Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2023.63 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 17.07.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Der Beschuldigte wurde wegen versuchten Diebstahls, geringfügigen Diebstahls und Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe und eine Busse für den Beschuldigten, der vertreten durch seinen Anwalt seine Unschuld beteuerte. Das Obergericht beurteilte die Beweismittel, darunter Zeugenaussagen, und kam zum Schluss, dass der Beschuldigte versucht hatte, ein Fahrrad zu stehlen. Trotz der Verteidigung des Beschuldigten wurde er schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe und einer Busse verurteilt. Das Gericht stützte sich auf Indizien und die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen. Letztendlich wurde der Beschuldigte für schuldig befunden und zu den entsprechenden Strafen verurteilt. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Staat; Fahrrad; Staatsanwalt; Recht; Beschuldigten; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Urteil; Befehl; Verfahren; Polizei; Berufung; Beweis; Zeuge; Verfahren; Diebstahl; Zeugen; Verfahrens; Gericht; Solothurn; Zahlen; Akten; Befehls; Urteils; Winkelschleifer |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 106 StGB ; Art. 136 StPO ; Art. 139 StGB ; Art. 141 StPO ; Art. 2 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 335 StPO ; Art. 34 StGB ; Art. 354 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 408 StPO ; Art. 416 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 44 StGB ; Art. 448 StPO ; Art. 453 StPO ; Art. 456a StPO ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 50 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 80 StPO ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 109 IV 89; 109 IV 90; 115 IV 286; 117 IV 112; 118 IV 121; 120 IV 67; 120 Ia 36; 121 IV 56; 127 IV 105; 133 I 33; 134 IV 60; 137 IV 58; 141 IV 244; 143 IV 361; 145 IV 50; 148 IV 445; |
Kommentar: | Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, Art. 353 OR StPO, 2020 |
Geschäftsnummer: | STBER.2023.63 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 17.07.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2024.49 |
Titel: | versuchter Diebstahl, geringfügiger Diebstahl, Übertretung nach Art. 19a des BetmG |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 17. Juli 2024 Es wirken mit: Oberrichter Rauber Oberrichterin Kofmel Gerichtsschreiberin Schenker In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Berufungsklägerin
gegen
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
Beschuldigter und Anschlussberufungskläger
betreffend versuchter Diebstahl, geringfügiger Diebstahl, Übertretung nach Art. 19a des BetmG Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht: 1. B.___, a.o. Staatsanwalt für die Staatsanwaltschaft als Anklägerin und Berufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Anschlussberufungskläger; 3. Konrad Jeker, Rechtsanwalt, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten und Anschlussberufungsklägers; 4. C.___, Zeuge, auf 08:30 Uhr; 5. D.___, Zeugin, auf 09:00 Uhr; 6. E.___, Zeuge, auf 09:15 Uhr; 7. F.___, Zeuge, auf 09:30 Uhr; 8. G.___, Zeuge, auf 09:45 Uhr; 9. Mutter des Beschuldigten, als Zuhörerin auf der Tribüne.
In Bezug auf die behandelten Vorfragen, die vorgenommenen Verfahrenshandlungen, die durchgeführten Einvernahmen sowie die im Rahmen der Parteivorträge vorgetragenen Standpunkte wird auf das separate Protokoll der Hauptverhandlung vom 17. Juli 2024, die Einvernahmeprotokolle, die Tonbandaufnahmen und die Plädoyernotizen in den Akten verwiesen.
Im Rahmen der Parteivorträge stellen und begründen die Parteien die folgenden Anträge:
a.o. Staatsanwalt B.___ für die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn als Anklägerin und Berufungsklägerin: 1. A.___ sei schuldig zu sprechen im Sinne des Strafbefehls vom 4. Februar 2022 wegen versuchten Diebstahls (Ziff. 1.1.), geringfügigen Diebstahls (Ziff. 1.3.) und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Ziff. 1.4.). 2. A.___ sei zu verurteilen zu: einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à CHF 30.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von drei Jahren; einer Übertretungsbusse in der Höhe von CHF 150.00, unter Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen im Falle der Nichtbezahlung. 3. Die Verfahrenskosten, inklusive der Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren, seien A.___ zur Bezahlung aufzuerlegen.
Rechtsanwalt Konrad Jeker als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten und Anschlussberufungsklägers: 1. A.___ sei von Schuld und Strafe freizusprechen, soweit das Verfahren nicht einzustellen ist. 2. A.___ seien die Kosten der privaten Verteidigung zu ersetzen. 3. Die Kosten des Verfahrens inklusive der Kosten für die amtliche Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen. Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Mit Strafbefehl vom 4. Februar 2022 verurteilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Anklägerin und Berufungsklägerin, nachfolgend nur noch mit Staatsanwaltschaft bezeichnet) A.___ (Beschuldigter und Anschlussberufungskläger, nachfolgend nur noch als Beschuldigter bezeichnet) wegen versuchten Diebstahls, mehrfachen unberechtigten Verwendens eines Fahrrades, geringfügigen Diebstahls und Übertretung nach Art. 19a des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG, SR 812.121) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je CHF 30.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von drei Jahren sowie einer Busse von CHF 400.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu vier Tagen Freiheitsstrafe. Des Weiteren wurden ihm die Verfahrenskosten von total CHF 605.00 auferlegt (Akten des Richteramtes Solothurn-Lebern [S-L] 0/5 – 0/7). Der Strafbefehl wurde dem Beschuldigten am 14. Februar 2022 zugestellt (Empfangsbescheinigung in den Akten der Staatsanwaltschaft, unpaginiert).
2. Mit Einsprache vom 17. Februar 2022 erhob der Beschuldigte, vertreten durch seinen (damals noch privaten) Verteidiger Rechtsanwalt Konrad Jeker, frist- und formgerecht Einsprache (Akten der Staatsanwaltschaft, unpaginiert).
3. Mit Überweisung der Staatsanwaltschaft vom 11. Juli 2022 wurde die vorliegende Sache zusammen mit den Akten dem zuständigen Richteramt Solothurn-Lebern zur Beurteilung überwiesen (S-L 0/1 – 0/4).
4. Am 24. April 2023 fällte der a.o. Amtsgerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern nach durchgeführter mündlicher Hauptverhandlung (S-L 031 ff.) folgendes Urteil (S-L 039 ff. [Dispositiv] bzw. S-L 051 ff. [begründetes Urteil]):
« 1. A.___ wird wie folgt freigesprochen: a) versuchter Diebstahl, angeblich begangen am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.1. des Strafbefehls), b) mehrfaches unberechtigtes Verwenden eines Fahrrades, angeblich begangen am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.2. des Strafbefehls), c) Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor und festgestellt am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.4. des Strafbefehls). 2. A.___ hat sich des geringfügigen Diebstahls, begangen am 2. Dezember 2021, schuldig gemacht. 3. A.___ wird zu einer Busse von CHF 100.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 1 Tag verurteilt. 4. Folgende im Verfahren gegen A.___ sichergestellte Gegenstände (beide aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) werden den Berechtigten nach Rechtskraft des Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben: a) Fahrrad Ghost AMR (Fahrgestell-Nr. […]) schwarz b) Winkel-/Trennschleifmaschine Einhell TE-AG 18/115 Li rot Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei vernichtet, evtl. verwertet, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt. 5. A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird zulasten des Staates Solothurn eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'076.20 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zugesprochen. Dieser Betrag wird mit der Busse und dem von A.___ zu bezahlenden Anteil an den Verfahrenskosten gemäss Ziff. 6 hiernach verrechnet, womit durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils noch CHF 1'794.20, im Falle eines Rechtsmittelverzichts CHF 1'814.20 auszubezahlen sind. 6. Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'820.00, sind zu 1/10 (CHF 182.00) durch A.___ und zu 9/10 (CHF 1'638.00) durch den Staat Solothurn zu übernehmen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 200.00, womit die gesamten Kosten CHF 1'620.00 und der durch A.___ zu begleichende Verfahrenskostenanteil CHF 162.00 betragen.» 5. Am 4. Mai 2023 meldete die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Solothurn-Lebern vom 24. April 2023 die Berufung an (S-L 047). 6. Nachdem den Parteien am 14. August 2023 das begründete Urteil zugestellt wurde (S-L 071 f.), erklärte die Staatsanwaltschaft am 1. September 2023 die Berufung (Akten des Obergerichts [OGer] 003 f.). Unter anderem wurde die Beschränkung des Verfahrens auf die Frage der Kassation beantragt (a.a.O., Ziff. 3). Eventualiter seien D.___, C.___, E.___, F.___ (Polizei Kanton Solothurn) und G.___ (Polizei Stadt Solothurn) als Zeugen zu befragen (a.a.O., Ziff. 4). 7. Am 4. September 2023 erklärte der Beschuldigte die Berufung (OGer 006). 8. Da sich seitens des Beschuldigten keine Berufungsanmeldung in den Akten befand, wurde ihm mit Verfügung vom 5. September 2023 durch das Berufungsgericht das rechtliche Gehör gewährt (OGer 007 f.). Die Verfahrensleitung stellte dem Berufungsgericht den Antrag, in Anwendung von Art. 403 Abs. 1 lit. a StPO nicht auf die Berufung des Beschuldigten einzutreten (a.a.O., Ziff. 4 und Ziff. 5). 9. Mit Eingabe vom 26. September 2023 liess der Verteidiger dem Gericht mitteilen, dass der Beschuldigte die Berufung tatsächlich nicht angemeldet habe, resp. dass die Berufungserklärung vom 4. September 2023 auf einem Missverständnis beruhe. Mit demselben Schreiben erhob der Beschuldigte zugleich die Anschlussberufung. Des Weiteren führte der Beschuldigte aus, es sei von Amtes wegen zu prüfen, ob auf die Berufung der Staatsanwaltschaft eingetreten werden könne, da diese teilweise widersprüchlich sei; eine Kassation sei bei Teilanfechtung, wie sie vorliegend gegeben sei, ausgeschlossen. Da noch nicht klar sei, ob das Berufungsgericht überhaupt ein Beweisverfahren durchführe, werde vorläufig auf Beweisanträge verzichtet (s. zum Ganzen OGer 010 f.). 10. Am 17. Oktober 2023 fällte das Obergericht den Beschluss, auf die Berufung des Beschuldigten nicht einzutreten (OGer 016 ff., Ziff. 1). Es stellte fest, dass das Berufungsverfahren mit der Staatsanwaltschaft als Berufungsklägerin und A.___ als Beschuldigter und Anschlussberufungskläger weitergeführt wird (a.a.O., Ziff. 2). Es wurden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen ausgerichtet (a.a.O., Ziff. 3). 11. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2023 teilte die Staatsanwaltschaft gestützt auf die Verfügung des Instruktionsrichters vom 17. Oktober 2023 mit, am gestellten Antrag auf Kassation und Rückweisung an die erste Instanz festzuhalten (OGer 015 und OGer 022). Von Seiten der Staatsanwaltschaft werde als zulässig erachtet, die nicht angefochtenen Punkte (Freispruch gemäss Ziff. 1 lit. b und Schuldspruch gemäss Ziff. 2 des Urteildispositivs) von der Kassation auszunehmen. 12. Mit Beschluss vom 3. Januar 2024 wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abgewiesen (OGer 025 ff., Ziff. 1), wobei über die Kostenfolge des Beschlusses im Endentscheid zu befinden sei (a.a.O., Ziff. 2). 13. Mit Verfügung vom 10. Mai 2024 wurden die Parteien sowie die von der Staatsanwaltschaft beantragten Zeugen zur Verhandlung vor das Berufungsgericht auf den 17. Juli 2024 vorgeladen (OGer 032 f.). 14. Gestützt auf die jeweiligen Aktengesuche wurde den Parteien am 3. Juni 2024 (Beschuldigter) resp. am 13. Juni 2024 (Staatsanwaltschaft) die Akten zugestellt (OGer 056 und OGer 061). 15. Da der Beschuldigte innert ihm gesetzter Frist dem Obergericht keine Einkommens- und Steuerunterlagen gemäss Ziff. 4 der Verfügung vom 10. Mai 2024 eingereicht hatte, wurden die Steuerunterlagen am 21. Juni 2024 von Amtes wegen eingeholt (OGer 069 f.). Diese gingen beim Gericht am 26. Juni 2024 ein und wurden gleichentags den Parteien weitergeleitet (OGer 072 ff. und OGer 099). 16. Mit Eingabe vom 16. Juli 2024 (Eingang gleichentags beim Obergericht) teilte Rechtsanwalt Konrad Jeker der Verfahrensleitung mit, dass sein Mandat als erbetener Verteidiger beendet sei. Er beantragte, auf den Zeitpunkt des Eingangs des vorliegenden Gesuchs als amtlicher Verteidiger eingesetzt zu werden (OGer 100). Mit Verfügung vom 16. Juli 2024 wurde Rechtsanwalt Konrad Jeker antragsgemäss noch gleichentags als amtlicher Verteidiger eingesetzt (OGer 101). 17. Am 17. Juli 2024 fand die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht statt (OGer 102 ff.).
II. Anwendbares Recht
1. Per 1. Januar 2024 trat die Revision der Schweizerischen Strafprozessordnung (SR 312.0, StPO) in Kraft. Die Änderungen enthalten keine Regelung betreffend Übergangsrecht. Es stellt sich somit die Frage, welches Recht vorliegend anwendbar ist, da erstinstanzlich vor Inkrafttreten der Revision geurteilt wurde, das Berufungsurteil nun aber nach diesem ergeht.
Art. 448 StPO sieht vor, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen (Abs. 1). Unter dem Abschnitt der Rechtsmittelverfahren hält Art. 453 Abs. 1 StPO fest, dass, sofern ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden ist, Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden.
