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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2022.5)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.5: Verwaltungsgericht

Das Obergericht hat am 9. Mai 2023 in einem Fall von Förderung der Prostitution und weiteren Straftaten entschieden. Es waren mehrere Parteien beteiligt, darunter die Staatsanwaltschaft und mehrere Privatklägerinnen, die gegen den Beschuldigten vorgingen. Es ging um die Förderung der Prostitution zum Nachteil mehrerer Frauen und weitere strafbare Handlungen. Das Gericht hat verschiedene Anträge und Plädoyers gehört, bevor es zu einem Urteil kam. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Das Urteil wurde schriftlich eröffnet.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2022.5

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2022.5
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2022.5 vom 09.05.2023 (SO)
Datum:09.05.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Privatkläger; Privatklägerin; Beschuldigten; Apos; Staat; Studio; Recht; Aussage; Urteil; Arbeit; Drogen; Prostitution; Aussagen; Kunde; Förderung; Beruf; Berufung; Forderung; Gramm
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;Art. 19 BetmG;Art. 195 StGB ;Art. 24 StGB ;Art. 32 BV ;Art. 34 StGB ;Art. 358 StPO ;Art. 41 OR ;Art. 416 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 43 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 OR ;Art. 50 StGB ;
Referenz BGE:105 IV 225; 120 Ia 36; 125 IV 269; 126 IV 76; 129 IV 79; 132 II 117; 133 I 33; 134 IV 17; 134 IV 1; 136 IV 55;
Kommentar:
Stefan Trechsel, Mark Pieth, Schweizer, Praxis, 3. Auflage, Art. 42 StGB, 2018

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2022.5

 
Geschäftsnummer: STBER.2022.5
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 09.05.2023 
FindInfo-Nummer: O_ST.2023.51
Titel: mehrf. Förderung der Prostitution, mehrf. Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts (Bereicherungsabsicht), mehrf. Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung, mehrf. Vergehen gegen das BG über die Betäubungsmittel, Raufhandel

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 9. Mai 2023

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Marti

a.o. Ersatzrichter Kiefer  

Gerichtsschreiberin Fröhlicher

In Sachen

1.    Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Berufungsklägerin

2.    A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Trösch,

3.    B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos,

4.    C.___, vertreten durch Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann,

5.    D.___, vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos,

Privatberufungsklägerschaft   

gegen

 

E.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin Corinne Saner,

Beschuldigter

betreffend     mehrfache Förderung der Prostitution, mehrfache Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts (Bereicherungsabsicht), mehrfache Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung, mehrfache Vergehen gegen das BG über die Betäubungsmittel, Raufhandel

 


 

Es erscheinen am 8. Mai 2023, 8:30 Uhr, zur Verhandlung vor Obergericht:

-        Staatsanwältin, i.A. der Anklägerin und Berufungsklägerin,

-        E.___, Beschuldigter,

-        Rechtsanwältin Corinne Saner, amtliche Verteidigerin,

-        Rechtsanwältin Claudia Trösch, Vertreterin der Privatklägerin A.___,

-        Rechtsanwältin Eveline Roos, Vertreterin der Privatklägerinnen B.___ und D.___,

-        Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, Vertreterin der Privatklägerin C.___,

-        zwei Zuhörer.

 

Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung, gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt, stellt die weiteren Anwesenden fest und legt kurz den Prozessgegenstand, die in Rechtskraft erwachsenen Ziffern des angefochtenen Urteils sowie den geplanten Verhandlungsablauf dar. Er fordert die Parteivertreterinnen auf, zur Frage Stellung zu nehmen, ob eine mündliche Urteilseröffnung gewünscht wird. Sämtliche Parteien verzichten darauf. Das Urteil wird ihnen demnach schriftlich eröffnet werden.

 

Vorfragen der Parteien

 

Rechtsanwältin Saner gibt diverse Unterlagen zu den Akten (Einkommensbelege, Mietvertrag, Passkopie, Überblick über die finanziellen Verhältnisse, Auszug aus dem Betreibungsregister). Eine Kopie der Unterlagen legt sie der Staatsanwältin vor.

 

Der Beschuldigte wird nach Hinweis auf seine Rechte und Pflichten zur Sache und zur Person befragt. Die Einvernahme wird mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet (Tonträger in den Akten).

 

Es werden keine Beweisanträge mehr gestellt. Das Beweisverfahren wird geschlossen.

 

 

Es stellen und begründen folgende Anträge:

 

Staatsanwältin                                    (gibt vorab die Plädoyernotizen zu den Akten)

 

1. E.___ sei schuldig zu sprechen:

a)    der mehrfachen Förderung der Prostitution (Anklageziffer 1) zum Nachteil von A.___, C.___, B.___ und D.___;

b)    der mehrfachen Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht (Anklageziffer 2);

c)    der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung (Anklageziffer 3);

d)    der mehrfachen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anklageziffer 4).

2.    E.___ sei zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten unter Gewährung des bedingten Vollzugs für 24 Monate, bei einer Probezeit von zwei Jahren.

3.    Die ausgestandene Untersuchungshaft vom 23. September 2015 bis 11. Dezember 2015 sei an den unbedingt vollziehbaren Teil der Freiheitsstrafe anzurechnen.

4.    Folgender bei E.___ sichergestellte Vermögenswert sei einzuziehen, soweit möglich, zu verwerten und der Erlös an die Verfahrenskosten anzurechnen, ansonsten zu vernichten: Armbanduhr Carrera.

5.    Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung von E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, sei durch das Gericht festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

6.    Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens seien vollumfänglich E.___ aufzuerlegen.

 

Rechtsanwältin Roos

 

1.    E.___ sei entsprechend den Anträgen der Staatsanwaltschaft zu verurteilen und zu bestrafen.

2.    E.___ sei unter solidarischer Haftung mit F.___ (vgl. Urteil vom 6. Februar 2019 des Amtsgerichts von Olten-Gösgen im Verfahren OGSAG.2918.29) zu verpflichten, der Privatklägerin B.___ eine Genugtuung in Höhe von CHF 8'000.00 zzgl. 5% Zins seit 31. Januar 2015 zu bezahlen.

3.    E.___ sei unter solidarischer Haftung mit F.___ (vgl. Urteil vom 6. Februar 2019 des Amtsgerichts von Olten-Gösgen im Verfahren OGSAG.2918.29) zu verpflichten, für den Schaden, welcher der Privatklägerin B.___ durch die strafbaren Handlungen entstanden ist, grundsätzlich zu 100% für haftbar zu erklären.

4.    E.___ sei unter solidarischer Haftung mit F.___ (vgl. Urteil vom 6. Februar 2019 des Amtsgerichts von Olten-Gösgen im Verfahren OGSAG.2918.29) zu verpflichten, der Privatklägerin D.___ eine Genugtuung in Höhe von CHF 5'500.00 zzgl. 5% Zins seit 1. Oktober 2014 zu bezahlen.

5.    E.___ sei unter solidarischer Haftung mit F.___ (vgl. Urteil vom 6. Februar 2019 des Amtsgerichts von Olten-Gösgen im Verfahren OGSAG.2918.29) zu verpflichten, für den Schaden, welcher der Privatklägerin D.___ durch die strafbaren Handlungen entstanden ist, grundsätzlich zu 100% für haftbar zu erklären.

6.    Die Entschädigung der unterzeichnenden Anwältin als unentgeltliche Rechtsbeiständin von B.___ und D.___ sei gemäss eingereichter Kostennote festzulegen und zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu zahlen.

7.    Die Kosten des Verfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

 

Das Plädoyer wird mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet (Tonaufnahme in den Akten).                 

 

Rechtsanwältin Lupi Thomann

 

1.    Es sei Ziffer 1 Abs. 1 des angefochtenen Urteils aufzuheben und E.___ wegen mehrfacher Förderung der Prostitution zum Nachteil von C.___ gemäss Ziffer 1.2 der Anklageschrift vom 10.7.2019 zu verurteilen.

2.    Es sei Ziffer 8 des angefochtenen Urteils aufzuheben und E.___ zu verpflichten, C.___ eine Genugtuung von CHF 4'000 zuzüglich Zins von 5 % seit 1.4.2014 zu bezahlen.

3.    Es sei Ziffer 8 des angefochtenen Urteils aufzuheben und E.___ gegenüber C.___ für den durch seine strafbaren Handlungen verursachten Schaden dem Grundsatz nach zu 100 % haftbar zu erklären.

4.    Es sei Ziffer 13 Abs. 2 des angefochtenen Urteils aufzuheben und festzuhalten, dass gestützt auf Art. 30 Abs. 3 OHG kein Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber C.___ besteht.

5.    Es sei die Entschädigung von Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann gemäss einzureichender Kostennote zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von E.___ vom Staat zu bezahlen, unter Vorbehaltung des Rückforderungsanspruches des Staates während zehn Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von E.___ erlauben.

6.    Es seien die Verfahrenskosten E.___ aufzuerlegen.

 

Das Plädoyer wird mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet (Tonaufnahme in den Akten).

 

Rechtsanwältin Trösch                      (gibt vorab die Plädoyernotizen zu den Akten)

 

1.    Es seien Ziffer 1 Abs. 1, Ziffer 6 sowie Ziffer 11 Abs. 2 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 02.02.2021 aufzuheben.

2.    Es sei der Beschuldigte gemäss Ziffer 1 und 1.1 der Anklageschrift vom 10.07.2019 der mehrfachen Förderung der Prostitution zum Nachteil der Privatklägerin A.___ schuldig zu sprechen.

3.    Es sei der Beschuldigte zu verpflichten, der Privatklägerin A.___ eine Genugtuung in Höhe von Fr. 11'000.00 zuzüglich 5% Zins ab 01.07.2014 (mittlerer Verfall) zu bezahlen.

4.    Eventualiter zu Ziffer 3 sei der Beschuldigte E.___ unter solidarischer Haftung mit Frau F.___ zu verpflichten, der Privatklägerin A.___ eine Genugtuung in Höhe von Fr. 11'000.00 zuzüglich 5% Zins seit 01.07.2014 (mittlerer Verfall) zu bezahlen.

5.    Es sei der Beschuldigte E.___ gegenüber der Privatklägerin A.___ für den aus den von ihm verübten Delikten entstandenen Schaden zu 100% haftbar zu erklären.

6.    Eventualiter zu Ziffer 5 sei der Beschuldigte E.___ unter solidarischer Haftung mit Frau F.___ zu verpflichten, für den der Privatklägerin A.___ aus den verübten Delikten entstandenen Schaden zu 100% haftbar zu erklären.

7.    Es sei der Beschuldigte E.___ zu verpflichten, der Privatklägerin A.___ eine Parteientschädigung (inkl. MwSt) in Höhe der einzureichenden Honorarnote, unter Aufrechnung der effektiven Dauer der Hauptverhandlung vom 08.05.2023, zu bezahlen. Die Verfahrenskosten seien vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen.

 

Rechtsanwältin Saner                        (gibt vorab die Plädoyernotizen zu den Akten)

 

1.    E.___ sei entsprechend dem vorinstanzlichen Urteil freizusprechen von den Vorhalten der Förderung der Prostitution und der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.

2.    Es sei festzustellen, dass die Ziff. 2 (Schuldsprüche wegen mehrfacher Förderung des rechtswidrigen Aufenthaltes in Bereicherungsabsicht, mehrfacher Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung in Bereicherungsabsicht, Widerhandlung gegen das BetmG und Raufhandels), Ziff. 4 (Verletzung des Beschleunigungsgebotes) und Ziff. 10 (Zivilforderung G.___) in Rechtskraft erwachsen sind.

3.    E.___ sei zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, und zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je Fr. 10.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von zwei Jahren.

4.    Die ausgestandene Untersuchungshaft vom 23. September 2015 bis 11. Dezember 2015 (80 Tage) sei dem Beschuldigten an den Strafvollzug anzurechnen.

5.    Die beschlagnahmten Gegenstände seien einzuziehen und zu vernichten, dies mit Ausnahme der Uhr Carrera, welche dem Berechtigten herauszugeben sei.

6.    Die Zivilforderungen von A.___, C.___, B.___ und D.___ seien abzuweisen.

7.    Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien dem Beschuldigten zu einem tragbaren Bruchteil aufzuerlegen, im Übrigen vom Staat zu übernehmen. Die zweitinstanzlichen Verfahrenskosten seien vom Staat zu tragen.

8.    Die Kostennote der amtlichen Verteidigung sei im eingereichten Umfang zu genehmigen.

Es folgen Repliken von Staatsanwältin und Rechtsanwältin Lupi Thomann sowie eine Duplik von Rechtsanwältin Saner.

Anschliessend äussert sich der Beschuldigte im Rahmen des letzten Wortes. Er habe versucht, den Prostituierten zu helfen. Diese hätten ihn und seine Mutter um Hilfe gefragt. Die Regeln der Prostitution hätten die Frauen selber bestimmt. Er sei nun enttäuscht davon, was die Frauen zu Protokoll gegeben hätten.

Die Verhandlung wird um 12:45 Uhr geschlossen.

Das Berufungsgericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück. Das Urteil wird den Parteien schriftlich eröffnet.

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Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Gestützt auf die Erkenntnisse der Untersuchungsbehörden der Kantone Bern und [Ort 9], die seit längerer Zeit mehrere Verfahren im Thai-Milieu im Bereich Menschenhandel und Förderung der Prostitution führten, erfolgte am 8. Oktober 2014 in [Ort] eine Hausdurchsuchung, wo in sechs verschiedenen Studios mehrere Sexarbeitende angetroffen wurden. Eine weitere Kontrolle erfolgte am 25. November 2014 in [Ort 1]. Betreiberin des dortigen Studios ZZ.___ war F.___. Der Sohn von F.___, E.___ (nachfolgend: Beschuldigter), lebte seit 2013 bei seiner Mutter in [Ort 1] (Akten Voruntersuchung Register 2.1.2 Seite 7 f. [im Folgenden AS 2.1.2/7 f.]). Die weiteren Ermittlungen der Polizei erfolgten unter dem Aktionsnamen «Smile».

 

2. Am 16. Juli 2015 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen den Beschuldigten eine Strafuntersuchung wegen Förderung der Prostitution (Art. 195 Abs. 3 StGB) und Vergehen gegen das BetmG (Art. 19 Abs. 1 BetmG; 12.1.1/1). Am 11. Oktober 2018 erliess die Staatsanwaltschaft eine Eröffnungsverfügung, welche alle bisherigen Verfügungen ersetzte (12.1.1/4 ff.).

 

3. Am 17. September 2015 erliess die Staatsanwaltschaft einen Hausdurchsuchungsbefehl bezüglich der Wohnräume des Beschuldigten an der in [Ort 1], der am 23. September 2015 ausgeführt wurde (12.2/1 ff.).

 

4. Am 23. September 2015 wurde der Beschuldigte gestützt auf einen Vorführungsbefehl der Staatsanwaltschaft vorläufig festgenommen (12.3.1/1 ff). Auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Haftgericht in der Folge am 25. September 2015 für die Dauer von drei Monaten Untersuchungshaft an (12.3.1/42 f.).

 

5. Am 11. Dezember 2015 wurde der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen (12.3.1/56).

 

6. Die Anklageschrift datiert vom 10. Juli 2019 (1.4/1 ff.).

 

7. Am 27. Januar/2. Februar 2021 fällte das Amtsgericht Olten-Gösgen das folgende Urteil (Akten Vorinstanz Seiten 613 ff. und 711 f., Ziff. 4 wurde im begründeten Urteil ergänzend eingefügt; [im Folgenden O-G 613 ff. und 711 f.]):

1.    Der Beschuldigte E.___ hat sich nicht schuldig gemacht und wird freigesprochen von den Vorhalten:

-        der mehrfachen Förderung der Prostitution, angeblich begangen in der Zeit zwischen ca. Anfang Februar 2014 und 8. März 2014 sowie ca. Ende April 2014 und Mitte Oktober 2014 (AnklS. Ziff. 1.1.), zwischen ca. Anfang März 2014 und Mitte April 2014 (AnklS. Ziff. 1.2.), zwischen 4. Juli 2014 und ca. Anfang Oktober 2014 sowie ca. Ende Dezember 2014 und Ende Januar 2015 (AnklS. Ziff. 1.3.) und zwischen 7. Juli 2014 und ca. Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte August 2014 und 1. Oktober 2014 (AnklS. Ziff. 1.4.);

-        der mehrfachen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, angeblich begangen in der Zeit zwischen ca. Ende November 2013 und 28. November 2014 sowie ca. Mitte April 2014 und Anfang September 2014 (H.___), zwischen ca. März 2013 und Mitte April 2014 (C.___) und am 23. September 2015 (I.___) (AnklS. Ziff. 4.1.).

2.    Der Beschuldigte E.___ hat sich schuldig gemacht:

-        der mehrfachen Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht, begangen in der Zeit zwischen ca. Ende April 2014 und Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte September 2014 und Mitte Oktober 2014 (z. N. von A.___), zwischen ca. Anfang März 2014 und Anfang April 2014 (z. N. von C.___), zwischen 4. Juli 2014 und ca. Ende August 2014 sowie 16. Januar 2015 und ca. Ende Januar 2015 (z. N. von B.___), zwischen 7. Juli 2014 und ca. Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte August 2014 und Ende September 2014 (z. N. von D.___) (AnklS. Ziff. 2.);

-        der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung, begangen in der Zeit zwischen ca. Ende April 2014 und Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte September 2014 und Mitte Oktober 2014 (z. N. von A.___), zwischen ca. Anfang März 2014 und Anfang April 2014 (z. N. von C.___), zwischen 4. Juli 2014 und ca. Ende August 2014 sowie 16. Januar 2015 und ca. Ende Januar 2015 (z. N. von B.___), zwischen 7. Juli 2014 und ca. Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte August 2014 und Ende September 2014 (z. N. von D.___) (AnklS. Ziff. 3.);

-        der mehrfachen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit zwischen ca. Ende September 2013 und Ende März 2014 (J.___), zwischen 23. September 2013 und 10. November 2013, ca. Ende April 2014 und Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte September 2014 und Mitte Oktober 2014 (A.___), zwischen ca. Anfang Juli 2014 und Ende August 2014 sowie 16. Januar 2015 und ca. Ende Januar 2015 (B.___), zwischen 7. Juli 2014 und ca. Ende Juli 2014 sowie ca. Mitte August 2014 und Ende September 2014 (D.___), zwischen ca. März 2013 und 23. September 2015 (K.___) (AnklS. Ziff. 4.1.) und zwischen ca. Oktober 2014 und 23. September 2015 (AnklS. Ziff. 4.2.);

-        des Raufhandels, begangen am 15. Februar 2015 (AnklS. Ziff. 5.).

3.    Der Beschuldigte E.___ wird verurteilt zu:

a)    einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von 2 Jahren;

b)    einer Geldstrafe von 268 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von 2 Jahren.

Die Untersuchungshaft vom 23. September 2015 bis 11. Dezember 2015, total 80 Tage, ist dem Beschuldigten im Erstehungsfalle an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

4.    Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist.

5.    Folgende beschlagnahmte Gegenstände werden eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu vernichten:

-        1 Verpackungsbehälter Schachtel (Kartonschachtel mit diversen Minigrips und 1 Waage «Delwastar»)

-        1 Waage Präzisionswaage (silbergrau)

-        1.14 g Methamphetamin

Folgender beschlagnahmte Gegenstand ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Beschuldigten herauszugeben:

-        1 Armbanduhr Carrera

6.    Die Zivilforderung des Zivilklägers A.___, unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Trösch, wird abgewiesen.

7.    Die Zivilforderung des Zivilklägers B.___, unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos, wird abgewiesen.

8.    Die Zivilforderung der Zivilklägerin C.___, unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, wird abgewiesen.

9.    Die Zivilforderung des Zivilklägers D.___, unentgeltlich vertreten durch Rechstanwältin Eveline Roos, wird abgewiesen.

10.  Der Privatkläger G.___, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kernen, wird zur Geltendmachung seiner Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

11.  Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin des Privatklägers A.___, Rechtsanwältin Claudia Trösch, wird auf CHF 9'076.75 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu bezahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 9'076.75, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Privatklägers erlauben.

12.  Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin des Privatklägers B.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, wird auf CHF 6'426.65 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu bezahlen

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 6'426.65, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Privatklägers erlauben.

13.  Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin C.___, Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, wird auf CHF 7'389.65 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu bezahlen

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 7'389.65, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Privatklägerin erlauben.

14.  Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin des Privatklägers D.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, wird auf CHF 4'056.20 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu bezahlen

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 4'056.20, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Privatklägers erlauben.

15.  Die Entschädigung für die amtliche Verteidigerin des Beschuldigten E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, wird auf CHF 30'916.10 (inkl. MwSt. und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von ½ = CHF 15'458.05 sowie der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin im Umfang von CHF 5'535.25 (Differenz zu vollem Honorar, inkl. MwSt. und Auslagen), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben. Die restlichen Kosten gehen definitiv zu Lasten des Staates Solothurn.

16.  Die Verfahrenskosten, mit einer Gerichtsgebühr von CHF 30'000.00 belaufen sich auf total CH 33'391.90. Davon hat der Beschuldigte CHF 16'182.50 zu bezahlen, die restlichen Kosten gehen zu Lasten des Staates Solothurn.

 

8.1 Die Staatsanwaltschaft meldete am 18. Februar 2021 gegen das Urteil die Berufung an (O-G 626).

 

8.2 Gemäss Berufungserklärung vom 14. Januar 2022 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 1: Freisprüche von den Vorhalten der mehrfachen Förderung der Prostitution und der Widerhandlungen gegen das BetmG;

-       Ziff. 2: Teilweise, soweit damit implizite Freisprüche in Bezug auf die Tatzeiträume und die Betäubungsmittelmengen verbunden sind;

-       Ziff. 3: Strafzumessung;

-       Ziff. 5 Abs. 2: Einziehung Armbanduhr Carrera;

-       Ziff. 15 Abs. 2 und 16: Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

9.1 Am 23. Februar 2021 meldete A.___ (Privatklägerin 1) gegen das Urteil die Berufung an (O-G 630).

 

9.2 Gemäss Berufungserklärung vom 25. Januar 2022 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 1: Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen Förderung der Prostitution (Anklageschrift Ziff. 1.1);

-       Ziff. 6: Zivilforderung;

-       Ziff. 11 Abs. 2: Rückforderungsanspruch des Staates betr. Kosten unentgeltliche Rechtsbeiständin.

 

10.1 Am 24. Februar 2021 meldete B.___ (Privatklägerin 2) gegen das Urteil die Berufung an (O-G 632).

 

10.2 Gemäss Berufungserklärung vom 25. Januar 2022 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 1: Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen Förderung der Prostitution (Anklageschrift Ziff. 1.3);

-       Ziff. 7: Zivilforderung;

-       Ziff. 12 Abs. 2: Rückforderungsanspruch des Staates betr. Kosten unentgeltliche Rechtsbeiständin.

 

11.1 Am 22. Februar 2021 meldete C.___ (Privatklägerin 3) gegen das Urteil die Berufung an (O-G 628).

 

11.2 Gemäss Berufungserklärung vom 26. Januar 2022 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 1: Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen Förderung der Prostitution (Anklageschrift Ziff. 1.2);

-       Ziff. 8: Zivilforderung;

-       Ziff. 13 Abs. 2: Rückforderungsanspruch des Staates betr. Kosten unentgeltliche Rechtsbeiständin.

 

12.1 Am 24. Februar 2021 meldete D.___ (Privatklägerin 4) gegen das Urteil die Berufung an (O-G 632).

 

12.2 Gemäss Berufungserklärung vom 25. Januar 2022 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 1: Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen Förderung der Prostitution (Anklageschrift Ziff. 1.4);

-       Ziff. 9: Zivilforderung;

-       Ziff. 14 Abs. 2: Rückforderungsanspruch des Staates betr. Kosten unentgeltliche Rechtsbeiständin.

 

13. Der Beschuldigte hat gegen das Urteil weder Berufung noch Anschlussberufung erhoben.

 

14. In Rechtskraft erwachsen und damit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind somit folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

-       Ziff. 2, soweit den Vorhalt des Raufhandels betreffend;

-       Ziff. 4: Feststellung der Verletzung des Beschleunigungsgebots;

-       Ziff. 5, soweit die Einziehung beschlagnahmter Gegenstände betreffend;

-       Ziff. 10: Verweis der Zivilforderung des Privatklägers G.___ auf den Zivilweg;

-       Ziff. 11-14: Entschädigungen der unentgeltlichen Rechtsbeiständinnen, soweit die Höhe betreffend;

-       Ziff. 15: Entschädigung der amtlichen Verteidigerin, soweit die Höhe betreffend.

 

Die Schuldsprüche der Vorinstanz wegen mehrfacher Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht, mehrfacher Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung und mehrfacher Vergehen gegen das BetmG (Ziff. 2) wurden nicht angefochten und sind daher für das Berufungsgericht verbindlich. Da die Staatsanwaltschaft diesbezüglich in zeitlicher und betr. die Betäubungsmitteldelikte auch in quantitativer Hinsicht weitergehende Schuldsprüche beantragt, der Sachverhalt bezüglich der Ausländer- und Betäubungsmitteldelikte demnach noch nicht in seiner Gesamtheit rechtskräftig beurteilt ist, wird im vorliegenden Urteilsdispositiv nicht die Rechtskraft der ergangenen Schuldsprüche festgestellt.

