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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2022.98)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.98: Verwaltungsgericht

Der Beschuldigte wurde in einem Strafverfahren wegen mehrfacher Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe, Nötigung, sexueller Handlungen mit Kindern, Vergewaltigung, Pornografie und weiteren Straftaten verurteilt. Das Urteil wurde vom Obergericht am 29. August 2023 gefällt. Es handelt sich um einen männlichen Beschuldigten. Der Richter ist Werner, die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 48'856.20. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, um eine höhere Freiheitsstrafe zu erwirken. (männlich

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2022.98

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2022.98
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2022.98 vom 29.08.2023 (SO)
Datum:29.08.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Geschädigte; Beschuldigten; Handlung; Handlungen; Ziffer; Geschädigten; Massnahme; Urteil; Täter; Recht; Freiheit; AnklS; Staat; Freiheitsstrafe; Störung; Versuch; Delikt; Bundesgericht; Nötigung; Beruf; Kinder; Kindern
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;Art. 136 StGB ;Art. 181 StGB ;Art. 187 StGB ;Art. 197 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 225 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 41 StGB ;Art. 416 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 43 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 50 StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 56 StGB ;Art. 57 StGB ;Art. 59 StGB ;Art. 61 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 67 StGB ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:105 IV 225; 117 IV 7; 121 IV 202; 127 IV 1; 128 I 81; 128 IV 25; 129 I 49; 130 I 337; 132 II 257; 133 II 384; 134 IV 1; 134 IV 82; 134 IV 97; 136 II 539; 136 IV 55; 138 IV 120; 141 IV 369; 142 IV 265; 142 IV 401; 143 IV 214; 144 IV 217; 144 IV 313; 147 IV 241; 98 IV 202;
Kommentar:
Schweizer, Trechsel, Pieth, Praxis, 3. Auflage , Art. 47 StGB, 2018

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2022.98

 
Geschäftsnummer: STBER.2022.98
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 29.08.2023 
FindInfo-Nummer: O_ST.2023.72
Titel: mehrf. Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe, mehrf. Nötigung, mehrf. vers. Nötigung, mehrf. sexuelle Handlungen mit Kindern, mehrf. vers. sexuelle Handlungen mit Kindern, vers. sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, mehrf. Pornografie, mehrf. vers. Pornografie, mehrf. Anstiftung zu Pornografie, m

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 29. August 2023

Es wirken mit:

Präsident Werner

Oberrichterin Kofmel

Oberrichter von Felten    

Gerichtsschreiber Wiedmer

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn

 

Berufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, Eisenbahnstrasse 11, Postfach 1661, 4901 Langenthal

 

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     mehrf. Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe, mehrf. Nötigung, mehrf. vers. Nötigung, mehrf. sexuelle Handlungen mit Kindern, mehrf. vers. sexuelle Handlungen mit Kindern, vers. sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, mehrf. Pornografie, mehrf. vers. Pornografie, mehrf. Anstiftung zu Pornografie, mehrf. vers. Anstiftung zu Pornografie (Neubeurteilung)


 

Es erscheinen zur Hauptverhandlung vor Obergericht vom 29. August 2023:

1.      Staatsanwältin B.___, für die Staatsanwaltschaft als Berufungsklägerin, in Begleitung einer Rechtspraktikantin;

2.      A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

3.      Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten;

4.      L.___, Sachverständiger.

 

Zudem erscheinen:

 

-        fünf Zuhörer;

-        ein Polizist.

 

 

Es erscheinen zur mündlichen Urteilseröffnung vom 4. September 2023:

 

1.      Staatsanwältin B.___, für die Staatsanwaltschaft als Berufungsklägerin, in Begleitung einer Rechtspraktikantin;

2.      A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

3.      Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten.

 

Zudem erscheinen:

 

-        zwei Polizisten.

 


 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I.    Prozessgeschichte

 

1. Ein Klassenlehrer in [Ort 1] erfuhr im November 2017 von Mitschülern, dass es C.___ (im Folgenden: Geschädigte A), geb. [Geburtsdatum], nicht gut gehe. Darauf angesprochen gab die damals 16-Jährige an, A.___ (im Folgenden: Beschuldigter) habe mit ihr sexuelle Handlungen vorgenommen (vgl. Schlussbericht der Polizei Kanton Solothurn vom 1. Juni 2018, Aktenseiten [nachfolgend: AS] 0012 ff.).

 

Am 13. November 2017 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern gegen den Beschuldigten eine Strafuntersuchung wegen sexueller Handlungen mit einem Kind (Geschädigte A, AS 3419).

 

Am 8. Dezember 2017 gelangte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern mit einer Gerichtsstandsanfrage an die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (nachfolgend: Staatsanwaltschaft; AS 3706), welche am 4. Januar 2018 den Gerichtsstand anerkannte (AS 3707).

 

2. Am 24. Januar 2018 wurde der Beschuldigte um 05.30 Uhr in [Ort 2] durch die Polizei Kanton Solothurn vorläufig festgenommen (AS 3507). Zeitgleich erfolgte an seinem Wohndomizil eine Hausdurchsuchung (AS 3457 ff.). Dem Beschuldigten wurde mit Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli ein amtlicher Verteidiger bestellt (AS 3683).

 

Am 26. Januar 2018 verfügte das Haftgericht Solothurn gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft bis am 10. Februar 2018 (AS 3549).

 

Am 12. Februar 2018 hiess das Haftgericht Solothurn das Haftverlängerungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 6. Februar 2018 gut und verlängerte die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten bis am 5. März 2018 (AS 3569).

 

Am 6. März 2018 wies das Haftgericht Solothurn das Haftverlängerungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 28. Februar 2018 ab und verfügte die Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft am Nachmittag des 8. März 2018. Gleichzeitig ordnete es eine Ersatzmassnahme i.S. eines Kontaktverbots gegenüber den Geschädigten im vorliegenden Verfahren an (AS 3594). In der Folge wurde die Ersatzmassnahme mehrmals verlängert. Auf Begehren von D.___ (im Folgenden: Geschädigte B; Schreiben vom 4. und 29. Mai 2020, AS 3605 f.) hob die Staatsanwaltschaft das Kontaktverbot bezüglich D.___ mit Verfügung vom 5. Juni 2018 (AS 3607) auf.

 

3. Die Beziehungen des Beschuldigten zu D.___ (Geschädigte B), geboren am [Geburtsdatum], und E.___ (im Folgenden: Geschädigte C), geboren am [Geburtsdatum], erwähnte der Beschuldigte in den staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen aus freien Stücken. Die Beziehung zu F.___ (im Folgenden: Geschädigte D), geboren am [Geburtsdatum], ergab sich aus einem Chatverlauf des Beschuldigten. Von G.___ (im Folgenden: Geschädigte E), geboren am [Geburtsdatum], konnten beim Beschuldigten Nacktbilder gefunden werden. Die Beziehung zu H.___ (im Folgenden: Geschädigte F), geboren am [Geburtsdatum], ergab sich ebenfalls aus einem Chatverlauf. Gleiches gilt für die Beziehung zu I.___ (im Folgenden: Geschädigte G), geboren am [Geburtsdatum].

 

4. Am 2. Januar 2020 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten Anklage wegen Vergewaltigung, evtl. versuchter sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, mehrfacher Pornografie und Versuch dazu sowie teilweise Anstiftung und Versuch dazu, mehrfacher Nötigung und Versuch dazu sowie mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe (AS 0001 ff.). Die Akten wurden dem Amtsgericht von Olten-Gösgen zur Beurteilung der Vorhalte überwiesen.

 

5. Das Amtsgericht von Olten-Gösgen fällte am 15. September 2020 folgendes Strafurteil:

 

1.      Der Beschuldigte A.___ hat sich schuldig gemacht:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Anfang Mai 2015 bis am 21. Januar 2018 (Ziff. 1.1, 2.1, 3.1, 4.1, 5.1, 6.1 und 7.1 AnklS);

-        der mehrfachen Pornografie und Versuch dazu, begangen in der Zeit von 1. Mai 2015 bis 24. Januar 2018 (Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2, 5.2, 6.2, 7.2 und 8 AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit von 27. Oktober 2015 bis am 18. August 2016 (Ziff. 3.3 und 6.3 AnklS);

-        des mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.4 AnklS).

2.      Der Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu:

a.      einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3.5 Monaten.

b.      einer Geldstrafe von 220 Tagessätzen zu je Fr. 30.00.

Die Untersuchungshaft vom 24. Januar 2018 bis 8. März 2018, total 44 Tage, ist dem Beschuldigten an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

Die Ersatzmassnahmen (rund 40 Sitzungen Psychotherapie und Bewährungshilfe) sind dem Beschuldigten im Umfang von 20 Tagen an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

3.      Die für den Beschuldigten A.___ mit Verfügung des Haftgerichts vom 26. Juni 2020 angeordneten Ersatzmassnahmen werden um sechs Monate verlängert.

4.      Für den Beschuldigten A.___ wird vollzugsbegleitend eine ambulante Massnahme in Form einer forensischen Psychotherapie angeordnet; diese hat so lange zu dauern, wie sie erforderlich ist.

5.      Dem Beschuldigten A.___ wird für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten (Tätigkeitsverbot).

6.      Für die Dauer des Tätigkeitsverbotes wird für den Beschuldigten A.___ Bewährungshilfe angeordnet.

7.      Folgende beschlagnahmte Gegenstände werden eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu vernichten:

-        iPad Apple […]; Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Laptop, Packard Bell (inkl. Festplatte Seagate […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 7 inkl. Sim–Karte (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 6S (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9195 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9100 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9300 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 5 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

8.      Der Dropbox-Account des Beschuldigten A.___ ([Mailadresse]) ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu löschen.

9.      Auf die Anträge von Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, allfällige Zivilforderungen seien abzuweisen und für die Beurteilung der Zivilklage seien keine Kosten auszuscheiden, wird nicht eingetreten.

10.    Die Kostennote für den amtlichen Verteidiger des Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird auf Fr. 33'779.20 (inkl. MwSt und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von Fr. 33'779.20 sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von Fr. 14'276.75 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

11.    Die Verfahrenskosten, mit einer Gerichtsgebühr von Fr. 24'000.00, belaufen sich auf total Fr. 48'856.20, werden dem Beschuldigten A.___ auferlegt.

 

6. Nach dem erstinstanzlichen Urteil erfuhr die Staatsanwaltschaft, dass im Kanton Bern zum damaligen Zeitpunkt eine weitere Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen Pornografie und sexueller Belästigung geführt wurde, wobei dem Beschuldigten vorgeworfen wurde, gezielt drei Mädchen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren in sozialen Medien mit sexuellen Absichten kontaktiert zu haben. Er soll den Mädchen Bilder mit sexuellem Inhalt zugestellt haben und sie in der Folge durch Druckaufbau und in Kenntnis ihres wahren Alters zur Erstellung von kinderpornografischem Bild- und Videomaterial gebracht haben. Zudem wurde ihm vorgeworfen, ein Mädchen während einer Lastwagenfahrt sexuell belästigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragte daraufhin am 12. Oktober 2020 (Akten Vorinstanz S. 279, im Folgenden: OG AS 279) beim Amtsgericht von Olten-Gösgen, es sei für die Dauer des Berufungsverfahrens Sicherheitshaft anzuordnen und es seien die Akten der Strafuntersuchung gegen A.___ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, […], beizuziehen.

Mit Verfügung vom 24. November 2020 wies der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Sicherheitshaft gegen den Beschuldigten ab.

 

Mit Beschluss vom 7. Februar 2021 wies die Beschwerdekammer die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft ab.

 

7. Gegen das erstinstanzliche Urteil wurde von Seiten des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft Berufung erhoben.

 

7.1 Gemäss Berufungserklärung vom 21. Dezember 2020 (Aktenseiten Berufungsverfahren [nachfolgend: ASB] 001 ff.) liess der Beschuldigte seine Berufung wie folgt beschränken: Angefochten würden die Schuldsprüche wegen sexueller Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten A, D, E und G (Anklageschrift [nachfolgend: AnklS] Ziffern 1.1, 4.1, 5.1 und 7.1), der Pornografie zum Nachteil von J.___ (AnklS Ziffer 8 lit. a) und der mehrfachen Nötigung zum Nachteil der Geschädigten C und F (AnklS Ziffern 3.3 und 6.3). Der Beschuldigte sei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von vier Jahren und unter Anrechnung von 44 Tagen Untersuchungshaft und der angeordneten Ersatzmassnahmen, zu verurteilen. Er sei zur Weiterführung der begonnenen ambulanten Therapie und der Bewährungshilfe für die Dauer von vier Jahren zu verurteilen. Schliesslich seien die Verfahrenskosten anteilsmässig zu verlegen. Anlässlich der Verhandlung vor dem Berufungsgericht liess der Beschuldigte die Berufung hinsichtlich AnklS Ziffer 6.3 zurückziehen.

 

7.2 Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihr Rechtsmittel mit Berufungserklärung vom 21. Dezember 2020 (ASB 005 ff.) wie folgt: Angefochten werde der Schuldspruch zum Nachteil der Geschädigten A insofern, als die vaginale Penetration der Geschädigten (AnklS Ziffer 1.1 lit. b) nicht als Vergewaltigung, evtl. sexuelle Nötigung qualifiziert worden sei, und das Einbeziehen der Geschädigten in sexuelle Handlungen (Onanieren, AnklS Ziffer 1.1 lit. b) nicht als erwiesen betrachtet worden sei. Weiter würden die Schuldsprüche wegen Pornografie gemäss den Ziffern 1.2 lit. a, 2.2. lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.2 lit. a, 7.2 lit. a und 8. der Anklageschrift angefochten, insofern die Vorhalte der (z.T. versuchten) Anstiftung zur Herstellung und Weiterleitung der pornografischen Bild- und Filmdateien nicht als Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 StGB, sondern lediglich gemäss Abs. 5 dieser Bestimmung qualifiziert worden seien. Es seien entsprechende Schuldsprüche zu fällen und der Beschuldigte sei zu einer höheren Freiheitsstrafe, ohne Anrechnung der Ersatzmassnahmen, zu verurteilen. Weiter sei eine stationäre Therapie, evtl. eine vollzugsbegleitende ambulante Therapie, anzuordnen.

 

7.3 Damit sind zu diesem Zeitpunkt folgende Teile des erstinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen:

 

-        Ziffer 1 (teilweise): einzelne Schuldsprüche gemäss Ziffer III. hiernach;

-        Ziffer 5: Tätigkeitsverbot für 10 Jahre;

-        Ziffer 7: Einziehungen;

-        Ziffer 8: Löschung des Dropbox-Accounts des Beschuldigten;

-        Ziffer 9: Nichteintreten auf die Anträge zu Zivilforderungen;

-        Ziffer 10 (teilweise): Höhe der Entschädigung von CHF 33'779.20 an den amtlichen Verteidiger.

 

8. Mit Verfügung vom 26. März 2021 wurden der Beschuldigte mit seinem amtlichen Verteidiger, die Staatsanwaltschaft, der Gutachter L.___ als Sachverständiger sowie die behandelnde Therapeutin K.___ als Zeugin zur Berufungsverhandlung vom 26. Oktober 2021 vorgeladen (ASB 044 f.).

 

9. Mit Verfügung vom 20. August 2021 wurden bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland die Akten des hängigen Strafverfahrens gegen den Beschuldigten eingeholt.

 

Mit Verfügung vom 14. Oktober 2021 wurden diese Akten auszugsweise dem Gutachter L.___ zugestellt, mit Verfügung vom 18. Oktober 2021 ebenfalls der Zeugin K.___.

 

10. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2021 wurde den Parteien Folgendes mitgeteilt: «Das Gericht behält sich vor, den angeklagten Sachverhalt – wie von der Staatsanwaltschaft in der Berufungserklärung (Ziffer 1 lit. a al. 2) verlangt – bezüglich der (z.T. versuchten) Anstiftung zur Herstellung und Weiterleitung der pornografischen Bild- und Filmdateien gemäss den Ziffern 1.2 lit. a, 2.2. lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.1 lit. a, 7.2 lit. a und 8. der Anklageschrift als Widerhandlungen gegen Art. 197 Abs. 4 (statt wie angeklagt Abs. 5) StGB zu prüfen.»

 

11. Am 26. Oktober 2021 fand vor dem Obergericht des Kantons Solothurn (im Folgenden: Obergericht) die Berufungsverhandlung statt (Verfahren STBER.2020.98). Am 28. Oktober 2021 wies die Strafkammer des Obergerichts den Antrag der Staatsanwaltschaft, es sei Sicherheitshaft gegen den Beschuldigten anzuordnen, ab (ASB 217 ff.). Gleichentags fällte das Obergericht folgendes Urteil (ASB 213 ff.):

 

1.      Es wird festgestellt, dass sich gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils der Beschuldigte A.___ wie folgt schuldig gemacht hat:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 21. Januar 2018 (Ziff. 2.1, 3.1, 6.1 AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 27. Oktober 2015 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.3 AnklS);

-        des mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.4 AnklS).

2.      Der Beschuldigte A.___ hat sich zudem wie folgt schuldig gemacht:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Anfang Mai 2015 bis am 31. Juli 2016 (Ziff. 1.1, 4.1, 5.1 und 7.1 AnklS);

-        der mehrfachen Pornografie und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 1. Mai 2015 bis 24. Januar 2018 (Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2, 5.2, 6.2, 7.2 und 8. AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit von April 2016 bis am 18. August 2016 (Ziff. 3.3 AnklS).

3.      Der Beschuldigte wird zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je CHF 80.00 verurteilt.

4.      An die Geldstrafe werden die ausgestandene Untersuchungshaft sowie die angeordnete Ersatzmassnahme wie folgt angerechnet:

-        44 Tage Haft (24. Januar 2018 bis 8. März 2018);

-        40 Tage für 80 Sitzungen Psychotherapie und Bewährungshilfe.

5.      Für den Beschuldigten wird eine ambulante Massnahme in Form einer forensischen Psychotherapie angeordnet.

6.      Es wird festgestellt, dass die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn mit separatem Beschluss vom 28. Oktober 2021 über den Antrag der Staatsanwaltschaft, es sei die Sicherheitshaft anzuordnen, entschieden hat.

7.      Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils dem Beschuldigten für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten (Tätigkeitsverbot) wird.

8.      Für die Dauer des Tätigkeitsverbotes wird für den Beschuldigten Bewährungshilfe angeordnet.

9.      Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 7 des erstinstanzlichen Urteils nachfolgende beschlagnahmte Gegenstände nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils eingezogen werden und zu vernichten sind:

-        iPad Apple […]; Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Laptop, Packard Bell (inkl. Festplatte Seagate […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 7 inkl. Sim–Karte (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 6S (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9195 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9100 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9300 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 5 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

10.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils der Dropbox-Account des Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu löschen ist.

11.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils auf die Anträge von Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, allfällige Zivilforderungen seien abzuweisen und für die Beurteilung der Zivilklage seien keine Kosten auszuscheiden, nicht eingetreten wird.

12.    Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 33'779.20 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 33'779.20 sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 14'276.75 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

13.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 8'993.30 (inkl. 7.7% MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

       Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 1/5, ausmachend CHF 1'798.70, sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 755.30 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen [1/5]), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

14.    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 24’000.00, total CHF 48’856.20, hat der Beschuldigte zu bezahlen.

15. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, belaufen sich auf total CHF 16'870.95. Diese werden zu 1/5, ausmachend CHF 3'374.20, dem Beschuldigten auferlegt. Im Umfang von 4/5, ausmachend CHF 13'496.75, gehen sie zu Lasten des Staates.

 

12. Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen mit den Rechtsbegehren, das Urteil des Obergerichts vom 28. Oktober 2021 sei aufzuheben und die Strafsache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, verbunden mit der Auflage, dass eine angemessene Freiheitsstrafe auszufällen und eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen sei, unter Kostenfolgen.

 

13. Das Bundesgericht fällte am 24. November 2022 folgendes Urteil:

 

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 28. Oktober 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.    Es werden keine Kosten erhoben.

3.    Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

4.    Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

 

14. Am 20. Januar 2023 trat der Beschuldigte, nachdem ihm am 27. Oktober 2022 – gestützt auf weitere Vorhalte in einem neuen Strafverfahren – durch die Staatsanwaltschaft der vorzeitige Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB bewilligt wurde, in das Massnahmenzentrum St. Johannsen in Le Landeron ein (Aktenseiten Neubeurteilungsverfahren [nachfolgend: ASN] 030 ff.).

 

15. Mit Verfügung vom 15. März 2023 wurden der Beschuldigte mit seinem amtlichen Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und der Gutachter L.___ als Sachverständiger zur Berufungsverhandlung (Neubeurteilungsverfahren STBER.2022.98) vom 29. August 2023 vorgeladen (ASN 039 f.).

 

16. Mit Verfügung vom 4. Juli 2023 wurden die mit Verfügungen vom 16. Februar 2023 und 15. März 2023 eingeholten Akten (abgeschlossenes Strafverfahren [Verfahrensnummer] […] und hängiges Strafverfahren [Verfahrensnummer] [Staatsanwaltschaft des Kantons […]]) L.___ zugestellt (ASN 062 f.).

 

17. Am 29. August 2023 fand die zweite Verhandlung vor dem Obergericht statt. Das Verfahrensprotokoll sowie die Einvernahmen wurden separat abgefasst und zu den Akten genommen (ASN 086 ff.).

 

Staatsanwältin B.___ stellte und begründete (ASN 103) für die Anklägerin die folgenden Anträge:

 

1.      A.___ sei zu verurteilen zu:

a.      einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 8 Monaten;

b.      einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 30.00.

2.      An die Freiheitsstrafe seien die ausgestandene Untersuchungshaft sowie die angeordneten Ersatzmassnahmen wie folgt anzurechnen: - 44 Tage Haft (24. Januar 2018 bis 8. März 2018); - 40 Tage für 80 Sitzungen Psychotherapie und Bewährungshilfe.

3.      Es sei für A.___ eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB anzuordnen.

4.      Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt R. Ciapparelli, für das Berufungsverfahren sei gerichtlich festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn). Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

5.      Die Kosten des Berufungsverfahrens seien A.___ aufzuerlegen.

 

Der amtliche Verteidiger Raphael Ciapparelli stellte und begründete (ASN 104 f.) im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers die folgenden Anträge:

 

I.     

Es sei festzustellen, dass das Urteil vom 28. Oktober 2021 in Rechtskraft erwachsen ist, als dass

1.      festgestellt wurde, dass sich A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils wie folgt schuldig gemacht hat:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 21. Januar 2018 (Ziff. 2.1, 3.1, 6.1 AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 27. Oktober 2015 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.3 AnkIS).

-        des mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.4 AnkIS).

2.      A.___ sich wie folgt schuldig gemacht hat:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Anfang Mai 2015 bis am 31. Juli 2016 (Ziff. 1.1, 4.1, 5.1 und 7.1 AnklS);

-        der mehrfachen Pornografie und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 1. Mai 2015 bis 24. Januar 2018 (Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2, 5.2, 6.2, 7.2 und 8. AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit von April 2016 bis am 18. August 2016 (Ziff. 3.3 AnkIS).

3.      A.___ für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen umfasst, verboten wird (Ziffer 5 Urteilsdispositiv);

4.      die beschlagnahmten Gegenstände eingezogen und vernichtet werden (Ziffer 9 Urteilsdispositiv);

5.      der Dropbox-Account von A.___ ([Mailadresse]) zu löschen ist;

6.      die Kostennote für den amtlichen Verteidiger von Steven lschi, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, auf Fr. 33'779.20 (inkl. MWST und Auslagen) festgesetzt wird und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen ist. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von Fr. 33'779.20 sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von Fr. 14'276.75 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MWST und Auslagen), sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten dies erlauben (Ziffer 12 Urteilsdispositiv);

7.    die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, für das Berufungsverfahren auf CHF 8'993.30 (inkl. 7.7% MwSt. und Auslagen) festgesetzt wird und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen ist.

 

II.       

A.___ sei in Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu verurteilen:

1.      zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 37 Monaten und 7 Tagen; die ausgestandene Polizei- und Untersuchungshaft im Umfang von 44 Tagen sowie die angeordneten Ersatzmassnahmen seien an die Strafe anzurechnen.

2.      zu einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB im Massnahmenzentrum St. Johannsen, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten der stationären Massnahme aufgeschoben wird.

3.      zu den Verfahrenskosten.

 

III.      

Weiter sei zu verfügen:

1.      Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli sei für die amtliche Verteidigung von A.___ eine Entschädigung im Umfang der eingereichten Kostennote auszubezahlen.

2.      A.___ sei in den Massnahmenvollzug St. Johannsen zurückzuversetzen.

3.      Allfällige weitere Verfügungen seien von Amtes wegen zu treffen.

 

II. Gegenstand des Neubeurteilungsverfahrens

 

1.1 Die Schuldsprüche als solche wurden durch die Staatsanwaltschaft nicht angefochten. Angefochten wurde das Urteil des Obergerichts vom 28. Oktober 2021 lediglich hinsichtlich der Strafzumessung und des Massnahmenentscheids.

 

1.2 Entsprechend hat das Bundesgericht in seinem Entscheid 6B_93/2022 das vorinstanzliche Urteil inhaltlich in folgenden Punkten kassiert:

 

-      Strafzumessung (E. 1.);

-      Angeordnete ambulante Massnahme (E. 2.).

