Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.76: Verwaltungsgericht
Das Strafverfahren vor dem Obergericht am 13. Juli 2023 behandelte den Beschuldigten A.___ wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Der Richter verurteilte den Beschuldigten zu einer Geldstrafe, Haft und einer Ersatzforderung. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Beschuldigte legte Berufung ein und beantragte die Einstellung des Verfahrens sowie die Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung. Das Gericht wies die Anträge des Beschuldigten ab und bestätigte das Urteil.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.76 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 13.07.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Apos; Verfahren; Beschuldigten; Verfahrens; Geschäft; Geschäfts; Urteil; Staat; Recht; Konkurs; Verfahren; Verletzung; Privat; Bundesgericht; Geschäftsbesorgung; Beschleunigungsgebot; Einstellung; Solothurn; Beruf; Berufung; Privatbezüge; Ausland |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 267 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 32 BV ;Art. 391 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 423 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 442 StPO ;Art. 5 StPO ;Art. 70 StGB ;Art. 71 StGB ;Art. 725 OR ;Art. 731b OR ; |
Referenz BGE: | 100 IV 113; 105 IV 106; 115 IV 286; 117 IV 124; 117 IV 259; 118 IV 244; 120 IV 190; 120 Ia 36; 121 IV 104; 122 IV 279; 123 IV 17; 129 IV 124; 133 IV 158; 137 IV 118; 138 IV 214; 138 IV 248; 139 IV 282; 140 IV 150; 140 IV 172; 141 IV 104; 141 IV 220; 142 IV 346; 143 IV 373; 144 IV 1; 144 IV 285; 144 IV 362; 147 IV 479; 148 IV 124; |
Kommentar: | Donatsch, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2013 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.76 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 13.07.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.69 |
Titel: | ungetreue Geschäftsbesorgung (Bereicherungsabsicht) |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 13. Juli 2023 Es wirken mit: Präsident von Felten Oberrichter Marti Oberrichter Werner Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Anklägerin
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Beschuldigter und Berufungskläger
betreffend ungetreue Geschäftsbesorgung (Bereicherungsabsicht) Es erscheinen zur Berufungsverhandlung vor Obergericht vom 12. Juli 2023: 1. A.___ als Beschuldigter und Berufungskläger; 2. Rechtsanwalt Konrad Jeker als privater Verteidiger.
Zudem erscheint als Zuhörerin eine Gerichtsberichterstatterin der Solothurner Zeitung. Rechtsanwalt Konrad Jeker stellt und begründet im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers folgende Anträge (vgl. auch die abgegebenen Plädoyernotizen, Aktenseiten Berufungsverfahren [ASB] 57 ff.): « 1. Das Verfahren gegen A.___ sei einzustellen. Eventualiter: A.___ sei vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Anklageschrift vom 1. September 2021 freizusprechen. 2. Auf die beantragte Festlegung einer Ersatzforderung sei zu verzichten. 3. Die beschlagnahmten Uhren seien meinem Mandanten zurückzugeben. 4. Mein Mandant sei für die ausgestandene Untersuchungshaft zu entschädigen mit CHF 34'200.00 zuzüglich 5 % Zins seit 31. August 2011 (mittlerer Verfall). 5. A.___ seien die Aufwendungen der Verteidigung gemäss Kostennote zum vereinbarten Stundenansatz von CHF 300.00 zu ersetzen. 6. Die Kosten des Verfahrens seien der Staatskasse aufzuerlegen.»
Im Weiteren wird auf das separate Verhandlungsprotokoll (ASB 46 ff.) verwiesen. Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Zwischen dem 6. April 2011 und dem 8. Juni 2011 gingen bei der Polizei Kanton Solothurn und der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn insgesamt vier Anzeigen ein, worunter zwei von einem ehemaligen Mitarbeiter anonym («(…)») abgefasst waren. Eine Anzeige erfolgte durch B.___ und eine durch die C.___ AG (beide gehörten zur «X.___-Gruppe», Register 2.1 Akten Seiten 001 ff., nachfolgend: 2.1/001 ff.). In diesen Anzeigen wurden zusammengefasst die beiden Mitglieder des Verwaltungsrates, A.___ (nachfolgend: der Beschuldigte) und – teilweise – D.___, beschuldigt, die E.___ AG finanziell ausgehöhlt und trotz erheblichen Zahlungsrückständen und Zahlungsunfähigkeit den Konkurs nicht angemeldet zu haben. Den mehreren Dutzend, mehrheitlich in [Ausland] tätigen Mitarbeitenden werde seit Dezember 2010 der Lohn nicht mehr ausbezahlt. Insbesondere hätten beide Angezeigten mindestens im Jahr 2010 mit den Firmenkreditkarten diverse Bargeldbezüge getätigt und private Einkäufe und Ferienreisen bezahlt, ohne dass dies entsprechend in den Geschäftsbüchern der Firma ausgewiesen worden sei. Ausserdem seien wohl Gelder an der Konkursmasse vorbeigeschleust worden, da am 24. März 2011 die neue Firma F.___ AG gegründet worden sei, welche dieselbe Adresse und denselben Firmenzweck aufweise wie die E.___ AG und bei welcher die Sekretärin der E.___ AG, G.___, als einziges Mitglied des Verwaltungsrats eingetragen worden sei. Da G.___ aufgrund eigener Insolvenz in [Ausland] nicht über die erforderlichen Mittel zur Bezahlung des Stammkapitals von CHF 100'000.00 verfüge, liege die Vermutung nahe, dass die Gelder aus der Firma E.___ AG stammten und so der Konkursmasse entzogen worden seien. Beigelegt war u.a. ein Auszug aus dem Betreibungsregister, welcher zwischen dem 8. Februar und dem 4. April 2011 Betreibungen gegen die E.___ AG im Umfang von CHF 558'378.33 auswies (2.1.2/013). Weiter wurde den Angezeigten Zessionsbetrug im Umfang von CHF 176'182.80 zum Nachteil der C.___ AG vorgehalten (abgetretene Forderung der E.___ AG gegenüber der H.___ AG, 2.1.3/001 ff.).
2. Am 21. April 2011 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten (Verwaltungsratspräsident der E.___ AG) und D.___ (Mitglied des Verwaltungsrats der E.___ AG) wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht (12.1.1./001). Gegen den Beschuldigten wurde die Strafuntersuchung in der Folge mehrmals ergänzt (Vergehen gegen das BG über die Betäubungsmittel, betrügerischer Konkurs, Misswirtschaft, Unterlassen der Buchführung, Widerhandlung gegen das SVG). Weiter wurden auch gegen G.___, I.___, J.___ (allesamt Mitarbeitende der E.___ AG) und K.___ (ehemaliger Vizepräsident des Verwaltungsrats und Buchhalter der E.___ AG) Strafuntersuchungen eröffnet (vgl. zum Ganzen 12.1.1./001 ff.).
Die nachfolgenden ersten Ermittlungen durch den Wirtschaftsdeliktedienst (WID) der Polizei Kanton Solothurn wurden unter dem Aktionsnamen «SAAR» geführt (vgl. Bericht des WID vom 9.8.2012, 1.2.3/038 ff.).
3. Am 3. Mai 2011 erklärt L.___ (ehemaliger Verwaltungsrat der E.___ AG), sich als Zivil- und Strafkläger am Strafverfahren gegen den Beschuldigten und D.___ zu beteiligen. Dabei machte er namentlich für von ihm geleistete Vorschüsse an Mitarbeitende Schadenersatz in der Höhe von CHF 246'000.00 geltend (9.1.1/001).
4. Mit Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 27. Mai 2011 wurde die E.___ AG wegen Mängeln in der Organisation der Gesellschaft aufgelöst und die Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet (12.6.7/003 f.).
5. Am 7. Juni 2011 wurde u.a. an der [Adresse] und [Adresse] in [Ort 1] – den Wohn- und Geschäftsräumen des Beschuldigten, respektive der E.___ AG und der neuen F.___ AG – eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Rechtsanwalt Rudolf Montanari, Solothurn, wurde als notwendiger Verteidiger des Beschuldigten aufgeboten und nahm als solcher an der Hausdurchsuchung teil. Nebst der Sicherstellung diverser Unterlagen konnte auch eine Hanf-Indoor-Anlage festgestellt werden (12.2.1/001 ff. und 2.1.5/001 ff.). Nach den vorliegenden Aussagen wurde die Anlage erstellt zwecks Verbesserung der Liquidität der E.___ AG. Im Anschluss an die Hausdurchsuchung wurde der Beschuldigte verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt. Am 25. November 2011 wurde er aus der Untersuchungshaft wieder entlassen.
6. Mittels Verfügungen vom 22. Februar 2012 wurden die Verfahren gegen D.___ und gegen G.___ eingestellt (1.5.1/001 ff. und 1.5.2/001 ff.).
Die Verfahren gegen J.___, I.___ und K.___ wurden mittels Strafbefehlen vom 24. Februar 2012 (J.___ und I.___) respektive mittels Strafbefehl vom 19. März 2012 (K.___) beendet:
- J.___: Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 70.00 und Busse von CHF 800.00 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Hanf-Indoor-Anlage, 1.5.3/001 ff.);
- I.___: Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je CHF 90.00 und Busse von CHF 2'700.00 wegen Geldwäscherei und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Verwahrung von CHF 38’500.00 für den Beschuldigten und Hanf-Indoor-Anlage, 1.5.4/001 ff.);
- K.___: Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je CHF 110.00 und Busse von CHF 3'300.00 wegen Misswirtschaft zwischen Januar 2010 und 7. Februar 2011 und Unterlassung der Buchführung zwischen August 2010 und 7. Februar 2011, jeweils betreffend die E.___ AG (1.5.5/001 ff.).
7. Am 27. März 2012 beantragte Rechtsanwalt Montanari die rückwirkende Einsetzung als amtlicher Verteidiger ab 7. Juni 2011 (12.6.6/017). Daraufhin wurde mit Feststellungsverfügung vom 28. März 2012 die Einsetzung von Rechtsanwalt Montanari als amtlicher Verteidiger per 7. Juni 2011 festgestellt (12.1.2/018).
8. Mit Verfügung vom 10. April 2012 wurden die anlässlich der Hausdurchsuchung vom 7. Juni 2011 in [Ort 1] beim Beschuldigten sichergestellten Uhren der Marke Rolex, Model Oyster Perpetual, und Breitling, Chronograph, zur Sicherstellung der Verfahrenskosten, allfälliger Geldstrafen und Bussen sowie im Hinblick auf die Durchsetzung einer Ersatzforderung beschlagnahmt (12.1.2/019 f.).
9. Mit Verfügung vom 5. November 2012 wurde die Gerichtskasse gebeten, dem amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Montanari, für dessen bisherige Tätigkeit vom 7. Juni 2011 bis 30. Oktober 2012 eine erste Akontozahlung in der Höhe von CHF 30'941.80 zu leisten (12.1.2/022 und 12.7/031).
10. Am 31. Mai 2013 meldete sich der Beschuldigte bei seiner damaligen Wohngemeinde [Ort 2] nach [Ort 3], [Ausland], ohne konkrete Adressangabe, ab (Aktennotiz vom 12.12.2018: 1.6.2./022).
11. Mit Schreiben vom 29. August 2017 teilte Rechtsanwalt Montanari mit, das Mandat als amtlicher Verteidiger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterführen zu können (12.6.6/037). Gemäss Verteiler ging eine Kopie des Schreibens an den Beschuldigten. Eine Adresse desselben wurde nicht aufgeführt. Ein neuer amtlicher Verteidiger wurde dem Beschuldigten in der Folge nicht bestellt.
12. Am 12. Dezember 2018 wurde der Beschuldigte zur Aufenthaltsnachforschung ausgeschrieben (1.6.2/023) und mit Verfügung vom 13. Dezember 2018 wurde die Untersuchung gegen den Beschuldigten sistiert: Der Beschuldigte habe sich auf den 31. Mai 2013 bei der Einwohnerkontrolle der Gemeinde [Ort 2] abgemeldet und vermerken lassen, dass er nach [Ort 3], [Ausland], wegziehen werde. Weitere Informationen über seinen Aufenthaltsort seien nicht bekannt. Aus diesem Grund und weil alle notwendigen Beweise gesichert seien, erscheine es als angebracht, die Untersuchung zu sistieren, bis der Aufenthalt des Beschuldigten bekannt werde (12.1.1/016).
13. Mit Eingabe vom 18. November 2020 teilte Rechtsanwalt Konrad Jeker, Solothurn, mit, vom Beschuldigten im noch laufenden Verfahren mit dessen Interessenwahrung beauftragt worden zu sein. Gleichzeitig bat er um Rückgabe der beschlagnahmten Uhren (12.6.8/009). Auf anschliessende telefonische Nachfrage der Staatsanwaltschaft gab Rechtsanwalt Jeker mit Eingabe vom 24. November 2020 die Adresse des Beschuldigten in [Ort im Ausland] bekannt (12.6.8/014 f.). Daraufhin wurde die Sistierung mit Verfügung vom 25. November 2020 aufgehoben und das Verfahren wieder an die Hand genommen (12.1.1/018). Gleichentags erfolgte die Revokation der Ausschreibung zur Aufenthaltsnachforschung (1.6.2/023).
14. Mit Eingabe vom 1. März 2021 bat Rechtsanwalt Jeker um Einsetzung als amtlicher Verteidiger (12.6.8/028 f.). Mit Verfügung vom 16. April 2021 wurde das Gesuch wegen nunmehr fehlenden Grundes für eine notwendige Verteidigung abgewiesen (12.1.2/023).
15. Mit Teil-Einstellungsverfügung vom 19. April 2021 wurde das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen betrügerischen Konkurses und Pfändungsbetrugs, Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführung, Vergehens gegen das BG über Betäubungsmittel sowie wegen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz eingestellt. Das Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht wurde weitergeführt. Der Kostenentscheid wurde in den Endentscheid verlegt (1.5.6/003 ff.).
16. Mit Datum vom 1. September 2021 erhob der zuständige Staatsanwalt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht Anklage beim Richteramt Thal-Gäu (1.5.6/007 ff.).
17. Am 15. Juli 2022 fällte der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu folgendes Strafurteil:
« 1. A.___ hat sich der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung, begangen ab dem 1. Oktober 2010 bis zum 5. Mai 2011, schuldig gemacht. 2. Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist. 3. A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 160.00, unter Gewährung des bedingten Vollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren. 4. A.___ werden 171 Tage Haft (vom 7. Juni 2011 bis 25. November 2011) an die Geldstrafe angerechnet, womit sich diese auf 9 Tagessätze zu je CHF 160.00 reduziert. 5. A.___ wird zur Bezahlung einer Ersatzforderung von CHF 252'000.00 verurteilt, zahlbar an den Staat Solothurn. 6. Folgende beschlagnahmten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Wirtschaftsdienst) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu verwerten und mit den Verfahrenskosten zu verrechnen: a) Uhr, Marke Rolex, Model Oyster Perpetual b) Uhr, Marke Breitling, Chronograph Über einen allfällig resultierenden Restbetrag bleibt die Beschlagnahme zur Durchsetzung der Ersatzforderung aufrechterhalten. 7. Die Entschädigung des ehemaligen amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rudolf Montanari, Solothurn, wird auf CHF 30'941.80 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben. Es wird festgestellt, dass die Zentrale Gerichtskasse dem amtlichen Verteidiger bereits die gesamte Entschädigung von CHF 30'941.80 überwiesen hat. 8. Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 9'000.00, hat A.___ zu bezahlen.»
18. Am 19. Juli 2022 liess der Beschuldigte die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil anmelden. Mit Berufungserklärung vom 31. August 2022 liess er beantragen, das Verfahren gegen ihn sei einzustellen, eventualiter sei er vom Vorhalt der ungetreuen Geschäftsbesorgung freizusprechen. Damit sei auf die Festlegung einer Ersatzforderung zu verzichten und die beschlagnahmten Uhren seien ihm zurückzugeben. Für die ausgestandene Untersuchungshaft von 171 Tagen sei er mit CHF 34'200.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 31. August 2011 zu entschädigen und es seien ihm die anwaltschaftlichen Aufwendungen gemäss Kostennote zum vereinbarten Stundenansatz von CHF 300.00 zu ersetzen. Schliesslich seien die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen. Auf Beweisanträge werde zurzeit verzichtet.
Mit Eingabe vom 8. September 2022 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Anschlussberufung und die weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.
19. Damit sind die Ziffern 2 (Feststellung der Verletzung des Beschleunigungsgebots) und 7 (teilweise: Höhe der Entschädigung an den vormaligen amtlichen Verteidiger) des erstinstanzlichen Urteils rechtskräftig.
20. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2022 wurden der Beschuldigte und sein privater Verteidiger auf den 30. Mai 2023 zur Hauptverhandlung vor das Berufungsgericht vorgeladen.
Auf Begehren des Beschuldigten wurde die Hauptverhandlung mit Verfügung vom 24. Mai 2023 auf den 12. Juli 2023 verschoben. Die mündliche Urteilseröffnung fand am 13. Juli 2023 statt (vgl. Verhandlungsprotokoll: ASB 48 f.).
II. Einstellungsantrag
1. Der Beschuldigte lässt aus vier Gründen die Einstellung des Strafverfahrens beantragen:
- wegen Verjährung (nachfolgende Ziffer 2); - wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots (Ziffer 3); - wegen Verletzung des Grundsatzes der Verfahrenseinheit (Ziffer 4); - wegen der Sperrwirkung des Grundsatzes «ne bis in idem» (Ziffer 5).
2. 2.1 Der Beschuldigte lässt die Einstellung des Verfahrens zufolge Verjährung beantragen. Für den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung habe die Verjährungsfrist zur Tatzeit sieben Jahre betragen, weshalb spätestens am 4. Mai 2018 die Verjährung eingetreten sei. Die Qualifikation mit der Folge einer Verjährung im Jahr 2026 sei eine unsubstantiierte Behauptung der Staatsanwaltschaft, um ihn nicht entschädigen zu müssen.