2. Die Thematik des Übergangsrechts wurde in den parlamentarischen Beratungen nie diskutiert, daraus lassen sich damit keine Erkenntnisse ableiten. Der Basler Kommentar zur StPO (BSK StPO, 3. Aufl., 2023) hält zu Art. 448 StPO Folgendes fest: «Hinzuweisen ist darauf, dass in der vom Parlament am 17. Juni 2022 verabschiedeten Teilrevision der Strafprozessordnung keine von Art. 448 StPO abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind und die revidierten Bestimmungen der StPO demnach sofort in Kraft treten.» (BSK StPO-Oehen, Art. 448 StPO N 2). Diese Formulierung ist aber insofern unklar, als daraus nicht genau hervorgeht, ob das neue Recht generell zur Anwendung gelangt eben Art. 453 StPO als Ausnahme für Rechtsmittelverfahren Anwendung findet. Im Grundsatz richtig ist, dass Art. 448 StPO für alle hängigen Verfahren gilt und damit die Revision sofort in Kraft tritt. Anderes sieht aber Art. 453 StPO für die Rechtsmittelverfahren vor, nämlich, dass die Rechtsmittel gegen einen Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden. Es würde zu eng greifen, die Formulierung «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Vielmehr kommen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung beschlossen und nichts anderes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich neues Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtsmittelverfahren sieht aber Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung gefällt wurde. Diese Auslegung verhindert unbefriedigende Ergebnisse in der Praxis: Um nur zwei Beispiele zu nennen, müsste in allen hängigen Berufungsverfahren die Privatklägerschaft mit URP nach Art. 136 Abs. 3 nStPO noch einen Antrag für URP stellen (soweit noch nicht geschehen), um die URP im Berufungsverfahren überhaupt zu erhalten. Oder der Beschuldigte würde benachteiligt, wenn ihm erstinstanzlich eine Entschädigung direkt zugesprochen wird und auf seine Berufung hin die Entschädigung dann nach Art. 429 Abs. 3 nStPO im Berufungsverfahren dem Verteidiger direkt zugesprochen werden müsste. Fänden die neuen Bestimmungen auch für Rechtsmittelverfahren gegen erstinstanzliche Urteile vor dem Jahr 2024 Anwendung, würde dies bedeuten, dass bei teilweiser Anfechtung der rechtskräftige Teil des Urteils nach altem Recht ergeht, und der angefochtene nach neuem Recht. Es kann aber nicht sein, dass für ein Urteil (Art. 408 StPO) ein Teil nach altem und ein Teil nach neuem Prozessrecht gefällt wird. Diese Rechtsauffassung wird auch von früheren StPO-Revisionen gestützt: Mit der Änderung vom 28. September 2012 wurde mit Art. 456a StPO eine von den allgemeinen Regeln von Art. 448 und der Ausnahme von Art. 453 StPO abweichende Regelung geschaffen, wonach das neue Recht in allen Verfahren gelte, somit auch für Rechtsmittelverfahren. Im Weiteren kann auch Art. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) herangezogen werden, dessen Formulierung in Abs. 1 «nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht» jeweils die entsprechende Änderung des Gesetzes meint.
3. Es hat demnach Folgendes zu gelten: Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO kommen als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung der StPO beschlossen und nichts Anderslautendes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich das neue Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtmittelverfahren sieht Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (der neuen Bestimmung) gefällt worden ist.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folglich, dass das alte Recht (vor dem 1. Januar 2024) zur Anwendung gelangt.
III. Vorfrage der Gültigkeit des Strafbefehls vom 4. Februar 2022
1. Anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 17. Juli 2024 stellte der Beschuldigte sowohl vorfrageweise wie auch im Rahmen des Parteivortrages den Antrag, das Verfahren sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen vollumfänglich einzustellen. Gemäss neuster Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 148 IV 445 sei der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 4. Februar 2022 ungültig. Dies, weil er lediglich einen Faksimile-Stempel der Unterschrift des fallführenden Staatsanwaltes H.___ trage, so wie es der Praxis der Staatsanwaltschaft entspreche resp. zumindest früher einmal entsprochen habe. Werde das Verfahrensprotokoll konsultiert, erkenne man denn auch, dass der Strafbefehl nicht durch Staatsanwalt H.___, sondern durch eine Person mit dem Kürzel «[…]» ausgestellt worden sei. Diese Person habe den Strafbefehl erstellt und ihn mit dem Stempel von Staatsanwalt H.___ versehen. Die Überweisung an das zuständige Richteramt vermöge den Mangel nicht zu heilen. Diese stamme von a.o. Staatsanwalt B.___ und damit wiederum von einer anderen Person. Es fehle somit an einer gültigen Anklage und entsprechend an einer positiven Verfahrensvoraussetzung. Eine Rückweisung sei zwar theoretisch denkbar; eine solche sei aber schon aus Opportunitätsgründen nicht angezeigt.
2. Gemäss Staatsanwaltschaft handelt es sich bei der Person mit dem Kürzel «[…]» um eine Sekretärin der Staatsanwaltschaft. Sei ihr Kürzel im Journal vermerkt, dann einzig deshalb, weil sie den Versand koordiniert habe. Sie sei nicht in die Erstellung des Inhalts des Strafbefehls involviert gewesen. Für den Strafbefehl verantwortlich sei ausschliesslich Staatsanwalt H.___.
3. Die Verteidigung beruft sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung gemäss BGE 148 IV 445. Dieser hält Folgendes fest:
«Regeste: Art. 353 Abs. 1 lit. k und Art. 80 Abs. 2 StPO; auch beim Erlass eines Strafbefehls stellt die persönliche handschriftliche Unterschrift ein formelles Gültigkeitserfordernis im Sinne der Rechtssicherheit dar. Das Anbringen eines "Faksimile-Stempels" statt der handschriftlichen Unterschrift bietet keine ausreichende Gewähr dafür, dass der ausgefertigte Strafbefehl inhaltlich und formell mit jenem Entscheid übereinstimmt, der von der Staatsanwaltschaft gefasst worden ist. Solches vermag einzig die eigenhändige Unterschrift der zuständigen Staatsanwältin zu bestätigen (E. 1.3.1-1.4.1). Ein bloss mit einem Faksimile-Stempel versehener Strafbefehl ist nicht nichtig; er leidet an einem Formmangel. Bisherige Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen (E. 1.4.2). Beruht das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift des Strafbefehls auf einer eigentlichen Praxis, vermag die von der zuständigen Staatsanwältin eigenhändig unterzeichnete Überweisungsverfügung den Formmangel des Strafbefehls nicht zu heilen (E. 1.5.1). Von einer Heilung kann namentlich nur dann ausgegangen werden, wenn die durch die zuständige Staatsanwältin erforderliche handschriftliche Unterzeichnung versehentlich unterblieben ist (E. 1.5.2 und 1.5.3).»
Unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_845/2015 vom 1. Februar 2016 und unter detaillierter Darlegung der in Art. 80 Abs. 2 StPO und Art. 353 Abs. 1 StPO aufgestellten Grundsätze hielt das Bundesgericht fest, als Gültigkeitserfordernis werde verlangt, dass aus dem Strafbefehl hervorzugehen habe, wer ihn erlassen habe. Die blosse Unterschrift könne nicht delegiert werden; Aussteller und Unterzeichner müssten identisch sein (a.a.O., E. 1.3.3). Den in der damaligen Beschwerdeantwort vorgebrachten Ausführungen der Beschwerdegegnerin, wonach im Bereich des Massengeschäfts vom Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift abgewichen werden dürfe, könne angesichts der bisher im Zusammenhang mit der Unterzeichnung von Entscheiden, Strafbefehlen und Eingaben an die Behörden ergangenen Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Mit der Unterschrift auf dem Strafbefehl werde kenntlich gemacht, wer Aussteller derselben ist, wer diesen mithin erlassen und damit einhergehend über Schuld und Strafe entschieden habe. Die eigenhändige Unterschrift bezeuge, dass der Strafbefehl dem tatsächlichen Willen des ausstellenden Staatsanwaltes entspreche. Mithin erkläre auch der Unterzeichner eines Strafbefehls die Übereinstimmung von dessen Inhalt mit dem von ihm gefassten Entscheid und zugleich die formelle Richtigkeit der Ausfertigung. In diesem Sinne stelle die persönliche handschriftliche Unterschrift auch beim Erlass eines Strafbefehls ein formelles Gültigkeitserfordernis im Interesse der Rechtssicherheit dar (a.a.O., E. 1.4.1 unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_845/2015 vom 01.02.2016 und weitere Literatur). Mit dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Strafbefehl würden denn auch keine strengeren Formvorschriften ausgestellt, als an eine direkte Anklageschrift ohne vorgängigen Strafbefehl an andere Eingaben von anderen Parteien, die ebenfalls handschriftlich zu unterzeichnen seien. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass der mit Art. 353 Abs. 1 StPO definierte Inhalt des Strafbefehls durch dessen Doppelfunktion als allfälliger Anklageersatz im Falle einer Einsprache (Art. 356 Abs. 1 StPO) aber auch als rechtskräftiges Urteil beim Verzicht auf eine Einsprache (Art. 354 Abs. 3 StPO) bestimmt werde. Der Strafbefehl habe mithin alle Punkte zu regeln, die üblicherweise Bestandteil eines Strafurteils seien. Diese seien in Art. 353 Abs. 1 lit. a – k StPO detailliert aufgeführt, womit auch der Strafbefehl wie ein Entscheid im Sinne von Art. 80 StPO eine eigenhändige Unterschrift der ausstellenden Person zu enthalten habe. Entsprechend gelangte das Bundesgericht zum Schluss, dass der in casu zu beurteilende Strafbefehl keine gültige Unterschrift aufwies (a.a.O., E. 1.4.1.).
4. In dem vom Bundesgericht damals zu beurteilenden Fall war unbestritten geblieben, dass der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 3. Juli 2018, anders als die betroffene Überweisungsverfügung, bloss einen durch Kanzleimitarbeitende angebrachten Unterschriftenstempel aufwies und nicht von der fallführenden Staatsanwältin persönlich unterschrieben worden war (a.a.O., E. 1.4.1 Erster Satz). Dies unterscheidet sich von der vorliegend zu beurteilenden Konstellation: Es mag zutreffen, dass der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 4. Februar 2022 im Rahmen des Unterschriftsfeldes einen Faksimile-Stempel von Staatsanwalt H.___ aufweist. Entgegen der Ausgangslage in BGE 148 IV 445 wurde der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 4. Februar 2022 hier nebst dem Faksimile-Stempel aber auch zusätzlich mit einem handschriftlich angebrachten Kürzel «[…] 7.2.22» [[…] = H.___] versehen. Damit verfügt der Strafbefehl nebst dem Faksimile-Stempel auch über eine persönliche Unterschrift des damals fallführenden Staatsanwalts. Damit ist erstellt, dass sich Staatsanwalt H.___ für den Inhalt des Strafbefehls verantwortlich zeigt und er es war, der über Schuld und Strafe befunden hat. Dass der Strafbefehl wie vorliegend von einem Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft vorbereitet (und gemäss Staatsanwaltschaft auch versendet) wurde bzw. dass damit der Mitarbeiter im Journal erfasst ist, steht dem nicht entgegen (s. diesbezüglich ausdrücklich Christian Schwarzenegger, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, in: SK-Schulthess Kommentar, 3. Auflage 2020, Art. 353 N 9, ebenso erwähnt BGE 148 IV 445 E. 1.4.1). Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 4. Februar 2022 ist damit rechtsgenüglich unterzeichnet und formgültig.
5. Selbst wenn insofern von einem anderen Ergebnis ausgegangen werden würde, als dass dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 4. Februar 2022 entgegen vorstehenden Ausführungen doch ein Formmangel zu attestieren wäre, so bleibt es dabei, dass die Überweisungsverfügung vom 11. Juli 2022 eine persönliche Unterschrift eines für den Inhalt verantwortlichen Staatsanwalts trägt. Dass es sich dabei um den zwischenzeitlich fallführenden a.o. Staatsanwalt B.___ handelt und nicht um den nicht mehr fallführenden Staatsanwalt H.___, schliesst die Gültigkeit der Unterschrift nicht aus. Ein anderes Ergebnis hätte zur Folge, dass zwischen Erstellung eines Strafbefehls und Überweisung desselben an das zuständige Gericht nach erfolgter Einsprache keine Fallübergaben mehr an neue Staatsanwälte möglich wäre, was ausgeschlossen ist. Die Überweisungsverfügung vom 11. Juli 2022 ist damit grundsätzlich geeignet, den – wie erwähnt vorliegend zu verneinenden – Formmangel zu heilen.
6. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 4. Februar 2022 formgültig ist und auch gültig eröffnet wurde. Der sowohl im Rahmen der Vorfragen wie auch der anlässlich des Plädoyers gestellte Antrag des Beschuldigten auf Einstellung des Verfahrens ist abzuweisen. Dies ist entsprechend im Dispositiv festzuhalten.
IV. Gegenstand des Berufungsverfahrens
1. Mit Berufungserklärung vom 1. September 2023 (OGer 003 f.) ficht die Staatsanwaltschaft den erstinstanzlichen Freispruch wegen versuchten Diebstahls (Urteil des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Solothurn-Lebern vom 24.04.2023 [erstinstanzliches Urteil], Ziff. 1 lit. a) und den erstinstanzlichen Freispruch wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (erstinstanzliches Urteil Ziff. 1 lit. c) an. Sie fordert in beiden Punkten einen Schuldspruch sowie die angemessene Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Auch habe der Beschuldigte die Verfahrenskosten angemessen zu tragen. Angefochten sind somit (auch in Anwendung von Art. 428 Abs. 3 StPO) nebst den von der Staatsanwaltschaft genannten Ziffern 1 lit. a und lit. c auch die Ziffern 5 (Verrechnung der reduzierten Parteientschädigung mit dem durch den Beschuldigten zu zahlenden Anteil an den Verfahrenskosten) und Ziffer 6 (Verfahrenskosten) des erstinstanzlichen Urteils.
2. Mit Anschlussberufung vom 26. September 2023 wie auch anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 17. Juli 2024 beantragt der Beschuldigte, das gegen ihn geführte Verfahren wegen geringfügigen Diebstahls, angeblich begangen am 2. Dezember 2021, sei einzustellen; eventualiter sei er von Schuld und Strafe freizusprechen (OGer 010 f. und OGer 147). Angefochten sind damit auch die Ziff. 2 (Schuldspruch wegen geringfügigen Diebstahls) und die Ziff. 3 (Sanktion) des erstinstanzlichen Urteils.
3. In Rechtskraft erwachsen und damit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens bilden somit Ziff. 1 lit. b des erstinstanzlichen Urteils betreffend den Freispruch wegen mehrfachen unberechtigten Verwendens eines Fahrrades, angeblich begangen am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.2. des Strafbefehls) und Ziff. 4 des erstinstanzlichen Urteils betreffend die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände bzw. deren Vernichtung Verwertung nach Rechtskraft. Dies ist entsprechend im Dispositiv festzuhalten.
V. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Allgemeines zur Beweiswürdigung
1.1. Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101) und Art. 6 Ziff. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff., 127 I 40 f.) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.
Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).
1.2. Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): Es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.
1.3. Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2016 vom 01.06.2017 E. 2.4., nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 04.08.2009 E. 2.3.; je mit Hinweisen).
