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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2023.50)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2023.50: Verwaltungsgericht

Das Obergericht hat in einem Urteil vom 27. Mai 2024 über den Fall sexueller Handlungen mit Kindern und Pornografie entschieden. Die Anklage richtete sich gegen A.___ und wurde von der Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin B.___, erhoben. A.___ wurde beschuldigt, zwischen November 2012 und Juni 2014 sexuelle Handlungen mit der minderjährigen Privatklägerin durchgeführt zu haben. Es gab umfangreiche Aussagen der Beteiligten, Beweismittel wie Nacktfotos und Chatverläufe sowie ein aussagepsychologisches Gutachten. Das Gericht stellte fest, dass die Handlungen grösstenteils glaubhaft waren, jedoch die genaue Anzahl und Häufigkeit nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Ein Freispruch erfolgte in Bezug auf die zeitliche Einordnung der Handlungen vor November 2012. Das Gericht stützte sich vor allem auf die Aussagen der Privatklägerin, die trotz gewisser Unstimmigkeiten als glaubhaft eingestuft wurden. Die Beweisführung bezüglich der Häufigkeit der Übergriffe war jedoch nicht eindeutig. Letztendlich wurde A.___ zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, wobei ein Teil davon bedingt ausgesetzt wurde. Es wurden auch Geldstrafen und Schadensersatzzahlungen festgelegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2023.50

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2023.50
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2023.50 vom 27.05.2024 (SO)
Datum:27.05.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Privatklägerin; Recht; Beschuldigten; Apos; Handlungen; Urteil; Staat; Verfahren; Berufung; Aussage; Vorinstanz; Anklage; Verfahren; Über; Urteils; Aussagen; Anklageschrift; Solothurn; Kinder; Kindern; Ziffer; Freiheitsstrafe; Entschädigung; Vorfälle; Mutter; Finger
Rechtsnorm: Art. 187 StGB ;Art. 197 StGB ;Art. 408 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 448 StPO ;Art. 453 StPO ;Art. 456a StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:140 IV 145; 141 IV 244; 143 IV 373; 144 I 253; 144 IV 217; 144 IV 313; 147 IV 241;
Kommentar:
-, Kommentar StPO, Art. 82 StPO, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2023.50

 
Geschäftsnummer: STBER.2023.50
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 27.05.2024 
FindInfo-Nummer: O_ST.2024.34
Titel: sexuelle Handlungen mit Kindern, Pornografie

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 27. Mai 2024

Es wirken mit:

Präsident Werner

Oberrichter Rauber

a.o. Ersatzrichter Marti

Gerichtsschreiber Kaufmann

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dominik Schnyder

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     sexuelle Handlungen mit Kindern, Pornografie


Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht:

-       Staatsanwältin B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin;

-       C.___, Privatklägerin, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin, in Begleitung von Rechtspraktikant D.___;

-       A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

-       Rechtsanwalt Dominik Schnyder, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten;

-       [Journalistin] von der Solothurner Zeitung;

-       zwei weitere Zuschauende.

 

In Bezug auf den Ablauf der Berufungsverhandlung, die durchgeführten Einvernahmen sowie in Bezug auf die von den Parteivertretern vorgebrachten Begründungen der jeweiligen Anträge wird auf das Verhandlungsprotokoll, die Einvernahmeprotokolle (inkl. Tonaufzeichnung) und die Plädoyernotizen in den Akten verwiesen.

 

Es stellen und begründen folgende Anträge:

Staatsanwältin B.___ für die Anschlussberufungsklägerin:

1.      A.___ sei wie folgt schuldig zu sprechen:

-       Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern, teilweise versucht, begangen in der Zeit vom 3. November 2012 bis zum 30. Juni 2014,

-       Mehrfache Pornografie, begangen in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis am 23. Juni 2016.

2.      Es sei festzustellen, dass das Beschleunigungsgebot verletzt ist.

3.      A.___ sei zu verurteilen zu:

a)    Einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs für 24 Monate bei einer Probezeit von 2 Jahren.

b)    Einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 80.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren.

4.      A.___ sei der ausgestandene Freiheitsentzug vom 22. Juni 2016 bis 24. Juni 2016 an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

5.      Die Verfahrenskosten seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

6.      Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt D. Schnyder, sei gerichtlich festzulegen, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

 

 

 

Rechtsanwältin Stephanie Selig für die Privatklägerin:

1.      Es sei der Beschuldigte, A.___, schuldig zu sprechen wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, teilweise Versuch dazu, zum Nachteil von C.___, begangen im Zeitraum 3. November 2012 bis Ende Juni 2014.

2.      Es sei der Beschuldigte, A.___, angemessen zu bestrafen.

3.      Es sei der Beschuldigte zur Zahlung einer Genugtuung an die Privatklägerin in Höhe von CHF 12'000.00 zu verpflichten zuzüglich Zins in Höhe von 5% seit dem 1. September 2013 (mittlerer Verfallstag).

4.      Es sei der Beschuldigte zu verpflichten, der Privatklägerin Schadenersatz in Höhe von CHF 199.30 zu bezahlen. Darüber hinaus sei er für inskünftig aus und im Zusammenhang mit den verurteilten Straftaten anfallende Kosten dem Grundsatz nach bei einer Haftungsquote von 100% für schadenersatzpflichtig zu erklären.

5.      Es seien die Honorarnoten der Rechtsvertreterin der Privatklägerin betreffend das erstinstanzliche Verfahren zu genehmigen und der Beschuldigte sei zur Entrichtung einer Parteientschädigung in Höhe der genehmigten Honorarnoten zu verpflichten. Im Umfang der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege seien die Anwaltskosten vom Staat zu bezahlen.

6.      Es sei der Beschuldigte darüber hinaus betreffend das obergerichtliche Berufungsverfahren zu verpflichten, an die Privatklägerin eine Parteientschädigung in Höhe der edierten und vom Gericht zu genehmigenden Honorarnote auszurichten. Im Umfang der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege seien die Anwaltskosten vom Staat zu bezahlen.

7.      Es sei der Beschuldigte zur Übernahme der Verfahrenskosten im erstinstanzlichen wie auch im obergerichtlichen Verfahren zu verpflichten.

 

Rechtsanwalt Dominik Schnyder für den Beschuldigten und Berufungskläger:

 

1.    Der Beschuldigte sei von sämtlichen Vorwürfen der Anklage freizusprechen.

2.    Der Beschuldigte sei nach richterlichem Ermessen zu entschädigen.

3.    Die Zivilforderungen seien abzuweisen evtl. ins Zivilverfahren zu verweisen.

4.    Die Kostennote des amtlichen Verteidigers sei zu genehmigen.

5.    Die von der Vorinstanz ausgesprochenen Entschädigungen des amtlichen Verteidigers seien zu bestätigen.

6.    Die Kostennoten der Vertreterin der Zivilpartei seien zu bestätigen.

7.    Alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

--------

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:


 

I.              Prozessgeschichte

 

1.

Gemäss Aktennotiz der Polizei erschien A.___ (nachfolgend: der Beschuldigte) im Herbst 2015 auf dem Regionenposten in [Ort 2] und gab an, seine Mutter E.___ habe auf seinen Namen einen Vertrag abgeschlossen und schulde ihm Geld für offene Rechnungen, da er andernfalls betrieben werde. Den Beteiligten gelang jedoch in der Folge eine Einigung in Anwesenheit der Polizei (Akten Staatsanwaltschaft Seite 83, nachfolgend: AS 83).

 

Am 25. August 2015 erfolgte eine Gefährdungsmeldung durch A.___ bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Solothurn (KESB) wegen Vernachlässigung seiner (Halb-)Geschwister C.___ und F.___ durch E.___. Hierauf eröffnete die KESB am 10. September 2015 ein Verfahren zur Prüfung kindesschutzrechtlicher Massnahmen (AS 418).

 

Am 15. Dezember 2015 erstattete G.___ vom Amt für Wirtschaft und Arbeit eine Gefährdungsmeldung an die KESB, da er die Meldung erhalten habe, dass E.___ u.a. Schwarzarbeit leiste, verschiedene Männer im Haus ein- und ausgingen, sie Kredite zulasten der Kinder aufgenommen habe (der älteste Sohn habe durch seine Mutter grosse Schuldenberge offen), die Krankenkasse nicht bezahlt werde und die Hunde vernachlässigt würden (AS 440 f.).

 

Nach Eingang des Abklärungsberichts der Sozialen Dienste Oberer Leberberg wurde E.___ von der KESB Region Solothurn am 28. April 2016 zum Gespräch eingeladen (AS 449). Da sie dieser Einladung keine Folge leistete, lud die KESB sie mit Schreiben vom 7. Juni 2016 erneut zum Gespräch ein unter dem Hinweis, dass aufgrund der Akten entschieden werde, sollte erneut kein Gespräch möglich sein (AS 450).

 

2.

Am 8. Juni 2016 erschien C.___ (nachfolgend: die Privatklägerin) in Begleitung ihrer Mutter E.___ bei der Polizei in [Ort 3], um Anzeige gegen ihre beiden Halbbrüder, A.___ und H.___, zu erstatten. Gemäss ihren mündlichen Aussagen sei sie durch die Brüder in der Zeit von ca. Januar 2012 bis ca. Juni 2014 in regelmässigen Abständen am damaligen Domizil in [Ort 1], [Adresse 1], sexuell missbraucht worden (AS 460). Da der mutmassliche Tatort im Kanton Solothurn lag, wurde die Sache von den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Solothurn übernommen (AS 458 ff.). Am 16. Juni 2016 wurde ein Verfahren gegen den Beschuldigten wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) eröffnet (AS 334).

 

3.

In Bezug auf den Bruder des Beschuldigten, H.___, wurde ein separates Verfahren eröffnet. Dieser wurde am 22. Juni 2016 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt, wobei er sich weitgehend geständig zeigte (AS 153 ff.). Der Einstellungsverfügung der Jugendanwaltschaft vom 18. Mai 2017 kann jedoch entnommen werden, dass in Bezug auf sexuelle Handlungen mit Kindern der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre betragen hatte, weshalb die Handlungen nach Art. 187 Ziff. 2 StGB straflos blieben. In Bezug auf den Tatbestand des Inzests war die Verjährung eingetreten und für die sexuelle Nötigung fehlte es an einem Nötigungsmittel. Entsprechend wurde das Verfahren eingestellt (AS 453 ff.).

 

4.

Der Beschuldigte bestritt die gegen ihn erhobenen Vorhalte. Am 6. April 2018 erstattete Prof. Dr. I.___ ein aussagepsychologisches Gutachten über die Aussagen der Privatklägerin (AS 666 ff.).

 

5.

Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 11. November 2021 wurden die Akten dem Amtsgericht von Solothurn-Lebern überwiesen zur Beurteilung des Beschuldigten wegen der Vorhalte der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, teilweise des Versuchs dazu, und der mehrfacher Pornographie (AS 001 ff.).

 

Vom 14. April 2023 datiert eine neue, berichtigte Anklageschrift wegen der gleichen Delikte (Akten Solothurn-Lebern S. 6 ff., nachfolgend: SL AS 6 ff.), welche von der Vorinstanz zur Grundlage des Verfahrens gemacht wurde (SL AS 0106).

 

6.

Am 20. April 2023 fällte das Amtsgericht von Solothurn-Lebern folgendes Strafurteil (SL AS 0177 ff.):

«

  1. A.___ wird vom Vorhalt der mehrfachen Pornografie (Vorhalt Ziff. 2 lit. a der Anklageschrift), angeblich begangen in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 23. Juni 2016, freigesprochen.
  2. A.___ hat sie wie folgt schuldig gemacht:

a)    mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern, teilweise versucht, begangen in der Zeit vom 3. November 2012 bis zum 30. Juni 2014,

b)    mehrfache Pornografie, begangen in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis am 23. Juni 2016.

  1. A.___ wird verurteilt zu:

a)    einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs für 24 Monate bei einer Probezeit von 2 Jahren,

b)    einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 80.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren.

  1. A.___ werden 3 Tage Untersuchungshaft an den unbedingt vollziehbaren Teil der Freiheitsstrafe angerechnet.
  2. Das sichergestellte Mobiltelefon LG H420 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) wird A.___ nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben.