 

15. Mit Eingabe vom 14. Februar 2022 liess der Privatkläger G.___ mitteilen, dass er auf eine Teilnahme am Berufungsverfahren verzichte (betrifft Anklageziffer 5).

 

16. Mit Verfügung vom 25. März 2022 wurde den Parteien mitgeteilt, dass das Berufungsgericht vorweg über die Verwertbarkeit der Aussagen der vier Privatkläger/innen (Beschluss der Vorinstanz vom 19. Juni 2020) entscheiden werde. In der Folge liessen sich die Privatkläger/innen und die Staatsanwaltschaft zu dieser Frage schriftlich vernehmen. Mit Beschluss vom 16. August 2022 hat das Berufungsgericht die Verwertbarkeit der Aussagen bejaht und den Beschluss des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 19. Juni 2020 aufgehoben.

 

17.  Die Berufungsverhandlung fand am 8. Mai 2023 statt.

 

 

II. Anklageschrift Ziff. 1: Mehrfache Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. c StGB)

 

1. Der Vorhalt der Anklage

 

Dem Beschuldigten wird vorgehalten, er habe sich in der Zeit von ca. Anfang Februar 2014 bis ca. Mitte Oktober 2014 in [Ort 1] zum Nachteil der Privatklägerinnen 1- 4 in Mittäterschaft mit F.___ der Förderung der Prostitution schuldig gemacht.

 

Der Beschuldigte habe als stellvertretender Geschäftsführer gemeinsam mit F.___ das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Privatkläger/innen, welche weder über eine Aufenthalts- noch eine Arbeitsbewilligung verfügt hätten, insofern verletzt, als sie diese verbindlichen Regeln bezüglich der im Studio geltenden Prostitutionsmodalitäten unterworfen hätten.

 

So seien die Privatkläger/innen insbesondere dazu verpflichtet gewesen:

 

1.1       A.___

-       jeden Tag anzuschaffen und sich grundsätzlich rund um die Uhr für allfällige Freier zur Verfügung zu halten (24/7-Standby-Regelung);

-       Freitage nur in Absprache mit dem Beschuldigten F.___ zu beziehen;

-       eine bestimmte Reihenfolge in der Bedienung der Freier einzuhalten;

-       sich bezüglich der sexuellen Dienstleistungen an die festgelegten Preise zu halten;

-       die Verhandlungen mit den Freiern dem Beschuldigten resp. F.___ zu überlassen;

-       dem Beschuldigten die Hälfte seiner Einnahmen aus der Prostitutionstätigkeit abzugeben (50/50-Regel);

-       dem Beschuldigten von seinem hälftigen Einnahmenanteil zusätzlich CHF 100.00/Woche für die Verpflegung abzuliefern;

-       von seinem Einnahmenanteil zusätzlich auch die Kosten für die Internetwerbung im Betrag von ca. CHF 200.00 pro Monat zu bezahlen;

-       keine Freier abzulehnen.

 

1.2       B.___

-       jeden Tag anzuschaffen und sich grundsätzlich rund um die Uhr (24/7-Standby-Regelung), mindestens aber zwischen 09:00 h und Mitternacht, für allfällige Freier zur Verfügung zu halten;

-       Freitage nur in Absprache mit dem Beschuldigten F.___ zu beziehen;

-       Pausen nur zu beziehen, wenn keine Freier zugegen sind;

-       sich bezüglich der sexuellen Dienstleistungen an die festgelegten Preise zu halten;

-       dem Beschuldigten resp. F.___ die Hälfte seiner Einnahmen aus der Prostitutionstätigkeit abzugeben (50/50-Regel);

-       dem Beschuldigten resp. F.___ von seinem hälftigen Einnahmenanteil zusätzlich CHF 100.00/Woche für die Verpflegung abzuliefern;

-       von seinem Einnahmenanteil zusätzlich auch die Kosten für die Internetwerbung im Betrag von ca. CHF 200.00 pro Monat zu bezahlen;

 

1.3       C.___

-       jeden Tag anzuschaffen und sich grundsätzlich zwischen 11:00 h mittags und 24:00 nachts für allfällige Freier zur Verfügung zu halten;

-       Freitage nur in Absprache mit dem Beschuldigten F.___ zu beziehen und im Falle des Erscheinens eines Freiers zurückzukehren;

-       eine bestimmte Reihenfolge in der Bedienung der Freier einzuhalten;

-       sich bezüglich der sexuellen Dienstleistungen an die festgelegten Preise zu halten;

-       die Verhandlungen mit den Freiern dem Beschuldigten resp. F.___ zu überlassen;

-       Hausarbeiten (Putzen, Kochen etc.) ohne Bezahlung vorzunehmen;

-       dem Beschuldigten resp. F.___ die Hälfte ihrer Einnahmen aus der Prostitutionstätigkeit abzugeben (50/50-Regel);

-       von ihrem Einnahmenanteil zusätzlich auch die Kosten für die Internetwerbung im Betrag von ca. CHF 200.00 pro Monat zu bezahlen;

 

1.4       D.___

-       jeden Tag anzuschaffen und sich grundsätzlich rund um die Uhr (24/7-Standby-Regelung), mindestens aber von 09:00 h bis um 22:00 h, für allfällige Freier zur Verfügung zu halten;

-       das Studio nur in Absprache mit dem Beschuldigten resp. F.___ zu verlassen;

-       Hausarbeiten (Putzen, Kochen etc.) ohne Bezahlung vorzunehmen;

-       eine bestimmte Reihenfolge in der Bedienung der Freier einzuhalten;

-       sich bezüglich der sexuellen Dienstleistungen an die festgelegten Preise zu halten;

-       die Verhandlungen mit den Freiern zumindest teilweise dem Beschuldigten resp. F.___ zu überlassen;

-       dem Beschuldigten resp. F.___ die Hälfte seiner Einnahmen aus der Prostitutionstätigkeit abzugeben (50/50-Regel);

-       dem Beschuldigten resp. F.___ von seinem hälftigen Einnahmenanteil zusätzlich CHF 100.00/Woche für die Verpflegung abzuliefern;

-       von seinem Einnahmenanteil zusätzlich auch die Kosten für die Internetwerbung im Betrag von ca. CHF 200.00 pro Monat zu bezahlen.

 

 

2. Der Straftatbestand

 

2.1 Nach Art. 195 lit. c StGB (früher Art. 195 Abs. 3 StGB) wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren mit Geldstrafe bestraft, wer die Handlungsfreiheit einer Person, die sich prostituiert, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei ihrer Tätigkeit überwacht Ort, Zeit, Ausmass andere Umstände der Prostitution bestimmt.

 

2.2 Geschütztes Rechtsgut ist die sexuelle Entscheidungsfreiheit der Prostituierten, die nicht verletzt werden darf. Die Bestimmung schützt sowohl Personen davor, gegen ihren Willen dazu gebracht zu werden, sich zu prostituieren, als auch die Entscheidungsfreiheit von Personen, die bereits als Prostituierte arbeiten. Der Gesetzgeber wollte die Strafbarkeit der ethisch missbilligenswerten Kuppelei und Zuhälterei auf Fälle einschränken, in denen der Täter die aufgrund einer Unterlegenheit bzw. Abhängigkeit verminderte Handlungsfreiheit des Opfers ausnützt (BGE 129 IV 79). Von der Bestimmung wird somit erfasst, wer sich der Prostituierten gegenüber in einer Machtposition befindet, die es ihm erlaubt, deren Handlungsfreiheit einzuschränken und festzulegen, wie sie ihrer Tätigkeit im Einzelnen nachzugehen hat, in Einzelfällen bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die betroffene Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, dem sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann, so dass sie in ihrer Entscheidung, ob und wie sie dem Gewerbe nachgehen will, nicht mehr vollständig frei ist, und dass die Überwachung die bestimmende Einflussnahme ihrem Willen ihren Bedürfnissen zuwiderläuft (BGE 126 IV 76 E. 2 S. 80 f. mit Hinweisen).

 

Der Tatbestand der Überwachung der Prostituierten bei ihrer Tätigkeit erfasst Fälle, in welchen Prostituierte aufgrund dieser Überwachung in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden und ihre Tätigkeit nicht mehr ihrem eigenen Willen entsprechend ausüben können. Überwachung bedeutet auch die Kontrolle, ob, wie und in welchem Mass die Prostituierte dem Gewerbe nachgeht, die Auflage, regelmässig Rechenschaft über die Tätigkeit abzulegen (BGE 125 IV 269 E. 1). Es genügt nicht, wenn jemand eine Prostituierte nur beschützt, ohne sie in ihrer Tätigkeit in irgendwelcher Form zu beherrschen. Wegen Bestimmung von Ort, Zeit, Ausmass anderer Umstände der Prostitution macht sich nur strafbar, wer sich der Prostituierten gegenüber in einer Machtposition befindet, die es ihm erlaubt, ihre seine Handlungsfreiheit einzuschränken und in Einzelfällen bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen; «andere Umstände» sind etwa der vom Freier zu bezahlende Preis der an den Täter abzuliefernde Anteil die (Nicht-) Verwendung eines Kondoms. Auch bei dieser Variante ist vorausgesetzt, dass Druck ausgeübt wird, dem sich das Opfer nicht ohne weiteres entziehen kann, so dass seine Entscheidung über die Modalitäten der Prostitution nicht mehr frei ist (BGE 125 IV 269 E. 1, 126 IV 76 E. 2). Dabei entspricht die Druckausübung der Machtposition, die der Täter gegenüber der Sexarbeiterin ausübt. Eine Druckausübung liegt insbesondere vor, wenn eine externe Bestimmung von Einzelfragen, die mit der Sexarbeit in Zusammenhang stehen, erfolgt. Insbesondere das Festlegen das Einhalten genauer Zeitpläne, das Anbieten des Körpers der Sexarbeiterin samt Bestimmung der durchzuführenden sexuellen Praktiken Alkoholkonsumvorgaben führen zum Bejahen einer tatbestandsmässigen Zuhälterstellung. Vorausgesetzt ist, dass sich die Sexarbeiterin diesem Druck nicht einfach entziehen kann und dadurch ein vom Täter angestrebtes Verhalten erreicht wird (Jositsch/Drzalic: «Strafrechtliche Beurteilung erotischer Etablissements», in: AJP/PJA 2/2015 S. 316 ff. 3.2.2. und 4.). Die Tatsache, dass sich die Sexarbeiterinnen auch freiwillig bei den jeweiligen Arbeitsorten melden können, wird nicht zu ihren Ungunsten ausgelegt, weil die Überwachungsmassnahmen die Kontroll- bzw. Druckausübung trotzdem bestehen können und die Sexarbeiterinnen diese beispielsweise aufgrund ihres illegalen Aufenthaltes in Kauf nehmen müssen (Urteil des Bundesgerichts 1P.247/2005 vom 9.6.2005 E. 3.4). In jenen Fällen, in denen die Tatbestandsmässigkeit verneint wurde, waren hingegen die Freiheit in der Kundenwahl, hinsichtlich der sexuellen Praktiken und die Möglichkeit, am jeweiligen Arbeitsort präsent zu sein, ohne der Sexarbeit nachzugehen, d.h. ohne den Kunden zur Verfügung stehen zu müssen, ausschlaggebend (Urteil des Bundesgerichts 6S.765/1999, in: SJZ 96/2000 S. 277).

 

Ob unzulässiger Druck im Sinne der Bestimmung ausgeübt wird, entscheidet sich somit nach den Umständen des jeweiligen Falles. Das Bundesgericht hielt die Strafbarkeit für gegeben im Falle von Animierdamen, deren Anwesenheit und Tätigkeit streng kontrolliert wurden und die aufgrund der Rahmenbedingungen (obligatorische Zimmermiete, Forfaits) ihren Lebensunterhalt nur durch Prostitution verdienen konnten. Daran änderte nichts, dass die Frauen den durch Prostitution erwirtschafteten Verdienst behalten konnten (Urteile 6S.446/2000 vom 29.3.2001 E. 3 und 6S.570/1997 vom 9.10.1997 E. 2, besprochen von Hans Wiprächtiger: Aktuelle Praxis des Bundesgerichts zum Sexualstrafrecht, in: ZStrR 117/1999 S. 146 f.). Für die Erfüllung des Tatbestandes von Art. 195 lit. c StGB spielt es keine Rolle, ob die Prostitution freiwillig unfreiwillig ausgeübt wird. So nahm das Bundesgericht etwa ein tatbestandsmässiges Handeln an bei Animierdamen, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes gezwungen waren, sich zu prostituieren, die dabei einen genauen Zeitplan zu befolgen hatten und denen der Ort ihrer Tätigkeit und die Kundschaft vorgeschrieben waren (Urteil des Bundesgerichts 6B_476/2015 vom 26.11.2015 E. 3.3 mit Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil des Kassationshofs 6S.570/1997 vom 9.10.1997 E. 2). Das Bundesgericht bestätigte ferner die Verurteilung des Betreibers eines «Begleitservices», der die angestellten Prostituierten zu praktisch permanenter Einsatzbereitschaft verpflichtete und sie ständig durch Chauffeure überwachen liess, die auch das Geld einzogen (BGE 125 IV 269 E. 2 S. 271 f.). Schliesslich bejahte das Bundesgericht die Förderung der Prostitution bei einem Täter, der ausländische Prostituierte illegal in die Schweiz brachte, diese und bereits illegal in der Schweiz sich aufhaltende Prostituierte beherbergte, ihnen Arbeit im Gewerbe in Saunas und Nachtclubs vermittelte, sie jeweils dorthin begleitete und überwachte, den Erlös ihrer Arbeit entgegennahm und ihnen einen Teil davon wieder auszahlte, sowie ihnen Darlehen gab, die sie abarbeiten mussten (Urteil 6P.162/2001 vom 22.3.2002 E. 6).

 

Nicht gegen aArt. 195 Abs. 3 StGB verstiess hingegen der Geschäftsführer eines Saunaclubs, der sich damit begnügte, von den Prostituierten Eintritt und einen Gewinnanteil von 40 % zu verlangen. Zwar war eine verbindliche Preisliste erlassen worden, und die Prostituierten mussten ihre Einnahmen zunächst der Geschäftsführung aushändigen, doch war ihre (Bewegungs-)Freiheit ansonsten nicht weiter eingeschränkt. Sie erhielten ihren Verdienst nach Abzug der Gewinnbeteiligung am Ende jedes Arbeitstages ausbezahlt (BGE 126 IV 76 E. 3 S. 81 f.). Das Führen eines Bordells alleine erfüllt somit den Tatbestand nicht.

 

Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes muss zumindest Eventualvorsatz hinsichtlich aller objektiver Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, d.h. der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass er die sexuelle Handlungsfreiheit der betroffenen Person beeinträchtigt. Die Handlungsmotive sind im Rahmen von Art. 195 lit. c StGB nicht relevant.

 

In Bezug auf die rechtliche Würdigung von Umständen der Prostitution in einem Thai-Salon kann auch auf die publizierten Urteile des Berufungsgerichts STBER.2017.74 vom 16. Mai 2018, STBER.2019.43 vom 13. Mai 2020 und STBER.2020.53 vom 13. Januar 2021, STBER.2020.100 vom 26. Januar 2022 sowie STBER.2021.36 vom 12. Mai 2022 verwiesen werden. 

 

 

3. Allgemeines zur Beweiswürdigung

 

3.1. Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff, 127 I 40 f.) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.

 

3.2. Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.

 

3.3. Die Beweiskraft von persönlichen Beweismitteln wird vor allem bei der polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Einvernahme ermittelt. Dabei wird die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage durch methodische Analyse ihres Inhalts – Aussageanalyse – darauf überprüft, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Aussagenden entspringen. Hierbei wird einerseits zwischen Realitätskriterien und den Phantasie- und Lügensignalen anderseits unterschieden: Damit eine Aussage als zuverlässig gewürdigt werden kann, ist sie insbesondere auf das Vorhandensein von Realitätskriterien und umgekehrt auf das Fehlen von Phantasiesignalen zu überprüfen. Es wird zunächst davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (vgl. BGE 133 I 33).

 

Die wichtigsten Kennzeichen wahrheitsgetreuer Aussagen und somit Realkennzeichen sind innere Geschlossenheit und Folgerichtigkeit in der Darstellung des Geschehens. Die Schilderung des Vorfalls in so charakteristischer und detaillierter Weise, wie sie nur von demjenigen zu erwarten ist, der den Vorfall selbst erlebt hat, ist ein weiteres Indiz für die Richtigkeit der Aussage. Für die Korrektheit der Aussage spricht im Weiteren die Konstanz in den Schilderungen bei verschiedenen Befragungen. Aussagecharakteristika wie ganzheitliche Detailliertheit, individuelle Prägung, sachverhaltsbezogene Verflechtung, Strukturgleichheit, Homogenität, Konstanz des Aussageinhalts, Selbstbelastung und unvorteilhafte Darstellung der eigenen Rolle sowie Entlastungsbemerkungen zu Gunsten des Beschuldigten sprechen daher für einen wahren, erlebten Realitätsbezug. Bei wahrheitswidrigen Bekundungen fehlen diese Kennzeichen regelmässig. Indizien für bewusst unbewusst falsche Aussagen, d.h. für Phantasiesignale und Lügenmerkmale, sind Unstimmigkeiten grobe Widersprüche in den eigenen Aussagen, Zurückhaltung in Bezug auf Aussagen zu den zentralen Begebenheiten, Verweigerung der Erweiterung der Erlebnisschilderung, erhebliche Abschwächungen Übersteigerungen im Verlaufe mehrerer Einvernahmen, unklare, verschwommene ausweichende Antworten (Abschweifungen und Flucht in andere, irrelevante Themenbereiche) und gleichförmig, eingeübt wirkende Aussagen. Damit der Richter einer Aussage Glauben schenken kann, muss der Aussageninhalt aufgrund des Grads der Detaillierung und der inhaltlichen Besonderheit sowie der Homogenität überzeugen und darf keine signifikanten Phantasie- und Lügensignale ausstrahlen (vgl. BGE 133 I 33; Möller/Maier, Grenzen und Möglichkeiten von Glaubwürdigkeitsbegutachtungen im Strafprozess, SJZ 96 (2000), S. 249 ff.; Ferrari, Erkenntnisse aus der Aussagepsychologie, Plädoyer 4/09, S. 34 ff.).

 

Eine beschuldigte Person erzählt im Gegensatz zu einem Zeugen/einer Zeugin bzw. einem Opfer im Regelfall nicht eine Geschichte, die sich unter Berücksichtigung der Aussageentstehung und -entwicklung anhand der Aussagequalität auf ihren Realitätsbezug überprüfen lässt. Eine beschuldigte Person ist aufgefordert, eine bestehende Geschichte zu bestätigen zu verneinen. Die Realkennzeichenanalyse ist damit bei beschuldigten Personen in aller Regel kein taugliches Mittel der Glaubhaftigkeitsbeurteilung. In der Aussagepsychologie wurden dennoch verschiedene Erkenntnisse zum Aussageverhalten schuldiger und unschuldiger Personen gewonnen (vgl. Daphna Tavor, Aussagepsychologie zur Beurteilung der Aussagen des Angeklagten, Referat im Seminar «Zwischen Wahrheit und Lüge», durchgeführt am 22. und 23. Juni 2015 vom Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis der Universität St. Gallen, Kompetenzzentrum für Rechtspsychologie):

 

-       Ein unschuldiger Beschuldigter antwortet detailreich, spontan und ohne Ausflüchte. Er will die Wahrheit ans Licht bringen, ist gesprächig, kooperativ im Gespräch und bleibt beim Thema. Er verwendet treffende und starke Ausdrücke bezüglich des Inhalts der Vorwürfe und beteuert die Unschuld spezifisch zum jetzigen Fall, ohne dazu aufgefordert zu werden.

 

-       Ein schuldiger Beschuldigter erzählt demgegenüber nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich; er neigt zu Auslassungen. Er will die Wahrheit verheimlichen, ist zurückhaltend, unkooperativ im Gespräch und weicht auf irrelevante Themen aus. Er verwendet schwache und ausweichende Ausdrücke bezüglich des Inhalts der Vorwürfe und spricht nicht spontan über seine Unschuld.

 

 

4. Beweiswürdigung

 

4.1 Die Akten enthalten zahlreiche und umfangreiche Befragungsprotokolle. Da die Vorinstanz sämtliche Befragungen der Privatkläger/innen aus den Akten gewiesen hat, das Berufungsgericht diesen Beschluss aber aufgehoben hat und diese Befragungsprotokolle wesentliche Beweismittel darstellen, ist auf diese Aussagen im Folgenden einzugehen. Dabei gilt es auch, die sozialen Hintergründe und den Verlauf der Prostitution der Privatkläger/innen beim Beschuldigten zu beleuchten.

 

4.2 Unbestrittener Sachverhalt

 

4.2.1 Das Studio «Thai-Beauty» an der [Adresse 1] in [Ort 1] wurde von März 2013 bis April 2015 von der Mutter des Beschuldigten, F.___, geführt. Bei der [Adresse 1] handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus. Zuerst im dritten Stock und später im Parterre wohnte F.___ zusammen mit dem Beschuldigten. Im zweiten Stock wohnten die Sexarbeitenden und bedienten dort auch ihre Kunden. Der Beschuldigte hatte in seiner Wohnung eine Videoüberwachung vom Eingangsbereich der Liegenschaft, wobei er vor dem Berufungsgericht ins Feld führte, diese sei nicht von ihm, sondern vom Liegenschaftseigentümer eingerichtet worden. Die Miete für die Liegenschaft betrug CHF 2'500.00 pro Monat (2/12 f.).

 

4.2.2 Gegen F.___ wurde ebenfalls ein Strafverfahren wegen mehrfacher Förderung der Prostitution, mehrfacher Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht sowie mehrfacher Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung geführt. Am 12. Oktober 2018 erliess die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift im abgekürzten Verfahren gemäss Art. 358 ff. StPO. Die vier im vorliegenden Strafverfahren auftretenden Privatkläger/innen übten – neben vier weiteren Privatklägerinnen – auch in diesem Verfahren Parteirechte aus.

 

Mit Urteil des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 6. Februar 2019 wurde F.___ wegen der genannten Delikte in Mittäterschaft mit dem Beschuldigten schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten und einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je CHF 30.00, beides unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. F.___ anerkannte, den Privatklägerinnen Genugtuungssummen in folgender Höhe zu schulden:

 

-       A.___: CHF 11'000.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 1. Juli 2014;

-       B.___: CHF 8'000.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 31. Januar 2015;

-       C.___: CHF 4'000.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 1. April 2014;

-       D.___: CHF 5'500.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 10. Oktober 2014.

 

F.___ wurde gegenüber den vier Privatklägerinnen zudem für den durch die strafbaren Handlungen verursachten Schaden dem Grundsatz nach für haftbar erklärt.

 

Die Verteidigung kritisierte vor dem Berufungsgericht die Abtrennung des Verfahrens gegen F.___. Die Trennung der Verfahren sei sachwidrig und hätte nicht erfolgen dürfen. Jedenfalls dürfe das im abgekürzten Verfahren ergangene Urteil gegen die Mutter nun keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren gegen den Beschuldigten haben.

 

Weshalb vorliegend dem Grundsatz der Verfahrenseinheit nicht nachgekommen und stattdessen die Verfahren gegen den Beschuldigten und seine Mutter getrennt wurden, ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar. An dieser Stelle kann jedoch festgehalten werden, dass das gegen die Mutter ergangene Urteil für das Berufungsgericht im Verfahren gegen den Beschuldigten nicht verbindlich ist.

 

 

4.3 Anklageschrift Ziff. 1.1: A.___ (Privatklägerin 1)

 

4.3.1 Das biologische Geschlecht und die amtlichen Dokumente von A.___ sind männlich, er fühlt sich jedoch dem weiblichen Geschlecht zugehörig und wollte anlässlich der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft entsprechend als Frau angesprochen werden (10.2.1.1/5).

 

4.3.2 A.___ wurde zwischen dem 25. Mai 2015 und 11. Februar 2017 insgesamt siebenmal als Zeugin und Auskunftsperson und anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung durch das Amtsgericht als Auskunftsperson befragt (10.2.1.1 und O-G 357 ff.).

 

4.3.3 Zu ihren persönlichen Verhältnissen führte sie aus, dass sie mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen sei. Sie sei 14jährig von zu Hause ausgezogen. Sie habe eine glückliche Kindheit gehabt; es habe Probleme gegeben, weil sie nicht mehr zur Schule habe gehen und eine Frau habe sein wollen. Sie sei mit zwei Freundinnen nach Bangkok an die Ratchada-Strasse gegangen und habe in einer Bar im Service gearbeitet. In Thailand habe sie Geld im Service und mit der Prostitution verdient. Als 21jährige habe sie sich zur Frau umoperieren lassen (10.2.1.1/94 f.).