1.4. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Aussage auf Glaubhaftigkeitsmerkmale bzw. Lügensignale hin zu analysieren. Die Aussage ist gestützt auf eine Vielzahl von inhaltlichen Realkennzeichen zu beurteilen, wobei zwischen inhaltlichen Merkmalen (Aussagedetails, Individualität, Verflechtung), strukturellen Merkmalen (Strukturgleichheit, Nichtsteuerung, Widerspruchsfreiheit bzw. Homogenität) sowie Wiederholungsmerkmalen (Konstanz, Erweiterung) unterschieden wird. Das Vorliegen von Realitätskriterien bedeutet, dass die betreffende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit über erlebnisfundierte Geschehnisse berichtet. Zwar besitzt jedes Realitätskriterium für sich allein betrachtet meist nur eine geringe Validität, die Gesamtschau aller Indikatoren kann jedoch einen wesentlich höheren Indizwert für die Glaubhaftigkeit der Aussage haben, wobei sie in der Regel in solchen mit realem Erlebnishintergrund signifikanter und ausgeprägter vorkommen als in solchen ohne. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3.). Im Bereich rechtfertigender Tatsachen trifft den Beschuldigten eine gewisse Beweislast. Seine Behauptungen müssen plausibel sein; es muss ihnen eine gewisse Überzeugungskraft zukommen. Zumindest bedarf die Behauptung des Beschuldigten gewisser Anhaltspunkte, sei es in Form konkreter Indizien einer natürlichen Vermutung für seine Darstellung, damit sie als Entlastungstatsache dem Urteil zugrunde gelegt wird. Wenn die belastenden Beweise nach einer Erklärung rufen, welche der Beschuldigte geben können müsste, dies jedoch nicht tut, darf nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes der Schluss gezogen werden, es gebe keine mögliche Erklärung und er sei schuldig. Nichts Anderes kann gelten, wenn er zwar eine Erklärung gibt, diese aber unglaubhaft gar widerlegt ist. Der Grundsatz «in dubio pro reo» zwingt somit nicht dazu, jede entlastende Angabe des Beschuldigten, für deren Richtigkeit Unrichtigkeit kein spezifischer Beweis vorhanden ist, als unwiderlegt zu betrachten. Nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung braucht durch einen hieb- und stichfesten Beweis widerlegt zu werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20.12.2011 E. 1.6. und 6B_562/2010 vom 28.10.2010 E. 2.1.).
2. Versuchter Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, Ziff. 1.1. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
2.1. Beweismittel
2.1.1. Die Vorinstanz hat in ihrem Urteil vom 24. April 2023 die damals vorhandenen Beweismittel detailliert dargestellt. Sie fasste die Darstellungen in der Strafanzeige und die darin enthaltenen fotografischen Aufnahmen korrekt zusammen und hielt ebenso richtigerweise fest, dass der Beschuldigte sowohl im Vorverfahren wie auch anlässlich des erstinstanzlichen Verfahrens jegliche Aussagen verweigerte (Ziff. 2.2. Urteilsseite [US] 8). Darauf ist abzustellen.
2.1.2. Durch die Vorinstanz mangels Konfrontation nicht in die Beweiswürdigung aufgenommen wurden die sich in den Akten befindlichen Einvernahmen der Auskunftspersonen. Diese besagen zusammengefasst Folgendes:
2.1.2.1. C.___ (EV 20.11.2021, in den Akten der Staatsanwaltschaft [unpaginiert]): Er sei zu jener Zeit im überbetrieblichen Kurs gewesen und sei mit dem RBS-Zug nach [Ort 1] gekommen. Als er aus dem Zug gestiegen sei, habe er sich zu seinem Mofa begeben und habe seinem Kollegen noch kurz eine SMS geschrieben. Zur selben Zeit habe er diesen komischen Typen gesehen, der auf einem weissen Fahrrad angefahren sei. Neben dem komischen Typen sei ein anderer Typ nebenher gelaufen. Er (C.___) gehe davon aus, dass es sich beim anderen Typen um den Kollegen des Typen gehandelt habe, welcher mit dem weissen Fahrrad gefahren sei. Die beiden Typen hätten miteinander gesprochen und seien vom RBS-Bahnhof in Richtung [Ort 2] gelaufen resp. gefahren. In etwa beim Gebäude vor der Kurve seien die beiden Typen kurz stehen geblieben und der komische Typ auf dem Fahrrad habe aus dem Rucksack des anderen Typen, welcher derjenige am Rücken getragen habe, eine Flex hinausgenommen und habe sie im Innern der Jacke im Brustbereich verstaut. Nach ca. drei Minuten sei der komische Typ, welcher zuvor auf dem weissen Fahrrad gefahren sei, aus der Richtung [Ort 2] zu Fuss retour zum Fahrradständer. Ziemlich direkt habe sich der Typ zu Fuss zu einem blauen Fahrrad begeben, habe die Flex aus der Jacke hervor genommen und habe sich neben das blaue Fahrrad gekniet. Im selben Moment habe sich der andere Herr, dieser Herr E.___, bemerkbar gemacht und dem Typen gesagt, dass er das sein lassen soll. Der Typ mit der Flex habe zu Herrn E.___ gesagt, dass er seinen Schlüssel zum Fahrrad verloren habe und nicht mehr zu seinem Fahrrad könne, ohne dass er von anderen angesprochen werde. Speziell sei aber gewesen, dass das blaue Fahrrad mit einem Zahlenschloss gesichert gewesen sei und nicht mit einem Schloss, welches mit einem Schlüssel hätte geöffnet werden können. Der komische Typ habe daraufhin begonnen zu fluchen und sei anschliessend kurzerhand zu Fuss in Richtung Bahnhofunterführung verschwunden. Dort sei er eine kurze Zeit umher geschlichen und sei auch am Telefonieren gewesen. Anschliessend sei der Typ wieder zum Fahrradständer zurückgekommen und habe sich dort zu einem Fahrrad begeben, welches ein hölzernes Körbli auf dem Gepäckträger montiert gehabt habe. Der Typ habe irgendetwas aus dem hölzernen Körbli hinausgenommen, was das aber genau gewesen sei, wisse er nicht mehr. Herr E.___ habe dabei wieder etwas zu dem komischen Typ gesprochen. Was das aber genau gewesen sei, wisse er nicht mehr. Der komische Typ habe sich hinter das Auto von Herrn E.___ begeben und habe das Kennzeichen des Autos von Herrn E.___ fotografiert. Anschliessend sei der komische Typ wieder zur Bahnhofsunterführung gelaufen und habe sich dort zum hinteren Fahrradständer begeben. Dort sei er mit einem schwarzen Fahrrad in Richtung [Ort 1] gefahren. Als die Polizei vor Ort gekommen sei, sei der komische Typ mit dem schwarzen Fahrrad wieder retour in ihre Richtung gefahren. (Auf Nachfrage) Er (der Beschuldigte) sei zu einem blauen Fahrrad gegangen und habe sich neben das Fahrrad gekniet. Er habe die Flex aus der Jacke hervorgenommen und habe gerade am Fahrrad «ansetzen» wollen. Und zwar beim Schloss des Fahrrades. (Auf Nachfrage) Er nehme an, dass der damit das Schloss habe knacken und dann das Fahrrad habe stehlen wollen. (Auf Nachfrage) Er habe nicht sehen können, ob der Typ das Schloss des Fahrrads beschädigt gar aufgebrochen habe. Jedenfalls habe er die Flex noch nicht laufen gehört. (Auf Nachfrage) Der zweite Typ sei dann nicht mehr vor Ort gewesen. (Auf Nachfrage) Er habe sich weder mit den Männern unterhalten noch habe er sie angesprochen. (Auf Nachfrage) Er (der Beschuldigte) sei eher ein bisschen aggressiv… und hippelig gewesen. Einfach so ein bisschen.
2.1.3. Anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 17. Juli 2024 brachten die Zeugen zusammengefasst Folgendes zu Protokoll:
2.1.3.1. C.___ (OGer 108 ff.): (Auf Frage, was am 21.10.2021 passiert sei) Er sei von einem überbetrieblichen Kurs nach Hause gekommen, von [Ort 3] nach [Ort 1] an den Bahnhof. Er sei bei der Unterführung durchgelaufen, da sei er (der Beschuldigte) ihm schon das erste Mal aufgefallen, weil er sehr auffällige Kleider gehabt habe. Rote Kniesocken und eine Skibrille. Er habe sehr lautstark telefoniert. Nachher sei er (der Zeuge) zu seinem Töffli beim [Parkplatz] gegangen. Er sei nicht gleich losgefahren, sondern er habe noch mit seiner Freundin telefoniert. Nachher habe er beobachtet, wie er (der Beschuldigte) mit einem Kollegen gekommen sei. Er (der Beschuldigte) sei auf einem Velo gefahren und der Kollege sei neben ihm gelaufen. Sie seien weg vom Bahnhof Richtung [Ort 2] untendurch gegangen. Kurz darauf sei der Beschuldigte zurückgekommen und habe versucht… also er habe eine Flex, eine Drehscheibe aus seinem Rucksack genommen und habe versucht, ein Veloschloss damit zu knacken. Was für ein Velo das gewesen sei, wisse er nicht mehr. Wenn er sich richtig erinnere, sei es ein weiss-rotes / weiss-schwarzes Velo gewesen. (Auf Frage, wie weit er entfernt gewesen sei) Zum Zeitpunkt, als der Beschuldigte das Velo habe knacken wollen, sei er vielleicht zwei drei Meter weg gewesen, einfach auf der anderen Seite beim Veloständer. (Auf Frage, ob der Zeuge E.___ den Beschuldigten angesprochen habe) Das sei richtig. Die Zeugen, die noch draussen warteten, das Pärchen: Sie seien auch da gewesen, mit dem Auto. Sie hätten den Vorfall auch beobachtet. Bevor der Beschuldigte eigentlich habe loslegen können mit dem Schloss aufknacken, hätten sie ihn darauf angesprochen, was er da mache. Seine Antwort sei gewesen, dass er den Schlüssel vergessen habe. Obwohl es eigentlich ein Zahlenschloss gewesen sei. Das sei schon ein wenig komisch gewesen. (Auf Frage, ob er ganz klar gesehen habe, dass es ein Zahlenschloss gewesen sei) Wenn er es noch richtig in Erinnerung habe, ja. (Auf Frage, was dann geschehen sei) Sie hätten dann angefangen zu diskutieren. Seine Freundin / Frau habe die Polizei angerufen. Die sei dann auch kurz danach gekommen. Der Beschuldigte sei nachher weggelaufen. Sie hätten auf die Polizei gewartet, und als diese gekommen sei, sei er später vom Kreisel beim Bahnhof, also von der [Verkaufsgeschäftseite] Richtung Stadt, wieder zurückgelaufen. Er sei dort gestanden, und dann hätten sie ihn geholt. Ob sie ihn mitgenommen haben nicht, wisse er nicht, weil er selber sei nachher nach Hause gegangen. (Auf Nachfrage, wie der Beschuldigte mit seinem Kollegen gesprochen habe) Sie hätten normal miteinander gesprochen. (Auf Nachfrage) An ein Umherschreien könne er sich nicht erinnern. Er wisse einfach noch, dass er vorher laut telefoniert habe.
2.1.3.2. D.___ (OGer 114 ff.): (Auf Frage, was am 21.10.2021 passiert sei) Sie sei im Auto gesessen, und der Beschuldigte sei ihr aufgefallen, weil er so lange Socken angehabt habe, kurze Hosen und eine Skibrille. Ihr Freund sei dazu gekommen, und sie habe gesehen, dass er (der Beschuldigte) den Winkelschleifer hervorgenommen habe. Sie hätten das Gefühl gehabt, dass er das Velo habe entwenden wollen. Sie hätten ihn gefragt, was das soll, und sie hätten ihm gesagt, dass sie die Polizei rufen würden. Dann habe es zuerst eine Diskussion gegeben, und dann sei er abgehauen. (Auf Frage, was ihr das Gefühl gegeben habe, dass der Beschuldigte das Velo habe entwenden wollen) So wie er beim Velo vorgegangen sei. Wie sie sich erinnern könne, habe das Velo nicht zu ihm gepasst. Ihr sei etwas komisch vorgekommen, und ihrem Freund auch. (Auf Nachfrage nach dem Winkelschleifer) Er habe ihn nicht benutzt gehabt. (Auf Vorhalt, dass Herr E.___ den Beschuldigten angesprochen habe resp., ob sie noch wisse, was Herr E.___ dem Beschuldigten gesagt habe) «Was soll das?» habe er gefragt – was er da mache. (Auf Frage, was der Beschuldigte zur Antwort gegeben habe) Er habe gesagt, dass das Velo ihm gehöre, dass er den Schlüssel verloren habe. Dass er deshalb das Velo mit dem Winkelschleifer habe öffnen wollen. Aber es sei ein Zahlenschloss gewesen, soweit sie sich erinnern könne. (Auf Frage, wie der Beschuldigte reagiert habe, als er angesprochen worden sei) Er sei sehr «verruckt» gewesen. Er habe auch das Auto fotografiert. (Auf Frage nach dem Velo mit dem Holzkistli) Er sei mit dem Velo mit dem Holzkistli gekommen. Dort habe er, so weit sie sich erinnere, das Werkzeug drin gehabt. (Auf Frage, ob der Beschuldigte alleine unterwegs gewesen sei) Nein, es sei noch eine zweite Person dabei gewesen. (Auf Frage, ob sie sich erinnern könne, wie die beiden miteinander umgegangen seien) Nein. (Auf Frage, was darunter zu verstehen sei, dass das Velo nicht zum Beschuldigten gepasst habe) Soweit sie es in Erinnerung habe, sei es ein Damenvelo gewesen. Sie könne es nicht mehr genau sagen. Es habe einfach nicht zu ihm gepasst. Es sei ein relativ teures Velo für so jemand Junges gewesen. (Auf Frage, weshalb sie das Gefühl gehabt habe, es sei ein teures Velo gewesen) Es habe so ausgesehen, es sei aber so schnell gegangen. Die Situation – sie habe gemerkt, es stimme einfach etwas nicht. (Auf Vorhalt ihrer Aussage gegenüber der Polizei, wonach der Beschuldigte den Eindruck gemacht habe, als wäre er «nicht ganz 100» resp. «an einer Party gewesen») Sie könne sich nicht mehr daran erinnern. Er habe ihr einfach Angst gemacht, weil er wirklich wütend geworden sei und laut. Und sie habe selten Angst. (Auf Frage, woher sie wisse, dass es sich beim Beschuldigten um A.___ handle?) Sie meine, sie habe den Namen auf dem Blatt gelesen, also auf der Einladung. Da sei dieser Name gestanden. (Auf Frage, ob die Person, die nun hinter ihr sitze, der Beschuldigte sei) Das sei schwierig zu sagen. Sie dünke, er habe anders ausgesehen. Er sei feiner gewesen und anders. Sie habe ihren Freund noch gefragt. Das sei so lange her. Sie habe damals gefragt, ob nochmals etwas auf sie zukomme, und sie hätten nein gesagt. Sonst hätte sie sich das Zeug aufgeschrieben. Sie müsse ehrlich sagen, es sei schwierig zu sagen.
