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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2023.35)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2023.35
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2023.35 vom 26.08.2024 (SO)
Datum:26.08.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn verurteilte A.A.___ und B.A.___ wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. A.A.___ wurde zu einer Geldstrafe und einer Busse verurteilt, während B.A.___ mit einer Geldstrafe belegt wurde. Beide legten Einspruch ein, der schliesslich vor dem Obergericht verhandelt wurde. Die Anklagepunkte bezogen sich auf den Betrieb einer Hanf-Indooranlage und den Verkauf von Marihuana. Das Gericht stellte fest, dass A.A.___ und B.A.___ in Mittäterschaft gehandelt hatten. A.A.___ wurde freigesprochen, da die Beweise für seinen eigenen Marihuana-Konsum nicht ausreichten. Das Gericht stützte sich auf die glaubhaften Aussagen von B.A.___ und die Beweise aus den Chatnachrichten. Die Kosten des Verfahrens wurden den Beschuldigten auferlegt.
Schlagwörter: Beweis; Beschuldigte; Recht; Richt; Urteil; Berufung; Beschuldigten; Betäubungsmittel; Verfahren; Urteils; Betäubungsmittelgesetz; Beweise; Polizei; Person; Staat; Hausdurchsuchung; Anklage; Apos; Aussage; Marihuana; Berufungskläger; Vorinstanz; Berufungsverfahren; Hinweise; Bundesgericht; Solothurn; Indooranlage; Bundesgerichts; Schwester
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 139 StPO ; Art. 140 StPO ; Art. 141 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 197 StPO ; Art. 244 StPO ; Art. 299 StPO ; Art. 301 StPO ; Art. 302 StPO ; Art. 32 BV ; Art. 325 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 406 StPO ; Art. 408 StPO ; Art. 416 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 448 StPO ; Art. 453 StPO ; Art. 456a StPO ; Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:103 Ia 6; 115 IV 286; 120 Ia 36; 127 I 40; 129 I 151; 131 I 476; 131 IV 132; 133 I 33; 137 I 218; 141 IV 437; 141 IV 87; 142 IV 129; 143 IV 361;
Kommentar:
-, Kommentar StPO, Art. 82 StPO, 2020
Entscheid
 
Geschäftsnummer: STBER.2023.35
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 26.08.2024 
FindInfo-Nummer: O_ST.2024.54
Titel: Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und mehrfache Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 26. August 2024

Es wirken mit:

Präsident Werner

Oberrichterin Marti

Ersatzrichterin Laffranchi

Gerichtsschreiber Wiedmer

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn

 

Anklägerin

 

gegen

 

A.A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf,

 

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und mehrfache Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes


 

Die Berufung wird in Anwendung von Art. 406 Abs. 2 StPO im schriftlichen Verfahren behandelt.

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) verurteilte A.A.___ (nachfolgend: Beschuldigter / Berufungskläger) mit Strafbefehl vom 14. Juli 2022 wegen mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie mehrfacher Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 500.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu fünf Tagen Freiheitsstrafe (Aktenseiten Staatsanwaltschaft [AS] 330 f.). Ebenfalls mit Strafbefehl vom 14. Juli 2022 wurde B.A.___ wegen mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu CHF 140.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt (AS 324 f.).

 

2. Am 21. Juli 2022 erhoben sowohl der Beschuldigte, vertreten durch Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, als auch B.A.___ Einsprache gegen die Strafbefehle (AS 327, 334).

 

3. Mit Eingabe vom 23. August 2022 hielt die Staatsanwaltschaft an den angefochtenen Strafbefehlen fest und überwies diese mit den Akten dem Gerichtspräsidium Thal-Gäu zum Entscheid (AS 349 ff.).

 

4. Der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu (nachfolgend: Vorinstanz) erliess am 14. März 2023 folgendes Strafurteil (AS 457 ff.):

 

I.

1.      A.A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht:

a)     mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit vom 1. Juni 2020 bis am 9. Januar 2021,

b)     mehrfache Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 1. Juni 2020 bis am 9. Januar 2021.

2.      A.A.___ wird verurteilt zu:

a)     einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren,

b)     einer Busse von CHF 500.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen.

II.

1.      B.A.___ hat sich des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit vom 1. Juni 2020 bis am 9. Januar 2021, schuldig gemacht.

2.      B.A.___ wird zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je CHF 50.00 verurteilt, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren.

III.

1.      Das im Verfahren gegen A.A.___ beschlagnahmte Mobiltelefon Xiaomi Redmi schwarz, IMEI […], Sach-Nr. […] (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) wird A.A.___ nach Rechtskraft des Urteils herausgegeben.

2.      Folgende im Verfahren gegen A.A.___ beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten:

a)     7 Minigrip mit Hanfsamen

b)     2 Haushaltswaagen (Miostar und Envy)

c)      Gartenmaterial (div. Humusarten für den Pflanzenanbau)

d)     4 Listen (A4-Seiten mit möglicher Bestellliste und einem Einzahlungsschein)

e)     1 Trocknungsnetz grün

f)       0.50 Gramm Hanf (Jungpflanzen: ohne Blütenstände)

g)     10.20 Gramm Hanf (Jungpflanzen: ohne Blütenstände).

3.      Folgende im Verfahren gegen B.A.___ beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten:

a)     Hanf Indooranlage (Verzichtserklärung am 09.01.2021 unterzeichnet)

b)     38.20 g Hanf (Pflanze frisch: mit Blütenständen)

c)      69.00 g Hanf (Pflanze frisch: mit Blütenständen)

d)     19.80 g Hanf (Pflanze frisch: mit Blütenständen)

e)     42.10 g Hanf (Pflanze frisch: mit Blütenständen)

f)       29.10 g Hanf (Pflanze frisch: mit Blütenständen).

IV.

Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00, total CHF 5'500.00, sind wie folgt durch die Beschuldigten zu bezahlen:

a)      A.A.___: 1/2 entsprechend CHF 2'750.00,

b)      B.A.___: 1/2 entsprechend CHF 2'750.00.

 

5. Gegen das Urteil liess der Beschuldigte am 23. März 2023 die Berufung anmelden (AS 461.4; Art. 399 Abs. 1 StPO). Nach Erhalt des motivierten Urteils liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 16. Mai 2023 die Berufung erklären (Aktenseiten Berufungsgericht [ASB] 1 f.; Art. 399 Abs. 3 StPO). Das Urteil wurde betreffend den Beschuldigten A.A.___ mit Ausnahme der Urteilsziffer III. vollumfänglich angefochten. Konkret wurden folgende Änderungen des erstinstanzlichen Urteils verlangt:

-        Vollumfänglicher Freispruch (Urteilsziffer I. / 1.);

-        Aufhebung der Geldstrafe und Busse (Urteilsziffer I. / 2.);

-        Auferlegung der Verfahrenskosten an den Staat (Urteilsziffer IV. lit. a) und Ausrichtung einer Parteientschädigung.

