Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.49 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 18.08.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | In dem Gerichtsverfahren vor dem Obergericht in Solothurn ging es um den Fall einer versuchten vorsätzlichen Tötung. Der Beschuldigte wurde von der Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er den Privatkläger mit einem Messer angegriffen hatte. Der Beschuldigte und der Privatkläger hatten zuvor eine Auseinandersetzung auf einer Baustelle. Der Privatkläger erlitt schwere Verletzungen, die beinahe lebensbedrohlich waren. Im Verlauf des Prozesses wurden verschiedene Anträge gestellt, unter anderem auf Freispruch des Beschuldigten oder eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Die Beweismittel umfassten unter anderem ärztliche Berichte, Gutachten und Aussagen der Beteiligten. Das Gericht zog alle relevanten Fakten und Aussagen in Betracht, um ein gerechtes Urteil zu fällen. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Privat; Privatkläger; Beschuldigten; Messer; Stich; Zeuge; Urteil; Verletzung; Baracke; Brust; Stichverletzung; Tötung; Privatklägers; Recht; Berufung; Apos; Aussage; Schweiz; Solothurn; Urteils; Staat; Klinge |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ; Art. 122 StGB ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 15 StGB ; Art. 16 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 41 OR ; Art. 47 OR ; Art. 47 StGB ; Art. 50 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 8 EMRK ; |
Referenz BGE: | 125 IV 242; 129 IV 6; 130 IV 58; 132 II 117; 136 IV 55; 141 IV 97; 144 I 266; 145 I 227; |
Kommentar: | Stefan Trechsel, Mark Pieth, Schweizer, Praxis, 4. Auflage , Art. 47 StGB, 2021 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.49 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 18.08.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.76 |
Titel: | versuchte vorsätzliche Tötung |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 18. August 2023 Es wirken mit: Oberrichterin Kofmel Oberrichter von Felten Gerichtsschreiberin Schmid In Sachen 1. Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Anschlussberufungsklägerin
2. A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, Privatanschlussberufungskläger
B.___, vertreten durch Advokat Christian von Wartburg, Beschuldigter und Berufungskläger
betreffend versuchte vorsätzliche Tötung Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht vom 18. August 2023 um 7:30 Uhr: 1. B.___ als Beschuldigter und Berufungskläger, 2. Advokat Christian von Wartburg als Vertreter, 3. C.___, leitender Staatsanwalt, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin, 4. D.___ als Zeuge (von 8:25 bis 8:50 Uhr), 5. E.___ als Dolmetscherin (albanisch; bis 9:00 Uhr).
Zudem erscheinen als Zuhörerinnen und Zuhörer: - zwei Söhne des Beschuldigten, - zwei Medienvertreterinnen.
In Bezug auf den Ablauf der Hauptverhandlung, die durchgeführten Einvernahmen des Beschuldigten und des Zeugen sowie in Bezug auf die vom amtlichen Verteidiger des Beschuldigten und des Staatsanwalts vorgebrachten Begründungen der jeweiligen Anträge wird auf das Hauptverhandlungsprotokoll, die Einvernahmeprotokolle (inkl. Tonaufzeichnung) und die Plädoyernotizen in den Akten verwiesen (Aktenseite Berufungsverfahren [ASB] 131 ff.). Es stellen und begründen folgende Anträge: Staatsanwalt C.___ stellt und begründet für die Anklägerin und Anschlussberufungsklägerin folgende Anträge (vgl. auch Plädoyernotizen in den Berufungsakten [ASB 155 ff.]):
1. B.___ sei wegen versuchter vorsätzlicher Tötung schuldig zu sprechen. 2. B.___ sei zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren. 3. An die Freiheitsstrafe seien 97 Tage Untersuchungshaft anzurechnen. 4. B.___ sei für zehn Jahre des Landes zu verweisen, unter Vornahme einer entsprechenden Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS. 5. Über eine allfällige Anordnung von Sicherheitshaft sei von Amtes wegen zu befinden. 6. Über die Kostennote des amtlichen Verteidigers für das Berufungsverfahren sei von Amtes wegen zu befinden, wobei ein Rückforderungsvorbehalt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO anzubringen sei. 7. Der Beschuldigte sei zur Bezahlung der gesamten Verfahrenskosten zu verpflichten.
Advokat Christian von Wartburg stellt und begründet im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers folgende Anträge (vgl. auch Plädoyernotizen in den Berufungsakten [ASB 173 ff.]):
1. Es sei der Berufungskläger in Gutheissung der Berufung und in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 25. Februar 2022 vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung zum Nachteil von A.___ gestützt auf Art. 15 StGB wegen rechtfertigender Notwehr freizusprechen. 2. Eventualiter sei der Berufungskläger vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung zum Nachteil von A.___ gestützt auf Art. 16 Abs. 2 StGB wegen entschuldbarer Notwehr freizusprechen. 3. Subeventualiter sei der Berufungskläger vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung freizusprechen und lediglich der einfachen Körperverletzung zum Nachteil von A.___ mit einem gefährlichen Gegenstand, begangen in Überschreitung der Grenzen der Notwehr gemäss Art. 16 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen und zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 12 Monaten, Probezeit 2 Jahre, zu verurteilen. 4. Subsubeventualiter sei der Berufungskläger vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung zum Nachteil von A.___ freizusprechen und lediglich der versuchten eventualvorsätzlichen schweren Körperverletzung zum Nachteil von A.___, begangen in Überschreitung der Grenzen der Notwehr gemäss Art. 16 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen und zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 18 Monaten, Probezeit 2 Jahre, zu verurteilen. 5. Subsubsubeventualiter sei der Berufungskläger lediglich des versuchten Totschlags zum Nachteil von A.___ schuldig zu sprechen und zu einer teilbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 6 Monate mit unbedingtem Vollzug, Probezeit 2 Jahre, zu verurteilen. 6. Es sei in Abweisung der Anschlussberufung und gestützt auf Art. 66a Abs. 2 StGB in jedem Fall von einer Landesverweisung abzusehen. 7. Es sei in Gutheissung der Berufung und in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 25. Februar 2022 die Zivilforderung des Privatklägers abzuweisen und es sei diesem auch keine Parteientschädigung zuzusprechen. 8. Es seien die Kosten des Berufungsverfahrens zulasten des Staates zu verlegen und es sei dem Berufungskläger für das zweitinstanzliche Verfahren eine angemessene Entschädigung für die Kosten seiner Verteidigung zu entrichten. 9. Unter o/e Kostenfolge. 10. Es sei der Antrag auf Zusprechung einer Genugtuung an den Privatkläger abzuweisen.
Rechtsanwalt Patrick Hasler stellte im Namen und Auftrag des Privatanschlussklägers A.___ im Vorfeld der Berufungsverhandlung folgende Anträge (vgl. auch ASB 87 ff.):
1. In Abänderung der Ziffer 12 des erstinstanzlichen Urteils des Richteramtes Bucheggberg-Wasseramt vom 25. Februar 2022 sei B.___ zu verpflichten, A.___ eine Genugtuung in der Höhe von CHF 12'000.00 zuzüglich Zins zu 5% seit 17. September 2020 zu bezahlen. 2. Im Übrigen sei das erstinstanzliche Urteil des Richteramtes Bucheggberg-Wasseramt vom 25. Februar 2022 vollumfänglich zu bestätigen. 3. B.___ sei zu verpflichten, A.___ für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung im Umfang der eingereichten Kostennote zuzusprechen. 4. Die Verfahrenskosten für das obergerichtliche Verfahren seien B.___ aufzuerlegen.
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Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Vor- und Prozessgeschichte
1. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Bauarbeitern auf einer Baustelle in [Ort 1] am 17. September 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft gleichentags eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. versuchter schwerer Körperverletzung (Art. 122 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) (Aktenseite [AS] 330). Mit Ausdehnungsverfügung vom 18. September 2020 wurde die hängige Untersuchung ausgedehnt auf den (Eventual-)Vorhalt der schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB) (AS 331).
2. Am 2. Juli 2021 erhob die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt Anklage gegen den Beschuldigten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. schwerer Körperverletzung (Art. 122 StGB) (AS 1 ff.).
3. Am 25. Februar 2022 erliess das Amtsgericht von Bucheggberg-Wasseramt folgendes Urteil (AS 1387 ff.):
1. B.___ hat sich der versuchten vorsätzlichen Tötung, begangen am 17. September 2020, schuldig gemacht. 2. B.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt. 3. B.___ werden 97 Tage Haft an die Freiheitsstrafe angerechnet. 4. Von einer Landesverweisung von B.___ wird abgesehen. 5. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Sicherheitshaft gegen B.___ wird abgewiesen. 6. Die sichergestellten Kleidungsstücke und Schuhe von B.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) sind zufolge Verzichts nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten. 7. Die sichergestellten Kleidungsstücke von A.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) sind zufolge Verzichts nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten. 8. Die sichergestellten Schuhe von A.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) werden diesem nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils herausgegeben. 9. Folgende im Verfahren gegen B.___ sichergestellten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) sind zufolge Verzichts des Berechtigten F.___ nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten: 1. 1 buntes Küchentuch, 2. 1 oranges T-Shirt; Marke: Nikin; Grösse: L. 10. B.___ hat A.___ Schadenersatz von CHF 1'345.40, zuzüglich Zins zu 5 % seit 17. September 2020, zu bezahlen. Zur Geltendmachung seiner Mehrforderung wird A.___ auf den Zivilweg verwiesen. 11. B.___ wird gegenüber A.___ für allfälligen aus und im Zusammenhang mit der Straftat gemäss Ziff. 1 hiervor noch anfallenden Schaden bei einer Haftungsquote von 100 % dem Grundsatz nach für ersatzpflichtig erklärt. 12. B.___ hat A.___ eine Genugtuung von CHF 8'000.00, zuzüglich Zins zu 5 % seit 17. September 2020, zu bezahlen. 13. B.___ hat A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, Solothurn, eine Parteientschädigung von CHF 13'074.35 (Honorar CHF 11'857.40, Auslagen CHF 282.20 und 7.7 % MWST CHF 934.75) zu bezahlen. 14. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von B.___, Rechtsanwalt Daniel R. Frey, wird auf CHF 18'700.00 (89.33 Stunden zu CHF 180.00 pro Stunde, inkl. Auslagen von CHF 1'283.65 und MWST zu 7.7 % von CHF 1'336.95) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu zahlen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn). Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 4'810.45 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde, inkl. 7.7 % MWST von CHF 343.95), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von B.___ erlauben. 15. Die Kosten des Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 16'260.00, hat B.___ zu bezahlen.
4. Am 10. März 2022 meldete der Beschuldigte die Berufung an (AS 1398).
5. Nachdem dem Beschuldigten am 27. Mai 2022 das schriftlich begründete Urteil zugestellt worden war (AS 1455), reichte dieser am 16. Juni 2022 die Berufungserklärung ein (ASB 2 ff.). Diese richtet sich gegen die Ziffern 1 (versuchte vorsätzliche Tötung), 2 (Freiheitsstrafe von 7 Jahren), 11 (Haftungsquote von 100 % in Bezug auf Ziffer 1 des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs), 12 (Genugtuung CHF 8'000.00, zuzüglich Zins) und 15 (Verfahrenskosten).
6. Mit Stellungnahme und Anschlussberufung vom 6. Juli 2022 (ASB 9) stellte die Staatsanwaltschaft keinen Antrag auf Nichteintreten und erklärte die Anfechtung des Urteils betreffend der Ziffern 2 (Strafzumessung) und 4 (Landesverweisung). Sie verlangte die Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils insofern, dass eine Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe sowie die Anordnung der Landesverweisung für die Dauer von 10 Jahren mit Ausschreibung im SIS zu erfolgen habe.
7. Mit Eingabe vom 18. Juli 2022 erhob auch der Privatkläger Anschlussberufung (ASB 11) und beantragte eine Genugtuung in der Höhe von CHF 12'000.00 zuzüglich Zins zu 5 % seit 17. September 2020.
8. Am 18. August 2022 teilte der Beschuldigte mit, er lasse sich von nun an privat durch Rechtsanwalt Kunz, verteidigen (ASB 13).
9. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2022 wurde zur Hauptverhandlung auf den 4. Mai 2023 vorgeladen (ASB 36).
10. Mit Eingabe vom 5. April 2023 teilte der Beschuldigte den Wechsel seiner privaten Verteidigung mit. Er werde neu durch Advokat Christian von Wartburg, vertreten. Ferner ersuchte er um Verschiebung der Hauptverhandlung (ASB 51).
11. Mit Verfügung vom 10. Mai 2023 wurde neu vorgeladen auf den 18. August 2023 (ASB 59).
12. Für die Parteistandpunkte, die Ausführungen der Vorinstanz, die Aussagen und Berichte wird auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.
II. Vorhalt
Der Beschuldigte soll sich der versuchten vorsätzlichen Tötung nach Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, evtl. der schweren Körperverletzung nach Art. 122 al. 1 StGB, zum Nachteil von A.___ (Privatkläger), schuldig gemacht haben, begangen am 17. September 2020, zwischen ca. 12:20 und 12:25 Uhr, in [Ort 1], damalige Baustelle am [Adresse], im Bereich einer Betonröhre vor den dortigen Baucontainern bzw. auf dem entsprechenden Vorplatz sowie im angrenzenden Strassenbereich. Dies, indem er – auf der Basis bereits vorbestehender, aber grundsätzlich ausgeräumter Differenzen und in unmittelbarem Nachgang zu einer durch eine Drittperson aufgelösten verbalen und tätlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Privatkläger im Inneren des Baucontainers wegen Sitzgepflogenheiten und der Beschädigung eines Krans – aus seinem Auto, evtl. anderswo, ein Messer (Küchenmesser/Schnitzer/Brotmesser, evtl. ein Isolier- Japanmesser) mit einer Klingenlänge von ca. 10 cm behändigt habe, wobei er den Bereich der Baucontainer zu entsprechenden Zwecken vorübergehend verlassen habe; evtl. habe er das Messer im Bereich der Baustelle behändigt bzw. in unmittelbarer Nähe des Orts der nachmaligen Auseinandersetzung.