Ohne ein solches Begehren wird das Mobiltelefon LG H420 nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei vernichtet, evtl. verwertet, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt.

  1. Die nachfolgend im Verfahren gegen A.___ sichergestellten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten:

a)    Laptop Asus X501A mit Festplatte Western Digital Scorpio blue ([…]),

b)    Mobiltelefon Huawei GRA-L09,

c)    Mobiltelefon Nokia RM-217.

7.    A.___ hat C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, Schadenersatz von CHF 199.30 zu bezahlen. Für weitergehende Schadenersatzforderungen, resultierend aus den Ereignissen in der Zeit vom 3. November 2012 bis zum 30. Juni 2014 (Vorhalt Ziff. 1 der Anklageschrift) wird der Anspruch der Privatklägerin bei einer Haftungsquote von 100% dem Grundsatz nach bejaht. Zur Ausmittlung der Schadenshöhe wird die Privatklägerin auf den Zivilweg verwiesen.

  1. A.___ wird verurteilt, C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, CHF 12'000.00 als Genugtuung zu bezahlen, zuzüglich 5% Zins ab 1. September 2013. Die darüber hinausgehende Forderung wird abgewiesen.
  2. Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von C.___, Rechtsanwältin Stephanie Selig, wird für die Zeit ab 8. Oktober 2018 als eingesetzte unentgeltliche Rechtsbeiständin auf CHF 8'435.70 (Honorar CHF 7'522.60, Auslagen CHF 310.00, 7,7% MwSt. auf CHF 7'832.60 entsprechend CHF 603.10) festgesetzt und ist zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat Solothurn zu zahlen. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.
  3. A.___ hat der Privatklägerin C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, eine Parteientschädigung von CHF 5'345.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.
  4. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Schnyder, wird auf CHF 18'695.30 (Honorar CHF 16'787.50, Auslagen CHF 551.50, 8% MwSt. auf CHF 7'074.50 entsprechend CHF 565.95, 7,7% MwSt. auf CHF 10'264.50 entsprechend CHF 790.35) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

Es wird festgestellt, dass die Zentrale Gerichtskasse dem amtlichen Verteidiger bereits CHF 7'000.00 (als Akontozahlung) überwiesen hat, so dass ihm noch die Differenz von CHF 11'695.30 auszubezahlen ist.

  1. A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'200.00, total CHF 28'270.00, zu bezahlen.»

 

7.

Gegen das Urteil liess der Beschuldigte die Berufung anmelden. Mit Berufungserklärung vom 13. Juni 2023 liess er die Ziffern 2 bis 11 des erstinstanzlichen Urteils anfechten und einen vollständigen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolgen beantragen (Akten Berufungsgericht S. 3, nachfolgend: BAS 3).

 

Der Oberstaatsanwalt erklärte am 4. Juli 2023 die Anschlussberufung beschränkt auf die Strafzumessung: verlangt werde die Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe (BAS 11).

 

8.

Damit ist das erstinstanzliche Urteil wie folgt teilweise in Rechtskraft getreten:

- Ziffer 1: Freispruch;

- Ziffer 10 teilweise: Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Höhe nach;

- Ziffer 12 teilweise: Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Höhe nach.

 

9.

Mit Verfügung vom 13. Dezember 2023 wurden der Beschuldigte und die Parteivertreter auf den 30. April 2024 zur mündlichen Berufungsverhandlung vorgeladen (BAS 71).

 

10.

Mit Verfügung vom 30. April 2024 wurde die mündliche Berufungsverhandlung verschoben. Der Beschuldigte und die Parteivertreter wurden neu auf den 27. Mai 2024 zur mündlichen Berufungsverhandlung vorgeladen (BAS 133).

 

 

II.            Formelles

 

 

1.    Anwendbares Recht

 

1.1 Per 1. Januar 2024 trat die Revision der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) in Kraft. Die Änderungen enthalten keine Regelung betreffend Übergangsrecht. Es stellt sich somit die Frage, welches Recht vorliegend anwendbar ist, da erstinstanzlich vor Inkrafttreten der Revision geurteilt wurde, das Berufungsurteil nun aber nach diesem ergeht.

 

Art. 448 StPO sieht vor, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts Anderes vorsehen (Abs. 1). Unter dem Abschnitt der Rechtsmittelverfahren hält Art. 453 Abs. 1 StPO fest, dass, sofern ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden ist, Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden.

 

1.2 Die Thematik des Übergangsrechts wurde in den parlamentarischen Beratungen nie diskutiert, daraus lassen sich damit keine Erkenntnisse ableiten. Der Basler Kommentar zur StPO (BSK StPO, 3. Aufl., 2023) hält zu Art. 448 folgendes fest: «Hinzuweisen ist darauf, dass in der vom Parlament am 17. Juni 2022 verabschiedeten Teilrevision der Strafprozessordnung keine von Art. 448 StPO abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind und die revidierten Bestimmungen der StPO demnach sofort in Kraft treten.» (BSK StPO-Oehen, Art. 448 StPO N 2). Diese Formulierung ist aber insofern unklar, als daraus nicht genau hervorgeht, ob das neue Recht generell zur Anwendung gelangt eben Art. 453 StPO als Ausnahme für Rechtsmittelverfahren Anwendung findet. Im Grundsatz richtig ist, dass Art. 448 StPO für alle hängigen Verfahren gilt und damit die Revision sofort in Kraft tritt. Anderes sieht aber Art. 453 StPO für die Rechtsmittelverfahren vor. Es würde zu eng greifen, die Formulierung «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Vielmehr kommen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung beschlossen und nichts anderes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich neues Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtsmittelverfahren sieht aber Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung gefällt wurde. Diese Auslegung verhindert unbefriedigende Ergebnisse in der Praxis: Um nur zwei Beispiele zu nennen, müsste in allen hängigen Berufungsverfahren die Privatklägerschaft mit URP nach Art. 136 Abs. 3 nStPO noch einen Antrag für URP stellen (soweit noch nicht geschehen), um die URP im Berufungsverfahren überhaupt zu erhalten. Oder der Beschuldigte würde benachteiligt, wenn ihm erstinstanzlich eine Entschädigung direkt zugesprochen wird und auf seine Berufung hin die Entschädigung dann nach Art. 429 Abs. 3 nStPO im Berufungsverfahren dem Verteidiger zugesprochen werden müsste. Fänden die neuen Bestimmungen auch für Rechtsmittelverfahren gegen erstinstanzliche Urteile vor dem Jahr 2024 Anwendung, würde dies bedeuten, dass bei teilweiser Anfechtung der rechtskräftige Teil des Urteils nach altem Recht ergeht, und der angefochtene nach neuem Recht. Es kann aber nicht sein, dass für ein Urteil (Art. 408 StPO) ein Teil nach altem und ein Teil nach neuem Prozessrecht gefällt wird. Diese Rechtsauffassung wird auch von früheren StPO-Revisionen gestützt: Mit der Änderung vom 28. September 2012 wurde mit Art. 456a StPO eine von den allgemeinen Regeln von Art. 448 und der Ausnahme von Art. 453 StPO abweichende Regelung geschaffen, wonach das neue Recht in allen Verfahren gelte, somit auch für Rechtsmittelverfahren. Im Weiteren kann auch Art. 2 des StGB herangezogen werden, dessen Formulierung in Abs. 1 «nach diesem Gesetz wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht» jeweils die entsprechende Änderung des Gesetzes meint.

 

1.3 Es hat demnach Folgendes zu gelten: Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO kommen als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung der StPO beschlossen und nichts Anderslautendes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich das neue Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtmittelverfahren sieht Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (der neuen Bestimmung) gefällt worden ist.

 

1.4 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folglich, dass das vor dem 1. Januar 2024 geltende Recht zur Anwendung gelangt.

 

 

2.    Verweisungen auf das Urteil der Vorinstanz

 

Mit Blick auf die Prozessökonomie erlaubt Art. 82 Abs. 4 StPO den Rechtsmittel-instanzen, für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des in Frage stehenden Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz zu verweisen, wenn sie dieser beipflichten. Hingegen ist auf neue tatsächliche Vorbringen und rechtliche Argumente einzugehen, die erst im Rechtsmittelverfahren vorgetragen werden (Brüschweiler, SK-Schulthess Kommentar StPO, 3. Auflage, 2020, Art. 82 N 10). Im BGE 141 IV 244 äusserte sich das Bundesgericht zur Möglichkeit der Verweisung und zur Begründungspflicht der Rechtsmittelinstanz wie folgt: Aus einem Entscheid muss klar hervorgehen, von welchem festgestellten Sachverhalt das Gericht ausgegangen ist und welche rechtlichen Überlegungen es angestellt hat (E. 1.2.1). Von der Möglichkeit, auf die Begründung der Vorinstanz zu verweisen (Art. 82 Abs. 4 StPO), ist zurückhaltend Gebrauch zu machen. Ein Verweis kommt bei strittigen Sachverhalten und in Bezug auf die rechtliche Subsumtion nur dann in Frage, wenn die Rechtsmittel-instanz den vorinstanzlichen Erwägungen (vollumfänglich) beipflichtet (E. 1.2.3).

 

 

3.    Anklagegrundsatz

 

3.1 Der Beschuldigte liess anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung ausführen, die Vorwürfe namentlich der sexuellen Handlungen mit Kindern seien in der Anklageschrift zeitlich, örtlich und in der Substanz viel zu wenig substantiiert, als dass sie relevant für eine Verurteilung sein könnten. Er habe weder 2016 noch während des Verfahren bis heute in irgendeiner Weise nachvollziehen können, wo und was er seiner Halbschwester angetan haben solle. Der Beschuldigte rügt damit sinngemäss eine Verletzung des Anklageprinzips. Die gleichen Rügen brachte er auch an der Berufungsverhandlung vor.

 

3.2 Die Vorinstanz hat sich unter Ziffer II (Urteilsseite 8 ff., nachfolgend: US 8 ff.) ausführlich und korrekt zu diesem Einwand geäussert. Sie hat den Inhalt des Anklagegrundsatzes dargelegt und ausgeführt, weshalb die vorliegende Anklageschrift diesen Anforderungen genügt. Darauf kann verwiesen werden, wobei zusammengefasst Folgendes gilt: Die vorliegende Anklageschrift umschreibt in sachlicher Hinsicht eindeutig sowohl die Art der sexuellen Handlungen (Anfertigung von Nacktfotos / Berührungen an Brüsten, Po und Vagina / Einführen von ein bis zwei Fingern in die Vagina / Aufforderung zur manuellen Befriedigung / Selbstbefriedigung in Anwesenheit der Privatklägerin) als auch die Örtlichkeiten, wo diese stattfanden (Zimmer und Bad des Beschuldigten am [Adresse 1] in [Ort 1]). Auch in zeitlicher Hinsicht werden die Vorfälle soweit möglich eingegrenzt. So geht die Anklage gestützt auf die Angaben der Privatklägerin davon aus, dass die Übergriffe in der Zeit vom 3. November 2012 (vorgängige Widerhandlungen seien verjährt) bis längstens Ende Juni 2014 wiederholt, wöchentlich bis monatlich, stattfanden. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich damit über 20 Monate, was im Vergleich zu anderen Fällen von sexuellen Übergriffen im familiären Umfeld nicht ausserordentlich lange ist. Aus der Anklageschrift wird ausserdem klar, dass die Vorfälle eine gewisse Regelmässigkeit bzw. Gleichförmigkeit im Ablauf aufwiesen. In solchen Konstellationen wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erstaunlich, wenn sich die Privatklägerin jeweils an das Datum, die Zeit und den genauen Ablauf erinnern könnte, zumal über solche Ereignisse für gewöhnlich nicht Buch geführt wird und die Anzeige erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (Urteil 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 1.4). Im Übrigen enthält die Anklageschrift eine weitere Spezifikation, welche eine zeitliche Eingrenzung erlaubt, indem angegeben wird, die Vorfälle hätten hauptsächlich am späten Nachmittag bzw. Abend stattgefunden, wenn die anderen Familienmitglieder abwesend waren. Gestützt hierauf baute der Beschuldigte letztlich auch seine Verteidigungsstrategie auf. Er musste sich somit nicht damit begnügen, die Vorwürfe pauschal zu bestreiten. Vielmehr machte der Beschuldigte sehr konkrete Angaben dazu, weshalb er und die Geschädigte im fraglichen Zeitraum kaum alleine zu Hause gewesen seien, womit die Vorwürfe nicht zutreffen könnten. Es wäre jedoch nicht einmal nötig, dass sich der Beschuldigte an den Tatzeitraum erinnert. Entscheidend ist – wie es auch vorliegend der Fall ist – dass der Beschuldigte der Anklageschrift entnehmen konnte, wessen er angeklagt ist bzw. welcher konkreten Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird. Demzufolge konnte er seine Verteidigungsrechte angemessen ausüben. Ob die angeklagte Vielzahl von Vorfällen auch rechtsgenüglich bewiesen werden kann, ist eine andere Frage, auf die später im Rahmen der Beweiswürdigung einzugehen ist. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes liegt damit nicht vor.