2.1.3.3. E.___ (OGer 121 ff.): (Auf Frage, was am 21.10.2021 passiert sei): Er habe einen Termin zur Darmspiegelung gehabt. Nach der Darmspiegelung, als sie heruntergekommen seien, hätten sie noch irgendwas im Auto gemacht. Der Beschuldigte sei der Partnerin aufgefallen. Sie habe gefragt «he was macht dä?». Er sei komisch angezogen gewesen, mit Stulpen und Skibrille und so. Sie seien auf ihn aufmerksam geworden und als sie gesehen hätten, dass er zur Flex gegriffen habe, hätten sie ihn darauf angesprochen, was er mache. Er habe geantwortet, es sei sein Velo, und er habe den Schlüssel zu Hause vergessen. Dann sei es zu einem Hin und Her gekommen, und es sei laut geworden. Er habe ihr Auto fotografiert und gemeint, er werde sie finden. Sie hätten zwischenzeitlich Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Zu der Zeit sei er flüchtig gewesen. Er sei aber wieder auf Platz gekommen, als die Polizei vor Ort gewesen sei, und er sei ihnen dann so quasi in die Arme gefahren. (Auf Vorhalt seiner Angabe vor der Polizei, dass der Beschuldigte an jenem Tag aus dem Rucksack eines Kollegen, der an jenem Tag mit ihm unterwegs gewesen sei, einen Winkelschleifer hervorgenommen habe – ob er das selber so gesehen habe) Das hätten sie gesehen, ja. (Auf Frage, ob er beschreiben könne, was der Beschuldigte mit dem Winkelschleifer gemacht habe) Er sei zum Velo auf die Höhe des Schlosses gegangen. Dort hätten sie ihn angesprochen, bevor er die Maschine in Betrieb genommen habe. (Auf Frage, ob er noch wisse, was er [der Zeuge] gesagt habe) Nicht mehr detailliert, nein. (Auf Frage, ob er noch wisse, wie der Beschuldigte reagiert habe, als er angesprochen worden sei) Er habe dann behauptet, dass er den Schlüssel vergessen habe von seinem Velo. (Auf Vorhalt, dass er dem Beschuldigten gesagt haben soll, dass es sich um ein Zahlenschloss gehandelt habe, worauf der Beschuldigte ihm geantwortet habe, dass es sich um ein Kombischloss handle) Ja. (Auf Frage, um welche Art Schloss es sich seiner Meinung nach gehandelt habe) Seiner Meinung nach sei es ein Zahlenschloss gewesen, so wie er sich erinnern könne. Aber er könne sich jetzt nicht mehr festlegen darauf. (Auf Frage, weshalb er dem Beschuldigten nicht geglaubt habe, als dieser gesagt habe, dass es sein eigenes Velo sei) Also nicht geglaubt… es sei ihnen einfach suspekt vorgekommen, wie das Ganze abgelaufen sei, und wie er sich gekleidet habe, mit Skibrille, kniehohen Stulpen und so. Und als sie mit ihn angesprochen hätten, aufgrund seiner Reaktion. Und als sie ihm gesagt hätten, dass sie die Polizei rufen würden, wie er hektisch geworden sei. Es sei dann nicht glaubwürdig gewesen. Und auch das Thema «Schlüssel vergessen, aber ich sehe ein Zahlenschloss.» Deshalb hätten sie reagiert. (Auf Frage, ob er gestützt auf dieses Verhalten darauf geschlossen habe, dass es nicht sein Velo gewesen sei) Also sie hätten nie gesagt, dass es nicht sein Velo sei. Es sei ihnen einfach suspekt gewesen. Und als sie dann gesagt hätten, sie riefen die Polizei – sie hätten den Kontakt noch nicht gehabt – und er so reagiert habe… Wie er sich noch erinnern könne, habe es noch ein Video von allem gegeben. Aber er könne sich nicht mehr an Details erinnern. Weil er habe noch eine leichte Narkose gehabt bei der Darmspiegelung und habe deshalb nur noch Bruchstücke gehabt. Und dann halt auch die Zeit, die vergangen sei seither. (Auf Frage, ob er sich erinnern könne, mit welchem Velo der Beschuldigte angekommen sei beim ersten Aufeinandertreffen) Nicht genau nein, weil die Partnerin ihn erkannt habe. Aber was sie nachher gesehen hätten, sei, dass er nachher mit einem älteren Velo davongefahren sei. (Auf Nachfrage) Ja, aber nicht mit dem, das er habe angehen wollen. (Auf Frage, wie der Beschuldigte unterwegs gewesen sei, als die Polizei vor Ort gewesen sei) Auch auf dem Velo. (Auf Frage, ob es das gleiche Velo gewesen sei) Nein.
2.1.3.4. F.___ (OGer 128 ff.): (Auf Frage, was am 21.10.2021 passiert sei) Er könne sich nur noch vage daran erinnern – aktuell sei er nicht mehr bei der Polizei angestellt, deshalb habe er keine Möglichkeit gehabt, die Akten zu studieren. Er könne nur noch wiedergeben, was er noch wisse. (Auf Aufforderung) Es sei später Nachmittag gewesen. Wer an jenem Tag sein Partner gewesen sei, wisse er nicht mehr, es sei aber sicher jemand von der Stadtpolizei gewesen. Es habe eine Meldung der Alarmzentrale gegeben, es habe jemand beobachtet, wie eine Person am RBS-Bahnhof mit einer Flex versucht habe, ein Velo aufzubrechen. Sie seien relativ zügig an den RBS-Bahnhof gefahren. Als sie dort gewesen seien, sei der Beschuldigte nicht mehr vor Ort gewesen, dafür aber mehrere Auskunftspersonen. Sie hätten die Personalien aufgenommen von diesen Personen und hätten sie auch befragt. Er wisse allerdings nicht mehr, ob auch schriftlich mit Erstbefragungsprotokoll nur so. So wie er noch wisse, während sie so gesprochen hätten – am Tatort, beim Veloständer – habe eine der Auskunftspersonen gesagt «do chunnt er grad». Und die Person habe Richtung [Verkaufsgeschäft] gezeigt. A.___ sei auf einem Velo dahergekommen, in ihre Richtung. Die Auskunftsperson habe gesagt «das isch er, das isch dä wo mit dr Flex hantiert het». Sie hätten ihn angehalten und eine Personenkontrolle gemacht. Sie hätten seine Sachen kontrolliert. Er habe auch einen Rucksack dabeigehabt, und im Rucksack habe er eine Akku-Flex gehabt. Ob sie auch einen Drogen- Alkoholschnelltest gemacht hätten, wisse er nicht mehr. Sie hätten den Beschuldigten auf den Regionenposten mitgenommen, hätten dort die Kontrolle weitergeführt. Was er jetzt nicht mehr wisse, sei, ob sie sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hätten. Er nehme aber an, sie hätten das festgehalten, was sie hätten machen wollen. Ah ja, sie hätten dann ja noch eine Hausdurchsuchung gemacht. (Auf Frage, ob er das mit dem Regionenposten wiederholen könne, weil es akustisch schlecht zu verstehen gewesen sei) Auf dem Polizeiposten hätten sie die Effektenkotrolle gemacht. Sie hätten den Rucksack angeschaut und was er alles drin gehabt habe. Er sei sich nicht mehr sicher, aber er vermute, sie hätten die Staatsanwaltschaft informiert über die vorliegende Kontrolle. Sie hätten ja auch eine Hausdurchsuchung gemacht. Wie er noch wisse, hätten sie aber bei ihm zu Hause keine Sicherstellungen gemacht. (Auf Frage, welchen Eindruck der Beschuldigte auf ihn gemacht habe) Er habe schon einen auffälligen, angetriebenen Eindruck gemacht. In seinem Körper, in seinen Bewegungen, sei eine Unruhe drin gewesen. Zwischendurch sei er dann doch wieder ruhig gewesen. Auf ihn habe er unberechenbar gewirkt, so nach dem Motto «Aufpassen! Eigenschutz wahren!» (Auf Vorhalt, dass er im Polizeiprotokoll die Punkte «Gang unauffällig», «Verhalten während der Kontrolle unruhig, angetrieben / unbeherrscht, aggressiv», «Reaktionen überschiessend», «Sprache unauffällig», «Lichtreaktion vorhanden», «Alkoholgeruch nein» angekreuzt habe) Ja, das würde etwa passen. (Auf Frage, ob seiner Meinung nach ein Anlass bestanden habe für einen Drogenschnelltest, der aktenkundig gemacht worden sei) Wie gesagt: Wenn sie einen gemacht hätten, dann aufgrund seines angetriebenen Verhaltens. Er habe gedacht, wenn sie Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft halten müssten, dann sei wenigstens das schon gemacht. Also wenn es bei der Staatsanwaltschaft auf eine Blut- und Urin-Entnahme hinauslaufe, dann wäre schon ein Teil erledigt. Wenn es so gewesen sei, dann sei sicher das die Idee gewesen. (Auf Frage nach Ergänzungen) Gegenüber ihm und gegenüber seinem Patrouillenkollegen sei er sicher anständig gewesen; bis auf sein auffälliges Verhalten. Aber sie hätten ihn gut «handlen» können. Bei der Hausdurchsuchung sei auch noch die Mutter anwesend gewesen, mit ihr hätten sie es auch gut gehabt. Sonst habe er keine Ergänzungen.
2.1.3.5. G.___ (OGer 134 ff.): (Auf Frage, ob er sich noch erinnern könne, was am 21.10.2021 passiert sei) Vage. Praktisch nicht mehr, nein. (Auf Frage, ob er – soweit er sich erinnern könne – beschreiben könne, was passiert sei) Er wisse noch, dass er mit Herrn F.___ unterwegs gewesen sei. Sie seien zum Bahnhof gefahren. Das Signalement sei ihnen schon auf dem Fahrweg gemeldet worden – irgendetwas mit kniehohen roten Socken. Das sei ihm noch geblieben: Dass dort irgendeine Person mit kniehohen roten Socken Velos knacke. Das sei noch in etwa alles. Sie hätten A.___ angehalten mit solchen Socken, und im Rucksack sei noch eine Trennscheibe zum Vorschein gekommen. Mehr wisse er effektiv nicht mehr. (Auf Frage, ob er sich erinnern könne, welchen Eindruck der Beschuldigte auf ihn gemacht habe) Nein. (Auf Frage, ob er sich erinnern könne, wie er sich verhalten habe während der Kontrolle) Das wisse er auch nicht mehr, nein.
2.2. Verwertbarkeit der Einvernahmen
2.2.1. Nach den Verfahrensgarantien von Art 29 Abs. 2 BV, Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK hat der Beschuldigte als Teilgehalt des Rechts auf ein faires Verfahren Anspruch darauf, dem Belastungszeugen Fragen zu stellen. Aussagen von Zeugen und Auskunftspersonen dürfen in der Regel nur nach erfolgter Konfrontation zum Nachteil eines Angeschuldigten verwendet werden. Dem Anspruch, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, kommt insofern grundsätzlich ein absoluter Charakter zu. Er erfährt in der Praxis aber eine gewisse Relativierung. Er gilt uneingeschränkt nur, wenn dem streitigen Zeugnis alleinige ausschlaggebende Bedeutung zukommt, dieses also den einzigen einen wesentlichen Beweis darstellt (BGE 131 I 476 E. 2.2. S. 481 mit Hinweis auf BGE 129 I 151 E. 3.1 m.w.Verw.).
2.2.2. Anlässlich des mündlichen Parteivortrags bringt die Verteidigung vor, die Einvernahmen der Zeugen C.___, D.___, E.___, F.___ und G.___ seien nicht verwertbar und dürften daher für die Beweiswürdigung nicht verwendet werden. Im Zeitpunkt, als die Auskunftspersonen im November 2021 polizeilich befragt worden seien, seien die Einvernahmen unter Missachtung der Teilnahmerechte des Beschuldigten erfolgt. Die Befragungen seien zwar vor dem Berufungsgericht nachgeholt worden; da sich die Befragungen der Zeugen jedoch allesamt auf die im November 2021 vor der Polizei gemachten Angaben bezogen hätten resp. diese den Zeugen direkt vorgehalten worden seien, seien die vor Obergericht gemachten Angaben unverwertbar. Eine Verurteilung des Beschuldigten wegen versuchten Diebstahls könne vor diesem Hintergrund nicht erfolgen.
2.2.3. Diese Rüge der Verteidigung geht fehl. Wie die Verteidigung selbst festhält, wurden sämtliche Einvernahmen der bislang einzig polizeilich einvernommenen Auskunftspersonen C.___, D.___ und E.___ anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung wiederholt. Darüber hinausgehend wurden – im Gegensatz zum bisherigen Vorverfahren – neu auch die Zeugen F.___ und G.___ als am Tattag im Einsatz stehende Polizisten befragt. Sowohl die Verteidigung wie auch der Beschuldigte haben an der Berufungsverhandlung vom 17. Juli 2024 und damit an der Befragung der Zeugen teilgenommen. Es wäre ihnen unbenommen gewesen – wie es bspw. hinsichtlich der Zeugin D.___ denn auch gemacht wurde – Anschlussfragen zu stellen und das von den Zeugen Ausgesagte in Zweifel zu ziehen. Das Konfrontationsrecht gemäss BV und EMRK wurde somit rechtsgenüglich gewährt.
Das Argument der Verteidigung, den Zeugen C.___, D.___ und E.___ seien die anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahmen gemachten Angaben vorgehalten worden, womit die gemachten Angaben unverwertbar seien, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Bevor die Zeugen ihre Angaben tätigten, wurden sie von der Vorsitzenden ohne konkrete Fragestellung gebeten, zu schildern, was ihrer Erinnerung nach am 21. Oktober 2021 am RBS-Bahnhof in [Ort 1] geschehen sei. Die Zeugen konnten ihre wesentlichen Angaben somit ohne jegliche einschränkende Fragestellung deponieren. Und alle Zeugen deponierten von sich aus, ohne entsprechende Vorhaltung der Vorsitzenden, wie der Beschuldigte sich eines Winkelschleifers behändigt habe und neben das betroffene Velo gekniet sei, um das am Velo befindliche Zahlenschloss aufzuschneiden. Inwiefern aus diesen freien Angaben eine allfällige Unverwertbarkeit folgen sollte, einzig weil für die konkreten Nachfragen auf das vorher Gesagte und teilweise auch auf die bereits im November 2021 vor der Polizei gemachten Angaben verwiesen wurde, wie dies die Verteidigung geltend machen will, ist nicht ersichtlich. Die sich in den Akten befindlichen Einvernahmen sind damit allesamt verwertbar.