 

In Bangkok habe sie in einer Bar gearbeitet, wo man mit den Kunden Geschlechtsverkehr gehabt habe. Ein Freund von ihr habe ihr die Reise nach Europa vermittelt. Sie habe gehört, dass man in der Schweiz viel Geld verdienen könne (10.2.1.1/10). Sie sei via Spanien und Dänemark am 16. September 2013 in die Schweiz gekommen und habe hier in verschiedenen Studios in [Ort 2], [Ort], [Ort 8], [Ort 9], [Ort 10] und [Ort 7] gearbeitet. In [Ort 7] bei F.__ habe sie ca. einen Monat und später noch einmal ca. vier Monate gearbeitet. Dies sei ca. im Februar 2014 sowie Mitte Juni bis Mitte Oktober 2014 gewesen (10.2.1.1/6).

 

4.3.4 Zu den Arbeitsmodalitäten in [Ort 1] führte A.___ Folgendes aus:

 

-       Zur Funktion des Beschuldigten und von F.__

 

Als sie im Februar 2014 angekommen sei, sei F.__ dort gewesen (10.2.1.1/40). Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung führte die Privatklägerin 1 aus, der Beschuldigte habe zu dieser Zeit noch nicht so viel zu tun gehabt, dann sei seine Mutter noch dort gewesen (10.2.1.1/377). Später, als weitere Frauen dazugekommen seien, habe der Beschuldigte die Rolle seiner Mutter übernommen. Dies sei gewesen, als sie das zweite Mal bei F.__ gewesen sei. Er habe die Arbeit überwacht, das Geld von F.__ entgegengenommen, die Finanzen geregelt, die Telefone entgegengenommen und sei einkaufen gegangen (10.2.1.1/40). Der Beschuldigte habe jedes Detail überwacht, insbesondere die Zeit, während der sie einen Kunden bedient hätten (10.2.1.1/44). Der Beschuldigte sei oft im Nebenzimmer gewesen und habe gerufen, wenn die Zeit vorbei gewesen sei. Wenn es länger gegangen wäre, hätte der Kunde mehr bezahlen müssen (10.2.1.1/50). Wenn sie zeitlich überzogen hätte und dafür derselbe Preis bezahlt worden wäre, hätte der Beschuldigte mit ihr geschimpft (10.2.1.1/136). Der Beschuldigte habe über die Arbeit der Sexarbeitenden Buch geführt (10.2.1.1/48). Der Beschuldigte habe wöchentlich die Abrechnung gemacht und ihr das Geld ausbezahlt (O-G 378). Meistens sei sie jedoch im Minus gewesen (O-G 379).

 

F.__ habe den Kunden die Türe geöffnet und sie in das Studio gebracht. Sie habe mit dem Kunden verhandelt, welche Frau und Dienstleistung er wünsche, und habe dies den Sexarbeitenden dann mitgeteilt (10.2.1.1/45). F.__ habe auch das Geld von den Kunden entgegengenommen (10.2.1.1/48).

 

-       Zu den Arbeitsmodalitäten allgemein

 

Die Arbeitsmodalitäten habe ihr niemand erklären müssen. Es sei in [Ort 1] so abgelaufen wie in anderen Studios auch (10.2.1.1/41). Sie habe sich in der Ausübung ihrer Arbeit eingeschränkt gefühlt, es sei ihr aber bewusst gewesen, dass sie keine andere Möglichkeit gehabt habe, Geld zu verdienen (10.2.1.1/47). Es sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als die Modalitäten zu akzeptieren (10.2.1.1/49).

 

-       Kosten für die Verpflegung

 

Die Sexarbeitenden hätten für die Kosten der Verpflegung mindestens CHF 100.00 pro Woche bezahlen müssen (10.2.1.1/41).

 

-       Preise für die sexuellen Dienstleistungen

 

Der Beschuldigte habe die Preise, die sie von den Kunden verlangen mussten, heraufgesetzt (10.2.1.1/42). Die Preise habe sie nicht selbst bestimmen können (10.2.1.1/46). Sie habe die Preise, als sie nach [Ort 1] gekommen sei, gekannt. Überall, wo sie gearbeitet habe, seien es dieselben Preise gewesen (10.2.1.1/136). F.__ habe die Preise mit den Kunden jeweils verhandelt und abgemacht, sie habe dazu nichts gesagt (O-G 370).

 

-       Kosten für die Internetwerbung

 

Die Hälfte der Kosten von CHF 400.00 pro Monat habe das Studio bezahlt, die andere Hälfte die Sexarbeitende (10.2.1.1/42).

 

-       Arbeitszeit

 

Sie habe F.__ jeweils fragen müssen, wenn sie das Studio für kurze Zeit habe verlassen wollen. Sie habe keinen bestimmten Tag frei gehabt. Sie habe für die Kunden bereit sein und sie zu jeder Tages- und Nachtzeit bedienen müssen. Auch bei Krankheit und während der Menstruation habe sie die Kunden bedienen müssen (10.2.1.1/44 f.).

 

Sie (d.h. der Beschuldigte und F.__) hätten sie nicht einfach so rausgelassen. Sie habe um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie habe rausgehen wollen (O-G 367).

 

In einer späteren Einvernahme bestätigte die Privatklägerin 1, dass sie jeden Tag habe arbeiten müssen. Dies habe ihr niemand gesagt, aber sie habe gewusst, dass dies so sei. Wenn sie gesagt hätte, sie arbeite heute nicht, hätten die Besitzer des Studios mit ihr geschimpft (10.2.1.1/137).

 

-       Bedienung der Kunden

 

Ein Kunde habe nicht abgelehnt werden dürfen und sie hätten tun müssen, was der Kunde von ihnen verlangt habe (10.2.1.1/46). Sie habe Angst gehabt, einen Wunsch eines Kunden abzulehnen, weil sich der Kunde dann wohl beschwert hätte und sie dann nicht mehr im Studio von F.__ hätte arbeiten können. Sie habe immer versucht, geschützten Geschlechtsverkehr zu haben. Wenn der Kunde aber auf ungeschütztem Verkehr beharrt habe, habe sie dies anbieten müssen. Sie habe Angst gehabt vor Problemen mit dem Kunden, mit F.__ davor, dass jemand die Polizei ruft, gehabt (10.2.1.1/46, 138).

 

Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nannte die Privatklägerin Beispiele von sexuellen Handlungen, welche sie anbieten musste, obwohl sie die nicht wollte: Brutale sexuelle Handlungen mit Schlägen (O-G 380).

 

-       Einkommen

 

Es sei wöchentlich abgerechnet worden, sie habe die Hälfte ihrer Einnahmen erhalten (10.2.1.1/48). Nach Abzug ihrer Ausgaben (Verpflegung, Internet, Drogen) sei oft gar nichts sehr wenig übriggeblieben. Einmal habe sie F.__ gebeten, CHF 300.00 nach Thailand zu schicken.

 

A.___ führte im Weiteren aus, dass sie das Studio habe wechseln können. Wenn sie an einem anderen Ort eine Arbeit gehabt hätte, hätte sie gehen können (10.2.1.1/42).

 

Das erste Mal habe sie das Studio verlassen, weil sie keine Kunden gehabt habe (O-G 371).

 

Der Beschuldigte habe sie (beim zweiten Aufenthalt) eines Tages nicht mehr im Studio haben wollen, sie wisse auch nicht warum. Sie habe dann einen neuen Arbeitsort suchen müssen und habe, als sie einen solchen in [Ort 10] gefunden habe, das Studio verlassen (10.2.1.1/43). Ihren Reisepass habe sie während ihres Aufenthaltes bei F.__ stets bei sich gehabt (10.2.1.1/43).

 

Sie habe die finanziellen Regelungen nicht fair gefunden, aber sie habe keine andere Möglichkeit gehabt. Sie sei illegal in der Schweiz gewesen und sie hätten deshalb nicht tun können, was sie wollten (10.2.1.1/139 f.).

 

-       Drogen

 

Zu ihrem Drogenkonsum führte die Privatklägerin 1 aus, dass sie mit allen Menschen habe ins Bett gehen müssen und es schwierig gewesen sei, dies zu verkraften. Sie habe deshalb Drogen genommen (O-G 366). Manchmal habe ihr der Beschuldigte keine Drogen verkauft, weil sie zu viele Schulden gehabt habe (O-G 381).

 

Während ihrer Tätigkeit bei F.__ in [Ort 1] habe sie vom Beschuldigten Crystal und Ice gekauft. Bereits am ersten Tag in [Ort 1] habe ihr der Beschuldigte Drogen angeboten. Sie habe regelmässig beim Beschuldigten Ice gekauft und sei schnell abhängig geworden, im Durchschnitt ein halbes Gramm pro Tag. Für ein halbes Gramm habe sie CHF 150.00 bezahlt (10.2.1.1/52 ff.).

 

 

4.3.5 Die Aussagen des Beschuldigten

 

In der ersten Einvernahme nach vorläufiger Festnahme vom 23. September 2015 (10.1/1 ff.) führte der Beschuldigte aus, dass das, was die Frauen an der [Adresse 1] machen würden, ihre Sache sei. Mit ihnen (d.h. ihm und seiner Mutter) habe dies nicht gross etwas zu tun. Er selbst habe zum Beispiel geschaut, die Frauen an der Website anzumelden. Sonst habe er nicht viel gemacht.

 

Er kenne die Privatklägerin 1; ob sie im Februar 2014 im Studio gewesen sei, wisse er nicht, da er erst seit März April dort gewesen sei (10.1/15). Er bestritt aber, alles kontrolliert und gesagt zu haben, wie es zu laufen habe. Er bestritt auch die 24/7-Regel und die Aussage der Privatklägerin 1, dass Freier nicht hätten abgelehnt werden dürfen (10.1/16, 143). Anlässlich der Einvernahme vom 30. Oktober 2015 (10.1/35 ff.) führte er aus, dass sie abgemacht hätten, dass die Frauen 50% ihrer Einnahmen abgeben würden. Dies sei zwischen den Frauen und ihm und seiner Mutter so besprochen worden. Er und seine Mutter hätten die Einnahmen der Frauen eingezogen und verwaltet. Zur Aufenthaltsdauer führte er am 26. November 2015 aus (10.1/139), die Privatklägerin 1 sei zweimal bei ihnen gewesen, er tippe, insgesamt drei Monate, maximal vier Monate. Anlässlich der Einvernahme vom 8. Dezember 2015 räumte der Beschuldigte ein, dass die Privatklägerin 1 im Jahr 2014 total fünf Monate in [Ort 1] gearbeitet habe (10.1/154).

 

Am 26. November 2015 führte der Beschuldigte aus, dass die Frauen nie gezwungen worden seien, einen Kunden zu bedienen. Wenn ein Kunde angerufen habe und die Frauen schon geschlafen hätten, hätten sie sie gefragt, ob sie aufstehen wollen nicht (10.1/142).

In diesem Sinne sagte der Beschuldigte im Wesentlichen auch vor erster (28.1.2021) und zweiter Instanz (8.5.2023) aus.

 

4.3.6    Zur Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin 1:

 

Bei A.___ ist weder gegenüber dem Beschuldigten noch dessen Mutter ein Belastungseifer erkennbar. So machte sie den Beschuldigten nicht dafür verantwortlich, dass sie sich als Prostituierte betätigte; vielmehr führte sie aus, dass sie diesen Job nicht liebe, aber in der Absicht in die Schweiz gekommen sei, ihn auszuführen (O-G 381). Sie verneinte ausdrücklich Gewaltübergriffe (10.2.1.1/52) und führte aus, nichts über weitere Drogengeschäfte des Beschuldigten (mit Ausnahme der Verkäufe von Ice an sie selbst) zu wissen (10.2.1.1/54). A.___ schilderte die Verhältnisse im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter sehr sachlich und führte an mehreren Stellen aus, dass die Arbeitsmodalitäten in anderen Studios gleich gewesen seien. Sie differenzierte ihre Schilderung der Funktion des Beschuldigten zudem, indem sie ausführte, dass dieser seine Kontrolltätigkeit anlässlich ihres zweiten Aufenthaltes in [Ort 1] gesteigert habe. Im Falle der Absicht einer falschen Belastung des Beschuldigten hätte die Privatklägerin 1 diese Differenzierung kaum vorgenommen. Zwischen A.___ und dem Beschuldigten sind keine persönlichen Beziehungen ersichtlich, welche die Privatklägerin 1 hätten veranlassen können, ihn zu Unrecht zu beschuldigen. Daran ändert auch die Tatsache, dass der Beschuldigte die Privatklägerin 1 offenbar entliess, ohne dass dieser der Grund bekannt ist, nichts. Sie schilderte auch dieses Geschehen sachlich und es ist ihren Aussagen kein Groll gegenüber dem Beschuldigten zu entnehmen. Offenbar war eine Trennung von einem Studio im Streit für die Privatklägerin auch nichts Aussergewöhnliches, schilderte sie doch Auseinandersetzungen mit den Betreiberinnen eines Studios an mehreren Orten (10.2.1.1/6). Schliesslich sagte die Privatklägerin 1 als Zeugin jeweils nach Hinweis auf die Straffolgen einer falschen Aussage bzw. als Auskunftsperson einer falschen Anschuldigung aus. Insgesamt sind deshalb die Aussagen von A.___ als glaubhaft zu qualifizieren. Die Aussagen des Beschuldigten vermögen daran nichts zu ändern. Der Beschuldigte bestätigte die Aussagen der Privatklägerin 1 in mehrfacher Hinsicht (Dauer ihrer Tätigkeit im Studio, Abgabe von 50% und Verwaltung der Einnahmen) und beschränkte sich darauf, belastende Umstände abzustreiten.

 

4.3.7 Als Fazit ist demnach festzuhalten, dass der Sachverhalt gemäss Anklageschrift Ziff. 1.1 gestützt auf die Aussagen der Privatklägerin 1 erstellt ist. Bei der Dauer des Aufenthalts im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter in [Ort 1] ist entsprechend der Aussagen der Privatklägerin 1 und den ungenauen Aussagen des Beschuldigten von einem Monat im Februar/März 2014 sowie vier Monaten (Mitte Juni bis Mitte Oktober 2014) auszugehen.

 

4.3.8    Rechtliche Qualifikation

 

4.3.8.1 Die Privatklägerin 1 führte zur ersten Phase ihrer Anwesenheit in [Ort 1] (Februar 2014) aus, dass F.__ dort gewesen sei. Der Beschuldigte habe zu dieser Zeit noch nicht so viel zu tun gehabt, es sei seine Mutter dort gewesen. Erst als weitere Frauen dazu gekommen seien, habe er die Rolle seiner Mutter übernommen.

 

Wie den Ausführungen zur Privatklägerin 3, die ab dem 2. März 2014 in [Ort 1] war, entnommen werden kann (Ziff. 4.5 hiernach), nahm der Beschuldigte ab dieser Zeit im Studio eine massgebende Rolle ein und war ab diesem Zeitpunkt entsprechend auch für die bestehenden Verhältnisse im Studio verantwortlich. Für den Zeitraum Februar 2014 liegen jedoch einzig die Aussagen der Privatklägerin 1 vor, so dass zu Gunsten des Beschuldigten entsprechend diesen Aussagen davon auszugehen ist, dass das Studio im Wesentlichen von der Mutter des Beschuldigten geführt wurde und der Beschuldigte deshalb im Februar 2014 den objektiven Tatbestand von Art. 195 lit. c StGB nicht erfüllt hat.

 

4.3.8.2 Während der zweiten Phase der Anwesenheit der Privatklägerin 1 im Studio in [Ort 1] überwachte der Beschuldigte die Arbeit, insbesondere die Zeit, während welcher die Freier bedient wurden. Zweck dieser Überwachung war es, zu verhindern, dass die Freier länger als ursprünglich abgemacht bedient wurden und die Privatklägerin 1 einen allfälligen Mehrverdienst für sich behalten würde. Der Beschuldigte regelte die Finanzen und bezahlte der Privatklägerin 1 jeweils ihren Anteil aus. Er nahm damit in dieser Phase im Studio eine massgebliche Stellung ein und war entsprechend für die dort herrschenden Verhältnisse und die Situation, in welcher sich die Privatklägerin 1 im Studio befand, verantwortlich.

 

4.3.8.3 Die Handlungsfreiheit der Privatklägerin 1 war im Studio Thai-Beauty massgeblich eingeschränkt. So hatte sie auf die Höhe des an den Beschuldigten abzugebenden Anteils ihres Einkommens keinen Einfluss (50%). Ebenso hatte sie die weiteren Abzüge für Verpflegung und Internetwerbung hinzunehmen. Allerdings ist festzuhalten, dass diese Modalitäten im Thai-Milieu allgemein üblich und der Privatklägerin 1, die bereits in anderen Studios in der Schweiz gearbeitet hatte, vor Arbeitsbeginn in [Ort 1] bekannt waren. Hinzu kamen allerdings weitere einschneidende Einschränkungen. So musste die Privatklägerin 1 jeweils um Erlaubnis fragen, wenn sie das Studio verlassen wollte, wobei die Bewilligungspraxis durch den Beschuldigten sehr restriktiv war, konnte sie doch nicht «einfach so» rausgehen. Die Privatklägerin 1 war verpflichtet, zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung zu stehen und auch zu arbeiten, wenn sie krank war während der Menstruation. Der Privatklägerin 1 war es weder erlaubt, einen Kunden noch eine sexuelle Praktik ungeschützten Geschlechtsverkehr abzulehnen. Die Privatklägerin 1 führte in diesem Zusammenhang aus, sie habe sich davor gefürchtet, dass sich der Kunde diesfalls beim Beschuldigten beschwere und sie nachher Probleme mit dem Beschuldigten der Polizei habe und nicht mehr beim Beschuldigten arbeiten könne.

 

4.3.8.4 Die Privatklägerin 1 konsumierte regelmässig Ice/Crystal, um die Arbeit, die sie im Studio des Beschuldigten verrichtete, überhaupt auszuhalten. Die Drogen bezog sie vom Beschuldigten (vgl. dazu Ziff. IV. hiernach), wobei dieser ihr keine Drogen verkaufte, wenn sie bei ihm zu viele Schulden hatte. Dieses Verhalten schuf zwischen der Privatklägerin 1 und dem Beschuldigten eine zusätzliche Abhängigkeit. Mit der Weigerung, ihr Drogen zu verkaufen, wenn die Schulden zu hoch waren, übte der Beschuldigte Druck auf die Privatklägerin 1 aus, zu arbeiten und Umsatz zu erzielen.

 

Der Beschuldigte befand sich somit gegenüber der Privatklägerin 1 in einer Machtposition, dank der er in der Lage war, gegen ihren Willen Arbeitsbedingungen zu erzwingen, welche ihre Handlungsfreiheit in mehrfacher Hinsicht stark einschränkten. Die Privatklägerin 1 musste diese Einschränkungen erdulden, weil sie sich illegal in der Schweiz aufhielt und dem Beschuldigten ausgeliefert war. Sie hatte solange keine Alternative, als sie nicht in einem anderen Studio Club ihrer Arbeit hätte nachgehen können. Die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 1 bezüglich Arbeitszeit, Auswahl der Kunden und sexuellen Praktiken war erheblich und erfüllt deshalb den objektiven Tatbestand von Art. 195 lit. c StGB.

 

4.3.8.5 Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz. Die Anweisungen, den Freiern jederzeit zur Verfügung zu stehen und weder Freier noch geforderte sexuelle Wünsche abzulehnen, aber auch die Kontrolle der Arbeit der Privatklägerin 1 und die restriktive Erlaubnispraxis, das Studio verlassen zu können, bezweckten eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 1 im Interesse eines möglichst hohen Umsatzes im Studio.

 

4.3.8.6 Zusammenfassend hat sich der Beschuldigte somit zum Nachteil der Privatklägerin 1 der Förderung der Prostitution schuldig gemacht, begangen in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober 2014.

 

4.3.8.7 Mittäterschaft ist gleichwertiges koordiniertes Zusammenwirken bei der Begehung einer strafbaren Handlung (Stefan Trechsel/Marc Jean-Richard-dit-Bressel in: Praxiskommentar StGB Trechsel/Pieth (Hrsg.), 4. Auflage, Zürich/St. Gallen 2021, Vor Art. 24 StGB N 10). Nach der Praxis des Bundesgerichts gilt als Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht (Stefan Trechsel/Marc Jean-Richard-dit-Bressel a.a.O, Vor Art. 24 StGB N 12 mit zahlreichen Verweisen).

 

Der Beschuldigte führte das Studio in [Ort 1] gemeinsam mit seiner Mutter F.___. Während diese vor allem für die Kundenbetreuung zuständig war (Empfang, Verhandlungen über die gewünschten Dienstleistungen und Preise, Inkasso), war der Beschuldigte für den Einkauf, die Finanzen und die Überwachung der Sexarbeiter/innen zuständig. Der Beschuldigte wirkte deshalb in massgeblicher Weise mit seiner Mutter zusammen, indem sie die anfallende Arbeit aufteilten und beide für die Organisation und den Betrieb des Studios gleichermassen verantwortlich waren. Der Beschuldigte handelte deshalb in Mittäterschaft mit seiner Mutter.

 

 

4.4  Anklageschrift Ziff. 1.3: B.___ (Privatklägerin 2)

 

4.4.1 Die Privatklägerin 2 wurde als Zeugin und Auskunftsperson von der Staatsanwaltschaft insgesamt acht Mal befragt; hinzu kommt die Befragung als Auskunftsperson anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung.

 

4.4.2 Zu ihrer persönlichen Situation führte die Privatklägerin 2 aus, dass ihr biologisches Geschlecht männlich sei, sie sich aber dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühle und deshalb als Frau angesprochen werden wolle (10.2.1.3/5).

 

Sie habe keine Eltern; sie sei adoptiert worden (10.2.1.3/29).

 

Sie habe seit ca. ihrem 18. Lebensjahr, 2005/2006, in einer Bar in Bangkok als Tänzerin und Prostituierte gearbeitet. Sie habe dann nach Europa (England) gehen wollen, um als Transvestit arbeiten zu können. Sie habe gehört, dass man dort gut verdiene (10.1.2.3/9 f.). Sie habe der Organisation, welche die Papiere für die Reise nach Europa organisiert habe, Bath 1'500'000.00 geschuldet. Diesen Betrag habe sie abarbeiten müssen (10.2.1.3/20). Es sei ihr dann gesagt worden, dass sie in der Schweiz arbeiten müsse (10.2.1.3/23 f.). Am 16./17. Mai 2011 sei sie in die Schweiz eingereist, nach einem Jahr aber wieder nach Thailand zurückgegangen (10.2.1.3/26). Sie habe in diesem Jahr in verschiedenen Studios gearbeitet (10.2.1.3/27).

 

Im Juli 2012 sei sie wieder in die Schweiz gekommen und habe erneut begonnen, als Prostituierte zu arbeiten (10.2.1.3/29). Zuerst habe sie ab November 2013 in einem Salon in [Ort 2] gearbeitet (10.2.1.3/30, 52). Sie mache die Sexarbeit nicht zum Vergnügen, sondern weil sie sonst keine andere Möglichkeit habe, ihren Lebensunterhalt zu verdienen (10.2.1.3/82). Sie habe als Transfrau keine Auswahlmöglichkeiten und in Thailand habe sie auch keine Chance (O-G/427).

 

4.4.3 Zu den Arbeitsbedingungen im Studio in [Ort 1] machte die Privatklägerin 2 folgende Aussagen:

 

-       Funktion des Beschuldigten und von F.__

 

Die Privatklägerin 2 führte aus, dass der Beschuldigte für sie nach ihrer Ankunft in [Ort 1] ein Fake-Foto für die Internetwerbung besorgt habe (10.2.1.3/77). Er habe sie insgesamt dreimal im Studio, wo sie vorher gearbeitet habe, abwerben wollen. Schliesslich habe er sie dann auch dort abgeholt und nach [Ort 1] gebracht. Sie hätten ein wenig über die Arbeit gesprochen, aber es habe nicht viel zu reden gegeben, weil es überall gleich laufe (10.2.1.3/77). Der Beschuldigte habe ihr die Arbeitszeiten und die Preise erklärt (10.2.1.3/192). Der Beschuldigte habe jeweils die Abrechnung gemacht und ihr ihren Anteil ausbezahlt (10.2.1.3/84); er habe alles gemacht, was mit Geld zu tun gehabt habe (10.2.1.3/192). Die Privatklägerin 2 bezeichnete den Beschuldigten als «Guten». Zu ihr sei er sehr gut gewesen (O-G/427).

 

F.__ habe jeweils den Kunden geöffnet und sie in den Salon geführt (10.2.1.3/81). Sie habe von den Freiern das Geld entgegengenommen (10.2.1.3/83).

 

-       Aufenthaltsdauer in [Ort 1]

 

Der Beschuldigte habe sie angerufen und sie gefragt, ob sie nach [Ort 1] komme. Sie habe damals in [Ort] in einem Studio gearbeitet. Sie habe darauf Ende Juni/Anfang Juli 2014 nach [Ort 1] gewechselt (10.2.1.3/54, 191). Es könne sein, dass sie dort total drei Monate gewesen sei (10.2.1.3/55). Sie habe dann in Studios in Biel, Lausanne und [Ort 10] gearbeitet und sei ca. Ende Dezember 2014 erneut im Studio in [Ort 1] tätig gewesen. Sie sei dort bis ca. Ende Januar 2015 geblieben (10.2.1.3/55, 76).