 

 

4.    Verwertbarkeit Expolationsnotizen der Gutachterin

 

4.1 Der Beschuldigte hat vor dem Berufungsgericht erneut beantragt, es sei der Anhang B des Gutachtens vom 6. April 2018 («lautgetreues Transkript beurteilungsrelevanter Auszüge des Explorationsgesprächs mit C.___ vom 18.11.2017», AS 770 ff.) als unverwertbar aus den Akten zu verweisen. Dies, weil der Beschuldigte bei diesem Explorationsgespräch keine Teilnahmerechte habe ausüben können.

 

4.2 Dem ist nicht zu folgen: das Explorationsgespräch war notwendiger Teil zur fachgerechten Erstellung des aussagepsychologischen Gutachtens. Die Exploration für ein psychiatrisches Gutachten ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht parteiöffentlich, nicht einmal der Verteidiger darf bei der Exploration des Beschuldigten teilnehmen (BGE 144 I 253). Folglich wurden keine Teilnehmerechte verletzt. Nur am Rande sei hier bereits erwähnt, dass sich die Inhalte des Explorationsgesprächs einzig entlastend für den Beschuldigten auswirken, wie nachfolgend zu zeigen sein wird.

 

 

III.           Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern

 

 

1.    Sachverhalt

 

1.1 Die Anklageschrift wirft dem Beschuldigten in Ziffer 1 lit. a bis c zusammengefasst vor:

 

Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB, teilweise Versuch dazu: Der Beschuldigte habe zwischen dem 3. November 2012 (vorgängige Widerhandlungen seien verjährt) bis längstens Ende Juni 2014 in [Ort 1], [Adresse 1], im Untergeschoss, im Zimmer und im Bad des Beschuldigten (ehemaliges Domizil des Beschuldigten und der Privatklägerin) wiederholt – wöchentlich bis monatlich – sexuelle Handlungen mit der minderjährigen Privatklägerin vorgenommen, sie zu solchen Handlungen verleitet sie in solche einbezogen (Erstellen von Nacktfotos der Privatklägerin, Anfassen an Brüste, Po und Vagina, Einführen von einem, teilweise zwei Fingern in die Vagina, Anfassen seines Penis durch die Privatklägerin Manipulieren seines Penis vor der Privatklägerin).

 

1.2 Die Vorinstanz hat die allgemeinen Grundsätze der Beweiswürdigung (Grundsatz «in dubio pro reo», freie Beweiswürdigung, Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen im Speziellen) unter Ziffer III. 1 (US 10 ff.) eingehend und korrekt dargelegt. Darauf kann vorbehaltlos verwiesen werden.

 

1.3 Unter Ziffer III. 2.2 ff. (US 14 ff.) hat die Vorinstanz die vorliegenden relevanten Aussagen zusammengefasst:

-       Privatklägerin: Videoeinvernahmen vom 15. Juni 2016 und 24. Juni 2016 (mit Teilnahme des Beschuldigten und seines Verteidigers);

-       Beschuldigter: Einvernahmen vom 23. Juni 2016, 8. August 2016, 13. Februar 2017, 20. April 2021 (Schlusseinvernahme) und 18. April 2023 (vorinstanzliche Hauptverhandlung);

-       E.___ (Mutter): Einvernahmen vom 13. Juni 2016, 7. Juli 2016 und 13. Februar 2017;

-       J.___ und K.___ (Freundinnen der Privatklägerin, denen sich die Privatklägerin am Ende der Tatzeit anvertraut haben soll): je vom 29. Juni 2016.

 

Hingewiesen wird im Weiteren auf die vorliegenden objektiven Beweismittel:

-       Zwei Nacktfotos der Privatklägerin auf dem früheren Handy des Beschuldigten (AS 70 und 287 f.);

-       Chatverläufe der Privatklägerin mit K.___ und J.___ (AS 124 ff.);

-       Fotoaufnahmen der möglichen Tatorte (AS 74 ff.);

 

Letztlich wird detailliert eingegangenen auf das aussagepsychologische Gutachten vom 6. April 2016 (AS 666 ff.): Es werden die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen und zur Erstellung von Glaubhaftigkeitsgutachten dargelegt (US 29 f.), es wird Stellung genommen zur (bestrittenen) Verwertbarkeit des vorliegenden Gutachtens (US 30 ff.) und der Inhalt des Gutachtens vom 6. April 2018 wird in aller Breite zusammengefasst (US 33 ff.).

 

Bezüglich dieser Darlegungen der Beweismittel und der Schlussfolgerungen der Vorinstanz hinsichtlich Verwertbarkeit kann vorbehaltlos auf die schriftliche Urteilsbegründung verwiesen werden.

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung liess der Beschuldigte Bilder aus dem Internet einreichen, welche die Privatklägerin in teilweise freizügigen Posen darstellen sollen (BAS 153 ff.). Die Privatklägerin bestritt, dass sie auf den Bildern abgebildet sei. Ob dies so ist, kann offen bleiben, da den Bildern im Rahmen der Beweiswürdigung keinerlei Bedeutung zukommen kann. Hinsichtlich der Genugtuung geht das Gericht davon aus, die Privatklägerin befinde sich nicht mehr in therapeutischer Behandlung (s. hinten).

 

1.4 Die Vorinstanz hat aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung die Aussagen der Privatklägerin als glaubhaft beurteilt (US 38 ff.). Dem kann aus nachfolgenden, zusammengefassten Gründen gefolgt werden:

 

1.4.1 Die Aussagen der Privatklägerin enthalten zahlreiche Realitätshinweise (vgl. bspw. dazu die entsprechenden Darlegungen im Gutachten: AS 711 ff. und 731).

 

1.4.2 Die Aussagen der Privatklägerin werden gestützt durch das Auffinden von zwei Nacktfotos von ihr auf dem alten Handy des Beschuldigten: Diese entsprechen ihren Schilderungen (bzw. übertreffen diese sogar), der Beschuldigte hat hingegen zunächst konsequent abgestritten, je solche Fotos von der Privatklägerin erstellt zu haben.

 

1.4.3 Die Aussagen der Privatklägerin werden erhärtet durch die Aussagen von E.___, K.___ und J.___.

 

1.4.4 Der Bruder des Beschuldigten, H.___, hat die von der Privatklägerin ihm gegenüber erhobenen, schwerer wiegenden Vorhalte eingestanden, was ebenfalls die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin untermauert.

 

1.4.5 Das nachvollziehbare und überzeugende Glaubhaftigkeitsgutachten von Frau Prof. Dr. I.___ vom 6. April 2018 kommt zu folgenden Schlüssen:

- Die Aussagetüchtigkeit der Privatklägerin ist gegeben.

- Die Gegenhypothesen (Hypothese 1a: frei erfundene Falschbezichtigung zum Zweck der Rache für dessen Abwendung von der Familie und die Anzeigenerstattung gegen die Mutter; Hypothese 1b: absichtliche Übertragung von Parallelerlebnissen bzw. von ähnlichen Erlebnissen mit ihrem Halbbruder H.___ auf den Beschuldigten; Hypothese 1c: bewusste Aggravation bzw. gezielte Mehrbelastung des Beschuldigten bei teilweise erlebnisbasierter Aussage; Hypothese 2a: Pseudoerinnerung bzw. die Annahme, dass die Privatklägerin aufgrund einer als Kränkung erlebten Abwendung des Beschuldigten von der Familie sowie durch Gespräche mit der Mutter im Nachhinein fälschlicherweise zu der Überzeugung gelangt sein könnte, dass auch der Beschuldigte gegen ihren Willen sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen habe und von ihr habe vornehmen lassen; Hypothese 2b: Annahme einer unbeabsichtigten Vermengung bzw. Übertragung tatsächlicher Erlebnisse mit dem Halbbruder H.___ auf den Beschuldigten) konnten allesamt ausgeschlossen werden, sodass die Hypothese einer erlebnisbasierten Aussage der Privatklägerin verbleibt.

Der einzige geringfügige Vorbehalt der Gutachterin zur Lügenhypothese, nämlich die Frage, ob sich die Privatklägerin rund zwei Jahre vor der Anzeige, also am Ende der Tatzeit, bereits ihren beiden Freundinnen K.___ und J.___ anvertraut hatte, hat die Vorinstanz mit eingehender und überzeugender Begründung beantwortet (US 38 ff.): Die Privatklägerin hatte sich bereits rund zwei Jahre vor der Anzeigeerstattung gegenüber ihren beiden Freundinnen über die angeblichen Vorfälle mit dem Beschuldigten geäussert, wobei das Gutachten selbst im gegenteiligen Fall zum Ergebnis gelangt, dass die Hypothese 1a auch ohne diesen Hintergrund als psychologisches Erklärungsmodell für das Vorliegen einer Aussage ohne Erlebnishintergrund nach aktueller Erkenntnislage kaum zu überzeugen vermöchte (AS 733).

 

1.4.6.1 Die Vorinstanz hat schlüssig dargelegt, weshalb die Aussagen des Beschuldigten das Abstellen auf die Aussagen der Privatklägerin nicht in Zweifel ziehen können (AS 42 ff.):

- Das anfängliche, vehemente Abstreiten des Beschuldigten, je von der Privatklägerin Nacktaufnahmen gemacht zu haben, wurde widerlegt. Die beiden Fotos offenbaren zweifellos ein sexuelles Interesse des Beschuldigten an der Privatklägerin: Ein Foto zeigt von unten direkt die primären Geschlechtsorgane der nackt auf dem Rücken liegenden Privatklägerin (AS 287), das andere zeigt die nackte Privatklägerin stehend mit verschränkten Armen (AS 288). Unglaubhaft waren auch die nach der Konfrontation mit den beiden aufgefundenen Bildern (erstellt im November 2010) vorgebrachten Aussagen des Beschuldigten, die Fotos stammten aus viel früherer Zeit und seien normale Fotos von Kindern/Geschwistern: dazu kann auf die Erwägungen der Vorinstanz auf US 42 f. verwiesen werden.

- Der Beschuldigte machte im Verfahren widersprüchliche, seinen Interessen angepasste Aussagen zu seinem Verhältnis zu den anderen Familienmitgliedern: Sprach er zunächst von einem guten Verhältnis zu Mutter und Privatklägerin zur Zeit des Zusammenlebens, wurde das Verhältnis mit zunehmenden Verfahrensgang zunehmend schlechter beschrieben, um seine These eines Rachefeldzuges zu untermauern (vgl. US 43).

- Seine Angabe, er habe sich am Nachmittag und frühen Abend wegen der Arbeit und der Betreuung der Pferde gar nie zu Hause befunden, liess sich ebenfalls widerlegen (vgl. US 43 f.).

 

1.4.6.2 Somit ist im Sinne eines Zwischenfazits bei der Beweiswürdigung grundsätzlich auf die glaubhaften Aussagen der Privatklägerin abzustellen.