2.3. Beweiswürdigung
2.3.1. Die Zeugen C.___, D.___ und E.___ gaben sowohl anlässlich ihrer jeweiligen polizeilichen Einvernahmen im Vorverfahren wie auch anlässlich der Zeugenbefragung in der Berufungsverhandlung im Wesentlichen übereinstimmend zu Protokoll, sie hätten sich am Bahnhof befunden, als ihnen der Beschuldigte aufgefallen sei. Dieser habe mit roten Kniesocken und einer Skibrille sehr auffällige Kleider getragen. Der Beschuldigte sei mit einem Kollegen unterwegs gewesen. Er habe in der Nähe der Fahrradständer angehalten, habe aus dem Rucksack seines Kollegen einen Winkelschleifer (eine «Flex») herausgenommen, habe sich einem abgeschlossenen, hochwertigen, teuer aussehenden Mountainbike genähert, habe sich neben das Velo gekniet und sei daraufhin vom Zeugen E.___ angesprochen worden, was er denn da tun wolle. Dies, weil sie alle das Gefühl gehabt hätten, der Beschuldigte wolle das Fahrrad stehlen. Die Zeugen hatten das Gefühl, die Situation sei «komisch» gewesen, weil der Beschuldigte und das Velo «einfach nicht zusammengepasst hätten». Als der Beschuldigte vom Zeugen E.___ angesprochen worden sei, habe er «aggressiv» reagiert und sei «verruckt» geworden, insbesondere, als er darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass die Polizei gerufen werde. Der Beschuldigte habe gegenüber den Auskunftspersonen angegeben, das betroffene Velo gehöre ihm selber, er habe nur den Schlüssel dazu verloren. Dies habe für die Zeugen jedoch nicht zusammengepasst. Alle drei Zeugen erinnerten sich klar, dass es sich bei dem am Fahrrad angebrachten Schloss um ein Zahlenschloss gehandelt habe, welches gar keinen Schlüssel benötigt habe.
Diese Aussagen sind als glaubhaft einzustufen. Der Ablauf der Geschehnisse wird von allen Anwesenden grundsätzlich gleich geschildert, was insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Zeuge C.___ und die Zeugen D.___ und E.___ vorher nicht kannten, noch mehr Gewicht erhält. Bei den Zeugen C.___, D.___ und E.___ handelt es sich um unbeteiligte Passanten, die zufällig vor Ort waren, als der Beschuldigte mit seinem Kollegen eintraf. Sie beobachteten die Situation, griffen ein, als der Beschuldigte ihrer Meinung nach den mitgeführten Winkelschleifer starten wollte, und riefen schliesslich die Polizei. Ein Motiv für eine Falschbeschuldigung ist nicht ersichtlich. Die Aussagen der Zeugen sind – wenn sie sich auch nach rund drei Jahren nicht mehr im Detail an das Geschehene erinnern können – im Grundsatz sehr detailliert und sie enthalten eine Vielzahl von Realkennzeichen. Neben dem Aussehen des Beschuldigten, seiner Kleidung und seinem Verhalten werden Abläufe, Gedanken, aber auch Gesprächsinhalte geschildert. Weiter sind teilweise Entlastungen enthalten (bspw. wurde der Beschuldigte «nur» verbal aggressiv, nicht körperlich bspw. hat er das betroffene Fahrrad das Schloss nicht beschädigt). Erinnerungslücken wurden offen zugestanden. Die Differenzen im Ablauf (bspw., wann der Beschuldigte zu welchem Velo gegangen ist wo der Kollege im Tatzeitpunkt genau stand) betreffen dagegen einzig unerhebliche Nebensächlichkeiten und vermögen die Aussagen der Zeugen nicht in Zweifel zu ziehen. Diese wurden denn auch gegenüber den anwesenden Polizisten entsprechend bestätigt (s. diesbezüglich die Einvernahme des Polizisten F.___ anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 17.07.2024).
2.3.2. Weiter ist festzustellen, dass die Angaben der Zeugen sich mit den in den Akten befindlichen objektiven Beweismitteln decken: Im vom Beschuldigten mitgeführten schwarzen Rucksack, welcher anlässlich der Effektenkontrolle gemeinsam durch die Polizei Kanton Solothurn und Polizei Stadt Solothurn kontrolliert worden war, haben sich u.a. die von den Zeugen beschriebenen Gegenstände wie der Winkelschleifer und die Skibrille befunden (Fotografische Aufnahme Nr. 4 zur Strafanzeige vom 08.01.2022 in den unpaginierten Akten der Staatsanwaltschaft). Gemäss den sich in den Akten befindlichen Fotografien (a.a.O., Foto Nr. 1) handelte es sich beim vom Beschuldigten angeblich angegangenen Fahrrad um ein Mountainbike der Marke BMC, konkret um ein Mountainbike BMC trailfox tf03 2014 (s. bspw. https://bmc-switzerland.com/de/collections/bike-archive-mountain/products/trailfox-tf03-slx-bikes-bmc-14a-000077, letztmals besucht am 17.07.2024). Dabei handelt es sich um ein technisch hochwertiges Fahrrad, welches im Tatzeitpunkt zwar rund sieben Jahre alt war, sich gemäss Foto aber in einem (mindestens) guten Zustand befunden hat. Mit Blick darauf, dass dieses Fahrrad im Neupreis über mehrere Tausend Franken gekostet hat, ist ohne Weiteres von einem hohen Wert des Fahrrads auszugehen. Der von den Zeugen geschilderte Zustand des Fahrrades, welches scheinbar im deutlichen Widerspruch zum Aussehen des Beschuldigten und zu dessen Kleidern stand, ist damit ebenfalls glaubhaft dargelegt. Den sich in den Akten befindlichen Fotografien (a.a.O., Foto Nr. 1) lässt sich weiter entnehmen, dass es sich beim Schloss, welches am betroffenen Mountainbike der Marke BMC befunden hat, tatsächlich um ein Zahlenschloss handelte, wie dies die drei Zeugen C.___, D.___ und E.___ übereinstimmend zu Protokoll gegeben haben. Dass es sich dabei um ein Zahlenschloss und nicht um ein «Kombischloss» gehandelt hat, wie dies der Beschuldigte gegenüber den Auskunftspersonen erwähnt haben soll, erschliesst sich denn auch übrigens bereits daraus, dass im Handel einzig «Kombischlösser» erhältlich sind, bei denen eine Art Schlüssel verwendet werden muss, um die einmal festgelegte Zahlenkombination wieder zu ändern. Ein eigentliches Kombischloss in dem Sinne, indem für jedes Öffnen des Schlosses sowohl eine Zahlenkombination eingegeben als auch ein Schlüssel verwendet werden muss, ist auf dem Markt gar nicht erhältlich. Die entsprechende Aussage des Beschuldigten gegenüber den Auskunftspersonen müsste vor diesem Hintergrund somit, würde sie denn überhaupt in die Würdigung der gemachten Aussagen mit einbezogen werden, ohnehin als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass das Mountainbike BMC und insbesondere das zugehörige Schloss gemäss übereinstimmenden Angaben aller Auskunftspersonen und auch gemäss den sich in den Akten befindlichen Fotografien unversehrt geblieben sind und das Fahrrad nicht fortbewegt wurde (Ziff. 2.4., US 9, 1. Abschnitt). Dies deckt sich mit den Angaben der Zeugen, wonach der Zeuge E.___ noch rechtzeitig eingeschritten ist.
2.3.3. Der Beschuldigte machte während des gesamten Verfahrens von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, weshalb keine Aussagen zu seinen Gunsten Ungunsten gewürdigt werden können.
2.3.4. Es gilt demnach folgender Sachverhalt als erstellt: Am 21. Oktober 2021, zwischen 17:00 Uhr und 17:12 Uhr, näherte sich der Beschuldigte zusammen mit einem unbekannten Kollegen beim RBS-Bahnhof in [Ort 1] dem Veloständer und den dort abgestellten Fahrrädern. Er behändigte aus dem Rucksack seines Kollegen einen darin aufbewahrten rot-schwarzen Winkelschleifer. Mit dem Winkelschleifer in der Hand näherte sich der Beschuldigte einem hochwertigen, sich in einem (mindestens) guten Zustand befindlichen Mountainbike der Marke BMC, welches mit einem Zahlenschloss gesichert war, kniete sich neben das Fahrzeug hin und beabsichtigte, mit dem Winkelschleifer das am Fahrrad angebrachte Zahlenschloss aufzutrennen. Bevor er den Winkelschleifer starten konnte, wurde der Beschuldigte durch die Auskunftsperson E.___ angesprochen und er wurde gefragt, was er da mache. Weil die Auskunftsperson E.___ sich mit der Antwort des Beschuldigten, es handle sich um sein eigenes Velo, zu dem er den Schlüssel verloren habe, nicht zufriedengeben konnte – es handelte sich um ein Zahlenschloss, welches keinen Schlüssel benötigte –, wies dieser den Beschuldigten darauf hin, dass die Polizei gerufen werde. Der Beschuldigte wurde daraufhin wütend, sprach noch ein paar Worte mit den Anwesenden und verliess dann aber den Bahnhof. Dies, bevor er noch einmal an den Bahnhof zurückgekehrt ist und von den beiden inzwischen eingetroffenen Polizisten F.___ und G.___ angehalten und zwecks weiterer Kontrolle auf den Regionenposten [Ort 1] verbracht wurde.
Der Sachverhalt, wie er im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 4. Februar 2022 umschrieben ist, ist demnach erstellt. Wie dieses Verhalten rechtlich zu würdigen sein wird, ist nachfolgend unter Ziff. VI. auszuführen.
3. Geringfügiger Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 172ter StGB, Ziff. 1.3. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
3.1. Beweismittel
Betreffend die Beweismittel ist auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in ihrem Urteil vom 24. April 2023 (Ziff. 4, US 12 f.) betreffend die Strafanzeige der Polizei Stadt Solothurn vom 16. Dezember 2021, das Formular der [Verkaufsgeschäft 2] mit dem Titel «Erklärung» sowie die (fehlenden) Angaben des Beschuldigten zu verweisen. Diese finden vollumfänglich ihre Stütze in den Akten, weswegen auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichtet wird.
3.2. Beweiswürdigung und massgebender Sachverhalt
3.2.1. Der Strafanzeige vom 16. Dezember 2021 lässt sich Folgendes entnehmen: Am Donnerstag, 2. Dezember 2021, 10:47 Uhr, avisierte ein Herr [I.___] telefonisch die [Polizei] [Ort 1] mit der Meldung: «Wir halten einen Ladendieb zurück.» Die gestützt auf diese Meldung ausgerückte Patrouille stellte fest, dass der Ladendetektiv mit dem mutmasslichen Ladendieb (dem Beschuldigten) im Büro des Verkaufslokals auf die Polizei gewartet habe. Er (der Ladendetektiv) habe ausgesagt, dass er den Beschuldigten vor dem Verkaufslokal angehalten habe, wobei dieser sich vor ihm nicht habe ausweisen wollen. Aussagen habe der Beschuldigte keine machen wollen (s. diesbezüglich die Strafanzeige in den Akten der Staatsanwaltschaft, unpaginiert).
3.2.2. In der Erklärung der [Verkaufsgeschäft 2] vom 2. Dezember 2021 bestätigte der Ladendetektiv unterschriftlich, dass er beobachtet habe, wie der Kunde die Ware (2x Innocent Citrus Shield) im Wert von total CHF 9.90 vom Regal genommen und in seine Tasche gesteckt habe. Diese Artikel habe er an der Kasse nicht vorgewiesen, weswegen er ihn draussen angehalten habe (s. die Akten der Staatsanwaltschaft, unpaginiert).
3.2.3. Für die Dauer des Untersuchungsverfahrens, anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sowie anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung verzichtete der Beschuldigte darauf, eigene Angaben zur Sache zu machen.
3.2.4. Anlässlich des Parteivortrags bringt der Beschuldigte nichts Spezifisches zur näheren Begründung der Anschlussberufung mehr vor (s. diesbezüglich die durch die Gerichtsschreiberin erstellten Plädoyernotizen in OGer 147 ff.).
3.2.5. Zusammenfassend ist demnach auf die durch die Strafanzeige der Polizei Kanton Solothurn festgestellten und die in der Erklärung der [Verkaufsgeschäft] festgehaltenen Umstände zu verweisen. Nicht ersichtlich ist, inwiefern die unterschriftlich bestätigten Angaben des Ladendetektivs, welcher kein Motiv hat, den Beschuldigten zu Unrecht zu belasten, nicht den Gegebenheiten entsprechen sollten. In der Folge ist vollumfänglich auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer sowie die Ausführungen der ersten Instanz in ihrem Urteil zu verweisen (Ziff. 4.4., US 13). Der Beschuldigte hat am 2. Dezember 2021 um 10:45 Uhr in [Ort 1], [Adresse], [Verkaufsgeschäft], zwei Flaschen Innocent Citrus im Gesamtwert von CHF 9.90 in seine Tasche gesteckt und hat das Verkaufsgeschäft verlassen, ohne die Ware zu bezahlen. Der Sachverhalt gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 4. Februar 2022 ist erstellt.
4. Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Ziff. 1.4. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
4.1. Beweismittel
Es ist auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in ihrem Urteil vom 24. April 2023 (Ziff. 5, US 13 f.) betreffend die Strafanzeige der Polizei Kanton Solothurn vom 8. Januar 2022 und das Polizeiprotokoll bei Verdacht auf Fahrunfähigkeit vom 21. Oktober 2021 sowie den Drogenschnelltest zu verweisen. Diese finden ihre Stütze vollumfänglich in den Akten, weswegen auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichtet wird.
Ergänzend dazu sind das Protokoll der Blutentnahme bei ärztlicher Untersuchung bei Verdacht auf Betäubungsmittelkonsum des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern (IRM) vom 25. Oktober 2021 und der forensisch-toxikologische Abschlussbericht des IRM vom 6. Dezember 2021 zu erwähnen. Gemäss jenen Dokumenten wurden dem Beschuldigten am 21. Oktober 2021 um 19.35 Uhr 7 g «Venenblut Hep.» und 7 g «Venenblut KF» sowie um 19:52 Uhr «Urin 30 g» entnommen, wobei die Auswertung positiv auf Kokain ausfiel. Insgesamt wurde u.a. ein Wert von 290 µg / L Benzoylecgonin (Abbauprodukt von Kokain) ermittelt.
4.2. Verwertbarkeit der Beweismittel
4.2.1. Allgemeine Ausführungen zur Verwertbarkeit
Im Strafverfahren gilt generell der Grundsatz der Formenstrenge. Danach können Strafverfahren nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen durchgeführt und abgeschlossen werden (Art. 2 Abs. 2 StPO). Das Gericht muss gewisse verfahrensrechtliche Regeln einhalten, um ein faires Verfahren zu garantieren. Ziel des Grundsatzes der Formstrenge ist es, die Justizförmigkeit des Strafverfahrens zu gewährleisten. Die schützenden Förmlichkeiten des Strafverfahrens sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Gewährleistung der Fairness des Verfahrens, indem sie Missbrauch und willkürlich-rechtsungleiche Behandlung ausschliessen und unangemessene Beeinträchtigungen der Verteidigungsrechte verhindern (6B_610/2021 vom 23.08.2021 E. 3.5.1.).
