Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.53 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 12.01.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn verurteilte A.___ wegen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges zu einer Busse von CHF 500.00. A.___ legte Berufung ein, da er die Ladung als ausreichend gesichert ansah. Die Vorinstanz bestätigte jedoch, dass die Ladung ungenügend gesichert war, da sie während der Fahrt heruntergefallen war. A.___ wurde zu einer Busse von CHF 500.00 verurteilt, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von fünf Tagen. Die Gerichtskosten betrugen CHF 800.00 für das erstinstanzliche Verfahren und CHF 1'050.00 für das Berufungsverfahren. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Berufung; Urteil; Anklage; Ladung; Gurte; Sachverhalt; Vorinstanz; Bundesgericht; Verfahren; Beschuldigten; Fahrzeug; Urteils; Bundesgerichts; Hinweisen; Sicherung; Befehl; Berufungsverfahren; Berufungsbegründung; Person; Staatsanwaltschaft; Verfahrens; Apos; Sachverhalts; Beweiswürdigung; Beweise; Verteidigung; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 106 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 325 StPO ; Art. 350 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 4 BV ; Art. 416 StPO ; Art. 57 VRV ; Art. 9 BV ; Art. 97 BGG ; |
Referenz BGE: | 103 Ia 6; 118 Ia 144; 127 I 54; 129 I 173; 131 IV 100; 131 IV 132; 141 IV 132; 141 IV 369; 141 IV 437; |
Kommentar: | Niklaus Schmid, Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 3. Auflage, Zürich, 2018 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.53 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 12.01.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.7 |
Titel: | Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 12. Januar 2023 Es wirken mit: Oberrichter Marti Oberrichter Werner Gerichtsschreiberin Fröhlicher In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Anklägerin
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter, Beschuldigter und Berufungskläger
betreffend Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges Die Berufung wird im schriftlichen Verfahren behandelt (Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO).
Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Mit Strafbefehl vom 28. Oktober 2021 verurteilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn A.___ (im Folgenden der Beschuldigte) wegen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges zu einer Busse von CHF 500.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von fünf Tagen, sowie zur Tragung der Verfahrenskosten von CHF 525.00 (Aktenseite 19 [im Folgenden AS 19]).
2. Mit Schreiben vom 9. November 2021 erhob der Beschuldigte, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter, gegen diesen Strafbefehl fristgerecht Einsprache (AS 22 f.).
3. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2021 überwies die Staatsanwaltschaft die Akten an das Gerichtspräsidium von Thal-Gäu zum Entscheid über den gegen den Beschuldigten erhobenen Vorhalt; dies unter Festhaltung am angefochtenen Strafbefehl (AS 2 f.).
4. Am 24. Mai 2022 fällte der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu folgendes Urteil (AS 81 ff.): 1. A.___ hat sich des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges, begangen am 4. Oktober 2021, schuldig gemacht. 2. A.___ wird zu einer Busse von CHF 500.00 verurteilt, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen. 3. A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 400.00, total CHF 800.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 200.00, womit die gesamten Kosten CHF 600.00 betragen.
5. Gegen dieses Urteil liess der Beschuldigte mit Schreiben vom 2. Juni 2022 die Berufung anmelden (AS 77). Die Berufungserklärung datiert vom 28. Juni 2022.
6. Mit Stellungnahme vom 30. Juni 2022 teilte die stv. Oberstaatsanwältin mit, die Staatsanwaltschaft stelle keinen Antrag auf Nichteintreten und verzichte sowohl auf eine Anschlussberufung als auch auf eine weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.
7. Mit Verfügung vom 12. Juli 2022 ordnete der Instruktionsrichter der Strafkammer das schriftliche Verfahren an (Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO) und setzte dem Beschuldigten Frist bis zum 2. August 2022 zur Einreichung einer Berufungsbegründung. 8. Die Berufungsbegründung ging am 18. Juli 2022 ein. Verlangt wird ein vollumfänglicher Freispruch, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Staates. Dem Beschuldigten sei für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 4'251.65 und für das Berufungsverfahren eine solche von CHF 2'240.40 zuzusprechen.
