Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.85: Verwaltungsgericht
Zusammenfassung: Im vorliegenden Fall geht es um eine Neubeurteilung eines Falls von vorsätzlicher Tötung. Der Beschuldigte fuhr am 5. September 2013 auf einen Parkplatz, um sein Auto zu parken. Dabei überrollte er versehentlich eine Person, die daraufhin verstarb. Es wird diskutiert, ob der Beschuldigte fahrlässig gehandelt hat. Es gab eine Vielzahl von Anhörungen und Beweismitteln, darunter Gutachten und Augenscheine. Das Bundesgericht hat die Beschwerde der Privatkläger gutgeheissen und das Urteil zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückverwiesen. Es wird nun geprüft, ob der Beschuldigte fahrlässig gehandelt hat, indem er das Opfer überfahren hat. Es gab einen Augenschein und weitere Befragungen im Rahmen des Neubeurteilungsverfahrens.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.85 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 07.09.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Fahrzeug; Urteil; Apos; Opfer; Beschuldigten; Berufung; Verfahren; Privatkläger; Tötung; Rechtsanwalt; Urteils; Entschädigung; Parkplatz; Motor; Gericht; Neubeurteilung; Ziffer; Staat; Opfers; Augen; Solothurn; Verfahren; Augenschein; Neubeurteilungsverfahren; Auslagen; Rechtsbeistand |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ;Art. 117 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 126 StPO ;Art. 17 VRV ;Art. 26 SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 36 SVG ;Art. 37 SVG ;Art. 382 StPO ;Art. 90 StGB ; |
Referenz BGE: | 107 IV 55; 127 II 302; 129 IV 282; 143 IV 214; 143 IV 500; 148 IV 39; |
Kommentar: | Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Art. 37 SVG, 1900 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.85 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 07.09.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.84 |
Titel: | vorsätzliche Tötung etc. (Neubeurteilung) |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 7. September 2023 Es wirken mit: Oberrichter von Felten Oberrichter Marti Gerichtsschreiberin Schmid In Sachen 1. A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Schlegel, 2. B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Schlegel, 3. C.___, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Schlegel, Privatberufungsklägerschaft 4. Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Berufungsklägerin
D.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Alexander Kunz, Gressly Rechtsanwälte, Beschuldigter
betreffend vorsätzliche Tötung etc. (Neubeurteilung) Es erscheinen zur Berufungsverhandlung vor Obergericht am 6. und 7. September 2023: - D.___, als Beschuldigter; - Rechtsanwalt Alexander Kunz, als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten, in Begleitung einer Rechtspraktikantin; - der Oberstaatsanwalt, für die Staatsanwaltschaft als Berufungsklägerin; - Rechtsanwalt Stephan Schlegel als Vertreter der Privatklägerschaft; - C.___, in Begleitung ihrer Tochter.
Zudem erscheinen zwei Medienvertreter und vier Zuschauer.
In Bezug auf den Ablauf der Berufungsverhandlung inkl. des Augenscheins, die durchgeführte Einvernahme des Beschuldigten sowie in Bezug auf die vom amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, dem unentgeltlichen Rechtsbeistand der Privatberufungskläger und des Oberstaatsanwalts vorgebrachten Begründungen der jeweiligen Anträge wird auf das Verhandlungsprotokoll, das Einvernahmeprotokoll (inkl. Tonaufzeichnung) und die Plädoyernotizen in den Akten verwiesen. Es stellen und begründen folgende Anträge: Oberstaatsanwalt für die Staatsanwaltschaft und Berufungsklägerin (vgl. schriftliche Anträge [Aktenseite Neubeurteilungsverfahren; ASN] 110]):
1. Es sei festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Bucheggberg-Wasseramt vom 28. Februar 2020 namentlich insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als D.___ wegen mehrfacher Gewaltdarstellungen und grober Verkehrsregelverletzung schuldig erklärt wurde. 2. D.___ sei zusätzlich schuldig zu erklären wegen fahrlässiger Tötung, begangen am 5. September 2013. 3. D.___ sei zu verurteilen, zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu einem Tagessatz von CHF 130.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren. 4. Die 35 Tage Untersuchungshaft seien an die Geldstrafe anzurechnen. 5. Es sei festzustellen, dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde. 6. Die Verfahrenskosten seien zu 50% D.___ aufzuerlegen.
Rechtsanwalt Stephan Schlegel für die Privatberufungskläger A.___ und B.___ und C.___ (vgl. schriftliche Plädoyernotizen inkl. Anträge [ASN 111 ff.]):
I. Unter vollständiger Ersetzung der Dispositiv-Ziff. 1., 7. sowie 10. im Urteil des Richteramts Bucheggberg-Wasseramt vom 27. und 28. Februar 2020 (Verfahrens-Nr.: BWSAG.2019.10) sei 1. D.___ wegen fahrlässiger Tötung im Sinne von Art. 117 StGB schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. 2. D.___ sei zu verpflichten, den Privatklägern B.___ und A.___ als Solidargläubiger Schadenersatz für Bestattungskosten wie folgt zuzusprechen: a) CHF 2'471.46 eventualiter EUR 2'000.00 zuzüglich Zins in der Höhe von 5% seit dem 10. September 2013; b) CHF 194.63 eventualiter RDS 18'240.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 26. September 2013; c) CHF 1'553.42 eventualiter RDS 148'080.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 5. Februar 2014; d) CHF 976.05 eventualiter RDS 91'040.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 12. September 2013; e) CHF 323.05 eventualiter RDS 30'035.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 12. Oktober 2013; f) CHF 391.20 eventualiter RDS 37'377.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 12. März 2014; sowie g) CHF 452.83 eventualiter RDS 44'720.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 3. September 2013. 3. Weiterhin sei D.___ zu verpflichten, B.___ und A.___ je CHF 500.00 eventualiter RDS 46'581.00 Versorgerschaden pro Monat seit 5. September 2013 bis zur Beendigung der Erstausbildung am 14. Juni 2017 bei A.___ bzw. bis zum Abschluss der Erstausbildung als Programmiererin bei B.___ zu bezahlen, eventualiter sei der Versorgerschaden durch das Gericht entsprechend den eingereichten Belegen zu schätzen; dies alles zzgl. 5% Zins seit dem 5. September 2013. 4. Ferner sei D.___ zu verpflichten, B.-__ und A.___ je CHP 35'000.00 als Genugtuung zu bezahlen. 5. Überdies sei D.___ zu verpflichten, C.___ CHF 15'000.00 als Genugtuung zu bezahlen. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschliesslich derjenigen der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft für die Privatklägerschaft seien dem Beschuldigten aufzuerlegen. III. Für das obergerichtliche Verfahren sei die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft auf Grundlage der heute eingereichten Honorarnote festzusetzen.
Rechtsanwalt Alexander Kunz für den Beschuldigten D.___ (vgl. schriftliche Plädoyernotizen inkl. Anträge [ASN 130 ff.):
1. Das Urteil des Obergerichts vom 21. April 2021 sei zu bestätigen. 2. Der Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemäss Ziffer 1 des Urteils sei zu bestätigen. 3. Die Zivilforderungen der Privatklägerschaft seien abzuweisen. 4. Eventualiter: Im Falle eines Schuldspruchs wegen fahrlässiger Tötung seien die beantragten Genugtuungssummen der Privatkläger ermessensweise festzusetzen und im Übrigen die Klage auf den Zivilweg zu verweisen. 5. Das Honorar der amtlichen Verteidigung sei entsprechend der eingereichten Kostennote festzusetzen. 6. Die weitere Kostenverlegung sei nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen.
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Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Am 5. September 2013, 20:27 Uhr, meldete sich D.___ (nachfolgend Beschuldigter) telefonisch bei der Alarmzentrale Solothurn und verlangte nach der Ambulanz, da †E.___ (nachfolgend Opfer) auf dem Parkplatz des ehemaligen […]-Areals (nachfolgend […]-Parkplatz) in [Ort 1] von seinem Auto [Marke] überrollt und verletzt worden sei. Um 22:22 Uhr gab das Inselspital Bern bekannt, dass das Opfer verstorben sei. Zunächst wurde der Vorfall aufgrund der aufgefundenen Situation und der Aussagen der Beteiligten als Verkehrsunfall mit Todesfolge angesehen. Aufgrund von Zeugenaussagen nach einem öffentlichen Zeugenaufruf in den Medien vom 6. September 2013 kam wenige Tage nach dem Vorfall der Verdacht auf, es könnte sich beim Vorfall um eine vorsätzliche Tötung gehandelt haben. Die Strafanzeige der Polizei Kanton Solothurn datiert vom 21. November 2014 (AS 11 ff.). Für weitere Details kann auf die Akten sowie das Urteil des Obergerichts vom 21. April 2021 (STBER.2020.34) verwiesen werden.
2. Am 6. September 2013 eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Beschuldigten wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB; AS 675). Mit Verfügung vom 12. September 2013 wurde das Verfahren auf den Vorhalt der vorsätzlichen Tötung ausgedehnt (Art. 111 StGB; AS 676). Am 19. September 2018 dehnte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschuldigten schliesslich wegen Gewaltdarstellungen (Art. 135 Abs. 1bis StGB) und wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 StGB) aus (AS 681).