2.2 Das Vorbringen ist nicht nachvollziehbar: In der Anklage wird dem Beschuldigten vorgehalten, er habe Gelder für geschäftlich nicht begründete Zwecke zu Lasten des Vermögens der E.___ AG verwendet bzw. verwenden lassen. Damit habe er private Verbindlichkeiten gedeckt. Damit habe er in der Absicht gehandelt, sich selbst und andere unrechtmässig zu Lasten der E.___ AG zu bereichern. Was daran ungenügend substantiiert sein soll, ist unerfindlich und wird vom Beschuldigten nicht weiter dargelegt. Sollte sich die Bezeichnung «unsubstantiiert» auf die Beweislage beziehen, hätte dies nichts mit einer Einstellung des Verfahrens zu tun. Soweit damit ausgeführt werden soll, der Inhaber einer Ein-Mann-AG könne sich zu Lasten seiner AG gar nicht ungerechtfertigt bereichern, kann auf die dem widersprechende konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen werden, auf die weiter unten näher einzugehen ist. An dieser Stelle kann auf die Regeste des Bundesgerichts im BGE 141 IV 104 hingewiesen werden: «Die Aktiengesellschaft ist auch in der Form der Einpersonen-AG selbständige Vermögensträgerin, und ihr Vermögen ist nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes. Die Einpersonen-AG ist auch für den Alleinaktionär jemand anderer. Handlungen des Verwaltungsrats zum Nachteil der Einpersonen-AG können den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllen, auch wenn der Alleinaktionär darin einwilligt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).» Ein unzulässiger Privatbezug bzw. eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung zu Lasten der AG stellt damit eine ungerechtfertigte Bereicherung des Alleinaktionärs dar (ebenso schon BGE 117 IV 259). Dementsprechend kann der Alleinaktionär auch in der Absicht der ungerechtfertigten Bereicherung handeln.
Der Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung ist demnach abzuweisen.
3. 3.1 Weiter sei das Verfahren wegen krasser Verletzung des Beschleunigungsgebots einzustellen. Sieben Jahre nach der Haftentlassung Ende 2011 habe die Staatsanwaltschaft nichts mehr gemacht bis zur Sistierung Ende 2018. Das Ganze sei also sechs/sieben Jahre unbearbeitet geblieben. Das Verfahren sei unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_712/2018 vom 18. Dezember 2019 einzustellen. Im vorliegenden Fall sei als «ultima ratio» der Verletzung des Beschleunigungsgebots nur die Einstellung des Verfahrens möglich.
3.2.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss. Das Beschleunigungsgebot (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) gilt in sämtlichen Verfahrensstadien und verpflichtet die Strafbehörden, Verfahren voranzutreiben, um die beschuldigte Person nicht unnötig über die gegen sie erhobenen Vorwürfe im Ungewissen zu lassen. Ob die Pflicht zur beförderlichen Behandlung verletzt worden ist, entzieht sich starren Regeln und hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Kriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer sind etwa die Schwere des Tatvorwurfs, die Komplexität des Sachverhalts, die gebotenen Untersuchungshandlungen, die Schwierigkeit und Dringlichkeit der Sache, das Verhalten der Behörden und dasjenige der beschuldigten Person sowie die Zumutbarkeit für diese (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1; Urteile 6B_1168/2020 vom 11.10.2022 E. 2.4.2; 6B_684/2022 vom 31.8.2022 E. 5.1.1; 6B_217/2022 vom 15.8.2022 E. 3.2; je mit Hinweisen).
3.2.2 Wird eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes festgestellt, ist diesem Umstand angemessen Rechnung zu tragen. Als Sanktionen fallen in Betracht die Berücksichtigung der Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung, die Schuldigsprechung unter gleichzeitigem Strafverzicht in extremen Fällen – als «ultima ratio» – die Einstellung des Verfahrens (BGE 133 IV 158 E. 8 mit Hinweisen). Bei der Frage nach der sachgerechten Folge ist zu berücksichtigen, wie schwer die beschuldigte Person durch die Verfahrensverzögerung getroffen wurde, wie gravierend die ihr vorgeworfenen Taten sind und welche Strafe ausgesprochen werden müsste, wenn das Beschleunigungsgebot nicht verletzt worden wäre. Rechnung zu tragen ist auch den Interessen der Geschädigten und der Komplexität des Falls. Schliesslich ist in Betracht zu ziehen, wer die Verfahrensverzögerung zu vertreten hat. Erstrangige Folgen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots sind demnach die Strafreduktion und allenfalls der Verzicht auf Strafe. Eine Verfahrenseinstellung kommt nur in Extremfällen in Betracht, wenn die Verfahrensverzögerung dem Betroffenen einen Schaden von aussergewöhnlicher Schwere verursachte (BGE 117 IV 124 E. 4e S. 129 f.; BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170 mit Hinweis; BGE 143 IV 373 E. 1.4.1 f.). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Richter verpflichtet, die Verletzung des Beschleunigungsgebotes im Dispositiv seines Urteils ausdrücklich festzuhalten und gegebenenfalls darzulegen, in welchem Ausmass er diesen Umstand berücksichtigt hat (BGE 137 IV 118 E. 2.2; 136 I 274 E. 2.3; 130 I 312 E. 5.3; 130 IV 54 E. 3.3; 117 IV 124 E. 4d).
3.2.3 Die Verfahrenseinstellung als Folge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots kommt in der Praxis äusserst selten vor. Die Hürde liegt wie erwähnt hoch. Es sind in der Rechtsprechung kaum konkrete Fälle auszumachen. Noch lange vor dem Inkrafttreten der StPO hat sich das Bundesgericht in BGE 117 IV 124 ausführlich mit der Verfahrenseinstellung als möglicher Sanktion einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes auseinandergesetzt. Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
«Das Obergericht des Kantons Zürich sprach K. am 28. Juni 1989 des Betrugs, betrügerischen Konkurses, der fortgesetzten Urkundenfälschung und der fortgesetzten Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig und bestrafte ihn mit 15 Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren. Der Verurteilung liegen Ereignisse aus den Jahren 1976 bis 1978 zugrunde. Die Strafuntersuchung war im Juli 1977 eröffnet worden (die Anklageerhebung erfolgte im Dezember 1984; am 19. Februar 1986 wurde die Anklage zur Änderung und Ergänzung an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, worauf das Obergericht die Hauptverhandlung im April 1988 durchführte; das begründete Urteil wurde am 9. November 1989 zugestellt). Gegen den Entscheid des Obergerichtes führte K. kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hiess diese am 17. Dezember 1990 gut, hob das Urteil des Obergerichts auf und trat wegen der den Strafverfolgungsbehörden anzulastenden Verfahrensverzögerung auf die Anklage gegen K. nicht ein».
Das Bundesgericht hielt fest, nach Auffassung der Menschenrechtskommission sei ein Recht auf Verfahrenseinstellung aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht grundsätzlich auszuschliessen, doch komme es, wenn überhaupt, nur in ganz aussergewöhnlichen Fällen in Betracht. In Fällen, in denen das Ausmass der Verfahrensverzögerung besonders schwer wiege und in denen die Dauer des Verfahrens zudem mit besonderen Belastungen für den Beschuldigten (beispielsweise mit Untersuchungshaft von längerer Dauer) verbunden gewesen sei, könne aus einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes ein Verfahrenshindernis hergeleitet werden. Ein solches komme jedoch erst dann in Betracht, wenn in Anwendung und Auslegung des Straf- und Strafverfahrensrechts kein hinreichender Ausgleich für die Verletzung des Beschleunigungsgebotes gefunden werden könne. Die Verfahrenseinstellung komme daher nur als «ultima ratio» in Frage. Nur wenn dargelegt und begründet werde, weshalb der Verletzung des Beschleunigungsgebotes nicht auch auf dem Wege der Strafzumessung gegebenenfalls dadurch Rechnung getragen werden könne, dass der Betroffene zwar schuldig gesprochen, von Strafe aber Umgang genommen werde, dürfe von der Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung Gebrauch gemacht werden.
Bei der Frage nach der Sanktion einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes sei überdies folgenden Gesichtspunkten Rechnung zu tragen: Zu berücksichtigen sei einerseits, wie schwer der Beschuldigte durch die Verfahrensverzögerung getroffen worden sei, andererseits, wie gravierend die ihm vorgeworfenen Straftaten seien und welche Strafe ausgesprochen werden müsste, wenn keine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vorliegen würde. Nicht ausser Acht gelassen werden dürften auch die Interessen der Geschädigten, die gestützt auf eine rechtskräftige Verurteilung des Beschuldigten ihre Schadenersatzbegehren wesentlich leichter geltend machen könnten als ohne eine solche; die Geschädigten hätten aber ebenso wenig wie der Angeschuldigte zu vertreten, dass die Strafverfolgungsbehörden das Beschleunigungsgebot missachtet hätten. Gerade die neueren Bestrebungen, die Interessen des Opfers im Strafverfahren stärker zu berücksichtigen, seien ein Zeichen dafür, dass eine Verfahrenseinstellung ohne Verurteilung jedenfalls dann problematisch sei, wenn unerledigte Geschädigtenansprüche bestünden. Im konkreten Fall erachtete das Bundesgericht die Verfahrenseinstellung durch die Vorinstanz als bundesrechtswidrig. Die Vorinstanz habe nicht begründet, weshalb eine weniger weitgehende Sanktion im konkreten Fall zum Ausgleich der erlittenen Unbill nicht ausreiche. Ebenso gehe sie nicht darauf ein, ob und inwieweit Geschädigteninteressen auf dem Spiel stünden. Sie lege auch nicht über abstrakte Erwägungen hinausgehend dar, dass und inwieweit der Beschwerdegegner durch die Verfahrensverzögerung konkret betroffen worden sei. Die Vorinstanz gehe schliesslich nicht darauf ein, dass nach Auffassung des Obergerichts für die Straftaten des Beschwerdegegners an sich eine mehrjährige Zuchthausstrafe hätte ausgesprochen werden müssen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu prüfen erlaubten, ob im vorliegenden Fall eine Verfahrenseinstellung als Sanktion für die Verletzung des Beschleunigungsgebotes angezeigt gewesen sei.
In einem neueren, vom Beschuldigten zitierten Urteil vom 18. Dezember 2019 (6B_712/2018) stellte das Bundesgericht selbst ein Strafverfahren wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots ein. Dabei ging es um ein Strafverfahren gegen mehrere Beschuldigte wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und Geldwäscherei. A., von Beruf Treuhänder, wurde mit Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 29. Mai 2018 (im Rahmen eines zweiten Berufungsverfahrens nach zuvor erfolgter Rückweisung durch das Bundesgericht) wegen mehrfacher Geldwäscherei zu einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu CHF 100.00 sowie einer Busse von CHF 1'000.00 verurteilt. Das Strafverfahren dauerte ab Anzeigeerstattung bis zum zweiten Berufungsentscheid vom 29. Mai 2018 insgesamt mehr als 10 ½ Jahre. Das Bundesgericht erachtete das Beschleunigungsgebot sowohl bezüglich einzelner Verfahrensabschnitte als auch hinsichtlich der Gesamtverfahrensdauer als verletzt. Die Verjährungsfrist war um weit mehr als das 11/2-fache überschritten. Dies rechtfertige insbesondere unter Berücksichtigung der starken Betroffenheit des Beschuldigten vom Strafverfahren (in seiner beruflichen Tätigkeit als Treuhänder) und der tiefen Strafe, die noch in Betracht komme, die Verfahrenseinstellung als «ultima ratio».
Mit erheblichen Strafreduktionen wurden folgende Sachverhalte sanktioniert:
- Urteil des Bundesgerichts 6B_676/2011 vom 7. Februar 2012: Tatzeit April/Juni 1997, Obergerichtsurteil vom September 2011 (nach zwei Rückweisungen vom Bundesgericht): teilbedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen wegen qualifizierter Geldwäscherei. Nahe an absoluter Verjährung. Das Bundesgericht erachtete die Strafreduktion von 70 % wegen massiver Verletzung des Beschleunigungsgebots und langen Zeitablaufs als angemessen. Keine Verletzung von Gläubigerinteressen im Falle einer Einstellung und keine Verantwortung des Beschuldigten für das überlange Verfahren; Belastung des Beschwerdeführers – eingetragener Rechtsanwalt – durch die Verletzung des Beschleunigungsgebots wiege nicht besonders schwer.
- 6B_348/2013 vom 12. Juli 2013: Tatzeit Oktober 1999, Urteil des Appellationsgerichts vom Januar 2013: bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung. Sechs Jahre zwischen Anklageerhebung und erstinstanzlichem Urteil, nahe an absoluter Verjährung. Das Bundesgericht erachtete die Strafreduktion von 50 % als angemessen. Als IV-Rentner sei der Beschuldigte durch das Verfahren nicht in der beruflichen Weiterentwicklung behindert worden, er habe sich nach der Anklageerhebung jedoch nie erkundigt, wann die Hauptverhandlung stattfinden werde, es sei bei ihm von einer mittleren Belastung auszugehen.
- 6B_406/2022 und 6B_684/2022 vom 31. August 2022: Tatzeit 1998/1999, Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts (nach zweimaliger Rückweisung durch das Bundesgericht) Februar 2022: teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten und Geldstrafe von 308 Tagessätzen wegen Betrugs und qualifizierter Geldwäscherei. Das Bundesgericht reduzierte zufolge Verletzung des Beschleunigungsgebots die grundsätzlich angemessene Strafe um ca. 45 % auf 20 Monate Freiheitsstrafe und 174 Tagessätze Geldstrafe mit bedingtem Strafvollzug.
3.3.1 Vorliegend ergibt sich aus den Akten, namentlich aus dem Verfahrensjournal (1.4/001 ff., vgl. dazu auch die vorstehenden Ausführungen zur Prozessgeschichte unter Ziffer I.), Folgendes:
Am 25. November 2011 wurde der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen. Es folgten bis im August 2012 zahlreiche weitere Untersuchungshandlungen (Aktenbeizüge, Strafbefehle gegen andere Verfahrensbeteiligte, Verhandlungen über ein abgekürztes Verfahren etc.). Am 20. August 2012 ging der abschliessende Polizeibericht ein. In der Folge sind weitere Tätigkeiten zu verzeichnen (Kommunikation mit Konkursamt, Verteidiger, Gerichtskasse, Ausdehnungsverfügung SVG etc.), welche aber im Wesentlichen nicht der Fortführung der Strafuntersuchung dienten. Im Dezember 2018 erfolgte dann die Aufenthaltsnachforschung und die Sistierung zufolge unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten. Das Verfahren wurde danach im November 2020 nach Eingang des Schreibens von Rechtsanwalt Jeker (Rückforderung der beiden beschlagnahmten Uhren) wieder aufgenommen und in der Folge auch von allen Behörden mit Blick auf den grossen Aktenumfang und die Komplexität zügig weitergeführt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft gut sechs Jahre nicht weitergeführt wurde.
3.3.2 Dass das Beschleunigungsgebot von der Staatsanwaltschaft verletzt wurde, ist bereits rechtskräftig festgestellt. Zu prüfen ist die Frage der Sanktionierung dieser Verletzung. Die Verletzung, ein praktischer Stillstand des Verfahrens während rund sechs Jahren, wiegt schwer. Schuldangemessen wäre – wie zu zeigen sein wird – eine deutlich überjährige Freiheitsstrafe. Der Beschuldigte hat sich nicht um das Verfahren gekümmert und hat nie nach der Weiterführung nachgefragt. Während seiner Einvernahmen gab der Beschuldigte dann an, als freiberuflicher Programmierer arbeiten und damit zwischen CHF 15'000.00 bis CHF 20'000.00 pro Monat, es könne auch mehr sein, verdienen zu können. Im Oktober/November 2009 habe er sich selber verkauft und im [Ausland] innert 4 Wochen CHF 45'000.00 verdient (EV Beschuldigter vom 15.6.2011, 10.1.1/029). Als Programmierer würde er sofort Arbeit finden (Haftverhandlung vom 10.6.2011, 12.3.2/060). Wie sich aus den Akten weiter ergibt, hatte der Beschuldigte gemäss einer Aktennotiz vom 14. Mai 2012, mithin kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft vom 25. November 2011, bereits wieder einen neuen Job, für welchen er «ab kommender Woche» häufig im Ausland sein werde, insbesondere in [Ausland] (12.6.9/28). Gemäss einer weiteren Aktennotiz vom 22. Oktober 2012 habe der Beschuldigte ab Januar 2013 einen Job als Programmierer in [Ausland], wo er ein Jahr lang arbeiten könne (12.6.9/040). Demzufolge litt der Beschuldigte nicht unter einer Einschränkung seiner beruflichen Tätigkeit. Offenbar hatte er keine Mühe, sogleich wieder Arbeit zu finden, wie er dies zuvor denn auch selbst kundgetan hatte. Mit seinem Wegzug aus der Schweiz war sodann auch das hier gegen ihn als [ausländischen] Staatsangehörigen weiterlaufende Strafverfahren mit keinen weiteren nennenswerten Beeinträchtigungen für ihn verbunden, zumal er mit Ausnahme der E.___ AG und der angedachten Mitwirkung in der (Nachfolger-Gesellschaft) F.___ AG, deren Mantel er finanzierte (vgl. EV Beschuldigter vom 15.6.2011, 10.1.1/038), keinerlei Bezug zur Schweiz hatte. Dies hat der Beschuldigte schliesslich auch gar nicht geltend gemacht, auch nicht bei der Befragung vor dem Berufungsgericht. Dass das Strafverfahren ihn belastet hat, wie es sein Verteidiger vorbringt, ist anzunehmen, ist ein Strafverfahren doch grundsätzlich per se belastend. Die Belastung nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft dürfte sich nach dem zuvor Gesagten indes in engen Grenzen gehalten haben. Nicht zuletzt zeigt sich dies auch in der Kontaktaufnahme des Beschuldigten vom 18. November 2020, nachdem das Verfahren zuvor sistiert war. Demnach war der Beschuldigte offenbar vielmehr an der Herausgabe der beschlagnahmten Uhren interessiert, als dass das Verfahren nunmehr zügig vonstattengeht (vgl. 12.6.8/009). Nach der Weiterführung des Verfahrens hatte er sich nie erkundigt, er hatte daran gar kein Interesse, wie sein Verteidiger vor Amtsgericht ausführte: Als er – der Verteidiger – sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet habe, habe ihm der Beschuldigte gesagt, das sei wahrscheinlich keine gute Idee, sich zu melden, nachdem der Fall jahrelang liegen geblieben sei (Akten Richteramt Thal-Gäu [nachfolgend TG] AS 73). Zudem lebte er im Ausland und es ist weder geltend gemacht, noch sind Hinweise ersichtlich, dass er durch das laufende Strafverfahren in irgendeiner Weise beeinträchtigt war. Es war überdies nicht das erste Strafverfahren, das gegen ihn nach der Insolvenz eines von ihm geführten Unternehmenseröffnet und geführt wurde.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die von der Verteidigung geltend gemachte Verletzung des Beschleunigungsgebotes mit Blick auf die dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung eine Verfahrenseinstellung nicht rechtfertigt. Der diesbezügliche Antrag ist abzuweisen.