II. Kognition
1. Bildeten – wie vorliegend – ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO): - das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder - die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung.
Bei Übertretungen sind die Rügemöglichkeiten somit limitiert, allerdings nur dann, wenn – wie vorliegend – ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten. Die Rügemöglichkeiten lassen sich mit den früheren kantonalen Nichtigkeitsbeschwerden bzw. der heutigen Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vergleichen. Sämtliche Rechtsfragen sind mit freier Kognition zu prüfen, und zwar nicht nur materiellrechtliche, sondern auch prozessuale. Soweit die Beweiswürdigung bzw. die Feststellung des (rechtmässig erhobenen) Sachverhalts gerügt wird, beschränkt sich die Überprüfung auf offensichtliche Unrichtigkeit, also auf Willkür. Die Regelung entspricht somit derjenigen nach Art. 97 BGG. Auch bei der Überprüfung der Strafzumessung entspricht die Kognition des Berufungsgerichts derjenigen des Bundesgerichts. Solange die vom erstinstanzlichen Richter ausgesprochene Strafe als vertretbar erscheint, besteht kein Anlass, eine Korrektur am Strafmass vorzunehmen (Markus Hug in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Hrsg. Donatsch/Hansjakob/Lieber, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 398 StPO N 23 mit Verweisen). Eine qualifizierte Rügepflicht ist eher zu verneinen, da es dazu an einer hinreichend klaren Rechtsnorm fehlt (Hug, a.a.O., Art. 398 StPO N 24).
Gerügt werden können wegen Rechtsverletzung Sachverhaltsfeststellungen, welche auf einer Verletzung von Bundesrecht, in erster Linie von Verfahrensvorschriften der StPO, beruhen, welche unter offensichtlich ungenügendem Ausschöpfen zur Verfügung stehender Beweismittel erfolgten und bei welchen der Sachverhalt daher unvollständig festgestellt worden und mithin in Missachtung des Grundsatzes der Wahrheitsforschung von Amtes wegen (Untersuchungsgrundsatz) erfolgt ist (Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2018, Art. 398 StPO N 13).
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw. im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 173 E. 3.1, BGE 6B_811/2007 E. 3.2). Dass auch eine andere Beweiswürdigung in Betracht kommt sogar naheliegender ist, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 E. 4.1; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 54 E. 2b, 60 E. 5a, je mit Hinweisen; BGE 1P.232/2003 vom 14. Juli 2003, BGE 6B_811/2007 vom 25. Februar 2008 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann das Abstellen auf eine nicht-schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen einen Verstoss gegen Art. 4 BV (Verbot willkürlicher Beweiswürdigung) nach sich ziehen (BGE 118 Ia 144).
2. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Neu im Sinne dieser Bestimmung sind Tatsachen und Beweise, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden. Nicht darunter fallen demgegenüber Beweise, die beantragt, erstinstanzlich jedoch abgewiesen wurden. Der Berufungskläger kann im Berufungsverfahren namentlich rügen, die erstinstanzlich angebotenen Beweise seien (in antizipierter Beweiswürdigung) willkürlich abgewiesen worden. Desgleichen kann auch der Berufungsgegner seine erstinstanzlichen Beweisanträge im Berufungsverfahren erneuern (Urteil des Bundesgerichts 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012).
III. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Vorhalt
Im Strafbefehl vom 28. Oktober 2021, der vorliegend die Anklage bildet, wird dem Beschuldigten vorgeworfen, am 4. Oktober 2021, um 18:50 Uhr, in Balsthal, Thalstrasse, Fahrrichtung Oensingen, den Lieferwagen mit den Kennzeichen LU […] gelenkt zu haben, dessen Ladung (Glasscheiben) ungenügend bzw. mit zu wenig Sicherungsmaterial gesichert gewesen sei.