 

1.4.7.1 Die nicht immer einheitliche bzw. präzise zeitliche Einordnung der Vorwürfe durch die Privatklägerin hat die Vorinstanz einer eingehenden Prüfung unterzogen (US 44 ff.). Wie schon die Gutachterin kam sie zum Schluss, die Privatklägerin habe offensichtlich Mühe mit zeitlichen Einordnungen und Häufigkeitsangaben in ihren Aussagen, während sie die Orte und den Ablauf der Vorfälle konstant und differenziert habe schildern können. Da das Tatgeschehen auch einen Zeitraum vor dem 3. November 2012, mithin auch verjährte Taten, umfasste, muss geklärt werden, wann sich welche von der Privatklägerin geschilderten Vorfälle ereignet haben.

 

1.4.7.2 Die Familie mit den beiden Protagonisten zog am 25. April 2012 von der [Adresse 2] an den [Adresse 1] (je in [Ort 1]). Die aufgefundenen beiden Fotos wurden im November 2010 und somit an der [Adresse 2] erstellt. Auch die Geschädigte gab anlässlich der Exploration an, nicht mehr sicher zu sein, ob es mit dem Beschuldigten am [Adresse 1] an der [Adresse 2] begonnen habe. Allerdings sprach sie in den – mithin tatzeitnäheren – Einvernahmen immer klar [von der Adresse 1] bzw. vom kleinen Bad des Beschuldigten, welches ebenfalls [der Adresse 1] zuzuordnen ist. So soll insbesondere der Vorfall, bei dem der Beschuldigte sie zur manuellen Befriedigung aufgefordert habe, in diesem Badezimmer stattgefunden haben. Zu diesem Tatort passt auch, dass der Beschuldigte der Privatklägerin angeboten haben soll, Toilettenpapier um seinen Penis zu wickeln. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die in der Anklageschrift erwähnten Tathandlungen sich weitgehend [an der Adresse 1] in [Ort 1] zugetragen haben.

 

Da die Familie bereits am 25. April 2012 an [die Adresse 1] zog, in der Anklageschrift jedoch erst der Zeitraum ab 3. November 2012, […] (vorherige Widerhandlungen sind verjährt), angeklagt ist, ist auch dies zu prüfen. Die Privatklägerin führte jeweils gleichlautend aus, dass die Übergriffe zu Beginn «eigentlich nicht so schlimm» und auch seltener gewesen seien, wohingegen die Halbbrüder mit der Zeit mehr Freude daran bekommen hätten und es viel schlimmer geworden sei. Die Brüder seien immer wieder gekommen und hätten mehr gewollt. Dass der Leidensdruck mit der Zeit stärker wurde, zeigt sich auch darin, dass sich die Privatklägerin im Frühjahr/Sommer 2014 – somit zwei Jahre vor der Anzeige – ihren Freundinnen offenbarte. In dieses Bild passt auch die Aussage der Geschädigten, wonach der Beschuldigte eher am Anfang Fotos gemacht habe, wohingegen es am Schluss «nicht mehr so» vorgekommen sei. So auch ihre Aussage, wonach es ungefähr vor vier Jahren angefangen und er sie gefragt habe, ob er Sachen machen dürfe, zum Beispiel anfassen vor allem anschauen. Es sei sehr selten vorgekommen und mit der Zeit mehr geworden. Für die Privatklägerin dürfte das Betrachten, Anfassen sowie Fotografieren deutlich weniger einschneidend gewesen sein, als beispielsweise das Einführen des Fingers. Als eine weitere Steigerung ist die Aufforderung des Beschuldigten, ihn manuell zu befriedigen, zu beurteilen, da dieses von der Privatklägerin ein aktives Tun forderte und nicht bloss ein «Erdulden».

 

Die Privatklägerin führte auch mehrfach gleichlautend aus, wie der Beschuldigte ihr bei den Hausaufgaben geholfen und sie irgendwohin gefahren habe (was im Übrigen auch vom Beschuldigten bestätigt wurde). Sie nannte dies jeweils als Beispiel, um aufzuzeigen, wie sie befürchtete, das gute Verhältnis zu ihm zu verlieren, wenn sie jemandem von den Vorfällen erzählen würde. Der Beschuldigte verfügte somit im Zeitraum vieler Tathandlungen offensichtlich über einen Führerausweis und war entsprechend volljährig. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass es bereits vorher zu Übergriffen an der Geschädigten kam, beispielsweise wenn der Beschuldigte aufgrund von Ferien zu Hause war früher von der Arbeit kam, da er mit jemandem mitfahren durfte, wie dies auch von der Mutter ausgeführt wurde. Hingegen dürften sich mit dem eigenen Auto mehr Gelegenheiten ergeben haben, war doch der Beschuldigte entsprechend früher zu Hause. Dies passt zum Umstand, dass die Vorfälle gemäss der Privatklägerin mit der Zeit häufiger geworden sind.

 

Aufgrund des angeklagten Tatzeitraums muss nicht beurteilt werden, ob es bereits im Zeitraum vom 25. April 2012 (Umzug an [die Adresse 1]) bis zum 3. November 2012 zu ersten Übergriffen an der Privatklägerin kam. Als erwiesen zu erachten ist jedoch, dass die gravierendsten Handlungen (Finger einführen, Aufforderung zur manuellen Masturbation sowie – infolge Ablehnung der Geschädigten – Masturbation in Anwesenheit der Geschädigten) gegen Ende des Tatzeitraums stattfanden, bis der Leidensdruck der Geschädigten derart gross war, dass sie sich ihren Freundinnen anvertraute. Gerade die Nacktaufnahmen hingegen sollen sich eher am Anfang zugetragen haben. Da beim Beschuldigten nur zwei Aufnahmen vom November 2010 (zeitlich noch deutlich vor dem Umzug an [die Adresse 1] und dem von der Privatklägerin geschilderten Tatzeitraum) aufgefunden wurden, lassen sich keine nach dem 3. November 2012 erstellte Fotoaufnahmen nachweisen. Dazu kann auch auf die nachfolgenden Erwägungen zu den Unsicherheiten betreffend zeitlicher Einordnung und Häufigkeit der Vorfälle verwiesen werden. Der Sachverhalt gemäss Ziffer 1 lit. a der Anklageschrift lässt sich deshalb in zeitlicher Hinsicht nicht rechtsgenüglich nachweisen und diesbezüglich hat ein Freispruch zu ergehen.

 

1.4.8.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, es lasse sich nicht beurteilen, wie oft es letztlich zu solchen Übergriffen gekommen sei (US 46 f.). Wie die Sachverständige zurecht ausführe, sei die von der Geschädigten angegebene Schätzung, wonach der Beschuldigte beispielsweise zwischen 50 und 70 Mal den Finger eingeführt habe, nicht zuverlässig (vgl. AS 706). Die konkrete Anzahl der Übergriffe könne jedoch dahingestellt bleiben. Es könne von der Geschädigten nicht erwartet werden, sich an alle Vorkommnisse als Einzelepisoden zu erinnern. Wie dem Gutachten zu entnehmen sei, entstünden bei multiplen ähnlichen Erlebnissen nicht selten generische statt episodische Erinnerungen, weshalb Opfer eher «typische Abläufe» statt konkrete Einzelepisoden schilderten (AS 710). Entscheidend erscheine vorliegend auch vielmehr, dass die Übergriffe regelmässig vorgekommen seien und sich – wie erwähnt – im Laufe der Zeit sowohl in der Intensität als auch in der Häufigkeit gesteigert hätten, bis sie schliesslich nach dem Gespräch mit der Mutter wieder abgenommen und mit dem Auszug des Beschuldigten gänzlich geendet hätten. Im Übrigen könne der Sachverhalt gemäss Anklageschrift jedoch als erstellt erachtet werden.

 

1.4.8.2 Dem kann so nicht gefolgt werden. Zur Frage der Häufigkeit sind im Hinblick auf deren Bedeutung für die Strafzumessung, die Bemessung der Genugtuung und in Beachtung des Grundsatzes «in dubio pro reo» vertieftere Erwägungen anzustellen.

 

Die Privatklägerin hat sich dazu konkret wie folgt geäussert (als Zitatstelle wird auf das von der Gutachterin erstellte lautgetreue Transkript relevanter Auszüge der beiden Videoeinvernahmen – Anhang A zum Gutachten (AS 737 ff.) – und die Zusammenfassung relevanter Angaben zur Sache im Rahmen des Explorationsgesprächs vom 18. November 2017 im Gutachten – AS 688 ff. – verwiesen):

-  15. Juni 2016: Einmal habe der Beschuldigte gewollt, dass sie ihm einen «abehole». Es sei über lange Zeit immer wieder passiert. – Als es dann viel schlimmer geworden sei, habe sie mit ihrer besten Freundin und danach mit der Mutter darüber gesprochen. Da habe es dann aufgehört. – Es habe etwa vor rund vier/fünf Jahren urplötzlich angefangen. Zu Beginn sei es eigentlich nicht so schlimm gewesen. Am Anfang sei es weniger gewesen und mit der Zeit habe es sich gesteigert. Und vor rund zwei Jahren habe sie es dann ihrer Mutter gesagt. – Das letzte Mal mit dem Beschuldigten sei etwa ein Monat vor dessen Auszug gewesen. – Der Beschuldigte habe vor H.___ angefangen, gewusst hätten die beiden nichts voneinander, evtl. habe der Beschuldigte eine kleine Ahnung gehabt. – Beim Beschuldigten sei es etwa ein Mal pro Woche passiert, bei ihm in seinem eigenen Bereich (Atelier), im Zimmer in seinem Bad. – Zuerst habe er sie überall angelangt, dann sei er einmal auf die Idee gekommen, den Finger bei ihr einzuführen, manchmal auch zwei Finger. – Fotos habe er vier bis sechs Mal gemacht. – Einmal habe er gewollt, dass sie ihm einen «abehole». Sie habe ihn aber nicht berührt und gesagt, sie mache das nicht. Da habe er es sich selbst gemacht, aber nicht bis zum Samenerguss (das habe sie ihm gesagt, dass sie das nicht wolle). – Der Beschuldigte habe sie – im Gegensatz zu H.___ – nicht geküsst sie mit den Lippen am Körper berührt. – Er habe sie glaublich zwei Mal gefragt, ob sie ihm einen «abehole» würde, einmal habe er dann gesagt, sie könne dazu auch Toilettenpapier nehmen, damit sie ihn nicht direkt anlangen müsse. Sie habe ihn dann mit der Hand berührt, diese aber sofort wieder zurückgezogen. Ja, und dann habe er einmal etwas bei sich selber gemacht. – Zwei Mal habe sie ihn abwimmeln können mit einer Ausrede bzw. sie habe Leichtathletik gehabt. – (Auf Frage nach der Anzahl) Mit dem Beschuldigten sei es so einmal pro Woche vorgekommen, so am Nachmittag gegen Abend, wenn niemand daheim gewesen sei; selten auch zwei Mal. Eine konkrete Anzahl könne sie nicht sagen, sie sei schlecht im Schätzen.

-  24. Juni 2016: Es habe etwa vor vier Jahren angefangen. Der Beschuldigte habe sie gefragt, ob er sie anschauen «anlangen» dürfe. Anfangs sei es sehr selten passiert und mir der Zeit sei es mehr geworden. – Anfangs so ca. einmal pro Monat, später dann eventuell so einmal pro Woche. Zuerst habe er sie einfach unten und oben «anlangen» wollen. – In einzelnen Wochen sei es auch mal nie vorgekommen. – (aF) Nach rund einem halben Jahr sei es mehr geworden. – Es sei nicht immer am gleichen Tag gewesen, einfach am Nachmittag gegen Abend, wenn sie alleine daheim gewesen seien. Angefangen habe es mit den Fotos. Dies drei vier Mal in den Jahren. Berührungen habe es dann meist gegeben, wenn sie alleine daheim gewesen seien. Wie oft, könne sie nicht sagen, es sei immer unterschiedlich gewesen, wie viele Male er gekommen sei. Er habe dann einfach gebettelt, bis sie nachgegeben habe. Eine Zahl könne sie nicht schätzen. Zwei Mal habe sie gesagt, sie müsse ins Training so. – Er habe sie oben und unten berührt, habe «unten schauen» wollen und den «Finger schiebä» wollen. Wenn sie gesagt habe, es tue weh, habe er gesagt, er mache es nur mit dem kleinen Finger und schaue, dass es nicht weh tue. – Einmal habe er sie gefragt, ob sie ihm einen «abehole». Sie habe «nein» gesagt und er habe gefragt, ob sie es mit dem WC-Papier drum mache. Sie habe auch das abgelehnt. – (aF) mit dem Finger sei es wohl etwa zwischen 50 und 70 Mal vorgekommen, sie könne aber nicht gut schätzen. – (aF) Mit dem Beschuldigten habe es glaublich nach dem Gespräch mit der Mutter aufgehört. Schmerzen habe sie nur etwa gehabt, wenn er mit dem Finger «reingeschoben» habe, sonst nie. – (aF) Am besten erinnere sie sich an den Vorfall, als er sie wegen dem «abehole» gefragt habe. Das sei eher «Mitte gegen den Schluss» [an der Adresse 1] gewesen. – H.___ habe mehr von ihr gewollt als der Beschuldigte und sei jeden Abend gekommen. Mit dem Beschuldigten sei es nur passiert, wenn sie alleine daheim gewesen seien.