4. 4.1 Als weiteren Grund für eine Einstellung nennt der Beschuldigte eine grobe Verletzung des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens. Im gleichen Verfahren, welches gegen mehrere Beschuldigte geführt worden sei, habe es Einstellungen und Strafbefehle gegen Mitbeschuldigte gegeben, ohne dass diese vom gemeinsamen Verfahren abgetrennt worden wären, und ohne dass der Beschuldigte hierzu angehört worden wäre.
4.2 Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft Teilnahme vorliegt (Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO). Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte können aus sachlichen Gründen Strafverfahren trennen vereinen (Art. 30 StPO).
Art. 29 StPO statuiert den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Dieser bildet gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts schon seit Langem ein Wesensmerkmal des schweizerischen Strafprozessrechts. Er bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile und gewährleistet insofern das Gleichbehandlungs- und Fairnessgebot (Art. 8 BV; Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Überdies dient er der Prozessökonomie (Art. 5 Abs. 1 StPO). Eine Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Getrennte Verfahren sollen vor allem der Verfahrensbeschleunigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen. Als sachlicher Trennungsgrund gilt etwa die grosse Zahl von Mittätern, die länger dauernde Unerreichbarkeit einzelner mitbeschuldigter Personen die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten. Alle Beispiele beziehen sich auf Charakteristika des Verfahrens, des Täters der Tat, nicht aber auf organisatorische Aspekte auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden (BGE 138 IV 214 E. 3.2; Urteile 1B_92/2020 vom 4.9.2020 E. 4.2; 6B_1026/2017 vom 1.6.2018 E. 1.1; 1B_467/2016 vom 16.5.2017 E. 3.2). Dass die Strafbehörde gegen eine mehrere mitbeschuldigte Personen ein abgekürztes Verfahren (Art. 358 - 362 StPO) durchführen will, bildet in Fällen von Mittäterschaft und Teilnahme (Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO) für sich alleine noch keinen zulässigen Trennungsgrund. Bevor die Staatsanwaltschaft ein abgekürztes Verfahren abtrennt (Art. 359 Abs. 1 StPO), hat sie zu prüfen (und in der Trennungsverfügung gegebenenfalls zu begründen), ob und inwiefern eine Trennung nach Art. 30 StPO überhaupt zulässig ist (Urteil 1B_92/2020 vom 4.9.2020 E. 4.2 mit Hinweis).
Die Abtrennung des Verfahrens ist unter dem Gesichtswinkel des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) bei mutmasslichen Mittätern und Teilnehmern problematisch, wenn der Umfang und die Art der Beteiligung wechselseitig bestritten sind und damit die Gefahr besteht, dass der eine Mitbeschuldigte die Verantwortung dem andern zuweisen will. Belasten sich Mittäter und Teilnehmer gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, besteht bei getrennten Verfahren die Gefahr sich widersprechender Entscheide (Urteile 1B_92/2020 vom 4.9.2020 E. 4.2; 6B_135/2018 vom 22.3.2019 E. 1.2; je mit Hinweisen).
Die Verfahrenstrennung kann auch aus folgendem Grund problematisch sein: Da nach der Rechtsprechung bei Einvernahmen in separat geführten Verfahren kein Anspruch auf Teilnahme nach Art. 147 StPO besteht (BGE 141 IV 220 E. 4.5; 140 IV 172 E. 1.2.3), geht die getrennte Verfahrensführung mit einer massiven Beschränkung der Teilnahmerechte einher. Der separat Beschuldigte hat in den abgetrennten Verfahren zudem nicht denselben Anspruch auf Akteneinsicht wie eine Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO). Diese Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3). Durch eine Verfahrenstrennung geht dem Beschuldigten (bezogen auf Beweiserhebungen der anderen Verfahren) auch das Verwertungsverbot des Art. 147 Abs. 4 StPO verloren, weil er insoweit keine Verletzung seines Teilnahmerechts geltend machen kann. Angesichts dieser schwerwiegenden prozessualen Folgen ist an die Voraussetzungen einer Verfahrenstrennung ein strenger Massstab anzulegen (Urteile 1B_92/2020 vom 4.9.2020 E. 4.2; 6B_135/2018 vom 22.3.2019 E. 1.2; je mit Hinweisen; siehe zum Ganzen Urteil 6B_23/2021 vom 20.7.2021 E. 3.3).
4.3 Vorliegend wurde unter der Verfahrensnummer STA.2011.1523 ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten, gegen D.___, gegen G.___ und I.___, gegen J.___ sowie gegen K.___ geführt. Mit Ausnahme des Verfahrens gegen den Beschuldigten wurden die übrigen Verfahren mit Einstellungsverfügung Strafbefehl beendet. Eine formelle Verfahrenstrennung im Sinne von Art. 30 StPO wurde bezüglich den jeweiligen Einstellungsverfügungen respektive Strafbefehlen keine vorgenommen, wie es der Beschuldigte richtig ausführt. Ob es sich bei der Beendigung des Verfahrens gegen die Mitbeschuldigten (Einstellung, Strafbefehl) überhaupt um eine «Verfahrenstrennung» im Sinne des Gesetzes handelt, kann offen gelassen werden (jedenfalls wurde kein neues Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten eröffnet und geführt). Soweit der Beschuldigte aus diesen Umständen etwas zu seinen Gunsten ableiten will, ist ihm jedenfalls nicht zu folgen. In Bezug auf die Einstellungsverfügungen im Strafverfahren gegen D.___ und G.___ – notabene die einzigen Mitbeschuldigten, denen wie dem Beschuldigten ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen wurde, wobei es bei G.___ erst noch um die F.___ AG und nicht um die E.___ AG ging (vgl. Einstellungsverfügung, 1.5.2/001 ff.) – wurde dem Beschuldigten respektive seinem damaligen amtlichen Verteidiger nicht nur der Abschluss der Untersuchung angezeigt (inkl. Anzeige der beabsichtigten Einstellung, vgl. 12.1.1/014 respektive 12.1.1/013), sondern auch die jeweilige Einstellungsverfügung zugesandt, auch wenn dies «nur» zur Kenntnisnahme erfolgte (vgl. 1.5.1/001 ff. respektive 1.5.2/001 ff.). Dem damaligen amtlichen Verteidiger wäre es mithin offen gestanden, gegen die Einstellungen zu opponieren, falls er damit nicht einverstanden gewesen wäre. Dies hat er unterlassen. Entsprechend kann der Beschuldigte aus diesem Vorgehen nichts zu seinen Gunsten ableiten. Bezüglich des Strafbefehls gegen J.___ ist sodann festzuhalten, dass das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen Vergehen gegen das BG über Betäubungsmittel, welches als einziges einen Zusammenhang zu J.___ aufweist, mit Teil-Einstellungsverfügung eingestellt worden ist. Inwiefern diesbezüglich dem Beschuldigten daher aus der vorliegenden Verfahrensführung ein Nachteil erwachsen sein soll, ist nicht ersichtlich. Was im Weiteren den Strafbefehl gegen K.___ anbelangt, so enthält dieser Verurteilungen wegen Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung. Das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung wurde derweil eingestellt, da es mangels Konkurs der E.___ an einer objektiven Strafbarkeitsbedingung für diese Konkursdelikte gefehlt habe (vgl. 1.5.6/003 ff.). Entsprechend hätte auch bei K.___ das Verfahren wegen Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung eingestellt werden müssen. Demzufolge kann auch hier aus der Verfahrensführung kein Nachteil für den Beschuldigten erkannt werden. Es verbleibt schliesslich noch der Strafbefehl gegen I.___ wegen Geldwäscherei und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Bezüglich der Betäubungsmitteldelinquenz kann dabei auf das zuvor Gesagte verwiesen werden. Das entsprechende Verfahren gegen den Beschuldigten wurde eingestellt. Ein diesbezüglicher Nachteil für den Beschuldigten aus der Verfahrensführung ist nicht ersichtlich. Soweit schliesslich die Geldwäscherei betroffen ist, handelt es sich um einen Vorfall, welcher dem Beschuldigten sozusagen gegengleich als ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen wird (konkret Aufbewahrung der vom Beschuldigten abgehobenen EUR 38'500.00). Auch wenn hier formell betrachtet keine (allfällige) Abtrennung vorgenommen wurde, hätten hier sachliche Gründe für eben eine solche Trennung vorgelegen. So waren zum Zeitpunkt des Strafbefehls vom 24. Februar 2012 sämtliche Einvernahmen durchgeführt, darunter auch eine Konfrontationseinvernahme mit I.___. Die Gefahr, dass dem Beschuldigten durch eine Abtrennung mithin Teilnahme- und Konfrontationsrechte verlustig gegangen wären, bestand somit nicht. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Akteneinsicht. Angesichts der auch überaus deutlichen Beweislage bezüglich des vorgehaltenen Vorwurfs, was nachfolgend zu zeigen sein wird (siehe Ziff. III.), bestand und besteht keine Unklarheit, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, womit auch keine sich widersprechenden Entscheide drohten und drohen. Schliesslich wurde das Verfahren auch gegen insgesamt sechs Mitbeschuldigte geführt, wobei mit Ausnahme des Beschuldigten – dem im Gesamtgeflecht eine überragende Stellung zukam – alle anderen doch deutlich «kleinere Fische» waren, mithin auch aus prozessökonomischen Gründen eine Abtrennung gerechtfertigt gewesen wäre. Da nach dem Gesagten eine (allfällige) Verfahrenstrennung nach Art. 30 StPO sich auf sachliche Gründe hätte stützen können, wenn sie denn angeordnet worden wäre, und dem Beschuldigten in einem formell abgetrennten Verfahren gegen I.___ keine Parteistellung zugekommen wäre und er folglich einen Strafbefehl auch nicht hätte anfechten können, kann der Beschuldigte aus dem Umstand, dass formell keine Abtrennung angeordnet worden ist und ihm auch keine Parteirechte in Bezug auf den Strafbefehl gegen I.___ eingeräumt worden sind, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dass Gründe für eine Abtretung vorhanden gewesen wären, bestreitet selbst der Beschuldigte nicht. Auch macht er gar nicht geltend, eine formelle Abtrennung gegen irgendeinen der Mitbeschuldigten angefochten zu haben, wenn denn eine solche angeordnet worden wäre (wobei die Verteidigungsstrategie eines Beschuldigten aber ohnehin nicht dazu führen darf, dass ein entscheidungsreifes Verfahren gegen Mitbeschuldigte wesentlich verzögert wird [1B_200/2013 E. 1.5.3; 1B_684/2011 E. 3.2], was vorliegend bei einer Anfechtung einer formellen Abtrennung der Fall gewesen wäre). Der Beschuldigte scheint sich denn auch vielmehr am Umstand zu stören, alleine vor Schranken zu sitzen, als an den Verfahrenserledigungen seiner Mitbeschuldigten. Dieser Umstand ist indes seiner dominanten Rolle in der E.___ AG geschuldet, und es ist auch nicht erkennbar, weshalb mit dem Beschuldigten als einzigem Vorgeladenen «das Gericht nicht in der Lage sein sollte, sich den Sachverhalt, welcher der Anklage zugrunde liegt, in seiner ganzen Komplexität richtig vorstellen zu können». Auch unter diesem Gesichtspunkt hat keine Verfahrenseinstellung zu erfolgen.
5. 5.1 Vor dem Berufungsgericht liess der Beschuldigte zusätzlich vortragen, mit der Teileinstellungsverfügung habe die Staatsanwaltschaft alles eingestellt, was sie fast ein halbes Jahr später dann noch zur Anklage gebracht habe. Diese Teil-Einstellungsverfügung sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unzulässig gewesen. Das mache sie aber nicht nichtig, führe aber dazu, dass der zur Anklage gebrachte Sachverhalt nicht mehr beurteilt werden könne. Diese Sperrwirkung habe das Bundesgericht in BGE 144 IV 362 E. 1.4 so festgestellt. Die Vorinstanz habe ja auf US 34 selbst zutreffend dargelegt, dass die dem Beschuldigten in der Anklage zur Last gelegten Handlungen mit Ausnahme des SVG-Delikts allesamt mit den eingestellten Verfahren in einem engen und direkten Zusammenhang stünden.
5.2 Mit Teil-Einstellungsverfügung vom 19. April 2021, Ziff. 1, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschuldigten u.a. wegen betrügerischen Konkurses, Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung ein (1.5.6/3 ff.). Begründung war das Fehlen der objektiven Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung. In Ziffer 2 derselben Verfügung wurde festgehalten, das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung bleibe bestehen. Die Anklageerhebung erfolgte am 1. September 2021 (1.5.6/7 ff.).
Eröffnet worden war die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten und D.___ wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Eröffnungsverfügung vom 21. April 2011 (12.1.1/1). Der Vorhalt wurde wie folgt festgehalten:
«Ungetreue Geschäftsbesorgung (mit Bereicherungsabsicht) gemäss Art. 158 Ziff. 2 StGB, begangen ab 24. März 2009 (Gründung der E.___ AG) in [Ort 1] und allenfalls anderswo, indem sie die E.___ AG unter Verletzung ihrer Pflichten am Vermögen geschädigt haben sollen, um sich selber Dritte damit zu bereichern».
Eine korrigierte Eröffnungsverfügung (Hinweis auf Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 anstelle von Art. 158 Ziff. 2 StGB) erfolgte am 1. Juni 2011 (12.1.1/2).
Am 29. Juni 2011 wurde die Strafuntersuchung auf die Vorhalte des betrügerischen Konkurses und der Misswirtschaft ausgedehnt (12.1.1/8). Die entsprechenden Vorhalte waren wie folgt umschrieben:
« Betrügerischer Konkurs (Art. 163 Ziff. 1 StGB), begangen am zwischen dem 5. Mai 2011 und dem 21. Juni 2011 in [Ort 4], [Ort 5] und [Ort 6], indem A.___ bei der [Bank 1] am 5. Mai 2011 ab dem Geschäftskonto lautend auf die E.___ AG eine Barabhebung von EUR 38'500.00 getätigt haben soll und diesen Betrag in das Schrankfach Nr. 3 der [Bank 2] in [Ort 1], welches durch I.___ gemietet worden war, beiseitegeschafft haben soll. Gegenüber dem Konkursamt soll er anlässlich der Konkurseinvernahme im Untersuchungsgefängnis in Solothurn diese Vermögenswerte verheimlicht haben.
Misswirtschaft (Art. 165 Ziff. 1 StGB), begangen zwischen dem 24. März 2009 (Gründung der E.___ AG) und dem 27. Mai 2011 (Urteil Richteramt Thal-Gäu betreffend Auflösung der E.___ AG) in [Ort 1] und anderswo, indem A.___ als Verwaltungsratspräsident und Alleinaktionär durch das Verschleudern von Vermögenswerten und arge Nachlässigkeit in der Vermögensverwaltung die Zahlungsunfähigkeit der E.___ AG herbeigeführt haben soll.»
5.3.1 In BGE 144 IV 362 bejahte das Bundesgericht die Sperrwirkung einer Teileinstellung hinsichtlich eines weitergeführten Strafverfahrens, soweit es sich lediglich um eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs handelt:
Das Bundesgericht führte dabei aus, dass die Staatanwaltschaft das Verfahren vollständig teilweise einstellen könne. Eine Teileinstellung komme nur in Betracht, wenn mehrere Lebensvorgänge Taten im prozessualen Sinn zu beurteilen seien, die einer separaten Erledigung zugänglich seien. Soweit es sich hingegen lediglich um eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs handle, scheide eine teilweise Verfahrenseinstellung aus. Wegen ein und derselben Tat im prozessualen Sinn könne nicht aus einem rechtlichen Gesichtspunkt verurteilt und aus einem anderen das Verfahren eingestellt werden. Tatidentität liege vor, wenn dem ersten und zweiten Strafverfahren identische im wesentlichen gleiche Tatsachen zu Grunde lägen (BGE 144 IV 362 E.1.3.1 und 1.3.2).
Im konkreten Fall waren die Vorhalte der Nötigung und der Drohung zu beurteilen; dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, er habe gegenüber A. gedroht, er werde B. und die Geschäftsleitung erschiessen, wenn er nicht von C. von jemandem von der Geschäftsleitung bis um 17:00 Uhr angerufen werde.
Die Staatsanwaltschaft stellte in der Folge die Strafuntersuchung wegen Drohung ein, da C. durch die Aussage des Beschuldigten nicht in Angst und Schrecken versetzt worden war. Da aber auch der Vorhalt der Nötigung auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhte – dem Gespräch des Beschuldigten mit A. – wurde dieser Lebenssachverhalt mit der Einstellungsverfügung wegen Drohung rechtkräftig eingestellt. Einer Verurteilung wegen Nötigung stand somit die Sperrwirkung des Grundsatzes «ne bis in idem» entgegen.