 

2. Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1).  

 

Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es diesen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind (BGE 143 IV 214 E. 5.3.3). 

 

3. Prozessthemen bilden im vorliegenden Neubeurteilungsverfahren nach dem Gesagten einzig die Strafzumessung (Ziffer IV hiernach) und die Frage der Anordnung einer Massnahme (Ziffer V hiernach).

 

III. Rechtskräftige Schuldsprüche

 

1. In seinem Urteil vom 28. Oktober 2021, Ziffer II., hielt das Obergericht fest, dass folgende Schuldsprüche des Amtsgerichts von Olten-Gösgen in Rechtskraft erwachsen sind, was unverändert Bestand hat:

 

-        «In Bezug auf die Ziffern 1.2 lit. a, 2.2. lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.1 lit. a [recte: 6.2 lit. a], 7.2 lit. a und 8. der Anklageschrift sind die Schuldsprüche wegen Pornographie (Beschaffen, Herstellen, Konsum und Besitz von pornografischen Foto- und Filmdateien von minderjährigen Geschädigten zum Eigenkonsum) mit Ausnahme der Vorhalte der (teilweise versuchten) Anstiftung zu Herstellung und Weiterleitung von Pornographie rechtskräftig.

-        AKS Ziffer 1.2 lit. b: Pornographie: anfänglich mehrmals wöchentliches, später etwas weniger, elektronisches Versenden von Fotoaufnahmen von seinem erregten Penis und von Filmaufnahmen, die den Beschuldigten beim Masturbieren zeigten, an die Geschädigte A.

-        AKS Ziffer 2.1: mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern (Geschädigte B):

Lit. a: Zwischen Oktober 2016 und 21. Januar 2018 mehrmals wöchentliches: Austauschen von Zungenküssen, Stimulieren an den Brüsten und im Vaginal- sowie Analbereich resp. Penetrieren mit den Fingern («fingerlen»). Dabei wurden zwei- bis dreimal wöchentlich der Geschlechtsverkehr, einmal wöchentlich gegenseitig der Oralverkehr und ca. zweimal der Analverkehr vollzogen.

Lit. b: von Oktober 2016 bis 21. Januar 2018: Aufforderung an die Geschädigte, in aufreizender Stellung zu posieren und ihre nackte Vagina sowie die nackten Brüste zur Schau zu stellen und diese zu stimulieren («fingerlen») bzw. teilweise Gegenstände einzuführen sowie sich dabei zu fotografieren und filmen, was die Geschädigte des Öfteren auch machte (12 aufgelistete konkrete Beispiele zwischen dem 31. Mai 2017 und dem 3. Januar 2018).

-        AKS Ziffer 2.2 lit. b: Pornographie: mehrfach wöchentliches Zuschicken von Fotoaufnahmen seines erregten Penis sowie von Foto- und Filmaufnahmen, die den Beschuldigten beim Masturbieren zeigten (sieben aufgelistete konkrete Beispiele zwischen dem 31. Mai 2017 und dem 3. Januar 2018).

-        AKS Ziffer 3.1: mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern und Versuch dazu (Geschädigte C):

Lit. a: Zwischen April 2016 und 18. August 2016 mehrmals wöchentliches Austauschen von Zungenküssen, Stimulieren und Lecken an den Brüsten und Berühren im Vaginalbereich resp. Penetrieren mit den Fingern («fingerlen»). Dabei wurden zwei- bis dreimal wöchentlich der Geschlechtsverkehr, einmal wöchentlich gegenseitig der Oralverkehr und ca. zweimal der Analverkehr vollzogen [recte: Zwischen April 2016 und 18. August 2016 mehrmals wöchentliches Austauschen von Zungenküssen, Stimulieren und Lecken an den Brüsten und Berühren im Vaginalbereich resp. Penetrieren mit den Fingern («fingerlen»). Dabei wurden zwei- bis dreimal wöchentlich der Geschlechtsverkehr, einmal wöchentlich gegenseitig der Oralverkehr und ca. zweimal der Analverkehr vollzogen.].

Lit. b: Mehrfaches Versuchen, den Geschlechtsverkehr ohne Kondom zu vollziehen.

Lit. c: Mehrfaches Onanieren vor der Geschädigten bis zum Samenerguss, wobei die Geschädigte den Penis des Beschuldigten teilweise in die Hand nahm und diesen stimulierte.

Lit. d: mehrfache Aufforderung an die Geschädigte, in aufreizender Stellung zu posieren und ihre nackte Vagina sowie die nackten Brüste zur Schau zu stellen und sich dabei zu fotografieren. Ein- bis zweimal verlangte er von der Geschädigten, dass sie sich sexuell befriedigen müsse («fingerlen»). Anfänglich kam die Geschädigte diesen Wünschen nicht nach, ab Anfang Juni 2016 machte sie jedoch mehrfach Fotoaufnahmen von ihren nackten Brüsten. Im Übrigen blieb es beim Versuch.

-        AKS Ziffer 3.2 lit. b: Pornographie: Zwischen Anfang April 2016 und 18. August 2016 Verschicken von mindestens 30 Fotoaufnahmen von seinem erregten Penis sowie mehrfaches Verschicken von Foto- und Filmaufnahmen, die den Beschuldigten beim Onanieren bis zum Samenerguss zeigten.

-        AKS Ziffer 5.2 lit. c: Pornographie (Geschädigte E) Pornographie: Zwischen 21. Juni 2015 bis 24. Januar 2018 mehrfach wöchentliches Verschicken von Fotos von seinem Penis sowie von Foto- und Filmaufnahmen, die zwei Personen beim Geschlechtsverkehr und den Beschuldigten beim Masturbieren zeigen, an die Geschädigte.

-        AKS Ziffer 6.1: mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, zwischen Februar 2018 [recte: Februar 2016] und dem 29. Juni 2016 (Geschädigte F):

Lit. a: zwei Mal vaginales Penetrieren der Geschädigten mit dem Finger.

Lit. b: Zungenkuss, versuchtes Ausziehen, Berühren an Brüsten, Hüften und Po unter den Kleidern und dabei Stimulieren («Fingerlen»); vergebliche Aufforderung zum Geschlechtsverkehr.

Lit. c: vergebliche Aufforderung an die Geschädigte, sich gegenseitig zu stimulieren und den Geschlechtsverkehr zu vollziehen.

Lit. d: Anfassen der Geschädigten an der Vagina über den Kleidern.

Lit e: einmalige, vergebliche Aufforderung an die Geschädigte, in aufreizender Stellung zu posieren und ihre nackte Vagina sowie die nackten Brüste zur Schau zu stellen und diese zu stimulieren («Fingerlen»). Dabei sollte sie sich fotografieren.

-        AKS Ziffer 6.2 lit. b: Pornographie im Juni 2015 und Februar 2016 (Geschädigte E [recte: Geschädigte F]): mehrfaches Zuschicken von Fotoaufnahmen mit pornographischem Inhalt in zwei Fällen.

-        AKS Ziffer 6.3: mehrfache versuchte Nötigung zwischen Oktober 2015 und Juni 2016 zum Nachteil der Geschädigten F, durch Androhen einer Selbstverletzung bzw. eines Suizides, wenn die Geschädigte sich nicht von ihrem Freund trenne.

-        AKS Ziffer 6.4: Mehrfaches Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe zwischen Februar 2016 und 29. Juni 2016 (Geschädigte F): Kauf von mehreren Päckchen und einer Stange Zigaretten für die Geschädigte F.

-        AKS Ziffer 7.2 [recte: 7.2 lit. b] Pornographie zwischen Januar 2016 und Januar 2018 (Geschädigte G): Mehrfaches Zusenden von Fotoaufnahmen von seinem erregten Penis, von Foto- und Filmaufnahmen, die den Beschuldigten beim Masturbieren zeigen und von einem Video, das den Beschuldigten beim Geschlechtsverkehr mit einer anderen Frau zeigt.»

 

2. Bestand hat auch die tatsächliche und rechtliche Würdigung der übrigen angeklagten Vorhalte durch das Obergericht gemäss Urteil vom 28. Oktober 2021. Es kann an dieser Stelle grundsätzlich auf die entsprechenden Erwägungen im genannten Urteil verwiesen werden; zusammengefasst ist im Einzelnen Folgendes festzuhalten:

 

2.1 Vorhalte zum Nachteil der Geschädigten A (C.___)

 

2.1.1 Vergewaltigung, evtl. versuchte sexuelle Nötigung (AnklS Ziffer 1.1 lit. b)

 

Das Obergericht ging in seinem Urteil vom 28. Oktober 2021, Ziffer III./4.4, bezüglich des Abends bzw. der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016 von folgendem Ablauf aus:

 

«Der Beschuldigte und die Geschädigte (im Pyjama) lagen im Bett und schauten zusammen Videos auf YouTube, als er begann, sie zu küssen und über den Kleidern zu berühren. Als er ihr die Pyjamahose heruntergezogen hatte und seinen Finger in ihre Scheide einführte und sie dort auch leckte, wehrte sie das ab, zog ihre Pyjamahose wieder hoch und gab ihm zu verstehen, dass sie das nicht wolle, er solle aufhören. Da liess er von ihr ab. Die Geschädigte schlief dann ein stellte sich schlafend, worauf der Beschuldigte im Bett neben der Geschädigten masturbierte - diesbezüglich kam die Vorinstanz zu einem anderen Beweisergebnis -, was auch eine gewisse Logik hat und von der Geschädigten zweifelsfrei als solches wahrgenommen und erkannt werden konnte. Später zog der Beschuldigte - seitlich hinter der Geschädigten liegend - ihr erneut die Pyjamahosen runter und versuchte, mit seinem erregten Penis anal bei ihr einzudringen. Die Geschädigte verhinderte ein anales Eindringen mit dem Zudrücken ihrer Gesässmuskeln, worauf der Beschuldigte abglitt und mit seinem Penis leicht in ihre Scheide eindrang. Die Geschädigte wehrte sich erneut, indem sie «sofort zurückzog» und ihre Pyjamahose wieder hochzog. Der Beschuldigte liess darauf wieder von der Geschädigten ab und befriedigte sich erneut selbst. Die Geschädigte blieb beim Beschuldigten, schlief in seinem Bett und teilte am frühen Morgen ihrer Mutter mit, der Beschuldigte habe nun bessere Laune als am Vorabend und es gehe ihm gut. Ziemlich schräg ist - selbst wenn sie nicht ernst gemeint gewesen sein dürfte - die anschliessende SMS-Mitteilung der Mutter von 05.57 Uhr: «So ig schloof jetz noch chli Tschüss de cheit ihr no chli figge» «Gruess am A.___». Am Folgetag, 26. Februar 2016, gingen die Beiden zusammen auf eine Lastwagentour, die Geschädigte postete am frühen Morgen davon ein Foto mit dem Text, sie sei mit dem besten Chauffeur unterwegs, verbunden mit einem Smiley mit «Herzaugen». Der Beziehungsabbruch dürfte angesichts aller vorliegenden Beweismittel danach vom (offenbar enttäuschten) Beschuldigten ausgegangen sein.»

 

Das Obergericht sprach den Beschuldigten vom Vorhalt der Vergewaltigung, evtl. der versuchten sexuellen Nötigung implizit frei (Ziffer III./6.).

 

2.1.2 Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern und Versuch dazu (AnklS Ziffer 1.1 lit. a, lit. b und lit. c)

 

Hingegen erfolgte ein Schuldspruch wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und Versuch dazu zum Nachteil der Geschädigten A. Die in diesem Zusammenhang dem Beschuldigten in Ziffer 1.1 AnklS gemachten Vorhalte fasste das Obergericht wie folgt zusammen:

 

«Lit. a: Am 12. Februar 2016 im parkierten Lastwagen: Drücken des Penis gegen den Bauch der Geschädigten; Zungenküsse; Hand unter das Gesäss der Geschädigten.

Lit. b: In der zweiten Hälfte Februar 2016 am Domizil des Beschuldigten (Schlafzimmer): Fassen an Po, zwischen die Beine und an die Oberschenkel über den Kleidern; Herunterziehen der Pyjama-Hose; vaginale Penetration mit dem Finger; Lecken mit der Zunge im Vaginalbereich. Später erneutes Herunterziehen der Pyjamahose und Versuch, die Geschädigte mit dem Penis anal zu penetrieren; dabei mehrfaches Eindringen in die Vagina, bis ihn die Geschädigte wegdrücken konnte.

Lit. c: von Mai 2015 bis 29. Februar 2016: Aufforderung an die Geschädigte, in aufreizender Stellung zu posieren und ihre nackte Vagina sowie die nackten Brüste zur Schau zu stellen und diese zu stimulieren («fingerlen») sowie sich dabei zu fotografieren und filmen bzw. ihn via Facetime zuschauen zu lassen. Die Geschädigte habe nach anfänglicher Weigerung mindestens zehn Mal Fotos von ihren nackten Brüsten, dem nackten Po und ihrem nackten Vaginalbereich gemacht. Weiter habe sie einmal masturbiert und sich dabei den Finger vaginal eingeführt, was sie gefilmt habe.»

 

Das Obergericht führte dazu Folgendes aus (Ziffer III./7.3 f.):

 

«Da nach den obigen Ausführungen beweismässig auf die Aussagen der Geschädigten abgestellt werden kann und der Beschuldigte wie gezeigt das wahre Alter der Geschädigten von Anfang an kannte, sind die angeklagten Sachverhalte gemäss obiger Beweiswürdigung weitgehend rechtsgenüglich nachgewiesen (allerdings kein mehrmaliges Eindringen mit dem Penis in die Scheide der Geschädigten) und die entsprechenden Schuldsprüche der Vorinstanz zu bestätigen. Das Eindringen mit dem Penis in die Scheide der Geschädigten hat der Beschuldigte in Kauf genommen und er hat damit eventualvorsätzlich gehandelt. Es kann ergänzend auf die Ausführungen der Vorinstanz zur rechtlichen Subsumtion der einzelnen Handlungen verwiesen werden. Mit der Vorinstanz ist in Bezug auf die mehreren Einzelhandlungen an den beiden Treffen jeweils Handlungseinheit anzunehmen. Einer besonderen Prüfung bedarf einzig der Vorhalt des Einbeziehens in eine sexuelle Handlung durch das Onanieren im Bett neben der Geschädigten. Hier wäre insofern direkter Vorsatz nötig, als der Täter das Kind gezielt zum Zeugen seiner sexuellen Handlung und damit zum Sexualobjekt macht. Der Täter muss die Wahrnehmung seiner sexuellen Handlung als direktes Handlungsziel wollen, Eventualvorsatz genügt demzufolge nicht (Urteil des Bundesgerichts 6S.341/2003 vom 16. Dezember 2003 E. 2.1 mit Verweisen auf andere Urteile). Dies ist vorliegend nicht der Fall: die Geschädigte schlief stellte sich schlafend, als der Beschuldigte sich selbst befriedigte, nachdem er vorher nicht zur Befriedigung gekommen war. In Bezug auf die Wahrnehmung des Onanierens durch die Geschädigte liegt einzig Eventualvorsatz vor, sodass kein Schuldspruch wegen Einbeziehens in eine sexuelle Handlung erfolgen kann.»

 

«Der Beschuldigte war zur Zeit der meisten Tathandlungen, insbesondere der beiden persönlichen Treffen, schon (knapp) mehr als 20 Jahre alt, eine Strafbefreiung gemäss Art. 187 Ziffer 3 StGB scheitert aber auch an den fehlenden «besonderen Umständen», eine partnerschaftliche Beziehung im Sinne der Gesetzesnorm lag ganz offensichtlich nicht vor: die Beiden trafen sich zwei Mal, wobei es dem Beschuldigten bei den Kontakten mit der fünf Jahre jüngeren Geschädigten weitaus überwiegend um das Sexuelle ging. In den Chat-Kommunikationen ging es denn fast einzig um sexuelle Handlungen, von Liebesbezeugungen ist kaum die Rede. Zudem trafen sich die Beiden nur zwei, allenfalls drei Mal persönlich. Der Beschuldigte hat in erster Linie die Geschädigte ausgenutzt, um solche Ziele (tatsächliche sexuelle Kontakte, Bilder, Kommunikation) zu erreichen.»

 

2.1.3 Mehrfache Pornografie und Versuch dazu, teilweise Anstiftung und Versuch dazu (AnklS Ziffer 1.2)

 

Hinsichtlich der Anstiftungshandlungen bezüglich des (eingestandenen) Vorhaltes der mehrfachen Pornografie und des Versuchs dazu erfolgte ein Schuldspruch gemäss Art. 197 Abs. 5 StGB, nicht aber ein solcher nach Abs. 4 von Art. 197 StGB (Ziffer III./8.3.3).

 

Das Obergericht hielt in Ziffer III./8.4 ergänzend fest, dies gelte für alle entsprechenden Vorhalte im vorliegenden Fall:

 

«Diese Erwägungen gelten ebenso hinsichtlich AKS Ziffern 2.2 lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.2 lit. a, 7.2 l.it. a und 8. Bei allen diesen Vorhalten ist in der Anklage ausdrücklich festgehalten, er habe die Handlungen «zwecks Eigenkonsum» vorgenommen. Auch diesbezüglich sind somit die Schuldsprüche der Vorinstanz in Abweisung der Berufung der Staatsanwaltschaft zu bestätigen.»

 

2.2 Vorhalt der mehrfachen Nötigung und des Versuchs dazu zum Nachteil der Geschädigten C (E.___; AnklS Ziffer 3.3)

 

Gestützt auf die glaubhaften Aussagen der Geschädigten C erachtete es das Obergericht als erstellt, dass diese wegen der Drohungen des Beschuldigten mit Suizid die Beziehung später beendet hat, als sie das eigentlich gewollt hatte. Bezüglich der rechtlichen Würdigung äusserte sich das Obergericht in seinem Urteil vom 28. Oktober 2021 wie folgt (Ziffer 3.2 Seiten 47 f.):

 

«Wenn man sich die im Vorhalt explizit erwähnten Nachrichten vor Augen hält, ist offenkundig, dass diese auch eine besonnene Person dazu gebracht hätten, auf einen Beziehungsabbruch zu verzichten. Nach dem Beweisergebnis wollte die Geschädigte die Beziehung nach rund zweieinhalb bis drei Monaten trennen. Schlussendlich, d.h. weil der Beschuldigte ihr gegenüber mehrmals zu verstehen gab, dass er sich im Falle einer Trennung das Leben nehmen würde (was nach obigen Ausführungen jedenfalls eine Drohung im Sinne des Gesetzes darstellt), blieb die Geschädigte weitere ein bis anderthalb Monate mit dem Beschuldigten zusammen und trennte sich (erst) nach vier Monaten. Dass der Beschuldigte dies mit seinen Drohungen nicht bezweckt haben will, ist offensichtlich eine Schutzbehauptung. Auf die entsprechende Frage der Polizei hat er denn auch geantwortet, das seien keine Drohungen, sondern nur Gedanken gewesen. Selbstverständlich waren es Gedanken des Beschuldigten, aber eben drohende Gedanken mit dem einzigen Zweck, sie von ihrem Willen abzubringen. Wenn der Beschuldigte der Geschädigten mit Suizid droht, um sie vom Beziehungsabbruch abzuhalten, liegt eine rechtswidrige Nötigung vor. Damit erfüllt der Beschuldigte mehrfach den Tatbestand der Nötigung nach Art. 181 StGB, teilweise i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB als Versuch.»

 

2.3 Vorhalt der sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten D (M.___; AnklS Ziffer 4.1)

 

Der Beschuldigte anerkannte den angeklagten Sachverhalt (Zungenküsse, Berühren an Brüsten und Vagina über und unter den Kleidern und dabei Stimulieren («fingerlen»), Stimulieren des Penis durch die Geschädigte, Geschlechtsverkehr), machte aber geltend, er sei zur Zeit der ersten Taten noch nicht 20 Jahre alt gewesen und habe damals mit der Geschädigten eine Beziehung geführt, weshalb Art. 187 Ziffer 3 StGB anzuwenden und von einer Verurteilung, evtl. Bestrafung abzusehen sei. Das Obergericht liess dies nicht gelten und bestätigte den Schuldspruch der Vorinstanz wegen sexueller Handlungen mit Kindern (Ziffer 2.5 Seiten 52 f.):

 

«Die Vorinstanz ist gemäss den Aussagen des Beschuldigten von einer Tatzeit im Januar 2016 ausgegangen, als der Beschuldigte noch nicht ganz 20 Jahre alt war. Aufgrund der beidseitigen Aussagen ist davon auszugehen, dass die Beiden nach dem (einmaligen) Geschlechtsverkehr eine Beziehung eingehen wollten, die allerdings gerade mal drei Tage dauerte. Für die gleiche Zeit macht der Beschuldigte im Übrigen auch eine Beziehung mit der Geschädigten A geltend. Für den Beschuldigten stand – wie in allen vorliegenden Fällen – das Sexuelle und damit auch eine Ausnützung der minderjährigen Geschädigten klar im Vordergrund, andere Gemeinsamkeiten gemeinsame Unternehmungen gab es keine. Von «besonderen Umständen» im Sinne von Art. 187 Ziffer 3 StGB kann – hinsichtlich beider Geschädigten (A und D) – nicht ausgegangen werden, der Schuldspruch der Vorinstanz wegen sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten D ist zu bestätigen.»

 

2.4 Vorhalt der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten E (G.___; AnklS Ziffer 5.1)

 

Das Obergericht gab die dem Beschuldigten gemachten und von diesem nicht bestrittenen Vorhalte wie folgt wieder (Ziffer 1.1 Seiten 53 f.):

 

«Dem Beschuldigten wird vorgehalten, er habe in der Zeit von ca. Anfang Juli 2015 bis Ende November 2015, evtl. Ende Dezember 2015, zum Nachteil von der Geschädigten E (geb. [Geburtsdatum]), mehrfach mit der 15- jährigen Geschädigten im Wissen um deren tatsächliches Alter vorsätzlich die nachfolgenden sexuellen Handlungen vorgenommen bzw. sie dazu verleitet. So unter anderem konkret:

 

a)     am 11. Juli 2015, indem der Beschuldigte mit der Geschädigten Zungenküsse ausgetauscht und sie über und unter den Kleidern an den Brüsten und an der Vagina berührt und stimuliert (u.a. "gefingert") habe. Im Gegenzug habe die Geschädigte den Penis des Beschuldigten angefasst und ihn stimuliert. Schliesslich habe er mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen (vgl. Ziff. 5.2. lit. b).

b)     in der Zeit vom 18. August 2015 bis Ende November 2015, indem der Beschuldigte mehrfach, insgesamt mindestens 16 bis maximal 29 Mal (hauptsächlich unter der Woche), mit der Geschädigten sexuelle Handlungen vorgenommen habe. Er habe dabei mit der Geschädigten Zungenküsse ausgetauscht, und sie über und unter den Kleidern an den Brüsten und der Vagina berührt und sie stimuliert (u.a. "gefingert"). Im Gegenzug habe die Geschädigte den Penis des Beschuldigten angefasst und ihn stimuliert. Weiter habe er mit der Geschädigten bei diesen Treffen jeweils den Geschlechtsverkehr vollzogen und mindestens bei zwei der Treffen gegenseitigen Oralverkehr gehabt.

c)      begangen in der Zeit vom 9. Juli 2015 bis ca. Ende November 2015, indem der Beschuldigte die Geschädigte per WhatsApp, evtl. auf anderen Kommunikationswegen, mehrfach wöchentlich aufgefordert habe in aufreizender Stellung zu posieren, ihre nackte Vagina und nackten Brüste zur Schau zu stellen und diese zu stimulieren (u.a. zu "fingerlen"). Dabei habe er ihr entsprechende konkrete Anweisungen gegeben, welche sexuellen Handlungen sie an sich vornehmen und aufnehmen soll. Des Weiteren habe er von ihr verlangt, dass sie sich dabei fotografiere und filme (vgl. Ziff. 5.2. lit. a.). Die Geschädigte sei seinen Anweisungen gefolgt, habe die entsprechenden sexuellen Handlungen an sich vorgenommen und entsprechende Foto- und Filmaufnahmen erstellt. So beispielsweise konkret per WhatsApp:

 

-        am 9. Juli 2015, 21:56 Uhr (mit Fingern gespreizte nackte Vagina),

-        am 10. August 2015, 20:18 Uhr (Berührungen nackte Brust),

-        am 12. August 2015, 17:52 und 17.55 Uhr (Nacktbilder, Berührungen Brüste, Berührung im nackten Vaginalbereich, Masturbation mit Gegenstand),

-        am 16. August 2015, 20:17 bis 20:19 Uhr (Berührung nackte Brust),

-        am 23. August 2015, 17:41 Uhr (Nacktbild), 17:44 Uhr (nackte Vagina).

 

Durch sein Verhalten habe er die Geschädigte dazu verleitet, die beschriebenen sexuellen Handlungen an sich vorzunehmen.»