 

6. Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 30. Mai 2023 auf eine Anschlussberufung und auf die weitere Teilnahme am Berufungsverfahren (ASB 8). B.A.___ hat auf die Erhebung eines Rechtsmittels verzichtet.

 

7. Mit Verfügung der Verfahrensleitung vom 8. August 2023 wurde gestützt auf Art. 406 Abs. 1 StPO das schriftliche Verfahren angeordnet (ASB 15 f.). Dem Berufungskläger wurde Frist gesetzt zur Einreichung einer schriftlichen Berufungsbegründung und von aktuellen Einkommens- und Steuerbelegen. Ebenso wurde seiner Verteidigerin die Möglichkeit zur Einreichung einer Honorarnote eingeräumt. Nach zweifacher Fristerstreckung wurde am 5. Oktober 2023 die schriftliche Berufungsbegründung inkl. Beilagen eingereicht (ASB 22 ff.).

 

 

II. Anwendbares Recht

 

1. Per 1. Januar 2024 trat die Revision der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) in Kraft. Die Änderungen enthalten keine Regelung betreffend Übergangsrecht. Es stellt sich somit die Frage, welches Recht vorliegend anwendbar ist, da erstinstanzlich vor Inkrafttreten der Revision geurteilt wurde, das Berufungsurteil nun aber nach diesem ergeht.

 

Art. 448 StPO sieht vor, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts Anderes vorsehen (Abs. 1). Unter dem Abschnitt der Rechtsmittelverfahren hält Art. 453 Abs. 1 StPO fest, dass, sofern ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden ist, Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden.

 

2. Die Thematik des Übergangsrechts wurde in den parlamentarischen Beratungen nie diskutiert, daraus lassen sich damit keine Erkenntnisse ableiten. Der Basler Kommentar zur StPO (BSK StPO, 3. Aufl., 2023) hält zu Art. 448 folgendes fest: «Hinzuweisen ist darauf, dass in der vom Parlament am 17. Juni 2022 verabschiedeten Teilrevision der Strafprozessordnung keine von Art. 448 StPO abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind und die revidierten Bestimmungen der StPO demnach sofort in Kraft treten.» (BSK StPO-Oehen, Art. 448 StPO N 2). Diese Formulierung ist aber insofern unklar, als daraus nicht genau hervorgeht, ob das neue Recht generell zur Anwendung gelangt eben Art. 453 StPO als Ausnahme für Rechtsmittelverfahren Anwendung findet. Im Grundsatz richtig ist, dass Art. 448 StPO für alle hängigen Verfahren gilt und damit die Revision sofort in Kraft tritt. Anderes sieht aber Art. 453 StPO für die Rechtsmittelverfahren vor. Es würde zu eng greifen, die Formulierung «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Vielmehr kommen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung beschlossen und nichts anderes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich neues Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtsmittelverfahren sieht aber Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung gefällt wurde. Diese Auslegung verhindert unbefriedigende Ergebnisse in der Praxis: Um nur zwei Beispiele zu nennen, müsste in allen hängigen Berufungsverfahren die Privatklägerschaft mit URP nach Art. 136 Abs. 3 nStPO noch einen Antrag für URP stellen (soweit noch nicht geschehen), um die URP im Berufungsverfahren überhaupt zu erhalten. Oder der Beschuldigte würde benachteiligt, wenn ihm erstinstanzlich eine Entschädigung direkt zugesprochen wird und auf seine Berufung hin die Entschädigung dann nach Art. 429 Abs. 3 nStPO im Berufungsverfahren dem Verteidiger zugesprochen werden müsste. Fänden die neuen Bestimmungen auch für Rechtsmittelverfahren gegen erstinstanzliche Urteile vor dem Jahr 2024 Anwendung, würde dies bedeuten, dass bei teilweiser Anfechtung der rechtskräftige Teil des Urteils nach altem Recht ergeht, und der angefochtene nach neuem Recht. Es kann aber nicht sein, dass für ein Urteil (Art. 408 StPO) ein Teil nach altem und ein Teil nach neuem Prozessrecht gefällt wird. Diese Rechtsauffassung wird auch von früheren StPO-Revisionen gestützt: Mit der Änderung vom 28. September 2012 wurde mit Art. 456a StPO eine von den allgemeinen Regeln von Art. 448 und der Ausnahme von Art. 453 StPO abweichende Regelung geschaffen, wonach das neue Recht in allen Verfahren gelte, somit auch für Rechtsmittelverfahren. Im Weiteren kann auch Art. 2 Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) herangezogen werden, dessen Formulierung in Abs. 1 «nach diesem Gesetz wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht» jeweils die entsprechende Änderung des Gesetzes meint.

 

3. Es hat demnach Folgendes zu gelten: Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach Art. 448 ff. StPO kommen als Übergangsbestimmungen zur Anwendung, wenn eine neue Änderung der StPO beschlossen und nichts Anderslautendes geregelt wird. Somit gilt grundsätzlich das neue Recht (Art. 448 Abs. 1 StPO), soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Bei Rechtmittelverfahren sieht Art. 453 StPO vor, dass grundsätzlich das alte Recht Anwendung findet, wenn der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (der neuen Bestimmung) gefällt worden ist.

 

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das vor dem 1. Januar 2024 geltende Recht zur Anwendung gelangt.

 

 

III. Prozessökonomie

 

Mit Blick auf die Prozessökonomie erlaubt Art. 82 Abs. 4 StPO den Rechtsmittel-instanzen, für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des in Frage stehenden Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz zu verweisen, wenn sie dieser beipflichten. Hingegen ist auf neue tatsächliche Vorbringen und rechtliche Argumente einzugehen, die erst im Rechtsmittelverfahren vorgetragen werden (Brüschweiler, SK-Schulthess Kommentar StPO, 3. Auflage, 2020, N 10 zu Art. 82 StPO).

 

 

IV. Gegenstand des Berufungsverfahrens

 

Die Ziffern III. / 1. und 2. des erstinstanzlichen Urteils (Entscheid über die beschlagnahmten Gegenstände) sind in Rechtskraft erwachsen. Gleiches gilt für sämtliche die Mitbeschuldigte B.A.___ betreffenden Urteilsziffern. Die übrigen erstinstanzlichen Urteilsziffern sind Gegenstand des Berufungsverfahrens.