2. Beweisergebnis der Vorinstanz
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die auf dem Fahrzeug geladenen Glasscheiben aufgrund eines leichten Bremsmanövers vom Fahrzeug gerutscht und auf die Strasse gefallen seien. Die Ladung sei offensichtlich ungenügend gesichert gewesen. Denn gemäss Lieferschein habe der Beschuldigte 20 Glasscheiben transportiert und diese lediglich mit einem einzigen Spanngurt gesichert, der sich während der Fahrt gelöst habe.
3. Einwände des Beschuldigten
3.1 Verletzung des Anklageprinzips
Die Verteidigung rügt vorab eine Verletzung des Anklageprinzips. Im Strafbefehl finde man lediglich Angaben zu Ort, Datum und Zeit, zum Fahrzeug und zur Ladung. Im Titel werde erwähnt «zu wenig Sicherheitsmaterial» (recte: Sicherungsmaterial). Was dem Beschuldigten jedoch konkret vorgeworfen werde, gehe aus dem Strafbefehl nicht hervor.
Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Der Anklagegrundsatz bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 131 IV 132 E. 3.4.1; 140 IV 188 E. 1.3; je mit Hinweisen). Unter dem Gesichtspunkt der Informationsfunktion muss die beschuldigte Person aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Dies bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreten Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Sie darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (vgl. BGE 103 Ia 6 E. 1b; Urteile des Bundesgerichts 6B_492/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 2.2, nicht publiziert in: BGE 141 IV 437; 6B_1151/2015 vom 21. Dezember 2016 E. 2.2; je mit Hinweisen). Solange für die beschuldigte Person klar ist, welcher Sachverhalt ihr vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an den Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen (Urteil des Bundesgerichts 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 1.1.1 mit Hinweisen).
Im Urteil des Bundesgerichts 6B_1319/2016 vom 22. Juni 2017 wurde geltend gemacht, es werde in der Anklage «nicht dargelegt, wie, von wem, wann, für wen und zu welchem Zweck er die fraglichen Waffen erworben haben solle». Das Bundesgericht hat auch in diesem Fall betont, die Anklageschrift sei nicht Selbstzweck, sondern diene der Umgrenzung des Prozessgegenstandes und der Information der beschuldigten Person, damit diese die Möglichkeit habe, sich zu verteidigen (BGE 141 IV 132 E. 3.4.1; 140 IV 188 E. 1.3 f.; je mit Hinweisen; Urteil 6B_462/2014 vom 27. August 2015 E. 2.3.1, nicht publ. in: BGE 141 IV 369). Ungenauigkeiten sind solange nicht von entscheidender Bedeutung, als für die beschuldigte Person keine Zweifel darüber bestehen, welches Verhalten ihr angelastet wird (Urteile 6B_866/2016 vom 9. März 2017 E. 2.2; 6B_803/2014 vom 15. Januar 2015 E. 1.3; je mit Hinweisen). An die Anklageschrift dürfen keine überspitzt formalistischen Anforderungen gestellt werden (vgl. Urteil 6B_966/2009 vom 25. März 2010 E.3.3).
Mit Verweis auf die dargelegte Rechtsprechung kann auch vorliegend nicht von einer Verletzung des Anklageprinzips ausgegangen werden. Im Strafbefehl wird der Prozessgegenstand klar umgrenzt (ungenügende Sicherung der mitgeführten Ladung) und dem Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger lieferte er genügend Informationen, um die Verteidigung auszuüben. Im Vergleich zum dargelegten Fall des Bundesgerichts 6B_1319/2016 handelt es sich vorliegend zudem um einen weitaus leichteren Vorhalt, der lediglich eine Übertretung beinhaltet. Entsprechend sind auch die Anforderungen an die Anklage noch einmal weniger hoch. Eine Verletzung des Anklageprinzips liegt nicht vor.
3.2 Im Weiteren lässt der Beschuldigte in den Ziffern 7 - 9 der Berufungsbegründung zusammenfassend rügen, die Polizei und die Staatsanwaltschaft hätten keine Abklärungen gemacht, hingegen habe dies die Arbeitgeberin des Beschuldigten getan und diese sei zum Schluss gekommen, dass die Gurte, die die Gläser gehalten habe, während der Fahrt gerissen sei, wobei nicht bekannt sei, weshalb die Gurte gerissen sei. Die Gurte sei nicht mangelhaft gewesen. Jedenfalls sei die Gurte nicht gerissen, weil die Gläser nicht ordnungsgemäss gebunden gewesen seien.