 

Der Beschuldigte machte auch hier eine Liebesbeziehung geltend und forderte einen Freispruch gestützt auf Art. 187 Ziff. 3 StGB. Das Obergericht folgte der entsprechenden Argumentation nicht und bestätigte den erstinstanzlichen Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten E (Ziffer 2.4 Seiten 55 f.):

 

«Aus den Aussagen wird klar, dass sich die Beiden als Paar sahen und unter der Woche regelmässig mindestens einen Abend und die Nacht zusammen verbrachten. Am Wochenende hingegen sahen sie sich nicht, da die Geschädigte dann bei den Eltern wohnte. Wie die Geschädigte aber ebenso klar und zu Recht zum Ausdruck brachte, ging es dem Beschuldigten in erster Linie um die sexuelle Beziehung. Allerdings schrieb auch die Geschädigte dem Beschuldigten, sie wolle Sex mit ihm haben. (AS 1498, 1506). Die Geschädigte beendete die Beziehung, weil diese ihren Vorstellungen von einer Liebesbeziehung nicht entsprach. Dementsprechend kam es auch schon beim ersten Treffen zum Geschlechtsverkehr und auch in den Chats war der Fokus des Beschuldigten weitgehend auf das Sexuelle gerichtet. Beispielsweise wird aus den Chat-Unterhaltungen ersichtlich, wie der Beschuldigte regelmässig die Geschädigte dazu aufforderte, ihm intime Fotos zu schicken: «Mach mau 1  vo dim futz» (9. Juli 2015, 21:50:57, AS 1296); «zeigsch mer?» (10. Juli 2015, 17:20:34 Uhr, AS 1303); «zeig mer hüt weder mou die futz» «Darfi ne au e bewegig gshe?» (14. Juli 2015, 07:27:47 ff., AS 1380 f.); «Bby zeigsch mer?» «Egau alles» (30. Juli 2015, 18:23:23 ff., AS 1668); «Wuhuu zeigsch mer de au mou weder?» (8. August 2015, 11:38:11, AS 1791), etc.

 

Dieses Beziehungsverhalten des Beschuldigten zieht sich denn auch durch die gesamten Akten. Er hatte teilweise gleichzeitig mit mehreren Frauen sexuelle Beziehungen, wollte von ihnen intime Fotos und schickte ihnen auch solche von sich zu, und hat von der einen Geschädigten praktisch nahtlos zur nächsten gewechselt. Belegt ist, dass der Beschuldigte zu Beginn der vorliegend geltend gemachten Beziehung zur Geschädigten E offenbar auch noch zu J.___ Kontakt hatte und noch im Juli 2015 mit ihr Nacktfotos ausgetauscht hat.

 

Dennoch kann hinsichtlich der Geschädigten E von einer Paarbeziehung ausgegangen werden, die sich über drei bis vier Monate hingezogen hat. Von einer echten und stabilen Liebesbeziehung, welche einen Verzicht auf Strafe rechtfertigen würde, kann aber auch hier nicht gesprochen werden. Der Beschuldigte, damals 19,5 Jahre alt, war in erster Linie auf Sex mit der gut 15-jährigen Geschädigten aus, was sich beim ersten Treffen mit der Geschädigten denn auch gezeigt hat. Dies hat die Geschädigte mit zunehmender Zeit denn auch genau so erkannt.»

 

2.5 Vorhalt der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, teilweise Versuch dazu, zum Nachteil der Geschädigten G (I.___; AnklS Ziffer 7.1)

 

Der Beschuldigte anerkannte den angeklagten Sachverhalt (Regelmässiges Auffordern, in aufreizender Stellung zu posieren, Brüste und Vagina zur Schau zu stellen und zu stimulieren («fingerlen») sowie sich dabei zu filmen und zu fotografieren, verbunden mit konkreten Anweisungen, welche sexuellen Handlungen sie an sich vornehmen und aufnehmen soll), machte indes abermals geltend, es läge auch hier ein Fall von Art. 187 Ziff. 3 StGB vor. Das Obergericht bestätigte den Schuldspruch der Vorinstanz wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, teilweise wegen Versuchs dazu (Ziffer 2.2 Seite 58):

 

«Aufgrund der Aussagen beider Beteiligter kann in diesem Fall eine echte Liebesbeziehung ausgeschlossen werden. Dies geht eindeutig aus dem Aussagen des Beschuldigten hervor, die Geschädigte G sei für ihn ein «Fussabtreter» für seine Probleme mit der Geschädigten D gewesen, er habe ihr aber gesagt, dass er keine Gefühle für sie habe. Die von der Geschädigten geschilderten Gefühle, der Beschuldigte sei nicht ehrlich gewesen und habe sie nur ins Bett bekommen wollen, waren deshalb absolut treffend. Eine Strafbefreiung gestützt auf Art. 187 Ziffer 3 StGB fällt daher ausser Betracht, dies auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Beziehung (und damit die strafbaren Handlungen) einzig über das Internet ablief. Der Schuldspruch der Vorinstanz wegen mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, teilweise wegen Versuchs dazu, ist deshalb zu bestätigen.»

 

2.6 Vorhalt der mehrfachen Pornografie, teilweise Versuch dazu, teilweise Anstiftung und Versuch dazu (AnklS Ziffer 8.)

 

Der Beschuldigte bestritt die Vorhalte (Ziffer 8. lit. a AnklS: Auffordern, in aufreizender Stellung zu posieren, Brüste und Vagina zur Schau zu stellen und sich dabei zu filmen und zu fotografieren, zum Nachteil von J.___; Ziffer 8. lit. b AnklS: Besitz von zwei Fotoaufnahmen mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen zwecks Eigenkonsum) nicht, machte aber geltend, dass sich eine minderjährige Person, welche einvernehmlich mit ihrem volljährigen Partner Pornografie herstelle und besitze, nicht strafbar mache, wenn der Altersunterschied nicht mehr als drei Jahre beträgt. Die minderjährige Partnerin bleibe in diesem Fall straflos, weshalb der Vorhalt der Anstiftung bzw. versuchten Anstiftung wegfallen müsse. Das Obergericht verwarf diese Argumentation und sprach den Beschuldigten gemäss Anklage schuldig (Ziffer 2.2 Seite 60):

 

«Wie oben unter Ziffer III.8.3.3 festgehalten wurde, sind die «Anstiftungshandlungen» als Beschaffungshandlungen des Beschuldigten zwecks Eigenkonsums im Sinn von Art. 197 Ziffer 5 StGB zu qualifizieren, weshalb sie strafbar sind.»

 

IV. Strafzumessung

 

1. Allgemeine Ausführungen

 

1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten.

 

Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat beziehen. Innerhalb der Kategorie der realen Strafzumessungsgründe ist zwischen der Tatkomponente, welche nun in Art. 47 Abs. 2 StGB näher umschrieben wird, und der in Abs. 1 aufgeführten Täterkomponente zu unterscheiden (vgl. Trechsel/Thommen in Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage 2018, Art. 47 N 16, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).

 

1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts und das Ausmass seiner Beeinträchtigung als auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier sind auch die Skrupellosigkeit und umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt im Weiteren von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände betreffen die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.

 

1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vorstrafen, auch betr. im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also Umstände wie, ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

Nach der Rechtsprechung kann ein Geständnis bei der Beurteilung des Nachtatverhaltens im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht auf Reue schliessen lässt der Täter dadurch zur Tataufdeckung über den eigenen Tatanteil beiträgt (vgl. BGE 121 IV 202 E. 2d/cc S. 205).

 

In Bezug auf neue, hängige Strafverfahren, die noch nicht abgeschlossen sind, hat das Bundesgericht im Urteil 6B_488/2011 vom 27. Dezember 2011 in E. 3.3 festgehalten:

 

«Die Strafzumessung erfasst das gegenwärtig zu beurteilende Delikt und das damit in Zusammenhang stehende Nachtatverhalten. Tatvorwürfe, welche Gegenstand eines anderen Verfahrens sind, darf der Richter aufgrund der Unschuldsvermutung und wegen des Doppelbestrafungsverbotes nicht in die Strafzumessung einbeziehen.»

 

Anders hatte das Bundesgericht noch mit Urteil 6B_459/2009 vom 10. Dezember 2009, E. 1.2, entschieden:

 

«Ebenso wenig steht die Tatsache, dass der Beschwerdegegner im Falle einer späteren Verurteilung wegen Drogenhandels mit einer Zusatzstrafe zu rechnen hat, einer Berücksichtigung des anerkannten Nachtatverhaltens im vorliegenden Verfahren entgegen, zumal eine solche Zusatzstrafe nach Art. 49 Abs. 2 StGB die Einsatzstrafe und damit auch die Gewährung des hier in Frage stehenden teilbedingten Strafvollzugs in ihrem Bestand unangetastet liesse.»

 

Der aktuelleren bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend haben die neu vorgehaltenen Straftaten (hängiges Strafverfahren STA.2022.1186) bei der Strafzumessung unbeachtet zu bleiben. Hingegen hat das Bundesgericht in beiden zitierten Entscheiden ausgeführt, dass die in einem hängigen Strafverfahren zugegebenen (oder hier zumindest offensichtlich bestehenden) Tatsachen in die Prognosestellung einfliessen dürfen bzw. sogar berücksichtigt werden müssen.

 

1.4 Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht (BGE 136 IV 55 E. 5.7). Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts 6B_1096/2010 vom 7. Juli 2011 E. 4.2, 6B_1048/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.2 und 6B_763/2010 vom 26. April 2011 E. 4.1).

 

1.5 Strafen von bis zu 180 Tageseinheiten sind grundsätzlich in Form einer Geldstrafe auszusprechen (Art. 34 StGB). Das Gericht kann stattdessen auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn a. eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten, b. eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann (41 Abs. 1 StGB). Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen (Art. 41 Abs. 2 StGB). Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption somit nach wie vor (auch nach der auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzten Revision) «ultima ratio» und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; BGE 144 IV 217 vom 30. April 2018 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Bei der Wahl der Sanktionsart waren auch unter dem früheren Recht als wichtige Kriterien die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100 f. mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat entschieden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters und dessen voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit keine Kriterien für die Wahl der Strafart sind. Es ist vielmehr, wenn die Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind, eine bedingte Geldstrafe eine bedingte gemeinnützige Arbeit auszusprechen. Sinn und Zweck der Geldstrafe erschöpfen sich nicht primär im Entzug von finanziellen Mitteln, sondern liegen in der daraus folgenden Beschränkung des Lebensstandards sowie im Konsumverzicht. Nach der Meinung des Gesetzgebers soll die Geldstrafe auch für einkommensschwache Täter, d.h. für solche mit sehr geringem, gar unter dem Existenzminimum liegenden Einkommen ausgefällt werden können. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Geldstrafe als unzweckmässige Sanktion angesehen und deshalb vielfach auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden müsste. Dies würde dem zentralen Grundanliegen der Revision diametral zuwiderlaufen. Gerade mittellosen Straftätern geht die Geldstrafe ans Lebensnotwendige, so dass sie für jene deutlich spürbar wird. Eine nicht bezahlbare Geldstrafe soll es nach der Botschaft – ausser durch Verschulden des Täters durch unvorhergesehene Ereignisse – denn auch nicht geben. Bei einkommensschwachen mittellosen Tätern, etwa Sozialhilfebezügern, nicht berufstätigen, den Haushalt führenden Personen Studenten ist somit die Ausfällung einer tiefen Geldstrafe möglich (BGE 134 IV 97 E. 5.2.3 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit sollte bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweis).

 

1.6 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur möglich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (sog. «konkrete Methode»). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Die Bildung einer sog. «Einheitsstrafe» bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang verschiedener Delikte ist nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ebenso ist es nicht zulässig, für einzelne Delikte eine Freiheitsstrafe statt einer Geldstrafe auszusprechen, nur, weil die maximale Höhe der Geldstrafe von 180 Tagessätzen zufolge Asperation mehrerer Geldstrafen überschritten würde. Diesfalls bleibt es bei der Ausfällung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, auch wenn diese insgesamt für alle mit Geldstrafe zu sanktionierenden Delikte nicht mehr schuldangemessen ist (BGE 144 IV 217 E. 3.6).  

 

Im soeben erwähnten BGE 144 IV 217 und in 144 IV 313 rückte das Bundesgericht von seiner früheren Rechtsprechung ab, die im Rahmen der Deliktsmehrheit nach Art. 49 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der Wahl der Strafart noch Ausnahmen von der konkreten Methode zuliess (wonach für jedes einzelne Delikt im konkreten Fall die Strafart zu bestimmen und eine gesonderte Einsatzstrafe festzusetzen ist).

 

In neueren Entscheiden hielt das Bundesgericht dann allerdings wieder fest, es könne eine Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen werden, wenn viele Einzeltaten zeitlich sowie sachlich eng miteinander verknüpft seien und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet sei, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken (Urteile des Bundesgerichts 6B_382/2021 vom 25. Juli 2022 E. 2.4.2; 6B_141/2021 vom 23. Juni 2021 E. 1.3.2). Im Entscheid 6B_141/2021 schützte das Bundesgericht das Vorgehen der Vorinstanz, welche für einen Beschuldigten, der in sechs Jahren mehr als 30 Schuldsprüche wegen Widerhandlung gegen das SVG angehäuft hat, von welchen jede einzelne unter Umständen noch mit einer Geldstrafe hätte bestraft werden können, eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängte. Das Bundesgericht hielt in Erwägung 1.3.4 fest, durch die hartnäckige Delinquenz habe der Beschuldigte eine kriminelle Veranlagung offenbart, die nach einer härteren Gangart verlange. Angesichts der Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit erscheine eine Geldstrafe als unzweckmässig. In BGE 147 IV 241 (Praxis 2/2022, Nr. 17) hielt das Bundesgericht u.a. fest, für die Bestimmung der Strafart, die die strafbare Handlung gemäss Art. 47 sanktionieren solle, gelte es, vor allem das Verschulden des Täters zu berücksichtigen (E. 3.2). Weiter hielt das Bundesgericht im Entscheid 6B_432/2020 vom 30. September 2021 fest, mehrfache sexuelle Handlungen in einer Paarbeziehung wiesen Züge eines Dauerdelikts auf. Deshalb sei es zulässig, jeweils mehrere gleichartige Handlungen in einer Tatgruppe zusammenzufassen und dafür eine Einheitsstrafe festzusetzen. Im konkreten Fall seien dann insgesamt drei Tatgruppen zu bilden, für welche je eine Einheitsstrafe festzusetzen sei, schliesslich seien dann die drei Einheitsstrafen zu asperieren. Zu erwähnen ist schliesslich auch noch der Entscheid 6B_241/2018 vom 4. Oktober 2018, welcher festhielt, dass bei mehrfacher Tatbegehung eine Einheitsstrafe festgesetzt werden könne, wenn sich eine schwerste Straftat unter mehreren gleichartigen schlicht nicht bestimmen lasse.

 

Bei der Bildung der Gesamtstrafe gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB ist nach der Rechtsprechung vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Schliesslich ist die Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Aus dem Urteil muss hervorgehen, welche Einzelstrafen für die verschiedenen Straftaten festgesetzt werden und welche Strafzumessungsgründe für jede Einzelstrafe massgebend waren.

 

1.7 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider / Roy Garré, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I [nachfolgend: BSK StGB I], 4. Auflage, Basel 2019, Art. 42 StGB N 61).

 

Der Strafaufschub nach Art. 42 Abs. 1 StGB wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges Kriterium darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.

 

Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Stefan Trechsel/Mark Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Bern 2017, Art. 42 N 8 ff., mit zahlreichen Hinweisen).

 

Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene Teil wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6 S. 15; vgl. auch 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f. zur Beurteilung der Bewährungsaussichten). Auch die bloss teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB setzt indes das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss der Vollzug zumindest eines Teils der Strafe bedingt aufgeschoben werden. Andererseits ist bei einer schlechten Prognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen besteht die Möglichkeit, dass eine zwar grundsätzlich schlechte Prognose durch den Vollzug bloss eines Teiles der Strafe in Verbindung mit dem drohenden späteren Widerruf des aufgeschobenen Strafrests deutlich günstiger werden kann (vgl. hierzu etwa Roland M. Schneider/Roy Garré, BSK StGB I, Art. 43 StGB N 15).

 

2. Konkrete Strafzumessung

 

2.1 Anwendbares Recht

 

2.1.1 Hat ein Täter vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine Straftat begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, gelten die Strafbestimmungen des bisherigen Rechts, sofern die Bestimmungen des neuen Rechts für ihn nicht milder sind (Grundsatz der lex mitior, Art. 2 StGB). Da der Beschuldigte die hier zu beurteilenden Straftaten in der Zeit vom 1. Mai 2015 bis am 24. Januar 2018 und damit – grossmehrheitlich – unter der Geltung des bis zum 31. Dezember 2017 in Kraft gestandenen Strafgesetzbuches begangen hat, stellt sich diesbezüglich die Frage, welches Recht zur Anwendung gelangt.

 

Ob das neue im Vergleich zum alten Gesetz milder ist, beurteilt sich nicht nach einer abstrakten Betrachtungsweise, sondern in Bezug auf den konkreten Fall (Grundsatz der konkreten Vergleichsmethode). Das Gericht hat die Tat sowohl nach altem als auch nach neuem Recht (hypothetisch) zu prüfen und durch Vergleich der Ergebnisse festzustellen, nach welchem der beiden Rechte der Täter bessergestellt ist (BGE 142 IV 401 E. 3.3; BGE 134 IV 82 E. 6.2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1308/2020 vom 5. Mai 2021 E. 4.2.2; je mit Hinweisen). Die günstigere Rechtslage bestimmt sich dabei nicht nach dem subjektiven Empfinden des Täters, sondern nach objektiven Gesichtspunkten (Grundsatz der Objektivität, BGE 134 IV 82 E. 6.2.2).

 

Steht einmal fest, dass die Strafbarkeit des fraglichen Verhaltens unter neuem Recht fortbesteht, sind die gesetzlichen Strafrahmen bzw. Sanktionen zu vergleichen (BGE 134 IV 82 E. 6.2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_310/2014 vom 23. November 2015, E. 4.1.1; je mit Hinweis). In der Rangordnung, die sich aus der Abstufung der Strafarten und der Strafvollzugsmodalitäten ergibt, liegt eine Bewertung des Gesetzgebers, die dem Vergleich zwischen altem und neuem Recht als verbindlicher Massstab zu Grunde zu legen ist. Auszugehen ist daher von einer eigentlichen Kaskadenanknüpfung: (1.) Die Sanktionen (Hauptstrafen) sind nach der Qualität der Strafart zu vergleichen. (2.) Bei gleicher Strafart entscheidet sich der Vergleich aufgrund der Strafvollzugsmodalität. (3.) Bei gleicher Strafart und Strafvollzugsmodalität kommt es auf das Strafmass an. (4.) Bei Gleichheit der Hauptstrafe sind allfällige Nebenstrafen zu berücksichtigen. Erst wenn sich die Entscheidung auf einer Stufe nicht herbeiführen lässt, weil sich im konkreten Fall keine Veränderung der Rechtsfolgen ergibt, ist der Vergleich auf der nächsten Stufe fortzusetzen (BGE 134 IV 82 E. 7.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_677/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 2.1.2; je mit Hinweisen, s. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6B_536/2020 vom 23. Juni 2021 E. 4.).

 

2.1.2 Im Rahmen der StGB-Revision von 2017 sind die Straftatbestände der sexuellen Handlungen mit Kindern, der Pornografie, der Nötigung und des Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kindern und die hier relevanten Vollzugsbestimmungen in sämtlichen Teilbereichen unverändert geblieben. Insofern ist vorliegend das zur Tatzeit geltende Recht anzuwenden.

 

2.2 Wahl der Strafart

 

2.2.1 Der Strafrahmen der sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) beläuft sich auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren Geldstrafe, jener der Pornografie (Art. 197 Abs. 5 StGB) auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) Geldstrafe. Bei der Nötigung (Art. 181 StGB) umfasst der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe, dasselbe gilt für das Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe (Art. 136 StGB). Es stellt sich somit in Bezug auf sämtliche Tatbestände die Frage der Sanktionsart (Geldstrafe Freiheitsstrafe).

 

2.2.2 Wie das Bundesgericht in einem jüngsten Urteil 6B_658/2021 vom 27. Januar 2022 E. 2.3.1 ausführt, beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall eine Geld- Freiheitsstrafe auszusprechen sei, gemäss Art. 47 StGB nach dem Ausmass des Verschuldens (BGE 144 IV 217 E. 3.3.1), wobei die Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe als mildere Sanktion gelte. Das Gericht trage bei der Wahl der Strafart neben dem Verschulden des Täters, der Zweckmässigkeit der Strafe, ihren Auswirkungen auf die Täterschaft und auf ihr soziales Umfeld sowie ihrer Wirksamkeit unter dem Gesichtswinkel der Prävention Rechnung (BGE 147 IV 241 E. 3.2; 144 IV 313 E. 1.1.1; 134 IV 82 E. 4.1, 97 E. 4.2). In Fällen, wo verschiedene Strafarten in Betracht kämen, könne das Verschulden nicht das entscheidende Kriterium bilden, sei aber neben den weiteren bestimmenden Kriterien für die Wahl der Strafart zu berücksichtigen bzw. adäquat einzuschätzen. Nach der Konzeption des StGB habe das Verschulden einen Einfluss auf die Wahl der Strafart, weil die schwersten Straftaten mit Freiheitsstrafe und nicht mit Geldstrafe zu sanktionieren seien (BGE 147 IV 241 E. 3.2). Methodisch sei in der Weise vorzugehen, dass zuerst die Strafart festzulegen und dann das Strafmass festzusetzen sei (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1).

 

In seinem Entscheid 6B_93/2022, mit welchem das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 28. Oktober 2021 in der vorliegenden Sache aufgehoben wurde, hält das Bundesgericht ausdrücklich fest, nur wenn sowohl eine Geldstrafe wie eine Freiheitsstrafe in Betracht kämen und beide Strafarten in äquivalenter Weise das Verschulden sanktionierten, sei generell dem Verhältnismässigkeitsprinzip folgend der Geldstrafe die Priorität einzuräumen (Urteil des Bundesgerichts 6B_93/2022 vom 24. November 2022 E. 1.3.8). Zu den schwersten Straftaten, die prinzipiell durch die Freiheitsstrafe und nicht durch die Geldstrafe zu sanktionieren seien, zählten grundsätzlich die sexuellen Handlungen mündiger Personen mit Kindern im Schutzalter (Art. 187 Ziff. 1 StGB). Der Unrechtsgehalt dieser verbotenen Handlungsweisen dürfe nicht bagatellisiert werden (E. 1.3.8).

 

2.2.3.1 Vorab ist festzuhalten, dass die angeklagten Taten zeitlich und insbesondere auch sachlich eng miteinander verknüpft sind.

 

2.2.3.1.1 Die vorliegend zu beurteilenden, zahlreichen sexuellen Handlungen zum Nachteil der sieben Geschädigten beging der Beschuldigte allesamt in der Zeit von Mai 2015 bis Januar 2018, wobei in zeitlicher Hinsicht diverse Überschneidungen bestehen (sexuelle Handlungen zum Nachteil von A [C.___]: Mai 2015 bis Februar 2016; zum Nachteil von E [G.___]: Juli 2015 bis November 2015; zum Nachteil von D [M.___]: Januar 2016; zum Nachteil von G [I.___]: Januar 2016 bis Juli 2016; zum Nachteil von F [H.___]: Februar 2016 bis Juni 2016; zum Nachteil von C [E.___]: April 2016 bis August 2016, zum Nachteil von B [D.___]: Oktober 2016 bis Januar 2018).

 

Die einzelnen Tatzeiträume bezüglich der Pornografiedelikte zum Nachteil der soeben genannten Geschädigten decken sich grossmehrheitlich mit jenen der sexuellen Handlungen, wobei sämtliche Tathandlungen im Zusammenhang mit dem Vorhalt der Pornografie in die Zeit von Mai 2015 bis Januar 2018 fallen, auch jene gemäss AnklS Ziffer 8.

 

Nichts anderes ergibt sich betreffend die Nötigungshandlungen: Der diesbezügliche Tatzeitraum betreffend die Geschädigte C (April 2016 bis August 2016) deckt sich mit jenem bezüglich der sexuellen Handlungen, hinsichtlich der Geschädigten F betreffen die Nötigungshandlungen den Zeitraum von Oktober 2015 bis Juni 2016. Und auch das mehrfache Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe zum Nachteil von F erfolgte zwischen Februar 2016 und Juni 2016, mithin im selben Zeitraum wie die sexuellen Handlungen zu deren Nachteil.

 

2.2.3.1.2 Die angeklagten Straftaten weisen allesamt einen engen sachlichen Zusammenhang auf. Dies gilt vorab für die Vielzahl von Sexualdelikten zum Nachteil der geschädigten Mädchen: Der dem Erwachsenenstrafrecht unterstehende Beschuldigte beutete die Geschädigten allesamt als blosse Sexualobjekte zwecks Befriedigung seiner sexuellen Interessen und Bedürfnisse aus. Dabei unterschied sich seine Vorgehensweise in den einzelnen Fällen kaum. Sein Vorgehen war stets darauf ausgerichtet, die im Schutzalter stehenden Mädchen – teilweise zeitlich parallel – sowie die damals 17-jährige J.___ dergestalt zu beeinflussen, dass er von diesen pornografische Foto- und Filmaufnahmen erhältlich machen und mit den Mädchen – wenn möglich – sexuelle Handlungen vornehmen konnte. Dem Beschuldigten ging es um die pornografische Sexualisierung der Geschädigten. In diesem Zusammenhang weisen auch die Nötigungshandlungen und das mehrfache Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe einen engen Sachzusammenhang mit den Sexualdelikten auf, waren doch die Nötigungshandlungen und das mehrfache Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe darauf ausgerichtet, eine Beziehung bzw. deren Fortbestehen zu erzwingen resp. eine Form von Abhängigkeit zu schaffen, um die Geschädigten (weiterhin) sexuell ausbeuten zu können. Die Nötigungshandlungen und das mehrfache Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe waren insofern quasi Mittel zum Zweck.