Eine Folge des Grundsatzes der Formstrenge sind die Regeln über die Beweiserhebungsmethoden im Strafverfahren. Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (Art. 141 Abs. 2 StPO). Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar (Art. 141 Abs. 3 StPO). Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, abschliessend die Bestimmungen aufzulisten, die als Gültigkeitsvorschriften respektive als Ordnungsvorschriften zu betrachten sind. Soweit das Gesetz eine Bestimmung nicht selber als Gültigkeitsvorschrift bezeichnet, hat die Praxis die Unterscheidung vorzunehmen, wobei primär auf den Schutzzweck der Norm abzustellen ist. Es ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Fairnessgebotes zu prüfen, ob die Verfahrensvorschrift für die Wahrung der geschützten Interessen der betroffenen Person eine derart erhebliche Bedeutung hat, dass sie ihr Ziel nur erreichen kann, wenn bei Nichtbeachtung der Vorschrift der Beweis unverwertbar ist (6B_1039/2014 vom 24.03.2015 E. 2.3.).
4.2.2. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, in der Strafanzeige vom 8. Januar 2022 seien keine konkreten Gründe bzw. Hinweise aufgeführt, welche auf eine Fahrunfähigkeit des Beschuldigten hätten schliessen lassen können. Dem Polizeiprotokoll bei Verdacht auf Fahrunfähigkeit könne entnommen werden, dass die einzigen Beobachtungen, welche als mögliche Hinweise gewertet werden könnten, das unruhige, angetriebene, unbeherrschte aggressive Verhalten während der Kontrolle und eine überschiessende Reaktion des Beschuldigten gewesen seien. Diese Feststellungen widersprächen jedoch den Ausführungen in der Strafanzeige. Abgesehen von der Tatsache, dass der Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, sei der Strafanzeige mit keinem Wort zu entnehmen, dass es zu Ausfälligkeiten, fehlender Kooperation, verbalen tätlichen Aggressionen seitens des Beschuldigten gekommen sein soll. Insbesondere hätten sowohl der Atemalkohol-, der Drogenschnelltest sowie die anschliessende Urin- und Blutentnahme im [Spital] ohne Weiteres durchgeführt werden können. Ebenso habe der Beschuldigte offenbar ohne Weiteres auf den [Polizeiposten] und in das [Spital] verbracht werden können. Hinzu komme, dass anschliessend eine freiwillige Hausdurchsuchung habe durchgeführt werden können. Gestützt auf diese Ausführungen seien vorliegend keine ausreichenden Hinweise nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung über die Kontrolle des Strassenverkehrs (Strassenverkehrskontrollverordnung, SKV, SR 741.013) ersichtlich, die eine Anordnung eines Drogenschnelltests hätten begründen können. Demnach sei die Anordnung der Polizei, einen Drogenschnelltest durchzuführen, nicht gültig erfolgt, womit das Resultat des Drogenschnelltests und aufgrund des Fernwirkeverbots nach Art. 141 Abs. 3 StPO auch das Resultat der Blutprobe nicht verwertbar sei. Als Folge der Unverwertbarkeit der Testresultate sei der angeklagte Sachverhalt nicht erstellt und der Beschuldigte sei vom Vorhalt der Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes freizusprechen.
Die Verteidigung folgt diesen Ausführungen der Vorinstanz und beantragt weiterhin, den Beschuldigten von Schuld und Strafe freizusprechen.
4.2.3. Bestehen Hinweise dafür, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat, so kann die Polizei zum Nachweis von Betäubungs- Arzneimitteln namentlich im Urin, Speichel Schweiss Vortests durchführen (Art. 10 Abs. 2 SKV).
4.2.4. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in BGE 146 IV 88 E. 1.4.2. und E. 1.5. ist die Schwelle für einen Anfangsverdacht für die Durchführung eines Vortests gemäss Art. 10 Abs. 2 SKV relativ tief anzusetzen. Dabei liess das Bundesgericht in casu bspw. «Nervosität und zunehmendes Aufbrausen» sowie ein «relativ zügiges hastiges Gestikulieren» genügen:
«Nach der Rechtsprechung genügen für die Durchführung eines Vortests nach Art. 10 Abs. 2 SKV bereits geringe Anzeichen für eine durch Betäubungs- Arzneimittel beeinträchtigte Fahrfähigkeit, wie beispielsweise ein blasser Teint und wässrige Augen (BGE 145 IV 50 E. 3.5; Urteil 6B_244/2011 vom 20. Juni 2011 E. 1.4). Das Bundesgericht hat zudem unter Hinweis auf die generalpräventive Regelungsabsicht des Gesetzgebers präzisiert, dass die nach Art. 10 Abs. 2 SKV erforderlichen Hinweise dafür, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat, nicht mit einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO gleichzusetzen sind und die Polizei im Rahmen ihrer sicherheitspolizeilichen Tätigkeit befugt ist, einen Vortest nach Art. 10 Abs. 2 SKV anzuordnen. Je nach den konkreten Umständen und dem Ergebnis des Vortests kann indes ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO vorliegen, welcher zu einer nach Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO durch die Staatsanwaltschaft anzuordnenden Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit aufgrund des Verdachts einer Widerhandlung gegen das SVG führen kann (BGE 145 IV 50 E. 3.5).»
4.2.5. Es ist unbestritten, dass der Beschuldigte nach Eintreffen der Polizeipatrouille am RBS-Bahnhof mit einem schwarzen Mountainbike fuhr. Für die Beweiswürdigung ist sodann festzuhalten, dass die Auskunftsperson E.___ im Rahmen der polizeilichen Einvernahme vom 2. November 2021 davon gesprochen hat, dass es zu einem «Umeschreie» des Beschuldigten mit seinem Kollegen gekommen sei. Es ist weiter festzustellen, dass die Auskunftsperson D.___ im Rahmen ihrer polizeilichen Einvernahme vom 9. November 2021 zu Protokoll gab, der Typ mit dem schwarzen Pullover (der Beschuldigte) habe auf sie den Eindruck gemacht, als «wäre er nicht ganz hundert, als ob er an einer Party wäre so.» Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Obergericht erinnerte sie sich nicht mehr genau an das Auftreten des Beschuldigten, bestätigte aber, aufgrund dessen Reaktion Angst vor ihm gehabt zu haben. Auch der Zeuge F.___ gab anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung zu Protokoll, der Beschuldigte habe ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt. Auch wenn er gleichzeitig ausführte, er habe den anschliessend durchgeführten Drugwipe unter anderem vor dem Hintergrund einer allfälligen Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft durchgeführt, so bleibt er bei seiner Kernaussage, dass der Beschuldigte solch ein Verhalten an den Tag gelegt habe, dass bei ihm – sinngemäss gesprochen – die Alarmglocken geläutet hätten («Aufpassen! Eigenschutz wahren!»). Die Angaben mehrerer Auskunftspersonen und des Zeugen sind damit im Grundsatz deckungsgleich.
Wenn auch der Strafanzeige vom 8. Januar 2022 keine Angaben dazu zu entnehmen sind, welches Verhalten der Beschuldigte anlässlich der Kontrolle vom 21. Oktober 2021 an den Tag gelegt haben soll resp. in der Strafanzeige nicht explizit erwähnt worden ist, dass dieses in irgendeiner Form auffällig gewesen sein soll, so vermag dies die aktenkundig vermerkten Feststellungen der Auskunftspersonen nicht zu relativieren. Dass die anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung befragten Zeugen sich an das Auftreten des Beschuldigten am Tattag nicht mehr im Detail zu erinnern vermochten, ist infolge Zeitablaufs durchaus nachvollziehbar und vermag die Ausgangslage nicht zu ändern. Immerhin sah sich die Polizeipatrouille veranlasst ein Polizeiprotokoll bei Verdacht auf Fahrunfähigkeit auszufüllen. Als einzig ersichtlichen Grund für das Ausfüllen des Protokolls kommt das von den Zeugen geschilderte auffällige Verhalten des Beschuldigten anlässlich seiner Anhaltung in Frage. Im vom 21. Oktober 2021 datierenden Protokoll wurden in der Rubrik «Beobachtung bei der Person (Alkoholsymptome / Ausfallerscheinungen)» betreffend «Verhalten während der Kontrolle» die Positionen «unruhig, angetrieben», «unbeherrscht, aggressiv» bzw. betreffend «Reaktion»: «überschiessend» angekreuzt. Dies sind alles Symptome, die durchaus auf einen potenziellen Drogenkonsum hindeuten können.
4.2.6. Der Ansicht, wonach keinerlei Hinweise für einen genügenden Anfangsverdacht gemäss Art. 10 Abs. 2 SKV vorgelegen hätten, wie dies die Verteidigung und die Vorinstanz darlegen, kann demnach nicht gefolgt werden. Entgegen der Argumentation der Vorinstanz und entgegen der Argumentation der Verteidigung, wonach die Polizei einen «verdachtsbegründenden» und nicht einen «verdachtserhärtenden» Schnelltest vorgenommen habe, ist demnach von zur Begründung eines Anfangsverdachts genügenden Hinweisen für eine mögliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auszugehen. Damit waren die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 SKV erfüllt. Die Anordnung der Polizei, einen Drogenschnelltest durchzuführen, erfolgte rechtmässig.
4.2.7. Lediglich der Vollständigkeit halber sei Folgendes erwähnt: Gestützt auf das positive Ergebnis des Schnelltests ordnete die Staatsanwaltschaft auf entsprechendes Ersuchen der Polizei hin einen Blut- und Urintest an. In ihrem Protokoll betreffend die durchgeführte Untersuchung (Protokoll der Blutentnahme, der ärztlichen Untersuchung bei Verdacht auf Betäubungs- Arzneimittelkonsum vom 21.10.2021, in den unpaginierten Akten der Staatsanwaltschaft) kreuzte die behandelnde Ärztin Dr. J.___ Folgendes an: Hinsichtlich «Verhalten»: «angetrieben»; hinsichtlich «Beeinträchtigungsgrad»: «leicht». Zusätzlich wurde vermerkt «Strichgang»; «leicht schwankend» bzw. «kratzt sich». Auch diese Feststellungen decken sich mit den Feststellungen gemäss Auskunftspersonen und dem anwesenden Polizisten F.___.
4.2.8. Wurde rechtsgültig ein Drogenschnelltest angeordnet, so ist dessen Ergebnis wie auch das Ergebnis des von der Staatsanwaltschaft gestützt darauf angeordneten Blut- und Urintests verwertbar.
4.3. Beweiswürdigung und massgebender Sachverhalt
Als Folge der Verwertbarkeit der Testresultate ist der angeklagte Sachverhalt gemäss Strafbefehl vom 4. Februar 2022 erstellt. Der Beschuldigte hat demnach – zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 21. Oktober 2021, 17:30 Uhr (Zeit der Feststellung) – vorsätzlich Kokain konsumiert, was zu 290 pg/L Benzoylecgonin (Abbauprodukt von Kokain) führte. Auch dies wird im Rahmen der nachfolgenden rechtlichen Würdigung entsprechend zu berücksichtigen sein.
VI. Rechtliche Würdigung
1. Vorbemerkung
Nach Art. 82 Abs. 4 StPO kann das Gericht im Rechtsmittelverfahren für die tatsächliche (und die rechtliche) Würdigung des angeklagten Sachverhalts aus Gründen der Prozessökonomie auf die Begründung der Vorinstanz verweisen, wenn es dieser beipflichtet. Auf neue tatsächliche rechtliche Vorbringen, die erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden, ist einzugehen. Vom Instrument der Verweisung ist zurückhaltend Gebrauch zu machen, da andernfalls bei der das Rechtsmittel ergreifenden Person der Eindruck entstehen kann, die Rechtsmittelinstanz setze sich mit ihren Vorbringen nicht auseinander (vgl. Nils Stohner, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, zu Art. 82 StPO N 9). Bei strittigen Sachverhalten und Beweiswürdigungen kommt ein Verweis nur dann in Frage, wenn die Rechtsmittelinstanz den vorinstanzlichen Erwägungen vollumfänglich beipflichtet (BGE 141 IV 244 E. 1.2.3., m.w.H.).
2. Versuchter Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, Ziff. 1.1. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
2.1. In Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO kann für die rechtlichen Anforderungen an den Straftatbestand des Diebstahls und des Versuchs dazu auf die zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz in Ziff. 2.3., US 8 f., verwiesen werden.
2.2. Die Vorinstanz erwog, in dubio pro reo sei davon auszugehen, dass das besagte Mountainbike BMC nicht mehr im Gewahrsam von jemandem gestanden habe und der Beschuldigte subjektiv auch von diesem Sachverhalt ausgegangen sei (Lit. C Ziff. 2.4, US 9 f.). Dieser Argumentation folgt auch die Verteidigung, wenn sie vorbringt, es sei nicht bewiesen, dass der Beschuldigte kein Recht an besagtem Fahrrad gehabt habe bzw. es habe überhaupt niemand ein Recht am besagten Mountainbike geltend gemacht.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Bei einem mit einem Schloss gesicherten, entsprechend hochwertigen Fahrrad ist ohne Weiteres von nach wie vor bestehendem Gewahrsam, d.h. der bestehenden Herrschaftsmacht und dem Herrschaftswillen des rechtmässigen Eigentümers, auszugehen. Unerheblich ist, ob der rechtmässige Eigentümer in persona bekannt ist (s. diesbezüglich auch die Strafanzeige, gemäss welcher der Eigentümer nicht ermittelt werden konnte). Mit dem Abschliessen des Fahrrades hat der Betroffene seinen Herrschaftswillen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Auch an einem öffentlichen Ort wie einem Bahnhof bleibt die Herrschaftsmacht bei einem abgeschlossenen Gegenstand bestehen, selbst wenn sich – wie vorliegend – der Gewahrsamsinhaber vom Gegenstand entfernt. Dies musste auch dem Beschuldigten klar sein. Im Übrigen entspricht es nur der Natur der Sache, dass sich ein Fahrradeigentümer nicht bei der Polizei meldet, wenn an seinem Fahrrad keine Beeinträchtigungen erfolgt sind resp. er mangels Beeinträchtigung gar keine Kenntnis vom Vorfall hat nehmen können. Zum Ganzen kann denn auch vollumfänglich auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrem Parteivortrag verwiesen werden.
2.3. Bringt die Verteidigung vor, es sei nicht nachgewiesen, ob der Beschuldigte das Fahrrad nicht nur zum Gebrauch habe entwenden wollen, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Gemäss übereinstimmenden Angaben der Zeugen C.___, D.___ und E.___ kam der Beschuldigte zunächst mit einem weissen Fahrrad zum Bahnhof, bevor er – zwischenzeitlich entfernt – mit einem schwarzen Fahrrad wieder zurückgekehrt ist. Es ist erstellt, dass der Beschuldigte versuchte, ein drittes, mit einem Zahlenschloss gesichertes Fahrrad mit einem Winkelschleifer gewaltsam zu entsichern. Unter diesen Umständen erscheint lebensfremd, dass der Beschuldigte nicht einfach ein unabgeschlossenes, altes Fahrrad nehmen wollte, sondern ein drittes Fahrrad – das darüber hinaus auch noch abgeschlossen war und welches er gewaltsam mit einem Winkelschleifer hätte aufbrechen müssen – und dies nur zum (eigenen) Gebrauch. Vielmehr hat als erstellt zu gelten, dass der Beschuldigte wissentlich und willentlich den Gewahrsam des unbekannten Eigentümers brechen, sich das Fahrrad aneignen, damit neuen Gewahrsam begründen und sich damit bereichern wollte.