Der Beschuldigte habe sich dem im Bereich einer grossen Betonröhre mit entkleidetem Oberkörper stehenden Privatkläger zügigen Schritts genähert, wobei er das Messer in der rechten Hand gehalten habe. In der Folge habe er mit dem Messer vorsätzlich, in einer wütenden Grundhaltung, ohne vorgängige Ankündigung, ein erstes Mal unvermittelt, schwungvoll und mit erheblichem Kraftaufwand frontal, evtl. seitlich leicht versetzt, auf den Oberkörper des überraschten Privatklägers eingestochen. Im Rahmen eines dynamischen und sich vom Vorplatz auf die Strasse verlegenden Geschehens habe der Privatkläger versucht, sich den anhaltenden und durch die Worte «wotsch no meh!?» begleiteten Stichbewegungen zu entziehen, wobei der Beschuldigte ihm gefolgt sei und mindestens drei weitere Male mit erheblichem Krafteinsatz und unkontrolliert gegen den Oberkörper des Privatklägers zugestochen habe, wodurch er ihm nebst oberflächlichen Hautdurchtrennungen und Haut-Weichteilverletzungen (Einstich und Stichkanal) insbesondere folgende Verletzungen zugefügt habe:
a) Stichverletzung an der Brustkorbvorderseite links, Höhe 6. Rippe, mittlere Schlüsselbeinlinie; 2.5 cm x 1 cm, 2.5 cm Tiefe; wobei die Einstichstelle 4 cm vor dem Herzen liege; b) mittlere Achsellinie, seitliche linke Brustkorbwand, Höhe 7. bis 8. Rippe; 1.5 cm messend, durch den linken Lungenflügel bis an den Herzbeutel reichend; diese Stichverletzung habe zu einem Hämatopneumothorax und der Entwicklung eines Spannungspneumothorax mit Blutverlust nach innen (700 ml Blutverlust in die Brusthöhle), einer Verletzung des linken Lungenflügels und einer Verletzung des Herzbeutels mit einhergehender Perimyokarditis geführt; c) hintere Achsellinie links; Übergang seitliche Brustwand zu Rücken, Höhe 4. Rippe; 3 cm x 1 cm, 4.5 bis 8 cm Tiefe; die Stichverletzung habe von der Hautoberfläche durch das Unterhautfettgewebe bis auf die Muskelfaszie eines Rückenmuskels gereicht, wobei daraus weder eine Eröffnung der Brusthöhle noch eine Verletzung der Lunge resultiert sei; d) hintere Achsellinie rechts, Höhe 1. und 2. Rippe; 2.5 x 1 cm, 1 cm Tiefe; auch dieser Stich habe nicht zu einer Eröffnung der Brusthöhle einer Verletzung der Lunge geführt.
In der Gesamtschau würden die beschriebenen Verletzungsbilder, insbesondere der Spannungspneumothorax, akut lebensgefährliche Verletzungen darstellen, die ohne zeitnahe adäquate medizinische Versorgung zum Ableben des Privatklägers geführt hätten. Dieser sei bis mindestens am 16. Oktober 2020 zu 100% arbeitsunfähig und im Zusammenhang mit dem fraglichen Ereignis bis mindestens April 2021 in ärztlicher Behandlung gewesen.
Der Beschuldigte habe im Wissen darum gehandelt, dass der mehrfache Einsatz eines Messers gegen den Oberkörper eines anderen Menschen in Form von Stichbewegungen im Rahmen eines dynamischen Geschehens nicht nur zu lebensgefährlichen Verletzungen, sondern auch zu dessen Tod führen könne. Er habe mit seinem mehrfachen, kräftigen Zustechen mit einem Messer im Bereich des Oberkörpers akut lebensgefährliche, mithin schwere Verletzungen und letztlich auch den Tod des Privatklägers zumindest billigend in Kauf genommen; eventualiter habe er mit direktem Vorsatz gehandelt, den Privatkläger zu töten.
Nach dem vierten Stich habe der Beschuldigte den Ort des Geschehens verlassen.
Der Beschuldigte wolle während eines sich im Gange befindlichen Angriffs seitens des Privatklägers lediglich einmal einen Schlag mit einem vor Ort gefundenen Messer ausgeführt haben, wobei er selber im Bereich der Palette vor dem Eingang der Baracke gelegen sei und A.___ seine Hände an seinem Hals gehabt habe.
III. Beweismittel
1. Strafanzeige vom 25. Januar 2021 (AS 6 ff.) und Spurenbericht vom 4. November 2020 (AS 75 ff.):
Beim Eintreffen der Polizei kurz nach Meldungseingang um ca. 12:40 Uhr konnte am Tatort der Privatkläger angetroffen werden. Für die Polizei war sofort ersichtlich, dass der Privatkläger schwer verletzt war. Die Ersthelfer drückten mehrere offene Wunden mit Händen und Kleidungsstücken zu, um den Blutverlust des Privatklägers zu stoppen. Beim Tatort konnten vor und in der Mannschaftbaracke mehrere Blutspuren festgestellt werden. Der Beschuldigte befand sich beim Eintreffen der Polizei nicht mehr vor Ort. Dieser konnte jedoch kurze Zeit später an seinem Wohnort betroffen werden. Der Beschuldigte wurde darauf von der Polizei zurück zum Tatort verbracht. Die Tatwaffe konnte nicht gefunden werden.
Der beim Beschuldigten durchgeführte Atem-Alkoholtest sowie der durchgeführte Drogenschnelltest «Drug Wipe» verliefen negativ.
Weder die Auswertung der Mobiltelefone des Beschuldigten und des Privatklägers noch die Durchsuchung des Autos des Beschuldigten ergaben neue Erkenntnisse zum vorliegenden Ereignis.
Durch die Polizei wurden sodann zahlreiche Fotos vom Tatort und den sichergestellten Kleidern erstellt (AS 82 ff.).
2. Arztberichte und rechtsmedizinisches Gutachten (betreffend den Privatkläger)
2.1 Im vorläufigen rechtsmedizinischen Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Basel vom 18. September 2020 (AS 501 f.) ist betreffend der Verletzungen des Privatklägers Folgendes festgehalten: Gemäss mündlichen Informationen der behandelnden Ärzte seien beim Privatkläger am 17. September 2020 im Bürgerspital Solothurn vier «Stichverletzungen» festgestellt worden, wobei mindestens einer der Stiche die Brusthöhle eröffnet haben müsse, da diagnostisch ein sog. Spannungspneumothorax (Luftbrust) festgestellt worden sei. Auch ein Blutverlust infolge der Verletzung sei eingetreten. Diesem habe nicht mit der Gabe von Blut- Blutersatzprodukten begegnet werden müssen. Infolge des Spannungspneumothorax sei aber eine Kreislaufinstabilität aufgetreten, weswegen eine rasche medizinische Intervention (Einlegen einer sog. Bülau-Drainage in die Brusthöhle zum Absaugen von Luft und ggf. Blut und zur Verbesserung der Drucksituation in der Brusthöhle) notwendig gewesen sei. Weiter sei bekannt geworden, dass eine Stichverletzung nahe am Herzbeutel verlaufen sei. Aufgrund der Schilderungen der behandelnden Ärzte sei aus rechtsmedizinischer Sicht eine akute Lebensgefahr zu bejahen. Ohne zügig und adäquate medizinische Intervention habe die Gefahr bestanden, dass der Geschädigte infolge des Spannungspneumothorax versterbe. Hierzu sei auch anzumerken, dass die Eindringtiefe (Stichkanallänge) für den Angreifer, der im Rahmen eines dynamischen Tatgeschehens eine zum Körper hin gerichtete Stichbewegung ausgeführt habe, praktisch nicht steuerbar sei, da nach Überwindung des Widerstandes durch allenfalls getragene Kleidung und die derb-elastische Haut das darunter liegende Weichgewebe dem eindringenden Tatwerkzeug keinen relevanten Widerstand mehr entgegensetze, sofern nicht knöcherne Strukturen getroffen werden. Bei der rechtsmedizinischen Untersuchung seien die Stichverletzungen, die alle in der Brustregion gelegen seien, bereits medizinisch versorgt gewesen. An der Halshaut rechts hätten sich zwei Areale mit frisch imponierenden Hauteinblutungen gefunden, die durch einen Griff gegen den Hals verursacht worden sein könnten. Ein entsprechender Angriff gegen den Hals sei vom Privatkläger auch berichtet worden. Subjektive objektive Befunde, die eine akute Lebensgefahr infolge des Griffs an den Hals belegen könnten, hätten nicht bestanden. Am linken Handrücken und am rechten Unterarm hätten sich je eine ritzerartige Läsion, die durch eine oberflächliche Einwirkung eines scharfen spitz-kantigen Gegenstandes zu erklären sei, gefunden.
2.2 Im Notfallbericht Chirurgie sowie im OP-Bericht des Bürgerspitals Solothurn vom 17. September 2020 (AS 512 ff.) werden folgende Diagnosen gestellt: 1. Penetrierendes Thoraxtrauma vom 17. September 2020 m/b - 3 Stichverletzungen Thorax links: anterior, lateral und dorsolateral - Spannungshämatopneumothorax links - Lungenlazeration Unterlappen links - 1 Stichverletzung rechts dorsolateral - Hämatom im Musculus serratus links 2. Hypokaliämie ED, 17. September 2020
2.3 In den Berichten der Kardiologie des Bürgerspitals Solothurn vom 21. September 2020 (AS 522 f.) und im Austrittsbericht des Bürgerspitals Solothurn vom 29. September 2020 (AS 518 ff.) wurden folgende Diagnosen gestellt:
Hauptdiagnosen 1. Penetrierendes Thoraxtrauma am 17. September 2020 - 3 Stichverletzungen Thorax links: anterior, lateral und dorsolateral - Spannungshämatopneumothorax links - 1 Stichverletzung rechts dorsolateral 2. Troponinämie a.e. bei Perimyokarditis, 17. September 2020 - hs Trop I Peak am 18. September 2020: 1508 ng/l, CK Peak am 18. September 2020:431 U/l - 17. September 2020 EKG: PQ-Senkung und konkave ST-Streckenhebungen diffus verteilt - 18. September 2020 TTE: LVEF 65 %, keine Regionalitäten, keine hämodynamisch relevante Vitien, kein Perikarderguss - 19. September 2020 TTE: Unauffällig bei unverändertem Befund zum Vortag 3. Hypokaliämie, 17. September 2020
Gemäss Austrittsbericht konnte der Privatkläger am 23. September 2020 «in einem ordentlichen Allgemeinzustand nach Hause entlassen» werden. Es wurde ihm eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit vom 17. September 2020 bis 16. Oktober 2020 attestiert.
2.4 Im rechtsmedizinischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Basel (IRM) vom 8. Januar 2021 (AS 605 ff.) wurde Folgendes ausgeführt: Klinisch seien Stichverletzungen festgestellt worden. Daneben hätten am linken Handrücken, am rechten Unterarm sowie am Unterbauch links frische, ritzerartige Hautdurchtrennungen festgestellt werden können, welche wundmorphologisch oberflächliche Schnittverletzungen darstellten. Diese seien durch die Einwirkung eines scharfen spitzkantigen Gegenstandes, wie z.B. einer Messerspitze, entstanden. Eine Entstehung mit dem gleichen Tatwerkzeug, das auch für die Verursachung der Stichverletzungen am Rumpf verwendet worden sei, sei plausibel. An der rechten Halsseite hätten zudem Hauteinblutungen festgestellt werden können. Diese könnten im Sinne von Würgemalen interpretiert werden und somit einen Angriff gegen den Hals, wie vom Privatkläger berichtet, abbilden. Alternativ seien sie durch Zerren an der Kleidung entstanden. Objektive Befunde einer kreislaufrelevanten Halskompression (Stauungsblutungen) hätten nicht festgestellt werden können und der Privatkläger habe keine subjektiven Angaben zu zerebralen Ausfallerscheinungen, die auf eine Lebensgefahr aufgrund der Halskompression schliessen liessen, gemacht. Weitere Hauteinblutungen hätten sich an der rechten Schulter sowie am rechten Unterschenkel feststellen lassen. Diese seien durch stupfe Gewalteinwirkung entstanden, wie z.B. Anstossen an einen Gegenstand aber auch durch Zerren an der Kleidung (Schulter). In der Zusammenschau mit den klinischen Unterlagen seien beim Privatkläger insgesamt vier Stichverletzungen am Rumpf vorgelegen. Drei Stichverletzungen seien in der linken Rumpfhälfte, eine in der rechten Rumpfhälfte vorgelegen. Die eine Stichverletzung sei in die Brusthöhle und dort in den linken Lungenflügel eingedrungen. Auf den CT-Schnittbildern ende der Stichkanal unmittelbar am Herzbeutel. Aufgrund von Atemexkursionen und der Ausdehnung des Herzens bei der Aufnahme von Blut könne der Stichkanal grundsätzlich auch durch den Herzbeutel bis an die Herzwand gelangt sein. Die Eröffnung der Brusthöhle habe zu einem Blutverlust in die Brusthöhle (ca. 700ml) und einem Eintritt von Luft geführt (Hämatopneumothorax). Der Blutverlust habe nicht mit der Gabe von Blut- Blutersatzprodukten behandelt werden müssen. Aus dem Hämatopneumothorax habe sich aber ein sogenannter Spannungspneumothorax entwickelt. Beim Spannungspneumothorax handle es sich um eine lebensgefährliche Form des Pneumothorax. Zur Abwendung der bestehenden Lebensgefahr sei dabei zwingend eine umgehende medizinische Entlastungspunktion mittels Thoraxdrainage erforderlich, wie es auch beim Privatkläger erfolgt sei. Die übrigen Stichverletzungen seien gemäss den CT-Befunden nicht in die Brusthöhle eingetreten, sondern im Weichteilgewebe verlaufen. Für die eine Stichverletzung sei eine Stichkanallänge von 4.5 cm bis 8 cm angegeben worden, wobei eine Stichkanallänge von 8 cm für einen sehr tangentialen, fast parallel zur Körperoberfläche verlaufenden Wundkanal sprechen würde, was insbesondere dann ungewöhnlich wäre, wenn eine auf den Körper hin gerichtete Bewegung mit dem Tatwerkzeug erfolge, was angesichts der Wundmorphologie an der Oberfläche anzunehmen sei. Aus diesem Grund werde rechtsmedizinisch eine Stichkanallänge von 4.5 cm für plausibel erachtet. Die drei weiteren Stiche seien per se nicht lebensbedrohlich gewesen, allerdings seien auch hier in unmittelbarer Nähe lebenswichtige Organe wie Lunge und grössere venöse und arterielle Blutgefälle, sowie im Falle einer Stichverletzung das Herz gelegen. Aus Verletzung von Lunge, Herz Blutgefässen hätten ohne Weiteres und in sehr kurzer Zeit vital bedrohliche Zustände resultieren können. Zusammenfassend sei aufgrund der Stichverletzungen aus rechtsmedizinischer Sicht das Vorliegen einer akuten Lebensgefahr zu bejahen. Es sei davon auszugehen, dass der Privatkläger ohne sehr rasche und adäquate medizinische Intervention unmittelbar an den Folgen des Spannungspneumothorax verstorben wäre. Darüber hinaus habe aufgrund der Folgekomplikationen konkrete Risiken für eine vital bedrohliche Schädigung bestanden. Hinsichtlich der Beibringung der Stichverletzungen sei von einer rasch aufeinander folgenden Beibringung auszugehen. Die Stichverletzungen sowie auch die zusätzlich festgestellten oberflächlichen, ritzartigen Schnittverletzungen seien durch scharfe Gewalteinwirkung entstanden. Exakte Rückschlüsse aus den Verletzungen auf die Ausmasse des Tatwerkzeuges (insbesondere Klingenlänge-/breite) seien nicht mehr möglich. Eine Beibringung der Stichwunden mit dem durch den Privatkläger im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung beschriebenen, ca. 10 cm langen, einschneidigen Wellenschliffmesser sei möglich. Eine sichere Aussage über den notwendigen Kraftaufwand zur Verursachung der Verletzung sei nicht möglich. Das Vorliegen der Stichverletzung spreche aber zumindest für eine aktive Führung des Tatwerkzeuges gegen den Körper des Privatklägers. Der Spannungspneumothorax sei als direkte Folge der einen Stichverletzung anzusehen. Aus dem erlittenen Blutverlust sei vorliegend keine konkrete Lebensgefahr abzuleiten. Diese hätte aber, v.a. bei später medizinischer Versorgung eintreten können, da nicht davon auszugehen sei, dass die durch den Stich verursachte innere Blutung von alleine gestoppt hätte. Generell ist anzumerken, dass bei einer Penetration durch einen scharfen spitzen Gegenstand die Haut und gegebenenfalls darüber getragene Kleidung den grössten Widerstand für den eindringenden Gegenstand darstelle. Nach Überwinden des Hautwiderstands werde dem eindringenden Werkzeug durch das Weichteilgewebe kein relevanter Widerstand mehr entgegengesetzt. Dies führe dazu, dass der Angreifer insbesondere in einem dynamischen Geschehen nicht abschätzen könne, welche Verletzungen letztlich hervorgerufen würden. Dies gelte insbesondere für innere Verletzungen an Organen Gefässen. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass durch den Angreifer nicht habe gesteuert werden können, dass zum Beispiel nur die Lunge und nicht auch das Herz mitverletzt werde. Hinzu komme, dass bei einer Auseinandersetzung, bei der Angreifer und Angegriffener in Bewegung seien (dynamisches Geschehen) auch nicht gesteuert werden könne, wo und mit wie viel Energie das Tatwerkzeug letztlich den Körper treffe. Das bedeute, dass nicht gesteuert werden könne, wo die Verletzung letztlich lokalisiert sei und auch nicht, dass diese immer oberflächlich bleibe. Die Angaben des Privatklägers, wonach er nicht versucht habe, den Angriff abzuwehren, sondern versucht habe, sich vom Angreifer zu entfernen, würden passen. Dies könne auch erklären, warum keine relevanten Abwehrverletzungen an den Händen Armen feststellbar gewesen seien.