Ähnlich argumentierte das Bundesgericht in den Urteilen 6B_888/2019 vom 9. Dezember 2019 und 6B_56/2020 vom 16. Juni 2020.
5.3.2 Seither hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung mehrfach relativiert bzw. sich mit BGE 148 IV 124 davon distanziert:
6B_459/2020 mit folgendem Vorhalt: Der Beschwerdeführer habe die Geschädigte 1 unvermittelt angegriffen und in den Wald gezerrt. «Er setzte sich auf sie, packte ihren Kopf mit seinen Händen und versuchte, sich oral befriedigen zu lassen (…).» Das sei ihm zwar aufgrund ihrer Gegenwehr misslungen, aber er habe ihr den Mund zugehalten und sie gewürgt, sobald sie sich gewehrt und versucht habe zu schreien, und sie ins Gesicht geschlagen. Er habe sie während des gesamten 20 bis 30 Minuten langen Vorgangs gewürgt. Schliesslich habe er sie mit ihrem BH-Träger gedrosselt. Hinsichtlich der qualifizierten sexuellen Nötigung erfolgte ein Schuldspruch, hinsichtlich der Gefährdung des Lebens ein Freispruch. Gemäss Bundesgericht lägen zwei voneinander unterscheidbare Lebensvorgänge vor und nicht lediglich eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs. «Ne bis in idem» sei daher nicht verletzt.
6B_56/2020 mit folgendem Sachverhalt: Zwei Gruppen junger Männer hatten eine tätliche Auseinandersetzung. Bei der tätlichen Auseinandersetzung erlitt ein Teilnehmer eine Stichverletzung mit einem Messer, der er noch am Ort des Geschehens erlag. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen A wegen eventualvorsätzlicher Tötung ein. A wurde in der Folge wegen Angriffs verurteilt. Gemäss BGer lägen wiederum zwei voneinander unterscheidbare Lebensvorgänge und nicht lediglich eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebenssachverhalts vor. Keine Verletzung von «ne bis in idem».
Zwischenfazit: Wendet man diese Rechtsprechung an, so ist die Sachlage hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Euro 38'500.00, welche der Beschuldigte I.___ zum Aufbewahren übergab, klar: Es handelt sich um denselben Sachverhalt, bezüglich dessen das Strafverfahren wegen betrügerischen Konkurses eingestellt wurde. Die ungetreue Geschäftsbesorgung stellt lediglich eine andere rechtliche Würdigung dar, eine Verurteilung im vorliegenden Verfahren wäre zufolge der Sperrwirkung von «ne bis in idem» nicht möglich.
Weniger klar wäre es hinsichtlich der Misswirtschaft. Die Eröffnungsverfügung ist recht pauschal formuliert. Der Tatzeitraum ist jedoch hinsichtlich des Vorwurfs der Misswirtschaft weiter gefasst als beim letztlich angeklagten Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung (bei der Misswirtschaft wird der Zeitraum ab Gründung bis zum gerichtlichen Auflösungsentscheid genannt). Allerdings umfasste die Eröffnungsverfügung hinsichtlich der ungetreuen Geschäftsbesorgung auch noch den Tatzeitraum ab Gründung. Es ist eigentlich auch nicht ersichtlich, welche anderen Handlungen als die verdeckten Gewinnausschüttungen die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Misswirtschaft im Auge hatte. Man könnte hier aber wohl auch argumentieren, es handle sich um zwei voneinander unabhängige Lebenssachverhalte. Zwar wurde in beiden Fällen letztlich die Zahlungsunfähigkeit der Firma herbeigeführt resp. verschlimmert. Das Tätigen von verdeckten Gewinnausschüttungen ist jedoch nicht zwingend dieselbe Tathandlung wie das Verschleudern von Vermögenswerten und arge Nachlässigkeit in der Vermögensverwaltung. Zudem umfasst der Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung die Bereicherungsabsicht, was bei der Misswirtschaft nicht der Fall ist. Dass beide Vorhalte sich auf dasselbe übergeordnete Gesamtgeschehen beziehen, stellt gemäss neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichts noch keine Verletzung von «ne bis in idem» dar.
Nun ist das Bundesgericht im neuesten Leitentscheid (BGE 148 IV 124) aber noch einen Schritt weiter gegangen: In E. 2.6.6 hält es fest, von einer Verletzung von «ne bis in idem» könne jedenfalls dann nicht gesprochen werden, «wenn die Teileinstellungsverfügung auf die gleichzeitig erhobene bereits hängige Anklage bzw. den gleichzeitig erlassenen Strafbefehl Bezug nehme und folglich als solche deklariert» werde. Aus der Teileinstellung müsse hervorgehen, dass das Verfahren nicht als Ganzes, sondern lediglich bezüglich einzelner, nicht angeklagter, erschwerender Tatumstände betreffend etwa vom Opfer behauptete weitere Tathandlungen, zusätzliche Tatfolgen zusätzliche innere Tatsachen etc. eingestellt werde. Solche Teileinstellungen würden der Fixierung des Gegenstandes des gerichtlichen Verfahrens dienen. Unter Bezugnahme auf diesen Leitentscheid betonte das Bundesgericht in der Folge, der Grundsatz «ne bis in idem» müsse restriktiv («in modo restrittivo») ausgelegt werden (6B_94/2022 vom 11.10.2022 E.3.4; 6B_234/2022 vom 8.6.20223 E. 3.2, zur Publikation vorgesehen).
5.4 Vorliegend erfolgte die Anklageerhebung erst nach der Teileinstellung, womit es am vom Bundesgericht genannten Kriterium der Gleichzeitigkeit mangelt. Andererseits wird aus der Teileinstellungsverfügung aber klar, dass das Verfahren hinsichtlich ungetreuer Geschäftsbesorgung weitergeführt wird. Dieses Kriterium ist das entscheidende, zumal aus der Einstellungsverfügung ebenso klar wird, dass die Konkursdelikte nur wegen Fehlens der objektiven Strafbarkeitsbestimmung eingestellt werden. Eine Sperrwirkung des Grundsatzes «ne bis in idem» steht somit einer Verurteilung wegen der angeklagten Vorhalte nicht entgegen.
6. Zusammengefasst liegen keine Gründe für eine Einstellung des Verfahrens vor, der entsprechende Antrag des Beschuldigten ist mithin abzuweisen. Der Verletzung des Beschleunigungsgebots kann im Falle eines Schuldspruchs im Rahmen der Strafzumessung mit einer Strafreduktion genügend Rechnung getragen werden.
III. Sachverhalt
1. Vorhalt
Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift vom 1. September 2021 vorgehalten, sich ab dem 9. Januar 2010 bis zum 5. Mai 2011 der ungetreuen Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht schuldig gemacht zu haben, indem er abgesehen von seinem Lohn (monatlich CHF 5'000.00; Wohnen und Fahrzeug auf Geschäftskosten) Gelder der E.___ AG in der Höhe von total umgerechnet CHF 515'258.55 vorsätzlich für Zwecke verwendet habe, welche geschäftsmässig nicht begründet gewesen seien. Dadurch habe er als Präsident des Verwaltungsrates und faktischer Inhaber der operativen Leitung seine Pflichten gegenüber der E.___ AG und deren Aktionären verletzt und habe diese am Vermögen substantiell geschädigt. Weiter habe er damit bewirkt, dass sich die Überschuldung der E.___ AG verschlimmert habe. Mit Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 27. Mai 2011 sei die E.___ AG gemäss Art. 731b OR aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet worden. Beim Konkursamt seien Forderungen gegen die E.___ AG in Liquidation von insgesamt CHF 2'486'380.65 angemeldet worden.
Folgende Gelder habe der Beschuldigte für geschäftsmässig nicht begründete Zwecke und damit rechtswidrig verwendet verwenden lassen:
- Privatbezüge, bezogen durch den Beschuldigten mittels Kreditkarten (…) ab dem 9. Januar 2010 bis zum 1. Februar 2011 in der Höhe von total CHF 409'568.01. - Privatbezüge, bezogen durch M.___ (ehemalige Ehegattin des Beschuldigten und Mutter des gemeinsamen Sohnes N.___) mittels Kreditkarte (…) ab dem 17. Februar 2010 bis zum 2. Dezember 2010 in der Höhe von total CHF 60'356.79. - Bezug von EUR 38'500.00 (umgerechnet CHF 45'333.75) durch den Beschuldigten am 5. Mai 2011 ab dem [Bank 1] IBAN [Kontonummer], lautend auf die E.___ AG. Die Gelder habe er in der Folge I.___ übergeben, welche diese in seinem Bankschliessfach bei der [Bank 2] in [Ort 1] deponiert habe.
Indem der Beschuldigte diese Gelder der E.___ AG entzogen habe, habe er zumindest in Kauf genommen, dass er die E.___ AG am Vermögen schädige. Er habe dabei in der Absicht gehandelt, sich selbst und andere unrechtmässig zu Lasten der E.___ AG zu bereichern.
Die Anklageschrift enthält weiter einen mehrseitigen Schlussbericht gemäss Art. 326 Abs. 2 StPO.
2. Teilrechtskraft
Die Vorinstanz hat nur einen Schuldspruch für die Vorhalte ab dem 1. Oktober 2010 (Zeitpunkt, ab dem spätestens in das Aktienkapital und die gebundenen Reserven der E.___ AG eingegriffen worden sei) ausgefällt. Dies betreffe Privatbezüge bzw. verdeckte Gewinnausschüttungen von total CHF 252'906.82 (US 26). Der implizite Freispruch für den Zeitraum bis zum 30. September 2010 ist damit rechtskräftig und vom Berufungsgericht nicht mehr zu prüfen.
3. Allgemeines zur Beweiswürdigung
Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff.; 127 I 40 f) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.
Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).
4. Sachverhaltsfeststellung
4.1 Aus den Akten ergeben sich folgende Geschehensabläufe zur Firmengeschichte der E.___ AG (vgl. die Handelsregisterauszüge und den Bericht WID vom 9.8.2012, 3.2.1/038 ff.):
4.1.1 Die Firma bestand seit 1998 unter diversen Namen und war zunächst ein Reiseunternehmen. Am 28. Januar 2009 wurde der Sitz der damaligen E.___ AG von [Ort 7] nach [Ort 8] verlegt, mit den neu eingetragenen Personen A.___ als Verwaltungsratspräsident (mit Einzelunterschrift) sowie O.___ (damalige Freundin des Beschuldigten), L.___ und P.___ als Verwaltungsratsmitglieder. Am 24. März 2009 wurde der Firmensitz der E.___ AG dann nach [Ort 1] an die [Adresse] verlegt und der Zweck geändert. Weiter wurde als Revisionsstelle die Q.___ GmbH, [Ort 9], ins Handelsregister aufgenommen. Am 31. August 2009 wurde das Aktienkapital (Inhaberaktien) von CHF 50'000.00 auf CHF 200'000.00 erhöht (Kapitalerhöhung um CHF 150'000.00 durch entsprechende Belastung des Kontokorrents des Beschuldigten: 5.3.2/168, der entsprechende Betrag war ihm vorher vom Konto «KK Aktionäre» mit dem Text «Umb. O.___» auf seinem Kontokorrent gutgeschrieben worden. Nach Angaben des Beschuldigten wollte der K.___ bereits einbezahltes Kapital zu Stammkapital machen: 3.2.1/061 f.). Ein halbes Jahr später, am 1. September 2009, kam dann auch K.___, welcher dem Beschuldigten seinerzeit den leeren Mantel der E.___ AG verkauft hatte, als Vizepräsident hinzu (vgl. EV K.___ vom 14.6.2011, 10.2.2/002). Zugleich war K.___ als Buchhalter im Mandatsverhältnis für die E.___ AG tätig. Am 2. Februar 2011 demissionierte K.___ wieder (5.1./007), worauf er am 7. Februar 2011 aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Die Buchhaltung war fortan führerlos, ein neuer Buchhalter wurde nicht gesucht (vgl. EV Beschuldigter vom 17.11.2011, 10.1.1/271). Kurze Zeit später am 28. Februar 2011 wurde auch die Q.___ GmbH als Revisionsstelle im Handelsregister gelöscht. Deren Demission erfolgte bereits am 20. Januar 2011 (5.1/004). Eine neue Revisionsstelle wurde in der Folge keine ernannt. Mit Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 27. Mai 2011 wurde die E.___ AG daraufhin gemäss Art. 731b OR aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet. Die Löschung der E.___ AG erfolgte dann am 5. November 2013, nachdem der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu das Konkursverfahren mit Urteil vom gleichen Tag als geschlossen erklärt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Beschuldigte unverändert VR-Präsident mit Einzelunterschrift. Die Forderungsanmeldungen gegenüber der E.___ AG per 8. September 2011 betrugen letztendlich total CHF 2'486'380.65 (Forderungsanmeldungen CHF 1'562'070.26 und Lohnforderungsanmeldungen von CHF 924'310.39; siehe Bericht WID: 3.2.1/085). Der Beschuldigte selbst wies am 25. Juli 2011 Betreibungen in der Höhe von total CHF 328'572.06 auf (vgl. 1.6.2/008 f.). Noch vor dem Auflösungsentscheid des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 27. Mai 2011 übernahm am 24. März 2011 die damalige Sekretärin der E.___ AG, G.___, als VR-Mitglied mit Einzelunterschrift die F.___ AG, wobei der Firmenmantel vom Beschuldigten finanziert wurde (vgl. EV Beschuldigter vom 15.6.2011, 10.1.1/038). Der Sitz wurde an die [Adresse] in [Ort 1] verlegt, der Zweck wurde analog jenem der E.___ AG abgeändert. Weitere Mitglieder des Verwaltungsrates der E.___ AG waren – ebenfalls immer mit Einzelunterschrift – O.___ (28.1. - 1.9.2009), L.___ (28.1.2009 -17.2.2011), P.___ (28.1. - 1.9.2009) und D.___ (ab 24.06.2010).
4.1.2 Gemäss Handelsregisterauszug war der Beschuldigte somit ab dem 3. Februar 2009 Verwaltungsratspräsident mit Einzelunterschrift der E.___ AG. Nach seinen Aussagen vom 15. Juni 2011 gehörten ihm 100 % der Inhaberaktien der E.___ AG. Nach Absprache mit ihm seien L.___ mit 3 0% und D.___ mit 10 % gewinnbeteiligt gewesen. Bevor P.___ ausgestiegen sei, sei abgemacht gewesen, dass er (der Beschuldigte) zu 50 % und L.___ sowie P.___ zu je 25 % gewinnbeteiligt seien (10.1/029). Aktienzertifikate wurden bei den Hausdurchsuchungen keine gefunden, B.___ gab anlässlich einer Einvernahme drei Kopien von Aktienzertifikaten über je CHF 25'000.00 ab, die Zertifikate hätten als Sicherheit für Kredite und nicht als Beteiligung gedient.
4.1.3 Die E.___ AG bezweckte nach dem im Frühling 2009 geänderten Firmenzweck die «Montage und Inbetriebnahme von mechanischen und elektrischen Industrieanlagen im In- und Ausland». Konkret war sie ein Dienstleister in der (…)-Technik, d.h. sie montierte und demontierte im In- und Ausland (…)-Anlagen. Für diese Arbeiten wurden Schlosser, Elektriker und Programmierer benötigt. Die Firma H.___ mit Sitz in [Ort im Ausland] ist in dieser Branche Weltmarktführer und als Produzent solcher (…)-Technik bekannt. Die E.___ AG hatte zum grössten Teil mit der H.___ AG zusammengearbeitet und half dieser quasi als Subunternehmer, solche (…)-Anlagen zu installieren. Die E.___ AG arbeitete aber auch direkt für (…)-Produzenten wie bspw. (...). Sie verfügte über einen Fuhrpark von 20 Fahrzeugen, die diversen Leasingverträge beliefen sich auf CHF 165'200.00 (exkl. Ratenzahlungen von CHF 20'676.00/Mt. und Unterhalt). Das kostspieligste Firmenfahrzeug war der Maserati GranCabrio mit einer monatlichen Rate von CHF 2'634.00.
4.1.4 Die Geschäftstätigkeit der E.___ AG ging aus der konkursiten R.___ GbR in [Ort im Ausland] hervor. Der Beschuldigte hatte diese Firma über Jahre geführt und sie war 2008 mit ihrem Hauptkunden H.___ AG in Streit geraten. Im Zusammenhang mit dem Konkurs dieser Firma wurde in [Ausland] gegen den Beschuldigten wegen Bankrotts ermittelt. Am 10. April 2012 wurde er vom Amtsgericht Neunkirchen wegen «Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (Reststrafe) von einem Jahr und 10 Monaten» verurteilt, dies bei einer Bewährungszeit von fünf Jahren (12.6.9/047).
4.1.5 Die geplante Nachfolgefirma F.___ AG war im Juni 2007 mit einer Sacheinlage von CHF 100'000.00 gegründet worden. K.___ vermittelte dem Beschuldigten auch diesen Aktienmantel. Am 29. März 2011 nahm die damalige Sekretärin der E.___ AG, G.___, Einsitz als Mitglied des Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift. Der Geschäftszweck lautete gleich wie bei der E.___ AG, der Sitz wurde an die Adresse der E.___ AG verlegt. Die Beteiligten gaben an, es sei geplant gewesen, dass der Beschuldigte nach ein paar Monaten in den Verwaltungsrat nachrückten sollte (EV Beschuldigter vom 15.6.2011, 10.1.1/041 Rz. 597 ff.). Aufträge wurden dann aber keine ausgeführt, G.___ trat am 27. Juni 2011 bereits wieder aus dem Verwaltungsrat aus, und die F.___ AG wurde am 11. Oktober 2011 gemäss Art. 731b OR gerichtlich aufgelöst. Am 6. Januar 2012 wurde das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt und die Firma wurde von Amtes wegen gelöscht.