Die Verteidigung führt weiter aus, die Firma sei auf den Transport und die Befestigung von Glasscheiben spezialisiert. Die Ladung sei denn auch von langjährigen erfahrenen Mitarbeitern montiert worden. Der Beschuldigte habe anschliessend die Ladung bzw. dessen Montage auf dem Fahrzeug geprüft und sei damit von Delle (Frankreich) her eine Stunde im Feierabendverkehr unterwegs gewesen, bevor es zum Vorfall gekommen sei. Irgendwann sei die Gurte wohl gerissen, so dass sich die Ladung zu bewegen begonnen habe und schliesslich beim nächsten Bremsmanöver von der Ladefläche gerutscht sei. Die Polizei habe insbesondere keine Abklärungen getätigt in Bezug auf den Gurtenriss, obwohl dies ihre Pflicht gewesen wäre, da sie den Beschuldigten dafür verantwortlich gemacht habe. Die Behauptung der Strafverfolgungsbehörden, es sei zu wenig Sicherungsmaterial verwendet worden, sei absurd. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Amtsgerichtspräsident zum Schluss gekommen sei, es sei lediglich ein einziger Spanngurt zur Sicherung der Ladung verwendet worden. Wenn dieser alleine aus der Tatsache, dass sich die Ladung gelöst habe, zum Schluss komme, die Ladung sei unzureichend gesichert gewesen, sei dies falsch und nicht seriös. Das Gegenteil sei nämlich der Fall. So sei der Beschuldigte mit der Ladung bereits eine Stunde unterwegs gewesen, ohne dass sie runtergefallen sei. Die Ladung sei also offensichtlich ordnungsgemäss gesichert gewesen, bis der Spanngurt gerissen sei. Dementsprechend habe der Zeuge ausgesagt, entweder seien die Scheiben nicht richtig gesichert gewesen das Gewicht sei falsch verteilt gewesen (Berufungsbegründung Ziff. 10).
Indem die Vorinstanz den Sachverhalt nicht richtig festgestellt habe resp. von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der nicht richtig abgeklärt worden sei, sei auf eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung zu schliessen (Berufungsbegründung Ziff. 11).
Was der Beschuldigte hiermit vortragen lässt, ist eine rein appellatorische Kritik, welche nicht geeignet ist, eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz aufzuzeigen. Es wird lediglich eine andere Sichtweise der Geschehnisse dargelegt. Die Verteidigung geht von einer gerissenen Gurte aus. Weder wird im Polizeirapport eine gerissene Gurte erwähnt noch ist eine solche auf den aktenkundigen Fotos zu erkennen. Auf dem einen Foto auf Aktenseite 15 ist eine orangenfarbene Gurte zu sehen, die am einen Ende einen Karabiner und am anderen Ende einen geradlinigen Abschluss aufweist. Es gibt keine Rissstelle bzw. keine zwei Enden, die auf einen Riss hindeuten würden. Insofern ist auch die Stellungnahme der Arbeitgeberfirma E.___ unbehelflich, welche sie am 22. November 2021 zum Administrativverfahren verfasst hat (AS 51) und worin die Firma beteuert, die Gurten seien aus nicht erkennbarem Grund während der Fahrt gerissen. Dass die Vorinstanz diesbezüglich von einem Gefälligkeitsschreiben ausging, ist unter den gegebenen Umständen bzw. vor dem Hintergrund der Interesselage der Firma nicht willkürlich. Zu erwähnen ist denn auch, dass im Firmenschreiben von mehreren Gurten ausgegangen wird, wogegen auf dem entsprechenden Foto nur eine Gurte zu sehen ist und selbst der Beschuldigte von nur einer Gurte spricht.