3. Mit Verfügung vom 13. September 2013 wurde Rechtsanwalt Alexander Kunz als amtlicher Verteidiger für den Beschuldigten eingesetzt (AS 971). Für die Privatkläger B.___ und A.___, die leiblichen Kinder des Opfers, wurde Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt (Verfügung vom 28. Juli 2014; AS 1083). Mit Eingabe von Rechtsanwalt Völker vom 18. September 2013 (AS 1053 ff.) zeigte dieser zudem die Vertretung der Privatklägerin C.___, der Schwester des Opfers, an.
4. Mit Anklageschrift vom 28. August 2019 erhob der der leitende Staatsanwalt beim Amtsgericht von Bucheggberg-Wasseramt Anklage gegen den Beschuldigten wegen vorsätzlicher Tötung, eventualiter fahrlässiger Tötung, mehrfacher Gewaltdarstellungen und grober Verletzung der Verkehrsregeln.
5. Am 27. und 28. Februar 2020 fand vor dem Amtsgericht von Bucheggberg-Wasseramt die erstinstanzliche Hauptverhandlung mit vorgängigem Augenschein am Tatort und Befragung von Zeugen und des Beschuldigten statt. Anschliessend erliess die Vorinstanz folgendes Strafurteil:
1. D.___ wird vom Vorhalt der vorsätzlichen Tötung, eventualiter der fahrlässigen Tötung, angeblich begangen am 5. September 2013, freigesprochen. 2. D.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht: a) mehrfache Gewaltdarstellungen, begangen in der Zeit vom 23. Dezember 2012 bis am 13. September 2013, b) grobe Verletzung der Verkehrsregeln, begangen am 29. Oktober 2016. 3. D.___ wird verurteilt zu: a) einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 110.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren, b) einer Busse von CHF 1'100.00, ersatzweise zu 10 Tagen Freiheitsstrafe. 4. An die Geldstrafe gemäss Ziff. 3.a) sowie die Busse gemäss Ziff. 3.b) hiervor werden D.___ 35 Tage Haft angerechnet. 5. Der sichergestellte Personenwagen [Marke] (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate), wird der Halterin K.___ nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils herausgegeben, wobei innert 10 Tagen seit Erhalt des Urteilsdispositivs der Herausgabeanspruch beim Gericht geltend zu machen ist, ansonsten Verzicht angenommen wird; der Verzicht hat eine Verwertung bzw. Vernichtung des Gegenstandes zur Folge. 6. Das bei D.___ sichergestellte iPhone 5 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate) wird eingezogen und ist nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu vernichten. 7. Auf die Zivilforderungen der Privatkläger B.___ und A.___ sowie C.___ wird nicht eingetreten. 8. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, wird auf CHF 28'452.70 (134.7 Stunden zu CHF 180.00, inkl. Auslagen von CHF 851.30 und CHF 1'286.40 sowie MWST zu 8 % von CHF 998.35 und zu 7.7 % von CHF 1'070.65) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Nach Abzug der bereits geleisteten Zahlung von CHF 7'000.00 verbleibt eine Restanz von CHF 21'452.70 (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn). 9. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, wird auf CHF 43'350.30 (231.67 Stunden zu CHF 180.00 bzw. zu CHF 90.00, inkl. Auslagen von CHF 1'435.60 und CHF 136.30 sowie MWST zu 8 % von CHF 1'991.00 und zu 7.7 % von CHF 1'177.40) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen von total CHF 28'000.00 verbleibt eine Restanz von CHF 15'350.30 (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn). 10. Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 14'400.00, total CHF 87'230.00, gehen zu Lasten des Staates.
6. Gegen das Urteil liessen der Oberstaatsanwalt und die Privatkläger die Berufung anmelden (AS 1714, 1718 f.).
7. Mit Berufungserklärung vom 7. Mai 2020 focht der Oberstaatsanwalt den Freispruch gemäss Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils an (Aktenseite Berufungsverfahren STBER.2020.34 [ASB] 20). Der Beschuldigte sei wegen vorsätzlicher, ev. fahrlässiger Tötung schuldig zu sprechen und entsprechend zu bestrafen und zu einer höheren Kostenbeteiligung zu verpflichten.
8. Am 8. Mai 2020 liessen die Privatkläger A.___ und B.___ die Berufung erklären: Angefochten würden der Freispruch vom Vorhalt der vorsätzlichen, ev. fahrlässigen Tötung, die Strafzumessung und der Entscheid über die Zivilforderungen. Beantragt werde der Schuldspruch im Sinne der Anklage, die Verurteilung zu einer schwereren Strafe und das Eintreten auf die Zivilforderungen (ASB 24 f.).
9. Am 11. Mai 2020 erklärte auch die Privatklägerin C.___ die Berufung und stellte sinngemäss den Antrag, der Beschuldigte sei gemäss Anklage zu verurteilen und ihre Zivilforderung sei zu beurteilen (ASB 27 ff.).
10. Mit Verfügung vom 1. April 2021 wurde den Privatklägern für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und es wurde ihnen Rechtsanwalt Stephan Schlegel als neuer unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt (ASB 122).
11. Am 21. April 2021 fand die Verhandlung vor dem Berufungsgericht mit Befragung des Beschuldigten statt. Das Obergericht fällte gleichentags das folgende Urteil (STBER.2020.34):
1. Der Beschuldigte D.___ wird vom Vorhalt der vorsätzlichen Tötung, eventualiter der fahrlässigen Tötung, angeblich begangen am 5. September 2013, freigesprochen. 2. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 27. und 28. Februar 2020 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) hat sich D.___ wie folgt schuldig gemacht: a) der mehrfachen Gewaltdarstellungen, begangen in der Zeit vom 23. Dezember 2012 bis am 13. September 2013, b) der groben Verletzung der Verkehrsregeln, begangen am 29. Oktober 2016. 3. Der Beschuldigte D.___ wird verurteilt zu: a) einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 110.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren, b) einer Busse von CHF 1'100.00, ersatzweise zu 10 Tagen Freiheitsstrafe. 4. Die vom 13. September 2013 bis 18. Oktober 2013 erstandene Untersuchungshaft von 36 Tagen ist zunächst an die Busse gemäss Ziffer 3b) hiervor und anschliessend an die unter Ziffer 3a) aufgeführte Geldstrafe anzurechnen. 5. Es wird festgestellt, dass die Busse gemäss Ziffer 3b) hiervor vollumfänglich getilgt ist. Es verbleibt eine Geldstrafe von vier Tagessätzen zu je CHF 110.00, mit einem bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren. 6. Zudem wird die Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt. 7. Weiter wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils der sichergestellte Personenwagen [Marke] (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate), der Halterin K.___ herausgegeben wird, wobei der Herausgabeanspruch bis am 14. Mai 2021 beim Obergericht geltend zu machen ist, ansonsten Verzicht angenommen wird; der Verzicht hat eine Verwertung bzw. Vernichtung des Gegenstandes zur Folge. 8. Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 6 des erstinstanzlichen Urteils das bei D.___ sichergestellte iPhone 5 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate) eingezogen wird und nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu vernichten ist. 9. Auf die Zivilforderungen der Privatkläger B.___ und A.___ sowie C.___ wird nicht eingetreten. 10. Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils wurde die Entschädigung des ehemaligen unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 28'452.70 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Sie wurde durch die Zentrale Gerichtskasse am 4. April 2014 und 13. März 2020 ausbezahlt. Es besteht keine Rück-/Nachzahlungspflicht. 11. Die Entschädigung des ehemaligen unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 2'794.50 (Aufwand: 13.95 Stunden à CHF 180.00, somit CHF 2'511.00, Auslagen von CHF 83.70 sowie CHF 199.80 MwSt.) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Es besteht keine Rück-/Nachzahlungspflicht. 12. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Stephan Schlegel, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 9'770.00 (Aufwand: 43.16 Stunden à CHF 180.00, somit CHF 7'768.80, Auslagen von CHF 1'302.70 sowie CHF 698.50 MwSt.) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Es besteht keine Rück-/Nachzahlungspflicht. 13. Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils wurde die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 43'350.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt-. Sie wurde durch die Zentrale Gerichtskasse am 27. Februar 22014, 23. Oktober 2014, 22. Februar 2018 und 13. März 2020 ausbezahlt. Es besteht keine Rück-/Nachzahlungspflicht. 14. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 5'863.60 (Aufwand: 29.43 Stunden zu CHF 180.00, somit CHF 5'297.40, Auslagen von CHF 147.10 sowie CHF 419.20 MwSt.) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Es besteht keine Rück-/Nachzahlungspflicht. 15. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von total CHF 87'230.00 (mit einer Urteilsgebühr von CHF 14'400.00) und die Kosten des Berufungsverfahrens von total CHF 12'100.00 (mit einer Urteilsgebühr von CHF 12'000.00) gehen zu Lasten des Staates.
12. Gegen dieses Urteil erhoben die Privatkläger Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht (ASB 250 ff.). Sie beantragten, der Beschuldigte sei wegen fahrlässiger Tötung nach Art. 117 StGB schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. Zudem machten sie diverse Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung geltend. Eventualiter beantragten sie eine Rückweisung an das Berufungsgericht zur Neubeurteilung.
13. Mit Urteil vom 28. September 2022 (6B_677/2021) hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Privatkläger gut, hob das Urteil des Obergerichts vom 21. April 2021 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurück.