-  Im Explorationsgespräch bei der Gutachterin gab die Privatklägerin dann Folgendes an: Nach dem ersten Foto habe er noch zwei drei Mal Fotos gemacht, sie sei dabei immer gestanden. Er habe auch schon gefragt, ob er ihr einen Finger «ineschiebe» dürfe. Das sei zwei, drei Mal passiert, bei ihm (dem Beschuldigten) sei das nicht so oft vorgekommen. Dass er sie so etwas gefragt habe (AS 689, Zeile 11). Nach den Fotos habe er damit begonnen, sie eben zwei, drei Mal zu fragen wegen Finger «ineschiebe und fertig» (AS 690, Zeile 12). Beim Beschuldigten sei es anders gewesen als bei H.___. Er habe nicht viel verlangt, es sei auch nur während kurzer Zeit gewesen und im Hellen passiert, wenn sie alleine gewesen seien, wohingegen H.___ nachts gekommen sei. Am Anfang habe er sie anschauen wollen und habe ein Bild gewollt, später habe er dann etwa drei, vier Mal gefragt, ob er einen Finger einführen dürfe, mehr sei eigentlich nicht passiert (AS 689 unten).

 

Die Aussagen der Privatklägerin namentlich zur Häufigkeit der Vorfälle gehen somit weit auseinander. Die Gutachterin äusserte sich auf AS 706 f. wie folgt dazu:

«Als hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit sehr problematisch sind allerdings Frau C.___ Angaben zu Zeit, Dauer und Häufigkeit anzusehen. Schätzungen, abstrakte zeitliche Einordnungen, Häufigkeitsangaben (insbesondere solche zu mehr als sieben Ereignissen) Angaben zur Dauer von Handlungen gelten grundsätzlich als wenig zuverlässig, weil man sich an solche Informationen nicht im engeren Sinne erinnert, sondern diese vielmehr rekonstruiert. Aus diesem Grunde ist gedächtnispsychologisch auch erwartbar, dass sich diesbezüglich unabhängig vom Erlebnisgehalt einer Schilderung Inkonstanzen ergeben (Volbert & Steller, 2015). Gleichwohl erscheinen die Angaben zur Frequenz der in Frage stehenden Handlungen widersprüchlich.

Bei näherer Betrachtung der Aussagentranskripte zeigt sich allerdings, dass die Probandin selbst bei beiden Aussagezeitpunkten von sich aus von unregelmässigen (von Gelegenheiten abhängigen) Ereignissen sprach, welche zu Beginn selten (ca. einmal im Monat) und dann häufiger stattgefunden hätten (wenn es sich ergeben habe, ca. einmal pro Woche) und später wieder seltener stattgefunden hätten (wobei es diesbezüglich eine Diskrepanz zwischen «alle 1 – 2 Woche» – Polizei – und «einmal im Monat, wenn überhaupt» gibt). In ihrer zweiten Einvernahme berichtete sie das auch, ihr wurde aber insgesamt kaum Gelegenheit zu freiem Bericht gegeben, sondern stattdessen wurden zahlreiche sehr direkte Fragen gestellt und v.a. von Beginn an stark auf das Erfragen von Aspekten fokussiert, an die Aussagende kaum Erinnerungen haben, sondern dieses rekonstruieren (Häufigkeiten, Dauerschätzungen, zeitliche Einordnungen). Schliesslich wurde trotz vorheriger Weigerung die Festlegung auf eine abstrakte Zahl eingefordert und dabei der Zeitraum von zwei Jahren betont. Was auf solche Fragen geantwortet wird, ist weder Erinnerung noch zuverlässige Schätzung, und angesichts des in dieser Einvernahme insgesamt hohen Rechtfertigungsdrucks (ausgelöst durch wiederholtes Einfordern einer Begründung für ihr Nachgeben und Geschehenlassen) ist die Gefahr gross, dass auf eine eigentlich nicht beantwortbare Frage irgendwann einfach irgendeine Antwort gegeben wird. Die von der Probandin in dieser Situation angegebene Zahl dürfte insofern eine reine Kalkulation (alle ein bis zwei Wochen über den genannten Zeitraum) sein, welche mit dem tatsächlichen Erleben nichts zu tun haben, aber auch nicht im Widerspruch dazu stehen muss, dass die Probandin sich nur noch an (vergleichsweise) wenige Ereignisse konkret erinnern kann. Vielmehr scheint diese Diskrepanz zu einem guten Teil durch die Art der Befragung verursacht zu sein.

Dabei ist anzumerken, dass ihre Häufigkeitsangaben auch in anderen Zusammenhängen nicht zu ihren Schilderungen und Begrifflichkeiten passen; so schilderte die Probandin in der Ersteinvernahme eine Situation, in der sie den Penis des Beschuldigten in die Hand genommen habe, verwendete gleichzeitig den Begriff «mängisch» und gab als konkrete Zahl ein Mal (vielleicht zwei Mal) an. Im Zusammengang mit den Fotos deutet sich eine mögliche Erklärung hierfür an, die über die Formulierungsschwäche hinausgehen könnte: an der (nachweislich falschen und dennoch grundsätzlich erlebnisbasierten) Erinnerung Aussage, dass das mit den Fotos eigentlich immer gleich gewesen sei, wird deutlich, dass die Probandin von sich aus als Häufigkeit angibt, woran sie sich im Moment konkret erinnern kann (also nicht von Meta-Wissen ausgeht: «das cha würklich si, aber i cha mi grad würklich nume a zwei drü Mau, erinnere, won er mi ebä gfrogt het, woni gstange bi ähm»), gleichzeitig aber «gefühlt» von mehr Ereignissen ausgeht und aus diesem Grunde entsprechende Formulierungen wählt, die implizit stets nach häufigeren Ereignissen klingen. Da nicht jederzeit jede Episode gleich präsent ist, könnte dies auch Diskrepanzen zwischen verschiedenen Zeitpunkten erklären und auch erklären, dass die spontanen Angaben (die erzwungene Festlegung auf eine Gesamtzahl ist wie erläutert eine andere Situation) stetig gedächtnispsychologisch plausibel etwas geringer werden, gleichzeitig aber geäussert wird, dass viel und über einen längeren Zeitraum vorgefallen sei.

Gleichwohl bleibt zu konstatieren, dass auf diese zeitlichen Einordnungen und Häufigkeitsangaben nicht abgestellt werden kann, über die Häufigkeit in Frage stehender Handlungen somit auf Basis ihrer Angaben keine Aussage getroffen werden kann, diese indirekt aus ihren Schilderungen zu erschliessen, ist als Teil der Beweiswürdigung nicht Gegenstand dieses Gutachtens. Insgesamt ist somit zu konstatieren, dass sich zwar im Hinblick auf zeitliche Einordnungen und Häufigkeitsangaben Auffälligkeiten zeigen, diese aber bei der Probandin gleichermassen hinsichtlich nicht in Frage stehender Sachverhalte festzustellen sind, weswegen sie für sich genommen nicht den Schluss auf fehlenden Erlebnisbezug erlauben. Ob es darüber hinaus durch die Fokussierung auf Häufigkeiten und den Rechtfertigungsdruck bei der zweiten Einvernahme auch zu einer Aggravation gekommen sein könnte, wird im Rahmen der folgenden Hypothesenprüfung diskutiert.»

 

Die entsprechende Problematik, dass man auf die in den beiden Videoeinvernahmen getätigten Häufigkeitsangaben nicht abstellen kann, wird im Gutachten mehrfach thematisiert bzw. wiederholt:

-  AS 710 unten: Erinnerungen an multiple ähnliche Ereignisse seien nicht selten generischer statt episodischer Natur, es würden eher «typische Abläufe» anstatt konkreter Einzelepisoden berichtet. Die Formulierungen der Probandin («albigs», «immer» u.a.) deuteten darauf hin, dass die Privatklägerin trotz aller Bemühungen der Sachverständigen, Einzelepisoden zu explorieren, grossenteils von generischen und nicht von episodischen Erinnerungen berichtet habe, wodurch bereits Qualitätseinbussen zu erwarten seien.

-  AS 712 Mitte: Die Probandin neige dazu, zeit- und häufigkeitsbezogene Begriffe recht beliebig zu verwenden; anderseits würden fallneutral wie fallbezogen Probleme mit der zeitlichen Verortung von Episoden deutlich.

-  AS 723: Die Privatklägerin zeige keinerlei Belastungsseifer. Im Gegenteil schienen ihre Angaben zur Häufigkeit und Dauer im Laufe der Zeit tendenziell abzunehmen. Einen Ausreisser bilde die erzwungene Häufigkeitsangabe im Rahmen der zweiten Einvernahme, das problematische Zustandekommen dieser Angaben sei bereits diskutiert worden.

-  AS 732 unten und AS 733 oben: Nicht abzuweisen sei die Möglichkeit einer unabsichtlichen Vermengung einzelner Details innerhalb der hier behaupteten und mit Blick auf H.___ nicht in Frage stehenden multiplen Ereignisse. Hiermit seien jedoch weniger die Fragen der Aussagezuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit bzw. die eines grundsätzlichen Erlebnisbezugs tangiert, als die der aussagepsychologisch kaum zu beantwortenden Frage der Aussagegenauigkeit im Hinblick auf einzelne Details. Ohnehin dürften sich unter hypothetischer Annahme eines Erlebnisbezugs der Beschuldigungen bei diesen Ausgangsbedingungen und nach Ablauf mehrerer Jahre sowie ausgesprochen geringer Aussagemotivation der Hauptbelastungszeugin die genauen Abläufe sowie die genaue Frequenz in Frage stehender und nicht in Frage stehender Handlungen nur schwer rekonstruieren lassen.

 

1.4.8.3 Wenn man die Aussagen der Privatklägerin und die schlüssigen Erwägungen der Gutachterin unter Beachtung des Grundsatzes in dubio pro reo würdigt, kommt man mit Blick auf die für den Beschuldigten deutlich günstigeren Angaben der Privatklägerin gegenüber der Gutachterin zu folgenden Schlüssen: Der Beschuldigte hat die Privatklägerin mehrfach an den Brüsten und an den Genitalien berührt bzw. gestreichelt und bei drei bis vier Vorfällen auch einen, vereinzelt zwei Finger, in die Vagina eingeführt. Er hat sie dabei gefragt, ob er mit dem Finger in ihre Scheide eindringen dürfe. Die Privatklägerin sagte jeweils zunächst «nein», gab aber dem Bitten des Beschuldigten dann jeweils nach. Dies, weil sie den Beschuldigten von allen Familienmitgliedern am liebsten gehabt habe, aber auch, um den sowieso schon angeschlagenen Zusammenhalt der Familie nicht zusätzlich zu gefährden. Wenn die Privatklägerin Schmerzen verspürte, versuchte der Beschuldigte vorsichtiger vorzugehen hörte auch auf. Wenn sie «stopp» sagte, hörte er jeweils auf. Es handelte sich dabei nicht um die schwerwiegendsten sexuellen Handlungen wie Geschlechtsverkehr, Oral- Analverkehr. In zwei Fällen konnte die Privatklägerin einen Termin vorschieben, sodass es nicht zu einem Vorfall kam. Einmal verlangte der Beschuldigte, dass ihn die Privatklägerin mit der Hand befriedige, was sie (auch mit WC-Papier) nicht wollte. Sie hat seinen Penis kurz angefasst und er rieb sich dann vor der Privatklägerin seinen Penis, ohne aber bis zum Samenerguss zu kommen. Zu Gunsten des Beschuldigten ist insgesamt – mit Einschluss einiger Vorfälle, bei denen es nur zu Berührungen bzw. zum Streicheln kam – von einer Grössenordnung von 10 bis 15 Vorfällen auszugehen. Nach den obigen Ausführungen (Ziffer 1.4.7.1 f. hiervor) kann man diese Vorfälle zweifellos dem letzten – und somit dem angeklagten Zeitraum – zuordnen. Zu Verlangen gar Versuchen eines Geschlechtsverkehrs kam es – im Gegensatz zum Bruder H.___ – nie. Generell schilderte die Privatklägerin die Übergriffe des Beschuldigten als deutlich anders als bei H.___: Der Beschuldigte habe nicht viel verlangt, es sei eine kurze Zeit gewesen und im Hellen passiert, wenn sie alleine im Haus gewesen seien. Generell war der Beschuldigte im Vergleich mit H.___ zurückhaltend und wenig fordernd. Drohungen, Zwang Gewalt setzte er nicht ein, wenn die Privatklägerin «stopp» sagte, hörte er auf.