4.1.6 Eine Rolle spielte auch die «X.___-Gruppe» um den Geschäftsführer S.___. Diese war in der Produktion von Kontrollgeräten und Fördertechnik tätig und führte mit dem Beschuldigten Gespräche über eine Beteiligung an der E.___ AG. Die C.___ der X.___-Gruppe gab der E.___ AG Ende 2010/anfangs 2011 Kredite.
4.2 Zu den – neben dem Beschuldigten – beteiligten Personen kann noch Folgendes ausgeführt werden:
4.2.1 K.___ war als Treuhänder tätig und verkaufte im Frühling 2009 dem Beschuldigten den leeren Mantel der E.___ AG. Er war von Anfang an für die Buchhaltung zuständig. Gestützt auf einen Mandatsvertrag erteilte ihm der Beschuldigte das Mandat als Mitglied des Verwaltungsrates (VR) der E.___ AG. K.___ war vom 2. Mai 2008 bis zum 11. Februar 2011 Vizepräsident des VR der E.___ AG. In seinem Rücktrittsschreiben vom 2. Februar 2011 an den Beschuldigten erklärte er sich nicht mehr einverstanden mit der Geschäftspolitik und trat per sofort als Verwaltungsrat zurück. Er übergab der Polizei am 22. Juli 2012 einen USB-Stick mit Buchhaltungsdaten der E.___ AG. Wegen Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung wurde wie bereits erwähnt ein Strafbefehl gegen K.___ erlassen.
4.2.2 D.___ arbeitete seit 2003 bei der R.___ und dann ab dem 1. Juni 2009 bei der E.___ AG mit dem Beschuldigten zusammen. Er war als Bau- und Betriebsleiter angestellt und war ab dem 20. Juni 2010 VR-Mitglied der E.___ AG. Er lebte mit der geschiedenen Frau des Beschuldigten, M.___, zusammen. Das Verfahren gegen ihn wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung wurde eingestellt.
4.2.3 M.___ ist die geschiedene Ehefrau des Beschuldigten und hat mit diesem ein gemeinsames Kind.
4.2.4 I.___ arbeitete ab April 2010 bei der E.___ AG, zuerst als Monteur auf den Baustellen und später im Büro. Gegen ihn wurde wie erwähnt ein Strafbefehl wegen Geldwäscherei und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz erlassen.
4.2.5 G.___, Ehefrau von I.___, war ab September 2010 als kaufmännische Angestellte bei der E.___ AG angestellt. Sie war vom 23. März bis zur Auflösung am 11. Oktober 2011 einziges Mitglied des VR der F.___ AG.
4.2.6 B.___ war mit seiner Firma früher Kunde der R.___ und später Geschäftsführer der Firma T.___ GmbH, die zur X.___-Gruppe gehörte.
4.2.7 J.___, Maurer, war beim Aufbau der Hanf-Indooranlage beteiligt und half beim Aufbau der F.___ AG mit, bei der er später als Industriemechaniker angelernt werden sollte. Gegen ihn wurde wegen BetmG-Widerhandlung ein Strafbefehl erlassen.
4.2.8 L.___ arbeitete früher lange bei der R.___ und wurde nach deren Konkurs vom Beschuldigten für eine gemeinsame Gründung einer neuen Firma angefragt. Vom 27. Januar 2009 bis zum 23. Februar 2011 war er daraufhin VR-Mitglied der E.___ AG und leitete Baustellen.
4.3 Die Staatsanwaltschaft liess durch den WID eine Geldflussrechnung erstellen (Beilage zum polizeilichen Schlussbericht: 3.2.1/057 ff., mit zahlreichen Beilagen). Aufgrund umfangreicher Akten (Bankunterlagen; Sicherstellungen bei den Hausdurchsuchungen; Akten Handelsregister- und Konkursamt; Unterlagen der Revisionsgesellschaft Q.___ GmbH mit geprüftem Abschluss per 31.12.2009 und Zwischenrevision per 30.6.2010, jeweils ohne Beanstandungen; Unterlagen von K.___ mit Buchhaltung per 31.12.2010; U.___ AG betr. Reisen des Beschuldigten; Steuerakten) und gestützt auf die Einvernahmen/Konfrontationseinvernahmen wurden vor allem die Transaktionen im Zusammenhang mit der E.___ AG und dem Beschuldigten kontrolliert und detailliert ausgewertet. Daraus ergeben sich hinsichtlich der in der Anklage vorgehaltenen Bezüge des Beschuldigten folgende Erkenntnisse:
Die Kontrollen ergaben, dass verschiedene Personen – ganz überwiegend der Beschuldigte – vor allem ihre Kreditkarten, lautend auf die E.___ AG, auch für Privatbezüge benutzt hatten. Die jeweiligen Belastungen wurden in der Folge zu Lasten der Bankkonti der Firma bezahlt und auch in den Aufwandkonti in der Buchhaltung – zum grössten Teil – auf dem Konto «4400 Montageaufwand» verbucht. Es wurden anzahlmässig viele und betragsmässig hohe Barbezüge in dieser Art vorgenommen. Gemäss verschiedenen Aussagen seien diese Barbezüge aber teilweise auch für die nötigen Ausgaben auf den Baustellen im Ausland verwendet worden, was die Polizei anhand der Unterlagen nicht lückenlos prüfen und bestätigen konnte.
4.4 Der «Bericht Geldflussrechnung» äussert sich auch zur finanziellen Lage der E.___ AG.
4.4.1 Per 31. Dezember 2009 lag ein revidierter Jahresabschluss vor, ebenso ein revidierter Zwischenabschluss per 30. Juni 2010. Anhand der Akten konnte durch die Polizei eine Liste mit Bilanz und Ergebnis von Januar bis Dezember 2010 und pro Monat dargestellt werden. Die sehr umfangreichen und zum Teil weder sortierten noch nach Datum eingeordneten Belege und Unterlagen wurden zu diesem Zweck einzeln gesichtet und in entsprechenden Listen wie OP-Debitoren, OP-Kreditoren Finanzbuchhaltung erfasst. Dabei wurde festgestellt, dass K.___ nach der Revision des Zwischenabschlusses per 30. Juni 2010 durch die Q.___ GmbH im Juli 2010 rückwirkend per Juni 2010 noch Korrektur- und Umbuchungen – vor allem auf den Konti Debitoren, Kreditoren, Fahrzeuge sowie aktive und passive Rechnungsabgrenzungen – vorgenommen hatte.
Bei der polizeilichen Prüfung konnte festgestellt werden, dass namentlich im Bereich der Kreditoren die Buchhaltung nicht stimmte, besser war die Situation bei den Debitoren (3.2.1/064). Die E.___ AG wuchs sehr schnell: Ende 2009 waren nebst der Geschäftsleitung fünf Personen angestellt, Mitte 2010 deren 30 und gemäss Unterlagen des Konkursamtes waren es zuletzt deren 54. Der Umsatz wurde von CHF 1'013'666.76 per 31. Dezember 2009 über CHF 2’398'317.73 per 30. Juni 2010 auf CHF 4'242’041.38 per 31. Dezember 2010 gesteigert. Der Umsatz wurde zu 90 % im Ausland und zu 80 % aus Aufträgen der Firma H.___ erwirtschaftet. Nach Angaben des Beschuldigten habe sich die finanzielle Lage der E.___ AG vor allem dadurch verschlechtert, dass die H.___ verschiedene Forderungen nicht nur zum Teil bezahlt habe. Es habe Reklamationen der H.___ in Bezug auf die Ausführung der Arbeiten gegeben und auch weitere Aufträge, welche von der E.___ AG offeriert worden seien und mit deren Auftragserteilung auch gerechnet worden sei, seien von der H.___ an andere Lieferanten vergeben worden. Im Gegensatz zur dargestellten Umsatzsteigerung stiegen die Kosten durch den höheren Personalbestand und durch weitere erhöhte Ausgaben überdurchschnittlich, weshalb sich das Rechnungsergebnis und die Liquidität der E.___ AG stetig und massiv verschlechterten. Die Prüfung der Polizei ergab folgende Ergebnisse (3.2.1/065):
4.4.2 Liquidität (flüssige Mittel: Bankkonti):
per 31.12.2009: CHF -32'562.00; per 30.06.2010: CHF -108’346.72; per 30.09.2010: CHF -480'460.02; per 31.12.2010: (nach Eingang der Darlehen der X.___-Gruppe von insgesamt ca. CHF 200'000.00): CHF -413'369.68.
Ende September 2010 resultierte ein Negativsaldo sämtlicher Bankkonti der E.___ AG von CHF 480'000.00 und die offenen Verpflichtungen beliefen sich auf CHF 609.000.00. Entsprechend gab es schon ab Sommer 2010 Verhandlungen über Investitionen der X.___-Gruppe sowie über Bankdarlehen bzw. Erhöhungen der Bank-Kontokorrent-Limiten. Auch nach Erhalt einer kurzfristigen KK-Limiten-Erhöhung durch die [Bank 3] und der Darlehen der X.___-Gruppe verbesserte sich die Zahlungsfähigkeit der E.___ AG nicht, da weiterhin zu hohe Kosten für das Geschäft und auch für Privates über die Firmenkonten bezahlt wurden (3.2.1/067).
Exemplarisch zeigte sich die Entwicklung der Liquiditätssituation anhand des Firmen-Kontokorrentkontos Nr. [Kontonummer] bei der [Bank 3], über das die meisten Geldtransaktionen der E.___ AG abgewickelt wurden (6.1/054 ff.): Einzig im ersten Quartal 2009 waren darauf höhere Eingänge als Ausgänge zu verzeichnen. Der Negativsaldo belief sich auf CHF 56'795.32 per Ende 2009, CHF 185'568.05 per Ende März 2010, CHF 128'148.32 per Ende Juni 2010, CHF 465'761.15 per Ende September 2020 und CHF 623'408.40 per Ende Dezember 2010.
Die Liquidität war denn auch ein Dauerthema bei der E.___ AG, dazu kann auf die ausführlichen und zutreffenden Darlegungen der Vorinstanz auf US 16 f. verwiesen werden (Gesuche um Erhöhungen von Kreditkartenlimiten und Kontokorrent-Kreditlimiten, Suche nach Investoren). Gleiches gilt für die Abhängigkeit von der Grosskundin H.___ AG.
4.4.3 Gewinn/Verlust (3.2.1/114):
- Per 31.12.2009 gemäss Revision: Gewinn CHF 109'803.78; gemäss Polizei: CHF 166'465.12; - Per 30.06.2010 gemäss Revision: Gewinn CHF 387'549.30; gemäss Polizei CHF 314'527.58; - Per 30.09.2010 gemäss Polizei: Verlust CHF 613'071.25; - Per 31.12.2010 gemäss Polizei: Verlust CHF 1'352'194.87.
Klar erkennbar ist, dass ab Sommer 2010 nicht nur die Liquiditätslage dramatisch schlechter wurde, sondern ab August 2010 der Verlust (CHF 247'127.66) das Eigenkapital (CHF 272'185.18) bereits praktisch vernichtet hatte:
4.4.4 Eine Überschuldung im Sinne von Art. 725 OR (das Vermögen deckt das Fremdkapital und die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr) lag mit Sicherheit bereits Ende September 2010 vor: Total der Aktiven CHF 499'967.09 gegenüber dem Fremdkapital von CHF 840'853.16 (3.2.1/070). Bei einem Umsatz von CHF 4’242'041.38 im Jahr 2010 resultierte ein Verlust von CHF 1'352’194.87 (3.2.1/064 f.). Es bestand mithin eine Verlustquote von rund 32 %. Offensichtlich ist, dass die Privatbezüge des Beschuldigten im Umfang mehrerer CHF 100'000.00 massgeblich dazu beitrugen.
Es muss aber zumindest zu Gunsten des Beschuldigten auch davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt auch das Aktienkapital und die gebundenen Reserven bereits vollständig aufgebraucht waren.
4.4.5 Im Bericht über den Geldfluss werden auch die Darlehen der X.___-Gruppe dargestellt (3.2.1/070 f.): Im September 2010 wurden erste Gespräche geführt, worauf es im November 2010 zu einer ersten Überweisung von EUR 100'000.00 kam. Von Seiten der X.___-Gruppe (S.___ und C.___) kam es zu folgenden Darlehenszahlungen: 3.11.2010 EUR 100'000.00 (Rückzahlung samt Zinsen am 22.12.2020); 22.12.2010 EUR 150'000.00; 4.1.2011 EUR 70'000.00; 17.1.2010 CHF 200'000.00. Nach einer Prüfung der Finanzsituation der E.___ AG durch B.___ im Januar 2011 gab S.___ an einer Sitzung vom 2. Februar 2011 bekannt, er werde der E.___ AG auf keinen Fall weiteres Geld zur Verfügung stellen. Gemäss B.___ hätten die Verantwortlichen der E.___ AG darauf gesagt, dann müssten sie den Konkurs anmelden (3.2.1/072). Die letzten drei Darlehen von EUR 220’00.00 und CHF 200'000.00 der X.___-Gruppe wurden schliesslich nicht zurückbezahlt.
4.5.1 Die Polizei hat sämtliche Ausgaben gemäss Bankkontoauszügen, Barquittungen, Rechnungen und Kaufverträgen, Kreditkartenabrechungen etc. erfasst und nach Art der Ausgaben sortiert. Gestützt darauf resultierten umfangreiche Listen für Aufwendungen für die E.___ AG, für Haushalt, für Ferien, für Autokosten, für Hotel und Restaurant etc. Wie bereits erwähnt, war die E.___ AG rasant gewachsen, was zu einer enormen Steigerung der Kosten für die Ausführung der Aufträge und die Firmenführung im Jahr 2010 führte. Bei verschiedenen Posten sind die höheren Beträge allerdings nicht nur aufgrund von geschäftsmässig begründeten Ausgaben entstanden, sondern auch durch die hohen Belastungen, welche als Privataufwand hätten ausgeschieden werden müssen. Zu den Privatbezügen inkl. Barbezügen der Beteiligten wird auf S. 17 ff. des Berichtes detailliert Stellung genommen. Die Ausführungen des Berichts sind auch diesbezüglich nachvollziehbar und bis ins Detail belegt, sodass darauf abgestellt werden kann. Dabei wurde insbesondere festgehalten, dass bei der Auswertung sämtlicher Aufwendungen und Belastungen zu Lasten der E.___ AG die Zuteilung der einzelnen Beträge in geschäftsrelevante private Aufwendungen nicht immer eindeutig vorgenommen werden konnte. Bei der Beurteilung seien deshalb nur diejenigen Belastungen als Privatbezüge deklariert, welche als solche eindeutig erkennbar gewesen seien, an einer Befragung als solche deklariert worden seien es sei ein prozentualer Anteil berücksichtigt worden. Die Kreditkartenbezüge des Beschuldigten sowie von M.___, D.___ und K.___ wurden detailliert erfasst und ausgewertet. Bei den Bezügen mit der Kreditkarte von L.___ habe festgestellt werden können, dass es sich fast ausnahmslos um geschäftlich bedingte Ausgaben gehandelt habe. Zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 29. Juni 2011 seien für mindestens CHF 888'723.00 Belastungen (Kreditkartenbezüge, Kontobelastungen, ohne Barbezüge, da bei diesen Transaktionen keine Aufteilung für das Geschäft Privat habe vorgenommen werden können) erfolgt. Wenn man nur die Hälfte der Barbezüge für private Zwecke berechnen würde, ergäbe sich ein zusätzlicher Betrag von CHF 407'000.00, was ein Total für private Aufwendungen von CHF 1'295'723.00 ergäbe (3.2.1/073 ff. mit Beilagen; Umrechnung von EUR zu CHF gemäss damaligem Kurs mit 1.30). Berücksichtigt wurden dabei auch die bis dahin getätigten umfangreichen Aussagen der Beteiligten.
4.5.2 Zu den Kreditkartenbezügen des Beschuldigten selbst habe dieser am 17. November 2011 u.a. ausgesagt, er habe als Geschäftsführer der E.___ AG auch Anrecht gehabt, Kosten für entsprechende Kleidung und Aufwendungen wie Restaurantbesuche zu Lasten der Firma zu verbuchen. Da es sich bei den festgestellten Belastungen für solche Ausgaben teilweise um sehr hohe Beträge gehandelt habe, seien diese in der gemachten Aufstellung nur anteilig der Firma belastet worden. Die von der Polizei erstellte Liste (3.2.1/175 mit Details auf AS 176 ff.) überzeugt, die dort im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 29. Juni 2011 aufgelisteten Kreditkartenzahlungen von total CHF 409'568.01 für private Zwecke (Bekleidung, Boot, Ferien, Haushalt, Hotel (es wurde ein Anteil von 13 % privat berechnet), Einkäufe (Privatanteil rund 9 %), Reisen (Privatanteil rund 12 %), Spielbank, Auto (Privatanteil 10 %) sind rechtsgenüglich erstellt. Zu einzelnen Ausgaben kann auch auf die Darstellung der Vorinstanz auf US 17 ff. verwiesen werden. Der Beschuldigte hat diese Aufstellung bzw. den privaten Charakter einzelne Positionen denn auch gar nicht konkret bestritten, auch nicht vor dem Berufungsgericht. Auf weitere Einwände des Beschuldigten wird weiter unten eingegangen.