14. Im Weiteren reichte der amtliche Verteidiger des Beschuldigten gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung Beschwerde beim Bundesstrafgericht ein (ASB 296 ff.). Diese wurde mit Verfügung vom 27. Oktober 2022 (BB.2021.146) gutgeheissen. In der Folge wurde dem amtlichen Verteidiger das restliche Honorar ausbezahlt. Für weitere Details kann auf die diesbezüglichen Akten verwiesen werden.
15. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2022 wurde für die Verhandlung im Neubeurteilungsverfahren (STBER.2022.85) vorgeladen (ASN 31 ff.). 16. Die Verhandlung mit Befragung des Beschuldigten fand am 7. September 2023 statt. Am vorherigen Abend fand zudem ein Augenschein am Tatort mit der Befragung eines Sachverständigen und – soweit nötig – des Beschuldigten statt. Für die Details kann auf das entsprechende Protokoll verwiesen werden (ASN 98 ff.).
17. Im Urteil vom 21. April 2021 wurde zum einen festgestellt, dass in Bezug auf die Strafzumessung nicht auf die Berufung der Privatkläger eingetreten werden kann, da ihnen dazu die Legitimation fehlt (Art. 382 Abs. 2 StPO). Im Weiteren wurde die Rechtskraft der folgenden Teile des erstinstanzlichen Urteils festgestellt:
- Ziffer 2: Schuldsprüche wegen mehrfacher Gewaltdarstellungen und grober Verletzung von Verkehrsregeln - Ziffer 5: Herausgabe des PW [Marke] - Ziffer 6: Einziehung iPhone 5 - Ziffern 8 und 9 (teilweise): Entschädigungen an den unentgeltlichen Rechtsbeistand und den amtlichen Verteidiger der Höhe nach
Der sichergestellte Personenwagen [Marke] (die Halterin K.___ verzichtete auf die Herausgabe), und das sichergestellte iPhone 5 (beides vormals aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate) wurden vernichtet (ASB 182).
II. Gegenstand des Neubeurteilungsverfahrens
1.1 Die Privatkläger verlangten im bundesgerichtlichen Verfahren eine Verurteilung des Beschuldigten wegen fahrlässiger Tötung, nicht mehr wegen vorsätzlicher Tötung. Sie machen im Wesentlichen geltend, der Beschuldigte hätte den Kopf des vor dem Auto liegenden Opfers sehen können. Wäre er als Fahrzeuglenker entsprechend der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten aufmerksam gewesen, hätte er das Opfer unter Berücksichtigung der besonderen Gesamtumstände vor dem Einsteigen gesehen beziehungsweise sehen müssen und damit dessen Tod vermeiden können.
1.2 Das Bundesgericht hatte sich demzufolge nur noch mit dem Vorhalt der fahrlässigen Tötung und der diesbezüglichen Beweiswürdigung zu befassen. Es rügte die unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts des obergerichtlichen Urteils in Bezug auf die Frage, ob der Beschuldigte das Opfer beim Einsteigen unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse sowie der Lichtverhältnisse und der Ausführungen des verkehrstechnischen Gutachtens hätte sehen hören können (E. 3.5). Ohne ergänzende Sachverhaltsabklärung sei die Prüfung einer allfälligen Sorgfaltspflichtverletzung nicht möglich (E. 4.1).
2. Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1).
Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es diesen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind (BGE 143 IV 214 E. 5.3.3). 3. 3.1 Im vorliegenden Neubeurteilungsverfahren bildet somit nur noch der Vorhalt der fahrlässigen Tötung Prozessgegenstand und es ist zu klären, ob der Beschuldigte das Opfer beim Einsteigen unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse sowie der Lichtverhältnisse und der Ausführungen des verkehrstechnischen Gutachtens hätte sehen hören können und er allenfalls eine Sorgfaltspflicht verletzte.
3.2 Sämtliche Erwägungen des Urteils des Obergerichts vom 21. April 2021, die den Vorhalt der vorsätzlichen Tötung betreffen, sind vorliegend nicht mehr relevant, auf andere Erwägungen betreffend den Vorhalt der fahrlässigen Tötung kann indessen – soweit möglich – verwiesen werden, um Wiederholungen zu vermeiden.
III. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Vorhalt und unbestrittener Sachverhalt
1.1 Der Eventualvorhalt der fahrlässigen Tötung (Art. 117), der im vorliegenden Neubeurteilungsverfahren noch den Prozessgegenstand bildet, wurde in der Anklageschrift vom 28. August 2019 wie folgt formuliert:
Eventualiter, beziehungsweise allenfalls alternativ, habe der Beschuldigte den Tod des Opfers fahrlässig herbeigeführt, beziehungsweise unvorsätzlich bewirkt, zumal er die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen habe. Der Beschuldigte sei am 5. September 2013, kurz vor 20:25 Uhr, in Begleitung von †E.___ und F.___ mit dem auf K.___ zugelassenen [PW-Marke] auf den […]-Parkplatz gefahren, wo sie sich mit G.___ hätten treffen wollen, um das weitere Vorgehen in Bezug auf das Eruieren der Ursache, beziehungsweise der Herkunft von auffälligen Fahrzeuggeräuschen am [PW-Marke] zu definieren (Besichtigung vor Ort und/oder Abtransport). In entsprechendem Zusammenhang habe der Beschuldigte das Fahrzeug im nordöstlichen Bereich des Platzes abgestellt, wobei er dieses nicht korrekt auf eines der vorhandenen Parkfelder abgestellt habe. Weil G.___ noch nicht vor Ort gewesen sei, hätten der Beschuldigte, †E.___ und F.___ das Fahrzeug verlassen. Kurze Zeit später sei der Beschuldigte wieder in dieses eingestiegen und – entweder, weil es ihn gestört habe, dass das Fahrzeug nicht auf einem dafür vorgesehenen Feld geparkt gewesen sei, weil er nicht gewollt habe, dass H.___ mit Blick auf eine fällige Geldschuld realisiert hätte, dass er in [Ort 1] gewesen sei – um ca. 20:25 Uhr vorwärts losgefahren. Dabei habe er aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht, dass sich †E.___, parallel zu den Achsen, in sehr geringem Abstand zum Fahrzeug, vor diesem aufgehalten habe. Im Rahmen des entsprechenden Fahrmanövers habe er †E.___ mit beiden Achsen des Fahrzeugs überrollt. Als unmittelbare Folge davon habe †E.___ folgende Verletzungen erlitten: - massives, stumpfes Brustkorb- und Bauchtrauma: - multiple Hauteinblutungen und teils geformte Hautabschürfungen am Rumpf - Rippenserienstückbrüche beidseits mit Anspiessungsverletzungen des Brust- und Lungenfells, Schlüsselbeinbruch links, Brustbeinbruch, Bruch des linken Schulterblattes - Einblutung und Zerreissung der rechten Nebenniere - Einblutung in die rechte Nierenkapsel - Zerreissung des rechten Leberlappens mit Beteiligung der im Lebergewebe gelegenen Blutgefässe - instabiler Beckenbruch mit Einblutung linksseitig in die Beckenmuskulatur - Abbruch der Dornfortsätze auf Höhe der Brustwirbelkörper 7-10, Abbruch des rechten Querfortsatzes auf Höhe des 1. Brustwirbelkörpers, - stumpfes Schädel-Hirntrauma: - grossflächige Hautabschürfungen, Hauteinblutungen und Hautunterblutungen im Gesicht und der behaarten Kopfhaut ohne Nachweis von Knochenbrüchen sowie Quetschrisswunde oberhalb der rechten Ohrmuschel - Einblutungen, bzw. Quetschungen der Kopfschwarte stirnseitig rechts und links sowie am Hinterkopf linksseitig, sowie ein - stumpfes Gliedmassentrauma: - multiple Hauteinblutungen und teils geformte Hautabschürfungen an den Gliedmassen - Bruch des linken Oberarmknochens - linksseitiger Schienbeinbruch mit Kniegelenkbeteiligung bei eingeblutetem Unterhautfettgewebe aussenseitig am linken Unterschenkel sowie Einblutung in die Faszie des linken Wadenmuskels. Diese Verletzungen hätten zu einer Überwässerung des Hirns (Hirnödem), zu einem ausgeprägten Blutverlust nach innen (rechte Brusthöhle 350 ml blutige Flüssigkeit, Bauchhöhle 450 ml Blut), einem beidseitigen Pneumothorax (Luftbrust) sowie zu einer massiven Einschwemmung von Fett in die Lungengefässe (Fettembolie Grad III), mithin letztlich gleichentags um 22:06 Uhr zu einem akuten Herzversagen geführt. Der Beschuldigte sei als Fahrzeuglenker angehalten gewesen, den durch ihn gelenkten PW auf einem Parkplatz abzustellen, beziehungsweise innerhalb vorhandener Parkfelder. Weiter sei er verpflichtet gewesen, sich vor dem Einfügen des Fahrzeugs in den Verkehr, beziehungsweise vor dem Wegfahren zu vergewissern, dass er keine anderen Strassenbenützer gefährdet. Im Zeitpunkt vor dem Fahrtantritt und in den Sekunden danach will der Beschuldigte den †E.___ nicht gesehen haben, obschon zumindest ein kleiner Teil des Kopfes sichtbar gewesen sein dürfte. Der Beschuldigte habe sich kurze Zeit vor dem Losfahren mit †E.___ über die Frage der Herkunft der auffälligen Fahrgeräusche unterhalten, wobei ihm bekannt gewesen sei, dass dieser gerne Fahrzeuge repariere, beziehungsweise reparieren würde. Unter den gegebenen konkreten Umständen und unter Hinweis auf seine persönlichen Verhältnisse, Kenntnisse und Erfahrungen (Junglenker mit am 22. August 2013 bestandener Fahrprüfung, praktische handwerkliche Fähigkeiten als Polymechaniker) habe der Beschuldigte – ungeachtet der Frage, ob der Motor noch am Laufen gewesen sei nicht – nicht darauf vertrauen dürfen, dass †E.___ sich nicht vor dem Fahrzeug befunden habe, um auf diese Weise, allenfalls am Boden liegend, zu versuchen, den Grund für die auffälligen Fahrzeuggeräusche festzustellen. Vielmehr wäre er – gerade weil er †E.___ im Moment des Losfahrens nicht gesehen haben will – in der Gesamtschau in erhöhtem Masse verpflichtet gewesen, Sicherungsvorkehrungen zu treffen, womit hätte ausgeschlossen werden können, dass sich im Zeitpunkt des Fahrtantritts ein Mensch unmittelbar vor dem Fahrzeug befunden habe. Indem der Beschuldigte den [PW-Marke] in Fahrt gesetzt habe, ohne seine Aufmerksamkeit in gebotenem Masse auf den Raum unmittelbar vor dem Fahrzeug zu richten beziehungsweise indem er weggefahren sei, ohne sich anderweitig zu vergewissern, dass die beabsichtigte Wegstrecke frei sei und er niemanden gefährde, habe er ihm obliegende Sorgfaltspflichten verletzt. Dass sein Verhalten und die Verletzung der Sorgfaltspflichten zu einem Überrollen eines Menschen und zu dessen Ableben führen könne, sei für den Beschuldigten in den wesentlichen Zügen voraussehbar gewesen. Bei Beachtung der geforderten Sorgfalt hätte der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges vermieden werden können und ein entsprechendes pflichtkonformes und den Schutzzweck der Normen beachtendes Verhalten wäre für den Beschuldigten zumutbar gewesen. Sein Verhalten sei zudem adäquat kausal für den eingetretenen Deliktserfolg und gleichsam dafür relevant gewesen.