3. Arztberichte (betreffend den Beschuldigten)
3.1 Der Amteiarzt hielt zuhanden der Staatsanwaltschaft am 18. September 2020 fest, er habe den Beschuldigten am 17. September 2020 im Beisein des KTD im UG Solothurn untersucht. Der Beschuldigte habe über Halsschmerzen nach Würgen geklagt. Es hätten aber keine Verletzungen festgestellt werden können. Auch die übrige körperliche Untersuchung sei unauffällig gewesen. Die Blutuntersuchung habe nicht durchgeführt werden können (AS 480).
3.2 Im Bericht des Instituts der Medizinischen Radiologie des Bürgerspitals Solothurn vom 25. September 2020 wurde Folgendes festgehalten (AS 486): - kein Pleuraerguss, keine pleurale Verbreiterung - kein Pneumothorax - Herzkontur regelrecht. Kein Hinweis auf eine pulmonalvenöse Stauung - Hili beidseits gefässbetont ohne Hinweis auf Lymphome. Mediastinum nicht verbreitert. - Intrapulmonal kein Nachweis von Rundherden, Infiltraten Belüftungsstörungen - BWS Wirbelkörper in der Höhe enthalten bei glatter Berandung der Grund- und Deckplatten. Zwischenwirbelräume erhalten. Kein Nachweis einer Ruptur. Rippen ohne Hinweis auf eine dislozierte Fraktur.
3.3 In der Stellungnahme der Gefängnisärztin an die Staatsanwaltschaft vom 22. Oktober 2020 (AS 495) antwortete diese auf die gestellten Fragen, was folgt: 1. Wann, wie oft und weswegen ist der Beschuldigte bei ihnen vorstellig geworden? Der Beschuldigte ist am 17. September 2020 ins UG Olten eingetreten. Ich habe ihn am 24. September und am 1. Oktober 2020 in der medizinischen Sprechstunde gesehen. Er hat sich wegen Schmerzen beim Schlucken und Schmerzen an den Rippen vor allem rechts an der Flanke gemeldet. Diese Schmerzen seien durch Würgen und einen Stoss in die Rippen verursacht worden. 2. Wurden dem Beschuldigten Medikamente gegeben? Wenn ja, welche und in welcher Dosierung? Ich habe dem Beschuldigten nichtsteroidale Entzündungshemmer (eine Gruppe von Schmerzmitteln) verabreicht und dazu einen Magenschoner. 2 x 40 mg Optifen und 1 x 40mg Pantoprazol täglich. 3. Steht der Beschuldigte in ärztlicher Behandlung? Wenn ja, bei wem und wie oft bzw. wegen welcher Beschwerden? Nein, sonst sind keine Behandlungen bekannt. 4. Welche Befunde wurden erhoben und dokumentiert? Druckdolenz am Hals rechts, auf Höhe des Zungenbeines. Keine Schwellung, kein Hämatom, enoral unauffällig. Schmerzen Rippenthorax rechtsseitig, eher an der Seite, nicht vorne hinten. Kein Hämatom, Atmung unauffällig, Herzauskultation unauffällig. Ein Röntgenthorax (Röntgenbild der Rippen) hat keine gebrochene Rippe einen anderen pathologischen Befund gezeigt (Röntgen am 25. September 2020 im Bürgerspital Solothurn durchgeführt).
3.4 Den Berichten von G.___, Leitender Arzt Universitätsspital, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Inselspital Bern vom 21. Juni 2021 (AS 728.48 ff.) und vom 20. Oktober 2021 (AS 1238 f.) lassen sich folgende Diagnosen entnehmen: - St. nach Würgetrauma 09/2020 - Verspannungen der zervikalen Muskulatur
Der Patient befinde sich immer noch in Physiotherapie. Der Patient berichte, mit Schlucken und Sprechen gehe es besser, aber er verspüre immer noch ein Verspannungsgefühl vor allem rechts zervikal.
4. Aussagen des Privatklägers, des Zeugen und des Beschuldigten
4.1 Privatkläger
4.1.1 Anlässlich der Erstbefragung am 21. September 2020 (AS 96 ff.) gab der Privatkläger, als Auskunftsperson befragt, zusammengefasst zu Protokoll, nachdem er das Mittagessen gegessen habe, so ca. 12:15 Uhr, sei er alleine in der Baracke gewesen und habe sich auf die Sitzbank gesetzt. Wenig später sei der Beschuldigte zusammen mit D.___ zurück vom Einkaufen gekommen. Der Beschuldigte habe ihm gesagt, er solle aufstehen, es sei sein Platz. Er habe geantwortet, dass es noch andere Plätze gebe. Er habe dort schlafen wollen. Er (der Beschuldigte) habe dann angefangen, an der Bank und am Tisch mit seinen Händen zu rütteln. Er (der Privatkläger) habe aufstehen müssen, weil er fast heruntergefallen sei. Er (der Beschuldigte) habe ihn dann, so glaube er, mit der linken Hand am Hals gepackt, worauf er sich gewehrt habe. Es sei zu einem Handgemenge gekommen. Er (der Beschuldigte) habe ihn an seinen Kleidern gepackt. D.___ sei dann dazwischen gegangen. Er habe sie voneinander getrennt. Der Beschuldigte sei aus der Baracke gegangen und verschwunden. Er (der Privatkläger) habe dann seine Brottasche gepackt und sei auch aus der Baracke gegangen. Die Brottasche habe er bei der Röhre hingestellt. Plötzlich sei der Beschuldigte wieder da gewesen. Dazwischen seien ca. ein bis zwei Minuten vergangen. Er (der Privatkläger) habe gesehen, dass er (der Beschuldigte) mit einem Küchenmesser mit schwarzem Griff zurückgekommen sei. Die Klinge sei vielleicht 12 cm lang gewesen. Er (der Beschuldigte) habe die Klinge nach oben gehalten, in seiner rechten Hand. Er (der Privatkläger) habe dann plötzlich den ersten Stich gespürt, links auf der Brusthöhe und dann, wie das Blut hinunter gelaufen sei. Er habe kein T-Shirt mehr getragen, da dieses kaputtgegangen sei. Dann sei auch schon der zweite Stich in dieselbe Gegend gekommen. Der Beschuldigte sei etwa eine Armbreite weit weg von ihm gestanden und habe das Messer in der rechten Hand gehabt. Nach dem ersten Stich habe er auf Albanisch zu ihm gesagt: Willst Du noch mehr, willst Du noch mehr? Er (der Privatkläger) habe sich einfach schützen wollen und von ihm (dem Beschuldigten) weg, also sei er in Richtung Strasse gelaufen. Er (der Beschuldigte) sei aber immer wieder auf ihn zu gekommen und habe auf ihn eingestochen. Vielleicht habe er das Messer auch einmal in die andere Hand genommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht sagen können, wie viele Male er (der Beschuldigte) auf ihn eingestochen habe. Der Kollege (D.___) habe es, so glaube er, vom Materialcontainer aus gesehen. Scheinbar habe er (D.___) aber Angst gehabt, dazwischen zu kommen. Er (der Privatkläger) habe sich mit einem Fusstritt gewehrt, als er auf der Strasse gestanden sei. Er (der Privatkläger) habe ihn (den Beschuldigten) in der Bauchregion getroffen. Zum Glück seien eine Pöstlerin und ein junger Mann, welcher mit dem Hund spazieren gewesen sei, dort gewesen. Auf der Strasse sei er (der Beschuldigte) aber trotzdem noch einmal auf ihn (den Privatkläger) zugekommen und habe ihn mit dem Messer gestochen. D.___ habe ihm (dem Privatkläger) von der Baustelle aus zugerufen «gehst Du weg», was er ja auch die ganze Zeit versucht habe. Der Beschuldigte habe dann plötzlich aufgehört und sei in Richtung seines Autos weggelaufen. Er habe nicht gesehen, dass der Beschuldigte das Messer irgendwo hingeworfen habe. Der Beschuldigte habe während der Tat und auch nachher nichts zu ihm gesagt. Zu der Tat habe es eine Vorgeschichte gegeben. Der Beschuldigte sei schon einmal mit einem Hammer auf ihn losgegangen, als der Polier und D.___ in den Ferien gewesen seien und er (der Privatkläger) die Verantwortung für die Baustelle gehabt habe. Das sei vielleicht vor einem Monat gewesen. Er (der Privatkläger) sei mit seiner Arbeit beschäftigt gewesen als der Beschuldigte zu ihm gekommen sei und ihn gefragt habe, warum er so lange habe. Er (der Privatkläger) habe dann geantwortet, dass er seine Arbeit mache und er (der Beschuldigte) seine Arbeit machen solle. Sie hätten sich dann gegenseitig beleidigt. Er (der Beschuldigte) habe ihm dann mit dem Hammer gedroht und gesagt, er schlage ihm mit der Spitze des Hammers auf den Kopf, wenn er nicht aufhöre. Er (der Privatkläger) habe ihm (dem Beschuldigten) gesagt, er solle auch aufhören, er habe schliesslich angefangen. Dann seien sie nach Hause gegangen. Am nächsten Tag habe er den Vorfall dem Bauführer gemeldet.