 

Sie hätte das Studio jederzeit verlassen können; sie hätte einzig warten müssen, bis die Internetwerbung abgelaufen sei; dies sei ein Monat gewesen. Aber man verlasse ein Studio nicht, bevor man wisse, dass man in einem anderen Studio arbeiten könne (10.2.1.3/78).

 

-       Einkommen

 

Die Privatklägerin 2 führte aus, dass sie die Hälfte ihrer Einnahmen habe abgeben müssen, als sie bei F.__ tätig gewesen sei (10.2.1.3/6, 77, 192).

 

-       Arbeitszeit

 

Während des ersten Aufenthaltes habe F.__ genau darauf geachtet, dass sie jeden Morgen um 09:00 Uhr für die Kunden bereit gewesen seien. Beim zweiten Aufenthalt sei dies lockerer gewesen (10.2.1.3/78). F.__ habe verlangt, dass sie jeden Tag arbeite. Dabei sei es ihr egal gewesen, in welchem Zustand sie gewesen sei. Beim ersten Aufenthalt habe sie jedes zweite Wochenende frei machen können. Die übrige Zeit habe sie während 24 Stunden rund um die Uhr auf Standby sein müssen. Beim zweiten Aufenthalt habe sie nur einen Tag frei machen dürfen. Während beiden Aufenthalten habe sie das Studio für einen Einkauf Ähnliches verlassen dürfen, sie habe sich einfach vorher abmelden müssen (10.2.1.3/80, 195). Wenn die Kunden gekommen seien, habe man arbeiten müssen (O-G/418).

 

Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sagte die Privatklägerin 2 aus, sie habe dem Beschuldigten und F.__ gesagt, dass sie am Wochenende frei haben wolle, da sie ansonsten 24 Uhr verfügbar gewesen sei. Manchmal sei sie am Wochenende angerufen und aufgeboten worden. Sie sei aber nicht arbeiten gegangen, weil sie frei habe wollen. Sie sei deshalb nie bedroht worden (O-G/420).

 

-       Bedienung der Freier

 

Sie habe einen Kunden nicht ablehnen dürfen. Wenn ein Kunde sie gewollt habe, habe sie ihn auch bedienen müssen (10.2.1.3/81). Die sexuellen Dienstleistungen habe sie aber selber bestimmen können, weil sie die entsprechenden Verhandlungen selber geführt habe (10.2.1.3/81), da sie die Sprache ein bisschen habe sprechen können (O-G/4214). Sie habe auch das Telefon selber abnehmen können, wenn ein Kunde angerufen habe (O-G/431). Sie habe dann entscheiden können, ob sie es habe machen wollen nicht (10.2.1.3/193).

 

In einer späteren Einvernahme führte die Privatklägerin 2 aus, dass sie selber habe entscheiden können, ob, wie lange und zu welchen Zeiten sie einen Kunden bediene. Es sei vorgekommen, dass sie einen Kunden eine sexuelle Dienstleistung abgelehnt habe (10.2.1.3/194).

 

Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung führte die Privatklägerin 2 aus, dass sie keine grosse Auswahl gehabt habe, wen sie habe bedienen wollen. Es habe zwischen den Frauen Konkurrenz geherrscht. Sie würde nicht sagen, dass sie unter Druck gesetzt worden sei, wobei ein wenig schon, weil sie keine Bewilligungen gehabt habe. Es sei nicht so, dass sie gezwungen worden sei, sie habe es machen müssen, weil sie nicht gewusst habe, wohin sie gehen soll (O-G/418). In der gleichen Einvernahme führte sie dann aber aus, dass der Beschuldigte und F.__ gar nicht gewusst hätten, ob sie einen Kunden abgelehnt habe nicht. Sie habe das Telefon entgegengenommen und selbst entschieden, wen sie annehme (O-G/420). Sie habe das gewollt, weil dies die einzige Möglichkeit gewesen sei, Kunden Praktiken abzulehnen (O-G/431).

 

-       Preise für die sexuellen Dienstleistungen

 

Die Preise seien vorgegeben gewesen. Diese seien in allen Salons, in denen sie gearbeitet habe, genau gleich, sozusagen ein Schweizer Tarif (10.2.1.3/82, 196).

 

-       Kosten für die Internetwerbung

 

Die Privatklägerin 2 führte aus, dass sie pro Monat CHF 200.00 für die Internetwerbung habe bezahlen müssen (10.2.1.3/6, 77).

 

-       Kosten für Verpflegung

 

Die Privatklägerin 2 führte aus, dass sie pro Woche CHF 100.00 für die Verpflegung habe bezahlen müssen (10.2.1.3/6, 77).

 

-       Kontrolle/Überwachung

 

Eine Überwachung ihrer Arbeit sei von Seiten des Beschuldigten von F.__ nicht erfolgt (10.2.1.3/85, 194). Sie (die Prostituierten) hätten selber geschaut, dass die Zeiten eingehalten worden seien (O-G/424).

 

-       Drogen

 

Die Privatklägerin 2 führte aus, dass sie die Drogen gebraucht habe, um ihre Arbeit überhaupt machen zu können (10.2.1.3/6). Die Drogen (Ice Crystal) habe sie beim Beschuldigten beziehen können. Sie habe unter Drogeneinfluss die Kunden so bedienen können, wie sie hätten bedient werden wollen. Ohne Drogen hätte sie gewisse Sachen (ungeschützten Oral- und Analverkehr) nicht aushalten können. Sie habe beim Beschuldigten durchschnittlich eine Portion pro Woche für CHF 150.00 gekauft, manchmal aber auch 4-5 Mal pro Woche, wenn sie viel Arbeit gehabt habe (10.2.1.3/7).

 

Sie habe vom Beschuldigten einmal Crystal angeboten erhalten, bevor sie in seinem Studio gearbeitet habe. Sie habe damals nach einem Disco-Besuch bei ihm übernachtet, weil ein Kollege den Beschuldigten gekannt habe (10.2.1.3/53). Via den Beschuldigten habe sie in [Ort 1] täglich Zugang zu den Drogen gehabt (10.2.1.3/55).

 

Das beim Beschuldigten bestellte Ice sei ihr zuerst von L.__ und später vom Beschuldigten selbst übergeben worden, nachdem sie sich mit L.__ zerstritten habe (L.__ war die damalige Freundin des Beschuldigten; 10.1/126). Sie habe pro Woche für ca. CHF 400.00 – 500.00 beim Beschuldigten Ice bezogen.

 

4.4.4 Zur Glaubhaftigkeit der Aussagen kann grundsätzlich auf die Ausführungen bei der Privatklägerin 1 verwiesen werden (Ziff. 4.3.6 hiervor). Die Privatklägerin 2 hat gegenüber dem Beschuldigten keinerlei Belastungseifer gezeigt ­– im Gegenteil: sie sagte u.a. sogar aus, der Beschuldigte sei «ein Guter». Sie verneinte die Frage, ob sie von ihm jemals bedroht worden sei, ausdrücklich. Sie führte auf die Frage, ob der Beschuldigte an D.___ (Privatklägerin 4) Drogen verkauft habe, aus, dass sie dies nicht wisse (O-G/429). Sie habe ihren Ausweis nicht abgeben müssen und sei nie geschlagen worden (O-G/431). Die Privatklägerin 2 schilderte die Verhältnisse im Studio in [Ort 1] so, wie sie überall sonst auch gewesen seien. Der Unterschied habe einzig darin bestanden, dass in [Ort 1] Drogen konsumiert worden seien. Es habe deshalb ein Durcheinander und Probleme gegeben, weil sie viele Leute gewesen seien (O-G/432). Sie stellte die Bedingungen, wie sie in [Ort 1] vorlagen, auch nicht als «Werk» des Beschuldigten von F.__ dar; vielmehr seien diese «normal» gewesen und hätten überall gegolten. Die Aussagen der Privatklägerin 2 sind glaubhaft.

 

4.4.5 Die Aussagen des Beschuldigten

 

Der Beschuldigte bestätigte, dass die Privatklägerin 2 zweimal in [Ort 1] gewesen sei, wie lange, wisse er nicht mehr. Er bestritt jedoch, mehrmals versucht zu haben, sie in [Ort 1] anzuwerben, sie sei selber gekommen. Er habe ihr die Arbeitsbedingungen erklärt: Hälftige Teilung der Einnahmen, CHF 100.00 pro Woche für das Essen, CHF 200.00 pro Monat für das Internet (10.1/13). Er bestritt dagegen, dass für die Privatklägerin 2 die 24/7-Regel gegolten habe und sie Freier nicht habe ablehnen dürfen. Sie habe kommen und gehen dürfen, wann sie wolle, sie habe auch die Preise selber bestimmen können. Es sei richtig, dass er die Abrechnungen gemacht habe (10.1/14).

 

Anlässlich der Einvernahme vom 25. November 2015 (10.1/110 ff.) führte der Beschuldigte aus, dass er von der Privatklägerin 2 keine Fixkosten verlangt habe, wenn sie nichts verdient habe (10.1/115). Sie sei insgesamt zwei Monate bei ihnen gewesen, vielleicht ein bisschen mehr. Einmal sei sie länger weggegangen und dann wieder gekommen. Der Beschuldigte bestätigte die Aussagen der Privatklägerin 1 in mehrfacher Hinsicht (Dauer ihrer Tätigkeit im Studio, Abgabe von 50% und Verwaltung der Einnahmen) und beschränkte sich darauf, belastende Umstände abzustreiten. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei um Schutzbehauptungen handelt.

 

In diesem Sinne sagte der Beschuldigte im Wesentlichen auch vor erster (28.1.2021) und zweiter Instanz (8.5.2023) aus.

 

4.4.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für die rechtliche Subsumtion auf die glaubhaften Aussagen der Privatklägerin 2 abgestellt werden kann.

 

4.4.7 Rechtliche Subsumtion

 

4.4.7.1 Die Privatklägerin 2 hielt sich in zwei Phasen im Studio in [Ort 1] auf, das erste Mal von Anfang Juli 2014 bis Anfang Oktober 2014 und das zweite Mal ab Ende Dezember 2014 bis Ende Januar 2015. Sie arbeitete somit während vier Monaten als Prostituierte im Studio in [Ort 1].

 

4.4.7.2 Der Beschuldigte bot der Privatklägerin 2 im Studio in [Ort 1] eine Tätigkeit als Prostituierte an und warb sie im Studio, wo sie vorher arbeitete, ab. Er organisierte für die Privatklägerin 2 sodann die Internetwerbung und erledigte alles, was mit Geld zu tun hatte. So rechnete er insbesondere jede Woche mit der Privatklägerin die Einnahmen ab und bezahlte ihr den ihr zustehenden Anteil aus.

 

Der Beschuldigte nahm damit im Studio in [Ort 1] eine massgebliche Stellung ein und ist entsprechend für die dort herrschenden Arbeitsbedingungen für die Prostituierten verantwortlich.

 

4.4.7.3 Die wesentlichen Vorgaben, auf welche die Privatklägerin 2 keinen Einfluss hatte, waren die Abgabe von 50% ihrer Einnahmen an den Beschuldigten sowie die Preise für die sexuellen Dienstleistungen. Beides waren Elemente, die in der Thai-Szene allgemein üblich waren und entsprechend auch im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter in Geltung waren. Entsprechend wurden diese Vorgaben im Studio auch nicht eigens diskutiert; die Privatklägerin 2 kannte diese Modalitäten.

 

4.4.7.4 Bezüglich der Arbeitszeit ist erstellt, dass die Privatklägerin 2 mit Ausnahme jedes zweiten Wochenendes während 24 Stunden einsatzbereit zu sein hatte. Es handelt sich aber auch hier um eine Arbeitsbedingung, die in der Thai-Szene weit verbreitet war. Den Aussagen der Privatklägerin 2 ist zudem zu entnehmen, dass sie durchaus auch ein Interesse hatte, für einen Arbeitseinsatz rund um die Uhr bereit zu sein, wenn ein Kunde kam, weil die Konkurrenz unter den Frauen gross gewesen sei. Den Aussagen der Privatklägerin 2 kann auch entnommen werden, dass sie sich die Gewährung von Freitagen ausbedungen hatte und diese auch durchsetzte.

 

Es ist aber doch offensichtlich, dass die Einhaltung eines Einsatzes rund um die Uhr nicht der Lust der Privatklägerin 2, sondern ihrer wirtschaftlichen Not entsprang. Die Privatklägerin 2 ist eine Transfrau, die in Thailand ohne Eltern aufwuchs und seit ihrem 18. Altersjahr ihren Lebensunterhalt mit der Prostitution verdiente. Sie kam nach Europa, um hier mit der Prostitution Geld zu verdienen, weil sie entsprechend ihren Aussagen keine Auswahlmöglichkeiten hatte. Auch die Aussagen der Privatklägerin 2 zum Drogenkonsum belegen diese Not: Sie konsumierte Ice, um die Arbeit als Prostituierte überhaupt ausführen und aushalten zu können. Die Drogen bezog sie vom Beschuldigten, wobei sie je nach Arbeitsanfall mehr weniger konsumierte. Diese Tatsache schuf zwischen der Privatklägerin 2 und dem Beschuldigten eine zusätzliche Abhängigkeit und versetzte den Beschuldigten in eine entsprechende Machtposition.

Der Beschuldigte nützte die wirtschaftliche Not der Privatklägerin 2 aus, indem er diese in seinem Studio anheuerte und dort als Prostituierte arbeiten liess. Die Privatklägerin 2 war auf Grund ihrer Sprachkenntnisse zwar offenbar befugt, Telefonanrufe von Kunden selber entgegenzunehmen und mit diesen direkt zu verhandeln. Ihre Aussagen bezüglich der ihr zustehenden Freiheiten im Zusammenhang mit der Person der Freier und den sexuellen Praktiken waren nicht ganz einheitlich. Gemäss dem Grundsatz «in dubio pro reo» muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Privatklägerin 2 grundsätzlich frei war, einen Kunden eine von diesem geforderte sexuelle Praktik abzulehnen. Faktisch hatte die Privatklägerin 2, wie sie anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung aussagte, dann aber eben doch keine grosse Auswahl: Die Privatklägerin 2 verfügte über keine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in der Schweiz, unter den Frauen im Studio bestand Konkurrenz und es bestand ein Druck zum Geldverdienen, welcher durch den Drogenkonsum vergrössert wurde und die Wahlmöglichkeiten der Privatklägerin 2 bezüglich Ablehnungsmöglichkeiten von Freiern Sexualpraktiken praktisch ausschloss.

 

4.4.7.5 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Privatklägerin 2 ihre Arbeit – wie alle anderen Privatklägerinnen auch – aus einer wirtschaftlichen Not heraus wählte. Sie wollte in der Schweiz Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen, weil sie in Thailand gehört hatte, dass dies in Europa gut möglich sei und man hier gut verdiene. Der Beschuldigte hat diese wirtschaftliche Not der Privatklägerin 2 ausgenutzt, indem er ihr einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen abnahm, ohne eine adäquate Gegenleistung dafür zu erbringen. Er war klar «am längeren Hebel», weil sich die Privatklägerin 2 illegal in der Schweiz aufhielt, vom Beschuldigten Drogen bezog, um ihre Arbeit überhaupt verrichten zu können und nach dem Motto «Vogel friss stirb» die gegebenen Arbeitsbedingungen akzeptieren musste. Damit war eine erhebliche Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 2 gegeben. Der Beschuldigte befand sich gegenüber der Privatklägerin 2 in einer Machtposition und hat diese eingeschränkte Handlungsfreiheit ausgenützt.

 

4.4.7.6 Der objektive Tatbestand der Förderung der Prostitution ist deshalb bezüglich der Privatklägerin 2 erfüllt. Für den Beschuldigten waren die wirtschaftliche Not der Privatklägerin 2 und ihre eingeschränkte Handlungsfähigkeit erkennbar. Er nutzte die dadurch entstandene Machtposition bewusst aus und handelte deshalb mit direktem Vorsatz. Der Beschuldigte ist entsprechend bezüglich Vorhalt Ziff. 1.3 schuldig zu sprechen.

 

 

4.5 Anklageschrift Ziff. 1.2: C.___ (Privatklägerin 3)

 

4.5.1 Die Privatklägerin 3 wurde von der Staatsanwaltschaft insgesamt acht Mal als Zeugin und Auskunftsperson befragt; hinzu kommt die Befragung als Auskunftsperson anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung.

 

4.5.2 Zu ihrer persönlichen Situation sagte die Privatklägerin 3 aus, sie sei ca. im November 2012 in die Schweiz gekommen. Eigentlich habe sie Ferien machen wollen, habe dann aber als Prostituierte zu arbeiten begonnen, als sie gesehen habe, wie andere Frauen Geld machen würden. Dies sei die letzte Lösung gewesen, um ihrer Familie in Thailand zu helfen, die Probleme habe. Sie habe in [Ort 3], [Ort 1] und [Ort] gearbeitet. In [Ort 1] sei sie drei bis fünf Monate an einer privaten Adresse gewesen (10.2.1.2/5). Sie habe in Thailand ein Kind (10.2.1.2/7; vgl. auch 10.2.1.2/68: Das Kind heisst [.../Jg. 2002]. In einer späteren Einvernahme führte die Privatklägerin 3 dann aus, dass sie in die Schweiz gekommen sei und in [Ort 3] sofort zu arbeiten begonnen habe, um ihre Schulden für die Reise abzubezahlen (10.2.1.2/15). Dies sei am 17. August 2012 gewesen (10.2.1.2/44).

 

Sie sei bei ihrer Tante aufgewachsen und habe auch für sie gearbeitet, weil ihre Mutter gestorben sei, als sie 9 Monate alt gewesen sei (10.2.1.2/6). Es sei ihr erzählt worden, dass die Mutter ermordet worden sei (10.2.1.2/71). Sie habe nach der Schulzeit keinen Beruf erlernt und ihrer Tante beim Verkauf auf dem Markt geholfen (10.2.1.2/72).

 

4.5.3 Zu den Arbeitsbedingungen im Studio in [Ort 1] machte die Privatklägerin 3 folgende Aussagen:

 

-       Funktion des Beschuldigten und von F.__

 

Die Privatklägerin 3 führte aus, sie wisse nicht, ob F.__ der Beschuldigte das Studio betrieben hätten, sie hätten es zusammen gemacht (10.2.1.2/17). Der Beschuldigte habe das Studio eigentlich schon damals geführt. Er habe über die Einnahmen eine Buchhaltung geführt und ihr jeweils ihren Anteil ausbezahlt (10.2.1.2/17). Sie habe das Meiste mit dem Beschuldigten, nicht mit F.__, besprochen (10.2.1.2/145). Der Beschuldigte habe die Aufsicht über das Essen und das Geld gehabt (10.2.1.2/153). Er habe auch die Internetwerbung organisiert (10.2.1.2/159).

 

F.__ habe mit den Freiern verhandelt und das Geld entgegengenommen, manchmal habe sie dies aber auch selber getan (10.2.1.2/17).

 

-       Aufenthaltsdauer in [Ort 1]

 

Anlässlich der ersten Einvernahme führte die Privatklägerin 3 aus, sie sei drei bis fünf Monate in [Ort 1] gewesen (10.2.1.2/5). Später sagte sie, sie habe lediglich zwei Monate in [Ort 1] gearbeitet (10.2.1.2/16). Sie sei 2014 nach [Ort 1] gekommen, als in [Ort] der Fasnachts-Umzug gewesen sei (das war der 2. März 2014). Sie habe vorher in [Ort] gearbeitet, wo der Beschuldigte oft Karten gespielt habe. Er habe ihr angeboten, in [Ort 1] im Studio zu arbeiten. Er habe sie dann in [Ort] abgeholt (1.2.1.2/135). Der Beschuldigte habe ihr dann die Modalitäten erklärt. Sie sei zwei Monate geblieben (10.2.1.2/19). Sie hätte die Arbeit jederzeit niederlegen und das Studio verlassen können, sie seien Freunde gewesen (10.2.1.2/20).

 

Sie habe dem Beschuldigten von Anfang an gesagt, dass sie mal schauen möchte, wie es in [Ort 1] laufe und wieviel Arbeit sie habe. Für viele ihrer Stammkunden sei der Weg nach [Ort 1] zu weit gewesen, deshalb sei sie zurück nach [Ort] (10.2.1.2/52). Sie habe dann das Studio in [Ort 1] wieder verlassen und sei nach [Ort] zurück, weil sie zu wenig Kunden gehabt habe (O-G 462).

 

-       Einkommen

 

Sie habe 50%-50% gearbeitet. F.__ habe einkassiert und ihr Ende Woche jeweils die Hälfte gegeben (10.2.1.2/17). Es sei der Beschuldigte gewesen, der ihr das Geld jeweils gegeben habe. Er habe auch eine Buchhaltung über die Einnahmen geführt (10.2.1.2/17). Später führte sie aus, dass sie manchmal das Geld auch selbst entgegengenommen und dann in eine Schublade gelegt habe (10.2.1.2/158).

 

-       Arbeitszeit

 

Sie habe es im Voraus sagen müssen, wenn sie habe frei nehmen wollen. Wenn sie nicht dort gewesen und Kundschaft gekommen sei, sei sie zurückgegangen, um zu arbeiten. Wenn sie nicht rechtzeitig gewesen sei, sei der Transvestit (Privatklägerin 1) für sie eingesprungen (10.2.1.2/19, 22). Sie habe keine Erlaubnis benötigt, um den Salon zu verlassen, sie habe es einfach vorgängig sagen müssen (10.2.1.2/158).

 

Der Salon sei von 11:00 Uhr bis Mitternacht geöffnet gewesen. Sie habe während der Öffnungszeiten rausgehen können, z.B. für einen Besuch an der [Adresse] (in [Ort], 10.2.1.2/ 23; O-G 465).

 

-       Bedienung der Freier

 

Die Privatklägerin 3 führte aus, dass sie den Kunden hätte abweisen können, wenn sie dies gewollt hätte. Sie hätte auch Praktiken, die sie nicht gewollt habe, abweisen können (10.2.1.2/21, 158).

 

Sie hätten in der Bedienung der Freier eine Reihenfolge eingehalten, dies sei so fair und richtig gewesen. Wenn sie schon einen Freier bedient gehabt habe, sei die Nächste drangekommen (10.2.1.2/137).

 

Der Beschuldigte und F.__ hätten ihr erlaubt, sich auszuruhen, wenn sie müde gewesen sei, auch wenn jemand gekommen sei, weil es noch andere gehabt habe, die gearbeitet hätten (10.2.1.2/140).

 

Sie hätte Freier ablehnen können, habe es aber nicht getan, weil sie Geld habe verdienen wollen (10.2.1.2/156).

 

-       Preise für die sexuellen Dienstleistungen

 

Die Privatklägerin 3 führte aus, dass es im Studio keine Preisliste gegeben habe. Sie hätten versucht, CHF 150.00 200.00 zu verlangen, aber die Freier hätten die üblichen Preise gekannt (10.2.1.2/24). Der Beschuldigte habe versucht, für eine halbe Stunde CHF 200.00 einzuführen (10.2.1.2/141). Sie habe auf die Preisverhandlungen keinen Einfluss nehmen können, weil sie nicht Deutsch spreche (10.2.1.2/157).

 

-       Kosten für die Internetwerbung

 

Sie habe für das Internet CHF 200.00 pro Monat bezahlen müssen. Sie sei damit einverstanden gewesen (10.2.1.2/21).

 

-       Kontrolle/Überwachung

 

Eine Kontrolle Überwachung habe es nicht gegeben, einzig eine Kamera draussen, um zu sehen, ob die Polizei komme (10.2.1.2/24). Sie habe Kontakte zu anderen Prostituierten und Freunden pflegen dürfen (10.2.1.2/25).

 

-       Drogen

 

Die Privatklägerin 3 führte aus, dass sie schon während der Zeit, als sie in [Ort] gearbeitet habe, beim Beschuldigten Drogen (Ice) gekauft habe. Auch in [Ort 1] habe sie von ihm Drogen bezogen. Für ein halbes Gramm habe sie CHF 150.00 bezahlt. Insgesamt habe sie beim Beschuldigten für CHF 1'000.00 – 2'000.00 Ice gekauft (10.2.1.2/25 f.). Später (Einvernahme vom 28. März 2018) konnte sich die Privatklägerin 3 nicht mehr erinnern, ob sie vom Beschuldigten Drogen erworben habe (10.2.1.2/160). Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sagte sie aber wieder aus, während ihrer Zeit in [Ort] vom Beschuldigten Ice bezogen zu haben (O-G 465). In [Ort 1] habe sie dann auch einmal beim Beschuldigten Ice kaufen wollen. Sie habe bestellt und bezahlt; der Beschuldigte habe dann behauptet, sie hätte noch nicht bezahlt und sie habe deshalb doppelt bezahlen müssen. Sie habe dann beim Beschuldigten aus diesem Grund keine Drogen mehr gekauft (O-G 470).