 

 

V. Formelles

 

1. Rechtmässigkeit der Hausdurchsuchung / Beweisverwertung

 

1.1 Standpunkt des Berufungsklägers

 

Zunächst wird vom Berufungskläger – wie bereits vor Vorinstanz – die Rechtmässigkeit der Hausdurchsuchung in Frage gestellt. Diese wird in zweifacher Hinsicht bestritten, nämlich einerseits, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Hausdurchsuchung ein hinreichender Tatverdacht vorgelegen habe, und andererseits, dass die Zwangsmassnahme an sich verhältnismässig gewesen sei.

 

1.2 Rechtliches

 

1.2.1 Ein Tatverdacht muss vorliegen, wenn im strafprozessualen Vorverfahren Erhebungen getätigt und Beweise gesammelt werden sollen (vgl. Art. 299 Abs. 2 StPO). Gemäss Art. 197 Abs. 1 StPO können Zwangsmassnahmen (Art. 196-298 StPO) nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt. Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht begründen zu können (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1). Blosse Gerüchte Vermutungen genügen nicht (Urteile des Bundesgerichts 6B_553/2019 vom 6. November 2019 E. 3.1; 6B_833/2019 vom 10. September 2019 E. 2.4.2; je mit Hinweisen). Eine Beweisausforschung («fishing expedition») ist nicht zulässig. Von einer solchen wird gesprochen, wenn einer Zwangsmassnahme kein genügender Tatverdacht zugrunde lag, sondern planlos Beweisaufnahmen getätigt wurden (BGE 137 I 218 E. 2.3.2).

 

1.2.2 Auch eine anonym pseudonym eingereichte Strafanzeige ist durch die Behörden entgegenzunehmen und zu bearbeiten (Riedo/Boner, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Auflage, 2014, N 14 zu Art. 301 StPO). Anonyme Meldungen können bei der Begründung eines hinreichenden Tatverdachts berücksichtigt werden und zur Aufnahme von Ermittlungshandlungen führen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_31/2022 vom 9. März 2023 E. 1.4.5). Sie können bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen, insbesondere einer Hausdurchsuchung, berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_181/2021 vom 29. November 2022 E. 1.3.3 f. und E. 1.3.7). Vorausgesetzt ist, dass die anonymen Meldungen von einer gewissen sachlichen Qualität sind. Diese ist insbesondere anhand des Detaillierungsgrades sowie der Plausibilität unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu beurteilen. Ebenfalls ins Gewicht fallen kann die Anzahl der Meldungen sowie der Umstand, dass diese über einen längeren Zeitraum eingegangen sind. Mit zunehmender Eingriffsschwere steigen die Anforderungen an den Verdachtsgrad (Weber, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Auflage, 2014, N 8 zu Art. 197 StPO; Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, 2020, Nr. 1127; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, 2018, N 4 zu Art. 197 StPO; Moreillon/Parein-Reymond, CPP, Code de procédure pénale, 2. Auflage, 2016, N 6 zu Art. 197 StPO), was es in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen gilt.

 

1.2.3 Beweise, die unter Anwendung verbotener Beweiserhebungsmethoden im Sinne von Art. 140 StPO erhoben wurden, sind in keinem Fall verwertbar. Dasselbe gilt, wenn das Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet (Art. 141 Abs. 1 StPO). Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (Art. 141 Abs. 2 StPO). Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar (Art. 141 Abs. 3 StPO).

 

1.2.4 Art. 141 Abs. 4 StPO regelt die Fernwirkung von Beweisverboten folgendermassen: Es sind nicht nur die illegal gesammelten (Erst-)Beweise, sondern auch diejenigen (Zweit-)Beweise unverwertbar, deren Erhebung nur durch die unverwertbaren (Erst-)Beweise möglich war. Diese Regelung soll einerseits die Beweisverwertungsverbote vor Aushöhlung schützen, andererseits dann eine Fernwirkung des Beweisverbots verhindern, wenn diese im Ergebnis als stossend empfunden würde, weil die Strafbehörden den Zweitbeweis auch unabhängig vom illegalen Erstbeweis erlangt hätten (Gless, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Auflage, 2014, N 88 zu Art. 141 StPO). Vor diesem Hintergrund legt die Formulierung des Art. 141 Abs. 4 folgende Prüfung des konkreten Einzelfalls nahe: Massgebliche Perspektive ist – in Abgrenzung zur früheren Praxis – die Sicht der Strafbehörden vor Erlangung des illegalen Beweises. Ausschlaggebender Prüfungsmassstab ist, ob die Strafverfolgungsbehörden nach den konkreten Umständen des Einzelfalls den Zweitbeweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne Kenntnis des illegal erhobenen Erstbeweises erlangt hätten. Dies entspricht der Stossrichtung der «fruit of the poisonous tree»-doctrine im U.S.-Recht, an der sich der Gesetzgeber orientierte. Danach erstreckt sich ein Beweisverbot nicht nur auf die direkten Früchte einer illegalen Beweissammlung, sondern auch auf deren Sprösslinge (Gless, a.a.O., N 95 f. zu Art. 141 StPO).

 

1.3 Subsumtion

 

1.3.1 Dem Polizeirapport der Polizei Kanton Solothurn (nachfolgend: Polizei) vom 12. Oktober 2021 (AS 005 ff.) kann entnommen werden, dass folgender Sachverhalt zur Hausdurchsuchung bei B.A.___, der Schwester des Berufungsklägers, führte:

 

«Am 09.01.2021, um 17:31 Uhr, meldete Gfr C.___., von der Stadtpolizei Solothurn, telefonisch folgenden Sachverhalt der AZ-Solothurn: Sie habe soeben durch eine Drittperson, welche anonym bleiben will, einen Anruf erhalten. Die Drittperson teilte Gfr C.___. mit, dass es in [Ort 1] bei der Liegenschaft [Adresse] immer wieder nach Cannabis rieche. Das dortige EFH werde von B.A.___ bewohnt. Auch zum Meldezeitpunkt soll es stark nach Cannabis gerochen haben. Die Drittperson vermute deshalb eine Hanf-Indoor-Anlage im Haus von Frau B.A.___. Des Weiteren würde gerade ein violetter Pw vor der genannten Örtlichkeit parkieren. Die Sitze dieses Pw’s seien heruntergeklappt. Da die Drittperson deswegen davon ausging, dass die Hanf-Indoor-Anlage gerade abgeerntet und verladen wird, wünscht sie eine Kontrolle durch die Polizei […].»