4.1.2 Anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme vom 25. September 2020, in Anwesenheit des damaligen Verteidigers des Beschuldigten (AS 106 ff.), bestätigte der Privatkläger im Wesentlichen seine Aussage bei der Erstbefragung. Es sei Mittagszeit gewesen und er sei in die Baracke gegangen. Er sei alleine in der Baracke gewesen. Nach dem Essen habe er sich auf die Bank gelegt, um zu schlafen. Als der Beschuldigte und D.___ zurückgekommen seien, sei dieser zu ihm gekommen und habe gemeint, er solle dort aufstehen, er (der Beschuldigte) wolle hier essen. Er (der Privatkläger) habe ihm (dem Beschuldigten) dann gesagt, es habe genügend Platz, wo er auch absitzen und essen könne. Er (der Beschuldigte) sei dann immer näher zu ihm gekommen und habe an der Bank geschüttelt, auf der er (der Privatkläger) gelegen sei. Er (der Privatkläger) sei dort fast auf den Boden gefallen und habe aufstehen müssen. In dem Moment, als er (der Privatkläger) aufgestanden sei, habe er (der Beschuldigte) ihn am Hals gepackt, also gewürgt. Er (der Privatkläger) habe einfach abgewehrt. Er (der Privatkläger) habe sich wehren wollen, weil er keine Luft mehr bekommen habe, weil er (der Beschuldigte) zugedrückt habe. Dann sei D.___ dazwischen gekommen und habe sie auseinandergenommen. Danach sei der Beschuldigte rausgegangen. D.___ sei zur Materialbaracke gegangen um sich hinzusetzen. Er (der Privatkläger) habe sein T-Shirt ausgezogen, da es total zerrissen gewesen sei. Er (der Privatkläger) habe seine Brottasche genommen und sie auf den Schacht, auf die Betonröhre, gelegt. In dem Moment, als er (der Privatkläger) sich gedreht habe, sei der Beschuldigte mit einem Messer vor ihm gestanden und habe auf ihn zugestochen. Er (der Privatkläger) sei komplett im Schock gewesen, weil er sein Blut gesehen habe, wie es an ihm heruntergelaufen sei. Er (der Beschuldigte) habe dann nochmals auf ihn eingestochen. In diesem Moment habe er gedacht, dass er raus auf die Strasse müsse, dass es jemand sehen könne. D.___ sei in diesem Moment in der Materialbaracke gewesen, er (der Privatkläger) wisse nicht genau, was er (D.___) von dort aus gesehen habe. Und als er auf der Strasse gewesen sei, sei er (der Beschuldigte) nochmals auf ihn zugekommen und habe auf ihn eingestochen. Auf der Strasse sei eine Pöstlerin und ein junger Mann mit einem Hund gewesen, welche ihm geholfen hätten, die Verletzungen mit dem T-Shirt zuzudrücken. Er habe etwas vergessen: Als er auf der Strasse gewesen sei, sei D.___ gekommen und habe ihm gesagt «A.___, geh weg». Das Messer habe Zacken gehabt, es sei kein gerades Messer gewesen, die Klinge habe Zacken gehabt. Er könne nicht sagen, wie lange die Klinge gewesen sei, vom Augenmass her vielleicht 12 cm. Vielleicht sei es ein Küchenmesser gewesen. Es sei kein Messer gewesen, das man auf der Baustelle verwende. Als er (der Beschuldigte) ihm den ersten Messerstich gegeben habe, habe er gesagt «wotsch no meh, wotsch no meh». Einfach auf Albanisch habe er das gesagt. Nach dem ersten Stich habe er einen Schritt zurück gemacht und er (der Beschuldigte) sei wieder auf ihn losgekommen und habe ihn da hinten links getroffen. Als er (der Privatkläger) gemerkt habe, dass er (der Beschuldigte) einfach nicht aufhöre, habe er (der Privatkläger) gemerkt, dass er auf die Strasse müsse. D.___ sei bei der Materialbaracke gesessen. Er wisse nicht, wie viel er (D.___) gesehen habe. Er (der Privatkläger) sei dann auf die Strasse gegangen. Dort auf der Strasse sei er (der Beschuldigte) dann nochmals auf ihn (den Privatkläger) losgekommen. Als er auf die Strasse gegangen sei, sei er (der Beschuldigte) auch gekommen und habe dort auf ihn eingestochen. Er könne nicht genau sagen, ob der dritte Schnitt bei der Brust der hinten gewesen sei. Er wisse es nicht. D.___ sei dann aus der Materialbaracke gekommen und habe von weitem geschrien «A.___, gehst Du weg». Er (der Privatkläger) sei dann in Richtung Firmenauto gelaufen und dort sei der Beschuldigte wieder auf ihn losgekommen und habe ihn dort das vierte Mal abgestochen. Er (der Privatkläger) könne nicht genau sagen, wo er zugestochen habe, er sei unter Schock gestanden. Nach der vierten Verletzung sei er (der Beschuldigte) weggegangen, habe ihn sein lassen und sei in Richtung seines Autos gegangen. Er könne nicht sagen, aus welchem Grund er von ihm abgelassen habe. Die ersten Probleme zwischen ihnen seien aufgetaucht, als der Polier und D.___ in den Ferien gewesen seien. Vielleicht sei er (der Beschuldigte) etwas neidisch gewesen, weil er (der Privatkläger) die Verantwortung vom Polier bekommen habe. Dann habe es angefangen, dass er ihn (den Privatkläger) von sich aus anfing zu beleidigen. Sie seien auf der Brüstung in der Attika am fertig betonieren gewesen. Er (der Privatkläger) sei dort mit seinen eigenen Arbeiten beschäftigt gewesen. Dann habe er (der Beschuldigte) zu ihm (dem Privatkläger) gesagt, «was machst Du so lange da dran». Er (der Privatkläger) habe ihm (dem Beschuldigten) gesagt, dass er (der Beschuldigte) seine Arbeiten mache und er (der Privatkläger) seine und dass er sich bei ihm auch nicht einmischen würde. Beim zweiten Konflikt sei er (der Beschuldigte) mit einem Hammer auf ihn (den Privatkläger) losgegangen.
4.1.3 Schliesslich bestätigte der Privatkläger auch anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung, als Auskunftsperson befragt, seine früheren Aussagen (AS 1306 ff.).
4.2 Zeuge (D.___)
4.2.1 Anlässlich der Erstbefragung am 17. September 2020 (AS 132 f.) gab D.___, damals noch als Auskunftsperson befragt, zusammengefasst zu Protokoll, um ca. 12:25 Uhr sei der Privatkläger in der Baracke auf der Baustelle gewesen. Er sei auf einer Bank in der Baracke am Schlafen gewesen. Er (D.___) und der Beschuldigte seien gerade retour vom [Laden] gekommen und seien in die Baracke gegangen. Dann habe der Beschuldigte gesagt, dass der Privatkläger aufstehen solle, weil dieser auf seinem Platz liege. Der Privatkläger sei dann aber nicht weg von diesem Platz und habe zum Beschuldigten gesagt, er solle woanders sitzen und essen. Die beiden hätten angefangen verbal zu streiten «auf ihre Sprache». Er (D.___) habe nichts verstanden. Er sei dann aus der Baracke gegangen und rüber in die Materialbaracke. Dann habe er gehört, dass die beiden sich gegenseitig geschlagen hätten. Also sei er zurück in die Baracke und dazwischen gegangen. Er habe ihnen gesagt, dass sie aufhören sollen. Dann sei er wieder zurück in die Materialbaracke gegangen um zu Essen. Dann habe er gesehen, dass der Beschuldigte zur Baracke rausgekommen und zu seinem Auto gelaufen sei, welches auf einem Parkfeld an der [Strasse] parkiert gewesen sei. Er habe beobachten können, wie der Privatkläger auch aus der Baracke gekommen sei. Der Privatkläger sei angelehnt beim Zementrohr vor der Baracke gestanden. Danach sei der Beschuldigte von seinem Auto zurück- und in Richtung des Privatklägers gelaufen. Der Beschuldigte habe in der rechten Hand ein Küchenmesser (Schnitzergrösse) gehalten. Der Beschuldigte habe weiterhin mit dem Privatkläger in seiner Sprache gesprochen. Er (D.___) habe dem Beschuldigten gesagt, er solle aufhören. Er (D.___) habe Angst gehabt, weshalb er nicht dazwischen gegangen sei. Der Privatkläger sei immer noch beim Zementrohr gestanden. Danach habe der Beschuldigte ca. zweimal mit diesem Messer den Privatkläger geschnitten und zwar am linken Oberkörper bzw. unter dem linken Arm. Der Privatkläger habe den Beschuldigten mit dem linken Arm abgewehrt. Er habe ihn geschnitten und nicht das Messer reingestochen. Der Privatkläger habe dann versucht zu entkommen und sei auf die Strasse gelaufen. Der Beschuldigte sei ihm hinterher gelaufen. Er (D.___) habe dem Beschuldigten gesagt, er solle jetzt aufhören. Zum Privatkläger habe er gesagt, er solle abhauen. Dann sei der Beschuldigte weggegangen. Er (D.___) habe dann gehört, dass der Beschuldigte mit einem Auto weggefahren sei, gesehen habe er das aber nicht. Er habe sich dann um den Privatkläger gekümmert.
4.2.2 Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 22. September 2020, in Anwesenheit des damaligen Verteidigers des Beschuldigten (AS 137 ff.), bestätigte der nun als Zeuge befragte D.___ im Wesentlichen die Aussage bei der Erstbefragung. Als er und der Beschuldigte vom Einkaufen zurückgekommen seien, habe der Beschuldigte auf seinen Platz gewollt. Vielleicht habe er (der Beschuldigte) auch schon etwas Essen dort gehabt, das wisse er nicht mehr sicher. Er (der Zeuge) schaue immer auf die Uhr am Mittag, weil er die Pausendauer genau wissen wolle. Es sei 12:25 Uhr gewesen, als sie rein (in die Baracke) gekommen seien. Der Beschuldigte habe zum Privatkläger gesagt, dass er dort sitzen möchte, wo der Privatkläger gesessen sei. Sie hätten auf Albanisch miteinander gesprochen. Er (der Zeuge) habe das nicht alles verstanden. Der Privatkläger habe nicht weggehen wollen. Er sei am Schlafen gewesen und habe nicht weggehen wollen. Er (der Zeuge) habe schlichten wollen. Sie (der Beschuldigte und der Privatkläger) hätten weiter in ihrer Sprache gesprochen. Er sei dann nach draussen gegangen in eine andere Baracke (Materialbaracke). Er sei dann in der anderen Baracke gewesen und habe Lärm gehört. Dann sei er wieder zurückgegangen. Sie (der Beschuldigte und der Privatkläger) seien am Streiten gewesen. Er sei zwischen die beiden gegangen und habe versucht, zu schlichten. Er habe ihnen gesagt, dass sie aufhören müssen. Dass es nicht gut sei. Sie hätten dann aufgehört und zusammen noch auf Albanisch gesprochen. Der Beschuldigte sei dann weggegangen. Als der Beschuldigte weggegangen sei, habe er den Privatkläger gefragt, was er mit dem älteren Mann streiten würde, das sei nicht gut. Der Privatkläger sei bei der Röhre gestanden. Er (der Zeuge) sei bei der Materialbaracke an der Tür gestanden. Der Beschuldigte sei dann zurückgekommen. Sein Gesicht sei nicht mehr das gleiche gewesen. Er sei «verruckt» gewesen. Sein Gesicht sei auch schon «verruckt» gewesen, als sie zusammen am Anfang gestritten hätten. Als er (der Zeuge) gesagt habe, dass sie aufhören sollen, hätten beide nicht mit ihm reden wollen. Sie hätten einfach auf Albanisch weiter gesprochen, als ob er nicht da gewesen wäre. Als der Beschuldigte zurückgekommen sei, sei er mit einem Messer gekommen. Der Beschuldigte habe den Privatkläger mit einem Messer gestochen, er (der Zeuge) wisse nicht wie viele Male. Er (der Zeuge) habe zum Beschuldigten gesagt, was machst du für «Schissdräck». Er solle aufhören. Er habe aber nicht auf ihn gehört. Der Beschuldigte sei dann weggegangen.
4.2.3 Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 24. November 2020, in Anwesenheit des Beschuldigten und dessen Verteidigers (AS 157 ff.), bestätigte der als Zeuge befragte D.___ im Wesentlichen die bereits gemachten Aussagen: Es sei gegen Mittag gewesen und er habe einkaufen gehen wollen. Wie immer gehe er manchmal mit dem Privatkläger mit dem Beschuldigten. Als sie zurückgekommen seien, seien sie in die Baracke gegangen. Es sei ca. 12:25 12:30 Uhr gewesen. Er (der Zeuge) habe an seinen Platz gehen wollen, der Beschuldigte sei vorbeigegangen, um an seinen Platz zu gelangen und der andere sei gelegen. Was er (der Zeuge) nicht verstanden habe, weil er albanisch gesprochen habe, sei gewesen, ob er gesagt habe, er müsse vorbei, um sein Essen zu holen, er wolle sich setzen. Sie hätten dann angefangen zu streiten, er habe ihn schlagen wollen. Der Beschuldigte habe vorbeigehen wollen und jedes Mal wenn sie begonnen hätten zu streiten, habe er (der Zeuge) sich dazwischen gestellt. Er (der Zeuge) wisse nicht, was sie gesprochen hätten. Als er (der Zeuge) gesehen habe, dass sie sich streiten, habe er (der Zeuge) gesagt, er (der Zeuge) lasse sie hier, sie sollen aufhören. Er (der Zeuge) sei in eine andere Baracke gegangen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie keine körperliche Auseinandersetzung gehabt. Es sei einfach ein Streit gewesen. Später habe er dann Geräusche gehört und sich gedacht, jetzt seien sie richtig am Streiten. Deshalb sei er hinübergerannt, um sie auseinander zu bringen. Er habe sie voneinander getrennt, dann seien sie wieder aufeinander gestossen, dann habe er (der Zeuge) sie mit Gewalt getrennt und dann hätten sie sich in Ruhe gelassen. Er (der Zeuge) habe dem Privatkläger gesagt, lass ihn doch, das sei nicht gut, er sei der Ältere. Sie hätten lange auf Albanisch miteinander gesprochen. Dann sei der Beschuldigte rausgegangen. Er sei sich nicht sicher ob er (der Zeuge) ob der Beschuldigte rausgegangen sei. Dann sei der Beschuldigte rausgegangen. Da sei er sich nicht 100 % sicher. Er sei dann rausgegangen, er (der Zeuge) habe sich gesetzt. Er (der Zeuge) habe dem Privatkläger gesagt, weshalb er mit ihm streite, das sollten sie nicht tun. Er habe mit dem Privatkläger gesprochen, dann sei der Beschuldigte mit dem Messer gekommen. Er (der Zeuge) habe zum Beschuldigten gesagt, das könne er nicht tun. Er sei ganz schwarz geworden. Er (der Zeuge) habe sie nicht trennen können und dann habe der Beschuldigte den Privatkläger geschlagen. Sie seien aufeinander gestossen und dann habe er ihn mit dem Messer geschlagen. Sie hätten sich gegenseitig geschlagen und wie man gesehen habe, habe er ihn mit dem Messer geschlagen und dabei sei das Resultat herausgekommen. Er (der Zeuge) sei gestresst gewesen, als er das gesehen habe. Der Beschuldigte und er (der Zeuge) würden sich gegenseitig respektieren. Aber da habe der Beschuldigte ihn nicht einmal gehört. Er sei teufelswild gewesen, furchtbar wutentbrannt. Sein Gesicht habe sich verändert. Er (der Zeuge) habe das nicht verstanden, ihn so zu sehen. Er habe zum Privatkläger gesagt … Als er (der Zeuge) sie habe kämpfen sehen, habe er gesagt, sie sollen aufhören. Am Anfang habe er (der Zeuge) nicht gedacht, dass der Privatkläger so schlimm verletzt sei, dann habe er aber das Blut gesehen und er habe ihm gesagt, dass er verletzt sei. Dann hätten sie die Polizei und Feuerwehr gerufen. Er wisse nicht, ob der Beschuldigte die Baustelle verlassen habe. Er sei draussen gewesen, als sie die körperliche Auseinandersetzung gehabt hätten. Er wisse nicht, ob er nach hinten weggegangen sei. Er sei vor der Baracke gewesen. Da wo sie sich gestritten hätten, er wisse nicht, ob er da weggegangen sei und wieder gekommen sei, ob er etwas holen gegangen sei und wieder zurückgekommen sei. Er sei vor der Baracke gesessen und habe mit dem Privatkläger gesprochen. Der Beschuldigte sei von hinter der Baracke hervorgekommen, also von der linkten Seite. Er sei direkt auf den Privatkläger zugegangen, da habe er ihn mit dem Messer gesehen.