2.4. Auch das Argument der Verteidigung hinsichtlich des point of no return geht fehl. Auch wenn der Beschuldigte den Winkelschleifer letztlich nicht in Gang gesetzt hat und das Schloss folglich nicht aufgebrochen hat, so ist festzustellen, dass dies einzig aufgrund der Intervention eines Passanten geschah. Der Beschuldigte hat sich des Winkelschleifers behändigt, hat sich damit neben das Fahrrad gekniet und war – mit der Skibrille als Schutz auf der Stirn – im Begriff, den Winkelschleifer am Zahlenschloss anzusetzen, um dieses aufzubrechen. Für Aussenstehende war das Verhalten des Beschuldigten derart offensichtlich und nur in einer Weise zu interpretieren, als dass sie sich zum Eingreifen veranlasst sahen. Das Stadium der Versuchshandlungen war in diesem Zeitpunkt bereits überschritten; mit der Ausführung der Tathandlung hatte der Beschuldigte bereits begonnen.
2.5. Gestützt auf den erstellten Sachverhalt und die eben gemachten Ausführungen ist demnach davon auszugehen, dass der Beschuldigte versucht hat, das sich am Mountainbike BMC befindliche Zahlenschloss mit einem Winkelschleifer aufzutrennen und sich das Fahrrad unrechtmässig anzueignen. Dass es nicht zu einem vollendeten, sondern einzig zu einem versuchten Diebstahl gekommen ist, ist wie bereits erwähnt einzig und alleine der Intervention des Zeugen E.___ geschuldet, der den Beschuldigten direkt angesprochen und auch nicht locker gelassen hat, als dieser ihn mit einer Ausrede abwiegeln wollte. Der Beschuldigte hat sich demnach des versuchten Diebstahls i.S.v. Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
3. Geringfügiger Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 172ter StGB, Ziff. 1.3. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
3.1. Für die rechtlichen Grundlagen des Straftatbestandes des Diebstahls sowie der Voraussetzung der Geringfügigkeit ist auch hier auf die zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz zu verweisen (Ziff. 4.3., US 12 f.).
3.2. Gemäss vorstehendem Beweisergebnis (Ziff. V. / Ziff. 3.2.5.) ist erstellt, dass der Beschuldigte am 2. Dezember 2021 um 10:45 Uhr in [Ort 1], [Adresse], [Verkaufsgeschäft 2], zwei Flaschen Innocent Citrus im Gesamtwert von CHF 9.90 in seine Tasche steckte und das Verkaufsgeschäft verliess, ohne die Ware zu bezahlen. Mit diesem Verhalten verwirklichte der Beschuldigte den Tatbestand des geringfügigen Diebstahls in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht. Insbesondere handelte der Beschuldigte in unrechtmässiger Bereicherungs- und Aneignungsabsicht. Der Beschuldigte ist demnach des geringfügigen Diebstahls schuldig zu sprechen. Ein gültiger Strafantrag liegt vor (s. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_295/2020 vom 22.07.2020 E. 1.6.1 f.). 4. Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Ziff. 1.4. des Strafbefehls vom 04.02.2022)
4.1. Gemäss Art. 19a Ziff. 1 BetmG wird mit Busse bestraft, wer Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht.
4.2. Gemäss vorstehendem Beweisergebnis (Ziff. V. / Ziff. 4.2.7) ist erstellt, dass der Beschuldigte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 21. Oktober 2021, 17:30 Uhr (Zeit der Feststellung) unbefugt und vorsätzlich Kokain konsumiert hat, was zu 290 pg/L Benzoylecgonin (Abbauprodukt von Kokain) führte. Damit hat er sich der Übertretung des BetmG gemäss Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig gemacht.
VII. Strafzumessung
1. Allgemeines
1.1. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden.
Nach Art. 47 Abs. 1 StGB ist – wie schon unter dem früheren bis Ende 2006 geltenden Art. 63 aStGB – die Strafe nach dem Verschulden zuzumessen. Zu berücksichtigen sind dabei auch das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Art. 47 Abs. 2 StGB umschreibt das Verschulden näher. Dieses wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts und nach der Verwerflichkeit des Handelns (objektive Tatschwere) sowie den Beweggründen und Zielen des Täters und danach bestimmt, wieweit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (subjektive Tatschwere). Vergleichbare Kriterien – Ausmass des verschuldeten Erfolgs, Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs, Willensrichtung und Beweggründe – hatten Lehre und Rechtsprechung schon unter dem früher geltenden Recht entwickelt und unter dem Titel der Tatkomponenten zusammengefasst. Den Täterkomponenten wurden das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse, das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren sowie die Strafempfindlichkeit zugeordnet (vgl. u.a. BGE 117 IV 112 E. 1). Die Strafzumessungskriterien sind demnach grundsätzlich unverändert, die Unterteilung in Tat- und Täterkomponente hat weiterhin Gültigkeit.
1.2. Gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB ist der Täter, der durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt hat, zu der Strafe der schwersten Straftat zu verurteilen und diese ist angemessen zu erhöhen (Asperationsprinzip). Dabei darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöht werden und das Gericht ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
Nach Rechtsprechung und Lehre ist die Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in mehreren Schritten unter Berücksichtigung der Strafrahmen der in die Strafzumessung einfliessenden einzelnen Tatbestände zu ermitteln. Vorab ist der Strafrahmen der schwersten Straftat zu bestimmen, welche die Einsatzstrafe bildet. Der Täter soll aufgrund mehrfacher Tatbegehung nicht von einer Strafrahmenreduzierung profitieren, weshalb der Strafrahmen für die schwerste Straftat anhand der abstrakten Strafandrohung und nicht der konkret höchsten (verwirkten) Strafe zu bestimmen ist; die Einsatzstrafe für die schwerste Tat kann demnach durchaus niedriger sein als andere im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigende (verwirkte) Einzelstrafen (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 6B_483/2016 vom 30.04.2018 E. 3.5.1). Sodann ist die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Die Einsatzstrafe ist unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Das Gericht hat mithin in einem ersten Schritt gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen, indem es alle diesbezüglichen straferhöhenden und strafmindernden Umstände berücksichtigt. In einem zweiten Schritt hat es die Strafe zu erhöhen, um die weiteren Delikte zu sanktionieren. Auch insoweit muss es den jeweiligen Umständen Rechnung tragen (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 6B_42/2016 vom 26.05.2016 E. 5.1). Das Gericht kann eine Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB aber nur aussprechen, wenn es im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss auf die gleiche Strafart erkennt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen vorsehen, genügt nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_157/2014 vom 26.01.2015 E. 2.2).
1.3. Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 49 Abs. 2 StGB).
Wie bei Art. 49 Abs. 1 StGB ist die Bildung einer Zusatzstrafe nur bei gleichartigen Strafen möglich (BGE 137 IV 58). Für die Frage der Gleichartigkeit bei der retrospektiven Konkurrenz ist entsprechend nicht die gesetzliche Strafandrohung, sondern allein die konkret verwirkte Grundstrafe massgebend, da diese bereits rechtskräftig ausgesprochen wurde. Ein Täter ist im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB «verurteilt», wenn das Urteil in erster Instanz verkündet ist, vorausgesetzt, es erwächst später in Rechtskraft (BGE 109 IV 89, 102 IV 244). Dem Entscheid BGE 109 IV 90 E. 2d) des Bundesgerichtes kann das Vorgehen bei der Bestimmung der Zusatzstrafe entnommen werden. So hat das Gericht sich vorerst zu fragen, welche Strafe es im Falle einer gleichzeitigen Verurteilung in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB ausgesprochen hätte. Ausgehend von dieser hypothetischen Gesamtbewertung muss es anschliessend unter Beachtung der rechtskräftigen Grundstrafe die Zusatzstrafe bemessen (zum Ganzen: Stefan Trechsel/Martin Seelmann: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Auflage, 2021, Art. 49 N 13 f., mit Hinweisen).
1.4. Das Gericht ist bei der Begründung der Strafzumessung gehalten, die hierfür erheblichen Umstände festzuhalten und zu gewichten (Art. 50 StGB). Das Bundesgericht verlangt gemäss gefestigter Praxis zwar nicht, dass das Gericht in absoluten Zahlen in Prozenten angibt, inwieweit es bestimmte strafzumessungsrelevante Tatsachen straferhöhend strafmindernd berücksichtigt hat. Ebenso wenig wird die Bezifferung einer Einsatzstrafe gefordert, die es bei Fehlen bestimmter Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründen sowie anderer gewichtiger Faktoren ausgefällt hätte (BGE 121 IV 56; BGE 127 IV 105). Wo es indessen – insbesondere mit der Anwendung des Asperationsprinzips – nicht möglich ist, ohne Angaben der Höhe der jeweiligen Strafen in Zahlen mit der nötigen Klarheit die für die Strafzumessung massgeblichen Gesichtspunkte und ihre Gewichtung darzustellen, muss ausnahmsweise eine Einsatzstrafe angegeben werden; es muss also mit Zahlenangaben operiert werden, damit sich überprüfen lässt, ob die Strafzumessung mit dem Bundesrecht in Einklang steht (BGE 118 IV 121; Urteil des Bundesgerichts 6B_579/2008 vom 27. Dezember 2008 E. 4.4).
Das Bundesgericht drängt vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts 6B_1096/2010 vom 07.07.2011 E. 4.2, 6B_1048/2010 vom 06.06.2011 E. 3.2, 6B_763/2010 vom 26.04.2011 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung des (subjektiven) Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen, etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 - 15 Jahren (bei leichter Tatschwere 5 - 10 Jahre und in schweren Fällen 15 - 20 Jahre). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten Strafzumessungsverlauf in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).
1.5. Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuches stellt eine Vielzahl von Sanktionen und Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Sanktionen zur Verfügung. Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich, auf welche Art und Weise die Wahl der angemessenen Strafe zu erfolgen hat. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten hierfür die gleichen Regeln wie bei der Strafzumessung, namentlich das Gewicht der Tat und das Verschulden des Täters (vgl. BGE 120 IV 67). Weiter ist bei der Wahl der Sanktionsart als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen.
2. Konkrete Strafzumessung
2.1. Der Beschuldigte wurde mit rechtskräftigem Urteil des [Gerichtspräsidiums] vom 26. April 2022 wegen Führens eines Motorfahrzeugs mit verfallenem Führerausweis auf Probe i.S. des Strassenverkehrsgesetzes (mehrfache Begehung) zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu CHF 10.00 verurteilt; dies unter Anrechnung von 38 Tagen Haft. Sämtliche heute zu beurteilenden Delikte, begangen am 21. Oktober 2021 (versuchter Diebstahl und Übertretung des BetmG) und begangen am 2. Dezember 2021 (geringfügiger Diebstahl), hat der Beschuldigte somit vor diesem Zeitpunkt verübt.
Wie nachfolgend darzulegen sein wird, rechtfertigt sich aufgrund des nur geringen Verschuldens beim versuchten Diebstahl i.S.v. Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB keine Ausfällung einer Freiheitsstrafe, sondern einzig die Ausfällung einer Geldstrafe.
Ist eine Geldstrafe auszufällen, so ist diese als Zusatzstrafe zum Urteil des [Gerichtspräsidiums] vom 26. April 2022 auszusprechen.
2.1.1. Ist eine Zusatzstrafe auszusprechen, hat sich das Gericht zuerst zu fragen, welche Strafe es im Falle einer gleichzeitigen Verurteilung in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB ausgesprochen hätte. Dafür ist zunächst die schwerste Tat zu bestimmen und dafür eine Einsatzstrafe festzulegen.
2.1.1.1. Werden die abstrakten Strafrahmen der zu beurteilenden Delikte des versuchten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), des geringfügigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB), der Übertretung des BetmG (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) und des Führens eines Motorfahrzeugs mit verfallenem Führerausweis auf Probe im Sinne des Strassenverkehrsgesetzes (Art. 95 Abs. 1 lit. c Strassenverkehrsgesetz [SVG], SR 741.01) miteinander verglichen, so ist festzustellen, dass der versuchte Diebstahl als schwerste Tat zu qualifizieren ist. Dieser wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren Geldstrafe geahndet.
2.1.1.2. Zur objektiven Tatschwere des versuchten Diebstahls ist zu erwähnen, dass der Beschuldigte mit seinem Verhalten keine Personen verletzt gefährdet hat. Ebenso hat er keine brachiale Gewalt angewendet und keine Sachbeschädigungen begangen. Vom Beschuldigten geht keine besondere Sozialgefährlichkeit aus. Insgesamt wiegt damit das Verschulden nicht allzu schwer; es bewegt sich um untersten Bereich des Strafrahmens. Zu berücksichtigen ist weiter, dass es lediglich beim Versuch geblieben ist.
2.1.1.3. Zur subjektiven Tatschwere ist auszuführen, dass der Beschuldigte mit direktem Vorsatz gehandelt hat. Des Weiteren sind die Beweggründe des Beschuldigten als rein egoistischer Natur zu bezeichnen. Dem Beschuldigten ging es einzig darum, sich selbst unrechtmässig an einem Fahrrad zu bereichern. Dabei wäre es dem Beschuldigten ein Leichtes gewesen, sich rechtmässig zu verhalten.
2.1.1.4. Unter Berücksichtigung der bereits festgestellten leichten objektiven Tatschwere (mit den Spektra sehr leicht, sehr leicht bis leicht und leicht) ist das Gesamtverschulden im Zusammenhang mit dem versuchten Diebstahl als sehr leicht zu bezeichnen. Die Einsatzstrafe ist auf 30 Tagessätze festzulegen.
2.1.2. Für das mehrfache Führen eines Motorfahrzeugs mit verfallenem Führerausweis auf Probe i.S. des Strassenverkehrsgesetzes i.S.v. Art. 95 Abs. 1 lit. c SVG wurde durch das [Gerichtspräsidium] mit Urteil vom 26. April 2022 eine Sanktion von 100 Tagessätzen als angemessen beurteilt. Dies ist vorliegend zu übernehmen. Unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips ist die Einsatzstrafe deshalb ermessensweise um 70 Tagessätze zu erhöhen.
2.1.3. Von Gesetzes wegen können für den geringfügigen Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB und die Übertretung des BetmG als Sanktion einzig Bussen ausgesprochen werden. Entsprechend ist vorliegend auch die Täterkomponente bereits jetzt zu berücksichtigen; eine weitere Asperation unterbleibt.