 

1.3.2 Die Strafbehörden setzten zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind. Beweismittel sind unter anderem die von den Strafbehörden zusammengetragenen Akten. Die Polizei ist eine Strafverfolgungsbehörde. Zu den erwähnten Akten gehört der Polizeirapport. Dieser ist ein zulässiges Beweismittel (Urteile des Bundesgerichts 6B_998/2019 vom 20. November 2020 E. 3.3; 6B_1140/2014 vom 3. März 2016 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 142 IV 129). Der Beweiswert des Polizeirapports bezieht sich vorliegend in der protokollarischen Aufnahme, wonach von einer anonymen Personen geäussert worden sei, dass die Schwester des Beschuldigten möglicherweise Hanf anpflanze bzw. eine Hanf-Indoor-Anlage betreibe. Bei den protokollierten Feststellungen handelt es sich nicht um eigene Wahrnehmungen der Polizeibeamten. Soweit der Beschuldigte Ungenauigkeiten bzw. Widersprüchlichkeiten in der Protokollierung im Journaleintrag sowie im Wahrnehmungsbericht vom 10. Januar 2021 der Staatsanwaltschaft rügt, wie etwa, der Name des Berufungsklägers werde im Wahrnehmungsbericht nicht genannt, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei ersterem um gar kein Beweismittel i.S.v. Art. 139 Abs. 1 StPO und bei zweiterem um kein entscheidwesentliches Beweismittel handelt. Massgebend ist der Polizeirapport, dessen Beweiswert und damit die Begründung des Anfangsverdachts im Sinne von Art. 299 Abs. 2 StPO aufgrund der anonymen Meldung durch die Einwendungen des Beschuldigten nicht in Frage gestellt werden.

 

1.3.3 Wie bereits ausgeführt, können – entgegen der Ansicht des Beschuldigten – anonyme Meldungen bei der Begründung eines hinreichenden Tatverdachts berücksichtigt werden, zur Aufnahme von Ermittlungshandlungen führen und bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen, insbesondere einer Hausdurchsuchung, relevant sein. Vorausgesetzt ist, dass die anonymen Meldungen von einer gewissen sachlichen Qualität sind. Das ist vorliegend zweifellos gegeben: Der anonyme Hinweisgeber konnte genaue Angaben zu seinen Beobachtungen machen und auch begründen, weshalb er den Verdacht habe, es werde an der [Adresse] in [Ort 1] ein Hanf-Indooranlage betrieben. So gab dieser an, es rieche immer wieder stark nach Cannabis. Auch der geschilderte Verdacht, es könne sein, dass die Indooranlage gerade abgeerntet und verladen werde, konnte der anonyme Hinweisgeber mit einer entsprechenden Beobachtung untermauern: Er beschrieb einen violetten Personenwagen mit heruntergeklappten Sitzen vor der Örtlichkeit. Es handelte sich somit um Hinweise von sachlicher Qualität und nicht um eine irgendwie geartete, allgemein gehaltene Meldung. C.___ war als Polizistin der Stadtpolizei Solothurn gestützt auf Art. 302 StPO sowie § 9 des Polizeireglements der Stadtpolizei Solothurn verpflichtet, diesen Anruf der zuständigen Polizei zu melden. Nach dem Meldungseingang bei der Kantonspolizei Solothurn fuhr diese an die [Adresse] in [Ort 1], wo sie tatsächlich den violetten Personenwagen feststellen konnte. Nach einer Kontrolle des Personenwagens und des Lenkers, bei welcher starker Cannabisgeruch aus dem PW und am Beschuldigten festgestellt wurde, wurde die Staatsanwaltschaft informiert, welche die Hausdurchsuchungsbefehle ausstellte. Es bestand somit im Zeitpunkt der Ausstellung der Hausdurchsuchungsbefehle ein hinreichender Tatverdacht.

 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die anonyme Meldung geeignet war, einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten und dessen Schwester wegen möglicher Betäubungsmitteldelikte zu begründen, zumal der Verdacht aufgrund des durch die Polizei selbst festgestellten Cannabisgeruchs erhärtet wurde. Es handelte sich bei der beanstandeten Hausdurchsuchung somit nicht um eine Zwangsmassnahme, welche gestützt auf blosse Gerüchte und Mutmassungen erfolgte, um eventuell Beweise eines strafbaren Verhaltens zu finden (Beweisausforschung bzw. «fishing expedition»). Vielmehr war der hinreichende Tatverdacht rechtskonform begründet worden. Die entsprechende Rüge des Beschuldigten ist unbegründet.

 

1.3.4 Unbehilflich ist der Einwand, dass den Hinweisen nur eine erhöhte Glaubwürdigkeit zugekommen sei, weil eine Polizistin sie auf dem internen Weg weitergegeben habe. Der allgemeinen Glaubwürdigkeit einer Person im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft kommt nach heutiger Erkenntnis keine relevante Bedeutung mehr zu. Weitaus bedeutender für die Wahrheitsfindung als die allgemeine Glaubwürdigkeit ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Vorbringen. Entscheidend war für die Polizei demnach die Glaubhaftigkeit der (anonymen) Meldung, die wie gesagt von hoher sachlicher Qualität war und nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit der Polizistin C.___ als persönliche Eigenschaft – die nota bene die Meldung nur weiterleitete.

 

1.3.5 Nicht zu hören ist der Beschuldigte sodann, wenn er geltend macht, die Hausdurchsuchung sei unverhältnismässig gewesen. Zur Prüfung, ob der Beschuldigte bzw. dessen Schwester Hanf anpflanzten bzw. eine Hanf-Indooranlage betrieben, war eine Hausdurchsuchung geboten. Es mag zwar sein, dass die Strafuntersuchungsbehörden erst die Stromrechnungen hätten einholen können. Dies ersetzte die Notwendigkeit der Hausdurchsuchung jedoch keineswegs, gerade weil die (reale) Möglichkeit bestand, dass die Hanf-Indooranlage unmittelbar abgeerntet wurde. Es bestand somit eine gewisse Dringlichkeit. Das vorläufige Einholen von Stromrechnungen stellte keine mögliche mildere, die Hausdurchsuchung ersetzende Untersuchungshandlung dar. Hinsichtlich der vom Beschuldigten vorgebrachten Observation ist zu beachten, dass diese im Vergleich zur Hausdurchsuchung an strengere Eingriffsvoraussetzungen gebunden ist (vgl. Art. 282 Abs. 1 lit. a StPO versus Art. 197 Abs. 1 i.V.m. Art. 244 ff. StPO; Urteil des Bundesgerichts 1B_322/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 2.2). Angesichts dieser gesetzlichen Wertung ist die Observation nicht als mildere Massnahme einzustufen. Es ist somit nichts erkennbar, was die durchgeführte Hausdurchsuchung als unverhältnismässig erscheinen liesse.

