Kosten des Berufungsverfahrens, welche mit einer Urteilsgebühr von CHF 7'000.00 total CHF 7'300.00 ausmachen, zu tragen hat.
Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten macht für das Berufungsverfahren (ohne Verhandlung) einen Aufwand von 25,68 Stunden zu je CHF 190.00, ausmachend CHF 4'879.20, Auslagen von CHF 158.30 und 7,7 % MWST (bis Ende 2023), ausmachend CHF 106.51, bzw. 8,1 % MWST (ab Januar 2024), ausmachend CHF 295.99, geltend, was CHF 5'440.00 ergibt (ASB 064 f.) Die Teilnahme an der Berufungsverhandlung und der Urteilseröffnung nahm (inkl. Hin- und Rückreise) vier Stunden in Anspruch (= CHF 760.00). Die Reiseauslagen für die Urteilseröffnung sind mit CHF 52.50 (75 km x CHF 0.70) zu veranschlagen, womit zzgl. 8,1 % MWST auf CHF 812.50 (= CHF 65.80) die Entschädigung des amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt Roman Frey, für das Berufungsverfahren auf total CHF 6'318.30 festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen ist. Diese Kosten gehen definitiv zu Lasten des Staates.
Demnach wird in Anwendung von Art. 40, Art. 46 Abs. 2, Art. 47, 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 63 Abs. 1, Art. 69, Art. 106 StGB, Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1, Art. 181 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1, Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, Art. 186 StGB; Art. 19a Ziff. 1 BetmG; Art. 34 Abs. 1 lit. e WG, Art. 33 Abs. 1 lit. a WG; aArt. 135 Abs. 1, 2, 4 lit. a und 5, aArt. 126, Art. 267 Abs. 3, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3, Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO festgestellt und erkannt:
1. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 1 lit. b, d, e und f des Urteils des Amtsgerichts von Dorneck-Thierstein vom 14. März 20240. Mai 2023 (nachfolgend erstinstanzliches Urteil) hat sich A.___ schuldig gemacht: - der versuchten Nötigung, begangen am 3. Januar 2022, - des Hausfriedensbruchs, begangen am 3. Januar 2022, - der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz, begangen bis zum 4. Januar 2022, - der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit vom 1. Januar 2022 bis 4. Januar 2022. 2. A.___ hat sich zudem schuldig gemacht: a) des versuchten Raubes, begangen am 3. Januar 2022 (AKS Ziff. I.1.) b) der Freiheitsberaubung, begangen am 3. Januar 2022 (AKS Ziff. I.1.). 3. A.___ wird verurteilt zu: a) einer Freiheitsstrafe von 33 Monaten, b) einer Busse von CHF 200.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von zehn Tagen. 4. Der A.___ mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Oktober 2021 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 60.00 gewährte bedingte Vollzug wird nicht widerrufen, stattdessen wird die Probezeit um ein Jahr verlängert. 5. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 4 des erstinstanzlichen Urteils wird für A.___ eine ambulante therapeutische Behandlung angeordnet. 6. A.___ wird der seit dem 4. Januar 2022 erstandene Freiheitsentzug an die Freiheitsstrafe angerechnet. 7. Der Antrag von A.___ auf Zusprechung einer Entschädigung wegen Überhaft wird abgewiesen. 8. Es wird festgestellt, dass mit separatem Beschluss vom 14. März 2024 gegen A.___ zur Sicherung des Strafvollzugs bis maximal 3. Oktober 2024 Sicherheitshaft angeordnet wird. 9. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 7 des erstinstanzlichen Urteils werden die folgenden beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) A.___ nach Rechtskraft dieses Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben: a) 1x Herrenjacke mit Kapuze, Columbia, Gr. XL, dunkelgrün b) 1x Pullover mit Kapuze, Smog, Gr. XL, grau c) 1x Trainerhose, Identic, Gr. L, grau d) 1 Paar Schuhe, Adidas, Gr. 44 ¾ e) 1x zusammengerollte 50-er Note (Bargeld CHF) f) 1x Fahrkarte/Abonnement ÖV Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Polizei vernichtet. 10. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 8 des erstinstanzlichen Urteils werden die folgenden beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) der Privatklägerin C.E.___ nach Rechtskraft dieses Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben: a) 1x Damenleggins, H&M, Gr. S, schwarz b) 1x Damenkleid mit Blumenmuster, F&F, Gr. 36 Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Polizei vernichtet. 11. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 9 des erstinstanzlichen Urteils werden die folgenden beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) eingezogen und sind nach Rechtskraft dieses Urteils durch die Polizei zu vernichten: a) 1x Jeanshose Herren, Russel, Gr. W36/L32, blau b) 1x Herrengürtel, Twister Denim, Gr. 52/130, schwarz c) 1x Pullover mit Kapuze, Smog, Gr. XL, schwarz d) 1x Herrenwindjacke, Mammut, Gr. XL, schwarz e) 1 Paar Schuhe, EQT, Gr. 44.5 f) 1x geöffnete Bierdose, Feldschlösschen g) 50 Gramm Marihuana h) 8 Gramm Kokain (1 Minigrip) i) 1x 20-er Note (Bargeld CHF) (mit Kokainanhaftungen) j) 1x Kosmetikkoffer (mit Kokainanhaftungen) k) 34x Knallpatronen (Pistolenmunition), Geco, 8mm l) 7x Pfefferpatronen (Pistolenmunition), Wadie, 8mm m) 9x CS-Reizstoffpatronen (Pistolenmunition), 8mm n) 1x Verpackung für Selbstlade-Signal-Pistole RG 9 (Schreckschusspistole) inkl. Munition und Reinigungsbürste o) 1x pyrotechnischer Gegenstand (Feuerwerkskörper), Exploder TP 4 p) 1x pyrotechnischer Gegenstand (Feuerwerkskörper), Supereffekt Leuchtsterne q) 1x Kugellagerkugeln (für Steinschleuder) r) 1x Zubehör für Waffe, EM-GE Zusatzlauf 9/15mm s) 1x Schlagrute, schwarz 12. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 10 des erstinstanzlichen Urteils sind die folgenden beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) den Berechtigten nach Rechtskraft dieses Urteils herauszugeben: a) 1x Jagdgewehr, Mauser 98, an: H.___, geb. […], von […,], [Adresse], b) 1x Bohrmaschine/Bohrhammer Hilti, SFC 22-A, Serien Nummer […], 1x Ladegerät Hilti, C 4/36-90, Seriennummer […] und 2x Li-ion Akku Hilti, B22/1.6, Nummer […] und […] an: I.___ AG, [Adresse], c) 1x Li-ion Akku Hilti, B22/5.2, Aufschrift […], S/N 932430162 an: J.___ AG, [Adresse]. 13. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 11 wird A.___ verurteilt, den Privatklägern C.E.___, E.E.___ und F.E.___ CHF 5'000.00 als Genugtuung zu bezahlen. Die darüberhinausgehenden Forderungen werden auf den Zivilweg verwiesen. 14. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 12 des erstinstanzlichen Urteils wird die D.___ zur Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung gegenüber A.___ auf den Zivilweg verwiesen. 15. Gemäss rechtskräftiger Ziff. 13 des erstinstanzlichen Urteils hat A.___ den Privatklägern C.E.___, E.E.___ und F.E.___, bis 18. November 2022 vertreten durch Advokat Stefan Suter, eine Parteientschädigung von CHF 3'241.55 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen. 16. Gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziff. 14 des erstinstanzlichen Urteils ist die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Roman Frey, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 20'427.05 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat bezahlt worden. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 20'427.05, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben. 17. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Roman Frey, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 6'318.30 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Diese Kosten gehen definitiv zu Lasten des Staates. 18. A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 5'600.00, total CHF 22'095.00, zu bezahlen. 19. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 7'000.00, total CHF 7'300.00, erliegen auf dem Staat.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Werner Lupi De Bruycker |
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