 

Überschneidungen ergeben sich schliesslich auch mit Blick auf den Schutzzweck der jeweiligen Norm: Art. 187 StGB soll Kinder unter 16 Jahren vor verfrühten sexuellen Erfahrungen schützen, weil sie deren körperliche und seelische Entwicklung schädigen könnten (BGE 98 IV 202, 120 IV 196, 143 IV 9 E. 3.1 f., BGer 6B.215/2013). Der Jugendschutz bzw. der Schutz einer «ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen» steht auch bei Art. 197 StGB im Vordergrund (BGE 128 IV 25 E. 3a, 131 IV 19). Art. 136 StGB bezweckt den Schutz von Kindern unter 16 Jahren vor der abstrakten Gefährdung durch übermässigen Konsum gefährlicher Stoffe sowie vor jeglicher Abgabe von Betäubungsmitteln, während Art. 181 StGB die rechtlich garantierte Freiheit schützt.

 

2.2.3.2 Hinsichtlich der Kriterien der präventiven Effizienz und der Zweckmässigkeit der Strafe ist festzuhalten, dass der Beschuldigte im erwähnten Zeitraum von Mai 2015 bis Januar 2018, d.h. innerhalb von rund zweieinhalb Jahren, eine Vielzahl von Sexualdelikten zum Nachteil von im Schutzalter stehenden bzw. minderjährigen Mädchen begangen hat. Dass die Rückfallgefahr hoch war und nach wie vor ist, was insbesondere mit der vorhandenen psychischen Störung zusammenhängt, worauf zurückzukommen sein wird, hat der Beschuldigte in der Zeit nach den hier zu beurteilenden Straftaten eindrücklich unter Beweis gestellt. So wurde er mit Urteil des Regionalgerichts […] vom 8. Juli 2022 ([Verfahrensnummer]) rechtskräftig u.a. der versuchten sexuellen Handlungen mit Kindern, begangen am 25. Juli 2020, sowie der Pornografie, mehrfach begangen in der Zeit zwischen dem 1. März 2020 und 3. August 2020 (zum Nachteil eines am [Geburtsdatum] geborenen Mädchens) bzw. zwischen dem 1. März 2020 und 30. Juni 2020 (zum Nachteil eines am [Geburtsdatum] geborenen Mädchens), schuldig gesprochen. In diesen vom Regionalgericht […] beurteilten Taten, die der Beschuldigte beging, nachdem im vorliegenden Verfahren Anklage erhoben worden war, ähnelt sein Vorgehen stark dem hier nun zu beurteilenden Tatmuster, was auf eine erhebliche Uneinsichtigkeit des Beschuldigten schliessen lässt. Diese Uneinsichtigkeit manifestiert sich auch in der jüngsten Vergangenheit: Derzeit ist bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn ein neues Strafverfahren ([Verfahrensnummer]) hängig, in welchem dem Beschuldigten wiederum Pornografie mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen (Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB) vorgehalten wird. Diese neusten Tatvorwürfe betreffen die Jahre 2021 sowie 2022 und sind seitens des Beschuldigten im Grundsatz eingestanden.

 

Der Beschuldigte delinquierte mit einer bedenklichen Regelmässigkeit und auch mehrfach während laufenden Strafverfahrens, was seine Unbelehrbarkeit zeigt. Es gelang ihm nicht, deliktsfrei zu leben, was nicht zuletzt auf seine psychische Störung zurückzuführen ist. Durch seine wiederholte und hartnäckige Delinquenz hat der Beschuldigte eine kriminelle Veranlagung offenbart, die nach einer härteren Gangart verlangt. Die Rückfallgefahr ist hoch (siehe dazu Ziffer V. hiernach). Eine blosse Geldstrafe wäre vor diesem Hintergrund bei keinem der vorliegend zu beurteilenden Delikte geeignet, in genügendem Masse präventiv auf den (wiederholt) rückfälligen Beschuldigten einzuwirken, und erschiene angesichts der erheblichen Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit als unzweckmässig. Vielmehr drängt sich nach dem Gesagten eine Gesamtfreiheitsstrafe auf. Eine solche erscheint geboten, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer (Sexual-)Straftaten abzuhalten.

 

2.2.3.3 Zu keinem anderen Ergebnis führt die Berücksichtigung des Verschuldens sowie der Auswirkungen einer allfälligen Freiheitsstrafe auf den Beschuldigten und sein soziales Umfeld, wobei Letzterem im Rahmen der Wahl der Strafart gegenüber den Kriterien der Zweckmässigkeit der Strafe und ihrer Wirksamkeit unter dem Gesichtswinkel der Prävention bloss untergeordnete Bedeutung zukommt (Urteil des Bundesgerichts 6B_658/2021, E. 2.3.2). So trat der Beschuldigte am 20. Januar 2023, nachdem ihm am 27. Oktober 2022 der vorzeitige Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB bewilligt wurde, in das Massnahmenzentrum St. Johannsen in Le Landeron ein, wo er sich nach wie vor aufhält und noch ganz am Anfang des therapeutischen Prozesses bzw. seiner Behandlung befindet, wie dem Verlaufsbericht vom 24. Juli 2023 (ASN 066 ff.) zu entnehmen ist (siehe dazu Ziffer V./3.4 hiernach). Die Beziehungen des Beschuldigten zur Aussenwelt beschränken sich derzeit im Wesentlichen auf seine Mutter und deren Lebenspartner (ASN 070). Eine erhöhte Strafempfindlichkeit liegt insofern klarerweise nicht vor.

 

2.2.3.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegend zu beurteilenden Straftaten zeitlich sowie sachlich eng miteinander verknüpft sind und eine blosse Geldstrafe bei keinem dieser Delikte geeignet wäre, in genügendem Masse präventiv auf den (wiederholt) rückfälligen Beschuldigten einzuwirken. Eine Geldstrafe erwiese sich unter diesen Umständen nicht als zweckmässig. Es ist eine Gesamtfreiheitsstrafe auszusprechen.

 

2.3 Retrospektive Konkurrenz

 

Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Regionalgerichts […] vom 8. Juli 2022 zu einer Geldstrafe (115 Tagessätze zu je CHF 110.00) und zu einer Verbindungsbusse verurteilt, während nun eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen, weshalb Art. 49 StGB nicht zur Anwendung kommt. Demzufolge ist keine Zusatzstrafe auszufällen.

 

2.4 Bildung der Gesamtstrafe

 

2.4.1 Der Beschuldigte hat sich der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, der mehrfachen Pornografie und Versuch dazu, der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu sowie des mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe strafbar gemacht. Im Sinne der dargelegten neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erscheint es sachgerecht, wie folgt 14 Tat- bzw. Deliktgruppen zu bilden und dafür jeweils eine Einheitsstrafe festzusetzen, wobei nach Art. 49 Abs. 1 StGB vorzugehen ist:

 

-       Sexuelle Handlungen zum Nachteil von A am 12. Februar 2016 (im Lastwagen; AnklS Ziffer 1.1 lit. a);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von A in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016 (im Schlafzimmer; AnklS Ziffer 1.1 lit. b);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von B (AnklS Ziffer 2.1 lit. a);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von C (AnklS Ziffer 3.1 lit. a, b und c);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von D (AnklS Ziffer 4.1);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von E (AnklS Ziffer 5.1 lit. a und b);

-       sexuelle Handlungen zum Nachteil von F (AnklS Ziffer 6.1 lit. a, b, c und d);

-       mehrfache Verleitung zu sexuellen Handlungen und Versuch dazu (Aufforderungen an die Geschädigten A, B, C, E, F und G, in aufreizender Stellung zu posieren, Geschlechtsteile zur Schau zu stellen und zu stimulieren, bzw. teilweise Gegenstände einzuführen, und sich dabei zu fotografieren bzw. zu filmen; AnklS Ziffer 1.1 lit. c, 2.1 lit. b, 3.1 lit. d, 5.1 lit. c, 6.1 lit. e und 7.1);

-       Pornografie-Handlungen (und Versuch dazu) i.S.v. Beschaffen, Herstellen, Konsum und Besitz von pornografischen Foto- und Filmdateien der minderjährigen Geschädigten zum Eigenkonsum (AnklS Ziffer 1.2 lit. a, 2.2 lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.2 lit. a, 7.2 lit. a und 8 lit. a);

-       Pornografie-Handlungen i.S.v. Versenden von Foto- und Filmdateien mit pornografischem Inhalt an die Geschädigten A, B, C, E, F und G (AnklS Ziffer 1.2 lit. b, 2.2 lit. b, 3.2 lit. b, 5.2 lit. c, 6.2 lit. b, 7.2 lit. b);

-       Besitz von zwei Fotoaufnahmen mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen zwecks Eigenkonsum (AnklS Ziffer 8 lit. b);

-       Nötigungshandlungen zum Nachteil von C (AnklS Ziffer 3.3);

-       Nötigungshandlungen zum Nachteil von F (AnklS Ziffer 6.3);

-       Kauf von mehreren Päckchen und einer Stange Zigaretten für F (AnklS Ziffer 6.4 lit. a, b und c).

 

2.4.2 Tatkomponenten

 

2.4.2.1 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von A in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016

Die schwerste Straftat stellen im vorliegenden Fall die sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil der Geschädigten A in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016 dar.

 

Der Beschuldigte lag mit der Geschädigten im Bett und nahm mehrere sexuelle Handlungen an ihr vor (Berührungen an den Geschlechtsteilen, Einführen des Fingers in die Scheide, Lecken am Geschlechtsteil der Geschädigten, versuchtes anales Eindringen und leichtes Einführen des Penis in die Scheide der Geschädigten) bzw. bezog sie in sexuelle Handlungen ein (Onanieren). Mit dem Geschlechtsverkehr führte der Beschuldigte die objektiv schwerwiegendste sexuelle Handlung mit Kindern durch. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte noch einmal sexuelle Handlungen an der Geschädigten vornahm, obwohl sie ihn vorher bei der Vornahme des Oralverkehrs weggestossen und ihre Pyjamahosen wieder hochgezogen hatte. Der Beschuldigte offenbarte damit eine gewisse Hartnäckigkeit und nahm in Kauf, die neuerlichen sexuellen Handlungen gegen den Willen der Geschädigten zu vollziehen, was sich straferhöhend auswirkt. Alleine der Verlauf des ersten Treffens hätte dem Beschuldigten Anlass sein sollen, die Geschädigte diesbezüglich sorgfältig nach ihrem Willen zu fragen und nicht einfach auf deren schriftliche Konversation abzustellen. Die Handlungen waren geplant und dauerten insgesamt ein paar Minuten. Immerhin hatte zwischen den beiden Beteiligten vorher eine Beziehung bestanden, während der sie sich im Internet und telefonisch ausgetauscht und kennengelernt hatten, und in deren Verlauf die Geschädigte auch mehrfach und lebhaft zum Ausdruck gebracht hatte, mit dem Beschuldigten sexuelle Handlungen vornehmen zu wollen. Aber der Beschuldigte war der klare Initiator des Geschehens. Er war zum fraglichen Zeitpunkt mehr als 20 Jahre alt gewesen. Die Geschädigte war zur Tatzeit gut 14 Jahre alt und hatte nach eigenen Angaben vorher keine sexuellen Erfahrungen. Dem Beschuldigten war bekannt, dass sie noch nie Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Sie konnte das Ereignis denn auch nicht einfach verdrängen: Selbst wenn sie keine therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen musste, war das Ereignis auch über anderthalb Jahre später, im November 2017, noch präsent. Nach ihren Angaben hat der Vorfall bei ihrem ersten Freund anfänglich auch zu Problemen bei Umarmungen und Küssen geführt. Wie die Vorinstanz aber zu Recht aufführt, hatte die Geschädigte auch mit anderen Jugendlichen zumindest in Chats sexuell geprägte Unterhaltungen: Aus dem Chatverkehr mit N.___ kann beispielsweise entnommen werden, dass die Geschädigte ebenfalls relativ stürmische Sexualvorstellungen und -fantasien hatte. Inwiefern der Beschuldigte bei dieser Ausgangslage für die von der Geschädigten erwähnten persönlichen Veränderungen der alleinige hauptsächliche Verursacher sein sollte, ist daher nicht belegt, weshalb dies wenig gewichtet werden kann.

 

Das objektive Tatverschulden wiegt nach dem Gesagten leicht und ist im oberen Bereich des unteren Drittels des Strafrahmens anzusiedeln.

 

Zur subjektiven Tatschwere ist auszuführen, dass der Beweggrund des Beschuldigten offensichtlich egoistischer Natur war, was sich straferhöhend auswirkt. Es ging ihm um die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse, ohne dass er sich gross für die Bedürfnisse der Geschädigten interessiert hätte. Er handelte bei den sexuellen Handlungen mit direktem Vorsatz, mit einer Ausnahme: das geringfügige Einführen des Penis in die Scheide der Geschädigten war nicht direktes Handlungsziel des Beschuldigten, es wurde von ihm aber in Kauf genommen. Auf der anderen Seite sind die vom Gutachter gestellten Diagnosen, insbesondere diejenige einer unreifen Persönlichkeitsakzentuierung, aber auch die sexuelle Devianz einer Hebephilie (sexuelle Präferenz für Mädchen im Teenageralter) strafmindernd zu berücksichtigen. Weitere Gründe, weshalb die Fähigkeit des Beschuldigten, sich gesetzeskonform zu verhalten, eingeschränkt gewesen sein sollte, sind nicht erkennbar.

 

Im Ergebnis vermag das subjektive Tatverschulden das objektive kaum zu relativieren.

 

Insgesamt kann bei Würdigung aller massgeblicher Umstände von einem leichten Tatverschulden im oberen Bereich ausgegangen werden. Für die Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von A in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016 (AnklS Ziffer 1.1 lit. a) ist die Einsatzstrafe auf 14 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

 

2.4.2.2 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von A am 12. Februar 2016

 

Hinsichtlich der objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass sich der Beschuldigte mit der Geschädigten im parkierten Lastwagen befand und dort mit dieser Zungenküsse austauschte, über eine gewisse Zeit seinen erigierten Penis an den Bauch der Geschädigten drückte (dabei war indes weder der Beschuldigte noch die Geschädigte nackt) und diese an deren Gesäss berührte. In der Bandbreite der möglichen sexuellen Handlungen handelt es sich hier nicht um intensive Handlungen. Im Vergleich zu den viel schwerwiegenderen sexuellen Handlungen in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2016 weisen diejenigen vom 12. Februar 2016 eine andere Qualität auf (weshalb sie auch gesondert betrachtet werden). Das Ganze hat auch nicht sehr lange gedauert. Zu berücksichtigten ist aber, dass der Beschuldigte, der mit der Geschädigten bereits zu diesem Zeitpunkt geschlechtlich verkehren wollte, von der Geschädigten erst dann abliess, als diese zu weinen begann. Insofern offenbarte er auch in dieser Situation eine gewisse Hartnäckigkeit, was straferhöhend zu berücksichtigen ist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass objektiv von einem leichten Verschulden im unteren Bereich auszugehen ist.

 

Der Beschuldigte handelte egoistisch und mit direktem Vorsatz. Anzeichen für das Vorliegen einer reduzierten Schuldfähigkeit liegen nicht vor. Strafmindernd sind an dieser Stelle jedoch wiederum die vom Gutachter gestellten Diagnosen zu berücksichtigen. Abgesehen davon sind beim Beschuldigten keine Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit auszumachen, was auch in den anderen Fällen gilt.

 

Insgesamt ist bezüglich der Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil der Geschädigten A am 12. Februar 2016 (AnklS Ziffer 1.1 lit. b) von einem leichten Verschulden im unteren Bereich auszugehen und die hypothetische Einsatzstrafe auf vier Monate festzusetzen. In Anwendung des Asperationsprinzips ist die Freiheitsstrafe demzufolge um zwei Monate zu erhöhen.

 

2.4.2.3 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von B

 

Über den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr kam es – nebst regelmässigen Zungenküssen, unterschiedlichen Stimulationen und gegenseitigem Onanieren – zwei- bis dreimal wöchentlich zu (vaginalem) Geschlechtsverkehr, einmal wöchentlich zu gegenseitigem Oralverkehr und ca. zweimal auch zu Analverkehr. Insofern nahm der Beschuldigte die objektiv schwerwiegendsten sexuellen Handlungen mit Kindern vor, die unter diesen Straftatbestand fallen, auch wenn noch schwerwiegendere sexuelle Handlungen mit Kindern (ohne Nötigung) mit jüngeren Kindern vorstellbar sind. Die Geschädigte stand im Schutzalter, während der Beschuldigte 20 bzw. 21 Jahre alt war. Der Altersunterschied war insofern relativ gross, was zu Ungunsten des Beschuldigten zu gewichten ist. Er war die treibende Kraft. Zugunsten des Beschuldigten ist hingegen zu berücksichtigen, dass die Geschädigte B dem Beschuldigten besser gewachsen war als andere Opfer, und dass die sexuellen Handlungen allesamt durch gegenseitiges Einvernehmen getragen waren. Der Beschuldigte führte mit der Geschädigten eine Beziehung, auch wenn nicht von einer echten und stabilen Liebesbeziehung gesprochen werden kann. Im Vergleich zu den anderen Opfern ist die Deliktsdauer deutlich länger. Zudem waren die sexuellen Handlungen viel häufiger und gingen auch weiter als bei den anderen Opfern (Geschlechtsverkehr in allen Varianten). Die Geschädigte B wurde auch stärker als alle anderen Mädchen pornografisch sexualisiert. Sie erhielt vom Beschuldigten zahlreiche Instruktionen (bspw. «Shz schieb dr epis Es Deodösli so aber ned dr deckel ie nur fests» [AS 688.30], «Am Weekend deumer de scho nochli usprobiere», «Mer nähme emmer epis grössers bes mi schwanz iepasst», «Du darfsch di eif ned verchrampfe», «Shz das Weekend wotti dr aber ou es muul sprütze u so» [AS 688.54 f.]), bzw. hatte Vorkehrungen zu treffen, um Analverkehr praktizieren zu können. Das objektive Tatverschulden wiegt nach dem Gesagten noch leicht.

 

Der Beschuldigte handelte auch hier egoistisch und jeweils direktvorsätzlich. Er war voll schuldfähig.

 

Bei Würdigung aller massgeblicher Umstände kann – unter Berücksichtigung der vom Gutachter gestellten Diagnosen – von einem leichten Tatverschulden im oberen Bereich ausgegangen werden. Angesichts der relativ langen Deliktsdauer und der damit einhergehenden Häufigkeit der schwerwiegenden Handlungen erschiene für die Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von B (AnklS Ziffer 2.1 lit. a) eine hypothetische Einheits- bzw. Einsatzstrafe von 16 Monaten Freiheitsstrafe angemessen. Davon sind acht Monate zu asperieren.

 

2.4.2.4 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von C

 

Der zur Tatzeit 20 Jahre alte Beschuldigte nahm mit der damals 14-jährigen Geschädigten mehrere sexuelle Handlungen vor. Konkret kam es regelmässig zu Zungenküssen, zu Berührungen an den Geschlechtsteilen, zum Lecken an den Brüsten und bisweilen auch zur vaginalen Penetration mit den Fingern. Mindestens einmal lag der Beschuldigte mit seinem erigierten Penis nackt auf der Geschädigten und gab dieser mehrmals unmissverständlich zu verstehen, dass er mit ihr Geschlechtsverkehr haben möchte, was sie jedoch ablehnte. Im Weiteren onanierte der Beschuldigte auch mehrfach in Anwesenheit der Geschädigten, wobei diese teilweise mithalf und den Beschuldigten manuell befriedigte. Zum Geschlechtsverkehr ist es nie gekommen, zumal die Geschädigte dies nicht wollte. In der Bandbreite der möglichen sexuellen Handlungen und insbesondere im Vergleich zu den Geschädigten A und B handelt es sich hier – ohne die fraglichen sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil von C bagatellisieren zu wollen – um weniger intensive Handlungen. Zu berücksichtigen ist indes auch an dieser Stelle eine gewisse Hartnäckigkeit seitens des Beschuldigten, was insbesondere auch dazu geführt hat, dass der Widerstand der Geschädigten gegen weitergehende Handlungen, die der Beschuldigte an ihr vornehmen wollte, im Verlaufe der Zeit abnahm. Die Deliktsdauer betrug drei bis vier Monate. Auch hier wiegt das objektive Tatverschulden leicht.

 

Der Beschuldigte handelte wiederum vorsätzlich und aus egoistischen Gründen. Es ging ihm ausschliesslich um die sexuelle Ausbeutung zwecks Befriedigung seiner sexuellen Interessen. Andererseits sind die vom Gutachter gestellten Diagnosen zu berücksichtigen.

 

Insgesamt wiegt das Verschulden leicht, es ist im mittleren Bereich des unteren Drittels des Strafrahmens einzuordnen. Für die Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von C (AnklS Ziffer 3.1 lit. a, b und c) ist die hypothetische Einsatzstrafe auf zehn Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Asperiert ist die Freiheitsstrafe folglich um fünf Monate zu erhöhen.

 

2.4.2.5 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von D

 

In Bezug auf die objektive Tatschwere gilt anzumerken, dass der zur Tatzeit 20-jährige Beschuldigte mit der noch knapp 15-jährigen Geschädigten einmalig Geschlechtsverkehr hatte und davor mit ihr Zungenküsse austauschte sowie sie an den Geschlechtsteilen berührte und stimulierte, wobei die Geschädigte auch den Penis des Beschuldigten stimulierte. Die Geschädigte befand sich gerade noch im Schutzalter und war mit den sexuellen Handlungen einverstanden. Von einer eigentlichen Beziehung kann indes keine Rede sein. Für den Beschuldigten stand das Sexuelle und damit auch eine Ausnützung der minderjährigen Geschädigten klar im Vordergrund, andere Gemeinsamkeiten gemeinsame Unternehmungen gab es keine. Der Beschuldigte handelte entsprechend aus egoistischen Gründen und mit direktem Vorsatz. Auf der anderen Seite sind auch hier die gestellten Diagnosen (unreife Persönlichkeitsakzentuierung, Hebephilie) strafmindernd zu berücksichtigen.

 

Bei Würdigung aller massgeblicher Umstände kann von einem leichten Tatverschulden im unteren Bereich ausgegangen werden. Für die sexuellen Handlungen zum Nachteil von D (AnklS Ziffer 4.1) erschiene eine hypothetische Einsatzstrafe von vier Monaten Freiheitsstrafe angemessen. Davon sind zwei Monate zu asperieren.

 

2.4.2.6 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von E

 

Der Beschuldigte nahm diverse sexuelle Handlungen an der Geschädigten vor, wobei es im Zeitraum von anfangs Juli bis Ende November 2015 regelmässig zu Zungenküssen, Berührungen an den Geschlechtsteilen, gegenseitigem Stimulieren derselben und insbesondere zu vaginalem Geschlechtsverkehr kam. Der Beschuldigte benutzte kein Kondom, obschon er wusste, dass die Geschädigte ihrerseits nicht verhütete. Mindestens zweimal kam es zudem zu gegenseitigem Oralverkehr. Mit dem regelmässigen Vaginal- und mindestens zweimaligen Oralsex nahm der Beschuldigte auch hier die objektiv schwerwiegendsten sexuellen Handlung mit Kindern vor. Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass die sexuellen Handlungen allesamt von gegenseitigem Einvernehmen getragen waren. Die Geschädigte stand im Schutzalter (15 Jahre), während der Beschuldigte 19 Jahre alt war. Der Altersunterschied war insofern etwas geringer als bezüglich der Geschädigten B, betrug allerdings immer noch rund vier Jahre. Die Häufigkeit der sexuellen Handlungen – die Vorinstanz stellte fest, es sei im Deliktszeitraum rund 29 Mal zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen, was der Beschuldigte soweit ersichtlich nicht in Abrede stellte – wirkt sich verschuldenserhöhend aus, wobei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber auch festzustellen ist, dass der Deliktszeitraum und damit einhergehend auch die Anzahl sexueller Handlungen kürzer bzw. geringer ausfällt, als dies bei der Geschädigten B der Fall war. Der Beschuldigte führte mit der Geschädigten eine Beziehung. Von einer echten und stabilen Liebesbeziehung kann aber auch hier kaum gesprochen werden. Vielmehr war der Beschuldigte in erster Linie auf Sex mit dem im Schutzalter stehenden Mädchen aus. Dies – und auch die starke pornografische Sexualisierung durch den Beschuldigten – zeigt sich auch in den Chat-Unterhaltungen (bspw. «Mach mau 1 vo dim futz» [AS 1296], «zeig mer hüt weder mou die futz», «Darfi ne au e bewegig gshe?» [AS 1380 f.], «Wuhuu zeigsch mer de au mou weder?» [AS 1791]). Das objektive Tatverschulden ist aufgrund der Deliktsdauer und der damit einhergehenden Häufigkeit im mittleren Bereich des unteren Drittels des Strafrahmens anzusiedeln.