 

1.3.6 Zusammengefasst sind die sichergestellten Beweise rechtmässig erhoben worden und dürfen verwertet werden.

 

 

2. Teilnahmerechte / Konfrontationsanspruch

 

2.1 Standpunkt des Berufungsklägers

 

Weiter wird vom Berufungskläger eine Verletzung der Teilnahmerechte bzw. des Konfrontationsanspruchs vorgebracht. Die Tatsache, dass der Melder anonym bleibe, verletze den Anspruch auf Konfrontation. Weiter wird stipuliert, die Einvernahmen vom 9. resp. 10. Januar 2021 seien gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertbar, da er nicht an den Einvernahmen habe teilnehmen können.

 

2.2 Rechtliches                                                                          

 

Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Dazu zählt das Recht, Belastungszeugen zu befragen (Art. 147 Abs. 1 StPO; Art. 6 Ziff. 3 lit. d Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK, SR 0.101]). Art. 147 Abs. 1 StPO enthält den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit von Beweiserhebungen im Untersuchungs- sowie Hauptverfahren und bestimmt, dass die Parteien das Recht haben, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft sowie die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. In Verletzung dieser Bestimmung erhobene Beweise dürfen nicht zulasten der Partei verwendet werden, die nicht anwesend war. Mit «Partei» im Sinne dieser Bestimmung ist nicht der Parteivertreter (z.B. der amtliche Verteidiger), sondern die beschuldigte Person gemeint (Art. 104 Abs. 1 lit. a StPO; Urteil des Bundesgerichts 6B_492/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 1.2.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 141 IV 437). Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, in denen eine Konfrontation nicht möglich war, ist eine belastende Zeugenaussage grundsätzlich nur verwertbar, wenn die beschuldigte Person den Belastungszeugen wenigstens einmal während des Verfahrens in direkter Konfrontation befragen konnte (BGE 133 I 33 E. 3.1 mit Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, ist erforderlich, dass die Gelegenheit der Befragung angemessen und ausreichend ist und die Befragung tatsächlich wirksam ausgeübt werden kann. Die beschuldigte Person muss namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und in Frage zu stellen (BGE 131 I 476 E. 2.2; BGE 129 I 151 E. 4.2 mit Hinweisen). Dem Anspruch gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK kommt grundsätzlich absoluter Charakter zu. Auf eine Konfrontation der beschuldigten Person mit Belastungszeugen auf deren ergänzende Befragung kann nur unter besonderen Umständen verzichtet werden (Urteile des Bundesgerichts 6B_595/2021 vom 24. Juni 2022 E. 4.3.3; 6B_98/2014 vom 30. September 2014 E. 3.2; 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).

 

2.3 Subsumtion

 

2.3.1 Wie unter Ziffer 1.3.3 f. hiervor ausgeführt, war die anonyme Meldung detailliert und glaubhaft und damit geeignet, einen hinreichenden Tatverdacht bzw. eine rechtmässige Zwangsmassnahme gegen den Beschuldigten bzw. deren Schwester wegen möglicher Betäubungsmitteldelikte zu begründen. Es lagen genügend Anzeichen für einen möglichen Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz vor, haben doch auch die Polizisten Cannabisgeruch wahrgenommen. Daran ändert nichts, dass der Beschuldigte wegen der Anonymität des Melders die Hinweise nicht weiter hinterfragen überprüfen konnte. Eine Verletzung von Parteirechten und des Rechts auf ein faires Verfahren ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, nachdem dieser anonymen Meldung aufgrund der daraufhin rechtmässig erhobenen Beweise bei der Urteilsfindung keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Anklage und die Vorinstanz stützten sich bei der Beweisführung nicht auf die anonyme Anzeige ab, sondern auf die im Rahmen der Strafuntersuchung rechtmässig gewonnenen Beweismittel.

 

2.3.2 Gleiches gilt für die Einvernahmen vom 9. resp. 10. Januar 2021 von B.A.___ bzw. D.___. Der Beschuldigte, B.A.___ sowie D.___ wurden nach erfolgter Hausdurchsuchung am 9. resp. 10. Januar 2021 gleichzeitig durch verschiedene Polizisten einvernommen. Bei sämtlichen Einvernahmen handelte es sich um die Ersteinvernahme. Der massgebende Lebenssachverhalt und die Tatbeiträge der (Mit-)Beschuldigten war auf der Grundlage der Hausdurchsuchung und der festgestellten Hanf-Indooranlage zu diesem Zeitpunkt lediglich rudimentär bekannt. Dass die Polizei in der Folge eine separate Einvernahme der beschuldigten Personen ohne Teilnahmerechte als erforderlich erachtete, damit diese ohne Kenntnis der (von der jeweils anderen mitbeschuldigten Person) getätigten Aussagen mit dem konkreten Tatvorwurf konfrontiert werden konnten, ist – wie die Vorinstanz zutreffend erwägt – aufgrund der Umstände nicht zu beanstanden.

 

2.3.3 Der Beschuldigte verkennt zudem, dass ihm anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt wurde, seiner Schwester als Mitbeschuldigten Fragen zu stellen, womit dem Grundsatz, wonach die beschuldigte Person gegenüber anderen im Verfahren beschuldigten Personen das Recht haben muss, mindestens einmal Fragen zu stellen, ausreichend Rechnung getragen wurde. Hinsichtlich D.___ ist festzuhalten, dass der Beschuldigte vor der Vorinstanz – wie auch vor Berufungsgericht – keinen Beweisantrag auf deren Befragung stellte und damit sein Konfrontationsrecht verwirkt hat (Urteile des Bundesgerichts 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3, 6B_522/2016 vom 30. August 2016 E. 1.3, je mit weiteren Hinweisen). Der Einwand ist ohnehin obsolet, da sich das Berufungsgericht – wie sogleich zu sehen sein wird – bei der Beweiswürdigung nicht auf die Aussagen von D.___ stützt.

 

2.3.4 Nach dem Gesagten ist keine Verletzung der Teilnahmerechte bzw. des Konfrontationsanspruchs des Beschuldigten erkennbar, die entsprechenden Rügen laufen ins Leere.