 

 

2.    Rechtliche Würdigung

 

In Bezug auf die rechtliche Würdigung kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf US 51 ff. (Ziffer IV.1) verwiesen werden. Es ist offensichtlich, dass die genannten Vorfälle gemäss Ziffer 1 lit. b und c der Anklagschrift jeweils den Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziffer 1 StGB, in zwei Fällen in Form eines Versuchs, erfüllen. Der vorinstanzliche Schuldspruch wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern ist zu bestätigen. Hingegen hat bezüglich der Vorhalte gemäss Ziffer 1 lit. a der Anklageschrift ein Freispruch zu ergehen.

 

 

IV.          Mehrfache Pornographie

 

 

1.    Sachverhalt

 

1.1 Dem Beschuldigten wird unter Ziffer 2 lit. b der Anklageschrift vorgehalten, er habe in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 1. April 2015 (Erstellungsdaten) bzw. bis am 26. Juni 2016 (Hausdurchsuchung) mittels seines Laptops und seines Handys wiederholt Bild- und Filmaufnahmen, die sexuelle Handlungen mit Tieren zum Inhalt hätten, aus dem Internet über elektronische Mittel beschafft, dies in der Zeit von Juli 2014 bis April 2015, allesamt über Webseiten im Internet. Zwei Videodateien stammten von Synchronisationen eines Mobiltelefons. Die verbotenen Dateien habe er auf seinem Laptop und auf seinem Handy gespeichert, wodurch er solche Dateien hergestellt und besessen habe, soweit er sie nicht vorgängig gelöscht habe. Am 23. Juni 2016 habe der Beschuldigte noch insgesamt 304 Bildaufnahmen und 11 Filmaufnahmen mit Zoophilie auf seinem Laptop sowie eine Filmaufnahme mit Zoophilie auf seinem Handy besessen.

 

1.2 Der Sachverhalt ist im Grundsatz unbestritten, die genannten Dateien mit Darstellungen von sexuellen Handlungen mit Tieren, hauptsächlich Hunden und Pferden, konnten polizeilich gesichert werden und befanden sich überwiegend im Cache-Verzeichnis des Internet-Browsers Comodo Dragon. Die Vorinstanz hat auf US 47 ff. zu den Einwänden des Beschuldigten zutreffend Stellung genommen, zusammengefasst kann Folgendes ausgeführt werden:

Aufgrund der grossen Menge an einschlägigen Dateien – und bezeichnenderweise handelt es sich ausnahmslos um Dateien mit Zoophilie – ist nicht davon auszugehen, dass diese – mit Ausnahme von Bild Nr. 15 – zufällig und ohne Zutun des Beschuldigten auf seine elektronischen Mittel gelangt sein können, auch wenn bei ihm keine Webseiten-Adressen mit entsprechenden Begriffen in der Adresse eingegebene Suchbegriffe gefunden und dokumentiert werden konnten. Die entsprechenden Ausführungen im Nachtragsrapport der IT-Forensik der Polizei Kanton Solothurn vom 17. Oktober 2022 (SL AS 34 f.) überzeugen.

 

 

2.    Rechtliche Würdigung

 

Auch diesbezüglich kann vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz auf US 56 verwiesen werden. Die inkriminierten Dateien zeigen sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Menschen und Tieren (hauptsächlich vaginale und orale Penetration mit Hunden und Pferden). Der tierpornografische Gehalt dieser Darstellungen ist zweifellos gegeben. Der Beschuldigte kannte die Funktionsweise des Cache-Speichers und wusste somit um die automatische Speicherung der strafbaren pornographischen Dateien beim Besuch der entsprechenden Internetseiten und löschte diese im Nachgang an die Internetsitzung nicht. Entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat er die Bild- und Videodateien zum eignen Konsum besessen. Dies gilt ebenso für die beiden Videos, welche durch die Synchronisation des Mobiltelefons auf seinem Laptop gespeichert wurden und das Video mit tierpornografischem Inhalt auf seinem Handy, das er gemäss eigenen Angaben per WhatsApp erhalten hatte und in der Folge ebenfalls nicht löschte.

 

Der Beschuldigte hat sich somit der mehrfachen Pornographie im Sinne von Art. 197 Abs. 5 StGB (Besitz zum Eigenkonsum) schuldig gemacht. Da die Verjährungsfrist für diese Strafbestimmung mit einer Strafdrohung von maximal einem Jahr Freiheitsstrafe sieben Jahre beträgt (Art 97 Abs. 1 lit. d StGB), umfasst der Schuldspruch – im Gegensatz zur Vorinstanz – nur noch die Zeit vom 20. April 2016 bis 23. Juni 2016. Der Besitz der Tierpornografie bis zum 19. April 2016 ist verjährt.

 

Bereits rechtskräftig ist der implizite Freispruch der Vorinstanz vom Vorhalt der mehrfachen Beschaffung und Herstellung von Pornographie zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 1. April 2015 wegen Verjährung (US 56 Ziffer 2.3 erster Abschnitt).

 

 

V.            Strafzumessung

 

1.    Allgemeines zur Strafzumessung

 

Die Vorinstanz hat die allgemeinen Grundsätze zur Strafzumessung, zur Bildung einer Gesamtstrafe, zum Beschleunigungsgebot und zum (zeitlich) anwendbaren Recht (anzuwenden ist das zur Tatzeit geltende Sanktionenrecht) korrekt dargelegt (US 57 ff.), darauf kann verwiesen werden.

 

 

2.    Konkrete Strafzumessung

 

2.1.1 Schwerste Straftat sind die sexuellen Handlungen mit Kindern, welche gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren mit Geldstrafe zu bestrafen sind. Da es sich um eine mehrfache Tatbegehung handelt, wäre bei der Gesamtstrafenbildung zunächst die Einsatzstrafe für den am schwersten wiegenden Einzelfall festzusetzen und diese zur Abgeltung der weiteren Handlungen – nach Festlegung einer jeweiligen hypothetischen Strafe – asperationsweise jeweils angemessen zu erhöhen. Gemäss der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung weist der Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern Züge eines Dauerdelikts auf, wenn die Handlungen in einer Paarbeziehung erfolgen. Es könne nicht für jeden Kuss jede Berührung nach Art. 49 Abs. 1 StGB eine separate Strafe festgesetzt werden. Jeden Kuss einzeln zu asperieren, wäre auch deswegen nicht möglich, weil die Anzahl der einschlägigen Handlungen nicht bestimmbar ist. Das Bundesgericht hat es daher zugelassen, in solchen Konstellationen Tatgruppen zu bilden (Urteil 6B_432/2020 vom 30. September 2021 E. 1.4). Entsprechend ist bei den vorliegend zu beurteilenden sexuellen Handlungen von einer Tatgruppe auszugehen und dafür gesamthaft eine Strafe festzusetzen.

 

2.1.2 Wie das Bundesgericht in einem jüngsten Urteil 6B_658/2021 vom 27. Januar 2022 E. 2.3.1 ausführt, beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall eine Geld- Freiheitsstrafe auszusprechen sei, gemäss Art. 47 StGB nach dem Ausmass des Verschuldens (BGE 144 IV 217 E. 3.3.1), wobei die Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe als mildere Sanktion gelte. Das Gericht trage bei der Wahl der Strafart neben dem Verschulden des Täters, der Zweckmässigkeit der Strafe, ihren Auswirkungen auf die Täterschaft und auf ihr soziales Umfeld sowie ihrer Wirksamkeit unter dem Gesichtswinkel der Prävention Rechnung (BGE 147 IV 241 E. 3.2; 144 IV 313 E. 1.1.1; 134 IV 82 E. 4.1, 134 IV 97 E. 4.2). In Fällen, wo verschiedene Strafarten in Betracht kämen, könne das Verschulden nicht das entscheidende Kriterium bilden, sei aber neben den weiteren bestimmenden Kriterien für die Wahl der Strafart zu berücksichtigen bzw. adäquat einzuschätzen. Nach der Konzeption des StGB habe das Verschulden einen Einfluss auf die Wahl der Strafart, weil die schwersten Straftaten mit Freiheitsstrafe und nicht mit Geldstrafe zu sanktionieren seien (BGE 147 IV 241 E. 3.2). Methodisch sei in der Weise vorzugehen, dass zuerst die Strafart festzulegen und dann das Strafmass festzusetzen sei (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1). Wenngleich Letzteres in vielen Fällen kaum richtig sein kann, ist im vorliegenden Fall mit Blick auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_93/2022 vom 24. November 2022 für die Tatgruppe der sexuellen Handlungen mit Kindern a priori eine Freiheitsstrafe auszufällen.

 

2.2.1 Art. 187 StGB soll die Gefährdung der sexuellen Entwicklung der Unmündigen verhindern. Es geht darum, die ungestörte Entwicklung des Kindes zu gewährleisten, bis es die notwendige Reife erlangt hat, damit es zur verantwortlichen Einwilligung zu sexuellen Handlungen in der Lage ist. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich beim Rechtsgut der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes um ein hochwertiges Gut, da verfrühte bzw. nicht altersgemässe Sexualkontakte für jedes Kind das Risiko bergen, in seiner Persönlichkeitsbildung und Sexualentwicklung durch das Erlebte in irgendeiner Form beeinträchtigt zu werden (Philipp Maier in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Auflage 2019, Art. 187 N 3a). Im vorliegenden Fall geht es um leichte (Betasten von Brüsten, Po und Scheide) bis mittelschwere (Einführen von Fingern in die Scheide) Handlungen der im Rahmen der unter Art. 187 StGB möglichen Straftaten. Einmal wollte der Beschuldigte die Privatklägerin veranlassen, von Hand seinen Penis zu stimulieren, was sie ablehnte. Insgesamt waren rund zehn bis 15 einzelne Vorfälle im Verlauf von anderthalb Jahren zu verzeichnen, davon endeten zwei in einem frühen Versuchsstadium. Für die minderjährige Privatklägerin waren es die ersten sexuellen Erfahrungen. Der Beschuldigte war zur Tatzeit zwischen 18 und 19,5 Jahre alt, er war viereinhalb Jahre älter als die geschädigte Privatklägerin. Die Grenze zur Straffreiheit (drei Jahre Altersunterschied, Art. 187 Ziff. 2 StGB) war damit nur um anderthalb Jahre überschritten. Der Beschuldigte ging nach der Darstellung der Privatklägerin vergleichsweise zurückhaltend vor, versuchte, Schmerzen bei der Privatklägerin zu vermeiden und hörte auf, wenn sie «stopp» sagte. Andererseits musste dem Beschuldigten klar sein, dass die Privatklägerin die Übergriffe ablehnte, musste er sie doch jeweils längere Zeit «anbetteln», bis sie seinem Drängen nachgab. Dabei nutzte er ein bestehendes Vertrauensverhältnis – notabene als Halbbruder – aus und die Tatsache, dass es der Privatklägerin angesichts der desolaten familiären Situation kaum möglich war, sich seinen Avancen gänzlich zu verweigern. Die Folgen der Delikte für die Privatklägerin waren erheblich: Die Privatklägerin hatte grosse Mühe mit Sexualität und Intimität, lehnte ihren Körper ab und litt häufig an Ekel sowie Vertrauensproblemen (vgl. Therapiebericht vom 28. Januar 2023, SL AS 160 f., und nachfolgende Ausführungen zur Genugtuung). Anlässlich der Berufungsverhandlung wurden keine Therapieberichte mehr eingereicht, weshalb davon auszugehen ist, dass die Privatklägerin die Therapie hat abschliessen können. Die Persönlichkeitsbildung und Sexualentwicklung, welche durch Art. 187 StGB geschützt werden sollen, wurden somit effektiv beeinträchtigt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Übergriffe von H.___ weitaus häufiger und schwerwiegender waren als diejenigen des Beschuldigten. Der Beschuldigte hat mit direktem Vorsatz, hartnäckig und aus rein egoistischen Beweggründen gehandelt. Die Taten wären für den Beschuldigten ohne weiteres vermeidbar gewesen. Der Beschuldigte hörte auch nicht aus freien Stücken auf mit den Delikten, sondern erst nach dem Gespräch mit der Mutter und dem anschliessenden Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Wäre bei einem einzelnen Delikt zweifellos noch von einem sehr leichten bis leichten Verschulden auszugehen, ist das Tatverschulden für die mehrfachen sexuellen Handlungen zum Nachteil der Privatklägerin insgesamt im Übergangsbereich von leichtem bis mittelschwerem Verschulden zu verorten. Dem entspricht beim vorliegend zur Anwendung gelangenden Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten.