Wie dem Polizeirapport zu entnehmen ist (AS 7), befand sich vor Ort gar kein Bindematerial. Der Beschuldigte gab dann auf Nachfrage der Polizei an, dieses befinde sich auf einem anderen Lieferwagen, der bereits nach […] unterwegs sei. Auf entsprechende Anfrage wurden dann zwei Fotos übermittelt, auf denen eine orange Gurte und eine unbekannte Anzahl Kunststoffbänder ersichtlich sind. Unter diesen Umständen hatte die Polizei und die Staatsanwaltschaft keinen Anlass, allfällige Gründe eines Gurtenrisses abzuklären. Vielmehr konnte sie aufgrund des vor Ort nicht vorhandenen Bindematerials und der einzigen Gurte, die auf dem anderen Lieferwagen offenbar lag, von einer unzureichenden Sicherung ausgehen, ohne dabei in Willkür zu verfallen. Dass der Beschuldigte mit der Ladung bereits eine Stunde unterwegs war, bevor ein Teil davon runterrutschte, beweist nicht das Gegenteil. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Ladung infolge der mangelhaften Sicherung Spiel hatte, mit der Zeit in Bewegung und schliesslich durch ein Bremsmanöver ins Rutschen geriet, wie dies der Zeuge schliesslich beobachten konnte. Es handelte sich um ein leichtes Bremsmanöver. Eine ordnungsgemäss gesicherte Ladung kann durch eine solche nicht in Bewegung geraten und runterrutschen. Insofern ist die Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Ware sei nicht genügend gesichert gewesen, da ein Teil der Ladung runtergerutscht sei, korrekt. Ein unverschuldetes, schicksalhaftes Runterrutschen der Ladung trotz genügender Sicherung kann unter diesen Umständen ausgeschlossen werden. Dafür gibt es schlicht keine Anhaltspunkte. Vielmehr sticht das Fehlen von genügend Bindematerial vor Ort ins Auge. Die Rügen sind unbegründet, die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist zu bestätigen.
IV. Rechtliche Würdigung
Es kann vorab auf die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz zu den Artikeln 29, 30 Abs. 2, 93 Abs. 2 lit. a SVG und Art. 57 Abs. 1 VRV auf Urteilsseite 4 verwiesen werden. Der Beschuldigte äussert sich in der Berufungsbegründung nicht zu der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz. Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz auf Urteilsseite 5 ist grundsätzlich zu bestätigen, wobei zu bemerken ist, dass sich die Vorinstanz nicht zur Frage äusserte, ob sie von fahrlässiger eventualvorsätzlicher Tatbegehung ausgeht. Es ist daher zu ergänzen, dass dem Beschuldigten kein Eventualvorsatz nachgewiesen werden kann. Es ist von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.
V. Strafzumessung
Vorab kann auf die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz zur Strafzumessung verwiesen werden (US 6). Der Beschuldigte äussert sich in der Berufungsbegründung nicht zur Strafzumessung der Vorinstanz. Die Strafzumessung ist auch nicht zu beanstanden und kann somit bestätigt werden. Der Beschuldigte wird zu einer Busse von CHF 500.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von fünf Tagen, verurteilt.
VI. Kosten und Entschädigung
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschuldigte die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen und seine Entschädigungsbegehren werden abgewiesen. Für das Berufungsverfahren wird die Staatsgebühr auf CHF 1'000.00 festgesetzt, zuzüglich der Auslagen belaufen sich die Kosten des Berufungsverfahrens auf total CHF 1'050.00.
Demnach wird in Anwendung der Art. 29, Art. 30 Abs. 2, Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG; Art. 57 Abs. 1 VRV; Art. 47, Art. 106 StGB; Art. 379 ff., 398 ff. und Art. 416 ff. StPO erkannt: 1. A.___ hat sich des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges, begangen am 4. Oktober 2021, schuldig gemacht.
2. A.___ wird zu einer Busse von CHF 500.00 verurteilt, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von fünf Tagen.
3. Die Entschädigungsbegehren von A.___ werden abgewiesen.
4. A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 400.00, total CHF 800.00, zu bezahlen.
5. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 1'000.00, total CHF 1'050.00, zu bezahlen. Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin von Felten Fröhlicher |
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