 

 

3. Anklageprinzip

 

3.1 Standpunkt des Berufungsklägers

 

Vor Berufungsgericht wird erstmals vorgebracht, dass der Strafbefehl den Anforderungen des Anklagegrundsatzes nicht genüge. Im Strafbefehl stehe einzig, dass der Beschuldigte zusammen mit seiner Schwester B.A.___ und somit in Mittäterschaft unbefugt eine Hanf-Indooranlage zwecks Gewinnung von Marihuana am Domizil seiner Schwester betrieben habe. Weiter werde lediglich noch erwähnt, dass der Berufungskläger und seine Schwester das gewonnene Marihuana an unbekannte Abnehmer verkauft verschenkt haben sollen. Weshalb die Staatsanwaltschaft hingegen von Mittäterschaft und beispielsweise nicht von Gehilfenschaft ausgehe, ergebe sich nicht aus der Anklageschrift. Es fänden sich keinerlei Ausführungen zur Rollenteilung zum Vorsatz zur mittäterschaftlichen Zusammenarbeit. Entsprechend ergebe sich aus der Anklageschrift weder, welchen Tatbeitrag der Berufungskläger konkret geleistet, noch, ob und wie er mit seiner Schwester zusammengearbeitet haben solle. Die Anklageschrift nehme schliesslich lediglich die Veräusserung des Marihuana konkret auf und sage nichts über den Anbau / Betrieb der Hanfanlage. Es sei somit nicht klar, was die Staatsanwaltschaft dem Berufungskläger konkret vorwerfe. Sein individueller Tatbeitrag sei denn auch offensichtlich nicht identifizierbar – weder aus der Anklageschrift noch aus den Akten. Entsprechend genüge der Strafbefehl den Anforderungen des Anklagegrundsatzes nicht. Gestützt auf die vorliegende Anklageschrift sei eine Verurteilung daher nicht möglich, weshalb der Berufungskläger freizusprechen sei.

 

3.2 Rechtliches

 

Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR 101]; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Der Anklagegrundsatz bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 131 IV 132 E. 3.4.1; 140 IV 188 E. 1.3; je mit Hinweisen). Unter dem Gesichtspunkt der Informationsfunktion muss die beschuldigte Person aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Dies bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreten Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Sie darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (vgl. BGE 103 Ia 6 E. 1b; Urteile des Bundesgerichts 6B_492/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 2.2, nicht publiziert in: BGE 141 IV 437; 6B_1151/2015 vom 21. Dezember 2016 E. 2.2; je mit Hinweisen). Solange für die beschuldigte Person klar ist, welcher Sachverhalt ihr vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an den Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen (Urteil des Bundesgerichts 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 1.1.1 mit Hinweisen).

 

3.3 Subsumtion

 

3.3.1 Dem Beschuldigten wird im Strafbefehl vorgehalten, er habe sich in der Zeit vom 1. Juni 2020 (mutmasslicher Zeitpunkt des ersten Anbaus) bis am 9. Januar 2021 (Zeitpunkt der Hausdurchsuchung) des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a, c und g Betäubungsmittelgesetz (BetmG, SR 812.121) schuldig gemacht, indem er zusammen mit seiner Schwester, B.A.___, und somit in Mittäterschaft, unbefugt eine Hanf-Indooranlage zwecks Gewinnung von Marihuana am Domizil seiner Schwester betrieben habe. Konkret sei die Anlage bereits einmal im Jahr 2020 abgeerntet worden. Der Beschuldigte und seine Schwester hätten das gewonnene Marihuana an unbekannte Abnehmer verkauft und verschenkt. Der Erlös der ersten Ernte habe ca. CHF 4'000.00 bis CHF 5'000.00 betragen und sei hälftig zwischen den Geschwistern aufgeteilt worden. Anlässlich der Hausdurchsuchung seien schliesslich 52 Hanfpflanzen, welche kurz vor der Ernte gestanden seien, sichergestellt worden, wobei diese Pflanzen nach der Ernte zumindest teilweise hätten veräussert verschenkt werden sollen. Damit habe der Beschuldigte vorsätzlich Anstalten zur Veräusserung bzw. zum Verschaffen von Marihuana getroffen. Zudem habe der Beschuldigte unbefugt an mindestens drei Abnehmer Marihuana wie folgt veräussert: In der Zeit vom 10. Dezember 2020 bis Ende Dezember 2020 eine unbekannte Menge Marihuana an Lars Fankhauser, am 12. Dezember 2020 total 100 Gramm Marihuana und am 20. Dezember 2020 total 200 Gramm Marihuana an E.___, am 19. Dezember 2020 drei Minigrip mit drei verschiedenen Cannabissorten an F.___.

 

3.3.2 Die von der Verteidigung vorgebrachte Kritik an der Anklageschrift verfängt nicht. Die Verteidigung greift in der Berufungsbegründung einzelne Elemente aus der Anklageschrift heraus, die – isoliert betrachtet – den Anschein erwecken könnten, dem Beschuldigten werde lediglich ein pauschaler, d.h. zu wenig präziser Vorhalt gemacht. Jedoch wird in Bezug auf die Betäubungsmitteldelinquenz der Vorhalt sowie der modus operandi ausführlich abgehandelt. Es geht einwandfrei hervor, welche konkreten Tathandlungen dem Beschuldigten zu welchem Zeitpunkt zur Last gelegt werden. Der Beschuldigte wusste damit klar, wogegen er sich wehren musste. Das zeigen auch die Ausführungen der Verteidigung vor erster und zweiter Instanz unmissverständlich. Die Verteidigungsrechte wurden nicht geschmälert und die Anklageschrift erfüllte ihre Umgrenzungsfunktion.

 

 

VI. Sachverhalt

 

1. Rechtliches

 

1.1 Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 120 Ia 36, BGE 127 I 40) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen. Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (vgl. BGE 115 IV 286).

 

1.2 Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweis-würdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): Es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2016 vom 1. Juni 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 2.3; je mit Hinweisen).