 

Dem Beschuldigten ging es um die Befriedigung seiner sexuellen Interessen. Er handelte vorsätzlich und aus egoistischen Gründen.

 

Insgesamt ist nach dem Gesagten – unter Berücksichtigung der gestellten Diagnosen – von einem leichten Tatverschulden im mittleren Bereich auszugehen und die hypothetische Einheits- bzw. Einsatzstrafe für die Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von E (AnklS Ziffer 5.1 lit. a und b) auf 12 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Davon sind sechs Monate zu asperieren.

 

2.4.2.7 Tatgruppe der sexuellen Handlungen zum Nachteil von F

 

Zwischen der zur Tatzeit (Februar 2016 bis Ende Juni 2016) 15 Jahre alten Geschädigten und dem damals 20-jährigen Beschuldigten kam es mehrfach zu sexuellen Handlungen (zweimalige vaginale Penetration mit dem Finger, Zungenküsse, versuchtes Ausziehen, Berühren an Geschlechtsteilen und dabei Stimulieren, mehrfache vergebliche Aufforderung zum Geschlechtsverkehr). Diese waren im Vergleich zu den sexuellen Handlungen zum Nachteil der Geschädigten A, B und E von geringerer Intensität. Sie sind vielmehr mit den Handlungen zum Nachteil von C vergleichbar, die teilweise auch zeitlich parallel zu den sexuellen Handlungen zum Nachteil der Geschädigten F stattfanden. Auch zwischen dem Beschuldigten und F kam es nie zum Geschlechtsverkehr, weil die Geschädigte dies nicht wollte. Der Altersunterschied betrug rund fünf Jahre und war insofern etwas geringer als bei C. Der Beschuldigte handelte vorsätzlich und aus egoistischen Gründen. Die vom Gutachter gestellten Diagnosen sind auch hier zu berücksichtigen.

 

Es ist insgesamt von einem leichten Verschulden im mittleren Bereich auszugehen. Für die sexuellen Handlungen zum Nachteil von F (AnklS Ziffer 6.1 lit. a, b, c und d) erschiene eine hypothetische Einsatzstrafe von acht Monaten Freiheitsstrafe angemessen. Asperiert ist die Freiheitsstrafe demzufolge um vier Monate zu erhöhen.

 

2.4.2.8 Tatgruppe der mehrfachen Verleitung zu sexuellen Handlungen und Versuch dazu

 

Der Beschuldigte forderte die Geschädigten A, B, C, E und G (jeweils mehrfach) sowie F (einmalig) auf elektronischen Kommunikationswegen (per Kik Messenger, WhatsApp und/oder Snapchat) dazu auf, in aufreizender Stellung zu posieren, Geschlechtsteile zur Schau zu stellen und zu stimulieren, bzw. teilweise Gegenstände einzuführen, und sich dabei zu fotografieren bzw. zu filmen. B und E kamen den Aufforderungen des Beschuldigten nach und folgten seinen Anweisungen, womit er die im Schutzalter stehenden Mädchen dazu verleitete, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Die Geschädigten A, C und G kamen den Aufforderungen des Beschuldigten teilweise nach, in Bezug auf F blieb es beim Versuch.

 

Während es sich bei den in Ziffer IV./2.4.2.1 bis 2.4.2.7 hiervor beschriebenen sexuellen Handlungen um sogenannte hands-on-Delikte (mit körperlichem Kontakt) handelt, erfolgten die hier nun zu beurteilenden Übergriffe auf elektronischen Kommunikationswegen und stellen insofern hands-off-Delikte (ohne körperlichen Kontakt) dar. Letztere unterscheiden sich – was die Qualität und die Tatausführung betrifft – deutlich von den hands-on-Delikten (weshalb sie auch gesondert betrachtet werden). Auch wenn von den fraglichen Aufforderungen des Beschuldigten unterschiedliche Rechtssubjektive betroffen sind, werden diese in einer Tatgruppe zusammengefasst, zumal sich die Vorgehensweise des Beschuldigten bezüglich der verschiedenen Geschädigten kaum unterscheidet und insofern mehrere gleichartige Handlungen vorliegen. Dies gilt im Übrigen auch für die beiden Tatgruppen der Pornografiedelikte.

 

Mit Ausnahme von F verleitete der Beschuldigte alle erwähnten, im Schutzalter stehenden Geschädigten – zumindest teilweise – dazu, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen und sich dabei zu fotografieren und/oder zu filmen. Das Handeln des Beschuldigten war – ähnlich einem Trophäenjäger – offensichtlich darauf ausgerichtet, in möglichst grossem Umfang explizites bzw. pornografisches Bild- und Videomaterial der minderjährigen Geschädigten erhältlich zu machen, wobei er dieses in der Regel auch elektronisch abspeicherte, um jederzeit darauf zugreifen zu können (zwecks Konsum). Zugunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass er die entsprechenden Dateien lediglich zum Eigenkonsum verwendete. Im Fall von G erfolgten die Übergriffe des Beschuldigten – über einen Zeitraum von knapp sechs Monaten hinweg – ausschliesslich auf elektronischen Kommunikationswegen, zu einem persönlichen Kontakt bzw. hands-on-Delikt kam es bei G nicht. Insbesondere die Geschädigten A, B, C und E wurden durch die jeweils mehrfache Verleitung zu sexuellen Handlungen – nebst den hands-on-Delikten – durch den Beschuldigten zusätzlich sexuell ausgebeutet, was bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Der Beschuldigte zeigte sich beharrlich, in Bezug auf die Geschädigten A, B, C, E und G erstreckt sich der Deliktszeitraum jeweils über mehrere Monate. Das objektive Tatverschulden ist nach dem Gesagten im mittleren Bereich des unteren Drittels des Strafrahmens einzuordnen.

 

Der Beschuldigte handelte vorsätzlich und aus rein egoistischen Motiven. Auf der anderen Seite sind auch an dieser Stelle die vom Gutachter gestellten Diagnosen strafmindernd zu berücksichtigen. Abermals vermag das subjektive Tatverschulden das objektive kaum zu relativieren.

 

Insgesamt wiegt das Verschulden leicht. Aufgrund der Häufigkeit der fraglichen Aufforderungen und der Anzahl Opfer ist es im mittleren Bereich des unteren Drittels des Strafrahmens anzusiedeln. Für die Tatgruppe der mehrfachen Verleitung zu sexuellen Handlungen und Versuch dazu (AnklS Ziffer 1.1 lit. c, 2.1 lit. b, 3.1 lit. d, 5.1 lit. c, 6.1 lit. e und 7.1) ist die hypothetische Einheits- bzw. Einsatzstrafe auf acht Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Davon sind vier Monate zu asperieren.

 

2.4.2.9 Tatgruppe der Pornografie-Handlungen (und Versuch dazu) i.S.v. Beschaffen, Herstellen, Konsum und Besitz von pornografischen Foto- und Filmdateien der minderjährigen Geschädigten zum Eigenkonsum

 

Der Beschuldigte beschaffte sich von A, B, C, E und G sowie von der 17-jährigen J.___ kinderpornografische Foto- und/oder Filmaufnahmen. Im Fall von D und F blieb es beim Versuch, weil die Geschädigten den Aufforderungen nicht nachkamen. Festzuhalten ist an dieser Stelle nun jedoch, dass mit der ausgefällten Strafe für die mehrfache Verleitung zu sexuellen Handlungen auch das deliktische Unrecht im Zusammenhang mit Art. 197 StGB – abgesehen von der Geschädigten D und J.___ – zu einem grossen Teil, wenn auch nicht vollständig, abgegolten ist, weshalb nur eine moderate Straferhöhung zu erfolgen hat.

 

Noch nicht abgegolten ist das deliktische Unrecht im Zusammenhang mit der Pornografie bezüglich der Geschädigten D und J.___, wobei das objektive Tatverschulden in beiden Fällen gering ausfällt: Die damals 16-jährige D wurde vom Beschuldigten einmal nach Nacktfotos und -filmen von deren Brüsten und Vagina gefragt. Es blieb beim Versuch. Die bereits 17-jährige J.___ hingegen schickte dem Beschuldigten mehrere kinderpornografische Foto- und Filmaufnahmen, welche der Beschuldigte abspeicherte. Teilweise kam J.___ den Aufforderungen des Beschuldigten aber auch nicht nach, weshalb es in diesen Fällen beim Versuch blieb. Der Beschuldigte handelte auch hier vorsätzlich und aus rein egoistischen Beweggründen, sollten die Aufnahmen doch der Befriedigung seines sexuellen Verlangens dienen.

 

Hinsichtlich des Verschuldens kann grundsätzlich auf das unter Ziffer IV./2.4.2.8 hiervor Gesagte verwiesen werden. Für sich alleine betrachtet erschiene für diese Tatgruppe (AnklS Ziffer 1.2 lit. a, 2.2 lit. a, 3.2 lit. a, 4.2, 5.2 lit. a und b, 6.2 lit. a, 7.2 lit. a und 8 lit. a) eine Einheitsstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe angemessen. In grosszügiger Anwendung des Asperationsprinzips ist die Freiheitsstrafe insgesamt um zwei Monate zu erhöhen. Damit ist auch das deliktische Unrecht in Bezug auf die Geschädigte D und J.___ abgegolten.

 

2.4.2.10 Tatgruppe der Pornografie-Handlungen i.S.v. Versenden von Foto- und Filmdateien mit pornografischem Inhalt

 

Der Beschuldigte schickte den Geschädigten A, B, C, E, F und G mehrfach Foto- und Filmdateien mit pornografischem Inhalt, insbesondere betreffend seinen eigenen Penis (zahlreiche Bilder seines erigierten Penis sowie Videos, auf welchen zu sehen ist, wie er sich bis zur Ejakulation selber befriedigt). In zwei Fällen handelte es sich dabei auch um Videos, in denen zwei Personen – einmal war der Beschuldigte (zusammen mit einer anderen Frau) zu erkennen – den Geschlechtsverkehr vollziehen. Ob nicht nur der Beschuldigte, sondern auch die auf dem Video mit ihm den Geschlechtsverkehr vollziehende Frau (sowie die unbekannten Drittpersonen) mit den Aufnahmen und dem Versand an die betroffenen Geschädigten einverstanden waren, ergibt sich nicht aus den Akten. Zugunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen. Ins Gewicht fällt, dass der Beschuldigte die Aufnahmen teilweise unaufgefordert und zumindest im Fall von G auch dann noch schickte, als ihm bereits bekannt war, dass die Geschädigte diese nicht mehr haben wollte, weil sie ihm dies zuvor kommuniziert hatte. Der Beschuldigte handelte stets vorsätzlich.

 

Zu beachten ist an dieser Stelle, dass der Versand der genannten Dateien jeweils in einem engen sachlichen Zusammenhang und in zeitlicher Nähe zu den bereits beurteilten Delikten stattgefunden hat. Diesem Umstand ist bei der Vornahme der Asperation Rechnung zu tragen, was abermals für eine grosszügige Anwendung des Asperationsprinzips spricht.

 

Es ist insgesamt von einem leichten Verschulden auszugehen. Für die Tatgruppe der Pornografie-Handlungen i.S.v. Versenden von Foto- und Filmdateien mit pornografischem Inhalt (AnklS Ziffer 1.2 lit. b, 2.2 lit. b, 3.2 lit. b, 5.2 lit. c, 6.2 lit. b, 7.2 lit. b) erschiene eine hypothetische Einsatzstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe angemessen. Grosszügig asperiert ist die Freiheitsstrafe um einen Monat zu erhöhen.

 

2.4.2.11 Besitz von zwei Fotoaufnahmen mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen zwecks Eigenkonsum

 

Auf eine weitere Straferhöhung wegen des Besitzes zweier Fotoaufnahmen mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen (AnklS Ziffer 8 lit. b) kann angesichts des Bagatellcharakters im Vergleich zu den übrigen Delikten und aufgrund der relativ lang zurückliegenden Besitznahme verzichtet werden.

 

2.4.2.12 Nötigungshandlungen zum Nachteil von C

 

Bezüglich der objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass der 20-jährige Beschuldigte die 14-jährige C mehrfach damit konfrontierte, dass er im Falle einer Trennung Suizid begehe. Bei dieser Drohung (im Sinne des Gesetzes) handelt es sich in der Bandbreite der möglichen Nötigungsmittel um eine relativ schwerwiegende Drohung. So stellen Suizidandrohungen für sämtliche Angehörige eine riesige Belastung dar, was umso mehr für ein 14-jähriges Mädchen gilt. Der Beschuldigte gab der Geschädigten zu verstehen, nur sie könne den Suizid verhindern. Er machte sie insofern persönlich für seine Handlungen verantwortlich. Seine Androhungen untermauerte er mit diversen Fotos, die er auf Social Media veröffentlichte. Darauf ist bspw. zu erkennen, wie er sich ein geöffnetes Messer einerseits an den Hals und andererseits gegen die Brust hält. Dabei stellte er die zynische Frage, ob es so anders besser sei. Dass die Geschädigte diesen Suizidandrohungen – zumindest anfangs – Glauben schenkte, zeigt sich in der Tatsache, dass sie weitere ein bis anderthalb Monate mit dem Beschuldigten zusammenblieb und sich erst nach vier Monaten (statt nach zweieinhalb bis drei Monaten) trennte. Erst im Verlaufe der Zeit wurde die Geschädigte skeptischer und glaubte nicht mehr an die Suizidandrohungen, weshalb die Nötigungshandlungen des Beschuldigten zunehmend an Wirkung verloren und die Geschädigte sich dann doch von ihm trennte. Mit seinem perfiden Handeln offenbarte der Beschuldigte aber doch eine hohe kriminelle Energie. Dies wirkt sich straferhöhend aus. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Nötigungshandlungen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den übrigen Delikten zum Nachteil von C stehen.

 

In objektiver Hinsicht ist nach dem Gesagten von einem leichten Tatverschulden im oberen Bereich auszugehen.

 

Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz und aus rein egoistischen Beweggründen. Von den vom Gutachter gestellten Diagnosen wirkt sich höchstens diejenige einer unreifen Persönlichkeitsakzentuierung leicht strafmindernd aus, nicht aber jene der Hebephilie. Weitere Gründe, weshalb die Fähigkeit des Beschuldigten, sich gesetzeskonform zu verhalten, eingeschränkt gewesen sein sollte, sind nicht erkennbar. Die Taten wären ohne Weiteres vermeidbar gewesen.

 

Das subjektive Tatverschulden vermag das objektive folglich nicht zu relativieren.

 

Bei Würdigung aller massgeblicher Umstände kann hinsichtlich der Nötigungshandlungen zum Nachteil von C von einem leichten Tatverschulden im oberen Bereich ausgegangen werden. Im vorgegebenen Strafrahmen erschiene eine hypothetische Freiheitsstrafe von acht Monaten als angemessen. Angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs rechtfertigt sich eine etwas grosszügigere Anwendung des Asperationsprinzips, weshalb die Freiheitsstrafe lediglich um drei Monate zu erhöhen ist.

 

2.4.2.13 Nötigungshandlungen zum Nachteil von F

 

Der im Tatzeitraum 19 bzw. 20 Jahre alte Beschuldigte konfrontierte auch die 15-jährige F mehrfach mit seinem (angeblichen) Suizid, wenn sie sich nicht näher auf ihn einlassen bzw. sich nicht von ihrem damaligen Freund trennen würde. Nachdem der Beschuldigte die Geschädigte anfänglich lediglich durch die Schilderung trauriger Sachen (bspw. «ke wert me mis lebe», «Wett eifach sterbe») unter Druck setzte, drohte er im Verlaufe der Zeit konkreter mit seinem Suizid (bspw. «eg stoh do ufem Gleis») und schickte der Geschädigten per Snapchat etwa ein Foto, das ihn zeigt, wie er auf den Bahngeleisen steht und sich das Leben nehmen will. Auch hier ist dem Beschuldigten zwar eine relativ hohe kriminelle Energie zu attestieren. Im Vergleich zur Geschädigten C waren die Äusserungen bzw. Drohungen gegenüber F – in quantitativer und auch qualitativer Hinsicht – indes etwas weniger schwerwiegend. Hinzu kommt, dass die Geschädigte F im Vergleich zu C von den Äusserungen des Beschuldigten deutlich weniger beeindruckt war. Hier blieb es beim mehrfachen Versuch. Wie im Fall von C auch, weisen die Nötigungshandlungen zum Nachteil von F einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Sexualdelikten zu deren Nachteil auf. Der Beschuldigte handelte vorsätzlich und egoistisch, seine versuchten Nötigungen wären ohne Weiteres vermeidbar gewesen. Auch hier wirkt sich die unreife Persönlichkeitsakzentuierung leicht strafmindernd aus, nicht aber jene der Hebephilie.

 

Das Verschulden wiegt leicht. Für die mehrfachen Nötigungshandlungen zum Nachteil von F ist die hypothetische Einsatzstrafe – für das gemäss den Vorstellungen des Beschuldigten vollendete Deliktauf sechs Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

 

Strafmildernd zu berücksichtigen ist nun jedoch, dass der Erfolg ausgeblieben ist, weshalb lediglich ein (mehrfacher) Versuch vorliegt. Insofern ist die hypothetische Einsatzstrafe um einen Drittel auf vier Monate Freiheitsstrafe zu reduzieren. Davon sind anderthalb Monate zu asperieren.

 

2.4.2.14 Kauf von mehreren Päckchen und einer Stange Zigaretten für F

 

Der Beschuldigte übergab der Geschädigten insgesamt 16 Päckchen Zigaretten. Dies fällt in der vorliegenden Sache verschuldensmässig jedoch kaum ins Gewicht. Die Abgabe von Zigaretten an eine 15-Jährige stellt – im Vergleich zur Abgabe von Alkohol und/oder Drogen – eine deutlich geringere Gefährdung des Kindswohls dar. Zudem rauchte F bereits zuvor regelmässig Zigaretten, womit der Beschuldigte keineswegs für deren Erstkonsum verantwortlich war. Angesichts des Bagatellcharakters rechtfertigt es sich daher, auf eine weitere Straferhöhung zu verzichten.

 

2.4.2.15 Vor Berücksichtigung der Täterkomponenten beträgt die Gesamtstrafe damit 52 ½ Monate Freiheitsstrafe.

 

2.4.3 Täterkomponenten

 

Bezüglich des Vorlebens kann vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf der Urteilsseite (nachfolgend US) 71 verwiesen werden. Das Vorleben, insbesondere die schwierige Kindheit mit Heimaufenthalten, diversen Umzügen und Schwierigkeiten in der Schule, hatte indes massgeblichen Einfluss auf die diagnostizierte unreife Persönlichkeit und kann nicht noch einmal zugunsten des Beschuldigten in Anschlag gebracht werden.

 

Der Beschuldigte zeigte sich im Verfahren kooperativ. Zwar kann bis dato nicht von echter Einsicht und Reue gesprochen werden, ist doch auch dem Verlaufsbericht vom 24. Juli 2023 zu entnehmen, dass er seine Delikte nach wie vor zu bagatellisieren scheint. Nichtsdestotrotz ist dem Beschuldigten zugutezuhalten, dass er an der verfügten Ersatzmassnahme (Gespräche mit der Bewährungshilfe und der Therapeutin) immer zuverlässig und pünktlich teilgenommen hat und sich – wenn auch gestützt auf weitere Vorhalte in einem neuen Strafverfahren – auch mit dem vorzeitigen Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB einverstanden erklärte. Dies wirkt sich strafmindernd aus, konkret im Umfang von drei Monaten. Auf der anderen Seite wirkt sich der Umstand, dass der Beschuldigte noch während des laufenden Straf- bzw. Berufungsverfahrens mehrfach delinquierte, wobei in diesem Zusammenhang auf das unter Ziffer IV./2.2.3.2 hiervor Ausgeführte verwiesen werden kann, straferhöhend aus, konkret im Umfang von viereinhalb Monaten. Für eine Strafmilderung nach Art. 48 lit. e StGB besteht kein Raum.

 

Der Beschuldigte befindet sich seit dem 20. Januar 2023 im vorzeitigen Massnahmenvollzug im Massnahmenzentrum St. Johannsen in Le Landeron, wo er sich gemäss Verlaufsbericht vom 24. Juli 2023 (ASN 066 ff.) noch ganz am Anfang des therapeutischen Prozesses bzw. seiner Behandlung befinde (zum Ganzen siehe Ziffer V./3.4 hiernach). Eine erhöhte Strafempfindlichkeit liegt damit offensichtlich nicht vor.

 

Gesamthaft wirken sich die Täterkomponenten im Umfang von anderthalb Monaten straferhöhend aus.

 

2.4.4 Ergebnis

 

Der Beschuldigte ist nach dem Gesagten zu einer Freiheitstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu verurteilen. Eine solche erscheint insgesamt als schuldangemessen.

 

2.5 Vollzugsform

 

Bei dieser Strafhöhe ist die Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzuges von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

 

2.6 Anrechnung der Untersuchungshaft und Ersatzmassnahme

 

Dem Beschuldigten ist die vom 24. Januar 2018 bis 8. März 2018 ausgestandene Untersuchungshaft (44 Tage) an die Freiheitsstrafe anzurechnen. Im Weiteren sind ihm 40 Tage für 80 Sitzungen Psychotherapie und Bewährungshilfe an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

 

2.7 Aufschub der Freiheitsstrafe

 

Nach Art. 57 Abs. 2 StGB wird die Freiheitsstrafe zu Gunsten der stationären Massnahme aufgeschoben (siehe Ziffer V hernach).

 

V. Massnahme

 

1. Bewährungshilfe

 

1.1 Für den Beschuldigten wurde erstinstanzlich für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten (Tätigkeitsverbot). Diese Anordnung ist rechtskräftig. Zudem wurde gegen den Beschuldigten mit Urteil des Regionalgerichts […] vom 8. Juli 2022 ([Verfahrensnummer]) ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen.

 

1.2 Auf die Anordnung von Bewährungshilfe für die Dauer der Verbote kann mit Blick auf die nachfolgenden Ausführungen verzichtet werden.

 

2. Allgemeine Ausführungen

 

2.1 Gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (lit. a), ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht die öffentliche Sicherheit dies erfordert (lit. b), und die Voraussetzungen der Artikel 59 - 61, 63 64 erfüllt sind (lit. c).

 

Die Anordnung einer Massnahme setzt voraus, dass der mit ihr verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist (Abs. 2).

 

Das Gericht stützt sich beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59 - 61, 63 und 64 sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters (lit. a), die Art und die Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten (lit. b) und die Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme (lit. c) (Abs. 3).

 

2.2 Ambulante Behandlung

 

Die Anordnung einer ambulanten Behandlung nach Art. 63 StGB erfordert eine schwere psychische Störung und deren Zusammenhang mit der Straftat (Abs. 1 lit. a) sowie die Erwartung, mit der Behandlung lasse sich der Gefahr weiterer Taten begegnen (Abs. 1 lit. b). Im Gegensatz zur stationären Massnahme reicht bei einer ambulanten Behandlung als Anlasstat neben Verbrechen Vergehen auch eine Übertretung aus. Die ambulante Behandlung dauert längstens fünf Jahre (mit der Möglichkeit der Verlängerung um jeweils bis fünf Jahre, Abs. 4).

 

2.3 Stationäre Behandlung

 

2.3.1 Gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB kann das Gericht bei einem psychisch schwer gestörten Täter eine stationäre Behandlung anordnen, wenn der Täter ein Verbrechen Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht (lit. a), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (lit. b).

 

Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung einer Massnahmenvollzugseinrichtung (Abs. 2).

 

Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist (Abs. 3).

 

Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen (Abs. 4).

 

2.3.2 Ob eine psychische Störung besteht und welcher Art sie ist, muss das Gericht wie erwähnt einem psychiatrischen, allenfalls psychologischen Gutachten entnehmen (Art. 56 Abs. 3 StGB).

 

Zieht das Gericht mangels eigener Fachkenntnis eine sachverständige Person bei, ist es bei der Würdigung des Gutachtens grundsätzlich frei. Ob das Gericht die in einem Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen der Experten folgen will, ist mithin eine Frage der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Richters. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entscheiden die Organe der Strafrechtspflege frei von Beweisregeln und nur nach ihrer persönlichen Ansicht aufgrund gewissenhafter Prüfung darüber, ob sie eine Tatsache für erwiesen halten (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist somit nicht an den Befund die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden. Es hat vielmehr zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen (BGE 141 IV 369 E. 6.1).

 

Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 136 II 539 E. 3.2; BGE 133 II 384 E. 4.2.3; BGE 132 II 257 E. 4.4.1; BGE 130 I 337 E. 5.4.2; BGE 129 I 49 E. 4; BGE 128 I 81 E. 2). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet diese in sich widersprüchlich sind die Expertise sonst wie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind (BGE 141 IV 369 E. 6.1; 6B_829/2013 vom 6.5.2014 E. 4.1).