 

4.5.4 Die Aussagen der Privatklägerin 3 sind glaubhaft. Es kann zur Begründung auf die Ausführungen zu den Aussagen der Privatklägerin 1 verwiesen werden (vgl. Ziff. 4.3.6 hiervor). Die Privatklägerin 3 bezeichnete den Beschuldigten und seine Mutter als ihre Freunde, es lassen sich keinerlei Hinweise auf einen Belastungseifer erkennen. Hinzu kommt, dass die Aussagen inhaltlich in weiten Teilen den Aussagen der übrigen Privatklägerinnen entsprechen und Verhältnisse geschildert werden, welche in der Thai-Szene üblich waren und auch dem Berufungsgericht bereits in mehreren Entscheiden in dieser ähnlicher Form begegnet sind.

 

4.5.5 Die Aussagen des Beschuldigten

 

Der Beschuldigte bestätigte, die Privatklägerin 3 von [Ort] her zu kennen. Sie habe ihn gefragt, ob sie zu ihnen kommen könne, da sie dort ein Problem gehabt habe, und er sei einverstanden gewesen. Sie habe dann in [Ort 1] gearbeitet. Er habe ihr gesagt, bei ihnen sei kein Rotlicht, es sei alles privat. Wenn sie arbeiten wolle, würde er sie im Internet anmelden, es sei kein Zwang. Sie habe 40 50% der Einnahmen abgeben müssen sowie pro Woche CHF 100.00 für das Essen (10.1/10 f.).

 

Anlässlich der Einvernahme vom 10. November 2015 (10.1/60 ff.) führte der Beschuldigte aus, die Privatklägerin 3 habe «halb halb» bei ihnen in [Ort 1] gearbeitet. Sie sei immer wieder nach [Ort] gegangen. Sie hätten sie gefragt, wie es an anderen Orten sei, worauf sie 50%/50% gesagt habe. Also hätten sie es auch so gemacht. Die Privatklägerin 3 sei zwei bis drei Wochen, sicher nicht mehr als einen Monat, bei ihnen gewesen. Die Privatklägerin 3 habe das Geld vom Kunden genommen und ihnen (dem Beschuldigten und seiner Mutter) dann zur Aufbewahrung gegeben. Er seine Mutter hätten dann die Auszahlungen gemacht.

 

In diesem Sinne sagte der Beschuldigte im Wesentlichen auch vor erster (28.1.2021) und zweiter Instanz (8.5.2023) aus.

 

4.5.6    Rechtliche Subsumtion

 

4.5.6.1 Gestützt auf die Aussagen der Privatklägerin 3, wonach sie ab dem Fasnachtsumzug [Ort] im Jahr 2014 (2. März 2014) während ca. zwei Monaten im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter tätig gewesen sei, ist der vorgehaltene Tatzeitraum (Anfang März bis Mitte April 2014) erstellt.

 

4.5.6.2 Es ist weiter erstellt, dass der Beschuldigte in dieser Phase im Studio eine wichtige Rolle einnahm. So führte er Buch über die Einnahmen und bezahlte der Privatklägerin 3 jeweils ihren Anteil aus. Sodann nahm die Privatklägerin 3 die Arbeit in [Ort 1] gestützt auf ein Angebot des Beschuldigten an und er war es auch, der sie in [Ort] abholte, ihr in der Folge die Modalitäten erklärte und ihr Ansprechpartner war. Der Beschuldigte organisierte zudem die Internetwerbung.

 

Der Beschuldigte war somit in massgeblicher Weise am Betrieb des Studios beteiligt. Entsprechend trägt er auch die Verantwortung für die im Tatzeitraum bestehenden konkreten Verhältnisse, wie sie sich für die Privatklägerin 3 in dieser Zeit im Studio in [Ort 1] ausnahmen.

 

4.5.6.3 Eine wesentliche Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 3 kann aber im Studio ZZ.___ nicht erkannt werden. Die Privatklägerin 3 nahm ein Angebot des Beschuldigten, in diesem Studio zu arbeiten, an, machte aber von Beginn weg den Vorbehalt, das Studio wieder zu verlassen und nach [Ort] zurückzukehren, sollte sie zu wenig Arbeit haben. Sie kehrte tatsächlich auch aus diesem Grund wieder nach [Ort] zurück. Die Privatklägerin 3 konnte frei entscheiden, ob sie arbeiten wollte nicht, musste dies jedoch vorgängig ankündigen, was im Interesse der Einhaltung der Betriebsabläufe auch als nachvollziehbar erscheint. Sie war auch frei, Freier geforderte sexuelle Praktiken abzulehnen.

 

4.5.6.4 Die wesentlichen Vorgaben, auf welche die Privatklägerin 3 keinen Einfluss hatte, waren die Abgabe von 50% ihrer Einnahmen an den Beschuldigten sowie die Preise für die sexuellen Dienstleistungen. Beides waren aber Elemente, die in der Thai-Szene allgemein üblich waren und entsprechend auch im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter in Geltung waren. Entsprechend wurden diese Vorgaben im Studio auch nicht eigens diskutiert und sind demzufolge der Privatklägerin 3 nicht vom Beschuldigten aufgezwungen worden, weil er sich ihr gegenüber in einer Machtposition befand.

 

4.5.6.5 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Privatklägerin 3 ihre Arbeit – wie alle anderen Privatklägerinnen auch – aus einer wirtschaftlichen Not heraus wählte. Sie wollte in der Schweiz Geld verdienen, um zuhause in Thailand ihre Tochter finanziell unterstützen zu können. Der Beschuldigte hat diese wirtschaftliche Not der Privatklägerin 3 ausgenutzt, indem er ihr einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen abnahm, ohne eine adäquate Gegenleitung dafür zu erbringen. Er war klar «am längeren Hebel», weil sich die Privatklägerin 3 illegal in der Schweiz aufhielt. Eine gewisse Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 3 war somit gegeben. Der Beschuldigte hat diese eingeschränkte Handlungsfreiheit zwar ausgenützt, seine gegenüber der Privatklägerin 3 ungleich stärkere Position aber nicht dazu benutzt, die Privatklägerin 3 weiter einzuschränken. So hatte diese im Zusammenhang mit der Einteilung der Arbeitszeit, der Bedienung der Freier und der angebotenen sexuellen Praktiken eigenen Gestaltungsspielraum, den der Beschuldigte nicht weiter einschränkte. Vielmehr entschied die Privatklägerin 3 selbst, möglichst keinen Freier und keine gewünschte sexuelle Praktik abzulehnen, damit ihr kein Einkommen entgeht. Im Gegensatz zu den Privatklägerinnen 1 und 2 ist bei der Privatklägerin 3 auch nicht eine Abhängigkeit vom Beschuldigten zu erkennen, welche auf den Drogenkonsum zurückzuführen gewesen wäre. Die Privatklägerin 3 konsumierte zwar ebenfalls Ice/Crystal, welches sie vom Beschuldigten bezog, dies aber in einem wesentlich geringeren Ausmass als die Privatklägerinnen 1 und 2, bezog sie doch vom Beschuldigten «nur» drei Gramm, dies teilweise noch in der Zeit, als sei in [Ort] arbeitete. Sie machte auch keine Aussagen, welche auf eine diesbezügliche Abhängigkeit auf eine «Schuldenfalle», die sie weiter eingeschränkt hätten, hinweisen würde.

 

4.5.6.6 Der objektive Tatbestand der Förderung der Prostitution ist deshalb bezüglich der Privatklägerin 3 nicht erfüllt. Der Beschuldigte ist vom Vorhalt gemäss Anklageschrift Ziff. 1.2 freizusprechen.

 

 

4.6 Anklageschrift Ziff. 1.4:  D.___ (Privatklägerin 4)

 

4.6.1 D.___ (Privatklägerin 4) wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn sechsmal und von der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern einmal befragt, teils als Zeugin, teils als Auskunftsperson. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung erfolgte keine weitere Befragung, weil sich der Privatklägerin 4 in den Arabischen Emiraten aufhielt (O-G/347).

 

4.6.2 Zu ihrer persönlichen Situation führte die Privatklägerin 4 aus, dass ihr biologisches Geschlecht männlich sei, sie sich aber dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühle und deshalb als Frau angesprochen werden wolle (10.2.1.4/5).

 

Sie habe eine glückliche Kindheit gehabt, aber schon mit sieben acht Jahren gemerkt, dass sie im falschen Körper geboren worden sei. Die Eltern hätten dies akzeptiert, ihre Verwandten aber nicht; diese hätten nichts mehr von ihr wissen wollen (10.2.1.4/56). Sie habe eine vollständige Geschlechtsumwandlung hinter sich.

 

Ihre Eltern hätten sehr hart auf dem Feld gearbeitet, es habe gerade zum Leben gereicht. Sie habe in der Prostitution zu arbeiten begonnen, weil sich damit mehr Geld habe verdienen lassen. Das Wichtigste sei gewesen, die Familie finanziell unterstützen zu können (10.2.1.4/57). Es sei ihre Absicht gewesen, mit dem in der Schweiz verdienten Geld die Familie zu unterstützen (10.2.1.4/58).

 

Ein Transvestit habe ihr den Rat gegeben, in die Schweiz zu gehen, um hier Geld zu verdienen. Er habe gesagt, es gehe um Massage, d.h. Massage und Prostitution. Er habe ihr auch gesagt, dass sie die Hälfte des Verdienstes abgeben müsse; dies habe sie überrascht, sie habe eher mit 60/40 70/30 zu ihren Gunsten gerechnet (10.2.1.4/5). Ihre Familie habe Geld aufgenommen und Schulden gemacht, um ihr die Reise in die Schweiz zu ermöglichen. Sie sei dann nach Zürich geflogen und von einem Freund  abgeholt worden. Dieser habe sie nach [Ort 1] gebracht.

 

4.6.3 Zu den Arbeitsbedingungen im Studio in [Ort 1] machte die Privatklägerin 4 folgende Aussagen:

 

-       Funktion des Beschuldigten und von F.__

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass das Studio in [Ort 1] von F.__ und ihrem Sohn E.__ betrieben worden sei (10.2.1.4/178). Die wöchentliche Abrechnung der Einnahmen habe der Beschuldigte gemacht (10.2.1.4/183).

 

F.__ habe sie nach der Ankunft in [Ort 1] begrüsst und ihr gesagt, dass sie halbe-halbe machen würden. Sie habe ihr die Arbeitszeiten genannt und sie über die Kostenbeteiligung für Internet und Verpflegung sowie die Preise für die sexuellen Dienstleistungen orientiert (10.2.1.4/38). F.__ habe mit den Kunden verhandelt und das Geld entgegengenommen. Sie habe ihr dann gesagt, wie lange sie einen Freier bedienen und was sie machen müsse (10.2.1.4/40, 84).

 

-       Aufenthaltsdauer in [Ort 1]

 

Sie sei am 6. Juli 2014 in die Schweiz eingereist und von M.__ nach [Ort 1] geführt worden. Dort habe sie drei Wochen gearbeitet (10.2.1.4/6). Weil sie dort kaum Kunden gehabt habe, habe ihr M.__ einen neuen Arbeitsort in der Nähe von [Ort 9] ([Ort 8]) gesucht. Sie habe dort drei vier Tage vor dem Nationalfeiertag der Schweiz angefangen (10.2.1.4/39). Dort habe sie 15 Tage gearbeitet und habe dann, nachdem sie von der Betreiberin in [Ort 8] rausgeschmissen worden sei, F.__ angerufen und sei wieder nach [Ort 1] zurückgekehrt (10.2.1.4/9). Anfang Oktober 2014 sei sie dann in [Ort 1] erneut weggegangen und habe im Studio von N.__ in [Ort] zu arbeiten begonnen (10.2.1.4/16, 46). Der Grund des Wechsels seien wenige Freier und die deshalb bei F.__ bestehenden Schulden sowie der Drogenkonsum der anderen Prostituierten im Studio gewesen (10.2.1.4/9). Es sei ihr jederzeit möglich gewesen, die Arbeit in [Ort 1] niederzulegen, falls sie gegenüber F.__ keine Schulden gehabt habe (10.2.1.4/39).

 

-       Einkommen

 

F.__ habe ihr gesagt, dass sie halbe-halbe machen würden (10.2.1.4/38). Wenn sie damit nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie nicht bei F.__ arbeiten können (10.2.1.4/131).

 

-       Arbeitszeit

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass es in [Ort 1] kaum Arbeit gegeben habe. Zudem seien dort Drogen konsumiert worden, welche die Prostituierten beim Beschuldigten bezogen hätten. Die Prostituierten, welche Drogen konsumiert hätten, hätten von F.__ mehr Freier zugesprochen bekommen, damit sie dem Beschuldigten die Drogen hätten bezahlen können. Sie selbst habe keine Drogen konsumiert und deshalb wenig Freier gehabt (10.2.1.4/9).

 

F.__ habe ihr zu Beginn gesagt, dass sie von 09:00 Uhr bis 22:00 Uhr arbeite (10.2.1.4/38). Dies seien nur die offiziellen Arbeitszeiten gewesen, sie habe sich eigentlich rund um die Uhr bereithalten müssen. Wenn ein Kunde um 04:00 Uhr gekommen sei, habe sie aufstehen und ihn bedienen müssen (10.2.1.4/43 f., 180). Sie habe eigentlich Tag für Tag selber entscheiden können, ob sie habe arbeiten wollen nicht, aber sie habe Geld verdienen müssen, um die Fixkosten im Studio und die Schulden in Thailand (Reisekosten) bezahlen zu können. Bei Krankheit habe sie selber entscheiden können, ob sie arbeiten wolle nicht (10.2.1.4/43). Es habe ihr niemand befohlen, 24 Stunden standby zu sein. Sie habe aber bereit sein und ansprechend aussehen müssen, wenn ein Kunde gekommen sei. Sie habe dies selber entschieden und sich ihm nicht verweigern dürfen. Sie habe dann arbeiten müssen (10.2.1.4/181).

 

Sie habe das Studio am Vormittag für ein zwei Stunden verlassen dürfen, wenn F.__ das Einverständnis gegeben habe. Am Nachmittag und Abend habe sie das Studio nicht verlassen dürfen (10.2.1.4/44).

 

Sie habe pro Woche einen Freitag gehabt (10.2.1.4/180)

 

-       Hausarbeiten

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass sie am Morgen aufgestanden seien und einander geholfen hätten, zu putzen. Manchmal habe sie selber gekocht, manchmal habe F.__ gekocht (10.2.1.4/178). Sie (die Privatklägerin 4) habe Kleider gewaschen und geputzt, ohne dafür bezahlt zu werden (10.2.1.4/183).

 

-       Bedienung der Freier

 

F.__ habe ihr jeweils gesagt, wie lange sie einen Freier bedienen und was sie machen müsse. Sie habe aber die Möglichkeit gehabt, einen Kunden bzw. seine Wünsche abzulehnen (10.2.1.4/41, 84). Ein Kunde, der kein Kondom habe anziehen wollen, habe sie abgelehnt, dies sei vorgekommen. F.__ habe darauf nicht reagiert (10.2.1.4/182).

 

Es habe bei der Arbeit eine Reihenfolge gegeben. Wenn sie gearbeitet habe, sei danach für den nächsten Kunden eine andere an die Reihe gekommen (10.2.1.4/178).

 

-       Preise für die sexuellen Dienstleistungen

 

F.__ habe ihr die Preise gesagt (CHF 300.00 pro Stunde, CHF 200.00 pro halbe Stunde). Zu den Preisen habe sie nichts sagen können, diese habe F.__ mit den Kunden verhandelt (10.2.1.4/38). Sie sei aber unter Druck gestanden, alle Freier anzunehmen und keine Sexualpraktiken abzulehnen, da sie ansonsten kein Geld verdient hätte (10.2.1.4/85).

 

-       Kosten für die Internetwerbung

 

Für das Internet habe sie CHF 400.00 pro Monat bezahlen müssen (10.2.1.4/6). Später korrigierte die Privatklägerin 4 diese Aussage: Es seien CHF 200.00 pro Monat für die Internetwerbung gewesen (10.2.1.4/41).

 

-       Kosten für die Verpflegung

 

Für das Essen habe sie CHF 100.00 pro Woche bezahlen müssen (10.2.1.4/6).

 

-       Kontrolle/Überwachung

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass ihre Prostitutionstätigkeit nicht überwacht und kontrolliert worden sei (10.2.1.4/45). Sie habe Kontakte zu anderen Prostituierten und zur Aussenwelt pflegen dürfen (10.2.1.4/46).

 

-       Arbeitsbedingungen im Allgemeinen

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass sich die Arbeit in [Ort 1] für sie nicht gelohnt habe. Es sei ihr vorgekommen, als ob sie die ganze Familie F.__ unterstützen würde. Sie habe sich eingeengt gefühlt. Sie sei aber auf die Stelle angewiesen gewesen und es sei nicht einfach gewesen, ein anderes Studio zu finden (10.2.1.4/44). Sie habe in [Ort 1] keine Kunden gehabt, aber sie habe trotzdem bezahlen müssen, weil sie dort gewohnt habe. Es habe ihr nicht gut getan, dass sie immer im Haus habe sein müssen und nie habe rausgehen können (10.2.1.4/185).

 

4.6.4 Die Aussagen der Privatklägerin 4 sind nicht von Belastungseifer geprägt. So sagte sie aus, dass es ihr jederzeit möglich gewesen wäre, das Studio zu verlassen, falls sie gegenüber F.__ keine Schulden gehabt habe, und dass ihr niemand befohlen habe, 24 Stunden standby zu sein. Sie habe selber entschieden, bereit zu sein und zu arbeiten, wenn ein Kunde gekommen sei, habe aber einen Kunden auch ablehnen können. Sehr authentisch wirkten die Schilderungen der Privatklägerin 4, wonach Frauen, die Drogen konsumiert hätten, bei der Zuteilung von Freiern bevorzugt behandelt worden seien, damit diese F.__ die Drogenschulden hätten zurückzahlen können. Insgesamt wirken die Aussagen der Privatklägerin 4, die jeweils unter Hinweis auf die Straffolgen einer wahrheitswidrigen Aussage bzw. einer falschen Anschuldigung einvernommen wurde, glaubhaft.

 

4.6.5 Die Aussagen des Beschuldigten

 

Der Beschuldigte führte aus, die Privatklägerin 4 sei maximal einen Monat bei ihnen gewesen (10.1/132).

 

4.6.6 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass für die rechtliche Subsumtion auf die glaubhaften Aussagen der Privatklägerin 4 abgestellt werden kann.

 

4.6.7 Rechtliche Subsumtion

 

4.6.7.1 Gestützt auf die Aussagen der Privatklägerin 4, wonach sie ab dem 6. Juli 2014 bis Ende Juli 2014 und dann ein zweites Mal von ca. Mitte August 2014 bis Anfang Oktober 2014 im Studio in [Ort 1] gearbeitet habe, ist der vorgehaltene Tatzeitraum erstellt.

 

4.6.7.2 Die Privatklägerin 4 führte aus, dass das Studio vom Beschuldigten und seiner Mutter betrieben worden sei. Der Beschuldigte rechnete mit ihr wöchentlich die Einnahmen ab.

 

Der Beschuldigte war somit in massgeblicher Weise am Betrieb des Studios beteiligt. Entsprechend trägt er auch die Verantwortung für die im Tatzeitraum bestehenden konkreten Verhältnisse, wie sie für die Privatklägerin 4 in dieser Zeit im Studio in [Ort 1] herrschten.

 

4.6.7.3 Die Privatklägerin 4 hatte auf die Aufteilung der Einnahmen (Abgabe von 50% an den Beschuldigten zuzüglich CHF 100.00 pro Woche für die Verpflegung und CHF 200.00 pro Monat für die Internetwerbung) keinen Einfluss. Ebenso konnte sie bei der Preisgestaltung nicht mitreden, sondern musste die vorgegebenen Bedingungen akzeptieren. Die Privatklägerin 4 unterlag faktisch einem 24-Stunden-Standby-Regime, auch wenn sie hierzu nicht ausdrücklich angehalten wurde. Die Privatklägerin 4 stand unter erheblichem Druck, weil sie die Fixkosten des Studios, die als ausbeuterisch bezeichnet werden müssen, und die Reisekosten, für welche sich ihre Familie verschuldete, bezahlen musste. Offensichtlich gab es in [Ort 1] wenig Arbeit und es wurden die Prostituierten, welche Drogen konsumierten, privilegiert behandelt, indem diese mehr Freier zugeteilt erhielten, damit sie gegenüber F.__ und dem Beschuldigten die Schulden für die Drogen bezahlen konnten. All diese Umstände erhöhten den Druck auf die Privatklägerin 4; wenn sie einmal einen Kunden zugeteilt erhielt, konnte sie sich eine Ablehnung nicht leisten. Ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht wurde damit erheblich verletzt. Eine weitere Einschränkung der Handlungsfreiheit der Privatklägerin 4 bestand darin, dass sie das Studio jeweils nur für kurze Zeit und mit dem Einverständnis von F.__ verlassen durfte.

 

4.6.7.4 Die Privatklägerin 4 hielt sich illegal in der Schweiz auf, war mit den hiesigen Gepflogenheiten in keiner Weise vertraut und der deutschen Sprache nicht mächtig. Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen in Thailand, ihre Familie musste sich verschulden, um ihr die Reise nach Europa zu ermöglichen. Wohl kam sie in die Schweiz, um hier Geld als Prostituierte zu verdienen; zu Folge der Herkunft aus ärmsten Verhältnissen, der wirtschaftlichen Not und dem illegalen Status befand sich die Privatklägerin 4 aber gegenüber den Studiobetreibern in einem Abhängigkeitsverhältnis. Die Privatklägerin 4 stand unter erheblichem sozialen und wirtschaftlichen Druck und ihre Einwilligung, im Studio in [Ort 1] der Prostitution nachzugehen, war lediglich eine vordergründige, nicht wirksame Einwilligung. Die Privatklägerin 4 hatte auf Grund ihrer konkreten Situation nur die Möglichkeit, die Situation und die Bedingungen in [Ort 1] zu akzeptieren aber in ein anderes Etablissement mit gleichen Bedingungen zu wechseln. Dieses Abhängigkeitsverhältnis zu dem seit bald 30 Jahren in der Schweiz lebenden Beschuldigten begründete eine Machtposition des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 4.

 

4.6.7.5 Die Handlungsfreiheit und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Privatklägerin 4 waren während ihres Aufenthalts im Studio in [Ort 1] massiv eingeschränkt. Sie musste sich rund um die Uhr für Freier bereithalten und hatte faktisch keine Möglichkeit, die von diesen geforderten Praktiken abzulehnen, weil sie auf die Einkünfte angewiesen war. Zudem konnte sie das Studio nur zurückhaltend (Vormittag, ein bis zwei Stunden, nur mit Erlaubnis von F.__) verlassen. Der Tatbestand von Art. 195 lit. c StGB ist damit objektiv erfüllt.

 

4.6.7.6 Dem Beschuldigten war die Situation der Privatklägerin 4 klar. Auch wenn von seiner Seite weder die Bedienung der Freier rund um die Uhr ausdrücklich angeordnet wurde und er auch nicht ausdrücklich eine Ablehnung von Freiern sexuellen Praktiken verbot, musste ihm klar und bewusst sein, dass die Privatklägerin 4 auf die Bedienung aller Freier rund um die Uhr angewiesen war, um ihren finanziellen Verpflichtungen überhaupt nachkommen zu können. Die Fixkosten für Verpflegung und Internetwerbung musste die Privatklägerin 4 bezahlen, sie war also auf Umsatz angewiesen. Dem Beschuldigten musste auch klar sein, dass die Privatklägerin 4 Geld nach Thailand schicken musste, damit ihre Familie die Reiseschulden zurückbezahlen konnte. Er handelte deshalb mit direktem Vorsatz: Die Tätigkeit der Privatklägerin 4 in seinem Studio bezweckte die Erzielung eines möglichst grossen Umsatzes unter Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit und ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechts.

 

4.6.7.7 Zusammenfassend hat sich der Beschuldigte somit zum Nachteil der Privatklägerin 4 der Förderung der Prostitution schuldig gemacht.

 

Die Privatklägerin 4 führte aus, dass der Beschuldigte und seine Mutter den Betrieb gemeinsam geführt hätten. Sie erwähnte im Zusammenhang mit einzelnen Handlungen zwar vor allem die Mutter des Beschuldigten; so habe diese ihr die Arbeitsbedingungen erklärt und die Arbeitszeiten genannt. F.___ habe mit den Kunden verhandelt, das Geld entgegengenommen und ihr gesagt, wie lange sie einen Freier bedienen müsse und was sie machen müsse. Aber auch der Beschuldigte hatte wesentliche Kompetenzen: So rechnete er wöchentlich die Finanzen ab und organisierte für die Sexarbeiter/innen die Drogen. Er war somit in massgeblicher Weise an der Organisation und am Betrieb des Studios beteiligt und handelte deshalb in Mittäterschaft mit seiner Mutter F.___.

 

 

 

III.  Anklageschrift Ziff. 2 und 3: Mehrfache Förderung des rechtswidrigen  Aufenthalts in Bereicherungsabsicht (Art. 116 Abs. 1 lit. a und b i.V. mit Abs. 3 lit. a AuG) und mehrfache Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung (Art. 117 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 AuG)

 

1. Die von der Vorinstanz ausgefällten Schuldsprüche blieben von Seiten des Beschuldigten unangefochten. Von Seiten der Staatsanwaltschaft bezog sich die Berufungserklärung insoweit auf die ausländerrechtlichen Vorhalte gemäss Anklageschrift Ziff. 2 und 3, als die Vorinstanz die Tatzeiträume gemäss Anklageschrift nicht als vollumfänglich erstellt erachtete und implizit teilweise Freisprüche vornahm.