Die Barbezüge des Beschuldigten von insgesamt CHF 316'089.50 im gleichen Zeitraum wurden nicht in die vorgehaltenen privaten Aufwendungen einbezogen (3.2.1/175). Dies, obwohl zumindest ein Teil dieser Bezüge zweifellos auch für private Auslagen aufgewendet wurde. So hat der Beschuldigte selbst angegeben, er habe diese Bezüge «nicht nur» für private Zwecke getätigt (10.1./264). Die vom Beschuldigten angefertigte Liste von Verwendungen der Bargeldbezüge (3.2.1/215) zeigt ebenso, dass es sich um wenig einleuchtende Bezahlungen an Verwaltungsratsmitglieder gehandelt haben soll, weil diese «ja von irgendetwas hätten leben müssen». Er selbst habe zusammen mit seinem Lohn rund CHF 150'000.00 pro Jahr genommen (bei einem Monatslohn von CHF 5'000.00). Bezeichnend ist auch der Bezug von EUR 119’918.25 am Tag nach der Absage der X.___-Gruppe, am 3. Februar 2011: Dazu gab er zu Protokoll, er habe dies gemacht, weil er geglaubt habe, die E.___ AG noch zu retten. Und er habe Geld zurücklegen wollen, wenn die H.___ nicht mehr zahlen würde. Es sei auch ein bisschen eine Panikattacke gewesen, Angst, die Banken würden ihm das ganze Geld abnehmen, ohne zu verhandeln. Er habe schon ein ungutes Gefühl gehabt dabei. Er habe gewusst, dass etwas passieren würde und er bereits in [Ausland] Insolvenz gehabt habe. Dazu kann auch auf die Ausführungen im Bericht «Geldflussauswertung» verwiesen werden (3.2.1/075 ff.), namentlich auch auf die Gegenüberstellung der Angaben auf der Liste des Beschuldigten und der vorhandenen Belege (3.2.1/076 oben). Jedenfalls konnte aufgrund der Erkenntnisse aus der Geldflussauswertung und der vom Konkursamt eingereichten Unterlagen mit den unbezahlten Rechnungen aufgezeigt werden, dass der Beschuldigte mit den Barbezügen nicht die vorhandenen offenen Rechnungen und Schulden der E.___ AG beglichen hat, sondern mit dem nach Eingang von Debitorenzahlungen abgehobenen Bargeld weiterhin seinen Lebensunterhalt, Reisen, Miete und Unterhalt der gesamten Liegenschaft in [Ort 1] übernommen hat, ebenso Kosten für Wohnen und Haushalt von verschiedene Personen, wie auch die Aussagen von G.___ zeigten (EV vom 18.8.2011)
Zu ergänzen ist an dieser Stelle, dass sich der Beschuldigte von der E.___ AG einen Lohn von monatlich CHF 5'000.00 auszahlen liess und sich von dieser Wohn- und Fahrzeugkosten (Luxusliegenschaft und zwei Luxusautos Maserati und BMW X5: vgl. die eigenen Aussagen des Beschuldigten vom 7.6.2011, 10.1.1/005 Rz. 147 ff.) finanzieren liess, was von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wird. Diese Leistungen stellten für den Geschäftsführer eines Unternehmens in der Anfangsphase insgesamt eine überaus fürstliche Entschädigung dar und wurden auch noch ausgerichtet im Frühling 2011, als die übrigen Mitarbeitenden seit längerem keinen Lohn mehr erhalten hatten (10.1.1/060 Rz. 279 ff.).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Vorhalte von privaten Verwendungen durch die Strafverfolgungsbehörden höchst restriktiv erfolgten und dem Grundsatz «in dubio pro reo» Rechnung trugen. Es ist im vorgehalten Zeitraum ab 6. Januar 2010 bis zum 1. Februar 2011 (danach konnten die Kreditkarten offenbar nicht mehr eingesetzt werden, es erfolgten nur noch Barbezüge nach Eingang von Debitorenzahlungen auf den Konti) von den vorgehaltenen Kreditkartenbezügen für private, d.h. nicht geschäftsmässig begründete Verwendungen im Umfang von CHF 409'586.01 auszugehen. Mit der Vorinstanz ist für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2010 von total CHF 252'198'787.21 (Umrechnung EUR in CHF mit dem Faktor 1.30) auszugehen.
4.5.3 Zu den Kreditkartenbezügen von M.___ ist Folgendes auszuführen: Aus den Akten ergeben sich für den Zeitraum vom 17. Februar 2010 bis zum 2. Dezember 2010 Kreditkartenbezüge der Ex-Ehefrau des Beschuldigten, M.___, für private Zwecke in der Höhe von total CHF 60'356.79 (von Totalbezügen über CHF 148'010.50, vgl. 3.2.1/175 und 191). Nach dem 1. Oktober 2010 wurden Bezüge für private Zwecke von total CHF 8'785.75 vorgenommen (3.2.1/191). Diesbezüglich ist angesichts der aktenmässig belegten dominanten Stellung des Beschuldigten in der E.___ AG (darauf ist noch zurückzukommen) von der Darstellung von dessen Ex-Ehefrau auszugehen, wonach sie die privaten Bezüge einzig auf Anweisung des Beschuldigten hin tätigte: Sie habe einmal [Ausland]-Ferien mit ihrer Firmenkreditkarte bezahlt. Der Beschuldigte habe ihr gesagt, dass sie das so machen solle, dass dies der Geschäftsleitung zustehe. Sie habe ihre Firmenkreditkarte nur auf Anweisung hin benutzt (10.2.1/008). Ihr Ehemann habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass er private Ausgaben mit Firmengeldern begleiche. Wenn sie ihn darauf angesprochen habe, dass man doch nicht das ganze Leben über die Firma laufen lassen könne, habe er gesagt, doch das gehe so in der Schweiz (10.2.1/021). Diese Zweifel von M.___ zeigen sich auch darin, dass sie ab Herbst 2010, als die finanzielle Schräglage der E.___ AG offenkundig wurde, kaum noch Kreditkartenbezüge für private Zwecke tätigte. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Ex-Ehefrau sich diese Bezüge eigenhändig hätte zugestehen sollen, war sie doch weder in einer leitenden Funktion noch als VR in der E.___ AG tätig, sondern «bloss» als Sachbearbeiterin (vgl. EV I. M.___ vom 9.6.2011, 10.2.1/003). Auch der Zeuge L.___ gab vor Amtsgericht an, der Beschuldigte habe gerne alles unter Kontrolle gehabt (TG AS 83). Der Beschuldigte als dominierende Persönlichkeit der E.___ AG hätte ein derartiges eigenhändiges Vorgehen denn auch kaum geduldet, zumal er schliesslich die einzige Person war, welche die Kreditkartenbezüge überprüfte (vgl. EV Beschuldigter vom 17.11.2011, 10.1.1/263). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte seiner Ex-Ehefrau, der Mutter ihres gemeinsamen Sohnes, mit welcher er überdies in der Zeit ab September/Oktober 2009 bis Mai 2010 wieder eine Beziehung pflegte (vgl. EV I. M.___ vom 9.6.2011, 10.2.1/002), «etwas vom Kuchen abgeben wollte», um es mit der Vorinstanz auszudrücken, zumal auch der gemeinsame Sohn über die E.___ AG krankenversichert war, ohne dass derselbe in irgendeiner Funktion für die E.___ AG tätig gewesen wäre (vgl. 12.6.7./021 f.), mithin eine Begünstigung der Familienangehörigen des Beschuldigten auf Kosten der E.___ AG erwiesenermassen stattgefunden hat.
4.5.4 Am 5. Mai 2011 hob der Beschuldige bei der [Bank 1] in [Ort 4] ab dem Konto IBAN [Kontonummer], lautend auf die E.___ AG, auch noch EUR 38'500.00 in bar ab (umgerechnet CHF 45'333.75), und übergab diese I.___, welcher ihn zur Bank gefahren hatte, in einem Couvert zur Verwahrung. I.___ verwahrte das Couvert dann gleichentags in [Ort 1] bei der [Bank 2] in seinem Schliessfach für den Beschuldigten. Soweit der Beschuldigte diesbezüglich vorbringt, beim abgehobenen Betrag habe es sich um ausstehenden Lohn der Ehegatten G.___ und I.___ gehandelt – er habe es bar abgehoben, da er nicht gewusst habe, ob er es überweisen dürfe – ist ihm mit der Vorinstanz nicht zu folgen. Die Aussage ist als Schutzbehauptung zu qualifizieren. In Tat und Wahrheit bezog der Beschuldigte das Geld für eigene – geschäftsmässig nicht begründete –
Die Aussage des Beschuldigten widerspricht aber auch jener von I.___, welcher angab, das Geld im Auftrag des Beschuldigten für denselben verwahrt zu haben: Der Beschuldigte habe ihm das zugeklebte Couvert gegeben und habe ihm gesagt, er solle es für ihn aufbewahren, es sei sein Geld, bei ihm (I.___) im Tresor sei es sicher. Er habe das Couvert nie aufgemacht (10.1.5/035 f.). Er habe seit Januar 2011 keinen Lohn mehr erhalten, der Beschuldigte habe ihm immer gesagt, er erhalte dann Insolvenzentschädigung bis zum Konkursdatum (10.1.5/031 und 036). Am 27. Mai 2011 gaben beide Ehegatten G.___ und I.___ gegenüber dem Konkursamt unterschriftlich an, sie hätten seit dem 1. Januar 2011 keinen Lohn mehr erhalten (4.1/9107 und 9204). Diese Angabe von I.___ deckt sich wiederum nicht nur mit den Aussagen von G.___ – welche indes als Ehefrau von I.___ wohl selber ein Interesse an der Sache hat –, ihr Mann habe ihr erzählt, er habe dieses Geld vom Beschuldigten zur Aufbewahrung erhalten, sondern vor allem auch mit der anlässlich der Öffnung des Bankschliessfachs vorgefundenen Situation. Demnach befanden sich im Schliessfach u.a. diverse Couverts mit Bargeld (EUR und CHF) sowie lose, gemischte Euro-Noten. Dabei wurde einzig das besagte [Bank 1]-Couvert inklusive Bankbeleg verwahrt, womit eine Nachverfolgung bezüglich dieses Betrages – im Gegensatz zu den anderen gefundenen Bargeldbeständen – zweifelsfrei möglich war (12.2.4/015, 018, 023). Es fragt sich, weshalb I.___ EUR 38'500.00 auf diese Weise, klar abgesondert von den übrigen und ohne Bankbeleg deponierten Bargeldbeständen, aufbewahren sollte, wenn denn das Geld tatsächlich sein Lohn gewesen sein sollte, wie es der Beschuldigte vorbringt. Erst recht fragt sich dies, weil I.___ das Couvert am Tag der Abhebung am 5. Mai 2011 (um 14:43 Uhr, 12.2.4/023) unverändert sogleich im Schliessfach deponierte (um 15:08 Uhr, 10.1.1.332) und in der Folge am 16. und am 30. Mai 2011 das Schliessfach aufsuchte, ohne irgendetwas am besagten Couvert zu verändern (die Öffnung des Schliessfachs fand am 16. Juni 2011 statt, im Couvert befand sich noch der Kassenbeleg vom Barbezug bei der [Bank 1]: 12.2.4/015). Im Übrigen hat sich I.___ mit seiner Aussage selbst der Geldwäscherei bezichtigt, was deutlich schwerer wiegt als die vom Beschuldigten aufgeworfene Frage einer falschen Deklaration gegenüber dem Konkursamt im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Insolvenzentschädigung (Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren Geldstrafe [Geldwäscherei, Art. 305bis StGB] gegenüber Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Geldstrafe [Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe, Art. 148a StGB]). I.___ wurde denn auch – anwaltlich vertreten – rechtskräftig wegen Geldwäscherei verurteilt.
4.5.5 Der Beschuldigte macht geltend, es sei vorgesehen gewesen, seine Privatbezüge Ende Jahr auf seine Kontokorrentschulden bei der E.___ AG umzubuchen. Auch dabei handelt es sich offensichtlich um eine Schutzbehauptung. Dazu kann auf die detaillierten Ausführungen der Sachverständigen im Bericht «Geldflussauswertung» (S. 11 ff., 3.2.1/167 ff.) verwiesen werden. Die dortigen Erkenntnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die Belastungen der Kreditkarten, auch für die Privatbezüge, wurden zu Lasten der Firma bezahlt und auch in Aufwandkonti der Buchhaltung der E.___ AG, zum grössten Teil auf dem Konto «440 Montageaufwand», verbucht.
- Im Abschluss pro 2009 waren dem Konto «2160 KK Aktionäre» Buchungen in Bezug auf Privatanteile erfasst und dem Beschuldigten belastet worden. Es betrafen dies Mietanteil am Wohnhaus (1/3), Anteil Fahrzeug, Anteil Strom und Heizung (1/3), Anteil Telefon (12 %). Weitere Umbuchungen von Privataufwand erfolgten keine.
- Im revidierten Zwischenabschluss per 30. Juni 2010 gab es überhaupt keine entsprechenden Umbuchungen mehr, d.h. sämtliche Belastungen, ob geschäftlich relevant für private Zwecke, wurden durch die E.___ AG bezahlt und zu Lasten der Firma verbucht. Obwohl die Privatbezüge und -auslagen seit Ende 2009 stetig und massiv angestiegen waren, wurden auch per Ende 2010 keine Umbuchungen und/oder Rückzahlungen an die E.___ AG vorgenommen.
- Im Jahr 2010 wurden noch vier Buchungen auf dem Konto «2160 KK Aktionäre» direkt verbucht, neben einem Darlehen von K.___ über CHF 30'000.00 (Gutschrift) waren es drei kleinere Beträge als Belastungen.
- K.___ und auch der Beschuldigte haben anlässlich der Konfrontationseinvernahme vom 24. November 2011 dazu übereinstimmende Angaben gemacht: Es sei ihnen beiden bewusst gewesen, dass die Privatbezüge mit den Kreditkarten per Ende 2010 hätten umgebucht werden müssen. Dazu sei es nicht gekommen, weil K.___ Ende Januar/Anfang Februar 2011 die Firma verlassen habe und das zu diesem Zeitpunkt kein Thema mehr gewesen sei resp. der definitive Abschluss per 31. Dezember 2010 nicht mehr durch ihn fertiggestellt worden sei. K.___ gab dazu zu Protokoll, der Zeitaufwand habe jeweils nicht gereicht (so auch der Beschuldigte: 10.1.1/105/Rz. 456), jede Kreditkartenabrechnung auseinanderzunehmen, und deshalb habe man den ganzen Betrag gebucht. Diese Aussagen wurden widerlegt: bspw. wurden bei zwei Zahlungen von Kreditkartenabrechnungen im September und anfangs November 2010 die einzelnen Beträge detailliert auf verschiedene Aufwandkonti verteilt verbucht, ohne jedoch die offensichtlichen Privatbezüge den entsprechenden Personen zu belasten zu verrechnen. In der Folge erfolgten im November und Dezember 2010 wiederum Zahlungen z.B. an das (…) Card Center, welche gesamthaft dem Konto «Montageaufwand» belastet wurden. Bei der Zahlung vom 22. Dezember 2010 wurde hingegen wiederum eine detaillierte Verbuchung vorgenommen. Dazu wird auch auf die konkreten Beispiele auf AS 068 unten und 069 oben im Register 3.2.1 verwiesen. Entgegen der mehrmals an den Einvernahmen erwähnten Version zeigen die genannten Beispiele, dass durchaus differenzierte Verbuchungen vorgenommen worden sind. Die zitierten Aussagen des Beschuldigten und von K.___, man hätte Ende Jahr sämtliche Rechnungen und Belastungen durchgesehen und die Privatbezüge nachträglich zu Gunsten der E.___ AG verbuchen wollen, sind daher nicht glaubhaft, zumal dies aufgrund der grossen Menge und der Ablage der Rechnungen schwierig und vor allem höchst zeitintensiv gewesen wäre. Hätte man das aber – wie in Einzelfällen geschehen – gleichzeitig mit der Verbuchung der Bezahlung gemacht, wäre das einfacher gewesen und hätte zudem das Ergebnis der E.___ AG deutlich verbessert. Aber man hatte ja angeblich nicht einmal dafür Zeit. Gegen beabsichtigte spätere Umbuchungen sprechen auch die ersten Aussagen des Beschuldigten am 7. Juni 2011 (10.1.1/006 ff. Rz. 211. ff.), wonach die Kreditkartenbezüge immer als Montageaufwand und nicht als Spesen verbucht worden seien. Er habe dabei sicher auch Privatbezüge gemacht, diese seien nicht separat verbucht worden. Auf die Nachfrage, ob K.___ gewusst habe, dass er mit der Karte Privatbezüge tätige, zögerte der Beschuldigte und gab dann an, er denke schon, dass er ihm dies gesagt habe. Auch die anderen Verwaltungsräte hätten mit der Firmenkreditkarte Privatbezüge getätigt; am meisten L.___, er habe sich überlegt, gegen diesen eine Strafanzeige einzureichen.
Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch allfällige Umbuchungen der Privatbezüge an der finanziellen Situation nichts geändert hätten, wären doch die daraus folgenden hohen Verpflichtungen des Beschuldigten für die Gläubigerin E.___ AG ein Non-Valeur gewesen: Der Beschuldigte wäre angesichts seiner finanziellen Situation nicht in der Lage gewesen, diese Beträge zu begleichen (Lohn CHF 5'000.00 monatlich, kaum Kontoguthaben, vier Betreibungen im April/Mai 2011 über total CHF 327'243.76: 1.2.6/003).
Wenn der Beschuldigte weiter behauptete, die Ende Jahr abgerechneten Privatbezüge hätten mit dem ihm respektive ihnen (VR) zukommenden Bonus respektive mit Boni verrechnet werden können, welche dann allerdings nicht mehr bestimmt worden seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass nie Boni bezahlt wurden und der Geschäftsgang mit den riesigen Verlusten auch keinerlei Anlass für solche Boni gab. Für ein derartiges Vorgehen hätte zudem überhaupt erst Geld für die Zusprechung eines Bonus vorhanden sein müssen. Dies war vorliegend aber offensichtlich nicht der Fall.
4.5.6 Insgesamt ist somit von Privatbezügen des Beschuldigten zu Lasten der E.___ AG, sog. verdeckten Gewinnausschüttungen, ab dem 1. Oktober 2010 bis zum 28. Mai 2011 im Umfang von CHF 252'906.82 auszugehen.