 

2.3.3 Zur Schwere der psychischen Störung

 

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu dem bis am 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann eine stationäre Massnahme nicht schon angeordnet werden, wenn der Geisteszustand des Täters ärztliche Behandlung besondere Pflege erfordert. Der Geisteszustand des Täters muss vielmehr als geistige Abnormität qualifiziert werden. Nur bestimmte, relativ schwerwiegende Arten und Formen geistiger Anomalien im medizinischen Sinne können als geistige Abnormität im rechtlichen Sinne qualifiziert werden (Urteil des Bundesgerichts 6S.427/2005 vom 6.4.2006 E. 2.3). Vom Vorliegen einer geistigen Abnormität ist auszugehen bei Schwachsinnszuständen, Psychopathien, psychogenen Fehlentwicklungen mit Einschluss der Neurosen und bei chronischen und phasischen Geisteskrankheiten (Marianne Heer/Elmar Habermeyer in: BSK StGB I, Art. 59 StGB N 12). In seiner neuesten Rechtsprechung bekennt sich das Bundesgericht zur funktionalen Natur des Begriffes der schweren psychischen Störung (Urteil des Bundesgerichts 6B_933/2018 vom 3.10.2019, bestätigt in 6B_229/2020 vom 29.42020, je mit zahlreichen Hinweisen). Demnach richtet sich das Kriterium der schweren psychischen Störung nach dem Zweck der Massnahme. Dieser liegt in der Reduktion der Rückfallgefahr und nicht in der Heilung des Täters. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Täters interessiert das Strafrecht somit grundsätzlich nur insoweit, wie es der Deliktsprävention dient. Die Schwere der psychischen Störung entspricht im Prinzip dem Ausmass, in welchem sich die Störung in der Tat spiegelt (Deliktrelevanz). Die Störung muss (gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen «kriminogenen» Faktoren, z.B. akzentuierten, aber nicht pathologischen Persönlichkeitszügen) als vorherrschende Ursache der Delinquenz erscheinen. Die rechtlich geforderte Schwere ergibt sich mit anderen Worten aus der Intensität des Zusammenhangs zwischen der (nach medizinischen Kriterien erheblich ausgeprägten, vorab zweifelsfrei festgestellten) Störung und der Straftat.

 

2.3.4 Zu den Erfolgsaussichten einer stationären Massnahme

 

Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB erfordert die Anordnung einer stationären Massnahme die Aussicht auf eine Verringerung der Rückfallgefahr. Das Bundesgericht hat sich in einem Entscheid, in welchem es sich mit der Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen von Verwahrung und stationärer Massnahme auseinandersetzte, zum Ausmass des zu erwartenden Therapieerfolges bei der Anordnung einer stationären Massnahme geäussert; es hat festgehalten, dass die vage Möglichkeit einer Verringerung der Rückfallgefahr nicht ausreiche. Vielmehr müsse im Zeitpunkt des Entscheides die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich die Gefahr weiterer Straftaten durch die Anordnung einer stationären Massnahme über die Dauer von fünf Jahren deutlich verringern lasse. Es sei jedoch nicht erforderlich, dass nach einer stationären Behandlung von fünf Jahren ein Zustand erreicht sei, welcher eine bedingte Entlassung aus der Massnahme rechtfertigen würde. Es genüge, dass in dieser Zeit eine deutliche Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten erreicht werde. Das Gericht habe nach Ablauf von fünf Jahren die Möglichkeit, beim unveränderten Vorliegen von Erfolgsaussichten eine Verlängerung der Massnahme anzuordnen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB). Eine stationäre Massnahme sei beim Vorliegen von Erfolgsaussichten auch anzuordnen, wenn vom Täter im Zeitpunkt des Entscheids eine Gefahr ausgehe. Dieser Gefährlichkeit des Täters sei dadurch Rechnung zu tragen, dass die Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB in einer geschlossenen Vollzugseinrichtung durchgeführt werde (Urteil des Bundesgerichts 6B_263/2008 vom 10.10.2008).

 

2.3.5 Verhältnismässigkeit

 

2.3.5.1 Art. 56 Abs. 2 StGB verlangt, dass die Anordnung einer Massnahme im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist.

 

Das Verhältnismässigkeitsprinzip umfasst drei Teilaspekte: Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit im engeren Sinne (Urteil des Bundesgerichts 6B_343/2015 vom 2. Februar 2016 E.2.2.2). Anzuordnen ist von mehreren geeigneten Massnahmen die mildeste. Abzuwägen sind weiter die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen einerseits und sein Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten andererseits. Im Sinne der umgekehrten Proportionalität gilt: Je schwerer die zu befürchtenden Delikte wiegen, desto geringer kann die Wahrscheinlichkeit, dass sie begangen werden, sein, um eine Massnahme zu rechtfertigen (Stefan Trechsel/Barbara Pauen Borer in: PK StGB, Art. 56 StGB N 7). Umgekehrt bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit weniger schwerer Taten zur Rechtfertigung einer freiheitsentziehenden Massnahme (BGE 127 IV 1). Dabei kommt der Anlasstat eine erhebliche prognostische Bedeutung zu: Einerseits wird dem Täter keine grössere Gefährlichkeit zugeschrieben werden dürfen, als die, welche sich in der Anlasstat manifestiert hat; andererseits muss die Anlasstat Indizcharakter haben, als «typisch» erscheinen und nicht blosse Gelegenheitstat sein.

 

Die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Täters ergibt sich in erster Linie aus der Dauer der Massnahme sowie daraus, dass diese nicht klar begrenzt ist und Verlängerungen möglich sind. Es gilt ein «Übermassverbot», indem die Dauer und Eingriffsintensität im Verhältnis zur aufgeschobenen Strafe nicht unverhältnismässig schwerwiegend sein dürfen; die Anordnung einer Massnahme ist nicht statthaft, wenn von einem Täter in Zukunft blosse Übertretungen andere Delikte von weniger grosser Tragweite zu erwarten sind (Stefan Trechsel/Barbara Pauen Borer in: PK StGB, Art. 56 StGB N 8; Marianne Heer in: BSK StGB I, Art. 56 StGB N 37). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermag nur ein gewichtiges Risiko der erneuten Begehung erheblicher Verbrechen Vergehen die Anordnung einer stationären Massnahme zu rechtfertigen. Anlasstaten, welche Vergehen darstellen und von relativ geringfügigem Charakter sind, rechtfertigen für sich allein die Anordnung einer stationären Massnahme nicht (Urteil des Bundesgerichts 6P.37/2006 vom 29.5.2006 E. 3.1 und 3.3).

 

2.3.5.2 Das Bundesgericht hatte im Entscheid 6B_835/2017 vom 22. März 2018 die Verhältnismässigkeit der Anordnung einer stationären Massnahme gemäss Art. 59 StGB zu überprüfen. Der Beschuldigte litt unter einem Residualstadium einer chronischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis und einer Störung durch multiplen Substanzgebrauch. Das Obergericht des Kantons Zürich stellte fest, dass der Beschuldigte die Tatbestände der Gefährdung ohne verbrecherische Absicht (Art. 225 Abs. 1 StGB) und des Vergehens gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG) in nicht selbstverschuldeter Schuldunfähigkeit erfüllt habe. Der Beschuldigte machte sich im Weiteren schuldig wegen versuchter einfacher Körperverletzung, Nötigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Vergehen gegen das Chemikaliengesetz, Exhibitionismus, geringfügigen Diebstahls und Entwendung eines Fahrrads zum Gebrauch und wurde zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten, einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je CHF 30.00 sowie zu einer Busse von CHF 100.00 verurteilt. Zudem wurde eine stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB angeordnet.

 

Das Bundesgericht hielt fest, es werde im psychiatrischen Gutachten davon ausgegangen, dass beim Beschuldigten unbehandelt ein hohes Rückfallrisiko für vergleichbare Delikte bestehe. Gestützt auf diese Aussage sei von einer Massnahmenbedürftigkeit des Beschuldigten auszugehen. Die Straftaten des Beschuldigten hätten sich auch gegen die körperliche Integrität von Drittpersonen gerichtet und es sei in einem Fall, als der Beschuldigte auf der Herrentoilette des Begegnungszentrums Winterthur einen Feuerwerkskörper gezündet habe, nur dem Zufall zu verdanken gewesen, dass keine Person schwer verletzt worden sei.

 

Das Bundesgericht hat in der Folge die Verhältnismässigkeit der stationären Massnahme mit Blick auf die Anlasstaten und das hohe Risiko für vergleichbare Taten bejaht.

 

2.3.5.3 Im Entscheid 6B_798/2014 vom 20. Mai 2015 ging es um einen Beschuldigten, der mit zwei Strafbefehlen wegen Tätlichkeiten, Drohung, Nötigung und einfacher Körperverletzung zu Geldstrafen von 30 bzw. 150 Tagessätzen verurteilt wurde. Die Geldstrafen wurden wegen Uneinbringlichkeit in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt. Der Beschuldigte wurde in der Folge in Haft genommen; kurz vor Ablauf des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe wurde sodann im Sinne von Art. 65 Abs. 1 i.V. m. Art. 59 StGB eine nachträgliche stationäre therapeutische Massnahme angeordnet.

 

Das Bundesgericht stellte fest, dass mit dieser Anordnung das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt worden sei. Die Art der Verfahren (Strafbefehle), die gewählte Strafart (Geldstrafen) und das konkrete Strafmass (180 Tagessätze) würden insgesamt deutlich machen, dass es sich bei den vom Beschuldigten begangenen Straftaten um relativ geringfügige Delinquenz im unteren Bereich der Kriminalität handeln würde. Der vom Beschuldigten im Zeitpunkt des Urteils des Bundesgerichts bereits ausgestandene Freiheitsentzug von 40 Monaten stehe mit der ursprünglich ausgefällten Geldstrafe von 180 Tagessätzen in einem offenkundigen Missverhältnis. Es liege deshalb ein sehr schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten vor. Je länger die Massnahme und damit der Freiheitsentzug für den Betroffenen dauere, desto strenger würden die Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismässigkeit. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus dem psychiatrischen Gutachten keine erhebliche Rückfallgefahr für schwerwiegende Gewaltdelinquenz. Die stationäre Massnahme erweise sich deshalb unter Berücksichtigung der mässigen Schwere der Anlassdelikte, des Masses der Gefährlichkeit, der bisherigen Massnahmendauer unter Einschluss der Ersatzfreiheitsstrafe sowie des Grundrechts der persönlichen Freiheit des Beschuldigten als nicht verhältnismässig.

 

3. Im Konkreten

 

3.1 Gutachtensberichte von L.___

 

3.1.1 Dem psychiatrischen Gutachten vom 3. Juli 2018 (AS 3765 ff., insbes. 3799 ff.) kann Folgendes entnommen werden: Es seien mehrere Auffälligkeiten und Belastungen in der persönlichen Geschichte des Exploranden zu erkennen. Dieser kenne nach seinen Angaben seinen leiblichen Vater nicht, seine Mutter habe wechselnde Sexualpartner gehabt und habe Aufsicht und Erziehung vernachlässigt. Der alleinerziehenden Mutter sei später sogar die Erziehungsfähigkeit abgesprochen und der Beschuldigten für einige Jahre in einem betreuten Wohnen untergebracht worden. Eine Persönlichkeitsstörung könne zwar nicht diagnostiziert werden, wohl aber liege eine unreife Persönlichkeitsakzentuierung gemäss ICD-10: Z 73.1 vor. Zu den Auffälligkeiten zählten, dass Haltung und Verhaltensweisen nicht dem Alter entsprächen, eine gewisse Unbedarftheit bestehe und die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub beeinträchtigt sei. Passend dazu beschreibe der Beschuldigte einen Freundeskreis, der deutlich jünger sei als er, was nicht nur die weiblichen Bekanntschaften betreffe. Das Handeln des Beschuldigten zeige eine deutliche Präferenz für Mädchen im Alten von 14 und 15 Jahren, und dies nicht nur für eine kurze Entwicklungsphase. Er selbst sei in mehreren Fällen mehr als fünf Jahre älter als das Kind im Schutzalter gewesen. Diagnostisch sei die gelebte sexuelle Ausrichtung des Exploranden als heterosexuelle Hebephilie gemäss ICD-10: F 65.4 anzusprechen. Es handle sich um eine Untergruppe der sexuellen Devianzen, wobei sich die sexuelle Präferenz anders als bei der Pädophilie nicht auf vorpubertäre sich in der Pubertät befindliche Kinder beziehe, sondern auf Mädchen im Teenageralter. Ergänzend zu sagen sei, dass vorliegend diese sexuelle Präferenzstörung bei einer noch verhältnismässig jungen und eben von Unreife geprägten Person vorliege, bei der eine Nachreifung vorstellbar erscheine und damit, anders als bei deutlich älteren Personen, die sexuelle Präferenzstörung sich nicht unbedingt als (lebenslang) überdauernd präsentieren müsse. Dies werde sich im Verlauf zeigen.

 

Zur Frage der Legalprognose hat der Gutachter Prognoseinstrumente zur Erfassung der aktuarischen und der dynamischen Risikofaktoren verwendet. Er kam bei der individualprognostischen Diskussion unter Einbezug erkennbarer vorhandener Schutzfaktoren zum Schluss, der Beschuldigte weise als bedeutsame Risikofaktoren eine sexuelle Präferenzstörung (Hebephilie), eine Unreife in der Persönlichkeit und als belastsende Tatmerkmale sexuelle Kontakte gleich mit mehreren jungen Mädchen im Schutzalter über einen Zeitraum von rund zwei Jahren auf. Daneben sei ein Mangel an Coping- und Selbstkontrollstrategien eruierbar. Ungünstig sei auch, dass er weiterhin deliktfördernde Meinungen vertrete wie die, dass 14-jährige Mädchen doch selbst entscheiden sollten, was sie täten. Insgesamt sei ohne weitere Intervention von einem mittleren bis hohen Rückfallrisiko für Delikte wie die Anlassdelikte auszugehen. Einem Prozentbereich zugeordnet entspreche dies einer Rückfallwahrscheinlichkeit für erneute einschlägige Sexualdelikte zwischen 10 und 50%.

 

Für eine stationäre Therapie nach Art. 59 StGB bestehe aus ärztlicher Sicht von Seiten der Störung her keine Indikation. Ebenso wenig für eine Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB. Bezüglich einer ambulanten Massnahme nach Art. 63 StGB lasse sich erkennen, dass die psychische Problematik beim Exploranden in einer langfristigen, ambulanten und regelmässig durchgeführten forensischen Psychotherapie bearbeitet werden sollte und wohl auch könne. Eine entsprechende Massnahme könne empfohlen werden, sei es haftbegleitend als auch unter Aufschub einer allfälligen Haftstrafe. Sollte sie haftbegleitend stattfinden, sollte sie unbedingt über das Haftende hinaus fortgesetzt werden.

 

3.1.2 Im Ergänzungsbericht vom 27. Mai 2019 (AS 3812.17 ff.) bestätigte der Gutachter die gestellten Diagnosen. Ob eine allfällige Nachreifung in der Persönlichkeit des Beschuldigten dann auch Auswirkungen auf seine Sexualität haben würde, sei durchaus denkbar. Damit müsse heute offenbleiben, wie ausschliesslich die Sexualpräferenzstörung sei ob sie sich im weiteren Verlauf eher als Nebenströmung herausstelle.

 

Bei der Überprüfung der Prognoseinstrumente ergebe sich, dass eine gewisse Nachreifung stattgefunden zu haben scheine. Der Explorand habe berichtet, kurz vor der ergänzenden Begutachtung (soweit erkennbar erstmals in seinem Leben) eine Intimbeziehung mit erwachsenen, gleichaltrigen Frauen eingegangen zu sein. Weiter gebe er an, seinen Freundeskreis ganz in Richtung gleichaltriger Personen ausgerichtet zu haben. Dies sei günstig und ein für die Prognose doch auch bedeutsamer Faktor. Von einer stabil verbesserten Situation könne aber noch nicht gesprochen werden. In der Gesamtschau gehe er heute im Vergleich zum Vorgutachten von einer etwas verbesserten Legalprognose aus und es lasse sich damit von einem für diese Tätergruppe mittleren, also durchschnittlichen Rückfallrisiko für Sexualdelikte sprechen.

 

Hinsichtlich der Massnahme ergäben sich keine wesentlich neuen Aspekte. Eine langfristige ambulante Psychotherapie erscheine weiterhin indiziert und es müsse weiterhin die Anordnung einer ambulanten Massnahme empfohlen werden. Es sei wichtig, dass diese von einem forensisch ausgebildeten Therapeuten durchgeführt werde, da das geringe Risikobewusstsein des Exploranden natürlich von prognostischer Relevanz sei.

 

3.1.3 Vor der Vorinstanz führte der Gutachter zusammengefasst aus, er bestätige seine beiden im Gutachten gestellten Diagnosen. Wenn die behandelnde Therapeutin sage, sie könne die Diagnose der Hebephilie nicht mehr bestätigen, so stütze sie sich auf die Aussagen des Beschuldigten ab. Das sei aus seiner Sicht zu kurzschlüssig gedacht. Er könne nicht sagen, ob das im Gutachten Diagnostizierte – der Beschuldigte sei damals knapp 20-Jahre alt gewesen – bleiben werde. Es gebe sicher Entwicklungsmöglichkeiten, aber hier müsse man sicher zehn Jahre schauen, wie sich das entwickle. Heute wisse man darüber noch nichts. Dass der Beschuldigte bisher nicht rückfällig geworden sei, sei kein Beweis, dass seine Ansprechbarkeit weg sei. Dieser Schluss sei etwas voreilig. Nach seiner Meinung sei die Vorliebe des Beschuldigten nach Mädchen im Teenageralter noch aktuell. Es sei ja nicht eine einmalige Handlung gewesen, sondern eine deutliche Präferenz über zwei bis drei Jahre. Dies einerseits aus der Unreife, dann spielten aber auch körperliche Aspekte eine Rolle. Es gehe nicht nur um die Liebesbeziehungen, sondern auch um die Körper von Mädchen in diesem Alter. Er denke nicht, dass das beim Beschuldigten einfach weg sei. Dieser könne wohl in der Lage sein, auch sexuelle Befriedigung mit erwachsenen Frauen zu erfahren, das wisse man aber nicht und man müsse hier abwarten. Potential sei da, aber es sei zu früh, zu sagen, die Störung sei behoben. (aF nach der Schwere der Störung) Es sei so, dass das Sexualverhalten des Beschuldigten für zwei bis drei Jahre dadurch bestimmt worden sei, damit sei von einer gewichtigen Störung auszugehen. Es falle ihm schwer, zu sagen, ob diese nun mittel schwer sei. Die Störung könne sich abschwächen, es bestehe ein Entwicklungs- und ein Nachhaltigkeitspotential. Es könne sein, dass der Beschuldigte in zehn Jahren immer noch auf jüngere Mädchen anspreche. Aber das wisse man nicht. Heute sehe er keine Anhaltspunkte für eine weitere Nachreifung: Der Beschuldigte lebe bei der Mutter und game. Das sei keine Reife. Er verdränge und könne sich nicht an die Delikte erinnern. Das sei keine reife Auseinandersetzung mit den Delikten. Er bleibe bei der Empfehlung einer ambulanten Therapie. Das Rückfallrisiko sei ebenfalls gleich einzuschätzen wie im Ergänzungsgutachten. Es brauche eine Therapie bei einem forensischen Therapeuten. Man müsse die Sexualität nochmals anschauen und bearbeiten, ebenso die Beziehung zur Mutter. Man müsse über die Risikofaktoren und den Umgang mit sozialen Medien reden, dies genau anschauen und auch kontrollieren. Die ganze sexuelle Problematik sei noch gar nicht bearbeitet worden. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer ambulanten Therapie sehe er das ganz anders als die Zeugin K.___. Der Beschuldigte benötige auf jeden Fall eine Psychotherapie. (aF) Eine Stunde Therapie pro Woche sei zu wenig. Eine Therapie sollte wohl sicher zwei bis drei Jahre mit zwei Sitzungen pro Woche dauern, danach könne man im vierten und fünften Jahr wohl auf eine Sitzung pro Woche reduzieren. Der Beschuldigte benötige jemanden, der immer wieder nachfrage. (aF) Aus juristischer Sicht sei klar von einer schweren Störung auszugehen, eine ambulante Massnahme sei angezeigt, da hätte er keine Bedenken. Es gebe schon noch schwerere Störungen. (aF) Dem Beschuldigten fehle weiterhin die Einsicht, wie es soweit habe kommen können. Er schiebe alles auf die Unreife. Was er gezeigt habe, sei aber klar ein sexuell abweichendes Verhalten von der Norm. Wenn mehr Offenheit vorliege, könne man dies besser therapieren. Das Verfahren habe sicher tiefe Eindrücke beim Beschuldigten hinterlassen. Wie es in ein paar Jahren aussehe, sei aber offen. (aF) Wenn der Beschuldigte aktuell wieder Kontakt zu jungen Mädchen suchen würde, wäre das sicher sehr ungünstig und es wären erste Schritte wieder in Richtung Delinquenz. (aF nach der grossen Differenz zur Meinung der behandelnden Zeugin) Die therapeutische Situation sei eine andere als die Gutachtersituation. Sie müsse ihn stützen und ihm helfen. Und soweit seien sie beide auch gar nicht auseinander und sie sähen viele Dinge ähnlich. Die Therapeutin habe auch nicht die gleiche Akteneinsicht gehabt wie er.

 

3.1.4.1 Vor dem Berufungsgericht führte der Gutachter am 26. Oktober 2021 (STBER.2020.98) aus, er sei damals vor der ersten Instanz zum Schluss gekommen, dass der Beschuldigte eine Persönlichkeitsakzentuierung habe und an einer Störung der Sexualität bzw. an einer Ausrichtung auf Mädchen in der Pubertät leide, was man auch eine Hebephilie nenne. Grundsätzlich liessen sich die beiden Diagnosen bestätigen. Hinsichtlich der Persönlichkeitsakzentuierung stelle sich die Frage, ob die Problematik wohl schwerer sei als in der Diagnose damals. Auch hinsichtlich dessen, was K.___ in ihren Therapieberichten schreibe. Die Persönlichkeitsakzentuierung sei forensisch bedeutend und ausgeprägt. Diese müsse auch angegangen werden. Zu korrigieren habe er die Legalprognose. Er habe damals von einer mittleren bis hohen Rückfallgefahr gesprochen. Nun gebe es Hinweise auf neue Straftaten in [Ort]; trotz der ambulanten Therapie und trotz Bewährungshilfe. Das seien Risikofaktoren. Es müsse nun von einem sehr hohen Rückfallrisiko ausgegangen werden. Dieses betrage weit über 50 Prozent. Betreffend Massnahmen habe er damals eine ambulante Massnahme empfohlen, dies aufgrund des jungen Alters und der Gesamtumstände des Beschuldigten. Das habe sich nun nicht bestätigt. Die Störungen seien ausgeprägt. Eine ambulante Therapie mache aufgrund des hohen Rückfallrisikos keinen Sinn. Er müsse nun dringend eine stationäre Therapie empfehlen; diese sei vorliegend indiziert. Es zeige sich, dass der Beschuldigte kein Störungsbewusstsein habe, denn er weise die Hebephilie zurück. Aufgrund seines mangelnden Problembewusstseins und Risikobewusstseins mache es keinen Sinn, eine ambulante Therapie anzuordnen. Die Therapie sei gescheitert. Man müsse hier die Sache nun intensiver angehen. Er sei zum Schluss gelangt, dass die Störung sehr deutlich bzw. schwerer sei, als er gedacht habe. Betreffend die Delikte in [Ort] sei es dem Beschuldigten gelungen, mit vielen verschiedenen Altersgruppen in Kontakt zu treten. Er sei dann mit einer 12-Jährigen tiefer in Kontakt getreten. Das zeige, dass er wieder das suche, was eben sein grösstes sexuelles Interesse sei. Er sehe überhaupt nicht, dass der Beschuldigte in den letzten Jahren eine grosse Entwicklung durchgemacht habe. Man sehe es weder bei der Störungseinsicht noch bei den Tatvorwürfen. Letztes Jahr habe seine Therapeutin gesagt, es gebe überhaupt keine Probleme. Was heute die Therapeutin und der Beschuldigte gesagt hätten, zeige auf, dass es Probleme im Lebensvollzug gebe. Im Privaten, Sozialen, in der Auseinandersetzung mit dem deliktischen Verhalten, etc. Das sei schon sehr auffällig. Es zeige sich eine Unreife beim Beschuldigten. Er sei überzeugt, dass eine ambulante Therapie nicht genüge. Es gebe zu viele Ausweichmöglichkeiten. Die Chancen, dass eine stationäre Massnahme Erfolg habe, seien grösser. Der Beschuldigte habe gesagt, die Therapie sei für ihn gut gewesen. Das sei nicht gelogen gewesen. Er glaube ihm, dass die Therapie gut gewesen sei. Aber es sei nicht im Kernbereich gearbeitet worden. Mit der stationären Behandlung würde man versuchen, dass er ein Risikobewusstsein und eine Störungseinsicht entwickle. Man würde abklären, ob Medikamente verabreicht werden müssten, da er einen relativ starken sexuellen Drive habe. Er müsse das Risiko, mit dem er lebe, realisieren. Viel Alkohol zu trinken, Zuhause zu sein, zu gamen, seien alles Methoden, die nicht gut seien, um mit dem Risiko umzugehen.