 

1.3 Im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Aussage auf Glaubhaftigkeitsmerkmale bzw. Lügensignale hin zu analysieren. Die Aussage ist gestützt auf eine Vielzahl von inhaltlichen Realkennzeichen zu beurteilen, wobei zwischen inhaltlichen Merkmalen (Aussagedetails, Individualität, Verflechtung), strukturellen Merkmalen (Strukturgleichheit, Nichtsteuerung, Widerspruchsfreiheit bzw. Homogenität) sowie Wiederholungsmerkmalen (Konstanz, Erweiterung) unterschieden wird. Das Vorliegen von Realitätskriterien bedeutet, dass die betreffende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit über erlebnisfundierte Geschehnisse berichtet. Zwar besitzt jedes Realitätskriterium für sich allein betrachtet meist nur eine geringe Validität, die Gesamtschau aller Indikatoren kann jedoch einen wesentlich höheren Indizwert für die Glaubhaftigkeit der Aussage haben, wobei sie in der Regel in solchen mit realem Erlebnishintergrund signifikanter und ausgeprägter vorkommen als in solchen ohne. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3). Im Bereich rechtfertigender Tatsachen trifft den Beschuldigten eine gewisse Beweislast. Seine Behauptungen müssen plausibel sein; es muss ihnen eine gewisse Überzeugungskraft zukommen. Zumindest bedarf die Behauptung des Beschuldigten gewisser Anhaltspunkte, sei es in Form konkreter Indizien einer natürlichen Vermutung für seine Darstellung, damit sie als Entlastungstatsache dem Urteil zugrunde gelegt wird. Wenn die belastenden Beweise nach einer Erklärung rufen, welche der Beschuldigte geben können müsste, dies jedoch nicht tut, darf nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes der Schluss gezogen werden, es gebe keine mögliche Erklärung und er sei schuldig. Nichts anderes kann gelten, wenn er zwar eine Erklärung gibt, diese aber unglaubhaft gar widerlegt ist. Der Grundsatz «in dubio pro reo» zwingt somit nicht dazu, jede entlastende Angabe des Beschuldigten, für deren Richtigkeit Unrichtigkeit kein spezifischer Beweis vorhanden ist, als unwiderlegt zu betrachten. Nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung braucht durch einen hieb- und stichfesten Beweis widerlegt zu werden (Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 1.6 und 6B_562/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 2.1).

 

2. Subsumtion

 

2.1 Die Vorinstanz hat in ihrem Urteil die seitens der Strafverfolgungsbehörden erfolgten Beweiserhebungen (Hausdurchsuchungen [AS 250 ff., 258 ff.], Rechnungen des Stromverbrauchs [AS 020 ff.], fotografische Aufnahmen [AS 045 ff.], Untersuchungsbericht Betäubungsmittel [AS 062 ff.], Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons [AS 071 ff.]) detailliert und korrekt dargestellt. Darauf kann verwiesen werden (US 10 f.). Soweit die vorinstanzlichen Feststellungen zu den besagten Beweiserhebungen Würdigungen beinhalten, sind diese als schlüssig und zutreffend zu qualifizieren. Ebenfalls korrekt sind die vorinstanzlichen Feststellungen hinsichtlich der Analysen der sichergestellten Betäubungsmittel. Im Weiteren hat die Vorinstanz die Aussagen des Beschuldigten (AS 079 ff., 088 ff.) sowie von B.A.___ (AS 106 ff.) zutreffend wiedergegeben, wobei die besagten Aussagen durch die Vorinstanz darüber hinaus überzeugend gewürdigt wurden. Darauf kann wiederum verwiesen werden (US 11 f.).

 

2.2 Mit Blick auf die Beweislage ist hinsichtlich des Vorhaltes des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz klar erstellt, dass der Beschuldigte zusammen mit B.A.___ eine Hanf-Indooranlage betrieb. Die von B.A.___ gemachten Aussagen erscheinen sehr glaubhaft, zumal sie sich damit selbst belastete. Es gibt keinen Grund, warum sie lügen sollte und behaupten würde, dass sie zusammen mit dem Beschuldigten eine Hanf-Indooranlage betrieben und die Ernte verkauft verschenkt hätten. Dass das aus der Indooranlage gewonnene Marihuana mit einem gemäss dem Untersuchungsbericht der sichergestellten Betäubungsmittel weit über 1.0 Prozent liegenden THC-Gehalt in der Folge durch den Beschuldigten an diverse Abnehmer verkauft wurde, ergibt sich nebst den glaubhaften Aussagen von B.A.___ auch aus den eindeutigen Chatnachrichten aus der Handyauswertung. Das Vorbringen der Verteidigerin, bei den in den Chatnachrichten genannten Hanfsorten handle es sich um legales CBD-Hanf, verfängt nicht, denn aus dem Untersuchungsbericht (AS 062 ff.) geht – wie soeben erwähnt – klar hervor, dass es sich beim vom Beschuldigten veräusserten Cannabis offensichtlich um illegales Marihuana und nicht um CBD-Hanf handelte.

 

2.3 Hinsichtlich des Vorhalts der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes ist aufgrund der Feststellungen anlässlich der Hausdurchsuchung in [Ort 2] und der anschliessenden Betäubungsmittelanalyse erstellt, dass der Beschuldigte an seinem Wohndomizil eine weitere Hanf-Indooranlage zwecks Gewinnung von Marihuana betrieb und die entsprechenden Hanfpflanzen einen THC-Gehalt von mehr als 1.0 Prozent aufgewiesen haben.

 

Hingegen kann dem Beschuldigten weder bewiesen werden, dass er die Anlage für den Eigenkonsum betrieb, noch, dass er im Tatzeitraum überhaupt Marihuana konsumierte. So sagte er anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlung aus, er konsumiere kein Marihuana (AS 442). Hinzu kommt, dass der Drogenschnelltest am fraglichen Abend des 9. Januar 2021 negativ verlief, was die Aussage des Berufungsklägers stützt. Die Vorinstanz begründet ihren Schuldspruch mit der Aussage von Frau D.___, den Chatnachrichten sowie der Tatsache, dass er eine Hanf-Indooranlage betrieb. D.___ sagte anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 10. Januar 2021 zwar aus, sie habe mitbekommen, wie der Beschuldigte über den Konsum von Hanf gesprochen habe. Jedoch sagte sie auch, dass sie lediglich glaube, er konsumiere Hanf. Sie habe selbst nie gesehen, wie er konsumiere (AS 118). Der Aussagegehalt ist nicht über jeden vernünftigen Zweifel hinaus klar und vermag in Bezug auf den Vorwurf des Konsums nicht zu überzeugen. Auch die blosse Tatsache, dass der Beschuldigte zur Gewinnerzielung eine Hanfanlage unterhielt, lässt nicht die automatische Schlussfolgerung zu, wonach er selbst Marihuana konsumieren müsse. Die Vorinstanz verfällt durch die Annahme dieses ihrer Meinung nach «logischen» Schlusses in Willkür. Auch aus den Chatnachrichten lässt sich nichts zu Ungunsten des Beschuldigten ableiten: Weder gibt er in einer Nachricht explizit zu, dass er konsumiert, noch liegen Anhaltspunkte hierfür vor.