IV. Rechtliche Würdigung
1.1 Nach dem Treuebruchtatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer aufgrund des Gesetzes, eines behördlichen Auftrages eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, das Vermögen eines andern zu verwalten eine solche Vermögensverwaltung zu beaufsichtigen, und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt zulässt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird (Abs. 1). Handelt der Täter in der Absicht, sich einen andern unrechtmässig zu bereichern, so kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erkannt werden (Abs. 3).
1.2 Geschäftsführer im Sinne von Art. 158 StGB ist, wer in tatsächlich formell selbstständiger und verantwortlicher Stellung im Interesse eines anderen für einen nicht unerheblichen Vermögenskomplex zu sorgen hat. Die Stellung als Geschäftsführer fordert ein hinreichendes Mass an Selbständigkeit, mit welcher dieser über das fremde Vermögen über wesentliche Bestandteile desselben, über Betriebsmittel das Personal eines Unternehmens verfügen kann. Der Tatbestand ist namentlich anwendbar auf selbstständige Geschäftsführer sowie auf operationell leitende Organe von juristischen Personen bzw. Kapitalgesellschaften. Geschäftsführer ist aber auch, wem die Stellung nur faktisch zukommt und ihm nicht formell eingeräumt worden ist (BGE 129 IV 124 E. 3.1; BGE 123 IV 17 E. 3b; BGE 120 IV 190 E. 2b; BGE 105 IV 106 E. 2; BGE 100 IV 113 f.).
1.3 Der Tatbestand setzt einen Vermögensschaden voraus. Ein solcher kann in einer tatsächlichen Schädigung durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nicht-Verminderung der Passiven Nicht-Vermehrung der Aktiven liegen. Ein Schaden liegt bereits vor, wenn das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist. Dies ist der Fall, wenn der Gefährdung im Rahmen einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung Rückstellung Rechnung getragen werden muss (BGE 129 IV 124 E. 3.1; BGE 123 IV 17 E. 3d; BGE 122 IV 279 E. 2a; BGE 121 IV 104 E. 2c mit Hinweisen). Zwischen der Verletzung der Treuepflicht und dem Vermögensschaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen.
1.4 Die im Gesetz nicht näher umschriebene Tathandlung der ungetreuen Geschäftsbesorgung besteht in der Verletzung jener spezifischen Pflichten, die den Täter in seiner Stellung als Geschäftsführer generell, aber auch bezüglich spezieller Geschäfte zum Schutz des Auftraggebers bzw. des Geschäftsherrn treffen (BGE 120 IV 190 E. 2b; BGE 118 IV 244 E. 2b). Die entsprechenden Pflichten ergeben sich aus dem jeweiligen Grundverhältnis. Tätigkeiten, die sich im Rahmen einer ordnungsgemässen Geschäftsführung halten, sind nicht tatbestandsmässig, selbst wenn die geschäftlichen Dispositionen zu einem Verlust führen.
1.5 Die Aktiengesellschaft ist auch in der Form der – hier vorliegenden – Einpersonen-AG selbständige Vermögensträgerin, und ihr Vermögen ist nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes. Die Einpersonen-AG ist auch für den Alleinaktionär jemand anderer. Eine Vermögensdisposition zu Lasten der Einpersonen-AG, welche das Reinvermögen der AG (Aktiven minus Passiven) im Umfang des Aktienkapitals und der gebundenen Reserven allerdings unberührt lässt, ist nicht pflichtwidrig im Sinne von Art. 158 StGB, egal, ob es sich bei der Vermögensdisposition um eine (verdeckte) Gewinnausschüttung um einen Aufwand handelt. Wird hingegen das Reinvermögen der Einpersonen-AG im Umfang des Aktienkapitals und der gebundenen Reserven angetastet, so ist die Vermögensdisposition pflichtwidrig, soweit sie eine (verdeckte) Gewinnausschüttung darstellt, auch wenn der Alleineigentümer darin einwilligt. Handelt es sich bei der Vermögensdisposition hingegen um Aufwand, so ist sie nur pflichtwidrig unter der weiteren Voraussetzung, dass sie mit den Pflichten des Geschäftsführers zur sorgfältigen Verwaltung der Geschäfte der Gesellschaft nicht vereinbar ist, was von den gesamten Umständen des konkreten Falles abhängt (BGE 117 IV 259 E. 5b; zum Ganzen eingehend und die bisherige Rechtsprechung bestätigend: BGE 141 IV 104 E. 3.2). Da der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung das anvertraute Vermögen, hier dasjenige der E.___ AG, schützt, heisst das auch, dass der objektive Tatbestand nicht mehr erfüllt werden kann, wenn kein Reinvermögen (Aktiven minus Passiven, also kein Aktienkapital und keine Reserven mehr) vorhanden ist.
Wenn der subjektive Tatbestand erfüllt ist, was nachfolgend zu prüfen ist, handelt es sich um einen – strafbaren – untauglichen Versuch (vgl. hierzu ausführlich: Urteil des Bundesgerichts 6B_1422/2019 vom 28.5.2021 E. 5 unter Hinweis auf die vom Bundesgericht mit BGE 140 IV 150 E. 3.6 postulierte und vorliegend zu bejahende tatbestandliche Strafbarkeitseinschränkung des ernstlichen Angriffs auf die rechtlich geschützte Ordnung).
1.6 Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Dieser muss sich auf die Pflichtwidrigkeit des Handelns Unterlassens, die Vermögensschädigung und den Kausalzusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und dem Schaden beziehen. Eventualvorsatz genügt. An dessen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen, da der objektive Tatbestand, namentlich das Merkmal der Pflichtverletzung, relativ unbestimmt ist (BGE 120 IV 190 E. 2b mit Hinweisen). Der qualifizierte Treuebruchtatbestand gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB setzt die Absicht unrechtmässiger Bereicherung voraus. Eventualabsicht genügt (vgl. zum Tatbestand BGE 142 IV 346 E. 3.2).
2.1 Vorliegend hatte der Beschuldigte als VR-Präsident mit Einzelunterschrift mitunter die Pflicht der sowie die Verantwortung für die Vermögensverwaltung der E.___ AG. In seiner Funktion kam ihm ein hohes Mass an Selbständigkeit zu. Er gab zu Lasten der E.___ AG Zahlungen in Auftrag und tätigte über die auf die Gesellschaft laufenden Kreditkarten Käufe und Barbezüge, womit er über fremdes Vermögen verfügte. Diesbezüglich war er faktischer Inhaber der operativen Leitung, er handelte als Geschäftsführer im Sinne des Gesetzes. Das wird von ihm soweit ersichtlich auch nicht bestritten, er war der Meinung, als Verwaltungsräte hätten er (als Firmenleiter) und K.___ (als Buchhalter) gereicht (10.1.1/035 Rz. 380). Entsprechend wurden gar keine Verwaltungsratssitzungen abgehalten (10.1.1/035 Rz. 409 und 10.1.1/062 Rz. 420 ff., so auch der Zeuge L.___vor Amtsgericht: TG AS 82). Er sei für die finanziellen Angelegenheiten der E.___ AG zuständig gewesen, im Falle von Finanzierungen mit Hilfe von K.___ (10.1.1/036 Rz. 423 ff.).
2.2 Wie festgestellt, hat der Beschuldigte hohe private Auslagen aus Firmengeldern bezahlt und damit hat er die E.___ AG durch diese geschäftsmässig nicht begründeten Ausgaben im gleichen Umfang grundsätzlich an deren Vermögen geschädigt. Auf den Spezialfall der Einmann-AG wird sogleich einzugehen sein.
2.3 Wie unter vorstehender Ziff. III.4.4.4 bereits festgestellt, ist zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass am 1. Oktober 2020 das Reinvermögen der E.___ AG bereits vollständig aufgebraucht war. Er konnte mit seinen Privatbezügen bzw. verdeckten Gewinnausschüttungen im Umfang von CHF 252'906.82 keinen Schaden im Sinne des Straftatbestandes mehr bewirken. Der objektive Tatbestand von Art. 158 Ziffer 1 Abs. 1 und 3 StGB ist somit nicht erfüllt.
2.4 Zu prüfen bleibt der subjektive Tatbestand. Der Beschuldigte handelte vorsätzlich und in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. So wusste der Beschuldigte, welcher täglich den Kontostand anschaute und entschied, welche Zahlungen gemacht werden, um die zunehmend missliche finanzielle Situation der E.___ AG, namentlich um den ab 30. Juni 2010 deutlich ansteigenden Minusstand der flüssigen Mittel. Dass dies ein grosses Problem war, zeigt bspw. die EV von B.___ vom 17.10.2011, 10.2.3/004, wonach der Beschuldigte im 2. Halbjahr 2010 zu ihm gekommen sei und über Probleme mit der Liquidität geklagt habe, worauf im September 2010 Gespräche über eine Beteiligung stattgefunden hätten. Der Beschuldigte selbst gab bei der ersten Einvernahme am 7. Juni 2011 an, im September 2010 hätten sich bei Grossbaustellen in [Ausland] und [Ausland] Probleme ergeben und ab Oktober 2010 habe er dann gemerkt, dass die E.___ AG in Zahlungsschwierigkeiten komme (10.1.1/005 Rz 100 ff.), was ja auch unübersehbar war. Bereits im Juli 2010 wurde mit der Firma W.___ AG über eine Gesamtfinanzierung im Betrag von CHF 1'000.000.00 verhandelt (4.1.1/482 ff.). Indem der Beschuldigte trotz dieses Wissens um die schlechte finanzielle Situation der E.___ AG – die flüssigen Mittel befanden sich per 30. September 2010 mit CHF 480'460.02 im Minus (vgl. 3.2.1/114), die Rechnungen konnten nicht mehr fristgerecht bezahlt werden – seine Lebenshaltung nicht zurückfuhr, sondern seinen aufwändigen Lebensstil bis zuletzt aufrechterhielt und dabei auch nicht davor zurückschreckte, private Ferienreisen in Geschäftsreisen umschreiben zu lassen und in Erwartung des anstehenden Konkurses Barbezüge zu tätigen, um diese noch verwenden zu können, hat er die E.___ AG gewollt geschädigt. Er musste – namentlich auch aufgrund seiner dominanten Stellung in der E.___ AG – zweifelsfrei somit davon ausgehen, dass er mit seinem Privatbezügen die Eigenmittel (Aktienkapital und gebundene Reserven) der Gesellschaft antasten würde. Mit anderen Worten hat der Beschuldigte die E.___ AG bis zum letzten Tropfen ausgequetscht. Dass der Beschuldigte keinen Anspruch auf einen Bonus haben konnte, war, wie bereits erwähnt, offenkundig. Ebenso wurde bei der Beweiswürdigung festgestellt, dass es keineswegs beabsichtigt war, die Privatbezüge Ende des Jahres in Privatschulden gegenüber der Firma umzubuchen (wobei dies rechtlich keine Rolle gespielt hätte, war der Beschuldigte doch, wie bereits erwähnt (vgl. vorstehende Ziff. III.4.5.5, in fine), gar nicht in der Lage, diese Schulden zu bezahlen, womit auch die Gefährdung des Vermögens der E.___ AG einen Schaden dargestellt hätte). Bezüglich der Überschuldung lag ab Spätsommer 2010 beim Beschuldigten Eventualvorsatz vor. Bezeichnend ist, dass der Beschuldigte nach dem 2. Februar 2011, als die X.___-Gruppe weitere finanzielle Unterstützung kategorisch ablehnte (vgl. die Aussagen des Beschuldigten vom 7.6.2011, 10.1.1/004 Rz. 117: «Das war unser Untergang»; und vom 5.8.2011, 10.1.1/100 Rz. 184 ff.: ab dem 2. Februar 2010 sei ihm die Überschuldung klar gewesen) und der Konkurs für alle Beteiligten erkennbar unausweichlich war, weiterhin erhebliche Privatbezüge tätigte und soweit möglich Geld der E.___ AG für sich «in Sicherheit» brachte. Dies, obwohl er wusste, dass den Mitarbeitenden seit längerem kein Lohn mehr ausbezahlt werden konnte (EV vom 17.11.2011 Ziff. 615 ff.). Der – in diesem Zeitpunkt klar direkte – Vorsatz ist damit offenkundig. Mit dem Veranlassen der Bezahlung von privaten Kosten (von sich und seiner Familie) handelte der Beschuldigte in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Der subjektive Tatbestand von Art. 158 Ziffer 1 Abs. 3 StGB ist damit erfüllt. Nach dem Gesagten hat sich der Beschuldigte des untauglichen Versuchs der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3, begangen ab dem 1. Oktober 2011 bis zum 5. Mai 2011, schuldig gemacht. Dass der Beschuldigte sich der Tatsache, dass das gesamte Eigenkapital per 1. Oktober 2010 aufgebraucht war, bewusst war und er keine rechtlich relevante Schädigung der Gesellschaft anstrebte, kann füglich ausgeschlossen werden. Da die regelmässigen Bezüge über einen längeren Zeitraum von einem einheitlichen Tatvorsatz getragen waren, ist nicht von einem mehrfach begangenen Delikt auszugehen. Eine Mehrfachdelinquenz ist denn auch gar nicht zur Anklage gebracht worden und fällt auch mit Blick auf das Verschlechterungsverbot ausser Betracht (vgl. BGE 139 IV 282 E. 2.5 S. 288).
V. Strafzumessung
1.1 Die Strafzumessung erfolgt gemäss Art. 47 StGB nach dem Verschulden des Täters. Dabei hat der Richter die Umstände der Tat (sog. Tatkomponente) zu beachten, mithin das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolgs, die Willensrichtung, mit welcher der Täter gehandelt hat sowie die Beweggründe des Täters. Neben diesen auf die Tat bezogenen Faktoren sind auch täterbezogene Elemente (sog. Täterkomponenten) zu berücksichtigen. Diese umfassen das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters sowie sein Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, seine Strafempfindlichkeit und allenfalls gezeigte Reue und Einsicht (BGE 129 IV 6, E. 6.1).
1.2 Laut Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. Gemäss Art. 44 Abs. 1 StGB kann das Gericht eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren bestimmen.
2.1 Vorliegend reicht der Strafrahmen von einem Tagessatz Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Die Vorinstanz hat eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 160.00, bedingt erlassen auf eine Probezeit von zwei Jahren, ausgefällt. Da die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil ergriffen hat, kann diese Strafe nicht zu Ungunsten des Beschuldigten erhöht werden (Art. 391 Abs. 2 StPO).
2.2.1 Das objektive Tatverschulden – vorerst hypothetisch ausgehend vom vollendeten Delikt – ist erheblich: Der Beschuldigte hat, nachdem die E.___ AG bereits überschuldet und kaum noch liquid war, weiterhin mit Privatbezügen einen luxuriösen Lebenswandel finanziert, selbst dann noch, als den Mitarbeitenden keine Löhne mehr ausbezahlt werden konnten. Die unrechtmässigen Bezüge erreichen mit CHF 252'000.00 einen stattlichen Betrag, dies auch im Hinblick auf den Gesamtumsatz der E.___ AG. Der Beschuldigte hat mehrheitlich mit Eventualvorsatz, der milderen Vorsatzform, gehandelt, was sich entlastend auswirkt. Seine egoistischen und finanziellen Beweggründe sind bereits ein notwendiges, qualifizierendes Tatbestandselement und können bei der Strafzumessung nicht erneut zu Ungunsten des Beschuldigten gewertet werden. Die Delinquenz des Beschuldigten dauerte ein gutes halbes Jahr, sodass sich der Beschuldigte durchschnittlich monatlich über CHF 30'000.00 unrechtmässig verschaffte. Das Tatverschulden ist als gerade noch leicht zu qualifizieren, was beim vorgegebenen Strafrahmen einer Einsatzstrafe von 18 Monaten Freiheitsstrafe bzw. 540 Strafeinheiten entspricht.
2.2.2 Diese Einsatzstrafe ist nunmehr zu mildern, da der Beschuldigte nur einen untauglichen Versuch der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung begangen hat (Art. 22 Abs. 1 StGB). Der untaugliche Versuch ist dadurch gekennzeichnet, dass der Taterfolg gar nicht eintreten kann. Der Beschuldigte hat aber alles aus seiner Sicht zur Tatbegehung Notwendige getan. Eine Strafmilderung um 50 % auf nunmehr 270 Strafeinheiten erscheint angemessen.
2.3 Bei den Täterkomponenten sind kaum Umstände erkennbar, die für die Strafzumessung relevant wären. Aus dem persönlichen Verhältnissen, dem Verhalten im Strafverfahren und bei der Strafempfindlichkeit ergibt sich nichts, hinsichtlich der Geständnisbereitschaft kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf US 28 f. verwiesen werden.
2.4 Zu berücksichtigen sind nun noch die Verletzung des Beschleunigungsgebots und die – damit letztlich zusammenhängende – lange Zeitdauer seit den strafbaren Handlungen. Da seither schon mehr als zwei Drittel der Verjährungsfrist abgelaufen sind und sich der Beschuldigte seither wohl verhalten hat, ist eine Strafmilderung gemäss Art. 48 lit. e StGB vorzunehmen. Seit der Delinquenz sind 12 Jahre verstrichen und der Beschuldigte hat sich wohl verhalten. Eine Reduktion der Strafe um einen Drittel auf nunmehr 180 Strafeinheiten ist angebracht.
Die Verletzung des Beschleunigungsgebotes beansprucht neben dem Strafmilderungsgrund von Art. 48 lit. e StGB selbständige Bedeutung. Zur Abgeltung der Verletzung des Beschleunigungsgebots ist eine weitere Reduktion der Strafe um die Hälfte auf letztlich 90 Strafeinheiten bzw. 90 Tagessätze Geldstrafe angemessen. Dazu kann auf die Ausführungen, namentlich die dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung, unter Ziffer II.3. hiervor verwiesen werden.