 

2. Gemäss den vorstehenden Ausführungen und Beweisergebnissen im Zusammenhang mit der Förderung der Prostitution (Ziff. II hiervor) sind folgende Aufenthaltsdauern der Privatkläger/innen im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter erstellt und stellen dementsprechend den Tatzeitraum für die ausländerrechtlichen Straftaten dar:

 

2.1       Privatklägerin 1

Mitte Juni 2014 bis Mitte Oktober 2014,

Total vier Monate.

 

(Im vorgehaltenen Zeitraum Februar/März 2014 erfüllte der Beschuldigte den objektiven Tatbestand von Art. 195 lit. c StGB nicht und ist somit auch nicht in Bezug auf die AuG-Delikte strafrechtlich verantwortlich.)

 

2.2       Privatklägerin 2

Anfang Juli 2014 bis Anfang Oktober 2014 sowie Ende Dezember 2014 bis Ende Januar 2015,

            Total vier Monate.

Der Tatzeitraum gemäss Anklageschrift Ziffer 2 und 3 lemma 3 ist erstellt.

 

2.3        Privatklägerin 3

Ab März 2014 für ca. zwei Monate.

Der Tatzeitraum gemäss Anklageschrift Ziff. 2 und 3 lemma 2 (Anfang März 2014 bis ca. Mitte April 2014) ist erstellt.

 

2.4       Privatklägerin 4

            Vom 7. Juli 2014 bis Ende Juli 2014 und

            Mitte August 2014 bis Anfang Oktober 2014.          

Der Tatzeitraum gemäss Anklageschrift Ziffer 2 und 3 lemma 4 ist erstellt.

 

 

IV.  Anklageschrift Ziff. 4: Mehrfache Vergehen gegen das BetmG

 

Dem Beschuldigten wird in Anklageziffer 4.1 der Kauf und Verkauf, evtl. das auf andere Weise Verschaffen von Ice/Crystal (Methamphetamin) vorgeworfen, angeblich begangen zwischen mindestens März 2013 und 23. September 2015 an der [Adresse 1] in [Ort 1], [Ort 2], [Ort], [Ort 3], [Ort 6] sowie eventuell anderswo in der Schweiz, indem er unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionierungen total mindestens ca. 132g bis 134g lce/Crystal (= mind. ca. 89.8g bis 91.1 g reines Methamphetamin), das er zuvor bei einem nicht näher identifizierbaren Mann mit dem Spitznamen «P.___» resp. einer nicht näher identifizierbaren Frau mit dem Spitznamen «U.___» gekauft habe, an Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter verkauft habe. Eventualiter habe er das lce/Crystal von diversen Personen, so unter anderem einem nicht näher identifizierbaren Mann mit dem Spitznamen «P.___» resp. einer nicht näher identifizierbaren Frau mit dem Spitznamen «U.___», im Auftrag der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter gekauft, alsdann an die Sexarbeiter/-innen abgegeben und diesen das lce /Crystal so auf andere Weise verschafft.

 

Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 23. Februar 2015 am Domizil des Beschuldigten an der [Adresse 1] in [Ort 1] wurden diverse Minigrips, eine Waage «Delwastar, eine weitere Waage «waagen 4 you s200» sowie Methamphetamin (Thaipillen, Ice, Crystal), total 1.14 Gramm, beschlagnahmt (12.2/11 f.).

 

Der Beschuldigte räumte anlässlich der Befragung vom 23. September 2015 (10.1/8 f.) ein, dass er für seine Tante in [Ort] an der [Adresse] Ice (Crystal) geholt habe. Er habe pro Gramm CHF 300.00 bezahlt. Wenn jemand Bedarf gehabt habe, habe er Drogen geholt. Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 20. Oktober 2015 (10.1.723 ff) führte er aus, dass er den Damen Crystal Meth/Ice beschafft und ihnen damit einen Gefallen getan habe, dies während ca. einem bis eineinhalb Jahren (10.1/32).

 

Vor dem Berufungsgericht beteuerte er, eigentlich habe er gar nicht gewollt, dass die Frauen diese Drogen konsumierten. Er habe sie gefragt, wieso sie diese konsumierten. Sie hätten gesagt, sie konsumierten, damit sie wachbleiben könnten, damit sie arbeiten könnten. Er habe ihnen dann gesagt, es gebe ja nicht die ganze Nacht lang Kunden, die kämen.

 

 

1. Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 1: Verkauf an H.___

 

1.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen ca. Ende November 2013 und dem 28. November 2014 sowie zwischen ca. Mitte April 2014 und Anfang September 2014 an H.___ unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionen mind. 2 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 250.00 bis CHF 300.00 pro Gramm verkauft, evtl. auf andere Weise verschaffen haben.

 

1.2 H.___ führte anlässlich der Einvernahme vom 26. Januar 2016 (10.2.15/17) aus, dass sie beim Beschuldigten Crystal Meth gekauft habe. Sie habe pro Mal ein halbes ganzes Gramm gekauft, wisse aber nicht mehr, wieviel insgesamt.

 

1.3 Anlässlich der Einvernahme vom 10. November 2015 (10.1/60 ff.) gestand der Beschuldigte, dass er für H.___ ca. 1-2 Gramm Crystal Meth organisiert habe.

 

1.4 Es ist damit zu Gunsten des Beschuldigten vom Verkauf von 1 Gramm Crystal Meth an H.___ auszugehen. Insoweit ist der Sachverhalt gemäss Anklageschrift erstellt.

 

 

2. Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 2: Verkauf an J.___

 

2.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen ca. Ende September 2013 und ca. Ende März 2014 an J.___ mind. zwischen 1 und 2 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 300.00 pro Gramm verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

2.2 Anlässlich der Einvernahme vom 10. November 2015 räumte der Beschuldigte ein, an Da insgesamt 1-2 Gramm Crystal Meth besorgt zu haben (10.1/70).

 

Der vorgehaltene Sachverhalt ist damit erstellt. Zu Gunsten des Beschuldigten ist vom Verkauf von 1 Gramm Crystal Meth auszugehen.

 

 

3.  Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 3: Verkauf an A.___ (Privatklägerin 1)

 

3.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen 16. September 2013 und 10. November 2013, zwischen ca. Anfang Februar 2014 und Anfang April 2014 sowie zwischen ca. Ende April 2014 und Mitte Oktober 2014 an A.___ sowie teilweise an M.___ und eine nicht näher identifizierbare thailändische Sexarbeiterin mit dem Spitznamen «T.___» unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionen mind. 100 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 150.00 pro 0.5 Gramm verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

3.2 Zu ihrem Drogenkonsum führte die Privatklägerin 1 aus, dass sie mit allen Menschen habe ins Bett gehen müssen und es schwierig gewesen sei, dies zu verkraften. Sie habe deshalb Drogen genommen (O-G 366). Manchmal habe ihr der Beschuldigte keine Drogen verkauft, weil sie zu viele Schulden gehabt habe (O-G 381).

 

A.___ führte aus, in der Zeit in [Ort 2] (d.h. während ihrer ersten Station in der Schweiz ab September 2013) beim Sohn von F.__ drei bis vier Mal jeweils 3 Gramm Ice bestellt zu haben, total somit mindestens 9 Gramm (10.2.1.1/30).

 

Während ihrer Tätigkeit bei F.__ in [Ort 1] habe sie ebenfalls vom Beschuldigten Crystal und Ice gekauft. Bereits am ersten Tag in [Ort 1] habe ihr der Beschuldigte Drogen angeboten. Sie habe regelmässig beim Beschuldigten Ice gekauft und sei schnell abhängig geworden, im Durchschnitt habe sie ein halbes Gramm pro Tag konsumiert. Für ein halbes Gramm habe sie CHF 150.00 bezahlt (10.2.1.1/52 ff.).

 

Nach ihrer Tätigkeit im Studio von F.__ und dem Beschuldigten sei sie einen Monat bei O.___ an der [Adresse] in [Ort] gewesen (10.2.1.1/60). Dort habe sie vom Beschuldigten zweimal Ice bezogen, total zwei Gramm für jeweils CHF 300.00 (10.2.1.1/69).

 

3.3 Der Beschuldigte bestritt nicht, der Privatklägerin 1 Drogen verkauft zu haben, wenn sie gefragt habe. Die ihm vorgehaltene Menge könne jedoch nicht stimmen (10.1/16 f.; 158). Er bestritt, der Privatklägerin 1 bereits vor ihrem Aufenthalt in [Ort 1] Ice nach [Ort 2] gebracht zu haben (10.1/156). Die Leute hätten ihn gefragt, ob er für sie Betäubungsmittel hole; er sei blöd gewesen und habe es dann gemacht (10.1/161).

 

3.4 Gestützt auf die auch zu diesem Vorhalt glaubhaften Aussagen der Privatklägerin 1 ist erstellt, dass der Beschuldigte dieser wie folgt Ice verkauft hat:

 

-       In [Ort 2]: 9 Gramm

-       In [Ort 1]: 75 Gramm (in zwei Phasen 150 Aufenthaltstage à 0,5 Gramm pro Tag, vgl. Ziff. II./4.3.7 hiervor)

-       In [Ort]: 2 Gramm

-       Total: 86 Gramm Ice

 

 

4.  Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 4: Verkauf an B.___ (Privatklägerin 2)

 

4.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen ca. Anfang Juli 2014 und Ende September 2014 sowie zwischen Ende Dezember 2014 und Ende Januar 2014 (recte: 2015) unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionen an B.___ mind. 20 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 300.00 pro Gramm verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben, wobei das Crystal Meth teilweise von L.__ an B.___ übergeben worden sei.

 

4.2 Die Privatklägerin 2 führte aus, dass sie die Drogen gebraucht habe, um ihre Arbeit überhaupt machen zu können (10.2.1.3/6). Die Drogen (Ice Crystal) habe sie beim Beschuldigten beziehen können. Sie habe unter Drogeneinfluss die Kunden so bedienen können, wie sie hätten bedient werden wollen. Ohne Drogen hätte sie gewisse Sachen (ungeschützten Oral- und Analverkehr) nicht aushalten können. Sie habe beim Beschuldigten durchschnittlich eine Portion pro Woche für CHF 150.00 gekauft, manchmal aber auch vier- bis fünfmal pro Woche, wenn sie viel Arbeit gehabt habe (10.2.1.3/7).

 

Sie habe vom Beschuldigten einmal Crystal angeboten erhalten, bevor sie in seinem Studio gearbeitet habe. Sie habe damals nach einem Disco-Besuch bei ihm übernachtet, weil ein Kollege den Beschuldigten gekannt habe (10.2.1.3/53). Via den Beschuldigten habe sie in [Ort 1] täglich Zugang zu den Drogen gehabt (10.2.1.3/55).

 

Das beim Beschuldigten bestellte Ice sei ihr zuerst von L.__ und später vom Beschuldigten selbst übergeben worden, nachdem sie sich mit L.__ zerstritten habe (L.__ war die damalige Freundin des Beschuldigten; 10.1/126). Sie habe pro Woche für ca. CHF 400.00 – 500.00 beim Beschuldigten Ice bezogen.

 

4.3 Der Beschuldigte bestritt nicht, der Privatklägerin 2 Drogen verkauft zu haben: Sie habe ihn gefragt, ob er für sie holen würde; dann habe er das gemacht. Es treffe auch zu, dass er ihr Drogen bereits verkauft habe, bevor sie in [Ort 1] gearbeitet habe (10.1/15). Am 25. November 2015 führte der Beschuldigte aus, dass die Privatklägerin 2 pro Woche 1 Gramm, maximal 2 Gramm, konsumiert habe. Mehr hätte er für sie nicht geholt. Die Privatklägerin habe ihm für ein halbes Gramm CHF 150.00 und für ein Gramm CHF 300.00 mitgeben müssen (10.1/122). Es treffe zu, dass er der Privatklägerin 2 pro Woche für ca. CHF 400.00 – 500.00 Ice geholt habe, somit ca. 1,5 – 2 Gramm.

 

4.4 Die Aussagen der Privatklägerin 2 zu den Vorhalten betr. Vergehen gegen das BetmG sind glaubhaft. Sie machte differenzierte Aussagen bezüglich Lieferung der Drogen; so führte sie aus, diese zuerst von L.__ bezogen zu haben und erst später vom Beschuldigten. Wenn sie den Beschuldigten zu Unrecht hätte belasten wollen, hätte sie diese Differenzierung sicher nicht vorgenommen. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte nicht bestritt, für die Privatklägerin 2 Ice organisiert und für sie erworben zu haben. Er bestätigte auch die von der Privatklägerin 2 bezeichneten Mengenangaben (Erwerb für CHF 400.00 – 500.00 pro Woche). Die einzige Differenz ergibt sich auf Grund der unterschiedlichen Aussagen der Privatklägerin 2 und des Beschuldigten zu der Aufenthaltsdauer der Privatklägerin 2 in [Ort 1]. (4 bzw. 2-2 ½ Monate). Es ist jedoch diesbezüglich auf die glaubhaften Aussagen der Privatklägerin 2 abzustützen und demnach von einer Aufenthaltsdauer von vier Monaten auszugehen.

 

Gestützt auf die Aussagen der Privatklägerin 2 ist erstellt, dass sie während ihrer zwei Aufenthalte in [Ort 1] von insgesamt vier Monaten bzw. 16 Wochen pro Woche beim Beschuldigten Ice für CHF 400.00, total für CHF 6'400.00, kaufte. Bei einem Gramm-Preis von CHF 300.00 (O-G/422) ergibt dies eine verkaufte Menge von mindestens 20 Gramm Ice, wie dies dem Beschuldigten in der Anklageschrift vorgehalten wird.

 

Der Sachverhalt gemäss Anklageschrift ist damit erstellt.

 

 

5.  Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 5: Verkauf an C.___ (Privatklägerin 3)

 

5.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen ca. März 2013 und Mitte April 2014 unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionen an C.___ total mind. 6 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 150.00 pro 0.5g verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

5.2 Die Privatklägerin 3 führte aus, dass sie schon während der Zeit, als sie in [Ort] gearbeitet habe, beim Beschuldigten Drogen (Ice) gekauft habe. Auch in [Ort 1] habe sie von ihm Drogen bezogen. Für ein halbes Gramm habe sie CHF 150.00 bezahlt. Insgesamt habe sie für CHF 1'000.00 – 2'000.00 beim Beschuldigten Ice gekauft (10.2.1.2/25 f.). Später (Einvernahme vom 28. März 2018) konnte sich die Privatklägerin 3 nicht mehr erinnern, ob sie vom Beschuldigten Drogen erworben habe (10.2.1.2/160). Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sagte sie aber wiederum aus, während ihrer Zeit in [Ort] vom Beschuldigten Ice bezogen zu haben (O-G 465). In [Ort 1] habe sie dann auch einmal beim Beschuldigten Ice kaufen wollen. Sie habe bestellt und bezahlt; der Beschuldigte habe dann behauptet, sie hätte noch nicht bezahlt und sie habe deshalb doppelt bezahlen müssen. Sie habe dann beim Beschuldigten aus diesem Grund keine Drogen mehr gekauft (O-G 470).

 

5.3 Die Aussagen der Privatklägerin 3 sind auch zu diesem Vorhalt glaubhaft (vgl. Ziff. II./4.5.4). Sie machte differenzierte Aussagen, indem sie ausführte, beim Beschuldigten sowohl während ihrer Tätigkeit in [Ort] als auch in [Ort 1] Drogen bezogen zu haben. Sehr authentisch und damit glaubhaft wirkt auch ihre Begründung, warum sie beim Beschuldigten keine Drogen mehr gekauft habe: Er habe von ihr einmal zu Unrecht für eine Lieferung zweimal den Kaufpreis gefordert.

 

5.4 Der Beschuldigte hat anlässlich der Einvernahme vom 23. September 2015 bestritten, der Privatklägerin 3 Drogen verkauft zu haben (10.1/12). Anlässlich der Einvernahme vom 10. November 2015 (10.1/60 ff.) führte der Beschuldigte aus, «klar» habe er auch mal für die Privatklägerin 3 Crystal Meth geholt, wenn sie ihn gefragt habe, dann habe er schon geschaut. Er habe ihr wahrscheinlich 1-2 Gramm verkauft. Es sei höchstens für CHF 500.00 gewesen, für die er für sie holen gegangen sei.

 

5.5 Gestützt auf die Aussagen der Privatklägerin 3 ist deshalb erstellt, dass ihr der Beschuldigte für mindestens CHF 1'000.00 Ice verkaufte, was einer Menge von gut 3 Gramm entspricht. Der Vorhalt gemäss Anklageschrift ist in diesem Umfang erstellt.

 

 

6.  Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 6: Verkauf an D.___ (Privatklägerin 4)

 

6.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll zwischen dem 7. Juli 2014 und ca. Ende Juli 2014 sowie zwischen ca. Mitte August 2014 und 1. Oktober 2014 an D.___ mind. 1 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 50.00 verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

6.2 Die Privatklägerin 4 führte aus, dass sie einmal, als sie das erste Mal bei F.__ gewesen sei, beim Beschuldigten Ice/Crystal gekauft habe, ein Gramm für CHF 50.00 (10.2.1.4/47).

 

6.3 Die Privatklägerin 4 machte diese Aussage von sich aus, indem sie Folgendes ausführte: «Ich muss zugeben, dass ich bei ihm auch einmal Ice/Crystal kaufte». Die Privatklägerin 4 hatte damit nicht die Belastung des Beschuldigten im Fokus, sondern gestand eine eigene Verfehlung ein und war sich offensichtlich auch bewusst, sich mit dieser Aussage selber zu belasten. Die Privatklägerin 4 machte zudem eine differenzierte Aussage, indem sie den Drogenkauf auf die erste Phase ihres Aufenthalts in [Ort 1] terminierte. Die Aussage ist deshalb glaubhaft und es ist darauf abzustellen.

 

6.4 Der Beschuldigte hat diesen Vorhalt anlässlich der Einvernahmen vom 23. September und 5. November 2015 zugestanden (10.1/10; 133).

 

 

7.  Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 7: Verkauf an K.___

 

7.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll an einem nicht näher identifizierbaren Datum zwischen März 2013 und 23. September 2015 an K.___ mind. zwischen ein und zwei Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 300.00 pro Gramm verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

7.2 Am 5. April 2016 fand zwischen dem Beschuldigten und K.___ eine Konfrontationseinvernahme statt, anlässlich welcher der Beschuldigte einräumte, K.___ einmal ein Muster von Crystal Meth übergeben zu haben, 1 2 Gramm. K.___ bestätigte diesen Kauf (10.1/173).

 

Auch hier ist zu Gunsten des Beschuldigten vom Verkauf von 1 Gramm Crystal Meth auszugehen.

 

 

8. Anklageschrift Ziff. 4.1 lemma 8: Verkauf an I.___

 

8.1 Vorhalt

 

Der Beschuldigte soll am 23. September 2015 an I.___ 1 Gramm lce/Crystal zum Preis von CHF 300.00 verkauft, evtl. auf andere Weise verschafft haben.

 

8.2 Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 23. September 2015 wurde I.___ (die Tante des Beschuldigten) im ersten Stock angetroffen. In ihren Effekten wurde Crystal Meth sichergestellt (10.2.17/3). Anlässlich der Einvernahme vom 16. Oktober 2015 (10.1.17/1 ff.) führte sie aus, dass kurz, bevor die Polizei gekommen sei, ihr der Beschuldigte für CHF 300.00 1 Gramm Crystal Meth gebracht habe. Sie habe vom Beschuldigten nur einmal gekauft, sonst immer in Bern.

 

8.3 I.___ versuchte anlässlich der Einvernahme vom 16. Oktober 2015, den Namen des Beschuldigten nicht zu nennen. Erst auf ausdrückliche Frage der Polizei bestätigte sie, von ihm einmal Crystal Meth bezogen zu haben (10.2.17/5). I.___ legte somit keinerlei Belastungseifer an den Tag. Ihre Aussagen bezüglich des Erwerbs von Crystal Meth waren zudem differenziert, so dass kein Anlass besteht, an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu zweifeln. Der vorgehaltene Sachverhalt ist erstellt.

 

 

9.  Anklageschrift Ziff. 4.2: Kauf und Verkauf, evtl. auf andere Weise einem anderen Verschaffen von mind. 2'000 – 3'000 Ecstasy-Pillen (MDMA)

 

9.1 Vorhalt

 

Dem Beschuldigten wird der Kauf und Verkauf, evtl. das Verschaffen auf andere Weise von mind. 2'000 bis 3'000 Stück Ecstasy-Pillen (MDMA) vorgeworfen, angeblich begangen zwischen mindestens Oktober 2014 und 23. September 2015 an einem unbekannten Ort in [Ort] sowie in [Ort 3], [Ort 5] und [Ort 4], indem er, getragen von einem einheitlichen Vorsatz, unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionierungen von einem nicht näher bekannten Mann, genannt «P.___», einem weiteren nicht näher bekannten Mann, genannt «Q.___», einer nicht näher bekannten Frau in [Ort 3] und einem weiteren nicht näher bekannten Lieferanten, genannt «R.___», total 2'000 bis 3'000 Stück Ecstasy (MDMA) gekauft und die so erlangten 2'000 bis 3'000 Stück Ecstasy (MDM) an einen nicht näher bekannten Mann, genannt «S.___», verkauft habe, wobei der Beschuldigte pro Pille CHF 1.00, d.h. insgesamt CHF 2'000.00 bis CHF 3'000.00, verdient habe. Eventualiter habe er auf andere Weise einem anderen Ecstasy-Pillen verschafft, begangen zwischen mindestens Oktober 2014 und 23. September 2015 an einem unbekannten Ort in [Ort] sowie in [Ort 3], [Ort 5] und [Ort 4], indem der Beschuldigte, getragen von einem einheitlichen Vorsatz, zwischen S.___ und einem nicht näher bekannten Mann, genannt «P.___», einem nicht näher bekannten Mann, genannt «Q.___», einer nicht näher bekannten Frau in [Ort 3] sowie einem nicht näher bekannten «R.___» den Kontakt hergestellt und Treffen arrangiert habe und unter mehreren Malen und in unterschiedlichen Portionierungen insgesamt 2'000 bis 3'000 Ecstasy-Pillen übernommen und an S.___ weitergegeben habe, wofür er pro Pille CHF 1.00, d.h. insgesamt CHF 2'000.00 bis CHF 3'000.00 erhalten habe.

 

9.2 Anlässlich der Einvernahme vom 12. November 2015 (10.1/74 ff.) sagte der Beschuldigte nach Vorhalt eines Chatverlaufs sowie der Eröffnung, er sei observiert worden, aus, dass er für einen Typen aus Yverdon («S.___»), den er mehrmals getroffen habe, Pillen vermittelt habe. Für jede Pille habe er CHF 1.00 erhalten. Er habe den Kontakt vermittelt und bei den Übergaben sei er dabei gewesen. Er habe die Pillen geholt und dem Käufer gebracht. Dieser habe ihm das Geld gegeben, welches er dem Verkäufer übergeben habe. Der Verkäufer habe «R.___» geheissen; er wisse nicht, wie dieser heisse. Er habe auf diese Weise insgesamt 2000 – 3000 Pillen vermittelt.

 

Anlässlich der Einvernahme vom 25. November 2015 (10.1/110 ff.) machte der Beschuldigte weitere Aussagen zu S.___. Er habe S.___ an «P.___» und «Q.___» verwiesen, von denen er Pillen gekauft habe. Es habe vier bis fünf Treffen im Raum [Ort] gegeben. Einmal habe er S.___ an eine Verkäuferin in [Ort 3] vermittelt. Das Treffen in [Ort 3] sei Anfang Jahr gewesen, S.___ habe 200 300 Pillen erworben. Er habe dann S.___ noch einmal mit «R.___» zusammengebracht; es sei um 300 Pillen gegangen, S.___ habe aber nur CHF 3'600.00 Cash gehabt. Schliesslich habe S.___ 200 Pillen erworben.

 

Anlässlich der Schlusseinvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 9. April 2019 bestritt der Beschuldigte den Vorhalt, 2'000 – 3'000 Stück Ecstasy gekauft und mit einem Gewinn von CHF 1.00 pro Pille weiterverkauft zu haben, nicht mehr (10.1/216).

 

9.3 Gestützt auf diese Aussagen ist erstellt, dass der Beschuldigte zwischen Oktober 2014 und September 2015 S.___, einem Abnehmer von Ecstasy-Pillen, mehrere Verkäufer solcher Pillen vermittelte und bei den Übergaben der Pillen jeweils dabei war. Zwischen den Kaufparteien fand kein direkter Kontakt statt; der Beschuldigte erwarb die Pillen im Auftrag von S.___ und gab sie sogleich an diesen weiter, wobei er dabei pro Pille mit CHF 1.00 entschädigt wurde. Insgesamt erzielte er somit durch diese Vermittlungstätigkeiten mind. CHF 2'000.00.