 

2.2.2 Der Beschuldigte gab bei der Befragung zur Person vor der Vorinstanz eine ausführliche schriftliche Aufzeichnung der Geschehnisse bis zu seinem 11. Geburtstag zu den Akten (AS 613 ff.). Er schildert darin eine schwere Jugend mit Schlägen und einer auch sonst sehr schwierigen Beziehung zur Mutter, mit einer kaum vorhandenen Beziehung zum getrennt lebenden Vater (Kontaktabbruch im Jahr 2006) sowie mit häufig wechselnden Bezugspersonen (verschiedene Partner der Mutter, zwei verschiedene Väter der Halbgeschwister). Danach seien seine Jugendjahre ähnlich weiter verlaufen, Vater und Mutter nennt er nur noch «Erzeuger» und «Erzeugerin» (AS 608 f.). Bei einem Unfall erlitt er schwere Brandverletzungen, welche grosse Narben hinterliessen. Der Beschuldigte absolvierte eine Lehre als Anlage- und Apparatebauer und arbeitete danach zuerst temporär und ab dem 1. März 2016 bei der L.___ AG und engagierte sich ab dem 1. Januar 2017 bei der Feuerwehr [Ort 1] (AS 610). Gemäss seinen Aussagen anlässlich der Schlusseinvernahme vom 20. April 2021 arbeitete der Beschuldigte damals als Hundeführer im Stundenlohn, dies vor allem im Objektschutz. Dabei verdiene er netto CHF 4'000.00 bis 4'800.00, je nach Aufträgen. Seit 2014 sei er mit seiner (damaligen) Verlobten zusammen. Zur Mutter und zu den Geschwistern habe er keinen Kontakt mehr. Das jahrelange Verfahren belaste ihn sehr (AS 306 ff.). Vor der Vorinstanz (SL AS 110 ff.) ergänzte der Beschuldigte, er habe (auch) wegen der Belastung durch das Strafverfahren psychosomatische Symptome (dissoziative Anfälle mit Krampfanfällen) entwickelt und deshalb ab 2022 hie und da psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Er sei – nicht wegen dieser Sache – nun [ins Ausland] ausgewandert, dort arbeite er bei einer [Firma] und wohne bei einer Kollegin. Je nach Pensum verdiene er monatlich zwischen US$ 3'000.00 und US$ 4'500.00 brutto. Bei einer Verurteilung könne es zum Entzug der derzeit provisorischen Aufenthaltsbewilligung kommen. Sein Traum sei es, [im Ausland] eine Familie zu gründen. Nach Erhalt der [Aufenthaltsbewilligung] (nach fünf Jahren Aufenthalt) wolle er die Polizeiausbildung absolvieren und bei der Polizei als Diensthundeführer arbeiten. Vor Obergericht führte er aus, er habe nach dem erstinstanzlichen Urteil [das Ausland] verlassen müssen und befinde sich derzeit in der Schweiz und absolviere eine Ausbildung als Devisen- und Edelmetall-Trader (Day-Trader). Über ein Einkommen verfüge er nicht, er lebe aus getätigten Rücklagen.

 

Die schwierige Jugend des Beschuldigten und das jugendliche Alter zur Zeit der Tatbegehung (begonnen hat er die sexuellen Handlungen noch als Jugendlicher) sind leicht strafmindernd zu berücksichtigen.

 

Der Beschuldigte ist im Strafregister nicht verzeichnet. Er hat weder aufrichtige Reue gezeigt noch ein Geständnis abgelegt. All das wirkt sich neutral auf die Strafzumessung aus.

 

Eine besondere Strafempfindlichkeit liegt beim Beschuldigten nicht vor, namentlich reichen dazu sich aus einer strafrechtlichen Verurteilung eventuell ergebende Probleme bei ausländischen Aufenthaltsbewilligungen nicht aus.

 

Gemäss Art. 48 lit. e StGB mildert das Gericht die Strafe, wenn das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter sich in dieser Zeit wohl verhalten hat. Die Praxis fordert eine Strafmilderung dann, wenn zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen sind (BGE 140 IV 145). Gemäss Art. 97 Abs. 1 lit. b gilt für den Straftatbestand eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Die Sexualdelikte liegen zehn und mehr Jahre zurück, der Beschuldigte hat sich in dieser Zeit wohl verhalten und damit Anspruch auf eine Strafmilderung.

 

Die Täterkomponenten wirken sich insgesamt deutlich strafreduzierend aus: Die Freiheitsstrafe von 22 Monaten ist um einen knappen Drittel auf nunmehr 15 Monate zu reduzieren.

 

2.2.3 Die Vorinstanz hat eine eindeutige Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt (sowohl im Urteil der Vorinstanz als auch in der Urteilsanzeige im Berufungsverfahren [BAS 209 ff.] wurde dies nicht formell im Urteilsdispositiv festgehalten, was nachzuholen ist): Beim staatsanwaltschaftlichen Vorverfahren waren während fast zweieinhalb Jahren keine Verfahrenshandlungen erkennbar, vor der Vorinstanz ruhte das Verfahren ein weiteres Jahr ohne ersichtlichen Grund. Folgen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes sind meistens die Strafreduktion, manchmal der Verzicht auf Strafe oder, als ultima ratio in Extremfällen, die Einstellung des Verfahrens (BGE 143 IV 373 E. 1.4.1, 49 E. 1.8.2; 135 IV 12 E. 3.6; Urteile 6B_1068/2022 vom 8. Februar 2023 E. 5.2; 6B_834/2020 vom 3. Februar 2022 E. 1.3; 6B_1314/2020 vom 8. Dezember 2021 E. 3.2; je mit Hinweisen). Bei der Frage nach der sachgerechten Folge ist zu berücksichtigen, wie schwer die beschuldigte Person durch die Verfahrensverzögerung getroffen wurde, wie gravierend die ihr vorgeworfenen Taten sind und welche Strafe ausgesprochen werden müsste, wenn das Beschleunigungsgebot nicht verletzt worden wäre. Rechnung zu tragen ist auch den Interessen der geschädigten Personen und der Komplexität des Falls. Schliesslich ist in Betracht zu ziehen, wer die Verfahrensverzögerung zu vertreten hat (BGE 143 IV 373 E. 1.4.1; 117 IV 124 E. 4e; Urteile 6B_834/2020 vom 3. Februar 2022 E. 1.3; 6B_1314/2020 vom 8. Dezember 2021 E. 3.2; je mit Hinweisen).

 

Die Verletzung des Beschleunigungsgebotes beansprucht neben dem Strafmilderungsgrund von Art. 48 lit. e StGB selbständige Bedeutung. Es handelt sich vorliegend bei der unbegründeten Verzögerung um dreieinhalb Jahre und einer gesamten Verfahrensdauer von acht Jahren um eine erhebliche Verletzung des Beschleunigungsgebots. Wie der Beschuldigte glaubhaft ausführte, belastete ihn das langandauernde Strafverfahren stark. Er hatte die genannten Verfahrensverzögerungen nicht zu vertreten. Die Verfahrensverschleppung um mehrere Jahre führte aber auch dazu, dass dem Beschuldigten eine Strafmilderung nach Art. 48 lit. e StGB zu gewähren ist. Die Strafe ist um weitere 20% auf nunmehr 12 Monate Freiheitsstrafe zu reduzieren.

 

2.2.4 Es ist nunmehr zur Abgeltung der mehrfachen Pornographie eine Geldstrafe auszufällen. Auch hier ist auf die Ausfällung von Einzelstrafen zwecks Bildung einer Gesamtstrafe zu verzichten und auf eine Strafe für die gesamte Tatgruppe zu erkennen. Beim Beschuldigten wurden über 300 Dateien gefunden mit tierpornografischem Inhalt. Die Dateien befanden sich weit überwiegend im (temporären) Cache-Speicher und waren dort vom System automatisch abgespeichert worden. Der Beschuldigte musste dazu – neben seinem Konsum entsprechender Bilder und Videos – nichts beitragen. Es handelt sich wohl um eine grössere Anzahl Dateien, der reine Besitz zum Eigenkonsum wiegt aber im Vergleich zu den anderen möglichen Tathandlungen wie das Einführen Herstellen grundsätzlich leichter. Gleiches gilt für die Tierpornographie im Vergleich zur Pornographie mit Gewaltdelikten. Es handelte sich zudem um eine sehr kurze Tatzeit. Das Verschulden ist mit der Vorinstanz als sehr leicht bis leicht zu bewerten. Innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Geldstrafe erscheint eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen als angemessen. Da auch hier die oben aufgeführten Strafmilderungsgründe zum Tragen kommen (die Strafmilderung von Art. 48 lit. e StGB noch in verstärktem Ausmass, da die Verjährungsfrist nur sieben Jahre beträgt, die im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils beinahe abgelaufen war), ist die Strafe um die Hälfte auf 20 Tagessätze zu reduzieren.

 

2.2.5 Die Höhe des Tagessatzes ist mit Blick auf die derzeitige Einkommenslosigkeit des Beschuldigten auf CHF 30.00 festzusetzen.

 

2.2.6 Es spricht nichts dagegen, dem Beschuldigten den bedingten Strafvollzug zu gewähren, mit einer minimalen Probezeit von zwei Jahren.

 

2.2.7 An die Freiheitsstrafe ist dem Beschuldigten die ausgestandene Untersuchungshaft von drei Tagen anzurechnen.

 

 

VI.          Beschlagnahmte Gegenstände

 

Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Grundlagen zur Einziehung beschlagnahmter Gegenständen auf US 68 f. zutreffend dargelegt und in der Folge darüber korrekt entschieden. Der erstinstanzliche Entscheid (Herausgabe des Mobiltelefons LG H420, Einziehung und Vernichtung der übrigen Gegenstände Laptop Asus, Mobiltelefone Huawei und Nokia) ist diesbezüglich unter Verweis auf die entsprechenden Erwägungen zu bestätigen.

 

 

 

 

VII.         Zivilforderungen

 

1. Die Vorinstanz hat auch die rechtlichen Grundlagen betreffend Zivilforderungen (Schadenersatz und Genugtuung) auf US 70 f. zutreffend dargelegt, darauf kann ebenfalls verwiesen werden.