1.2 Das Obergericht stellte den unbestrittenen Sachverhalt in seinem Urteil wie folgt fest (II./4.1 und 4.2): «Das Opfer, geb. […], mit Wohnsitz in Serbien hatte am 20. August 2013 – also gut zwei Wochen vor dem Vorfall – die in [Ort 2] wohnhafte K.___, Mutter des Beschuldigten, geheiratet. Dabei soll es sich nach den Angaben des Beschuldigten und der Privatklägerin C.___ (Schwester des Opfers) um eine Scheinehe gehandelt haben, was von der Mutter des Beschuldigten bestritten wurde. Der PW [Marke] der Mutter des Beschuldigten gab auffällige und laute Geräusche von sich, worauf diese den befreundeten G.___, Inhaber einer N-Bewilligung für Asylsuchende inkl. abgewiesene Asylsuchende mit Ausschaffungsstopp, kontaktierte. Dieser war in […] im Pneu- und Autohandel tätig. Mit diesem wurde vereinbart, dass er den PW auf seinen Autotransporter aufladen würde, um besser unter das Auto blicken und so den Defekt/Lärmverursacher finden zu können. Mit G.___ wurde ein Treffen vereinbart auf den Tatabend um 20.00 Uhr beim Wohndomizil von G.___ in [Ort 3]. Der Beschuldigte fuhr an diesem Abend mit dem Fahrzeug der Mutter und mit dem Opfer von [Ort 2] los und lud in [Ort 4] den Grossvater auf. In [Ort 3], am Wohndomizil von G.___ angekommen, teilte dieser dem Beschuldigten telefonisch mit, er sei noch auf der Autobahn, man solle sich auf den Parkplatz in [Ort 1] treffen, damit er selbst weniger Zeit verliere. Der Beschuldigte fuhr daraufhin mit seinen beiden Mitfahrern zunächst auf den Parkplatz beim […] [Ort 1] und – als sie G.___ dort nicht antrafen – danach auf den grossen «[…]-Parkplatz», auf dem im nordöstlichen Bereich neben zwei parkierten Autotransportern anhielt. Der Tatort, sog «[…]-Parkplatz», befindet sich im nördlichen Teil der Gemeinde [Ort 1] in unmittelbarer Nähe der Aare, östlich des ehemaligen […]-Areals. Der Parkplatz grenzt im Osten an die [Strasse], nördlich des Parkplatzes befinden sich das Clubhaus des FC [Ort 1] und zwei Fussballplätze. Erschlossen wird der Parkplatz von Süden über die [Strasse] und von Südosten über den [Weg]. Dazu kann der Strafanzeige noch folgendes entnommen werden: «Der Vorfall ereignete sich im nordöstlichen Teil des Parkplatzes auf Höhe der Liegenschaft [Weg] Nr…. und der östlichen Gebäudeflucht der Liegenschaft [Strasse] ([…]-Gebäude). Der Parkplatz an sich ist nicht beleuchtet, lediglich die Strassen im östlichen und westlichen Teil verfügen über eine übliche Beleuchtung. Der […]-parkplatz ist in der Region ein Begriff und wird dank seiner Grösse und teilweisen Abgeschiedenheit von vielen unterschiedlichen Personengruppen frequentiert, seien das Lernfahrer, Autotuner, Liebespaare und andere mehr. Der Parkplatz wird auch von Angestellten der nahen Industrie, Lastwagenchauffeuren und Langzeitparkierern genutzt. Gemäss den Aussagen der Anwohner herrscht auf dem Parkplatz – zu deren Leidwesen – tagein, tagaus ein reges und mitunter auch sehr lärmiges Treiben bis oft spät in die Nacht hinein.» Vgl. dazu auch die Fotos vom Tatort (AS 449 ff.).»
1.3 Im Neubeurteilungsverfahren ebenfalls unbestritten ist nun, dass der Beschuldigte nicht vorsätzlich handelte, als er das Opfer überrollte, sondern allenfalls fahrlässig dessen Tod verursachte. Der vom Berufungsgericht im Urteil vom 21. April 2021 festgestellte Sachverhalt ist insoweit unbestritten, als dass der Beschuldigte um ca. 20:25 Uhr schräg neben den beiden Transportern auf dem […]-Parkplatz anhielt, da er und seine beiden Begleiter mit G.___ verabredet waren. Dieser sollte den PW [Marke] aufladen, damit man den Grund für die auffälligen Geräusche des Wagens hätte abklären können. Der Grossvater stieg als erster aus und ging ein Stück in Richtung Sportplatz/Aare. Der Beschuldigte und sein Stiefvater stiegen in der Folge auch aus dem Fahrzeug aus. Der Beschuldigte begab sich zum Grossvater und sagte diesem, er werde das Auto noch einparkieren. Er ging zurück zum Fahrzeug, stieg ein und fuhr an. Der Stiefvater hatte sich zwischenzeitlich direkt vor die Fahrzeugfront gelegt, um nach dem Grund für die Geräusche zu suchen. Als der Beschuldigte das Auto in Gang setzte, überrollte er das Opfer. Dieses verstarb kurz danach an den Folgen des Unfalles.
2. Allgemeines zur Beweiswürdigung
Für die allgemeinen Ausführungen zur Beweiswürdigung kann vollumfänglich auf das Urteil der Vorinstanz und die Erwägungen des Obergerichts im Urteil vom 21. April 2021 (II./2.) verwiesen werden.
3. Beweismittel
3.1 Beweismittel aus dem Berufungsverfahren
3.1.1 Für die Auflistung der zahlreichen objektiven Beweismittel kann vollumfänglich auf das vorhergehende Berufungsurteil verwiesen werden (II./5.1.1).
3.1.2 Ebenso kann für die Erkenntnisse aus den vorhandenen Gutachten (morphometrisches/rekonstruktives Gutachten vom 25. April 2014 [AS 1189 ff.]; Expertise der MFK Kanton Solothurn vom 14. Oktober 2013 [AS 497 ff.]; verkehrstechnische Gutachten des DTC Vauffelin vom 30. November 2016 [AS 1259 ff.]) auf die diesbezüglichen Ausführungen im Berufungsurteil verwiesen werden (II./5.1.2).
3.1.3 Genauso haben auch die Feststellungen im Berufungsurteil zur rückwirkenden Teilnehmeridentifikationen/Randdatenerhebungen nach wie vor Gültigkeit und müssen an dieser Stelle nicht wiederholt werden (II./5.1.3).
3.1.4 Betreffend die Aussagen der befragten Personen kann ebenfalls – soweit noch relevant und nicht den Vorhalt der vorsätzlichen Tötung betreffend – auf die umfassenden Ausführungen im Berufungsurteil verwiesen werden (II./5.2).