 

3.1.4.2 Im Neubeurteilungsverfahren (STBER.2022.98) bestätigte L.___ als Sachverständiger am 29. August 2023 vor dem Berufungsgericht seine bisherigen Diagnosen und führte aus, dass die ambulante Therapie als gescheitert bezeichnet werden müsse. Die Störung sei sehr viel ausgeprägter als gedacht. Es gebe keine Gründe, von der Empfehlung, eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen, abzuweichen. Beim Beschuldigten liege auf jeden Fall eine schwere psychische Störung vor, der nur mit einer stationären therapeutischen Massnahme begegnet werden könne.

 

3.2 Verlaufsberichte der Bewährungshilfe und Therapeutin

 

Die von der Bewährungshilfe und Therapeutin im Laufe der gerichtlichen Verfahren eingereichten Verlaufsberichte lauten zusammengefasst wie folgt:

 

3.2.1 Bericht der UPK Basel, Klinik für Forensik, K.___, Oberärztin, vom 24. Juli 2020 (OG AS 033 ff.): Der Beschuldigte habe die Termine (anfänglich zweiwöchentlich, danach monatlich) pünktlich, zuverlässig und motiviert wahrgenommen. Die Diagnosestellung des Gutachters würden bestätigt, wobei zu beachten sei, dass es sich bei beiden Diagnosen um solche für die Tatzeit handle, die nicht als überdauernd pathologisch zu werten seien, sondern als Ausdruck einer lebensphasischen Krise. Die Störung der Sexualpräferenz in Form eine Hebephilie gehe eigentlich in der Diagnose einer unreifen Persönlichkeitsakzentuierung auf. Die Therapeutin stellt einen positiven Therapieverlauf und beim Beschuldigten eine gewisse Nachreifung fest, der Beschuldigte bedürfe aber weiterhin der Unterstützung in der Nachreifung. Deshalb seien zur Verbesserung der Legalprognose weiterhin stützende und begleitende Gespräche mit der Bewährungshilfe erforderlich. Aufgrund des Fehlens einer schweren psychischen Störung sei die Anordnung einer Massnahme aus forensisch-psychiatrischer Sicht aber nicht indiziert (OG AS 339).

 

3.2.2 Bericht der Bewährungshilfe Solothurn, O.___, vom 22. Juli 2020 (OG AS 030 ff.): Es hätten bisher 19 Gespräche mit dem Beschuldigten stattgefunden, die Termine seien vom Beschuldigten äusserst zuverlässig eingehalten worden und er habe sehr gut mitgearbeitet. Er habe sich transparent, offen und reflektiert gezeigt, teilweise aber auch etwas naiv. Der Beschuldigte habe sich auf einen Veränderungsprozess eingelassen und setze sich mit seinem Verhalten auseinander. Er gebe an, dass er in den letzten 18 Monaten an Reife gewonnen habe und sich heute als erwachsenen Mann wahrnehme und sich entsprechend auch in einem erwachsenen Umfeld bewege. Der ganze Prozess rund um die ihm vorgeworfenen Delikte habe bei ihm einiges in Bewegung gesetzt. Er habe sich stellen und Verantwortung übernehmen müssen. Dies habe ihm letztendlich auch zu mehr Selbstvertrauen verholfen. So mute er sich heute zu, gleichaltrige Frauen zu treffen und sich mit Männern in seinem Alter zu messen. Er habe auch zwei Situationen offen angesprochen, bei denen er mit jungen Frauen konfrontiert worden sei. Beide Begegnungen hätten an einem Truckertreffen stattgefunden, es sei nicht zu sexuellen Handlungen gekommen. Diese Situationen seien jeweils eingehend besprochen und bewertet worden. Nach seinen Aussagen sei es dem Beschuldigten gelungen, sich erfolgreich abzugrenzen. Der Beschuldigte habe damit gezeigt, dass er die Situation ernst nehme und offen bleibe für die weitere Auseinandersetzung.

 

3.2.3 Bericht vom 20. September 2021 der UPK Basel, Klinik für Forensik, K.___, Oberärztin: Die Therapie sei weiterhin durch psychotherapeutische Einzelgespräche mit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ausrichtung und störungs- und deliktsspezifischem Fokus erfolgt. Die Einzelgespräche seien zuletzt im monatlichen Turnus in ihrer Forensischen Ambulanz erfolgt. Der Beschuldigte habe sich bezüglich der Diagnose einer unreifen Persönlichkeitsakzentuierung weiterhin als einsichtig gezeigt. Allerdings habe sich der Prozess der Nachreifung seiner Persönlichkeit als sehr kleinschrittig gezeigt. So habe er bis zuletzt dazu geneigt, strafrechtlich relevantes Fehlverhalten auf die Opfer zu externalisieren und das Schutzalter sowie die daraus resultierende eingeschränkte Urteilsfähigkeit der Betroffenen zu negieren. Grundsätzlich habe der Beschuldigte das verstanden, allerdings habe sich dies in näheren Einlassungen des Beschuldigten nicht mit entsprechender Nachhaltigkeit gezeigt, so dass am ehesten von einer Dissexualität ausgegangen werden könne. Dissexualität sei ein sich im Sexuellen ausdrückendes Sozialversagen, welches verstanden werde als Verfehlen der (zeit- und soziokulturell bedingten, damit veränderlichen) durchschnittlich erwartbaren Partnerinteressen. Dissexuelle Handlungen verletzten durch den sexuellen Übergriff auf einen anderen Menschen dessen Integrität und Individualität direkt. Als massgebliches Kriterium sei die primäre Berücksichtigung der Eigeninteressen bei fehlender Verantwortung für den körperlichen und seelischen Zustand des Betroffenen zu sehen. Sexuelles Verhalten müsse nicht zwangsläufig der sexuellen Präferenz entsprechen. Beispielsweise könne ein Mann, dessen sexuelle Orientierung auf erwachsene Frauen ausgerichtet sei, aus verschiedensten Gründen (z.B. als Ersatzhandlung) Sexualkontakte mit vorpupertären Mädchen suchen. Aus diagnostischer Sicht sei daher die Differenzierung zwischen Störungen der sexuellen Präferenz (Paraphilien) und Störungen des sexuellen Verhaltens (Dissexualität) von wesentlicher Bedeutung. Der Beschuldigte habe weiterhin pünktlich, zuverlässig und motiviert mitgearbeitet. Nach seinen Angaben sei es zu einer Anzeige von zwei pubertierenden Mädchen gegen ihn gekommen. Man habe auf einem Truckertreffen herumgealbert, sei mit ihnen und deren Eltern zusammengesessen und er habe sich nichts dabei gedacht. Warum es zu einer Anzeige gekommen sei, könne er nicht sagen. Die Anzeige gegen ihn sei wieder fallen gelassen worden. Dieses transparente Verhalten sei dem Beschuldigten aus forensisch-therapeutischer Sicht zu Gute zu halten. Er habe ein formales Problembewusstsein gezeigt, wobei die Eigenanteile von ihm noch nicht hinreichend gesehen würden. Dies bilde den therapeutischen Inhalt des nächsten Therapieabschnittes. Verantwortungsübernahme, Eigenanteile sowie die Aufgabe des externalisierenden Verhaltens bildeten wichtige Schritte im Nachreifungsprozess des Beschuldigten. Man habe aufgrund der aktuellen Situation die Frequenz auf zwei Sitzungen pro Monat erhöht, wofür sich der Beschuldigte dankbar gezeigt habe. Darin sei auch ein Problembewusstsein des Beschuldigten zu sehen, auf Grundlage dessen eine tragfähige Einsicht sowie ein Risikomanagement zu erarbeiten sein würden. An dieser Arbeit habe auch der Beschuldigte ein grosses Interesse gezeigt. Erst im weiteren Verlauf werde sich zeigen, ob die Diagnose einer heterosexuellen Hebephilie gestellt werden könne. Die unreife Persönlichkeitsakzentuierung bleibe forensisch und legalprognostisch relevant, insbesondere da Einstellungen als Genese der vergangenen Verhaltensweisen auf Dissexualität hinwiesen. Auch wenn die Diagnose einer Hebephilie zum Berichtszeitpunkt nicht mehr zu stellen sei, bleibe der Behandlungsbedarf zur langfristigen Verbesserung der Legalprognose gegeben, insbesondere da die Nachreifung sich ausgesprochen kleinschrittig und von Rückschlägen geprägt gestalte. So müsse weiterhin an der Vermittlung eines Problembewusstseins gearbeitet werden. Weiterhin sei einzuschätzen, dass das Risikomanagement zur Rückfallprävention primär aus einer Nachreifung der Persönlichkeit des Beschuldigten bestehe. Es bedürfe dafür in Zukunft der Hilfestellung im Sinne einer Bewährungshilfe zur Aufgleisung eines eigenständigen Lebens, allerdings ebenso einer psychotherapeutischen Begleitung zur Erarbeitung einer Introspektionsfähigkeit, mit der dann die Dissexualität bearbeitet werden könne. Aufgrund des Fehlens einer schweren psychischen Störung sei die Anordnung einer Massnahme aus forensisch-psychiatrischer Sicht weiterhin nicht indiziert. Allerdings sei eine Weisung, aber auf jeden Fall eine haftbegleitende Therapie auch über die Haftstrafe hinaus dringend zu empfehlen. Nur so sei langfristig die Legalprognose des Beschuldigten zu verbessern und damit die Rückfallgefahr zu mindern. Weiterhin empfehle sie eine EISIP-Testung sowie eine neuropsychologische Testung und die Fortführung einer psychotherapeutischen Behandlung. Ab dem 1. Oktober 2021 finde wegen ihres Wegganges ein Therapeutenwechsel statt.

 

3.2.4 Bericht vom 16. September 2021 der Bewährungshilfe Solothurn, O.___: Es hätten nun gesamthaft 32 Gespräche (davon zwei telefonisch) stattgefunden, der Beschuldigte habe weiterhin äusserst zuverlässig und interessiert mitgearbeitet. Auch wenn bei ihm eine gewisse Naivität wahrnehmbar sei, zeige sich der Beschuldigte transparent und im Rahmen seiner Möglichkeiten reflektiert. Themen seien sein Beziehungsverhalten, insbesondere sein Umgang mit (jüngeren) Frauen, seine Bemühungen an Reife zu gewinnen sowie seine soziale Situation gewesen. Anfang November 2020 habe der Beschuldigte berichtet, es sei im Kanton Bern zu einer neuen Anzeige wegen sexueller Belästigung bei einem Truckertreffen gekommen. Er bestreite die Vorwürfe. Es sei so gewesen, dass er mit jüngeren Frauen gesprochen habe, aber ausschliesslich in einer grösseren Gruppe. Man habe dabei auch über Sex geredet. Er habe beteuert, dass er rechtzeitig gestoppt habe und es zu keinen körperlichen Übergriffen gekommen sei.

 

3.2.5 K.___ gab vor Amtsgericht als Zeugin an, die Legalprognose habe sich gebessert. Wegen der Nachreifung des Beschuldigten komme die Hebephilie nicht mehr zum Tragen. Dabei stütze sie sich auf die Aussagen des Beschuldigten. Wie sehr diese zuträfen, könne sie nicht abschätzen. Das emotionale Erleben zu den Situationen, welche sie mit ihm besprochen habe, zeige ihr, dass eine Nachreifung stattgefunden habe. Ob der Beschuldigte eine Beziehung zu Erwachsenen habe, könne sie nicht beurteilen. Falls das alles zutreffe, habe eine Nachreifung stattgefunden. Wenn die Nachreifung abgeschlossen sei, sei das nachhaltig. Heute könne man nicht sagen, wie tragfähig die Reifeentwicklung sei. Das müsse der Verlauf zeigen. Ein Problembewusstsein habe der Beschuldigte nach ihrer Meinung entwickelt. Weil der Beschuldigte keine schwere Störung habe, sei eine forensische psychiatrische Therapie aus ihrer Sicht nicht zu empfehlen. Aus psychiatrischer Sicht sei eine Therapie sinnvoll. Aber nicht im Sinne einer Anordnung. Es wäre zur Verbesserung der Legalprognose zu empfehlen. Bei der Bewährungshilfe gehe es um den Erhalt des Freundeskreises und die Begleitung in der Legalität. (aF, ob sie aus medizinischer Sicht eine Weiterführung der Therapie empfehlen würde?) Ohne Krankheit gebe es keine Therapie. Die Nachreifung sei ein menschlicher Entwicklungsprozess. Da dürfe man sich Hilfe holen. Aber das müsse klar nicht bei einem forensischen Psychiater sein. Dazu bräuchte es eine schwere Störung, die hier nicht gegeben sei. Bei ihren Gesprächen habe der Beschuldigte gut und zuverlässig mitgemacht. Für sie habe es im Verlauf keine Anzeichen gegeben, wonach die Diagnose einer Hebephilie zutreffe. Es sei keine überdauernde Störung gewesen. Es sei aber Isoliertheit und Unreife gewesen. So sei es zu den sexuellen Kontakten gekommen. Sie empfehle weiterhin Bewährungshilfe, nicht aber eine forensisch-psychiatrische Therapie. Eine Begleitung beim Auszug von zu Hause erachte sie als hilfreich. (aF) Ja, der Beschuldigte habe ihr einen Kontakt mit einem jüngeren Mädchen an einem LKW-Treffen geschildert. Darüber hinaus habe er nichts geschildert. Wenn seine Aussagen nicht stimmten, würde das ihre Einschätzung natürlich ändern. Alleine die laufende Untersuchung dürfte dazu geführt haben, dass der Beschuldigte sich konform verhalten habe.

 

Als Zeugin sagte sie vor dem Berufungsgericht am 26. Oktober 2021 aus, dass ihre Diagnose nicht im Gegensatz zum Gutachten von L.___ stehe. Sie sei lediglich den Einschätzungen von A.___ in den Gesprächen gefolgt. Dort habe er angegeben, dass er nicht mehr sexuelle Erregung für Pubertierende empfinde und nicht mehr auf entsprechenden Plattformen unterwegs sei. Auch weil er eine Freundin im Erwachsenenalter gehabt habe. Diese Beziehung sei für ihn in jeder Hinsicht befriedigend gewesen. Er habe an seiner Nachreifung aktiv mitgearbeitet und die Einsicht gehabt, dass es noch Handlungsbedarf gebe. Der erste Therapiebericht sei deshalb sehr positiv ausgefallen. Darin habe sie die Diagnose der Hebephilie offengelassen, aber auch nicht ausgeschlossen. So sei es dann auch im zweiten Bericht gewesen. Dieser sei bereits vorgelegen, als sie die Unterlagen von Bern erhalten habe. Diese Unterlagen würden nun etwas ändern. In vielerlei Hinsicht sei die Prognose negativer in der Beurteilung. Im Zeitpunkt nach den früheren Delikten, also im ersten Abschnitt, sei aufgrund der Umstände, so u.a. Verhaltensauffälligkeiten in Kindheit und Jugend, die Mutter-Kind-Beziehung, Heimaufenthalte, das ständige gamen, keinen Zugang zu Gleichaltrigen, die Nachreifung das Ziel gewesen. Der Gedanke sei gewesen, dass der Beschuldigte sich an Gleichaltrigen orientieren könne um selbstwirksam und selbstbewusst sein Leben zu leben. Zu Beginn sei alles gut gelungen. Das habe auch die Bewährungshilfe so beschrieben. Aber letztendlich – und das sei ganz wichtig – gebe es auch gewisse Grenzen, die in der Person von A.___ zu finden seien, die eine Nachreifung unter den gegebenen Umständen erschweren würden. Er selber habe gesagt, dass er es nicht so richtig geschafft habe, im Beruf Fuss zu fassen. Da habe eine Überforderung stattgefunden. Er sei enttäuscht gewesen und habe sich zurückgezogen. Er habe dann beschrieben, dass er wieder mehr zu Hause sitze und wieder mehr gamen würde. Er sei mehr und mehr in alte Verhaltensweisen zurückgefallen. Sie habe keine Anhaltspunkte gehabt, dass auch strafrechtlich relevante Handlungen vorgekommen seien. Das habe sich nun aufgrund der neuen Unterlagen ergeben. So wie es sich nun darstelle, habe sich die Entwicklungsstörung und damit auch das Verhalten des Beschuldigten manifestiert. Sie habe immer gesagt, je grösser der Altersabstand, umso gestörter sei der Täter. Hätte A.___ die Nachreifung vollziehen können, hätte eine positive Prognose gestellt werden können. Aber nun sei er älter geworden und sie sei sich nicht sicher, ob er die Notwendigkeit seiner Nachreifung habe verstehen können. Es sei nun so zu werten, dass eine Störung vorliege, die auch eine entsprechende Schwere aufweise und die eine Therapie notwendig mache. Es stelle sich die Frage, ob der Beschuldigte sich nicht auf die Therapie habe einlassen können sich darauf nicht habe einlassen wollen. Sie tendiere eher dazu, gerade weil er sehr zuverlässig gewesen sei, dass er wirklich versucht habe, eine Nachreifung zu schaffen. Er habe dann gemerkt, dass es nicht so laufe, wie er gerne möchte; sei das bei der Arbeit, im Freundeskreis im eigenständigen Leben. Art. 59 StGB verlange die schwere psychische Störung. Und da sei genau die Schwierigkeit der Diagnosestellung. Bei der ersten Verhandlung habe die Situation sehr erfolgsversprechend ausgesehen. Das habe sich aber nun über den Verlauf nicht halten können. Dementsprechend sei nun auf jeden Fall eine Therapie zu empfehlen; in welcher Form sei die Frage. Das messe sich alles an der Diagnose und der Schwere der Störung. Die Therapie müsse haftbegleitend sein. Eine forensisch-psychiatrische Therapie sei angezeigt, um weiteren Entwicklungen vorzubeugen, die zu neuen Delikten führen könnten. Eine medikamentöse Therapie sehe sie als nicht gegeben, aber auf jeden Fall eine forensisch-psychiatrische Therapie, die störungs- und deliktsspezifisch im Hinblick auf die Legalprognose therapiert. Es gebe ein Problem und das liege in der Person von A.___. Und dort müsse es auch gelöst werden, sonst sei die Gefahr gross, dass es zu weiteren Straftaten komme.

 

3.3 Gutachtensberichte von P.___

 

Wie bereits ausgeführt (Ziffer IV./2.2.3.2), ist bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn derzeit ein neues Strafverfahren hängig, in welchem dem Beschuldigten wiederum Pornografie mit tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen (Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB) vorgehalten wird. Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass in einem hängigen Strafverfahren zugegebene Tatsachen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in die medizinische Prognosebeurteilung einfliessen dürfen.

 

Den beigezogenen Akten (STA.2022.1186) können folgende Gutachtensberichte von P.___ entnommen werden:

 

3.3.1 Vorabstellungnahme vom 24. August 2022 (Aktenseite [AS] STA.2022.1186 0887 ff.): Das sexuelle Interesse von A.___ richte sich in besonderer Weise auf pubertierende Mädchen («Hebephilie»). Sein Verhalten spreche für eine gewisse Dranghaftigkeit, die sexuellen Impulse, mit denen er mit Gesetzen in Konflikt komme, auszuleben. Man könne eine geringe Strafempfindlichkeit beschreiben, wenn A.___ sich z.B. am Tag der Verhandlung vor Obergericht mit verbotener Pornografie beschäftige. In der Gesamtschau gebe es keinen Zweifel daran, dass A.___ mit seiner Vorgeschichte ein – verglichen mit anderen Tätern seiner Deliktgruppe – hohes Risiko habe, erneut einschlägig zu delinquieren. Es sei nicht erkennbar, dass in der Zwischenzeit protektive Faktoren, die das Rückfallrisiko günstig beeinflussen könnten, an Gewicht gewonnen hätten.

 

A.___ habe sehr klar geäussert, dass er eindeutig auf das pubertierende Körperschema festgelegt sei. Er scheine seine sexuellen Bedürfnisse nicht bzw. höchstens unzureichend mit erwachsenen Frauen bzw. legal verwirklichen zu können. Deshalb habe das hebephile sexuelle Interesse bei A.___ eindeutig den Charakter einer paraphilen Störung. Gemäss ICD-10 müsse man die Hebephilie als Präferenzstörung («sonstige Störungen der Sexualpräferenz», F65.8) diagnostisch beschreiben.

 

Der Vorgutachter hätte eine Unreife der Persönlichkeit des Exploranden beschrieben. Inzwischen sei A.___ 26 Jahre alt, weshalb es nicht mehr angemessen sei, Auffälligkeiten seines Erlebens und Verhaltens als «unreif» einzuordnen. Aufgrund ihrer Untersuchung und Exploration weise die Persönlichkeit des Exploranden bestimmte Problembereiche auf, die vom Ausmass her als Persönlichkeitsakzentuierung (ICD-10 Z73.1) eingeordnet werden könnten. Sie spielten im Bedingungsgefüge seiner Delinquenz ebenfalls eine wichtige Rolle. Aus der paraphilen Störung und der Persönlichkeitsakzentuierung ergäben sich erhebliche Schwierigkeiten der psychosozialen Anpassung, weshalb sie in ihrem Zusammenwirken aus forensisch-psychiatrischer Sicht als «schwere psychische Störung» zu bewerten seien.

 

Eine ambulante Therapie sei nicht aussichtsreich, um weitere Delikte zu verhindern. In dieser Situation sei nur eine stationäre Massnahme (Art. 59 StGB) Erfolg versprechend. Geeignet für den Vollzug der Massnahme sei z.B. die JVA St. Johannsen. Wichtig sei – neben einer störungs- und deliktspezifischen Einzeltherapie, bei der auch die problematischen Persönlichkeitsmuster bearbeitet werden – die Teilnahme an einer Gruppentherapie für Sexualstraftäter.

 

3.3.2 In ihrem psychiatrischen Gutachten vom 23. September 2022 (AS STA.2022.1186 0891 ff.) führte P.___ aus, A.___ leide unter einer «sonstigen Störung der Sexualpräferenz» (ICD-10 F65.8) im Sinne einer Hebephilie. Ausserdem seien akzentuierte Persönlichkeitszüge feststellbar (ICD-10 Z73.1). Die sexuellen Wünsche und Impulse des Exploranden würden sich auf pubertierende Mädchen beziehen. Aufgrund seines Verhaltens seit 2015, aber auch aufgrund seiner Äusserungen im Rahmen der aktuellen Begutachtung müsse man davon ausgehen, dass die Hebephilie seine sexuelle Präferenzstruktur klar dominiere. Wenn A.___ seine sexuellen Bedürfnisse ausleben wolle, bringe ihn das fast zwangsläufig in Konflikt mit dem Strafgesetz. Im Vergleich mit der Gesamtgruppe der Personen mit einer psychischen Störung sei A.___ schwer betroffen, verglichen mit anderen Personen mit einer Paraphilie sei er etwa mittelgradig betroffen. Was die Persönlichkeit angehe, zeige A.___ akzentuierte emotional-instabile Züge. Er habe Schwierigkeiten, seine Stimmung zu regulieren. Er habe von wiederkehrenden Gefühlen innerer Lehre berichtet, anamnestisch seien phasenhaftes binge-eating mit Gewichtsschwankungen von rund 30 kg feststellbar gewesen. Die Schwierigkeiten des Exploranden, langfristig stabile Kontakte mit Freunden und Kollegen zu gestalten, dürften ebenfalls mit der Persönlichkeitsakzentuierung in Zusammenhang stehen. Eine Persönlichkeitsakzentuierung habe keinen Krankheitswert. Sie habe im Bedingungsgefüge der vorgeworfenen Straftaten aber eine deliktbegünstigende Rolle gespielt.

 

Die Beeinträchtigungen der psychischen Funktionen hätten weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben. Sie hätten auch nicht zu einer erheblich verminderten Einsichts- Steuerungsfähigkeit geführt.

 

In Bezug auf die Legalprognose hielt P.___ fest, statistisch relevant sei, dass A.___ bereits in der Vergangenheit mit Sexualdelikten aufgefallen sei. In einem Zeitraum von inzwischen sieben Jahren seien wiederholt Sexualstraftaten begangen worden. Weiter sei relevant, dass bei ihm eine paraphile Störung vorliege. Im Vergleich zu einem gedachten durchschnittlichen Täter in der vergleichbaren Deliktskategorie sei sein Rückfallrisiko deutlich erhöht. Hinsichtlich Risikofaktoren sei klinisch relevant, dass A.___ – obwohl er sich in ambulanter forensischer Psychotherapie befunden und formal auch zuverlässig und engagiert mitgearbeitet habe – deliktisches Verhalten gezeigt und dieses bewusst in der Therapie nicht offengelegt habe. Wenn man das aktuarische Instrument Static-99 auf den Exploranden anwende, dann werde er aufgrund unveränderlicher Faktoren der Vorgeschichte einer Risikokategorie zugeordnet, in der das Risiko eines zukünftigen Sexualdelikts etwa doppelt so hoch gewesen sei, wie in der mittleren Risikokategorie (deren Risiko sich an der sog. Basisrate für Sexualdelikte orientiert habe). Absolut sei die 5-Jahres-Rückfallrate in der Kategorie gelegen, der der Explorand zugeordnet worden sei, bei 11 %. In der strukturierten Beurteilung des Einzelfalls komme man zum Schluss, dass das Rückfallrisiko ohne eine Behandlung hoch sei. Am wahrscheinlichsten seien Straftaten wie die, mit denen A.___ in der Vergangenheit bzw. aktuell aufgefallen sei, d.h. sowohl sexuelle Handlungen mit pubertierenden Mädchen im Schutzalter als auch Konsum bzw. Verbreitung verbotener Pornografie.