4.2.4 Vor Obergericht bestätigte der Zeuge, dass seine früheren Aussagen der Wahrheit entsprochen hätten. Die Einvernahme sei sogar mit Kamera gefilmt und auf Französisch (seine Muttersprache) übersetzt worden. Vom Privatkläger dessen Familie habe er seit dem 17. September 2020 nie mehr etwas gehört. Er habe dem Privatkläger noch geschrieben und gefragt, wie es ihm gehe, doch dieser habe nie geantwortet. Den Beschuldigten habe er vor ca. drei Monaten getroffen. Er habe den Beschuldigten kontaktiert. Sie hätten sich auf der Baustelle des Beschuldigten beim Bahnhof [Ort 2] getroffen. Sie hätten nicht über den Vorfall damals gesprochen, sondern über das Auto und die Arbeit. Er arbeite aktuell temporär und habe den Beschuldigten nach einer Stelle gefragt. Er wisse nicht, weshalb der Beschuldigte etwas Anderes behaupte. Er habe der Polizei genau das erzählt, was er gesehen habe. Nach dem Streit in der Baracke, bei dem er – der Zeuge – den Beschuldigten und den Privatkläger auseinandergenommen habe, hätten die beiden weiter gestritten. Der Beschuldigte sei weggegangen und mit dem Messer zurückgekommen. Er sei schnell verschwunden und schnell wiedergekommen. Er sei 20 bis 40 Sekunden, vielleicht eine Minute weg gewesen, aber genau könne er es nicht sagen. In der Zeit habe er – der Zeuge – zum Privatkläger gesagt, sie sollten doch nicht streiten. Der Beschuldigte habe den Privatkläger mit dem Messer geschlagen. Der Privatkläger sei Richtung Strasse geflüchtet, er – der Zeuge – habe ihm noch gesagt, geh lieber weg, und der Beschuldigte sei ihm nach. Dann sei der Beschuldigte verschwunden. Er habe gemerkt, dass der Privatkläger verletzt sei und Hilfe gerufen. Er wisse nicht, ob da ein Japanmesser herumgelegen sei. Er habe nicht gesagt, es sei ein Japanmesser gewesen, er habe einfach ein Messer gesehen. Er sei nie bedroht worden. Auch nicht von Familienmitgliedern der beiden. Für ihn seien beide Kollegen, er habe nie Probleme mit ihnen gehabt. Er habe keine Angst vor irgendwem. Der Beschuldigte und der Privatkläger hätten seit etwa einem Monat vor dem Vorfall ständig Streitereien gehabt. An diesem Mittag seien beide gleichzeitig aufeinander losgegangen. Der Privatkläger habe dem Beschuldigten keinen Platz gemacht, dann hätten sie angefangen zu streiten.
4.3 Beschuldigter
4.3.1 Anlässlich der Befragung nach vorläufiger Festnahme (AS 256 ff.) gab der Beschuldigte am 17. September 2020 zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll: Um 12:00 Uhr sei er mit einem Kollegen in den [Laden] gegangen, um das Mittagessen zu kaufen. Der Tisch, an dem sie sitzen würden, habe an der Seite eine Bank. Dort sei er immer gesessen. An seinem Platz lag er (der Privatkläger) schon fast dort. Er habe ihn gefragt, ob er (der Beschuldigte) dort sitzen könne, um zu Essen. Es habe noch andere Plätze frei gehabt, um zu liegen. Der Privatkläger hätte aber auch nach draussen gehen können. Seine Mittagszeit sei bereits vorüber gewesen. Der Privatkläger habe ihm geantwortet «nein, Du wirst hier nicht sitzen. Sitz, wo immer Du willst.». Er sei fortgefahren «Falls Du nicht woanders sitzen willst, packe ich Dich am Hals». In diesem Moment sei der Privatkläger aufgestanden, habe ihn gepackt und habe ihn über den Tisch des Poliers geworfen. Da sei ein Kollege von ihnen aufgestanden und dazwischen gegangen. Dieser Kollege habe zum Privatkläger gesagt, dass er ihn in Ruhe lassen solle, da er (der Beschuldigte) nur essen wolle. Er habe nicht aufgehört und ihn am Hals gepackt, worauf er (der Beschuldigte) fast keine Luft mehr gekriegt habe. Der Privatkläger habe ihn zu Boden geworfen. In diesem Moment habe er ein Messer auf der Palette erblickt. Er wisse nicht, wem es gehört habe. In diesem Moment habe er sein komplettes Bewusstsein verloren. Er habe den Privatkläger in Notwehr mit einem spitzen Gegenstand geschlagen. Dann habe er ihn voller Blut gesehen und er wisse nicht, was dann passiert sei. Er sei dann abgehauen. Das Messer sei wie ein Japanmesser gewesen. Nachdem er draussen gewesen sei, habe er das Japanmesser gesehen. Er habe gedacht, der andere wolle ihn ersticken. Er (der Privatkläger) habe ihn gegen ein Rohr gedrückt. Als er (der Beschuldigte) ihn so gesehen habe, habe er nicht gewusst, was passieren werde. Er (der Beschuldigte) wisse noch, dass er ihn einmal getroffen habe. An mehr könne er sich nicht erinnern. Irgendwann habe er das Messer weggeworfen und sei weggegangen. Als der Privatkläger ihm die Luft angehalten habe, habe er irgendwie entkommen und sich retten wollen. Er (der Beschuldigte) habe die Kontrolle verloren und das nicht aus Freude getan. Er könne sich nicht mehr bildlich vorstellen, wie er das Messer eingesetzt habe. Er (der Beschuldigte) habe gedacht, es gebe kein Entkommen, er habe das Messer zufällig gesehen und auch genommen. Er wisse nicht, wem das Messer gehöre. Es sei in der ersten Palette gewesen. Es sei dort drin gewesen. Diese Palette sei eher noch ausserhalb des Containers gewesen. Das Messer sei bereits geöffnet gewesen. Er könne nicht sagen, ob es einem Arbeiter gehört habe. Er wisse, dass er ihn (den Privatkläger) einmal im Brustbereich getroffen habe. An weiteres könne er sich nicht erinnern. Er selbst sei auch verletzt worden. Da, wo er (der Privatkläger) ihn gepackt habe (Hals). Er könne nicht mehr schlucken. Und auch dort, wo der Privatkläger ihn geschlagen habe (Bereich Brustkorb). Dort habe er ihn (den Beschuldigten) mit dem Ellbogen geschlagen. Am Hals habe er ihn (den Beschuldigten) gepackt. Er habe das Messer geworfen, aber er wisse nicht, in welche Richtung. Er habe die Kontrolle verloren. Er wisse nicht, wohin er das Messer geworfen habe. Er könne nicht beschreiben, wie das Messer ausgesehen habe. Was das für ein Messer gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er habe nicht geschaut, welche Farbe es gehabt habe. Vielleicht sei es grau gewesen. Er (der Beschuldigte) habe ihn einfach loswerden wollen. Er habe sich bloss retten wollen. Es sei alles ohne Bewusstsein geschehen.
4.3.2 Anlässlich der Einvernahme vom 18. September 2020 (AS 270 ff.) und konkret nach der Tatwaffe gefragt, gab der Beschuldigte Folgendes zu Protokoll: Es sei so ein graues Messer gewesen. Ein Brotmesser. Es sei ein kleines Messer gewesen. Es sei kein Japanmesser gewesen und auch kein scharfes Messer. Es sei ein kleines Messer gewesen, nicht einmal 15 cm. Insgesamt vielleicht 10 bis 15 cm. Mit dem Messer schneide man auch die Isolation. Er (der Beschuldigte) habe es einfach am Boden gefunden. Dort wo sie angefangen hätten… dort bei der Baracke, wo sich die Arbeiter befänden. Dort habe es zwei Paletten. Das Messer sei einfach dort gewesen. Er habe das Messer weggeworfen. Er habe es in Richtung des Krans geworfen. Dort bei der Baracke sei so ein grüner Zaun. In diese Richtung, aber wo es hingefallen sei, könne er nicht sagen. Er wisse nicht, wie lange er das Messer in der Hand gehalten habe. Es könne sein, dass das Messer jemandem gehört habe und dieser das genommen habe.
4.3.3 Auf die Frage, ob er den Privatkläger mit einem Messer angegriffen und verletzt habe, gab der Beschuldigte anlässlich der Haftverhandlung vom 21. September 2020 (AS 396 ff.) Folgendes zu Protokoll: «Ich habe mich geschützt, er hat mich am Hals gepackt und er zog mich aus der Baracke und sagte zu mir, dass er mich umbringen werde. Er hat mich zu Boden gestreckt, da habe ich ein Taschenmesser auf der Palette vor der Türe gesehen, als ich nicht mehr richtig atmen konnte, habe ich mich gewehrt, ich wollte ihn nicht umbringen, nur von mir loshaben. Ich habe nur einmal geschlagen und dann weiss ich nicht mehr, was geschehen ist. Als ich mich von dort entfernt habe, habe ich das Taschenmesser weggeworfen».
4.3.4 Der Beschuldigte führte anlässlich der Einvernahme vom 30. September 2020 (AS 278 ff.) aus, er wolle etwas zur Einvernahme von Herrn D.___ sagen. Er (der Beschuldigte) habe diese Einvernahme gelesen und gesehen, was er deklariert habe. Und er (der Beschuldigte) könne es nochmals wiederholen. Die Übersetzerin habe nicht genau die Worte übersetzt, welche er (der Beschuldigte) gesagt habe und was der Staatsanwalt gesagt habe, sei ihm auch nicht wortwörtlich übersetzt worden. Er (der Beschuldigte) möchte nochmals deklarieren, wie der Fall passiert sei. D.___ und er (der Beschuldigte) seien am Mittag zusammen mit seinem Auto gegangen. D.___ habe ihm (dem Beschuldigten) gesagt, er habe Uneinigkeiten, Streit mit dem Privatkläger gehabt. Wegen einer Betonbohrmaschine hätten sie Streit gehabt. Und er habe ihm (dem Beschuldigten) gesagt, er wisse nicht, wie es mit dieser Person weitergehen solle. Sie hätten jeden Tag Probleme mit ihm gehabt, habe er gesagt. Er (der Beschuldigte) habe gesagt, dass sie schauen müssen, dass sie die Sache in Frieden überwinden müssen. Sie seien dann nach dem [Laden] zurück zum Parkplatz gekommen. Dort seien sie am Reden gewesen, bis sie in der Materialbaracke gewesen seien. […] Sie seien hineingegangen. Der Privatkläger sei dort am Liegen gewesen. Er habe sie gesehen, aber nicht mit ihnen gesprochen. Er habe sein linkes Bein halb auf dem Tisch gehabt. Er (der Beschuldigte) habe gesagt, ob er sein Bein wegnehmen könne, da er (der Beschuldigte) zu seinem Platz habe gehen wollen. Einfach um zu Essen. Der Privatkläger sei einfach wütend gewesen und habe ihm (dem Beschuldigten) wütend und nervös gesagt: «Du sitzt nicht mehr da. Geh heim, geh raus, aber hier sitzt du nicht mehr». Er (der Beschuldigte) habe ihm nochmals gesagt und ihn gebeten «wieso bist du so wütend, das wäre keine Lösung, das was du sagst». Zu diesem Zeitpunkt habe der Privatkläger auch zu ihm gesagt, dass er (der Beschuldigte) den Kran kaputt gemacht habe. Aber er (der Beschuldigte) habe ihm gesagt, dass er (der Beschuldigte) zum Polier gesagt habe, dass er (der Beschuldigte) einen Nagel und eine lange «Traut» gefunden habe und dass er dem Polier gesagt habe, dass jemand etwas gegen den Kran werfe und ihn so kaputt mache. In dem Moment wisse er (der Beschuldigte) nicht mehr. Der Privatkläger sei einfach aufgestanden und habe ihn (den Beschuldigten) gepackt und ihn gegen den Polier geworfen. Da die Tische nahe beieinander seien, habe er ihn halb auf den Tisch geworfen. D.___ habe den Privatkläger dann gepackt und habe ihn aufhalten wollen. Nachher habe der Privatkläger den D.___ auf die Seite gestossen mit der Hand und der Privatkläger habe ihm gesagt, gehe weg von hier. Nachher habe er wieder angefangen und ihn (den Beschuldigten) am Hals gepackt und habe ihn herausgezogen. Dann habe er ihm (dem Beschuldigten) gesagt: «Ich bringe dich um». Er habe ihn (den Beschuldigten) am Hals immer fester zugedrückt. Er (der Beschuldigte) habe ihm seine Hand nicht wegnehmen können. Und bei der Palette sei er (der Beschuldigte) dann umgefallen, also der Privatkläger habe ihn (den Beschuldigten) umgeworfen. Er (der Beschuldigte) habe fast nicht mehr atmen können und sei fast erstickt. Und bei diesen Paletten, also bei der ersten Palette sei ein Messer gewesen. Er (der Beschuldigte) habe dieses in dem Moment genommen und habe den Privatkläger mit diesem Messer geschlagen. Und nachher habe er keine Kontrolle mehr über sich gehabt und er habe nicht mehr denken können, er habe sich einfach nicht mehr kontrollieren können. Er (der Beschuldigte) wisse nicht, ob er den Privatkläger nochmals geschlagen habe nicht. Als er (der Beschuldigte) dann aufgestanden sei, habe er das Messer gegen den Gartenzaun geworfen. Aus Angst, was passiert sei, sei er (der Beschuldigte) Richtung Auto gelaufen und er habe D.___ auch nicht mehr gesehen. Er sei dann nach Hause gegangen.