3.2 Ergänzende Beweismittel im Neubeurteilungsverfahren
3.2.1 Augenschein vom 6. September 2023 inkl. vor Ort Befragung des Sachverständigen und des Beschuldigten
Vorgängig zur Hauptverhandlung im Neubeurteilungsverfahren führte das Obergericht einen Augenschein durch, bei dem der Sachverständige und der Beschuldigte in einem fliessenden Ablauf befragt wurden, währenddessen auch Fotos erstellt wurden. Der Augenschein fand am 6. September 2023 um 20:00 Uhr auf dem […]-Parkplatz in [Ort 1] statt, wobei das dafür gebrauchte typengleiche Fahrzeug sowie eine dem Opfer nachempfundene Puppe gemäss den Tatortfotos und den Erkenntnissen des verkehrstechnischen Gutachtens platziert wurden. Das Unfallfahrzeug war 3 cm tiefer gelegt als das typengleiche Fahrzeug am Augenschein, wozu der Sachverständige ausführte, dies könnte einen minimalen Einfluss auf die Sichtbarkeit des Opfers haben zu Gunsten des Beschuldigten, da die Sichtverhältnisse noch stärker eingeschränkt gewesen seien. Aber im Fahrzeug sei entscheidender, wie der Beschuldigte gesessen sei, als dass es auf den Zentimeter stimme. Sodann wurde der Sachverständige gebeten, die Puppe so zu platzieren, wie das Opfer gemäss seiner Untersuchung lag, bevor das Auto losrollte. Dazu führte der Sachverständige noch aus, dass die Positionierung nicht allein aufgrund seines Gutachtens erfolge, sondern auch das morphometrische Gutachten des IRM die Position aufgrund der Verletzungen des Schädels definiert habe. Anschliessend wurde der Beschuldigte aufgefordert, sich auf die Position des Grossvaters zu begeben. Er kam dem nach, gab aber an, sich nicht mehr sicher zu sein, wo genau dieser gestanden und wie er selbst anschliessend zum Auto gelaufen sei. Auf die Frage, ob er den Motor habe laufen lassen, als er ausstieg, gab der Beschuldigte an, er sei sich nicht sicher, wahrscheinlich habe er ihn aber laufen lassen. Die Tür sei mit hoher Wahrscheinlichkeit offen gewesen, er habe sie nicht zugemacht. Der Sachverständige erklärte, das Fahrzeug habe automatisches Licht, sobald der Motor gestartet werde. Der Beschuldigte konnte sich nicht mehr erinnern, wo genau das Opfer stand, als er dieses zuletzt gesehen hatte, nur irgendwo auf der rechten Seite vom Auto. Während des Augenscheins wurden durch die Polizei diverse Fotos erstellt, vom Beschuldigten beim Zugehen auf das Fahrzeug und beim Einsteigen, von der Puppe, dies insbesondere zur Tatzeit um 20:20 bis 20:25 Uhr und in verschiedenen Variationen (Licht an und aus, Tür zu und offen etc.), diese befinden sich in den Akten (ASN 103). Anlässlich des Augenscheins konnte festgestellt werden, dass kein Schattenwurf Bäume die Sicht um das Fahrzeug herum beeinträchtigen. Die anbrechende Dämmerung beeinträchtigte die Sicht nur leicht. Sowohl die Strassenbeleuchtung wie auch das Licht des Fahrzeugs beleuchten die Situation nicht massgeblich. Für die Details des Augenscheins wird auf das Protokoll verwiesen (ASN 89 ff.).
3.2.2 Befragung des Beschuldigten
Anlässlich der erneuten Befragung vor Obergericht gab der Beschuldigte an, wenn er das Opfer gesehen hätte gewusst hätte, dass es vor dem Auto liege, wäre er nicht losgefahren, ganz sicher nicht. Er habe kein konkretes Bild mehr vor Augen vom Ablauf. Er sei ausgestiegen, um zu schauen, wo G.___ sei. Er sei hinter das Fahrzeug gelaufen, vom Fahrzeug weg. Er wisse nicht mehr genau, wie weit er gelaufen sei. Man könne sagen, etwa in der Mitte bis zum nördlich angrenzenden Haus. Er erinnere sich nicht, ob er etwas zum Grossvater gesagt habe. Er wisse nicht mehr, ob er den Motor abgestellt habe und auch nicht, ob er etwas am Licht betätigt habe. Er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob er die Tür offen gelassen habe. Da er nur schnell angehalten habe, denke er nicht, dass er sie geschlossen habe. Auf Vorhalt seiner allerersten Aussage vom 9. September 2013, wonach der Motor ab- und das Licht ausgeschaltet gewesen wäre, gab er an, das könne sein, wenn er das so gesagt habe. Er sei sich wirklich nicht mehr sicher, wie es abgelaufen sei. Zum Grund für sein Umparkieren sagte er, er habe sich damals geschämt, wegen den CHF 50.00 etwas zu sagen. Heute würde er es gleich von Anfang an sagen. Der Entschluss zum Umparkieren sei wahrscheinlich gekommen, als er gesehen habe, dass der Anhänger nicht von G.___ sei und sie sich länger dort aufhalten würden. Auf die Frage, wie er sich erkläre, dass er ihn nicht gesehen habe, antwortete er, er wisse es nicht, er habe ihn einfach nicht im Blickwinkel gehabt. Er habe sich nicht überlegt, dass sich etwas verändert haben könnte, dass jemand vor dem Auto liegen könnte. Er habe aber nicht «gejuffelt».
4. Konkrete Beweiswürdigung
4.1 Zu Beginn ist festzuhalten, dass die ergänzenden Abklärungen im Neubeurteilungsverfahren zu keinem anderen Ergebnis führen als das Berufungsurteil vom 21. April 2021. Die nachfolgenden Ausführungen ergänzen somit die damaligen Erwägungen, soweit auf den Eventualvorhalt der fahrlässigen Tötung bezogen.
4.2 Genauer zu betrachten ist zu Beginn der zeitliche Ablauf. Aktenkundig ist, dass der Beschuldigte um 20:13 Uhr noch in [Ort 3], Antennenstandort […], eingeloggt war und er um 20:27 Uhr den Notruf wählte. Die Vorinstanz hielt sodann fest, für den Weg von [Ort 3] auf den […]-Parkplatz benötige man neun Minuten, womit der Beschuldigte frühestens um 20:22 Uhr auf dem […]-Parkplatz eingetroffen sei. Damit ergäbe sich ein sehr kleiner Zeitrahmen für den gesamten Tatablauf. Die festgestellte Uhrzeit von 20:22 Uhr ist jedoch zu relativieren: Auch wenn der Beschuldigte um 20:13 Uhr noch am Antennenstandort [Ort 3] eingeloggt war, heisst das nicht, dass er genau um diese Zeit bei der […] in [Ort 3] losgefahren ist. Das Signal der Antenne deckt einen gewissen Radius in [Ort 3] ab. Die nächsten Antennen folgen sodann im Dorfzentrum von [Ort 5]. Es ist daher ohne weiteres möglich, dass der Beschuldigte um 20:13 Uhr am Dorfrand von [Ort 3] war, was die Fahrzeit um wenige Minuten verkürzt. Nach eigenen Aussagen hatte der Beschuldigte aber zuerst den Parkplatz beim […] [Ort 1] angesteuert, was seine Fahrzeit wiederum etwas verlängert hat. Er ist wohl jedoch kaum erst um 20:25 Uhr am Tatort eingetroffen, sondern eher einige Minuten früher. Die genaue Ankunftszeit lässt sich nicht mehr auf die Minute nachweisen. Klar ist, dass sich das gesamte Geschehen in einer relativ kurzen Zeit abspielte: Der Beschuldigte, sein Grossvater und das Opfer trafen auf dem Parkplatz ein, hielten an, stiegen aus, der Grossvater entfernte sich, der Beschuldigte folgte ihm, kehrte zum Auto zurück, fuhr los und überrollte das Opfer, er hielt wieder an, stieg erneut aus und bemerkte, dass er seinen Stiefvater überfahren hatte, begab sich zu diesem hin, sodann fragte er die Jungs in der Nähe nach der Notrufnummer und rief dort um 20:27 Uhr an. Dass sich dies alles in einem Zeitfenster von ca. 5 Minuten abspielte, ist durchaus plausibel. Dies passt im Weiteren auch zur Aussage von W.___, der das Auto des Beschuldigten, das auffällig geklungen habe, über den Parkplatz fahren sah und etwa 5 Minuten später den Schrei des Opfers wahrnahm. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich der Beschuldigte und seine Begleiter ca. 5 Minuten auf dem Parkplatz aufhielten.