 

2. Bestätigt werden kann die erstinstanzliche Zusprechung von Schadenersatz in der beantragten Höhe von CHF 199.30, da der Beschuldigte zweifellos eine Mitverantwortung für diese Therapie und die daraus entstandenen Kostenfolgen trägt. Über die interne Verteilung der Forderungen mit solidarischer Haftung (allfälliger Rückgriff) ist nicht an dieser Stelle zu entscheiden. Gleiches gilt für den vorinstanzlichen Entscheid, dass der Beschuldigte zu 100% als haftpflichtig erklärt wird für weitergehende Schadenersatzforderungen, resultierend aus seinen Straftaten vom 3. November 2012 bis 30. Juni 2014. Es kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen auf US 71 f. verwiesen werden.

 

3. Hinsichtlich der Genugtuung kann ebenfalls grundsätzlich auf die Erwägungen der Vorinstanz auf US 72 ff. verwiesen werden. Dass ein Anspruch auf Genugtuung besteht, ist nicht bestreitbar. Allerdings hat das Beweisverfahren eine deutlich geringere Anzahl Handlungen ergeben. Dementsprechend ist entgegen der Vorinstanz nicht mehr von einem mittelschweren, sondern von einem leichten bis mittelschweren Verschulden auszugehen. Die Delikte erstreckten sich aber über eine lange Dauer von gut anderthalb Jahren. Die Privatklägerin war zur Tatzeit 13,5 bis 15 Jahre alt und trug erhebliche Folgen aus den Delikten des Beschuldigten davon. Dabei wird nicht übersehen, dass diese Folgen auch auf die schwerer wiegenden Übergriffe des Bruders H.___ zurückzuführen sind. Die Vorfälle für die damals sexuell noch völlig unerfahrene Geschädigte waren erniedrigend und störten nicht nur ihre sexuelle Entwicklung, sondern führten auch zu weiterem psychischem Schaden, wie der ausführliche Behandlungsbericht von M. Sc. M.___ vom 28. Januar 2023 offenbart (SL AS 160 f.) Die Privatklägerin begann eine erste Therapie im September 2016, diese wurde im Verlauf des Jahres 2017 abgeschlossen. Im Jahr 2016 hätten sich wegen der Übergriffe grosse Angst und Ekelgefühle gezeigt. Sie habe zur Tatzeit mit niemandem über die grenzüberschreitenden Handlungen in ihrer Pubertät sprechen können, weshalb es ihr nicht gelungen sei, eine integrierte Identität aufzubauen. Sie habe in ihren Liebesbeziehungen grosse Mühe gehabt mit Sexualität und Intimität, habe ihren Körper abgewertet und häufig an Ekel und Vertrauensproblemen gelitten. Wegen einer massiven Stresssituation bei der Arbeit musste sich die Privatklägerin im Oktober 2022 erneut in Behandlung begeben. Der weiterhin auffällig geringe Selbstwert wie auch das Misstrauen seien «Schemata, die durch die Ereignisse von ihren Brüdern stammen könnten». Zuletzt seien die Träume bezüglich ihren beiden Brüdern wieder häufiger geworden. Der erwähnte Behandlungsbericht ging – entgegen dem Bericht vom 16. November 2016 – nicht mehr von einer posttraumatischen Belastungsstörung aus. Jedoch wurden eine rezidivierende depressive Störung und ein Status nach sexuellen Übergriffen in der Kindheit diagnostiziert. Die heutige depressive Episode könne durchaus aufgrund der belastenden Ereignisse in der Kindheit entstanden sein. Denn sowohl der Selbstwert, die negative Selbstansicht, der Selbsthass, die Ekelgefühle sich selber gegenüber wie auch die Probleme, sich gegenüber anderen zu öffnen, sind gemäss dem Bericht Risikofaktoren, um eine depressive Störung zu entwickeln, und sind alles Muster, die auf die Geschehnisse von früher zurückzuführen sind. Wie bei den Erwägungen zur Strafzumessung ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die Privatklägerin ihre Therapie mittlerweile beenden konnte.

 

Ein Mitverschulden der Privatklägerin liegt nicht vor, vielmehr hat der Beschuldigte das Vertrauensverhältnis zu seiner Halbschwester ausgenutzt. Eine Genugtuung von CHF 7'000.00 nebst Zins zu 5% seit dem 1. September 2013 (mittlerer Verfall) ist den Umständen angemessen. Dies entspricht auch der Praxis des Berufungsgerichts in ähnlichen Fällen (bspw. STBER.2021.8, STBER.2014.87), während die von der Opfervertretung angeführten Gerichtsurteile mit der vorliegenden Sachlage nicht vergleichbar sind.

 

 

VIII.        Kosten und Entschädigungen

 

1. Der Beschuldigte wird grossmehrheitlich schuldig gesprochen, es erfolgten auch zwei Freisprüche, diese aber in Nebenpunkten. Es ist daher angemessen, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 28'270.00 zu 80%, das heisst im Umfang von CHF 22'616.00 dem Beschuldigten aufzuerlegen. Der Rest erliegt auf dem Staat.

 

Demnach ist das Rückforderungsrecht des Staates für die Kosten der amtlichen Verteidigung im erstinstanzlichen Verfahren von CHF 18'695.30 auf 80% CHF 14'956.25 zu beschränken. Da die Privatklägerin mit ihren Anträgen grundsätzlich erfolgreich war, besteht bezüglich der Entschädigung ihrer unentgeltlichen Beiständin eine Rückerstattungspflicht im Umfang von 100%.

 

2. Im Berufungsverfahren ist der Beschuldigte teilweise erfolgreich: Es erfolgte ein zusätzlicher Freispruch in einem Nebenpunkt, vor allem aber eine erhebliche Reduktion der Strafe und eine Reduktion der Genugtuung. Die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft war erfolglos, zog aber keinen zusätzlichen Aufwand nach sich, da die Strafzumessung aufgrund der (Haupt-)Berufung des Beschuldigten ohnehin zu prüfen war. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 6'150.00, somit dem Beschuldigten zu zwei Dritteln und dem Staat zu einem Drittel aufzuerlegen.

 

Die Honorarnote des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten für das Berufungsverfahren setzt sich inklusive Berufungsverhandlung und Urteilseröffnung aus einem Aufwand von 35.07 Stunden, Auslagen von CHF 6.10 sowie 7,7% MwSt. auf CHF 1'460.67, entsprechend CHF 112.47, bzw. 8,1% MwSt. auf CHF 5'208.10, ausmachend CHF 421.86 zusammen (BAS 204 ff.). Zuzüglich den geltend gemachten Auslagen und MwSt. ist die Entschädigung für Rechtsanwalt Dominik Schnyder, Balsthal, für das Berufungsverfahren auf CHF 7’203.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 2/3 (CHF 4'802.07) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

 

Die Honorarnote der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von C.___ für das Berufungsverfahren setzt sich inklusive Berufungsverhandlung und Urteilseröffnung aus einem Aufwand von 19 Stunden, Auslagen von CHF 188.00 sowie 7,7% MwSt. auf CHF 997.50, entsprechend CHF 76.81, bzw. 8,1% MwSt. auf CHF 2'612.50, ausmachend CHF 211.61 zusammen (BAS 202 f.). Zuzüglich den geltend gemachten Auslagen und MwSt. ist die Entschädigung für Rechtsanwältin Stephanie Selig, Solothurn, für das Berufungsverfahren auf CHF 4'086.42 (inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen und zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber A.___ im Umfang von 2/3 (CHF 2'724.28) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

 

 

 

 


 

Demnach wird in Anwendung von Art. 187 Ziff. 1, Art. 197 Abs. 5 Satz 1 StGB; Art. 22 Abs. 1, aArt. 34, aArt. 40, aArt. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 48, Art. 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 69, Art. 197 Abs. 6 StGB; Art. 122 ff., Art. 135, Art. 138, Art. 267, Art. 335 ff., Art. 379 ff., Art. 398 ff., Art. 416 ff., Art. 422 ff. StPO erkannt:

1.      Gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des Urteils des Amtsgerichts von Solothurn-Lebern vom 20. April 2023 wird A.___ freigesprochen vom Vorhalt der mehrfachen Pornografie (Vorhalt Ziff. 2 lit. a der Anklageschrift), angeblich begangen in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 23. Juni 2016.

2.      A.___ wird freigesprochen vom Vorhalt der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern (Vorhalt Ziff. 1 lit. a der Anklageschrift), angeblich begangen in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 23. Juni 2016.

3.      A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht:

a)      mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern, teilweise versucht (Vorhalt Ziff. 1 lit. b und c der Anklageschrift), begangen in der Zeit vom 3. November 2012 bis zum 30. Juni 2014,

b)      mehrfache Pornografie (Vorhalt Ziff. 2 lit. b der Anklageschrift), begangen in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis am 23. Juni 2016.

4.      Es wird festgestellt, dass im Strafverfahren gegen den Beschuldigten A.___ das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist.

5.      A.___ wird verurteilt zu:

a)      einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren,

b)      einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren.

6.      A.___ werden 3 Tage Untersuchungshaft an die Freiheitsstrafe angerechnet.

7.      Das sichergestellte Mobiltelefon LG H420 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) wird A.___ nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils auf entsprechendes Verlangen hin herausgegeben.

Ohne ein solches Begehren innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils wird das Mobiltelefon LG H420 durch die Polizei vernichtet, evtl. verwertet, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt.

8.      Die nachfolgend im Verfahren gegen A.___ sichergestellten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten:

a)      Laptop Asus X501A mit Festplatte Western Digital Scorpio blue ([…]),

b)      Mobiltelefon Huawei GRA-L09,

c)      Mobiltelefon Nokia RM-217.

9.      A.___ hat C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, Schadenersatz von CHF 199.30 zu bezahlen. Für weitergehende Schadenersatzforderungen, resultierend aus den Ereignissen in der Zeit vom 3. November 2012 bis zum 30. Juni 2014 (Vorhalt Ziff. 1 der Anklageschrift) wird der Anspruch der Privatklägerin bei einer Haftungsquote von 100% dem Grundsatz nach bejaht. Zur Ausmittlung der Schadenshöhe wird die Privatklägerin auf den Zivilweg verwiesen.

10.   A.___ wird verurteilt, C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, CHF 7'000.00 als Genugtuung zu bezahlen, zuzüglich 5% Zins ab 1. September 2013. Die darüber hinausgehende Forderung wird abgewiesen.

11.   Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 9 der Vorinstanz wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von C.___, Rechtsanwältin Stephanie Selig, für das vorinstanzliche Verfahren auf CHF 8'435.70 (Honorar CHF 7'522.60, Auslagen CHF 310.00, 7,7% MwSt. auf CHF 7'832.60, entsprechend CHF 603.10) festgesetzt und vom Staat Solothurn bezahlt. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 80% (CHF 6'748.56) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

12.   A.___ hat der Privatklägerin C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 5'345.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

13.   Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 11 des Urteils des Amtsgerichts von Solothurn-Lebern vom 20. April 2023 wurde die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Schnyder, auf CHF 18'695.30 (Honorar CHF 16'787.50, Auslagen CHF 551.50, 8% MwSt. auf CHF 7'074.50 entsprechend CHF 565.95, 7,7% MwSt. auf CHF 10'264.50, entsprechend CHF 790.35) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat bezahlt. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 80% (CHF 14'956.24) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

14.   Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von C.___, Rechtsanwältin Stephanie Selig, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 4'086.42 (Honorar CHF 3'610.00, Auslagen CHF 188.00 sowie 7,7% MwSt., ausmachend CHF 76.81, bzw. 8,1%, ausmachend CHF 211.61) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 2/3 (CHF 2'724.28), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

15.   Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Schnyder, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 7’203.10 (Honorar CHF 6'662.67, Auslagen CHF 6.10 sowie 7,7% MwSt. auf CHF 1'460.67, entsprechend CHF 112.47, bzw. 8,1% MwSt. auf CHF 5'208.10, ausmachend CHF 421.86) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat bezahlt. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 2/3 (CHF 4'802.07) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

16.   A.___ hat 80% der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'200.00, total CHF 28'270.00, folglich CHF 22'616.00 zu bezahlen. Die restlichen 20% (CHF 5'654.00) gehen zu Lasten des Staates.

17.   A.___ hat zwei Drittel der Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 6'150.00, folglich CHF 4'100.00 zu bezahlen. Der Rest (CHF 2'050.00) geht zu Lasten des Staates.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Werner                                                                              Kaufmann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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