4.3.5 Anlässlich der Einvernahmen vom 9. Dezember 2020 (AS 295), vom 1. April 2021 durch die Staatsanwaltschaft (AS 311.1) und vom 24. Februar 2022 (erstinstanzliche Hauptverhandlung), bestätigte der Beschuldigte die gemachten Aussagen.
4.3.6 An der Berufungsverhandlung schilderte der Beschuldigte den Vorfall vom 17. September 2020 wie folgt: Er und der Privatkläger hätten manchmal Streit gehabt. Der Privatkläger komme manchmal besoffen auf die Baustelle. Als er mit dem Zeugen an diesem Mittag in die Baracke gekommen sei, sei der Privatkläger auf der Bank gelegen, ein Fuss auf dem Tisch. Er (der Beschuldigte) habe den Privatkläger gefragt, ob er den Fuss wegnehmen und ihm Platz machen könne. Der Privatkläger sei sehr wütend gewesen und habe gesagt «du sitzt nicht hier» und «du arbeitest auch nicht mehr hier auf der Baustelle». Dann habe der Privatkläger ihn in die Seite geschlagen. Der Zeuge sei zwischen sie gekommen und habe ihn gestoppt. Er habe gefragt «warum machst du das». Dann habe der Privatkläger den Zeugen an der Schulter gepackt und gesagt «du raus». Der Zeuge sei hinausgegangen und der Privatkläger habe ihn (den Beschuldigten) am T-Shirt am Hals gepackt und dieses festgezogen. Er habe fast keine Luft bekommen. Vor der Baracke seien sie hingefallen, er unten. Er habe versucht, die Hand des Privatklägers wegzunehmen, habe aber keine Kraft gehabt. Er sei da gelegen und habe ein Japanmesser gesehen. Die Klinge sei vielleicht 2 cm herausgestanden. Er habe den Privatkläger einmal in die linke Seite geschlagen. Dieser habe versucht aufzustehen und weiter an ihm gezogen. Dann habe er (der Beschuldigte) das Messer von der rechten in die linke Hand genommen, er habe wieder versucht, die Hand des Privatklägers wegzunehmen, aber er habe keine Kraft mehr gehabt. Und der Privatkläger habe gezogen und gezogen. Dann habe er (der Beschuldigte) noch zwei drei Mal gestochen. Beim Herz habe der Privatkläger aber keine Verletzung gehabt. Dann habe der Privatkläger ihn frei gelassen. Er habe das Messer bei einem Rohr, etwa einen Meter von der Baracke entfernt, weggeworfen und sei zu seinem Auto gegangen. Er habe Angst gehabt, dass die Familie des Privatklägers nun komme. Er habe den Tatort erst verlassen, nachdem er den Privatkläger gestochen gehabt habe. Der Zeuge habe Angst vor dem Privatkläger gehabt. Sie (der Zeuge und der Privatkläger) seien zusammen in der Baracke gewesen und hätten geredet. Das habe ihm der Zeuge vor zwei Monaten gesagt. Dieser habe gesagt «Entschuldigung, ich habe ein paar Mal falsch gesagt, ich hatte Angst vor der Familie des Privatklägers». Auf die Frage, ob sich der Privatkläger und der Zeuge abgesprochen hätten, antwortete er mit ja. Der Zeuge habe Angst vor dem Privatkläger. Nach dem Unfall mit ihm (dem Beschuldigten) und dem Privatkläger habe dieser zum Zeugen gesagt, er solle mit ihm in die Baracke kommen und wenn er nicht so sage, wie er (der Privatkläger) es ihm sage, bekomme er (der Zeuge) Probleme mit ihm und seiner Familie. Das sei direkt vor Ort gewesen, nachdem er (der Beschuldigte) sich entfernt gehabt habe. Der Privatkläger sei nicht in einem so schlechten Zustand gewesen, er habe mit dem Zeugen reden und ihm drohen können. Auf die Frage nach dem Messer (er habe heute gesagt, es sei ein Japanmesser gewesen, er habe aber auch schon gesagt ein Brotmesser) gab der Beschuldigte an, er habe in der ersten Einvernahme gesagt, es sei ein Japanmesser gewesen. Die Übersetzerin habe gesagt, die Staatsanwaltschaft wolle von einem Küchenmesser reden, nicht einem Japanmesser. Die Übersetzerin habe immer Küchenmesser gesagt. Er habe ihr dann gesagt Japanmesser. Er habe immer Japanmesser gesagt.
5. Beweiswürdigung und rechtserheblicher Sachverhalt
5.1 Vorweg ist festzuhalten, dass der angeklagte Sachverhalt gestützt auf die Akten als erstellt erachtet werden kann. Die Aussagen des Privatklägers und diejenige des Zeugen D.___ stimmen in den wesentlichen Zügen überein. So geben beide an, dass, nachdem der Beschuldigte die Baracke verlassen hat, er in der Folge mit einem Messer zurückgekehrt sei und sich zum Privatkläger begeben hat, um mit dem mitgeführten Messer mehrmals auf diesen einzustechen. Die Verletzungen des Privatklägers sind durch die Arztberichte und das rechtsmedizinische Gutachten dokumentiert, diese erhärten die Sachverhaltsdarstellung des Privatklägers.
5.2 Die Aussagen des Privatklägers weisen mehrere Realkennzeichen auf, welche dafür sprechen, dass die Schilderungen erlebnisbasiert sind. Er schilderte den Ablauf der Auseinandersetzung während mehreren Einvernahmen weitgehend übereinstimmend, detailgetreu und mit zahlreichen raum-zeitlichen Verknüpfungen, welche nachvollziehbar und plastisch erscheinen. Seine Kernaussagen hat er anlässlich parteiöffentlicher Einvernahmen bestätigt. Seine Tatablaufsschilderung nach Verlassen der Baracke deckt sich mit den Schilderungen des Zeugen. Es gibt hier keine Hinweise Anzeichen dafür, dass der Privatkläger das eigentliche Kerngeschehen anders als tatsächlich erlebt, geschildert hat. Der Privatkläger legte keinerlei Belastungseifer an den Tag. Gefragt nach der Länge der Messers gab er an, das könne er nicht sagen. Vom Augenmass her vielleicht 12 cm (AS 115). Der Beschuldigte habe von sich aus von ihm abgelassen. Er belastet sich auch selbst (Fusstritt, er habe den Beschuldigten auch gepackt [AS 113]). Er hält immer zwei Phasen des Geschehens fest: 1. Rückkehr vom Einkauf und erste Auseinandersetzung/Verlassen der Baracke, 2. Rückkehr zur Baracke und Angriff des Beschuldigten. Dies deckt sich mit den Aussagen des Zeugen D.___. Der Privatkläger schilderte aber auch seine eigenen Gefühle, bspw. er habe Angst gehabt (AS 116, 163). Er schilderte auch Aussergewöhnliches: Nach dem ersten Stich habe der Beschuldigte gesagt: wotsch no meh, wotsch no meh, einfach auf Albanisch (AS 117). Insgesamt sind die Aussagen des Privatklägers als sehr glaubhaft zu beurteilen.
5.3 Die Aussagen des Zeugen D.___ erscheinen ebenfalls glaubhaft. Auch bei diesem ist keinerlei übermässiger Belastungseifer ersichtlich und er schilderte jeweils nur das, was er gesehen hat. So schilderte er etwa, der Beschuldigte habe ca. zweimal mit diesem Messer den Privatkläger geschnitten und zwar am linken Oberkörper bzw. unter dem linken Arm. Der Privatkläger habe den Beschuldigten mit dem linken Arm abgewehrt. Er habe ihn geschnitten und nicht das Messer reingestochen. In einer weiteren Einvernahme relativiert der Zeuge dann aber und sagt, er gehe davon aus, dass das Messer mit voller Kraft eingesetzt worden sei. Was er nicht mitbekommen hatte, legte der Zeuge offen, und er hielt sich mit Mutmassungen zurück. Der Zeuge hat den Ablauf der Tat und des vorangegangenen Streites detailliert geschildert. Auf Nachfragen hat er klar geantwortet und die Ereignisse vor und während des Tatzeitraums glaubhaft geschildert. Es gibt hier keine Hinweise Anzeichen dafür, dass der Zeuge das eigentliche Kerngeschehen anders als tatsächlich erlebt, geschildert hat. Immer wieder hat auch er klar die zwei Phasen des Geschehens in der Baracke (Rückkehr zur Baracke und Angriff des Beschuldigten) geschildert und auch immer auseinandergehalten, was er tatsächlich gesehen, was er nur gehört und was er mit eigenen Augen gar nicht gesehen hat. Der Zeuge schilderte aber auch seine eigenen Gefühle, bspw. er habe Angst gehabt, weshalb er nicht dazwischen gegangen sei, er sei gestresst gewesen (AS 163), es sei für ihn wie eine Ewigkeit gewesen, weil es für ihn nicht schön gewesen sei, das zu sehen (AS 164). Seine Tatablaufsschilderung nach Verlassen der Baracke deckt sich mit den Schilderungen des Privatklägers. Er beschreibt aber auch Ausgefallenes: der Beschuldigte sei fuchsteufelswild gewesen, furchtbar wutentbrannt, er habe sich verändert, er sei ganz schwarz geworden. Betreffend den Zeugen D.___ bleibt anzumerken, dass dem Zeugen jegliche Motivation für eine strafbare Falschbezichtigung fehlt. Dieser betonte mehrfach, dass er zum Beschuldigten und zum Privatkläger ein gleiches Verhältnis pflege. Aus seinen Aussagen geht dann auch klar hervor, dass er sich weder zu Gunsten des einen noch zu Lasten des andern positionieren wollte (Er sei gestresst gewesen, weil beide seine Freunde seien [AS 163], sie seien immer Freunde gewesen [AS 167], es sei ein Unfall gewesen, beides seien gute Personen [AS 169]).
Der Zeuge bestätigte seine Aussagen auch nochmals vor Obergericht. Wieder schilderte er den Vorfall im Wesentlichen deckungsgleich mit seinen früheren Aussagen, wobei er auch zugab, einige Dinge nicht nicht mehr genau zu wissen. So sagte er aus, er habe einfach ein Messer gesehen. Und der Beschuldigte sei weggegangen und mit dem Messer zurückgekommen, ob er dabei aber zum Auto gegangen sei, sei er nicht sicher. Er verneinte sodann, jemals eine Falschaussage gemacht zu haben. Er habe sich zwar vor wenigen Monaten mit dem Beschuldigten getroffen, dabei hätten sie aber gar nicht über den Vorfall gesprochen. Er habe keine Angst vor dem Privatkläger und sei auch nie bedroht worden. Es sind keine Hinweise ersichtlich, weshalb der Zeuge zwar gegenüber dem Beschuldigten eine Falschaussage eingestehen, diese dann aber vor Gericht erneuern sollte. Auch war seine Reaktion auf den Vorwurf, früher nicht die Wahrheit gesagt zu haben, authentisch.
5.4 Während sich die Kernaussagen von Privatkläger und Zeuge D.___ decken, stehen die Aussagen des Beschuldigten im Widerspruch zu diesen. In der Sache wich der Beschuldigte immer wieder aus. Die Sachverhaltsdarstellung des Beschuldigten, wonach er sich mit einem zufälligerweise greifbaren Messer im Rahmen eines gegen ihn im Gange befindlichen Angriffs des Privatklägers zur Wehr gesetzt habe, dass er nicht gezielt und nur einmal zugestochen habe, findet in den objektiven Beweismitteln keine Stütze. Seine Aussagen betreffend das eigentliche Tatgeschehen stehen nicht nur im Widerspruch zu den anderen Aussagen, sondern auch zu den ausführlichen medizinischen Dokumenten. Anhaltspunkte für einen Strangulationsvorgang wurden beim Beschuldigten (im Gegenteil zum Privatkläger) bei den zeitnahen medizinischen Untersuchungen keine gefunden (siehe dazu auch nachfolgend zur geltend gemachten Notwehrsituation). Daran ändert nichts, dass der Beschuldigte vor dem Berufungsgericht plötzlich angab, der Privatkläger habe sein T-Shirt am Hals so fest zugedrückt, dass er keine Luft mehr bekommen habe. Auch das hätte entsprechende Spuren hinterlassen. Betreffend die Tatwaffe – welche nicht mehr aufgefunden werden konnte – macht der Beschuldigte unterschiedliche Angaben. So spricht er einmal von einem Japanmesser, dann wieder von einem Brot- Taschenmesser. Vor Obergericht behauptete er sodann auf den Widerspruch angesprochen, er habe immer von einem Japanmesser gesprochen, die Übersetzerin habe es falsch übersetzt. Das ist eindeutig als Schutzbehauptung zu werten. Auch die Argumentation des Beschuldigten betreffend Entledigung der Tatwaffe ist nicht schlüssig. Wo genau er sich dieser entledigt hat, kann er nicht mehr sagen, bzw. gibt unterschiedliche Antworten auf die Frage danach. Bei einem Wegwerfen nahe des Rohrs, nur ca. 1 m von der Baracke entfernt – wie der Beschuldigte vor Obergericht behauptete – wäre das Messer zweifellos bei der umfangreichen Suche gefunden worden. Dass jemand – wie vom Beschuldigten vorgebracht – die Tatwaffe mitgenommen hat, dürfte aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeschlossen sein. Vor Berufungsgericht hat der Beschuldigte erstmals alle Stiche auf den Privatkläger zugegeben (er habe zuerst einmal und dann nochmals zwei bis drei Mal zugestochen), während er zuvor immer behauptet hatte, sich nur an einen Stich erinnern zu können. Während der Zeuge und der Privatkläger konstante Aussagen machten, bewegte er sich stetig und passte seine Aussagen den Gegebenheiten an. Die vom Beschuldigten ins Feld geführte These, wonach die übereinstimmenden Aussagen von Privatkläger und Zeuge auf einer Absprache beruhen könnten, verfängt aus mehreren Gründen nicht: Die von ihnen gemachten Schilderungen des Vorfalls sind nicht in allen Belangen deckungsgleich, sondern unterscheiden sich hinsichtlich gewisser Nebenpunkte, was für deren Glaubhaftigkeit und gegen eine Absprache spricht, denn bei einer solchen zielen die Involvierten darauf ab, eine überschaubare und vor allem in allen Teilen identische Geschichte zu präsentieren, so dass die Bekanntgabe von unterschiedlichen Details gerade nicht zu erwarten ist. Der Privatkläger gab zudem mehrmals zu Protokoll, er wisse nicht, was der Zeuge alles gesehen habe. Eine Absprache kann sodann auch aufgrund der zeitlichen (unmittelbare Einvernahme durch die Polizei) und faktischen Umstände (schwer verletzter Privatkläger, welcher nach Erstversorgung vor Ort ins Spital überführt werden musste) ausgeschlossen werden. Entsprechend gaben die beiden Ersthelfer vor Ort, welche beide als Zeuge befragt worden sind (AS 207 ff. und AS 216 ff.), übereinstimmend zu Protokoll, dass der (verletzte) Privatkläger kaum mehr gesprochen habe. Schliesslich kann auch die Aussage des Beschuldigten, welcher ausführt, nach dem Streit seien der Privatkläger und der Zeuge wieder zurück in die Bracke gegangen und hätten 20 Minuten miteinander geredet und erst dann die Polizei die Ambulanz gerufen (AS 311.12, 1322), durch die Meldung an die Alarmzentrale widerlegt werden: Diese ist bereits um 12:29 Uhr eingegangen (AS 11). Im Berufungsverfahren brachte der Beschuldigte vor, der Zeuge habe ihn kontaktiert und eine Falschaussage eingestanden. Die erneute Befragung des Zeugen konnte aber keinerlei Stütze für diese Behauptung liefern, im Gegenteil. Der Zeuge gab glaubhaft wieder, immer die Wahrheit gesagt zu haben und auch nie bedroht worden zu sein. Die diesbezüglichen Vorbringen des Beschuldigten sind eindeutige Versuche, seine Taten herunterzuspielen. Die Aussage (AS 311.13), wonach sich der Privatkläger die (weiteren) Verletzungen selbst zugeführt haben könnte, ist schlicht unrealistisch. Darauf ist nicht weiter einzugehen.