4.3 Ob der Beschuldigte den Motor laufen liess, als er ausstieg, konnte nicht mehr restlos geklärt werden. Der Beschuldigte erinnerte sich im Neubeurteilungsverfahren nicht mehr an den genauen Ablauf. Bereits in der Einvernahme nach der vorläufigen Festnahme wusste er nicht mehr, ob der Motor lief (AS 70). Lediglich in der ersten Einvernahme danach gab er an, er habe den Motor gestartet (AS 64). Auf diese erste Aussage ist der Beschuldigte aber nicht zu behaften, hatte er doch erst kurz vor dem Vorfall seinen Führerausweis erlangt und den Ablauf nach Lehrbuch somit noch verinnerlicht, ob er nun tatsächlich so handelte eben nicht. Alle Parteien gehen im Weiteren davon aus, dass der Beschuldigte den Motor laufen liess, als er das Fahrzeug verliess. Und tatsächlich macht auch nur dieses Szenario in Anbetracht der Motorgeräusche Sinn. Bei nicht laufendem Motor hätte das Opfer keinerlei Grund gehabt, sich vor das Auto zu legen. Bei laufendem Motor ist es durchaus denkbar, dass das Opfer dem Geräusch auf den Grund gehen wollte. Zudem erklärt der laufende Motor auch, weshalb das Opfer nicht frühzeitig wahrnahm, dass der Beschuldigte zum Auto zurückkehrte. In der Stille ohne laufenden Motor hätte das Opfer die Schritte des Beschuldigten, dessen Einsteigen zuletzt sicherlich das Starten des Motors wahrgenommen und hätte sich in logischer Konsequenz sofort wegbewegt zuvor auch verbal auf sich aufmerksam gemacht. Lief der Motor dagegen die ganze Zeit, ist es nachvollziehbar, dass das Opfer nicht realisierte, dass der Beschuldigte wieder im Wagen sass, und sich vor dem Losfahren dann auch nicht mehr retten konnte.
4.4 Zufolge des laufenden Motors ist auch von einem eingeschalteten Licht auszugehen. Wie am Augenschein festgestellt, verfügte das Fahrzeug des Beschuldigten über ein automatisches Tagfahrlicht. Dass der Beschuldigte ein anderes Licht eingeschaltet hätte (Fernlicht, Nebelscheinwerfer etc.) ist weder behauptet noch nachgewiesen. Ebenfalls konnte aber festgestellt werden, dass das Licht nicht den Bereich direkt vor dem Auto beleuchtet, sondern einen Bereich etwas weiter vorne. In der zur Tatzeit herrschenden Dämmerung war der Beleuchtungseffekt des Lichts sodann gering, der nicht beleuchtete Bereich direkt vor dem Auto schien damit eher dunkler. Das eingeschaltete Licht hatte damit letztlich keinen Einfluss auf die Sichtbarkeit des Opfers, das ohnehin unter dem Vorderteil des Fahrzeugs lag.
4.5 Am Augenschein vom 6. September 2023 herrschten nahezu identische klimatische Bedingungen wie am Tattag vor fast exakt 10 Jahren. Durch die Uhrzeit waren sodann die Lichtverhältnisse gleich. Die Beleuchtung auf dem Parkplatz entspricht nach wie vor den damaligen Umständen (Bestätigung der Einwohnergemeinde [Ort 1] vom 23. Dezember 2022; ASN 45). Zur Tatzeit zwischen 20:20 und 20:25 Uhr setzte bereits die Dämmerung ein. Die Staatsanwaltschaft führte diesbezüglich im Parteivortrag aus, dass die Dämmerung um 20:25 Uhr zwar merkbar sei, die Sicht aber nicht beeinträchtigt habe. Die bürgerliche Abenddämmerung dauerte von 20:01 Uhr bis 20:32 Uhr, danach setzte die nautische Abenddämmerung ein. Wie der Oberstaatsanwalt ausführte, ist während der bürgerlichen Abenddämmerung das Lesen im Freien ohne zusätzliches Licht noch möglich. Es wurde damit bereits langsam dunkel, allerdings noch nicht in einem Ausmass, das zusätzliche Beleuchtung notwendig gemacht hätte. Dadurch relativiert sich auch – wie zuvor ausgeführt – der Einfluss des eingeschalteten Lichts am Fahrzeug. Dies gilt auch für die Strassenbeleuchtung auf dem Parkplatz. Am Augenschein wurde festgehalten, dass eine Laterne nicht funktionierte. Diese hatte aber aufgrund der Entfernung und der Dämmerung keinen Einfluss auf die Verhältnisse um das Fahrzeug herum. Die Strassenbeleuchtung wirkte sich am Tatort nicht aus. Andere Umstände, die den Tatort verdunkelt hätten (Schatten von Bäumen etc.) lagen ebenfalls nicht vor.
4.6 Was sich entscheidend auf die Sichtbarkeit des Opfers auswirkt, ist der Gehwinkel des Beschuldigten. Die genaue Lage des Opfers kann anhand des verkehrstechnischen Gutachtens unter Berücksichtigung des morphometrischen Gutachtens bestimmt werden. Gemäss dem Gutachten lag der Kopf des Opfers vor dem Überrollen direkt vor dem linken Vorderrad, von dessen Aussenrand kann eine Linie zum Oberkopf gezogen werden (vgl. AS 1270). Bereits aus dem verkehrstechnischen Gutachten war ersichtlich, dass der Kopf nur knapp sichtbar ist, wobei die Fotos von einer seitlichen Position hinter dem Fahrzeug aufgenommen wurden. Der Winkel ist – obwohl nicht sehr weit – dennoch auch nicht ganz am Fahrzeug entlang (AS 1270, Abb. 20 und 21). Im Unterschied zum Augenschein wurden die Fotos des Gutachtens bei Tag und mit einer hellen Puppe aufgenommen. Anlässlich des Augenscheins liess sich unschwer feststellen, dass die Sichtbarkeit entscheidend von der seitlichen Entfernung zum Wagen abhängt: Bei einem grossen Winkel wird der Oberkopf zunehmend sichtbar, bewegt man sich hingegen nah am Fahrzeug entlang vom Standort des Grossvaters zurück zum Auto und letztlich zur Fahrertür, ist der Kopf des Opfers dagegen gar nicht zu sehen. Dies insbesondere in der zur Tatzeit herrschenden Dämmerung und in Anbetracht der dunklen Haare des Opfers. Diese Feststellungen gelten sodann für den Fall einer geschlossenen Fahrertür, dazu folgen im Anschluss weitere Erwägungen. Der Beschuldigte konnte nicht mehr genau angeben, wie er zum Fahrzeug gelaufen ist. In dubio pro reo ist daher davon auszugehen, dass er eher nahe am Fahrzeug entlangging und den Kopf des Opfers daher – sogar bei geschlossener Tür – nicht sehen konnte. Aus dem Fahrzeug heraus war das Opfer sodann – wie es bereits das verkehrstechnische Gutachten festhielt – auch nicht zu sehen.
Dem Beschuldigten wurde von den Privatklägern vorgeworfen, er sei unter einem selbst auferlegten Zeitdruck gestanden, so habe er nach seinen Angaben «schnell» umparkieren wollen. Dem kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich einerseits um einen in der Mundart verbreiteten Sprachgebrauch und andererseits gibt es keinerlei Hinweise darauf. Der Beschuldigte sagte selbst aus, er habe nicht «gejuffelt», er habe sich nicht beeilt. Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwiefern dies von Relevanz sein könnte.
4.7 Ebenfalls einen Einfluss auf die Sichtbarkeit des Opfers hat die Fahrertür des Fahrzeugs. Am Augenschein konnte festgestellt werden, dass durch die geöffnete Fahrertür der Bereich des linken Vorderrades durch den unteren Teil der Tür komplett verdeckt wird, wenn man sich der Tür nicht in einem weiten Winkel zum Fahrzeug nähert. Erst bei einem sehr weiten Winkel zum Fahrzeug, wenn neben der Tür vorbei geblickt werden kann, wird der Kopf des Opfers wieder sichtbar. Wie bereits festgestellt, ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass der Beschuldigte eher nah am Fahrzeug entlanglief. Der Beschuldigte konnte sich auch nicht mehr erinnern, ob er die Tür offen gelassen hat. Er geht indessen davon aus, da er nur kurz habe aussteigen wollen. Hinweise, die auf eine geschlossene Tür hindeuten, gibt es nicht. Zu Gunsten des Beschuldigten ist daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte die Fahrertür offen gelassen hat, als er ausgestiegen ist. Dies passt auch dazu, dass er auch den Motor laufen liess, ist es doch verbreitet, bei einem kurzen Verlassen des Autos den Motor laufen und die Tür offen zu lassen. Bei geöffneter Tür war das Opfer für den Beschuldigten somit erst recht nicht zu sehen.
Dazu ist zudem festzuhalten, dass durch das Gutachten lediglich die Position des Kopfes des Opfers unmittelbar vor dem Überrollen eruiert werden konnte. Das beweist aber nicht, dass der Kopf die ganze Zeit über, während sich der Beschuldigte dem Fahrzeug wieder näherte, genau dort gelegen hat. Es erscheint durchaus möglich, dass das Opfer den Kopf Sekunden vor dem Überrollen weiter unter dem Fahrzeug hatte, da er dem Geräusch auf den Grund gehen wollte und letztlich den Kopf zurückzog, als das Fahrzeug sich bewegte.
4.8 Zum bereits unbestrittenen ist damit das Folgende zum rechtserheblichen Sachverhalt hinzuzufügen: Der Beschuldigte stieg aus dem Auto aus. Dabei liess er den Motor laufen, womit auch das Licht weiterhin brannte. Er liess die Tür offen, entfernte sich vom Fahrzeug und lief zu seinem Grossvater, der im Bereich hinter dem Fahrzeug stand. Der Beschuldigte wollte das Auto umparkieren, weil er den Transporter eines Kollegen bemerkt hatte, dem er Geld schuldete und er aufgrund der Abwesenheit von G.___ annahm, dass sie sich länger auf dem Parkplatz aufhalten würden. Er lief zurück zum Auto, wobei er sich in einem engen Winkel nahe am Fahrzeug entlang bewegte. Die noch immer offen stehende Fahrertür verdeckte den Bereich des linken Vorderrades dabei komplett. Der Beschuldigte konnte damit den Kopf des Opfers nicht sehen. Das Opfer, dass er zuvor rechts vom Fahrzeug hatte weggehen sehen, sah er nirgends. Er stieg ein und fuhr los.