2.5 Zur Tagessatzhöhe der Geldstrafe: Der Beschuldigte gab vor dem Berufungsgericht an, er verdiene rund Euro 100’00.00 jährlich. Unterhaltspflichten habe er keine mehr. Sein Sohn habe nach dem Abitur in [Ausland] ein Bachelor- und schliesslich ein Masterstudium in [Ausland] absolviert. Seine Ehefrau, mit welcher er seit 2015 verheiratet sei, mache freiberuflich Thai-Massage und verdiene etwas dazu (ASB 56). Der Beschuldigte lebt nun in [Land 1] und wohnte vorher zeitweise in [Land 2], so dass von amtlichen Erkundigungen keine verlässlicheren Ergebnisse zu erwarten sind. Ausgehend von einem Nettoeinkommen von CHF 8'000.00 monatlich und einem Pauschalabzug von 30% ergibt sich (abgerundet) ein Tagessatz von CHF 180.00.
2.6 Dem Beschuldigten ist der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von zwei Jahren zu gewähren.
Der Beschuldigte befand sich vom 7. Juni 2011 bis 25. November 2011 (insgesamt 172 Tage) in Haft. Zufolge Anrechnung der erstandenen Haft ist die Geldstrafe von 90 Tagessätzen getilgt.
2.7 Zu entschädigen ist eine Überhaft von 82 Tagen (172 Tage - 90 Tage). Bei einem Tagesansatz von – wie beantragt – CHF 200.00 ergibt sich eine Genugtuung von CHF 16'400.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 15. Oktober 2011 (mittlerer Zeitpunkt der Überhaft).
VI. Ersatzforderung
1. Gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt wurden dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Die Einziehung setzt ein Verhalten voraus, das den objektiven und den subjektiven Tatbestand einer Strafnorm erfüllt und rechtswidrig ist (BGE 144 IV 1 E. 4.2.1 sowie BGE 144 IV 285 E. 2.2; 141 IV 155 E. 4.1; 140 IV 57 E. 4.1.1; je mit Hinweisen). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden bzw. verfügbar, so erkennt das Gericht nach Art. 71 Abs. 1 StGB auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nach den Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 2 StGB nicht ausgeschlossen ist. Nach Art. 71 Abs. 2 StGB kann das Gericht von einer Ersatzforderung ganz teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. Von dieser Möglichkeit ist nach der Rechtsprechung mit Zurückhaltung Gebrauch zu machen. Es müssen bestimmte Gründe vorliegen, die zuverlässig erkennen lassen, dass sich die ernsthafte Gefährdung der Resozialisierung nicht durch Zahlungserleichterungen beheben lässt und die Ermässigung der Ersatzforderung für eine erfolgreiche Wiedereingliederung des Täters unerlässlich ist (vgl. Urteil 6B_1416/2020 vom 30.6.2021 E. 6.3.2 mit Hinweisen). Zu beachten ist dabei auch der allgemeine Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Urteil des Bundesgerichts 6B_ 181/2021 vom 29.11.2022 mit Verweis auf BGE 147 IV 479 E. 6.5.3.3;141 IV 305 E. 6.3.3; 124 I 6 E. 4b/bb; je mit Hinweisen).
2. Die sich vorweg stellende Frage, ob bei einem nur versuchten Delikt überhaupt auf eine Ersatzforderung erkannt werden kann, kann vorliegend offen bleiben. Die Delinquenz liegt nunmehr 12 bis 13 Jahre zurück. Mit Blick auf diesen langen Zeitablauf erscheint die Festsetzung einer Ersatzforderung jedenfalls als unverhältnismässig, davon ist abzusehen.
VII. Beschlagnahmte Uhren
1. Ist eine Beschlagnahme eines Gegenstandes Vermögenswertes nicht vorher aufgehoben worden, so ist über seine Rückgabe an die berechtigte Person, seine Verwendung zur Kostendeckung über seine Einziehung im Endentscheid zu befinden (Art. 267 Abs. 3 StPO).
2. Mit Verfügung vom 10. April 2012 (12.1.2/019 f.) wurden die anlässlich der Hausdurchsuchung vom 7. Juni 2011 in [Ort 1] beim Beschuldigten sichergestellten beiden Uhren der Marke Rolex, Model Oyster Perpetual, und Breitling, Chronograph, zur Sicherstellung der Verfahrenskosten, allfälliger Geldstrafen und Bussen sowie im Hinblick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung (sogenannte Ersatzforderungsbeschlagnahme) beschlagnahmt.
Der Beschuldigte schuldet dem Staat aus seinen Anteilen an die Verfahrenskosten netto – d.h. nach Verrechnung mit den reduzierten Parteientschädigungen – CHF 33'156.35 (siehe Ziffer VIII.1.4 und 2.2 hiernach). Entsprechend ist die Uhr Rolex zu verwerten und der Erlös zur Deckung dieser Verfahrenskosten zu verwenden. Ein allfälliger Überschuss ist dem Beschuldigten auszuzahlen. Da die Verwertung der Uhr Rolex voraussichtlich zur Deckung des Ausstandes ausreichen wird, kann die Uhr Breitling dem Beschuldigten herausgegeben werden.
VIII. Kosten und Entschädigungen
1. Erstinstanzliches Verfahren
1.1 Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht. Enthält das Gesetz keine abweichenden Bestimmungen, werden die Verfahrenskosten nach Art. 423 Abs. 1 StPO vom Bund dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat. Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Die Kostentragungspflicht gründet in diesem Falle auf der Annahme, dass jene die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens als Folge ihrer Tat veranlasst hat und daher zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet sein soll (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1). Erforderlich ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem zur Verurteilung führenden strafbaren Verhalten und den durch die Abklärung entstandenen Kosten (Urteil des Bundesgerichts 6B_428/2012 vom 19.11.2012 E. 3.1 mit Hinweisen).
Wird das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO).
Nach der Rechtsprechung sind der beschuldigten Person, die bei mehreren angeklagten Straftaten nur teilweise schuldig gesprochen, im Übrigen aber freigesprochen wird, die Verfahrenskosten nur anteilsmässig aufzuerlegen. Dies gilt jedenfalls, soweit sich die verschiedenen Anklagekomplexe klar auseinanderhalten lassen. Die anteilsmässig auf die mit einem Freispruch endenden Anklagepunkte entfallenden Kosten verbleiben beim Staat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Vollumfänglich kostenpflichtig werden kann die beschuldigte Person bei einem teilweisen Schuldspruch nur, wenn die ihr zur Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang stehen und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich jedes Anklagepunkts notwendig waren. Bei der Aufteilung der Verfahrenskosten steht der Behörde ein gewisser Ermessensspielraum zu (Urteile des Bundesgerichts 6B_753/2013 vom 17.2.2014 E. 3.1; 6B_574/2012 vom 28.5.2013 E. 2.3 und 6B_523/2013 vom 10.9.2013 E. 2.2; je mit Hinweisen; vgl. auch Yvona Griesser, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, hrsg. von Donatsch et al., 2. Aufl. 2014, Art. 426 StPO N 3; Thomas Domeisen, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, Art. 426 StPO N 3 und 6).
1.2 Gegen den Beschuldigten wurde zunächst am 21. April 2011 ein Strafverfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht (Hauptdelikt) eröffnet. In diesem Punkt erfolgte nunmehr ein Schuldspruch. Die weiteren Ergänzungen erfolgten grösstenteils aufgrund der Ermittlungen im Zusammenhang mit diesem Vorhalt: Vorhalte des betrügerischen Konkurses, der Misswirtschaft (Eröffnung am 29.6.2011) und des Unterlassens der Buchführung (Eröffnung am 22.12.2011). Nur in einem indirekten Zusammenhang mit dem Hauptdelikt stand die Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Eröffnung am 7.6.2011). Gar keinen Zusammenhang mit dem Hauptdelikt hatte der Vorhalt der SVG-Widerhandlung (Eröffnung am 18.11.2014, Tempoüberschreitung um 39 km/h auf der Autobahn).
Mit Teil-Einstellungsverfügung vom 19. April 2021 wurde das Verfahren mit Ausnahme des Hauptdelikts eingestellt (1.5.6/003 ff.). Hinsichtlich der Konkursdelikte erfolgte das, weil über die E.___ AG nie der Konkurs verhängt wurde, hinsichtlich der Widerhandlungen gegen das BetmG und das SVG erfolgte die Einstellung wegen Verjährung. Der Kostenentscheid wurde in den Endentscheid übertragen, da die weitaus meisten Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit dem Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgungen gestanden seien.
Die Vorinstanz hat trotz Teil-Einstellung keine Kostenausscheidung vorgenommen und den Beschuldigten vollumfänglich für kostenpflichtig erklärt. Begründet wurde dies damit, dass mit Ausnahme der SVG-Widerhandlung alle dem Beschuldigten zu Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang standen und schlussendlich ein Sachverhalt abzuklären war: Die Geschäfts- und Buchführung der E.___ AG. Dies gelte auch für das Verfahren wegen des Vergehens gegen das BetmG, sei doch die Hanf-Indoor-Anlage betrieben worden, um Liquidität für die E.___ AG zu generieren.
Der Vorinstanz kann weitgehend gefolgt werden: Die getätigten Untersuchungshandlungen und damit auch der Verteidigeraufwand betrafen weitaus überwiegend den Vorhalt der ungetreuen Geschäftsbesorgung. Das Vergehen gegen das BetmG stellte einen eigenständigen Deliktskomplex dar, der nur indirekt mit der Geschäftstätigkeit der E.___ AG zusammenhängt, sollte der Erlös aus der Hanf-Indoor-Anlage doch dazu dienen, Mittel für die sich in Schieflage befindlichen E.___ AG zu beschaffen. Obwohl der Verfahrensaufwand bezüglich des Drogendelikts und namentlich bezüglich des SVG-Delikts vergleichsweise bescheiden war, ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung eine Kostenausscheidung vorzunehmen. Ermessensweise sind die Urteilsgebühr von CHF 3'000.00 sowie die weiteren erstinstanzlichen Auslagen von CHF 6'000.00 zu 75 % (= CHF 6'750.00) dem Beschuldigten und zu 25 % (= CHF 2'250.00) dem Staat aufzuerlegen.
1.3 Angesichts der aktuellen finanziellen Lage des Beschuldigten und der zwecks Sicherstellung der Verfahrenskosten beschlagnahmten Uhren sind die Kosten für die amtliche Verteidigung vor erster Instanz, welche CHF 30'941.80 ausmachen, zu den Verfahrenskosten zu schlagen (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO). Angesichts der erstinstanzlichen Kostenverlegung hat der Beschuldigte die vom Staat an den vormaligen amtlichen Verteidiger ausbezahlte Entschädigung im Umfang von 75 % (= CHF 23'206.35) zurückzuzahlen. CHF 7'735.45 (= 25 % von CHF 30'941.80) gehen definitiv zu Lasten des Staates.
1.4 Dem Beschuldigten ist für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung im Umfang von 25 % einer vollen Entschädigung zuzusprechen. Gestützt auf die ins Recht gelegte Honorarnote (ASB 50 ff.), die sich als angemessen erweist, machen die gesamten Aufwendungen und Auslagen für das erstinstanzliche Verfahren CHF 8'849.95 aus, zzgl. MWST von CHF 681.45 sind dies CHF 9'531.40. Demzufolge ist dem Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Solothurn, eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'382.85 zuzusprechen. Dieser Betrag ist mit den vom Beschuldigten zu tragenden Gerichtskosten zu verrechnen (vgl. hierzu nachfolgende Ziff. 3).
2.1 Im Berufungsverfahren unterliegt der Beschuldigte namentlich im Schuldpunkt, die Strafe wird halbiert, eine Ersatzforderung wird nicht festgesetzt und für das erstinstanzliche Verfahren wird eine Kostenausscheidung vorgenommen. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 15'000.00, total CHF 15'060.00, sind dem Beschuldigten zu 50 % (CHF 7'530.00) aufzuerlegen. Der andere hälftige Kostenanteil erliegt auf dem Staat (Art. 428 Abs. 1 StPO).
2.2 Die gemäss Honorarnote (ASB 50 ff.) geltend gemachte Entsch.igung für das Berufungsverfahren beläuft sich auf der Basis eines Stundenansatzes von CHF 300.00, der vorliegend zu gewähren ist, sowie inkl. Auslagen und MWST auf total CHF 4’115.90. Für die Berufungsverhandlung und mündliche Urteilseröffnung wurde – im Sinne einer Schätzung – ein Zeitaufwand von drei Stunden (CHF 900.00) geltend gemacht. Da hierfür effektiv weniger Zeit in Anspruch genommen wurde, hat ein Abzug von CHF 500.00 zu erfolgen, so dass eine volle Parteientschädigung von CHF 3'894.30 (Aufwand und Auslagen von CHF 3'615.90, MWST: CHF 278.40) resultiert. In Anbetracht der Kostenverlegung, welche die Entschädigungsfrage präjudiziert, ist dem Beschuldigten für das Berufungsverfahren vom Staat Solothurn eine um 50 % reduzierte Parteientschädigung, ausmachend CHF 1'947.15, zuzusprechen. Dieser Betrag ist mit den vom Beschuldigten zu tragenden Verfahrenskosten zu verrechnen (vgl. nachfolgende Ziff. 3). 3. Die dem Beschuldigten auferlegten Verfahrenskosten von total CHF 37'486.35 (1. Instanz: CHF 29'956.35; 2. Instanz: CHF 7'530.00) sind mit den ihm zugesprochenen Parteientschädigungen von total CHF 4'330.00 (1. Instanz: CHF 2'382.85; 2. Instanz: CHF 1'947.15) zu verrechnen, so dass dieser dem Staat Solothurn noch CHF 33'156.35 zu bezahlen hat. Diese Restanz ist mit dem Erlös aus der Verwertung der Uhr, Marke Rolex, Model Oyster Perpetual, zu verrechnen.
Demnach wird in Anwendung von Art. 34, Art. 42, Art. 44, Art. 47, Art. 48 lit. e, Art. 51, Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB; Art. 135, Art. 267 Abs. 3, Art. 379 ff., Art. 398 ff., Art. 423 Abs. 1, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3, Art. 429 Abs. 1 lit. a, Art. 431 Abs. 2, Art. 436 Abs. 1, Art. 442 Abs. 4 StPO erkannt: 1. Der Antrag von A.___ auf Einstellung des Strafverfahrens wird abgewiesen. 2. A.___ hat sich des untauglichen Versuchs der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung, begangen ab dem 1. Oktober 2010 bis zum 5. Mai 2011, schuldig gemacht. 3. Es wird gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 15. Juli 2022 (nachfolgend erstinstanzliches Urteil) festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist. 4. A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je CHF 180.00, unter Gewährung des bedingten Vollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren. 5. A.___ sind 172 Tage Haft (7.6.2011 bis 25.11.2011) an die Geldstrafe anzurechnen, womit diese vollständig abgegolten ist. 6. A.___ wird für die Überhaft von 82 Tagen vom Staat Solothurn eine Genugtuung von CHF 16'400.00, zzgl. 5 % Zins seit 15. Oktober 2011, zugesprochen. 7. Es wird keine Ersatzforderung des Staates festgesetzt. 8. Die beschlagnahmte Uhr, Marke Rolex, Model Oyster Perpetual (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Wirtschaftsdienst), ist nach Rechtskraft dieses Urteils durch die Polizei zu verwerten und der Erlös ist mit den von A.___ zu tragenden Verfahrenskosten (vgl. Ziff. 15) zu verrechnen. Ein allfälliger Überschuss ist dem Beschuldigten auszubezahlen.
9. Die beschlagnahmte Uhr, Marke Breitling, Chronograph (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Wirtschaftsdienst), ist A.___ nach Rechtskraft dieses Urteils herauszugeben. 10. Die Entschädigung des ehemaligen amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rudolf Montanari, Solothurn, ist gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziffer 7 des erstinstanzlichen Urteils für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 30'941.80 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn bezahlt worden. Von diesem Betrag hat A.___ CHF 23'206.35 (= 75 % von CHF 30'941.80) dem Staat zurückzuzahlen. CHF 7'735.45 gehen definitiv zu Lasten des Staates (vgl. Ziff. 12). 11. A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Solothurn, wird für das erstinstanzliche Verfahren vom Staat Solothurn eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'382.85 (= 25 % von CHF 9'531.40) zugesprochen (vgl. aber auch Ziff. 15 betreffend Verrechnung) 12. An die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, den Kosten der amtlichen Verteidigung von CHF 30'941.80 und den weiteren Auslagen von CHF 6'000.00, total CHF 39'941.80, hat A.___ CHF 29'956.35 (= 75 % von CHF 39'941.80) zu bezahlen. CHF 9'985.45 (= 25 % von CHF 39'941.80) erliegen auf dem Staat. 13. A.___, privat vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Solothurn, wird für das Berufungsverfahren vom Staat Solothurn eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 1'947.15 (= 50 % von CHF 3'894.30) zugesprochen (vgl. aber auch Ziff. 15 betreffend Verrechnung). 14. An die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 15'000.00, total CHF 15'060.00, hat A.___ CHF 7'530.00 (= ½ von CHF 15'000.00) zu bezahlen. CHF 7'530.00 erliegen auf dem Staat. 15. Die A.___ auferlegten Verfahrenskosten von total CHF 37'486.35 (= CHF 29'956.35 + CHF 7'530.00) sind mit den ihm zugesprochenen Parteientschädigungen von total CHF 4'330.00 (= CHF 2'382.85 + CHF 1'947.15) zu verrechnen, so dass dieser dem Staat Solothurn noch CHF 33'156.35 zu bezahlen hat. Diese Restanz ist mit dem Erlös aus der Verwertung der Uhr, Marke Rolex, Model Oyster Perpetual (vgl. Ziff. 8), zu verrechnen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin von Felten Lupi De Bruycker |
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