 

Die für die Tatzeit festgestellte psychische Störung bestehe weiterhin. Die vorgeworfenen Taten seien mit der Störung in einem engen Zusammenhang gestanden. Zur Behandlung von Paraphilien gebe es Therapiekonzepte. Es gebe wissenschaftliche Arbeiten, in denen nachgewiesen worden sei, dass Behandlungen die Rückfallrate reduzierten. Die Behandlung müsse in erster Linie psychotherapeutisch sein. Neben der Einzelpsychotherapie wäre die Teilnahme an einer Sexualstraftätergruppe dringend zu empfehlen. Im Behandlungsverlauf sollte sicherlich geprüft werden, ob der Explorand von der Einnahme eines Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) profitieren könnte. Unbedingt sollten in einer Behandlung die emotional-instabilen Persönlichkeitszüge mitberücksichtigt werden. Angesichts des Verlaufs der früheren Ersatzmassnahme sei ein ambulantes Setting aus gutachterlicher Sicht derzeit nicht ausreichend, um Straftaten zu verhindern. Die oben skizzierten Behandlungsschritte müssten im Rahmen einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB durchgeführt werden. Besonders wichtig sei – angesichts der paraphilen Störung, die höchstwahrscheinlich nicht grundsätzlich zu verändern sei –, den sozialen Empfangsraum sorgfältig vorzubereiten, inkl. einer langfristigen ambulanten Nachsorge. Geeignet für den Vollzug der Massnahme sei z.B. die JVA St. Johannsen. A.___ habe sich zögernd bereit gezeigt, sich behandeln zu lassen. Eine Behandlung könne die Wahrscheinlichkeit von strafbaren Handlungen nur dann senken, wenn es gelinge, eine tragfähige intrinsische Motivation aufzubauen.

 

3.4 Verlaufsbericht des Massnahmenzentrums St. Johannsen

 

Seit dem 20. Januar 2023 befindet sich der Beschuldigte im vorzeitigen Massnahmenvollzug im Massnahmenzentrum St. Johannsen in Le Landeron. Wie dem Verlaufsbericht vom 24. Juli 2023 (ASN 066 ff.) zu entnehmen ist, wurde er zuerst in die geschlossen geführte Beobachtungs- und Triageabteilung (BeoT) eingewiesen. Seit dem 5. Juni 2023 befinde sich der Beschuldigte auf der offenen Abteilung E.

 

Zum Vollzugsverhalten des Beschuldigten hält der Bericht fest, A.___ habe von Beginn an geäussert, froh darüber zu sein, dass er im Massnahmenzentrum St. Johannsen platziert worden sei. In den drei Säulen Psychotherapie, Arbeitsagogik und Soziotherapie zeige er sich absprachefähig und zugewandt, und er bekunde motiviert zu sein, an sich zu arbeiten. Seine ausgeprägte Behandlungsmotivation zeige sich durchwegs in der Zusammenarbeit. Es scheine ihm leicht zu fallen, sich auf die Zusammenarbeit einzulassen und sich seinen Bezugspersonen gegenüber zu öffnen. A.___ habe sich rasch in die Wohngruppen eingelebt, sowohl in der BeoT als auch in der offenen Abteilung, und er halte Regeln und Abmachungen ein. Sämtliche Urinproben seien bis anhin negativ ausgefallen. Kritische Zwischenfälle seien keine verzeichnet worden. Aufgrund der Ergebnisse von SAPROF (Hilfsmittel für die Erfassung von protektiven Faktoren bei Menschen mit einem Risiko für delinquentes Verhalten) sei A.___ ein hoher Schutz attestiert worden. Zur Verbesserung der Schutzfaktoren seien in den folgenden Bereichen Ziele definiert worden: Coping, Empathie und Selbstkontrolle.

 

Seit dem Eintritt von A.___ auf die Beobachtungs- und Triageabteilung (BeoT) des MSTJ hätten bei Frau M. Sc. G. Jost 20 psychotherapeutische Einzelgespräche in wöchentlichen Abständen zu durchschnittlich 45-60 Minuten stattgefunden. Die Behandlung werde delikt- und störungsorientiert durchgeführt und basiere auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Neben den Einzeltherapiesitzungen habe A.___ auf der BeoT an der wöchentlich durchgeführten, psychoedukativen Gruppentherapie zum Thema soziale Kompetenzen (Basisgefühle, Kommunikationsregeln, Stressbewältigung) teilgenommen. A.___ habe sich über den gesamten Berichtszeitraum formal zuverlässig sowie absprachefähig gezeigt und sei pünktlich zu den psychotherapeutischen Einzelsitzungen erschienen.

 

Es sei ihm rasch gelungen, sich in der Wohngruppe zu integrieren, wobei ihm die angemessene Abgrenzung von den Miteingewiesenen zunehmend Schwierigkeiten zu bereiten schien. Der Beschuldigte habe die Rolle des Sprachrohrs der Gruppe eingenommen, was einen selbstinitiierten Arbeitsplatzwechsel notwendig gemacht habe, um sich der Gruppendynamik besser entziehen zu können. Sein teilweise unangepasstes Verhalten in der Wohngruppe und dabei insbesondere der despektierliche Umgang gegenüber einem Miteingewiesenen seien als bedenklich erachtet worden und hätten eine vertiefte Auseinandersetzung erfordert. Mit der Zeit sei es ihm stetig besser gelungen, seine Impulse zu kontrollieren (Lautstärke der Stimme, sich in fremde Belange einmischen, sich angesprochen fühlen, abwertende Äusserungen etc.) und auf diese Weise mit seinen humorvollen sowie umgänglichen Eigenschaften zu einer angenehmen Gruppenstimmung beizutragen. Mit dem Übertritt auf die offene Abteilung E am 5. Juni 2023 habe A.___ den Vorsatz geäussert, sich zurückhaltender präsentieren zu wollen, was zwar mit gewissen Unsicherheiten in Verbindung gestanden sei, aber bisher gut geglückt sei. Er befinde sich seither in der Grundstufe. Kritische Zwischenfälle seien keine zu verzeichnen. Insgesamt könne ihm ein positiver Vollzugsverlauf attestiert werden.

 

Zum Verhalten im Rahmen der therapeutischen Arbeit ist dem Bericht zu entnehmen, dass A.___ die Psychotherapiesitzungen stets zuverlässig besucht und die ihm aufgetragenen Hausaufgaben erledigt habe. Er beteilige sich insgesamt aktiv am therapeutischen Prozess. Im Kontakt verhalte er sich grundsätzlich freundlich zugewandt und mit einer optimistischen Grundhaltung. In wenigen Situationen, insbesondere mit Kritik konfrontiert, wirke er im ersten Augenblick gekränkt sowie sich verteidigend, sei aber im Verlauf durchaus zur Reflexion in der Lage. Trotz seiner lockeren und humorvollen Umgangsformen mangle es ihm bei bedeutenden Themen nicht an Ernsthaftigkeit. A.___ sei sichtlich darum bemüht, alles richtig zu machen und einen guten Eindruck von sich zu hinterlassen. Die Meinung von anderen Personen scheine ihm sehr wichtig zu sein, wodurch es ihm zwar gelinge, Rückmeldungen rasch umzusetzen, jedoch aufgrund dessen auch Gefahr laufe, eigene Bedürfnisse und Ziele aus den Augen zu verlieren. Grundsätzlich habe er sich auf die Bearbeitung sämtlicher Problembereiche eingelassen, wobei er die Verantwortung für den Ablauf der Sitzungen und die Themen mehrheitlich noch der Referentin übergeben habe, punktuell aber auch eigene Themen habe einbringen können. Er habe angegeben, die Hintergründe seines Deliktverhaltens verstehen zu wollen, was durch die engagierte Mitarbeit bei der Erarbeitung der Lebenslinie habe beobachtet werden können. Obwohl er vor der Auseinandersetzung mit seinen Delikten Respekt zu haben schien, habe er sich darauf eingelassen. Der Tatbestand sei bisher zwar grundsätzlich eingeräumt worden, jedoch teilweise mit der Tendenz zur Bagatellisierung und Beschönigung, was ihm punktuell selbst aufgefallen sei und zur Selbstreflexion veranlasst habe. Eine vertrauensvolle tragfähige psychotherapeutische Beziehung bestehe in den Grundzügen, befinde sich aber noch im Aufbau und bedürfe zum Teil noch etwas Schonung.

 

Aus der Biografiearbeit sei der allgemeine Eindruck einer mangelnden emotionalen Zugänglichkeit, insbesondere zu negativen Erlebnissen, entstanden. Die Kindheit werde trotz geringer Verfügbarkeit der Mutter, dem Mobbing und dem Heimaufenthalt indifferent als gut bezeichnet. Darin sei der Versuch erkennbar, unangenehme Ereignisse im Sinne des Selbstwertschutzes zu verdrängen. Um nicht in einen Loyalitätskonflikt mit der Mutter als wichtigste Bezugsperson zu geraten, werde die Beziehung zu ihr idealisiert. Konfrontiert mit der tendenziellen Beschönigung des Erlebten, sei ihm eine tiefergehende, authentisch betroffene Auseinandersetzung mit der ersten Liebesbeziehung gelungen. Daraus habe ein Deliktmechanismus, welcher als vorläufige Arbeitshypothese genutzt werde, abgeleitet werden können. Die Ansprechbarkeit für das pubertierende, jugendliche Körperschema und dessen Verfügbarkeit im sozialen Nahraum stellten die treibende Kraft für die Ausübung der Hands-on- und Hands-off-Delikte dar. Bedingt durch den niedrigen Selbstwert hätten Erfahrungen mit jugendlichen Mädchen eine Belohnung resp. bedingt durch seine Überlegenheit eine Selbstwerterhöhung dargestellt, wohingegen Erfahrungen mit gleichaltrigen Frauen die Gefahr einer Kränkung in sich geborgen hätten. Der Konsum illegaler Pornografie werde als eine Kompensationshandlung für reale sexuelle Kontakte beurteilt. Zudem sei davon auszugehen, dass der Pornografiekonsum als dysfunktionale Strategie zur Emotionsregulation eingesetzt worden sei. Dem Alkoholkonsum werde an dieser Stelle eher eine modulierende Funktion zugewiesen, indem die Hemmschwelle für grenzüberschreitendes Verhalten gesenkt worden sei. Da die Perspektivenübernahme- und Empathiefähigkeit bei A.___ eher gering ausfalle und die Fokussierung auf die eigene Bedürfnisbefriedigung hingegen hoch, seien potentielle Opferschäden kaum berücksichtigt ausgeblendet worden, was das sich wiederholende Deliktverhalten erklären würde. Ob hinter den Delikten ein dranghafter sexueller Impuls stecke, erscheine weiterhin unklar und müsse weiter exploriert werden.

 

Insgesamt könne festgehalten werden, dass sich A.___ am Anfang des therapeutischen Prozesses befinde und somit noch über wenig deliktrelevantes Wissen verfüge. Der Beschuldigte habe sich ohne Widerstand auf den Einstieg in die Deliktarbeit eingelassen und bekundet, sich aktiv mit seinem Deliktverhalten auseinandersetzen zu wollen. Bedingt durch kognitive Verzerrungen neige er bis anhin zur Bagatellisierung seiner Delikte, was bisher einer umfänglichen Verantwortungsübernahme im Weg gestanden sei. Basierend auf der aktuellen Einschätzung, insbesondere aufgrund der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft, werde die risikorelevante Beeinflussbarkeit mit Vorbehalt als gegeben beurteilt. Zu berücksichtigen sei, dass A.___ – obwohl er sich in ambulanter forensischer Behandlung befunden und formal auch zuverlässig und engagiert mitgearbeitet habe – deliktisches Verhalten gezeigt und dieses in der laufenden Therapie bewusst nicht offengelegt habe. Ob er zukünftig bereit sei, sich vertieft mit deliktrelevanten Persönlichkeitsanteilen sowie seinen Delikten auseinanderzusetzen und eine kritische Selbstreflexion zulasse, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschliessend beantwortet werden. Die Ausarbeitung eines individuellen Risikomanagements mit deliktpräventiver Wirkung sei noch ausstehend.

 

A.___ stehe noch ganz am Anfang seiner Behandlung. Die Fortführung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs im aktuellen Setting werde empfohlen.

 

3.5 Subsumtion

 

3.5.1 Ein aktuelles Gutachten liegt vor, hat doch der Sachverständige, L.___, seine Beurteilung anlässlich der Berufungsverhandlung vom 29. August 2023 in Kenntnis der aktuellen Unterlagen bestätigt. Er empfiehlt weiterhin die Anordnung einer stationären Massnahme.

 

3.5.2 Die Voraussetzungen der Anordnung einer stationären Behandlung sind vorliegend erfüllt. Der Beschuldigte hat sich u.a. wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern – dabei handelt es sich um Verbrechen – und wegen Pornografie schuldig gemacht. Auch wenn die Persönlichkeitsakzentuierung keinen Krankheitswert hat und für sich alleine keine schwere psychische Störung im Sinne des Gesetzes darstellt, hat sie eine deliktbegünstigende Rolle gespielt. In ihrem Zusammenwirken sind die diagnostizierte paraphile Störung (heterosexuelle Hebephilie) und die Persönlichkeitsakzentuierung als schwere psychische Störung zu qualifizieren, wobei bereits die diagnostizierte Hebephilie die notwendige Schwere erreicht. Diese Störung steht in einem engen Zusammenhang mit den begangenen, nun zu beurteilenden Taten. Das Rückfallrisiko ist gemäss Gutachter hoch. Gleichzeitig besteht aber Aussicht auf eine Verringerung der Rückfallgefahr. So zeigt sich der Beschuldigte im vorzeitigen Massnahmenvollzug motiviert, an sich zu arbeiten. Die Behandlungsbereitschaft des Beschuldigten ist grundsätzlich gegeben, und es besteht aufgrund seiner Veränderungsbereitschaft die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich die Gefahr weiterer Straftaten durch die Anordnung einer stationären Massnahme deutlich verringern lässt.

 

Wie die Erfahrung lehrt, genügt eine ambulante Massnahme im vorliegenden Fall nicht, um der hohen Rückfallgefahr begegnen zu können, wurde der Beschuldigte doch rückfällig, obgleich er sich in ambulanter forensischer Behandlung befand und formal auch zuverlässig und engagiert mitarbeitete. Insofern ist die Anordnung einer stationären Massnahme im jetzigen Zeitpunkt nicht nur geeignet, sondern insbesondere auch erforderlich. Und sie ist auch zumutbar bzw. verhältnismässig im engeren Sinne, zumal vom Beschuldigten in Zukunft keine blossen Übertretungen andere Delikte von geringer Tragweite zu erwarten sind, sondern vielmehr schwere Straftaten (Vergehen und Verbrechen), bezieht sich die vom Beschuldigten ausgehende Rückfallgefahr doch auf Delinquenz in der Art der bisherigen (sexuelle Handlungen mit Kindern und Pornografie).

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle anzumerken, dass sich der Beschuldigte mit dem vorzeitigen Massnahmenvollzug einverstanden zeigt und sich im Massnahmenzentrum St. Johannsen gut aufgehoben fühlt. Auch der amtliche Verteidiger hat anlässlich der Verhandlung vor Obergericht beantragt, es sei eine stationäre Massnahme anzuordnen.

 

Es ist daher eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB anzuordnen.

 

3.6 Dauer der Massnahme

 

Eine zeitliche Beschränkung der Anordnungsdauer der stationären Massnahme auf weniger als fünf Jahre ist nicht nur bei der Verlängerung der Massnahme, sondern auch bei der Erstanordnung zulässig.

 

Das Berufungsgericht stützt sich in Bezug auf die zu erwartende Dauer der Massnahme auf die Einschätzungen des Gutachters L.___ ab. Dieser führte anlässlich der obergerichtlichen Verhandlung vom 29. August 2023 aus, dass es keine Gründe gebe, die Dauer der Massnahme zu beschränken. Die konkrete Dauer der Massnahme hänge letztlich von den erzielten Fortschritten des Beschuldigten ab. Die Fortschritte müssten aber zuerst passieren. Es mache Stand jetzt keinen Sinn, mit weniger als fünf Jahren zu arbeiten. Es brauche alles seine Zeit.

 

Gestützt hierauf ist die stationäre Massnahme für die Dauer von fünf Jahren anzuordnen.

 

3.7 Anrechnung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs

 

Der Beschuldigte befindet sich seit dem 20. Januar 2023 im vorzeitigen Massnahmenvollzug. Der Antritt erfolgte indes aus dem gegen ihn parallel laufenden Verfahren [Verfahrensnummer], folglich kann der vorzeitige Massnahmenvollzug nicht an die stationäre therapeutische Massnahme angerechnet werden (BSK StGB I, Art. 51 StGB N 41).

 

VI. Kosten und Entschädigungen

 

1. Erstinstanzliches Verfahren

 

Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid zu bestätigen.

 

2. Berufungsverfahren STBER.2020.98

 

2.1 Verfahrenskosten

 

Die Kosten des Berufungsverfahrens STBER.2020.98 von total CHF 16'870.95 wurden dem Beschuldigten im Umfang von 20% zur Bezahlung auferlegt. Zur Begründung hielt das Obergericht fest, die Berufung des Beschuldigten sei hinsichtlich der angefochtenen Schuldsprüche und der Zeitdauer der Bewährungshilfe erfolglos gewesen, jedoch ergebe sich – von Amtes wegen – eine Änderung der Strafart und deswegen auch eine massive Reduktion der Strafe. Die Berufung der Staatsanwaltschaft sei mit einer Ausnahme in allen Punkten (Schuldsprüche, Strafzumessung, stationäre Therapie) erfolglos gewesen. Damit seien die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 16'870.95, zu 20% dem Beschuldigten und zu 80% dem Staat aufzuerlegen.

 

Diese Erwägungen haben keinen Bestand mehr. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft an das Bundesgericht war erfolgreich, sowohl in Bezug auf die Strafzumessung als auch hinsichtlich des Massnahmenentscheides. Damit war die Berufung der Staatsanwaltschaft (STBER.2020.98) mehrheitlich erfolgreich, mit Ausnahme der Schuldsprüche. Erfolglos war dagegen die Berufung des Beschuldigten. Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich, dass der Beschuldigte 80% der Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens STBER.2020.98 tragen muss.

 

2.2 Entschädigung der amtlichen Verteidigung 

 

Die Entschädigung von Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli für das Berufungsverfahren STBER.2020.98 legte das Obergericht im Urteil vom 28. Oktober 2021 auf CHF 8'993.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) fest, was unangefochten blieb. Den Rückforderungsanspruch des Staates legte das Obergericht im Umfang von 20% fest. Letzteres kann nicht bestätigt werden. Der Rückforderungsanspruch des Staates ist im Umfang von 80% festzulegen.

 

3. Neubeurteilungsverfahren STBER.2022.98

 

3.1 Verfahrenskosten

 

Die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens hat der Staat zu tragen.

 

3.2 Entschädigung der amtlichen Verteidigung

 

Für das Neubeurteilungsverfahren werden 39.33 Stunden für Rechtsanwalt Ciapparelli zu CHF 190.00 und 1.67 Stunden für den juristischen Mitarbeiter zu CHF 95.00 geltend gemacht. Das Total beläuft sich auf CHF 8'416.35. Das ist unangemessen hoch. Die Honorarnote wird wie folgt gekürzt:

 

-       Die Position «Eingang/Studium Verfügung» vom 22. Dezember 2022 ist zum alten Stundensatz von CHF 180.00 zu entschädigen.

-       Die Position «Studium Entscheid Bundesgericht» vom 4. August 2023 von einer Stunde wird gestrichen, da dies von der Entschädigung durch das Bundesgericht bereits abgedeckt ist.

-       Für die Hauptverhandlung (29. August 2023) wurden acht Stunden in Anschlag gebracht, die effektive Dauer betrug drei Stunden. Für die Urteilseröffnung (4. September 2023) wurden 1.5 Stunden berechnet, effektiv betrug diese 0.5 Stunden.

-       Für das Verfassen des Plädoyers wurden – exkl. Aktenstudium – bis zum Studium des Verlaufsberichts 16.91 Stunden verrechnet. Nach dem Studium des Verlaufsberichts wurden nochmals 2.33 Stunden für die Überarbeitung des Plädoyers verrechnet. Insgesamt also 19.24 Stunden für das Plädoyer, was vor dem Hintergrund der umfassenden Aktenkenntnis als übermässig erscheint. Die Positionen werden mithin auf insgesamt 15 Stunden gekürzt, was noch immer grosszügig erscheint.

 

Zusammengefasst wird die Honorarnote um 11.24 Stunden reduziert. Die geltend gemachten Auslagen von CHF 183.30 werden wie folgt gekürzt:

 

-       Die Position «Kilometer» vom 4. September 2023 muss von 56 auf 46 Kilometer reduziert werden.

-       Die «Auslagen Mandatsabschluss» vom 29. August 2023 in der Höhe von CHF 10.00 werden gestrichen.

 

Unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer von 7.7% wird das Honorar des amtlichen Verteidigers auf CHF 5'736.05 festgesetzt, zahlbar durch den Staat Solothurn, ohne Rückforderungs- und Nachzahlungsanspruch.


 

Demnach wird

in Anwendung der Art. 136, Art. 181, Art. 181 i.V.m. 22 Abs. 1, Art. 187 Ziff. 1, Art. 187 Ziff. 1 i.V.m. 22 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1, Art. 197 Abs. 5, 197 Abs. 5 i.V.m. 22 Abs. 1 StGB; Art. 40, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 56, Art. 57, Art. 59, Art. 67 StGB; Art. 135, Art. 267, Art. 335 ff., Art. 416 ff. StPO

beschlossen und erkannt:

1.      Es wird festgestellt, dass sich A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des Urteils des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 15. September 2020 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) wie folgt schuldig gemacht hat:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 21. Januar 2018 (Ziff. 2.1, 3.1, 6.1 AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 27. Oktober 2015 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.3 AnklS);

-        des mehrfachen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe, begangen in der Zeit von Februar 2016 bis am 29. Juni 2016 (Ziff. 6.4 AnklS).

2.      Es wird festgestellt, dass sich A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Obergerichts vom 28. Oktober 2021 (nachfolgend: Urteil des Obergerichts) zudem wie folgt schuldig gemacht hat:

-        der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Versuch dazu, begangen in der Zeit von Anfang Mai 2015 bis am 31. Juli 2016 (Ziff. 1.1, 4.1, 5.1 und 7.1 AnklS);

-        der mehrfachen Pornografie und Versuch dazu, begangen in der Zeit vom 1. Mai 2015 bis 24. Januar 2018 (Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2, 5.2, 6.2, 7.2 und 8. AnklS);

-        der mehrfachen Nötigung und Versuch dazu, begangen in der Zeit von April 2016 bis am 18. August 2016 (Ziff. 3.3 AnklS).

3.      A.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

4.      An die Freiheitsstrafe werden die ausgestandene Untersuchungshaft sowie die angeordnete Ersatzmassnahme wie folgt angerechnet:

-        44 Tage Haft (24. Januar 2018 bis 8. März 2018);

-        40 Tage für 80 Sitzungen Psychotherapie und Bewährungshilfe.

5.      Für A.___ wird eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet.

6.      Es wird festgestellt, dass A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten wird (Tätigkeitsverbot).

7.      Auf die Anordnung von Bewährungshilfe für die Dauer des Tätigkeitsverbots wird verzichtet.

8.      Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 7 des erstinstanzlichen Urteils nachfolgende beschlagnahmte Gegenstände nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils eingezogen werden und zu vernichten sind:

-        iPad Apple […]; Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Laptop, Packard Bell (inkl. Festplatte Seagate […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 7 inkl. Sim–Karte (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 6S (Nummer […]); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9195 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9100 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Samsung, GT–I9300 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate;

-        Apple, iPhone 5 (ohne Nummer); Polizei, Fachbereich Asservate.

9.      Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils der Dropbox-Account von A.___ nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu löschen ist.

10.   Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils auf die Anträge von Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, allfällige Zivilforderungen seien abzuweisen und für die Beurteilung der Zivilklage seien keine Kosten auszuscheiden, nicht eingetreten wird.

11.   Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger von A.___, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 33'779.20 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 33'779.20 sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 14'276.75 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

12.   Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 8'993.30 (inkl. 7.7% MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. 

       Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 4/5, ausmachend CHF 7'194.65, sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 3'021.20 (Differenz zum vollen Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen [4/5]), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

 

13.   Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Raphael Ciapparelli, wird für das Neubeurteilungsverfahren auf CHF 5'736.05 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Ohne Rückforderungs- und Nachzahlungsanspruch.

14.   Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 24’000.00, total CHF 48’856.20, hat A.___ zu bezahlen.

15.   Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, belaufen sich auf total CHF 16'870.95. Diese werden zu 4/5, ausmachend CHF 13'496.75, A.___ auferlegt. Im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates.

16.   Die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens gehen zu Lasten des Staates.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Werner                                                                              Wiedmer



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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