IV. Rechtliche Würdigung 1. 1.1 Fahrlässig begeht ein Verbrechen Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).
1.2 Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen, und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 148 IV 39 E. 2.3.3; 145 IV 154 E. 2.1; 143 IV 138 E. 2.1; je mit Hinweis). Fehlen solche, kann sich der Vorwurf der Fahrlässigkeit auf allgemein anerkannte Verhaltensregeln privater halbprivater Vereinigungen (BGE 148 IV 39 E. 2.3.3; 127 IV 62 E. 2d; je mit Hinweis) auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie den allgemeinen Gefahrensatz stützen (BGE 148 IV 39 E. 2.3.3; 145 IV 154 E. 2.1; 135 IV 56 E. 2.1 mit Hinweisen). Denn einerseits begründet nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche für bestimmte Tätigkeiten allgemein anerkannte Verhaltensnorm den Vorwurf der Fahrlässigkeit, und andererseits kann ein Verhalten sorgfaltswidrig sein, auch wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensnorm verstossen wurde. Die Vorsicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können (BGE 148 IV 39 E. 2.3.3; 135 IV 56 E. 2.1; 133 IV 158 E. 5.1; je mit Hinweisen).
1.3 In seinem Urteil 6B_677/2021 führte das Bundesgericht das Folgende aus: «Im Strassenverkehr richtet sich der Umfang der zu beachtenden Sorgfalt nach den Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes und der dazu gehörenden Verordnungen (vgl. BGE 129 IV 282 E. 2.2.1; Urteile 6B_1125/2020 vom 4. März 2021 E. 4.3; 6B_443/2013 vom 18. Dezember 2013 E. 3.2 f.). Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG). Weiter muss der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt (Art. 36 Abs. 4 SVG). Der Führer muss das Fahrzeug vor dem Verlassen angemessen sichern (Art. 37 Abs. 3 SVG). Dies bedeutet unter anderem, dass sich der Fahrzeugführer vor dem Wegfahren zu vergewissern hat, dass er keine Kinder andere Strassenbenützer gefährdet. Bei Fahrzeugen mit beschränkter Sicht nach hinten ist zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen, wenn nicht jede Gefahr ausgeschlossen ist (Art. 17 Abs. 1 VRV). Der Führer hat den Motor abzustellen, wenn er das Fahrzeug verlässt (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 VRV).
Die Verkehrsbestimmungen widerspiegeln allgemeine Grundregeln wie den Vertrauensgrundsatz (vgl. Art. 26 Abs. 1 SVG; BGE 143 IV 500 E. 1.2.4; 143 IV 138 E. 2.1; 129 IV 282 E. 2.2.1) auch das Nicht-Gefährdungsprinzip (vgl. UHLMANN/LACHMAYER/GSTÖTTNER, Verkehrs- und Rechtssicherheit bei Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem, ZSV 2/2022 S. 4 ff., S. 10 f.). Die Rechtsprechung präzisierte den im Strassenverkehr anzuwendenden Sorgfaltsmassstab dahingehend, dass wer sein Fahrzeug auch nur für kurze Zeit verlässt, den Motor abstellen muss (vgl. BGE 89 IV 213 E. 7; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 43 zu Art. 37 SVG). Muss der Fahrer aufgrund der konkreten Umstände im sichttoten Winkel mit Personen rechnen, hat er sich gegebenenfalls kurz vom Sitz zu erheben, sich vorzubeugen seitlich etwas zu verschieben, um genügende Sicht zu gewinnen (vgl. BGE 107 IV 55 E. 2c). Das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeuglenker verlangt wird, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; 120 IV 63 E. 2a; Urteile 6B_25/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.3; 6B_1125/2020 vom 4. März 2021 E. 4.3; 6B_738/2012 vom 18. Juli 2013 E. 2.4.1; 6B_965/2010 vom 17. Mai 2011 E. 2.1, in: JdT, 2011 I 316; 6B_868/2008 vom 20. Januar 2009 E. 2.1.1, in: JdT 2009 I 539). Wird dieser Pflicht nachgelebt und ist der benötigte Raum frei, darf der Lenker sein Fahrmanöver ohne weitere Überwachung des sichttoten Bereichs ausführen (Urteil 6S.28/2002 vom 1. März 2002 E. 3b).» 2. 2.1 Gemäss dem rechtserheblichen Sachverhalt konnte der Beschuldigte das Opfer bzw. dessen Kopf nicht sehen, als er auf das Auto zuging, einstieg und losfuhr. Bei normalem Verhalten konnte er ihn demnach nicht sehen. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob er um das Auto hätte herumgehen müssen, um festzustellen, dass niemand vor den Vorderpneus des Wagens lag.
2.2 Diesbezüglich ist folgendes festzuhalten: Der Beschuldigte war beim Mittagessen am Unfalltag, als das Opfer gegenüber der Mutter des Beschuldigten äusserte, den Wagen anheben und selbst ansehen zu wollen, nicht dabei. Von einer solchen konkreten Absicht wusste er demnach nichts. Auch wenn das Opfer Auto-affin war, konnte er das Problem offensichtlich nicht selbst lösen, sonst wäre der Kollege G.___ ja gar nicht nötig gewesen. Man war offensichtlich mit dem Latein am Ende, da G.___ den Wagen hätte aufladen sollen. Auch wenn es nicht völlig abwegig war, lag es doch überhaupt nicht nahe, dass das Opfer nochmals selbst nachschaute, schliesslich hatte man bereits den ganzen Aufwand betrieben, damit der Kollege G.___ das Fahrzeug auflädt. Der Beschuldigte musste daher nicht damit rechnen, dass das Opfer dort auf dem Parkplatz, als es bereits eindunkelte, Minuten bevor G.___ eintraf, doch noch selbst nachschauen wollte und sich dazu vorne unter das Auto – dessen Motor noch immer lief – legte, überdies noch ohne dem Beschuldigten dies in irgendeiner Form mitzuteilen. Vielmehr wäre das Opfer zu einer solchen Warnung verpflichtet gewesen, als er sich vor ein Auto mit laufendem Motor und offener Fahrertür legte.
Im Übrigen ist es lebensfremd, dass der Beschuldigte sich hätte dadurch beunruhigen lassen müssen, dass er seinen Stiefvater nirgends mehr sah, bevor er einstieg. Er hatte ihn nach Verlassen des Autos noch rechts vom Fahrzeug gesehen. Wie im Berufungsurteil ausgeführt, wäre es durchaus plausibel gewesen, dass das Opfer sich weiter in Richtung der rechts vom Unfallfahrzeug stehenden Fahrzeuge und der Zufahrtsstrasse begeben hätte, um den dort heranfahrenden G.___ in Empfang nehmen zu können. Letztlich handelte es sich bei den drei Anwesenden auch um erwachsene Männer, die sich nicht jederzeit gegenseitig im Blick behalten müssen. Auch ansonsten gab es keinerlei Umstände – wie Kinder in der Nähe etc. –, die den Beschuldigten hätten veranlassen müssen, um das Auto herumzugehen, nachdem er es nur Momente zuvor dort abgestellt hatte. An dieser Stelle kann auf die Erwägungen im Berufungsurteil hingewiesen werden, wonach der Staatsanwalt vor der Vorinstanz selbst ausführte, es sei einzuräumen, dass vermutlich die wenigsten Fahrzeuglenker regelmässig um ihr Auto gingen anderweitige Vorkehrungen träfen, um auszuschliessen, dass sich ein Mensch am Boden liegend im toten Winkel vor dem Fahrzeug aufhalte, bevor sie geradeaus losführen. Dem ist vorbehaltlos zu folgen, zu derartigen Vorkehrungen ist kein Fahrzeuglenker aufgrund seiner Sorgfaltspflichten verpflichtet, wenn er nach dem Anhalten und kurzem Aussteigen sein Auto vorwärts bewegt, ohne jemanden vor dem Fahrzeug zu sehen. Der Beschuldigte musste folglich in keiner Weise davon ausgehen, dass sich die Situation vor seinem Fahrzeug verändert hatte, insbesondere dass sich sein Stiefvater vor das Auto gelegt hatte. Ihm ist diesbezüglich keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen.
2.3 Die einzige Pflichtverletzung des Beschuldigten bestand darin, dass er den Motor nicht ausschaltete, als er den Wagen verliess (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 VRV). Diese Norm umschreibt jedoch die Sicherungspflicht des Fahrzeugführers, der sein Fahrzeug vor dem Verlassen angemessen zu sichern hat (Art. 37 Abs. 3 SVG). Die Sicherungspflicht hat jedoch den Zweck, Fahrzeuge einerseits gegen das Wegrollen und andererseits gegen die Verwendung bzw. Entwendung durch Unbefugte zu sichern (Weissenberger Philippe, in: Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 37 N 40). Ihr Schutzzweck beinhaltet nicht zu verhindern, dass sich andere Personen vor das Fahrzeug legen. Zudem wurde E.___ auch nicht vom ungesicherten Fahrzeug überrollt. Es ist somit nicht das Risiko der mangelnden Fahrzeugsicherung, das sich realisierte und adäquat kausal den Tod des Opfers verursachte. Diese Pflichtverletzung des Beschuldigten vermag daher keine Fahrlässigkeit zu begründen.