Zum Vorleben des Beschuldigten ist festzuhalten, dass dieser gemäss Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister vom 17. Juni 2024 (OGer 063 ff.) bereits mehrfach vorbestraft ist; meist im Bereich von Strassenverkehrsdelikten, einmal u.a. wegen Beschimpfung. Einschlägige Vorstrafen sind keine vorhanden.
Betreffend die persönlichen Verhältnisse ist aufgrund der Wahrnehmung seines Aussageverweigerungsrechts praktisch kaum etwas über den Beschuldigten bekannt.
Zum Verhalten nach den Taten und im Strafverfahren ist zu erwähnen, dass der Beschuldigte sich komplett auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft und damit weder Reue noch Einsicht zeigt. Er wurde noch während des laufenden Strafverfahrens vor dem [Gericht] erneut straffällig mit Taten, die mit dem Strafbefehl vom 4. Februar 2022 geahndet wurden.
Eine besondere Strafempfindlichkeit liegt beim Beschuldigten nicht vor.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl das Vorleben wie auch das Nachtatverhalten zu Ungunsten des Beschuldigten zu werten sind, d.h. die Täterkomponente hat sich straferhöhend auszuwirken. Die hypothetische Einsatzstrafe ist um weitere 10 Tagessätze zu erhöhen.
2.1.4. Ausgehend von dieser hypothetischen Gesamtbewertung muss anschliessend unter Beachtung der rechtskräftigen Grundstrafe die Zusatzstrafe bemessen werden (s. diesbezüglich die vorstehenden theoretischen Ausführungen).
Derzeit ist von insgesamt 110 Tagessätzen Geldstrafe auszugehen. Werden die gemäss Urteil des [Gerichtspräsidiums] vom 26. April 2022 ausgesprochenen, rechtskräftigen 100 Tagessätze Geldstrafe abgezogen, resultiert eine Sanktion von 10 Tagessätzen Geldstrafe.
2.1.5. Es gilt nun, die Höhe der Tagessätze festzulegen.
2.1.5.1. Die Höhe eines Tagessatzes ergibt sich nach Art. 34 Abs. 2 StGB aus den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie dem Existenzminimum. Dabei beträgt ein Tagessatz in der Regel mindestens CHF 30.00 und höchstens CHF 3'000.00. Das Gericht kann den Tagessatz ausnahmsweise bis auf CHF 10.00 senken, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten.
Bei einer hohen Anzahl Tagessätze – namentlich bei Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen – ist eine Reduktion des Nettoeinkommens um 10 bis 30 % angebracht, da mit zunehmender Dauer die wirtschaftliche Bedrängnis und damit das Strafleiden progressiv ansteigt (vgl. u.a. BGE 134 IV 60 E. 6.5.2).
Für die konkrete Berechnung der Tagessatzhöhe kann das von der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) beschlossene «Berechnungsformular Tagessatz» beigezogen werden. Dieses sieht bei den Abzügen vom monatlichen Nettoeinkommen einheitliche Prozentsätze vor, die im Regelfall zur Anwendung gelangen (Pauschalabzug von 20 % – 30 % je nach Einkommen für Krankenkasse und Steuern sowie Unterstützungsabzüge von 15 % für den nicht erwerbstätigen Ehegatten, von 15 % für das erste Kind, von 12,5 % für das zweite Kind und von 10 % für das dritte und jedes weitere Kind).
2.1.5.2. Den dem Gericht vorliegenden Steuerunterlagen des Beschuldigten ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte über kein Erwerbseinkommen verfügt und er seine Einkünfte einzig aus einer IV-Rente bezieht (OGer 072 ff.). Es rechtfertigt sich daher, die gesetzlich vorgesehene Mindesthöhe von CHF 30.00 zur Anwendung zu bringen. Dass ausnahmsweise eine Tagessatzhöhe von CHF 10.00 anzuwenden wäre, ergibt sich nicht aus den Akten und wird auch nicht geltend gemacht.
2.1.6. Vorliegend ist bei der auszusprechenden Geldstrafe von 10 Tagessätzen die objektive Voraussetzung des bedingten Strafvollzugs erfüllt. In Bezug auf die subjektive Voraussetzung, welche das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraussetzt, ist festzuhalten, dass der Beschuldigte gemäss aktuellen Kenntnissen seit dem 2. Dezember 2021 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dass er sich auf dem Weg der Besserung befindet, wie dies die Verteidigung im Rahmen ihres Parteivortrags vorbringt, scheint demnach glaubhaft. Es rechtfertigt sich, dem Beschuldigten noch einmal die Möglichkeit des bedingten Vollzugs der Geldstrafe zu gewähren.
2.1.7. Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren (Art. 44 Abs. 1 StGB).
Der Beschuldigte ist bereits mehrfach vorbestraft und hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es ihm nicht leicht fällt, sich rechtskonform zu verhalten. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt es sich, die Probezeit etwas länger anzusetzen als das gesetzliche Minimum. Es ist dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu folgen; die Probezeit wird auf drei Jahre festgelegt.
2.1.8. Zusammenfassend ist der Beschuldigte demnach zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 30.00 als Zusatzstrafe zum Urteil des [Gerichtspräsidiums] vom 26. April 2022, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von drei Jahren, zu verurteilen.
2.2. Für den geringfügigen Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter StGB wie auch für die Übertretung nach Art. 19a Ziff. 1 BetmG kann von Gesetzes wegen nur eine Busse ausgesprochen werden.
2.2.1. Hinsichtlich der Busse für die Verurteilung wegen geringfügigen Diebstahls kann die Strafzumessung der Vorinstanz bestätigt werden. Die diesbezügliche Busse beträgt CHF 100.00; ersatzweise Freiheitsstrafe von einem Tag.
2.2.2. Die Übertretung des BetmG ist vorliegend ebenfalls mit einer Busse von CHF 100.00 zu sanktionieren.
2.2.4. Unter Anwendung des Asperationsprinzips resultiert damit eine Gesamtbusse von CHF 150.00, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von zwei Tagen.
VIII. Kosten und Entschädigung
1. Erstinstanzliches Verfahren
1.1. Die erste Instanz hat in Beurteilung der erfolgten Freisprüche und des einen Schuldspruchs die Verfahrenskosten mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'820.00, zu 1/10 (CHF 182.00) dem Beschuldigten und zu 9/10 (CHF 1'638.00) dem Staat auferlegt (vgl. Dispositiv-Ziffer 6 des erstinstanzlichen Urteils). Mit Blick auf den Verfahrensausgang kann diese Kostenverlegung vom Berufungsgericht nicht bestätigt werden. Zufolge der im Berufungsverfahren erfolgten Schuldsprüche in praktisch sämtlichen zur Anklage gebrachten Punkten resp. unter Berücksichtigung des einzigen, bereits rechtskräftigen Freispruchs – der mehrfachen unberechtigten Verwendung eines Fahrrades – sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Beschuldigten zu 90 %, ausmachend CHF 1'638.00, aufzuerlegen. Die anderen 10 %, ausmachend CHF 182.00, gehen zu Lasten des Staates Solothurn.
Es wird festgestellt, dass infolge Verrechnung mit der reduzierten Parteientschädigung von CHF 230.70 (s. Ziff. VIII. / Ziff. 1.3 nachstehend) und der durch den Beschuldigten zu zahlenden Busse von CHF 150.00 (s. Ziff. VII. / Ziff. 2.2.4. vorstehend) die durch den Beschuldigten noch zu bezahlenden erstinstanzlichen Verfahrenskosten sich auf CHF 1'557.30 belaufen.
1.2. Auf das Argument des Beschuldigten, die Kosten seien auf die Staatskasse zu nehmen, da die Staatsanwaltschaft vor der ersten Instanz die Anklage nicht persönlich vertreten hat, ist nicht vertieft einzugehen. Gemäss Art. 337 Abs. 3 und Abs. 4 StPO hat die Staatsanwaltschaft die Anklage im erstinstanzlichen Hauptverfahren nur persönlich zu vertreten, wenn sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr eine freiheitsentziehende Massnahme beantragt wenn die Verfahrensleitung die Staatsanwaltschaft zur persönlichen Teilnahme verpflichtet hat. Dies war beides nicht der Fall. Die Verteidigung hat selbst anerkannt, dass das geltende Recht der Staatsanwaltschaft auch ohne persönliche Teilnahme an der erstinstanzlichen Verhandlung erlaubt, ein Rechtsmittel zu ergreifen. In jenen Fällen eine Kostenverlegung auf den Staat vorzunehmen, ist weder gesetzlich vorgesehen noch vorliegend angezeigt. 1.3. Wird die beschuldigte Person teilweise freigesprochen, hat sie unter anderem Anspruch auf die Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte wurde im erstinstanzlichen Verfahren privat durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, verteidigt. Entsprechend des bei den Verfahrenskosten angewendeten neuen Verteilschlüssels (9/10 Kostentragung Beschuldigter, 1/10 Kostentragung Staat) wird dem Beschuldigten für die Aufwendungen seines Rechtsvertreters eine reduzierte Parteienschädigung von pauschal 1/10 seiner geltend gemachten Honorarnote, ausmachend CHF 230.70 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zugesprochen, zahlbar durch den Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse. Dieser Betrag wird mit der auszusprechenden Busse (s. Ziff. VII. / Ziff. 2.2.4.) und den vorstehend genannten Anteilen an den Verfahrenskosten (s. Ziff. VIII. / Ziff. 1.1. vorstehend) verrechnet, womit durch die Gerichtskasse nichts mehr auszubezahlen ist. 2. Zweitinstanzliches Verfahren 2.1. Die Kosten des Verfahrens sind von den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). 2.2. Im Berufungsverfahren obsiegt die Staatsanwaltschaft in sämtlichen Punkten. Zudem wurde die Anschlussberufung des Beschuldigten vollumfänglich abgewiesen. Der Beschuldigte hat damit die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00, total CHF 2'491.10, zu bezahlen. 2.2.1. In der Urteilsgebühr sind die Kosten des Beschlusses des Obergerichts vom 3. Januar 2024 betreffend Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz bereits berücksichtigt. 2.2.2. Betreffend das Argument der Verteidigung hinsichtlich Kostenverlegung an den Staat wird auf die vorstehenden Ausführungen (Ziff. VIII. / Ziff. 1.2.) verwiesen. 2.3. Infolge vollständigen Unterliegens im Berufungsverfahren wird dem Beschuldigten, vormals privat verteidigt durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, für die Dauer des Berufungsverfahrens bis zum 16. Juli 2024 (Einsetzung als amtlicher Verteidiger) keine Parteientschädigung zugesprochen.
2.4. Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Konrad Jeker, macht in seiner Honorarnote für das Berufungsverfahren seit dem 16. Juli 2024 (Einsetzung als amtlicher Verteidiger) einen Aufwand von 5.67 Stunden geltend. Dies ist nicht zu beanstanden. Hinzuzurechnen sind die Aufwendungen für die Hauptverhandlung (zwei Stunden) sowie die telefonische Urteilseröffnung (eine Stunde).
Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird für das Berufungsverfahren demnach auf CHF 1'780.75 (Honorar CHF 1'647.30 [8.67 Stunden à CHF 190.00), Auslagen CHF 0.00 und MwSt. CHF 133.45) festgesetzt. Sie ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu bezahlen.
Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.
Demnach wird in Anwendung von Art. 34 StGB, Art. 42 Abs. 1 StGB, Art. 44 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, Art. 47 StGB, Art. 49 Abs. 2 StGB, Art. 50 StGB, Art. 106 StGB, Art. 139 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB, Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Art. 135 StPO, Art. 335 ff. StPO, Art. 379 ff. StPO, Art. 398 ff. StPO, Art. 416 ff. StPO, § 146 lit. c Gebührentarif, § 155 Gebührentarif, § 157 Gebührentarif, § 158 Gebührentarif
beschlossen, festgestellt und erkannt:
1. Der Antrag von A.___, das Verfahren sei mangels gültiger Anklage einzustellen, wird abgewiesen.
2. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 lit. b des Urteils des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Solothurn-Lebern vom 24. April 2023 wurde A.___ vom Vorhalt des mehrfachen unberechtigten Verwendens eines Fahrrades, angeblich begangen am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.2. des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft vom 04.02.2022), freigesprochen.
3. A.___ hat sich schuldig gemacht: a. des versuchten Diebstahls, begangen am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziff. 1.1. des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft vom 04.02.2022); b. des geringfügigen Diebstahls, begangen am 2. Dezember 2021 (Vorhalt Ziff. 1.3. des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft vom 04.02.2022); c. der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen vor und festgestellt am 21. Oktober 2021 (Vorhalt Ziffer 1.4. des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft vom 04.02.2022).
4. A.___ wird verurteilt zu a. einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 30.00 als Zusatzstrafe zum Urteil des [Gerichtspräsidiums] vom 26. April 2022, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von drei Jahren; b. einer Busse von CHF 150.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von zwei Tagen.
5. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 4 des Urteils des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Solothurn-Lebern vom 24. April 2023 können (sofern noch nicht erfolgt) folgende im Verfahren gegen A.___ sichergestellten Gegenstände (beide aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) den Berechtigten auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben werden: a. Fahrrad Ghost AMR (Fahrgestell-Nr. […]) schwarz; b. Winkel- / Trennschleifmaschine Einhell TE-AG 18/115 LI rot.
Ohne ein solches Begehren werden die Gegenstände 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft durch die Polizei vernichtet, evtl. verwertet, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt.
6. A.___, damals privat vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird für das erstinstanzliche Verfahren zu Lasten des Staates Solothurn eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 230.70 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen.
Dieser Betrag wird mit der Busse gemäss Ziff. 4 lit. b und den gemäss Ziff. 7 hiernach zu bezahlenden Anteilen an den Verfahrenskosten verrechnet, womit durch die Gerichtskasse nichts mehr auszubezahlen ist.
7. A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'820.00, im Umfang von 90 %, ausmachend CHF 1'638.00, zu bezahlen. Die anderen 10 %, ausmachend CHF 182.00, gehen zu Lasten des Staates Solothurn.
Es wird festgestellt, dass sich infolge Verrechnung mit der reduzierten Parteientschädigung gemäss Ziff. 6 vorstehend die von A.___ noch zu bezahlenden erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf insgesamt CHF 1'557.30 belaufen.
8. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 1'780.75 (Honorar CHF 1'647.30 [8.67 Stunden à CHF 190.00), Auslagen CHF 0.00 und MwSt. CHF 133.45) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu bezahlen.
Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.
9. A.___, vormals privat verteidigt durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird für die Dauer des Berufungsverfahrens bis zum 16. Juli 2024 keine Parteientschädigung zugesprochen.
10. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00, total CHF 2'491.10, zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Die Vizepräsidentin Die Gerichtsschreiberin Marti Schenker |
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