5.5 Betreffend das Messer kann festgestellt werden, dass es sich mit Sicherheit nicht um ein Japanmesser handelte, auch wenn der Beschuldigte dies behauptet. Seine diesbezüglichen Äusserungen (die Übersetzerin habe Küchenmesser sagen wollen, er habe immer Japanmesser gesagt) sind absolut unglaubhaft. Es ist erstellt, dass der Beschuldigte den Tatort kurz verliess und das Messer behändigte. Der Privatkläger hatte das Messer beschrieben und auch der Zeuge beschrieb es wiederholt (es sei kein Japanmesser gewesen) und zeichnete es sogar auf (AS 152). Im Übrigen spricht auch das IRM-Gutachten gegen die Aussage des Beschuldigten (Japanmesser mit ca. 2 cm ausgefahrener Klinge). Es hält fest, dass die Stichkanäle 4,5 cm lang waren (AS 617). Zwar könnten aus den Verletzungen nicht exakte Rückschlüsse auf das Tatwerkzeug gezogen werden, die vom Privatkläger beschriebene 10 cm lange Klinge sei möglich. Aufgrund der Stichkanäle ist aber von mehr als 4,5 cm auszugehen. Letztlich ist die genaue Länge der Klinge im vorliegenden Fall auch nicht entscheidend, sondern die zugefügten Verletzungen.
Durch die übereinstimmenden und überzeugenden Schilderungen des Zeugen und des Privatkläger ist auch erstellt, dass es zuerst zu einem Streit zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger kam, der wechselseitig zuerst verbal und dann tätlich ausgetragen wurde. Nach dieser ersten Phase entfernte sich der Beschuldigte und kehrte mit dem Messer zurück. Dieser Augenblick, in dem der Beschuldigte sich entfernte und zurückkehrte, beschrieb der Zeuge bei der polizeilichen Einvernahme mit zwei bis drei Minuten. Auch wenn er vor Obergericht angab, es könnten auch 20 bis 40 Sekunden vielleicht eine Minute gewesen sein, so ist auf die tatzeitnahen Aussagen abzustützen. Der Augenblick dauerte damit nicht nur Sekunden, sondern Minuten, wobei auch hier die exakte Anzahl Minuten nicht von entscheidender Bedeutung ist, es handelte sich jedenfalls nicht um eine lange Zeit.
5.6 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der angeklagte Sachverhalt durch die Aussagen des Privatklägers sowie des Zeugen D.___, aber auch durch die medizinischen Berichte, insbesondere durch das Gutachten, erstellt ist.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Was den Vorhalt der vorsätzlich versuchten Tötung anbelangt, ist Folgendes zu erwägen:
Da der Privatkläger den Vorfall überlebt hat, ist der objektive Tatbestand der vorsätzlichen Tötung nicht erfüllt. Zu prüfen ist der subjektive Tatbestand, wobei die Vorinstanz von Eventualvorsatz ausging. Ob diese rechtliche Qualifikation zutrifft, ist nachfolgend eingehend zu prüfen. 2.1 Ein eventualvorsätzliches Verhalten ist gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des tatbestandsmässigen Erfolges als Folge seines Verhaltens für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt bzw. sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 125 IV 242 E. 3c). Der eventualvorsätzlich handelnde Täter weiss um die Möglichkeit bzw. das Risiko der Tatbestandsverwirklichung und handelt trotzdem (Urteil des Bundesgerichts 6S.378/2002 vom 11.2.2003).
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen; bei einem fehlenden Geständnis des Täters muss aus äusseren Umständen auf diese inneren Tatsachen geschlossen werden. In der Praxis stützt sich das Gericht beim Nachweis des Eventualvorsatzes somit auf äusserlich feststellbare Indizien, die es erlauben, Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zu ziehen. Zu den relevanten Umständen für die Entscheidung der Frage, ob ein Täter eventualvorsätzlich handelte, gehören die Grösse des ihm bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser das Risiko des Erfolgseintritts ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die tatsächliche Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen und damit eventualvorsätzlich gehandelt. Zu den relevanten Umständen können aber auch die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung gehören (BGE 130 IV 58 E. 8.4).
2.2 Es gibt eine reiche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Einsatz von Messern, wobei das Bundesgericht immer wieder betont, dass der Stich eines Messers in den Oberkörper in aller Regel einen Tötungsversuch darstelle: Wer in einer dynamischen Auseinandersetzung unkontrolliert mit einem Messer in den Bauch/Unterleib eines Menschen steche, müsse in aller Regel mit schweren Verletzungen rechnen. Das Risiko einer tödlichen Verletzung sei generell als hoch einzustufen (Urteil 6B_808/2013 vom 19.5.2014, siehe auch Urteil 6B_475/2012 vom 27.11.2012). Dies gelte selbst für Verletzungen mit einer eher kurzen Messerklinge (Urteil 6B_475/2012 vom 27.11.2012 E. 4.2 mit Hinweis; 6B_239/2009 vom 13.7.2009: Victorinox-Taschenmesser mit 4,1 cm Klingenlänge, Tötungsvorsatz hingegen verneint bei einer Klingenlänge von 34 mm und nicht frontalem sowie nicht kräftigem Stichangriff: Urteil 6B_775/2011 vom 4.6.2012). Im Urteil 6B_148/2013 vom 19. Juli 2013 führte das Bundesgericht aus, es bedürfe keiner besonderen Intelligenz, um zu erkennen, dass Messerstiche in die Brust den Bauch eines Menschen den Tod zur Folge haben können. Bei einem mit Wucht ausgeführten Messerstich in den Bauch sei das Risiko des Todes des Opfers als hoch einzustufen (E. 4.4).
2.3 Auch das Berufungsgericht hatte sich in zahlreichen Fällen mit der rechtlichen Beurteilung von Messerstichen in den Oberkörper eines Menschen zu befassen:
In STAPA.2010.12 beurteilte es den Stich mit einem Messer von hinten gegen den Rücken mit der Folge einer 5 cm tiefen und 3 cm langen Verletzung am Brustkorb posterobasal links mit Verletzung der Intercostalarterie im Bereich der 9. Rippe und demzufolge 2 Liter Blutverlust als versuchte vorsätzliche Tötung.
Auch in folgenden Fällen wurde auf versuchte vorsätzliche Tötung erkannt:
STAPA.2011.11: Messerstich von hinten in den Rücken mit 6 cm langer und 5 bis 7 cm tiefer, senkrecht verlaufender Stichverletzung rechts neben der Wirbelsäule. Es befanden sich in der Nähe der Stichwunde lebenswichtige Strukturen und es hätte bereits eine um Millimeter abweichende Stichverletzung zu einem Lungenkollaps führen können.
STBER.2012.47: Der Beschuldigte fügte dem Geschädigten bewusst zwei Stichverletzungen in der Gegend des Brust- und Schulterbereichs zu. Dabei durchtrennte das Messer beim Stich in die Brust das Brustfell des Opfers.
STBER.2012.66: Stich mit einem Küchenmesser mit 12,5 cm Klingenlänge von oben nach unten oberhalb des linken Schulterblattes von hinten in den Rücken.
STBER.2014.30: Stich mit einer Scherenklinge in den rechten Brustbereich des Opfers. Eine Verletzung der Lungenarterien der Interkostalarterien und Kollabieren des Lungenflügels (Pneumothorax) hätte zu einem lebensgefährlichen Zustand führen können.
STBER.2016.66: Der Beschuldigte fügte dem Opfer Messerstichverletzungen während resp. unmittelbar nach einem dynamischen Geschehen, einer gegenseitigen Auseinandersetzung, zu. Er stach mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 7,2 cm fünfmal auf die rechte Oberkörperseite seines Schwiegervaters ein, davon zweimal kraftvoll in den Brustbereich. Eine der Stichverletzungen war geeignet, eine konkrete Lebensgefahr herbeizuführen.
STBER.2017.50: Der Beschuldigte fügte dem Opfer während eines dynamischen Geschehens mit dem Klappmesser eine Stichverletzung im Bereich des linken Oberbauchs auf der Höhe der 8. Rippe zu. Der Stich erfolgte entschlossen und mit grosser Wucht leicht von unten nach oben, bewirkte doch der Stich nach dem Durchstossen von Kleidern und Haut sowie 3 cm Weichteilen die Spaltung der Rippe des Opfers. Der Gutachter spricht von einem «heftigen Zustechen von unten medial leicht nach oben gerichtet». Dabei verwendete der Beschuldigte ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von ca. 6 bis 7 cm. Der Stich erfolgte ungezielt, aber gegen den Oberkörper des Opfers gerichtet, nach einer angeblichen Beleidigung durch das Opfer und dessen Wegstossen des Beschuldigten, der ihm den Weg versperrt hatte.
STBER.2018.24: Der Beschuldigte fügte dem Opfer während eines dynamischen Geschehens mit dem Klappmesser eine Stichverletzung im Bereich der linken Brustseite zu. Der Stich erfolgte gezielt gegen den Oberkörper und wuchtig mit einer 7,7 cm langen und 2,9 cm breiten Klinge. Der Einstichkanal war rund 7 cm lang, 2,8 cm breit und endete an einer Rippe.
STBER.2018.32: Stichverletzung von hinten während eines dynamischen Geschehens mit Klappmesser im Bereich der linken Rückenseite auf Höhe BWK 6 bis 7 direkt neben der Wirbelsäule. Der Stich erfolgte nach dem Beweisergebnis gezielt gegen den Oberkörper und kräftig, die Klingenlänge des Klappmessers betrug 9,5 cm. Der unbewaffnete Verletzte hatte gegen den ihm von hinten versetzten Messerstich keine Abwehrchance. Zu beachten ist dabei auch, dass die Klinge nach vorne scharf zugespitzt war, was die Gefährlichkeit der Waffe erhöhte. Die Klinge trat nach dem Durchtrennen von T-Shirt und Unterhemd rund 4 cm in den Körper des Verletzten ein und durchtrennte die Brustwandweichteile vollständig, was zu einer anhaltenden Blutung in die rechte Brusthöhle (abgesogen wurden daraus 1400 ml Blut) und zu einer unmittelbaren Lebensgefahr führte. Wie aus dem Ergänzungsgutachten vom 9. August 2018 zu entnehmen war, ist es der angreifenden Person nach Überwindung des Hautwiderstandes nicht möglich, die Eindringtiefe gezielt zu steuern. Damit konnte der Täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren.
STBER.2019.37: Der Beschuldigte ging dem Opfer nach und stiess diesem das Butterfly-Messer, das ihm kurz zuvor unaufgefordert vom Gehilfe gereicht worden war, schwungvoll seitlich in den Oberkörper. Der Täter stach einmalig aus Wut und Rache auf das Opfer ein und verursachte einen mindestens 10 cm tiefen Einstich, der die Milz und das Zwerchfell verletzte und eine Einblutung in den Brustraum bewirkte. Das Opfer musste eine Woche auf der Intensivstation des Spitals behandelt werden und war während mehrerer Wochen arbeitsunfähig.
STBER.2019.75: Stich mit einer Schere mit voller Wucht gegen die Brust des Opfers während eines dynamischen Geschehens. Aufgrund der Gegenwehr des Opfers dürfte die Scherenspitze nicht allzu weit in die Brust des Opfers eingedrungen sein, wobei dieses dennoch einen Pneumothorax erlitt. In diesem Fall stellte das Berufungsgericht fest: Wer in dieser Art mit einem harten und spitzen Gegenstand in einem dynamischen Geschehen wuchtig und mehrmals gegen den Oberkörper des Kontrahenten einsticht, begeht eine ausgesprochen schwerwiegende Pflichtverletzung und die Möglichkeit einer Tötung des Gegenübers liegt nah. Gerichtsnotorisch ist, dass es der angreifenden Person nach Überwindung des Hautwiderstandes nicht möglich ist, die Eindringtiefe gezielt zu steuern (STBER.2018.32). Der Beschuldigte konnte also das von ihm geschaffene Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren.