2.4 Im Ergebnis ist der Beschuldigte somit vom Vorhalt der fahrlässigen Tötung freizusprechen.
V. Strafzumessung
In Anbetracht des – erneuten – Freispruchs vom Vorhalt der fahrlässigen Tötung kann betreffend die Strafzumessung vollumfänglich auf die Ausführungen der Vorinstanz sowie im Urteil vom 21. April 2021 verwiesen werden. Für die bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche wegen mehrfacher Gewaltdarstellung und grober Verletzung der Verkehrsregeln ist der Beschuldigte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 110.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren, und einer Busse von CHF 1'100.00, ersatzweise zu 10 Tagen Freiheitsstrafe, zu verurteilen. Die Untersuchungshaft von 36 Tagen ist dabei anzurechnen, womit die Busse vollumfänglich getilgt ist und eine Geldstrafe von vier Tagessätzen zu je CHF 110.00, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren, verbleibt.
VI. Zivilforderungen
1.1 Das Gericht entscheidet gemäss Art. 126 Abs. 1 StPO über anhängig gemachte Zivilklagen, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht (lit. a) freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist (lit. b). Nach Abs. 2 wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, wenn das Strafverfahren eingestellt im Strafbefehlsverfahren erledigt wird (lit. a); die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet beziffert hat (lit. b); die Privatklägerschaft die Sicherheit für die Ansprüche der beschuldigten Person nicht leistet (lit. c); die beschuldigte Person freigesprochen wird, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist (lit. d). Nach Abs. 3 kann das Gericht die Zivilklage nur dem Grundsatze nach entscheiden und sie im Übrigen auf den Zivilweg verweisen, wenn die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwendig wäre. Ansprüche von geringer Höhe beurteilt das Gericht nach Möglichkeit selbst.
1.2 Der Beschuldigte wird freigesprochen. Allerdings ist der Sachverhalt aufgrund einer allfälligen verkehrsrechtlichen Haftung nicht spruchreif. Deshalb sind die von den Privatklägern geltend gemachten Zivilforderungen auf den Zivilweg zu verweisen.
IV. Kosten und Entschädigungen
1. Erstinstanzliches Verfahren
1.1 Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid zu bestätigen.
2. Berufungsverfahren
2.1 Auch der Kostenentscheid des Berufungsverfahrens (Urteil vom 21. April 2021) ist aufgrund des erneuten Freispruchs vorliegend zu bestätigen und es kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.
2.2 Ebenfalls zu bestätigen sind die darin gesprochenen Entschädigungen, wobei betreffend den amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Alexander Kunz, auf das diesbezügliche Urteil des Bundesstrafgerichts vom 27. Oktober 2022 (BB.2021.146) zu verweisen ist. Seine Entschädigung beträgt damit für das Berufungsverfahren total CHF 8'397.50 (inkl. Auslagen und MwSt.). Wie sämtliche Entschädigungen im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren wurde sie bereits vollumfänglich ausbezahlt und es besteht kein Rück- Nachzahlungsanspruch. Im Übrigen kann vollumfänglich auf die Ausführungen im Berufungsurteil verwiesen werden.
3. Neubeurteilungsverfahren
3.1 Bei diesem Verfahrensausgang gehen auch die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens zu Lasten des Staates.
3.2 Rechtsanwalt Stephan Schlegel, der unentgeltliche Rechtsbeistand der Privatkläger B.___ und A.___ und der Privatklägerin C.___, macht für das Neubeurteilungsverfahren einen Aufwand von insgesamt 14.42 Stunden geltend. Darin enthalten ist bereits der Aufwand für die Verhandlung, der mit 3 Stunden eine Viertelstunde zu hoch veranschlagt wurde. Dies ist entsprechend zu kürzen, ansonsten ist der Aufwand angemessen. Im Übrigen ist Rechtsanwalt Schlegel für sämtliche Aufwände ab dem 1. Januar 2023 ein Stundenansatz von CHF 190.00 zu vergüten (gemäss Beschluss der Gerichtsverwaltungskommission vom 19. Dezember 2022 [BVB.2022.111, einsehbar unter https://so.ch/gerichte/gerichtsverwaltung/reglemente/] beträgt der Stundenansatz für die Bestimmung der Entschädigung der amtlichen Verteidiger und unentgeltlichen Rechtsbeistände sowie für die Ausfallhaftung des Staates ab 1. Januar 2023 CHF 190.00 statt bisher CHF 180.00 [§ 158 Abs. 3 Gebührentarif]). Damit beträgt die Entschädigung von Rechtsanwalt Schlegel inkl. der geltend gemachten Auslagen von CHF 354.00 und Mehrwertsteuer insgesamt CHF 3'277.30.
3.3 Für das Neubeurteilungsverfahren macht Rechtsanwalt Alexander Kunz, als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten einen Aufwand von insgesamt 22.75 Stunden geltend. Dies erscheint gerade noch angemessen. Nicht enthalten sind der Aufwand für den Augenschein und die Verhandlung. Dafür sind ihm zusätzlich 3.75 Stunden (eine Stunde Augenschein und 2.75 Stunden Verhandlung) dazuzurechnen. Mit den Auslagen von CHF 34.00 und der Mehrwertsteuer beträgt die Entschädigung damit CHF 5'440.45.
3.4 Der Staat hat die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens und die Entschädigung des Freigesprochenen zu tragen. Somit besteht auch hier kein Rückforderungs- und Nachforderungsanspruch.
Demnach wird in Anwendung von Art. 34, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 51, Art. 103, Art. 106 Abs. 2 StGB; Art. 135 Abs. 1bis und 2 aStGB; Art. 90 Abs. 2 SVG; Art. 126 Abs. 2 lit. d, Art. 135, Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 4 lit. a, Art. 379 ff., Art. 398 ff. und Art. 416 ff. StPO; beschlossen und erkannt:
2. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 27. und 28. Februar 2020 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) hat sich D.___ wie folgt schuldig gemacht: a) der mehrfachen Gewaltdarstellungen, begangen in der Zeit vom 23. Dezember 2012 bis am 13. September 2013, b) der groben Verletzung der Verkehrsregeln, begangen am 29. Oktober 2016.
3. Der Beschuldigte D.___ wird verurteilt zu: a) einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 110.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren, b) einer Busse von CHF 1'100.00, ersatzweise zu 10 Tagen Freiheitsstrafe.
4. Die vom 13. September 2013 bis 18. Oktober 2013 erstandene Untersuchungshaft von 36 Tagen ist zunächst an die Busse gemäss Ziffer 3b) hiervor und anschliessend an die unter Ziffer 3a) aufgeführte Geldstrafe anzurechnen.
5. Es wird festgestellt, dass die Busse gemäss Ziffer 3b) hiervor vollumfänglich getilgt ist. Es verbleibt eine Geldstrafe von vier Tagessätzen zu je CHF 110.00, mit einem bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren.
6. Es wird eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt.
7. Weiter wird festgestellt, dass der sichergestellte Personenwagen [Marke] (vormals aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate), gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils aufgrund des Verzichts der Halterin K.___ vernichtet wurde.
8. Es wird zudem festgestellt, dass das bei D.___ sichergestellte iPhone 5 (vormals aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Asservate) gemäss rechtskräftiger Ziffer 6 des erstinstanzlichen Urteils eingezogen und vernichtet wurde.
9. Die Zivilforderungen der Privatkläger B.___ und A.___ sowie C.___ werden auf den Zivilweg verwiesen.
10. Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils wurde die Entschädigung des ehemaligen unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 28'452.70 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Sie wurde durch die Zentrale Gerichtskasse bereits ausbezahlt. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
11. Die Entschädigung des ehemaligen unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker, wurde für das Berufungsverfahren mit Urteil vom 21. April 2021 auf CHF 2'794.50 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und durch die Zentrale Gerichtskasse bereits ausbezahlt. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
12. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Stephan Schlegel, wurde für das Berufungsverfahren mit Urteil vom 21. April 2021 auf CHF 9'770.00 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und durch die Zentrale Gerichtskasse bereits ausbezahlt. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
13. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Privatkläger B.___ und A.___, Rechtsanwalt Stephan Schlegel, wird für das Neubeurteilungsverfahren auf CHF 3'277.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
14. Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils wurde die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 43'350.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Sie wurde durch die Zentrale Gerichtskasse bereits ausbezahlt. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
15. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, wurde für das Berufungsverfahren auf CHF 8'397.50 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Sie wurde durch die Zentrale Gerichtskasse bereits ausbezahlt. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
16. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten D.___, Rechtsanwalt Alexander Kunz, wird für das Neubeurteilungsverfahren auf CHF 5'440.45 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen. Es besteht keine Rück- Nachzahlungspflicht.
17. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von total CHF 87'230.00 (mit einer Urteilsgebühr von CHF 14'400.00) und die Kosten des Berufungsverfahrens von total CHF 12'100.00 (mit einer Urteilsgebühr von CHF 12'000.00) gehen zu Lasten des Staates.
18. Die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens gehen ebenfalls zu Lasten des Staates.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Werner Schmid |
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