 

Der vorgehaltene Sachverhalt ist damit im Umfang von 2'000 Ecstasy-Pillen im Sinne des Eventualantrags der Staatsanwaltschaft erstellt.

 

10. Zusammenfassung und rechtliche Subsumtion

 

10.1 Der Beschuldigte hat somit zwischen März 2013 und dem 23. September 2015 insgesamt 114 Gramm Crystal Meth (Ziff. 1- 8 hiervor) an diverse Personen verkauft. Zudem vermittelte er zwischen Oktober 2014 und dem 23. September 2015 S.___, einen Abnehmer von Ecstasy-Pillen, an diverse Verkäufer. Insgesamt bezog S.___ auf diese Weise 2’000 Ecstasy-Pillen, wobei der Beschuldigte pro vermittelte Pille mit einem Betrag von CHF 1.00 entschädigt wurde (Ziff. 9), wie die Vorinstanz verbindlich festlegte.

 

10.2 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe wird unter anderem bestraft, wer Betäubungsmittel unbefugt veräussert und/oder unbefugt besitzt (Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG).

 

10.3 Der Beschuldigte veräusserte das Crystal Meth an die bei ihm beschäftigten Sexarbeiter/innen und deren Umfeld.

 

Gemäss der Statistik 2015 der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM), Gruppe Forensische Chemie, betrug der durchschnittliche Reinheitsgrad der im Jahr 2015 sicherstellten Metamphetamin Base/Thaipille (total 2’355 g, 24 Untersuchungen) 17%. Der minimal festgestellte Reinheitsgrad betrug 13%, der maximale Wert belief sich auf 19%.

 

Der Reinheitsgrad des vom Beschuldigten veräusserten Crystal Meth ist unbekannt; bei einem Reinheitsgrad von durchschnittlich 10,3% – und damit bei einem Wert, der unter dem Minimalwert 2015 liegt – ist eine Gefährdung einer grossen Anzahl Menschen und damit der schwere Fall i.S. von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG erreicht. Keine der befragten Abnehmerinnen des Crystal Ice beklagte sich über dessen schlechte Qualität und es liegen auch keine anderen entsprechenden Hinweise vor. Zugunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass die Grenzmenge nur knapp überschritten wurde.

 

Weiter vermittelte der Beschuldigte 2'000 Ecstasy-Pillen und überschritt dabei den Grenzwert zum mengenmässig schweren Fall von 36 g Amphetamin deutlich. Gemäss der erwähnten Statistik der SGRM betrug der Gehaltswert von Amphetamin-Base und Pulver bei sichergestellten Mengen zwischen 100 – 1'000 Gramm minimal 7,7% und maximal 56% (total sichergestellt 79'648 g, 173 Untersuchungen).

 

In der Anklage wird dem Beschuldigten ein Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten hingegen wegen mehrfachen Vergehens gegen das BetmG schuldig. Zufolge des hier zu befolgenden Verschlechterungsverbots fällt deshalb ein Schuldspruch wegen qualifizierter Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 BetmG ausser Betracht. Die erhebliche Menge Drogen ist aber bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Beschuldigte ist wegen mehrfacher Vergehen gegen das BetmG i.S. gemäss Art. 19 Abs. 1 BetmG schuldig zu sprechen.

 

 

V. Strafzumessung

 

1. Allgemeine Ausführungen

 

1.1 Nach Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).

 

1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände berühren die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.

 

1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vorstrafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

1.4 Die tat- und täterangemessene Strafe ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der (schwersten) anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser wird durch Strafschärfungs- Strafmilderungsgründe nicht automatisch erweitert, worauf innerhalb dieses neuen Rahmens die Strafe nach den üblichen Zumessungskriterien festzusetzen wäre. Vielmehr ist der ordentliche Strafrahmen nur zu verlassen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angedrohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint. Die Frage einer Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens kann sich stellen, wenn verschuldens- bzw. strafreduzierende Faktoren zusammentreffen, die einen objektiv an sich leichten Tatvorwurf weiter relativieren, so dass eine Strafe innerhalb des ordentlichen Strafrahmens dem Rechtsempfinden widerspräche. Die verminderte Schuldfähigkeit allein führt deshalb grundsätzlich nicht dazu, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen. Dazu bedarf es weiterer, ins Gewicht fallender Umstände, die das Verschulden als besonders leicht erscheinen lassen (BGE 136 IV 55 E. 5.8, S. 63, mit Hinweisen).

 

1.5 Führt die Strafzumessung unter Würdigung aller wesentlichen Umstände zu einer Freiheitsstrafe, welche im Bereich eines Grenzwertes zur Gewährung des bedingten
teilbedingten Strafvollzuges liegt, hat sich der Richter zu fragen, ob – zugunsten des Beschuldigten – eine Sanktion, welche diese Grenze nicht überschreitet, noch innerhalb des Ermessensspielraumes liegt. Bejaht er die Frage, hat er die Strafe in dieser Höhe festzulegen. Verneint er sie, ist es zulässig, auch eine nur unwesentlich über der Grenze liegende Freiheitsstrafe auszufällen. In jedem Fall hat der Richter diesen Entscheid im Urteil ausdrücklich zu begründen, andernfalls er seiner Begründungspflicht nach Art. 50 StGB nicht nachkommt (BGE 134 IV 17 E 3.6).

 

1.6 Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts vom 7. Juli 2011, 6B_1096/2010 E. 4.2; vom 6. Juni 2011, 6B_1048/2010 E. 3.2 und vom 26. April 2011, 6B_763/2010 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung des (subjektiven) Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen, etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 – 15 Jahren (bei leichter Tat-schwere 5 – 10 Jahre und in schweren Fällen 15 – 20 Jahre). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten «Strafzumessungsverlauf» in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).

 

1.7 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider/Roy Garré in: Niggli / Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Auflage, [Ort 3] 2019, Art. 42 StGB N 61).

 

Der Strafaufschub wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insb. Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.

 

Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges.
Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Stefan Trechsel/Mark Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Bern 2018, Art. 42 N 8 ff mit zahlreichen Hinweisen).

 

1.8 Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene Teil wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6 S. 15; vgl. auch 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f. zur Beurteilung der Bewährungsaussichten). Auch die bloss teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB setzt indes das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss der Vollzug zumindest eines Teils der Strafe bedingt aufgeschoben werden. Andererseits ist bei einer schlechten Prognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen besteht die Möglichkeit, dass eine zwar grundsätzlich schlechte Prognose durch den Vollzug bloss eines Teiles der Strafe in Verbindung mit dem drohenden späteren Widerruf des aufgeschobenen Strafrests deutlich günstiger werden kann (vgl. hierzu etwa Roland M. Schneider/Roy Garré, a.a.O., Art. 43 StGB N 15).

 

 

2.         Konkrete Strafzumessung

 

2.1 Anwendbar ist das zur Tatzeit geltende Recht. Das ab 1. Januar 2018 geltende Recht erlaubt die Ausfällung einer Geldstrafe nur bis 180 Tagessätze und ist deshalb nicht milder (Art. 34 Abs. 1 StGB).

 

2.2 Einsatzstrafe für das schwerste Delikt

 

Schwerste Tat bzw. der schwerste Tatkomplex ist vorliegend die Förderung der Prostitution zu Lasten der Privatklägerinnen 1, 2 und 4. Der Strafrahmen gemäss Art. 195 StGB beträgt Geldstrafe von drei Tagessätzen bis Freiheitsstrafe von zehn Jahren.

 

Die Privatklägerinnen 1, 2 und 4 hielten sich schwergewichtig zur gleichen Zeit im Studio des Beschuldigten und seiner Mutter in [Ort 1] auf (Privatklägerin 1: Juni – Oktober 2014; Privatklägerin 2: Anfang Juli 2014 bis Anfang Oktober 2014 und Ende Dezember 2014 bis Ende Januar 2015; Privatklägerin 4: 7. Juli 2014 bis Ende Juli 2014 sowie Mitte August – Anfang Oktober 2014; die Privatklägerin 4 hielt sich zudem bereits im Februar/März 2014 im Studio auf, doch wurde für diese Phase ein strafbares Verhalten des Beschuldigten verneint, vgl. Ziff. II./4.3.8.1 hiervor). Die Tathandlungen des Beschuldigten stehen damit in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Die Organisation des Studios sowie die vom Beschuldigten veranlassten und zu verantwortenden Anweisungen an die Sexarbeiter/innen und die geltenden Regeln betrafen die Privatklägerinnen zur gleichen Zeit und in gleichem Masse. Die Vorhalte der mehrfachen Förderung der Prostitution zu Lasten der Privatklägerinnen sind deshalb als einheitlicher Tatkomplex zu behandeln und es ist dafür eine Gesamtstrafe festzulegen. Dieses Vorgehen entspricht der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe zulässt, wenn viele Einzeltaten zeitlich und sachlich eng miteinander verknüpft sind und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet ist, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken (Entscheid des Bundesgerichts 6B_93/2022 vom 24.11.2022, E. 1.3.5).

 

Die Privatklägerinnen 1, 2 und 4 waren in ihrer Freiheit in einem erheblichen Mass eingeschränkt. So mussten sie sich rund um die Uhr einsatzbereit halten und durften das Studio nur mit Zustimmung des Beschuldigten bzw. seiner Mutter verlassen. Sie wurden auch in finanzieller Hinsicht streng kontrolliert. So mussten sie die Hälfte der Einnahmen an den Beschuldigten abgeben, zudem waren die Preise für die sexuellen Dienstleistungen ebenso wie diese selbst vorgegeben. Die Privatklägerinnen 1, 2 und 4 erlebten allerdings keine Gewalt und wurden auch nicht damit bedroht. Es wurden ihnen auch nicht die Reisepässe abgenommen. Bei den Privatklägerinnen 1 und 2 bestand eine zusätzliche Abhängigkeit vom Beschuldigten, die sich aus deren Drogenkonsum ergab und sie in ihrer Handlungsfreiheit zusätzlich einschränkte. Auf Grund des Drogenkonsums und den damit verbundenen Kosten war eine theoretisch bestehende Ablehnungsmöglichkeit von Freiern Sexualpraktiken praktisch ausgeschlossen. Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz und mit finanziellen Motiven.

 

Insgesamt sind erheblich schwerere Formen der Förderung der Prostitution denkbar. Es ist deshalb von einem gerade noch leichten Verschulden auszugehen und die Gesamtstrafe auf 20 Monate Freiheitsstrafe festzulegen.

 

2.3 Straferhöhung zur Abgeltung der mehrfachen Widerhandlung gegen das BetmG

 

Der Beschuldigte verkaufte während einer langen Periode (März 2013 bis September 2015) insgesamt 114 g Crystal Meth. Es war nicht das Ziel des Beschuldigten, mit illegalem Drogenverkauf schnell möglichst reich zu werden; immerhin ergab die Abgabe von Drogen an die Sexarbeiter/innen aber den erwünschten Nebeneffekt, dass diese ihre Arbeit besser ertragen und bewältigen konnten, was sich positiv auf die Umsatzzahlen auswirkte. Der Beschuldigte handelte als Einzelunternehmer, er war nicht in eine Organisation von Drogenhändlern eingebunden. Er handelte mit direktem Vorsatz und aus finanziellen Gründen; er musste mit den Drogenverkäufen nicht einen Eigenkonsum finanzieren.

 

Der Beschuldigte vermittelte zudem Ecstasy-Pillen im erheblichen Umfang von 2000 Stück. Er beschränkte sich dabei nicht darauf, den Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer zu vermitteln, sondern war bei jedem Handel zwischen den beiden Parteien dabei. Die Kaufparteien hatten dabei nie direkten Kontakt, so dass dem Beschuldigten bei den einzelnen Geschäften eine wichtige Rolle zukam. Er betrieb somit im Zusammenhang mit diesen Geschäften einen erheblichen Aufwand. Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz und einzig aus finanziellen Interessen. Er hätte sich, da selber nicht drogenabhängig, ohne weiteres rechtskonform verhalten können. Auch in diesem Fall handelte der Beschuldigte nicht im Rahmen einer Organisation, sondern als Einzelunternehmer. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass der Beschuldigte bezüglich zwei verschiedener Betäubungsmittel Mengen veräusserte bzw. vermittelte, die im Grunde genommen den mengenmässig schweren Fall i.S. von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG erreichten, auch wenn dies, wie dargelegt, nicht zu einem entsprechenden Schuldspruch wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG führte. Im Rahmen der Strafzumessung sind diese erheblichen Mengen aber sehr wohl zu berücksichtigen.

 

Insgesamt ist von einem mittelschweren Tatverschulden auszugehen. Angesichts des vom Beschuldigten betriebenen Aufwands sowie seiner ausschliesslich finanziellen Motive erscheint für die Betäubungsmitteldelikte eine Gesamtfreiheitsstrafe von 16 Monaten, asperiert von acht Monaten, angemessen. Vor Berücksichtigung der Täterkomponenten resultiert somit eine Freiheitsstrafe vom 28 Monaten.

 

 

3. Täterkomponenten

 

Es kann auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (US 76 f.): Demgemäss ist der Beschuldigte in Thailand geboren und im Alter von elf Jahren in die Schweiz gekommen. Er besuchte in der Schweiz die Schule, schloss in der Folge jedoch keine Ausbildung ab. Aktuell hilft der Beschuldigte gelegentlich in einer Schreinerei aus. Der Beschuldigte ist 2016 wegen einer Übertretung gegen das Spielbankengesetz verurteilt worden. Ansonsten weist er keine Vorstrafen auf, insbesondere verhielt er sich seit der vorliegenden Strafuntersuchung (soweit bekannt) deliktfrei. Der Beschuldigte zeigte sich während der Strafuntersuchung kooperativ und grundsätzlich geständig, wobei aber keine echte Einsicht in das Unrecht zu erkennen ist. Es ist nicht regelmässig arbeitstätig, ist ledig und lebt von seiner Mutter. Er hat in Thailand einen Sohn, mit dem er aber keinen Kontakt hat und für den er nicht aufkommt. Eine erhöhte Strafempfindlichkeit ist beim Beschuldigten nicht feststellbar. Insgesamt wirken sich die Täterkomponente neutral aus.

 

4. Verletzung des Beschleunigungsgebots

 

Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte (US 68), ist im Rahmen der Strafzumessung die Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Am 25. November 2014 fand die Rotlichtkontrolle im Sexstudio in [Ort 1] statt und am 16. Juli 2015 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn eine Untersuchung gegen den Beschuldigten wegen Förderung der Prostitution und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Rund vier Jahre später erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn Anklage. Am 18. Juni 2020 fand die erste Hauptverhandlung statt, welche zwecks weiterer Beweiserhebung abgebrochen werden musste. Am 27./28. Januar 2021 fand schliesslich die Fortsetzung der Hauptverhandlung statt und am 2. Februar 2021 wurde das vorliegende erstinstanzliche Urteil gefällt. Ab Eröffnung der Untersuchung bis zum erstinstanzlichen Urteil vergingen über fünfeinhalb Jahre. Schliesslich dauerte es lange elf Monate, bis die Begründung des erstinstanzlichen Urteils vorlag. Selbst angesichts der zeitintensiven Ermittlungsaufgaben und des grösseren Aktenumfangs stellt diese Verfahrensdauer eine massive Verletzung des Beschleunigungsgebots dar, welche im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Eine Reduktion um etwas mehr als 20 % bzw. um sechs Monate erscheint angemessen, womit die Freiheitsstrafe auf 22 Monate zu reduzieren ist.

 

5. Geldstrafe

 

5.1 Einsatzstrafe für die mehrfache Förderung des rechtswidrigen Aufenthaltes in Bereicherungsabsicht

 

Der Tatbestand der Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht (Art. 116 Abs. 3 lit. a AuG) sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Es ist auch bei diesem Delikt von einem Tatkomplex auszugehen, für den insgesamt eine Gesamteinsatzstrafe festgelegt werden kann.

 

Im Rahmen der Tatkomponente ist zu berücksichtigen, dass der Unrechts- und Schuldgehalt durch die Strafe für die Förderung der Prostitution teilweise bereits abgegolten ist, ist doch der illegale Aufenthalt und die daraus folgende Verletzlichkeit der Privatklägerinnen 1, 2 und 4 (nicht aber betr. der Privatklägerin 3) bereits ein wesentlicher Faktor beim Tatbestand der Förderung der Prostitution. Da aber die Ausländergesetzgebung andere Rechtsgüter (insb. demografische Interessen) schützt, ist dennoch eine Strafe festzulegen. Die Beschuldigte handelte wie bei der Förderung der Prostitution vorsätzlich und aus monetären Gründen. Zu berücksichtigen ist zudem die eher kurze Deliktdauer von rund acht Monaten. Unter Berücksichtigung der Tatkomponenten ist von einem leichten Tatverschulden auszugehen. Für die mehrfache Förderung des rechtswidrigen Aufenthaltes in Bereicherungsabsicht erscheint insgesamt eine Einsatzgeldstrafe von 120 Tagessätzen angemessen.

 

5.2 Straferhöhung zur Abgeltung der weiteren Delikte

 

Mehrfache Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung

 

Entsprechend dem Verhältnis der gesetzlichen Strafrahmen von Art. Art. 116 Abs. 3 lit. a AuG und 117 Abs. 1 AuG (Maximalstrafen von fünf Jahren bzw. einem Jahr Freiheitsstrafe) ist die Strafe für die mehrfache Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung auf 20% von 120 Tagessätzen Geldstrafe, somit auf 24 Tagessätze, festzusetzen. Da der Unrechtsgehalt von Art. 117 Abs. 1 AuG aber durch die mehrfache Förderung des Aufenthalts in Bereicherungsabsicht ebenfalls bereits teilweise abgegolten ist, erfolgt eine verstärkte Asperation und damit eine Straferhöhung um 10 Tagessätze auf 130 Tagessätze Geldstrafe.

 

Raufhandel

 

In diesem Zusammenhang kann auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil (S. 69 f.) verwiesen werden. Es liegt ein leichtes Tatverschulden vor und die Strafe ist nach Berücksichtigung der Asperation um 30 Tagessätze auf 160 Tagessätze Geldstrafe zu erhöhen.

 

5.3 Zu Folge Verletzung des Beschleunigungsgebotes hat auch bei der Geldstrafe eine Reduktion zu erfolgen. Die Geldstrafe ist um 30 Tagessätze zu reduzieren und entsprechend auf 130 Tagessätze festzulegen.

 

5.4 Tagessatzhöhe

 

Der Beschuldigte verfügt kaum über Einkommen. Abgesehen von monatlich ca. 500 Franken, die er bei einem Kollegen mit Gelegenheitsarbeit verdient, hat er kein Einkommen und auch kein Vermögen. Er lebt von seiner Mutter. Dass er nicht regelmässig arbeitstätig ist, ist offenbar auch eine Folge davon, dass er seit Zuzug in den Kanton
Solothurn keinen Ausländerausweis mehr hat, was ihm wiederum den Weg zum Arbeitsmarkt abschneidet. Es wird unter diesen Umständen eine minimale Tagessatzhöhe von CHF 10.00 festgelegt.

 

6. Vollzugsform

 

Die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs nach Art. 42 Abs. 1 StGB sind gegeben. So hat sich der Beschuldigte nunmehr seit siebeneinhalb Jahren bewährt (er wurde am 27. April 2016 von der Eidgenössischen Spielbankenkommission wegen Übertretung des Spielbankengesetzes schuldig gesprochen und zu einer Busse verurteilt. Diese Verurteilung erfolgte zwar nach der Eröffnung des vorliegenden Verfahrens, bezieht sich jedoch auf Straftaten aus den Jahren 2009 – 2011). Sowohl für die Freiheitsstrafe als auch für die Geldstrafe werden dem Beschuldigten demnach der bedingte Strafvollzug gewährt und die Probezeit auf zwei Jahre festgelegt.

 

 

 

VI. Einziehung

 

Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 23. Februar 2015 am Domizil des Beschuldigten an der [Adresse 1] in [Ort 1] wurde die Herrenarmbanduhr «Carrera», beschlagnahmt (12.2/7, Position 11.6). In den Akten findet sich auch die Quittung des Kaufs dieser Uhr vom 11. September 2014. Sie wurde zum Preis von CHF 5'900.00 im Verkaufsgeschäft [Juwelengeschäft] erworben (12.2/10).

 

Anlässlich der Einvernahme vom 20. Oktober 2015 führte der Beschuldigte aus, dass er seit rund 4 Jahren (d.h. seit 2011) nicht mehr berufstätig sei. Sozialhilfe erhalte er nicht, da er keine korrekten Papiere habe. Er lebe von der Unterstützung seiner Mutter (10.1/30). Am 30. Oktober 2015 führte er aus, dass während der Zeit, als die Frauen bei ihnen gewesen seien, die Mutter von den Abgaben dieser Frauen gelebt habe (50/50%-Regelung; 10.1/38). Anlässlich der Schlusseinvernahme bei der Staatsanwaltschaft vom 9. April 2019 bestätigte der Beschuldigte, dass seine Mutter und er vom Geld, das die Frauen gegeben hätten, gelebt hätten (10.1/208).

 

Der Beschuldigte wird vom Vorhalt der Förderung der Prostitution bezüglich C.___ (Privatklägerin 3) freigesprochen. Die Privatklägerin 3 hielt sich vor dem 11. September 2014 (Erwerb der Uhr) im Frühling für zwei Monate im Studio des Beschuldigten auf. Sie übergab in dieser Zeit dem Beschuldigten nicht einen Betrag, der es ihm ermöglicht hätte, eine Uhr für CHF 5'900.00 zu erwerben. So führte die Privatklägerin 3 aus, sie habe das Studio in [Ort 1] wieder verlassen, weil es dort zu wenig Kunden gegeben habe. Vor dem Berufungsgericht machte der Beschuldigte erstmals geltend, zwei alte Uhren im Wert von ca. CHF 4'000.00 eingetauscht zu haben. Auf die Frage, wie er den Restbetrag finanziert habe, verwies er auf seine Einnahmen aus dem Kartenspiel. Diese Ausführungen müssen als Schutzbehauptungen eingestuft werden, ist doch der Verkaufsquittung, welche sich in den Akten befindet (AS 12.2/10), nicht zu entnehmen, dass an den Betrag von 5'900.00 zwei Uhren an Zahlungsstatt entgegengenommen wurden. Quittiert wurde eine Bezahlung von CHF 5'900.00. Unter diesen Umständen kann ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Uhr mit redlichem Geld bezahlte. Er finanzierte die Uhr vielmehr mit Geld, welches er durch eine Straftat erlangt hat, sei es durch den Verkauf von Betäubungsmitteln, sei es durch die Einnahmen aus der Förderung der Prostitution. Sie stellt ein Surrogat dieses Geldes dar und muss deshalb gestützt auf Art. 70 Abs. 1 StGB eingezogen und verwertet werden.

 

 

VII. Zivilforderungen

 

1. Schadenersatz

 

1.1 Der Beschuldigte hat den Privatklägerinnen 1,2 und 4 den Schaden, welcher diesen durch die strafbaren Handlungen entstanden ist, unter Solidarhaftung mit F.___ dem Grundsatz nach zu 100% zu ersetzen.

 

1.2 Da betr. der Privatklägerin 3 kein Schuldspruch erfolgt, ist deren Schadenersatzforderung abzuweisen.

2. Genugtuung

 

2.1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht werden kann (Art. 49 Abs. 1 OR). Die Genugtuung bezweckt den Ausgleich für erlittene Unbill. Bemessungskriterien sind vor allem die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen, der Grad des Verschuldens des Haftpflichtigen, ein allfälliges Selbstverschulden des Geschädigten sowie die Aussicht auf Linderung des Schmerzes durch die Zahlung eines Geldbetrags. Die Höhe der Summe, die als Abgeltung erlittener Unbill in Frage kommt, lässt sich naturgemäss nicht errechnen, sondern nur schätzen (BGE 132 II 117 E. 2.2.2 S. 119 mit Hinweisen). Sie ist eine Entscheidung nach Billigkeit. Es gibt mithin nicht nur eine richtige Entscheidung, sondern in einer gewissen Bandbreite eine Mehrzahl von angemessenen, dem Gebot der Billigkeit folgenden Lösungen (BGE 132 II 117 E. 2.2.3 S. 120; 123 II 210 E. 2c S. 212 f.). Die Genugtuung darf nicht nach schematischen Massstäben nach festen Tarifen festgesetzt, sondern muss dem Einzelfall angepasst werden. Dies schliesst weder den Rückgriff auf Präjudizien im Sinne eines Richtwerts aus noch die Bewertung der immateriellen Beeinträchtigung in zwei Phasen, nämlich einer objektiven Berechnungsphase mit einem Basisbetrag als Orientierungspunkt und einer nachfolgenden Phase, in der die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden (BGE 132 II 117E. 2.2.3 S. 120 mit Hinweisen).  