 

Bei dieser Ausgangslage bestehen erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, dass der Beschuldigte in der Zeit von 1. Juni 2020 bis zum 9. Januar 2021 mehrfach unbefugt Marihuana konsumierte. Er ist demnach nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» vom Vorhalt der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes freizusprechen.

 

 

VII. Rechtliche Würdigung

 

Die rechtliche Würdigung blieb im Berufungsverfahren unbestritten, weshalb dazu auf die Ausführungen der Vorinstanz auf US 12 f. verwiesen werden kann. Der Beschuldigte hat sich demnach des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a, c und g BetmG schuldig gemacht.

 

 

VIII. Strafzumessung

 

Die Vorinstanz hat den vorliegend anwendbaren Strafrahmen sowie die massgebenden Strafzumessungsfaktoren zutreffend dargelegt (US 19 ff.). Darauf ist zu verweisen. Die Strafzumessung wird vom Beschuldigten im Berufungsverfahren zu Recht nicht beanstandet, zumal die von der Vorinstanz hinsichtlich des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz ausgefällte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren, jedenfalls nicht zu hoch ausgefallen ist. An der finanziellen Situation des Beschuldigten hat sich seit dem erstinstanzlichen Urteil nichts geändert (ASB 37 ff.). Die Sanktion ist entsprechend zu bestätigen.

 

Zufolge Freispruchs vom Vorhalt der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes wird keine Busse ausgesprochen.

 

 

IX. Kosten und Entschädigungen

 

1. Erstinstanzliches Verfahren

 

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 5'500.00 hat der Beschuldigte infolge des zweitinstanzlichen Freispruchs vom Vorhalt der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes zu 40 %, ausmachend CHF 2'200.00, zu bezahlen (Art. 426 Abs. 1 StPO). Der Rest (60 %) erliegt auf dem Staat (10 %) bzw. B.A.___ (50 %). Dem Beschuldigten ist eine Parteientschädigung im Umfang von 10 % zu Lasten des Staates zuzusprechen. Die von Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf für das erstinstanzliche Verfahren eingereichten Honorarnoten erscheinen angemessen. Die Parteientschädigung ist demnach auf CHF 379.05 (10 % von CHF 3'790.50; inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen.

 

2. Berufungsverfahren

 

2.1 Die Urteilsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf CHF 3'000.00 festzusetzen. Die Auslagen belaufen sich auf CHF 200.00. Der Beschuldigte unterliegt im Berufungsverfahren weitgehend. Er wird einzig vom Vorhalt der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes freigesprochen. Die Verfahrenskosten sind deshalb zu 90 %, ausmachend CHF 2'880.00, dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).

 

2.2 Dem Beschuldigten ist eine Parteientschädigung im Umfang von 10 % zu Lasten des Staates zuzusprechen. Die von Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf für das Berufungsverfahren eingereichte Honorarnote ist nicht zu beanstanden. Unter Einrechnung der Auslagen und Mehrwertsteuer wird die Parteientschädigung demnach auf CHF 250.25 (10 % von CHF 2'502.60) festgesetzt.

 

3. Verrechnung

 

Die zugesprochenen Parteientschädigungen – sowohl erst- wie auch berufungsinstanzlich – sind mit den vom Beschuldigten zu tragenden Verfahrenskosten zu verrechnen.

 

 


 

Demnach wird in Anwendung von Art. 19 Abs. 1 lit. a BetmG, Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, Art. 19 Abs. 1 lit. g BetmG; Art. 34, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 69; Art. 267, Art. 335 ff., Art. 398 ff., Art. 416 ff. StPO

beschlossen und erkannt:

 

1.      Sämtliche die Mitbeschuldigte B.A.___ betreffenden Ziffern des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 14. März 2023 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) sind in Rechtskraft erwachsen (Ziffern II. / 1. und 2., III. / 3., IV., soweit die Genannte betreffend).

2.      A.A.___ wird vom Vorhalt der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen in der Zeit vom 1. Juni 2020 bis am 9. Januar 2021, freigesprochen.

3.      A.A.___ hat sich des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit vom 1. Juni 2020 bis am 9. Januar 2021, schuldig gemacht.

4.      A.A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren.

5.      Das im Verfahren gegen A.A.___ beschlagnahmte Mobiltelefon Xiaomi Redmi schwarz, IMEI […], Sach-Nr. […] (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) wurde ihm gemäss rechtskräftiger Ziffer III. / 1. des erstinstanzlichen Urteils herausgegeben.

6.      Folgende im Verfahren gegen A.A.___ beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FB Asservate) wurden gemäss rechtskräftiger Ziffer III. / 2. des erstinstanzlichen Urteils eingezogen und sind – soweit noch nicht erfolgt – durch die Polizei zu vernichten:

 

a)      7 Minigrip mit Hanfsamen

b)      2 Haushaltswaagen (Miostar und Envy)

c)      Gartenmaterial (div. Humusarten für den Pflanzenanbau)

d)      4 Listen (A4-Seiten mit möglicher Bestellliste und einem Einzahlungsschein)

e)      1 Trocknungsnetz grün

f)       0.50 Gramm Hanf (Jungpflanzen: ohne Blütenstände)

g)      10.20 Gramm Hanf (Jungpflanzen: ohne Blütenstände)

 

7.    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00, total CHF 5'500.00, hat A.A.___ im Umfang von 40%, ausmachend CHF 2'200.00, zu bezahlen. Sie werden mit der ihm gemäss Ziffer 9 hernach zugesprochenen Parteientschädigung verrechnet, so dass ein Saldo von CHF 1'820.95 zu Gunsten des Staates resultiert.

8.    Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 3'200.00, hat A.A.___ im Umfang von 90%, ausmachend CHF 2'880.00, zu bezahlen, im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates. Sie werden mit der ihm gemäss Ziffer 10 hernach zugesprochenen Parteientschädigung verrechnet, so dass ein Saldo von CHF 2'629.75 zu Gunsten des Staates resultiert.

9.    A.A.___ wird für das erstinstanzliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 379.05 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen, zahlbar durch den Staat. Sie wird mit den von ihm zu tragenden Verfahrenskosten gemäss Ziffer 7 hiervor verrechnet.

10.  A.A.___ wird für das Berufungsverfahren eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 250.25 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen, zahlbar durch den Staat. Sie wird mit den von ihm zu tragenden Verfahrenskosten gemäss Ziffer 8 hiervor verrechnet.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.


Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Werner                                                                              Wiedmer



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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