 

2.2 Höchstrichterliche Präjudizien zur Bemessung von Genugtuungen bei Förderung der Prostitution finden sich wenige. Das Bundesgericht hat sich im noch nicht sehr lange zurückliegenden Urteil 6B_628/2012 vom 18. Juli 2013 zu Entscheiden des Bundesstrafgerichts betreffend Genugtuungen an Opfer von Menschenhandel und Förderung der Prostitution geäussert. Allerdings hatte dieser Angeschuldigte – im Gegensatz zum vorliegend beschuldigten reinen Bordellbetreiber – die Geschädigten in Brasilien rekrutiert und diesen die Reise in die Schweiz gegen CHF 10'000.00 bis CHF 16'000.00 organisiert. Der Angeschuldigte betrieb in den Jahren 2003 bis 2006 in der Schweiz drei Massagesalons. In diesen mussten die betroffenen Frauen dann die Schulden abverdienen, Arbeitsbewilligungen waren keine vorhanden, die Preise der verschiedenen Dienstleistungen vorgegeben und in allen Massagesalons identisch. Sämtliche Einnahmen gingen an den Angeschuldigten und wurden nach einem bestimmten Abrechnungsschema teilweise an die Schuld angerechnet. Der Bereich, in dem die Frauen von den Kunden das Geld entgegennahmen, wurde mit Videokameras überwacht. Die Studios, in denen die Frauen gleichzeitig wohnten und arbeiteten, waren sieben Tage pro Woche offen und innerhalb der festgelegten Arbeitszeiten waren die Frauen grundsätzlich gehalten, Kunden zu bedienen. Der Angeschuldigte war die Hauptperson, welche letztlich die Kontrolle über das Gesamte ausübte.

 

Das Bundesgericht hat in seinen Erwägungen (E.2) folgende Grundsätze aufgestellt:

-       Die Tatsache, dass sich einzelne Frauen bereits vor der Einreise in die Schweiz prostituiert hatten, schliesst eine Genugtuung nicht aus. Diese seien in ihrer Anwesenheit und Tätigkeit in den Salons streng kontrolliert worden. Sie seien so dem Diktat des Angeschuldigten nahezu ausgeliefert gewesen. Durch dessen Regime und die konkreten Umstände seien die Frauen einem starken und anhaltenden Druck ausgesetzt gewesen, dem sie sich kaum hätten entziehen können. Dadurch seien sie in ihrer Entscheidung, ob und wie sie dem Gewerbe nachgehen wollten, nicht mehr frei gewesen (E. 2.4.1).

-       Unklar sei, ob die angeworbenen Frauen nebst ihrem Engagement als Prostituierte auch über die konkreten Arbeitsbedingungen und die konkreten Umstände in der Schweiz aufgeklärt worden seien und sie mithin entsprechend eingewilligt hätten. Sofern die Frauen vor der Einreise vollständig und korrekt über die wesentlichen Arbeitsmodalitäten orientiert worden seien, läge im Rahmen der Festsetzung der Genugtuung eine massvolle und geringe Berücksichtigung solcher Umstände innerhalb des vorinstanzlichen Ermessensspieltraums. Es sei aber zu beachten, dass eine Einwilligung in die Tätigkeit als Prostituierte und in die (illegale) Überführung in die Schweiz nicht wirksam sei, wenn sie auf schwierige wirtschaftliche soziale Umstände der Betroffenen im Herkunftsland zurückzuführen sei. Die unwirksame Einwilligung vermöge die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung nicht aufzuheben, sie schliesse jedoch die Berücksichtigung des Verhaltens des Opfers als Selbstverschulden nicht von vorneherein vollständig aus. Das Verhalten der Geschädigten werde verglichen mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der Lage der Geschädigten. Mithin könne massgebend sein, ob die im Zeitpunkt der Einwilligung volljährigen Geschädigten über die konkreten Verhältnisse in der Schweiz orientiert gewesen seien. Hätten sie sich lediglich zur Prostitution in der Schweiz bereit erklärt und seien sie erst vor Ort über die effektiven Arbeitsmodalitäten (insbesondere Schulden und Abrechnungssystem) orientiert worden, so wäre eine im Heimatland erfolgte Zustimmung bei der Festsetzung der Genugtuungsforderungen ohnehin unbeachtlich (E 2.4.2).

-       Genugtuungen von CHF 5'000.00, CHF 10'000.00 und CHF 12'000.00 – abgestuft im Wesentlichen nach der Zeitdauer – an Geschädigte, die mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt worden seien und von der Prostitution schwere psychische Folgen davon getragen hätten, erschienen angemessen.

 

Weitere Ausführungen zur Frage der Genugtuung bei Förderung der Prostitution finden sich im Urteil des Bundesgerichts 6B_1284/2016 vom 12. Juni 2017: Das Kantonsgericht Schwyz hatte drei Opfern von Förderung der Prostitution Genugtuungssummen von CHF 2'000.00, CHF 6'000.00 und CHF 8'000.00 zugesprochen, dies ausgehend von einer Basisgenugtuung von CHF 20'000.00 bei Förderung der Prostitution. Festgestellt worden war, dass die Zimmerpreise abhängig vom Umsatz gestaltet waren und feste Preise für die sexuellen Dienstleistungen vorgeschrieben wurden. Selbst wenn bei einer genügenden Anzahl anwesender Frauen in der Bar einzelne Frauen frei machen konnten, wurden Präsenzzeiten vorgeschrieben und kontrolliert. Unpünktliches Erscheinen wurde gemeldet, bei Nichterscheinen wurde mit Schlägen gedroht. Um die Frauen an einem plötzlichen Weggang zu hindern und teilweise zur Begleichung der Schulden wurden die meisten Pässe eingezogen. Den Frauen wurde das Benutzen von Kondomen vorgeschrieben. Wer dies nicht befolgte, erhielt Schläge. Zudem mussten die Frauen die Anzahl Freier pro Tag mitteilen. Gemäss Bundesgericht waren diese Beträge angesichts der konkreten Umstände, der Dauer des Aufenthalts, der Schwere der Tat, des leichten Verschuldens des Beschuldigten und des fehlenden Selbstverschuldens der Geschädigten korrekt bemessen (E .2).

 

2.3 Privatklägerin 1

 

Die Privatklägerin 1 hielt sich in zwei Phasen während total ca. fünf Monaten im Studio in [Ort 1] auf. Psychische Folgen dieses Aufenthalts sind bei der Privatklägerin 1 nicht erstellt. Sie war im Studio erheblichen Einschränkungen unterworfen. So musste sie einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte dem Beschuldigten und seiner Mutter abgeben. Sie durfte das Studio nur mit Erlaubnis des Beschuldigten verlassen, wobei eine restriktive Bewilligungspraxis herrschte. Die Privatklägerin 1 musste den Freiern rund um die Uhr zur Verfügung stehen, wobei die Preise vorgegeben waren und sie geforderte sexuelle Praktiken nicht ablehnen durfte.

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint eine Genugtuung von CHF 7'000.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 1. Juli 2014 (mittlerer Verfall) als angemessen. Der Beschuldigte schuldet der Privatklägerin 1 diesen Betrag in Solidarhaftung mit F.___.

2.4 Privatklägerin 2

Die Privatklägerin 2 hielt sich in zwei Phasen während insgesamt vier Monaten im Studio in [Ort 1] auf. Bezüglich der Privatklägerin 2 sind psychische Folgen ihrer Tätigkeit als Prostituierte erstellt. Im Arztzeugnis vom 17. November 2016 wird eine Posttraumatische Belastungsstörung, schädlicher Gebrauch von Alkohol sowie ein Status nach Abhängigkeit von Methamphetamin diagnostiziert (O-G 47 ff.). Im Arztbericht vom 14. August 2019 wird eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, sowie eine nicht näher bezeichnete Angststörung diagnostiziert. Diese Diagnosen werden in Verbindung gebracht mit der totalen sozialen Vereinsamung der Privatklägerin 2 sowie der grossen Angst vor einer Ausschaffung in das Heimatland mit einem damit verbundenen quasi-Todesurteil zufolge fehlender Behandlung (O-G 552 ff.). Aus den Arztberichten ergibt sich ebenfalls, dass die Privatklägerin 2 bereits seit dem Jahr 2007 als Sexarbeiterin tätig war.

 

Die vorhandenen psychischen Probleme der Privatklägerin 2 können somit nicht bzw. nicht ausschliesslich auf den Aufenthalt im Studio des Beschuldigten zurückgeführt werden. Sie war aber in dieser Zeit erheblichen Einschränkungen unterworfen und in ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht massiv eingeschränkt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Abhängigkeit der Privatklägerin 2 gegenüber dem Beschuldigten zu Folge ihres Drogenkonsums und entsprechend die Machtposition des Beschuldigten zusätzlich verstärkt wurde.

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint eine Genugtuung von CHF 6'000.00 zuzüglich Zins von 5% seit dem 31. Januar 2015 als angemessen. Der Beschuldigte schuldet der Privatklägerin 2 diesen Betrag in Solidarhaftung mit F.___.

2.5 Privatklägerin 4

Die Privatklägerin 4 hielt sich ca. neun Wochen im Studio in [Ort 1] auf. Sie war denselben Einschränkungen unterworfen wie die Privatklägerinnen 1 und 2 (vgl. Ziff. 2.3 und 2.4 hiervor). Die Genugtuung ist auf CHF 4'000.00 zuzüglich 5% Zins seit dem 1. Oktober 2014 (mittlerer Verfall) festzulegen. Es besteht in diesem Umfang Solidarhaftung mit F.___.

2.6 Die zugesprochenen Genugtuungen für die Privatklägerinnen 1, 2 und 4 fielen mithin tiefer aus als im Verfahren gegen die Mutter des Beschuldigten, F.___. Wie erwähnt, ist das Berufungsgericht nicht an den Entscheid gegen F.___ gebunden. Im Übrigen erfolgte die Verurteilung der Mutter im abgekürzten Verfahren, im Rahmen dessen das Urteil und mithin auch die Genugtuungssummen ausgehandelt werden.

2.7 Privatklägerin 3

Da betr. der Privatklägerin 3 kein Schuldspruch erfolgt, ist deren Genugtuungsforderung abzuweisen.

 

VIII. Kosten und Entschädigung

1. Erstinstanzliches Verfahren

1.1 Der Vorhalt der Förderung der Prostitution ist in einem von vier Fällen nicht erstellt. In sämtlichen weiteren Anklagepunkten erfolgt ein Schuldspruch. Es erscheint angemessen, dem Beschuldigten 85% der erstinstanzlichen Verfahrenskosten zur Bezahlung aufzuerlegen. Im Übrigen gehen die Verfahrenskosten zu Lasten des Staates.

Entsprechend beträgt der Rückforderungsanspruch des Staates für die Kosten der amtlichen Verteidigung 85 %. Die Kosten für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung für die Privatklägerinnen 1, 2 und 4 sind vom Beschuldigten grundsätzlich zurückzube-
zahlen, sofern er in wirtschaftlich günstige Verhältnisse kommt. Da die genannten
Privatklägerinnen mit ihren Genugtuungsforderungen nicht vollständig erfolgreich waren, wird der Rückzahlungsvorbehalt jedoch auf 90 % reduziert. Die Kosten für die unentgeltliche Rechtspflege für die Privatklägerin 3 gehen definitiv zu Lasten des Staates.

Die von der Vorinstanz festgelegte Staatsgebühr von CHF 30'000.00 erscheint angesichts des doch überschaubaren Aktenumfangs unangemessen hoch. Dazu kommt, dass die Vorinstanz nicht einmal alle Akten würdigte, sondern eine Vielzahl von Einvernahmen (zu Unrecht) aus den Akten wies. Eine Staatsgebühr von CHF 15'000.00 erscheint dem Verfahrensaufwand angemessen.

1.2 Demnach werden die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 15'000.00, total CH 18'391.90, konkret wie folgt auferlegt:

E.___              85 %    entspr.            CHF    15'633.10

Staat               15 %    entspr.            CHF      2'758.80

 

1.3 Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 11 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin 1, Rechtsanwältin Claudia Trösch, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 9'076.75 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 8'169.05), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

1.4 Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 12 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin 2, Rechtsanwältin Eveline Roos, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 6'426.65 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 5'784.00), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

1.5 Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 13 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin 3, Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 7'389.65 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse. Diese Kosten gehen definitiv zulasten des Staates.

 

1.6 Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 14 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin 4, Rechtsanwältin Eveline Roos, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 4'056.20 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 3'650.60), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

1.7 Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 15 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung für die amtliche Verteidigerin von E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 30'916.10 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt gegenüber dem Beschuldigten der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 85 % (entspr. CHF 26'278.70), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

2. Berufungsverfahren

2.1 Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist mit Ausnahme eines Vorhalts betr. Förderung der Prostitution erfolgreich. Die Genugtuungsforderungen der Privatklägerinnen 1, 2 und 4 wurden nur teilweise gutgeheissen, diejenige der Privatklägerin 3 zufolge Freispruchs gänzlich abgewiesen. Unter diesen Umständen erscheint es angemessen, dem Beschuldigten 80% der Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und 20 % zu Lasten des Staates auszuscheiden. Entsprechend sind 80% der Kosten der amtlichen Verteidigung vom Beschuldigten zurückzufordern, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Die Staatsgebühr wird für das Berufungsverfahren auf CHF 10'000.00 festgesetzt.

Die Kosten für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung der Privatklägerinnen 1, 2 und 4 sind vom Beschuldigten grundsätzlich zurückzufordern, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Aufgrund des leichten Überklagens ist diese Rückforderung auf 90 % zu begrenzen. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin 3 gehen definitiv zu Lasten des Staates.

2.2 Demnach werden die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 10'280.00, konkret wie folgt auferlegt:

E.___              80 %    entspr. CHF      8'224.00

Staat               20 %    entspr. CHF      2'056.00

 

2.3 Für das Berufungsverfahren macht die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin 1, Rechtsanwältin Claudia Trösch, einen Arbeitsaufwand von 21.21 Stunden geltend. Dazu kommen vier Stunden für die Hauptverhandlung. Der Aufwand erscheint nicht zuletzt auch im Quervergleich mit den Kostennoten der anderen Vertreterinnen der Privatklägerinnen zu hoch. Die Kostennote ist wie folgt zu kürzen (total 7.25 h):

 

-        Kostenpunkt vom 5.5.2023: für die Vorbereitung der Hauptverhandlung werden acht Stunden geltend gemacht, was unangemessen hoch ist. Im Berufungsverfahren kam nichts Neues dazu. Rechtsanwältin Trösch musste sich im Übrigen bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit den Aussagen der Privatklägerin auseinandersetzen, die nunmehr wieder zu den Akten erkannt wurden. Entsprechend dem Aufwand, der Rechtsanwältin Roos für die Vorbereitung der Hauptverhandlung geltend machte (vgl. nachfolgend), dies notabene für zwei Privatklägerinnen, erscheinen drei Stunden angemessen (Kürzung um 5 h).

 

-        Kostenpunkte vom 11.5.2023:

-        1,25 h (Hin- und Rückweg Olten-Solothurn), fällt weg, da die mündliche Urteilseröffnung entfällt;

-        Für die Nachbearbeitung werden zwei Stunden geltend gemacht; praxisgemäss wird bei nicht besonders aufwändigen Verfahren max. 1 Stunde vergütet (Kürzung 1 h).

 

Vergütet werden 17.96 Stunden zu CHF 180.00 (Aufwände bis Ende 2022) bzw. CHF 190.00 (Aufwände ab 1.1.2023). Die Auslagen sind um den Betrag von CHF 16.40 zu kürzen (Fahrt zur mündlichen Urteilsverkündung fällt weg). Demnach wird die Entschädigung auf total CHF 3'687.45 festgesetzt (inkl. Auslagen und MWSt.), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleiben gegenüber dem Beschuldigten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben:

 

-        während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 90 % (entspr. CHF 3'318.70),

-        der Nachforderungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin Claudia Trösch im Umfang von 90 % (entspr. CHF 962.50), basierend auf Stundenansätzen von CHF 230.00 für Aufwände bis Ende 2022 bzw. CHF 250.00 für Aufwände ab 1.1.2023 (vgl. Beschluss der Geschäftsleitung des Obergerichts vom 16.1.2023).

 

Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

2.4 Für das Berufungsverfahren macht die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerinnen 2 und 4, Rechtsanwältin Eveline Roos, einen Arbeitsaufwand von 11.5 Stunden geltend, was angemessen erscheint. Dazu kommen vier Stunden für die Hauptverhandlung. Entschädigt werden somit 15.5 Stunden. Zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer entspricht dies einer Entschädigung von CHF 3'133.20 (je hälftig für die beiden Privatklägerinnen, entspr. CHF 1'566.60), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 2'819.90 bzw. CHF 1'409.95 pro Privatklägerin), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat. Eine Nachforderung wird nicht geltend gemacht.

 

2.5 Für das Berufungsverfahren macht die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin 3, Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, einen Arbeitsaufwand von 7.71 Stunden geltend, was angemessen erscheint. Dazu kommen vier Stunden für die Hauptverhandlung. Entschädigt werden demnach 11.71 Stunden zum Stundenansatz von CHF 180.00 (Aufwand bis Ende 2022) bzw. CHF 190.00 (Aufwände ab 1.1.2023). Die Entschädigung beläuft sich auf CHF 2’368.95 (inkl. Auslagen und MWSt.), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse. Diese Kosten gehen definitiv zulasten des Staates.

 

2.6 Für das Berufungsverfahren macht die amtliche Verteidigerin von E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, einen Arbeitsaufwand von 25.41 Stunden geltend (inkl. Hauptverhandlung). Der geltend gemachte Aufwand erscheint unangemessen hoch und wird wie folgt gekürzt:

Kostenpunkte vom:

 

-        26.4.2022: 10 Minuten (Durchsicht Verfügung);

-        17.11.2022: 5 Minuten (Durchsicht Verfügung);

-        5.4.2023: 5 Minuten (Fristerstreckung);

-        20.4.2023: 5 Minuten (Fristerstreckung);

-        4.5./5.5.2023: 90 Minuten (geltend gemacht: 10 h für Plädoyer, 8 ½ h bzw. 1 Arbeitstag erscheinen angemessen); Am Vortag macht die Vertreterin zudem 70 Minuten Aktenstudium geltend;

-        8.5.2023: 15 Minuten (geltend gemacht werden 90 Minuten für Olten-Solothurn retour mit dem Auto. Mit der Bahn dauert die Fahrt 20 Minuten. Rechtsanwältin Trösch wurden entsprechend ihrer Kostennote ebenfalls 1,25 h für die Benutzung des ÖV vergütet);

-        8.5.2023: 30 Minuten (geltend gemacht werden 4 ½ h für die Hauptverhandlung, diese dauerte aber nur 4 h);

-        11.5.2023: 135 Minuten (mündliche Urteilseröffnung fällt weg).

 

Total Kürzung: 295 Minuten bzw. 4.91 Stunden. Vergütet werden somit 20.5 Stunden zu Stundenansätzen von CHF 180.00 (für Aufwände bis Ende 2022) bzw. CHF 190.00 (für Aufwände ab 1.1.2023). Bei den Auslagen sind 160 km zu je CHF 0.70 zu kürzen, somit CHF 112.00 (geltend gemacht für die Anreise zur Hauptverhandlung und mündlichen Urteilsverkündung von Olten nach Solothurn). Zu entschädigen sind dafür CHF 16.40 (ÖV-Tarif).

 

Die Entschädigung wird dementsprechend auf CHF 5'066.20 festgesetzt (inkl. Auslagen und MWSt.), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt gegenüber dem Beschuldigten der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 80 % (entspr. CHF 4'052.95), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.


 

Demnach wird in Anwendung der Art. 133, Art. 195 lit. c StGB; Art. 116 Abs. 1 lit. a i. V. m. Abs. 3 lit. a und Art. 117 Abs. 1 AuG; Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG; Art. 42 Abs. 1, Art. 44, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 51 und 70 Ab. 1 StGB; Art. 41 ff. OR; Art. 122 ff., Art. 135, Art. 138, Art. 379 ff., Art. 398 ff. und Art. 416 ff. StPO

festgestellt und erkannt:

1.    E.___ wird vom Vorhalt der Förderung der Prostitution bezüglich der Anklageziffer 1.2 freigesprochen.

 

2.    Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 hat sich E.___ wegen Raufhandels, begangen am 15. Februar 2015, schuldig gemacht (AnklS. Ziff. 5).

 

3.    E.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht:

-        mehrfache Förderung der Prostitution, begangen in der Zeit von Mitte Juni 2014 bis Ende Januar 2015 (AnklS. Ziff. 1.1, 1.3 und 1.4),

-        mehrfache Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit von März 2013 bis 23. September 2015 (AnklS. Ziff. 4),

-        mehrfache Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht, begangen in der Zeit von März 2014 bis Ende Januar 2015 (AnklS. Ziff.  2),

-        mehrfache Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung, begangen in der Zeit von März 2014 bis Ende Januar 2015 (AnklS. Ziff.  3).

 

4.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 4 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde im vorliegenden Verfahren das Beschleunigungsgebot verletzt.

 

5.    E.___ wird verurteilt zu:

a)    einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von 2 Jahren,

b)    einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je CHF 10.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von 2 Jahren.

Die Untersuchungshaft vom 23. September 2015 bis 11. Dezember 2015, total 80 Tage, ist dem Beschuldigten im Vollzugsfall an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

 

6.    Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 5 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 werden folgende beschlagnahmten Gegenstände eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu vernichten:

-        1 Verpackungsbehälter Schachtel (Kartonschachtel mit diversen Minigrips und 1 Waage «Delwastar»),

-        1 Waage Präzisionswaage (silbergrau),

-        1.14 g Methamphetamin.

 

7.    Folgender beschlagnahmte Gegenstand wird eingezogen und ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Polizei zu verwerten:

1 Armbanduhr Carrera.

 

8.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 10 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wird der Privatkläger G.___, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kernen, zur Geltendmachung seiner Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

 

9.    E.___ hat der Privatklägerin A.___ eine Genugtuung von CHF 7'000.00 zzgl. 5 % Zins seit dem 1. Juli 2014 zu bezahlen. Für diesen Betrag haftet er solidarisch mit F.___.

 

10.  E.___ hat der Privatklägerin B.___ eine Genugtuung von CHF 6'000.00 zzgl. 5 % Zins seit dem 31. Januar 2015 zu bezahlen. Für diesen Betrag haftet er solidarisch mit F.___.

 

11.  E.___ hat der Privatklägerin D.___ eine Genugtuung von CHF 4'000.00 zzgl. 5 % Zins seit dem 1. Oktober 2014 zu bezahlen. Für diesen Betrag haftet er solidarisch mit F.___.

 

12.  E.___ wird für allfällige Schäden, die er mit seinen strafbaren Handlungen bei A.___, B.___ und D.___ verursacht hat, dem Grundsatz nach zu 100 % haftbar erklärt, unter solidarischer Haftung mit F.___.

 

13.  Die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen der Privatklägerin C.___ werden abgewiesen.

 

14.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 11 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin A.___, Rechtsanwältin Claudia Trösch, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 9'076.75 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 8'169.05), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

15.  Für das Berufungsverfahren wird die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin A.___, Rechtsanwältin Claudia Trösch, auf total CHF 3'687.45 festgesetzt (inkl. Auslagen und MWSt.), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleiben gegenüber dem Beschuldigten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben:

-        während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von 90 % (entspr. CHF 3'318.70),

-        der Nachforderungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin Claudia Trösch im Umfang von 90 % (entspr. CHF 962.50).

 

Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

16.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 12 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin B.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 6'426.65 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 5'784.00), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

17.  Für das Berufungsverfahren wird die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin B.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, auf CHF 1'566.60 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 1'409.95), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

18.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 13 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin C.___, Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 7'389.65 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Diese Kosten gehen definitiv zulasten des Staates.

 

19.  Für das Berufungsverfahren wird die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin C.___, Rechtsanwältin Melania Lupi Thomann, auf CHF 2’368.95 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Diese Kosten gehen definitiv zulasten des Staates.

 

20.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 14 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin D.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 4'056.20 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 3'650.60), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

21.  Für das Berufungsverfahren wird die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin D.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, auf CHF 1'566.60 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt während 10 Jahren der Rückforderungsanspruch des Staates gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von 90 % (entspr. CHF 1'409.95), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Im Umfang von 10% trägt die Kosten definitiv der Staat.

 

22.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 15 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 2. Februar 2021 wurde die Entschädigung für die amtliche Verteidigerin von E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 30'916.10 (inkl. Auslagen und MWSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt gegenüber dem Beschuldigten der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 85 % (entspr. CHF 26'278.70), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

23.  Für das Berufungsverfahren wird die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin von E.___, Rechtsanwältin Corinne Saner, auf CHF 5'066.20 festgesetzt (inkl. Auslagen und MWSt.), zahlbar durch den Staat, v.d. die Zentrale Gerichtskasse.

 

Vorbehalten bleibt gegenüber dem Beschuldigten der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 80 % (entspr. CHF 4'052.95), sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

24.  Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 15'000.00, total CH 18'391.90, werden wie folgt auferlegt:

E.___                    85 %    entspr.            CHF    15'633.10

Staat                     15 %    entspr.            CHF      2'758.80

 

25.  Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 10'280.00, werden wie folgt auferlegt:

E.___                    80 %    entspr. CHF      8'224.00

Staat                     20 %    entspr. CHF      2'056.00

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Fröhlicher

 

 

 

Der vorliegende Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 6B_979/2023 vom 16. Juli 2024 bestätigt.

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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