STBER.2020.75: In diesem Fall stiess der Beschuldigte im Rahmen einer dynamischen Auseinandersetzung dem Geschädigten ein Victorinox-Taschenmesser mit erheblicher Wucht gegen die Brust. Gemäss medizinischen Unterlagen war der Stichkanal auf der Höhe der 9. Rippe lateral links bis 3 cm tief in den posterobasalen Lungenunterlappen verfolgbar, im Sinne einer Lungenlazeration, was zu einem Hämatopneumothorax, einem teilkollabierten linken Lungenflügel sowie einer Thoraxkontusion mit ausgeprägtem Umgebungshämatom und einem Weichteilemphysem laterothorakal links führte. Im Rahmen einer Bülau-Drainage entleerten sich 300 ml Blut. Der Tötungsvorsatz (Eventualvorsatz) wurde bejaht.
STBER.2021.16: Der Beschuldigte war in aufgeheizter Stimmung vom aufgebrachten Privatkläger tätlich angegriffen und an die Wand gedrückt worden. Der Privatkläger hatte auf der Treppe vom Beschuldigten abgelassen, ging jedoch nach dessen Bemerkung, er habe keine Angst, wieder auf diesen zu. Da stiess der Beschuldigte mit voller Wucht ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 11 cm in den Oberkörper des Privatklägers. Er zog dann das Messer zurück und stiess erneut zu. Beim zweiten Stich brach gar die Klinge des Messers ab. Gemäss Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Basel vom 9. März 2020 war davon auszugehen, dass es zunächst einen nahezu horizontalen, leicht schräg von links vorne nach rechts hinten verlaufenden Stich quer durch den linken Brustkorb gab. Dieser Stichkanal verletzte die 7. Rippe am Knorpel-Knochen-Übergang, den Lungenunterlappen und die 12. Rippe nahe der Wirbelsäule. Die Länge des Stichkanals betrug ca. 15 cm. Danach wurde das Stichwerkzeug ein kurzes Stück zurückgezogen und in einem Winkel von ca. 30 Grad von der ersten Stichrichtung nach aussen versetzt erneut in den Brustkorb hineingestossen. Dabei durchtrennte das Tatwerkzeug die zehnte Rippe und verliess auf dieser Höhe auch den Brustkorb wieder. Der Schuldspruch der ersten Instanz wegen versuchter vorsätzlicher Tötung wurde rechtskräftig. Im Berufungsverfahren war nur noch eine allfällige Notwehrsituation strittig.
Schliesslich STBER.2021.62: Der Beschuldigte suchte das Wohnhaus seiner Ex-Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Kinder auf. Auf dem Vorplatz der Liegenschaft riss der Beschuldigte die Geschädigte mit beiden Händen an den Haaren, schlug ihren Kopf mehrmals gegen die Hauswand und schlug ihr mit dem mitgeführten Messer (Klingenlänge von ca. 12 - 15 cm) mehrfach gegen den Kopf. Als die Geschädigte versuchte, jemanden im Haus zu alarmieren schlug bzw. stach der Beschuldigte mit dem Messer mehrfach, mindestens jedoch zweimal, zu, wodurch er ihr zwei Stichwunden am Rücken zufügte. In subjektiver Hinsicht wurde von Eventualvorsatz (Inkaufnahme des Todes der Privatklägerin) ausgegangen. 3.1 Die Anklage, auf die gemäss vorliegendem Beweisergebnis abzustellen ist, führt vier Stichverletzungen auf und führt aus, in der Gesamtschau stellten die beschriebenen Verletzungsbilder, insbesondere der Spannungspneumothorax, akut lebensgefährliche Verletzungen dar, die ohne zeitnahe adäquate medizinische Versorgung zum Ableben des Privatklägers geführt hätten.
Zum Vorsatz führt die Anklageschrift sodann aus: Der Beschuldigte habe im Wissen darum gehandelt, dass der mehrfache Einsatz eines Messers gegen den Oberkörper eines anderen Menschen in Form von Stichbewegungen im Rahmen eines dynamischen Geschehens nicht nur zu lebensgefährlichen Verletzungen, sondern auch zu dessen Tod führen könne. Er habe mit seinem mehrfachen, kräftigen Zustechen mit einem Messer im Bereich des Oberkörpers akut lebensgefährliche, mithin schwere Verletzungen und letztlich auch den Tod des Privatklägers zumindest billigend in Kauf genommen; eventualiter habe er mit direktem Vorsatz gehandelt, den Privatkläger zu töten.
3.2 Das Gutachten des IRM kam zum Schluss, beim Spannungspneumothorax handle es sich um eine lebensgefährliche Form des Pneumothorax. Zur Abwendung der bestehenden Lebensgefahr sei dabei zwingend eine umgehende medizinische Entlastungspunktion mittels Thoraxdrainage erforderlich, wie es auch beim Privatkläger erfolgt sei. Die übrigen Stichverletzungen seien gemäss den CT-Befunden nicht in die Brusthöhle eingetreten, sondern im Weichteilgewebe verlaufen. Rechtsmedizinisch werde für die eine Stichverletzung eine Stichkanallänge von 4.5 cm für plausibel erachtet. Die drei weiteren Stiche seien per se nicht lebensbedrohlich gewesen, allerdings seien auch hier in unmittelbarer Nähe lebenswichtige Organe wie Lunge und grössere venöse und arterielle Blutgefässe, sowie im Falle einer Stichverletzung das Herz gelegen. Aus Verletzung von Lunge, Herz Blutgefässen hätten ohne Weiteres und in sehr kurzer Zeit vital bedrohliche Zustände resultieren können. Zusammenfassend sei aufgrund der Stichverletzungen aus rechtsmedizinischer Sicht das Vorliegen einer akuten Lebensgefahr zu bejahen. Es sei davon auszugehen, dass der Privatkläger ohne sehr rasche und adäquate medizinische Intervention unmittelbar an den Folgen des Spannungspneumothorax verstorben wäre. Darüber hinaus habe aufgrund der Folgekomplikationen konkrete Risiken für eine vital bedrohliche Schädigung bestanden. Exakte Rückschlüsse aus den Verletzungen auf die Ausmasse des Tatwerkzeugs (insbesondere Klingenlänge-/breite) seien nicht mehr möglich. Eine Beibringung der Stichwunden mit dem durch den Privatkläger im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung beschriebenen, ca. 10 cm langen, einschneidigen Wellenschliffmesser sei möglich. Eine sichere Aussage über den notwendigen Kraftaufwand zur Verursachung der Verletzung sei nicht möglich. Das Vorliegen der Stichverletzung spreche aber zumindest für eine aktive Führung des Tatwerkzeuges gegen den Körper des Privatklägers. 4.1 Dass die Verletzung lebensgefährlich gewesen ist und bei Nichteingreifen durch die Ärzte zum Tod hätte führen können, ist allen medizinischen Berichten zu entnehmen. Der Beschuldigte verfügt zwar nicht im Detail über dieses medizinische Fachwissen. Jedoch bedarf es weder medizinischen Fachwissens noch besonderer Intelligenz, um zu wissen, dass ein bewusster Stich in den oberen Brustbereich ohne weiteres lebensbedrohliche Folgen haben kann. Dieses Wissen ist ihm zu unterstellen. Der Stich im Bereich des linken Brustkorbes wurde dem Privatkläger im Rahmen eines dynamischen Geschehens zugefügt, so dass sich ohne Weiteres auch ein anderer Verlauf des Stichkanals eine andere Stichtiefe hätte ergeben können. Wie das Gutachten festhält, stellt die menschliche Haut den grössten Widerstand dar. Ist dieser einmal überwunden, kann die Klinge ungehindert ins Gewebe eindringen. Die Eindringtiefe ist daher im Rahmen eines dynamischen Geschehens ebenso wenig steuerbar wie der genaue Stichverlauf. Die Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts durch den tieferen Stich im Bereich des linken Brustkorbes war demnach im konkreten Fall sehr gross. Durch den gewaltsamen Angriff auf den unbewaffneten Privatkläger mit einem Messer ohne nachvollziehbaren Anlass beging der Beschuldigte auch eine ausserordentlich hohe Pflichtverletzung. Der Beschuldigte ist insofern gezielt vorgegangen, als er sich nach der ersten verbalen/tätlichen Auseinandersetzung kurz entfernte, mit einem Messer zurückkam und unvermittelt auf den Privatkläger mehrfach eingestochen hat. Mit Blick auf das viermalige «Zustechen» hat er eine grosse Hartnäckigkeit manifestiert. Umso mehr, da er ausrief «Wotsch no meh!?» während er zustach und er dem Privatkläger, als dieser sich Richtung Strasse von ihm entfernte – und damit die Flucht ergriffen hatte –, noch nachlief und erneut zustach. Aufgrund der Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung und der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung konnte der Beschuldigte mit Blick auf das Willensmoment nicht darauf vertrauen, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten werde. Eine bewusste Fahrlässigkeit ist deshalb klar auszuschliessen. Auch kann bei dieser Hartnäckigkeit nicht mehr nur von einer billigenden Inkaufnahme des Todes des Privatklägers gesprochen werden. Immerhin bleibt aber zu bemerken, dass der Beschuldigte schlussendlich von sich aus vom Privatkläger abliess.
4.2 Angesichts dieser äusseren Umstände ist der direkte Tötungsvorsatz zu bejahen. Dies gilt unabhängig von der effektiven Klingenlänge, welche im konkreten Fall nicht feststeht. Angesichts der beschriebenen Verletzungen muss jedenfalls von einer Klingenlänge von deutlich über 4.5 cm ausgegangen werden. Der Beschuldigte hat sich daher der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht.
4.3 Dass der Beschuldigte in Notwehr gehandelt haben soll, muss als reine Schutzbehauptung qualifiziert werden. Dass es im Vorfeld zur Tat zu einer wechselseitigen Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger gekommen ist, ist aktenkundig. Anhand der glaubhaften Ausführungen von Privatkläger (dieser gab dies auch vor der Vorinstanz zu Protokoll [AS 1312, siehe auch AS 115], die Auseinandersetzung in der Baracke sei durch D.___ gestoppt worden, es sei etwa zwei bis drei Minuten gegangen, bis der Beschuldigte wieder zurückgekommen sei) und Zeuge (dieser gab bei allen seinen Einvernahmen zu Protokoll, der Beschuldigte sei rausgegangen und sei dann wieder zurückgekommen) war diese Auseinandersetzung aber bereits beendet, als der Beschuldigte sich entfernte und sich des Messers behändigte. Sodann wurden entsprechende Handlungen des Privatklägers im Rahmen einer unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Nichtanhandnahmeverfügung vom 26. Mai 2021 beurteilt (AS 732.3). Anhaltspunkte für einen schweren gar lebensgefährlichen Strangulationsvorgang haben sich beim Beschuldigten – wie bereits erwähnt – keine gefunden. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten durch den Amteiarzt unmittelbar nach der Tat konnten keine Verletzungen im Halsbereich festgestellt werden. Am 25. September 2020 erfolgte sodann eine weitere medizinische Untersuchung. Auch da konnte kein Befund erhoben werden, welcher auf eine Verletzung des Beschuldigten deutet. Auch dem Bericht der Gefängnisärztin können keine entsprechenden Verletzungen entnommen werden. Auf diese zeitnahen Berichte ist abzustellen. An den darin enthaltenen Feststellungen vermögen die vom Beschuldigten später eingereichten ärztlichen Berichte nichts zu ändern.
4.4 Auch der von der Verteidigung eingebrachte Tatbestand des Totschlags (Art. 113 StGB) ist nach dem vorliegenden Beweisergebnis ausgeschlossen.
4.5 Zusammenfassend – und wie bereits erwähnt – hat sich der Beschuldigte somit der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, schuldig gemacht.
V. Strafzumessung
1. Allgemeine Grundsätze
1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten.
Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat beziehen. Innerhalb der Kategorie der realen Strafzumessungsgründe ist zwischen der Tatkomponente, welche nun in Art. 47 Abs. 2 StGB näher umschrieben wird, und der in Abs. 1 aufgeführten Täterkomponente zu unterscheiden (vgl. Stefan Trechsel/Marc Thommen in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Auflage 2021, Art. 47 StGB N 18 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).
1.2 Bei der Tatkomponente sind das Ausmass des verschuldeten Erfolges, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolges, die Willensrichtung, mit der der Täter gehandelt hat, und die Beweggründe des Schuldigen, die Art. 47 Abs. 2 StGB ausdrücklich erwähnt, zu beachten (vgl. BGE 129 IV 6 E. 6.1).
Die Täterkomponente umfasst das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren (vgl. BGE 129 IV 6 E. 6.1). Die Strafempfindlichkeit (neu in Art. 47 Abs. 1 StGB als «Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters» erfasst) betrifft nicht mehr die Frage des Verschuldens, sondern des ihm entsprechenden Masses an Strafe. Die Schwere des dem Betroffenen mit der Strafe zugefügten Übels kann auch von seiner persönlichen Situation abhängen. So wird ein alter Mensch durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe härter getroffen als ein jüngerer mit weitaus grösserer Lebenserwartung, ein kranker härter als ein gesunder, und das sollte strafmindernd ins Gewicht fallen. Auch dürfen zu Gunsten des Täters Folgen der Tat und ihrer strafrechtlichen Ahndung berücksichtigt werden, die ihn härter getroffen haben als andere, die noch zu erwarten sind, wie beim Verlust eines Angehörigen durch einen fahrlässig verursachten Verkehrsunfall, bei erheblichen finanziellen Lasten durch die zivilrechtliche Haftung für den deliktisch herbeigeführten Schaden die Verfahrenskosten bei Einbussen in der sozialen Stellung und bei schwer wiegenden beruflichen familiären Auswirkungen (vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2. Auflage, § 6 N 60 ff. mit Hinweisen).
Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht (BGE 136 IV 55 E. 5.7).
1.3 Wurde eine Straftat lediglich versucht, ist im Rahmen der Strafzumessung zuerst eine Einsatzstrafe für das gemäss den Vorstellungen des Beschuldigten vollendete Delikt auszusprechen. Diese ist hernach in Anwendung von Art. 22 Abs. 1 StGB zu mindern. Der Umfang der Strafminderung hängt einerseits vom Ausmass der geschaffenen Gefahr bzw. der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges, andererseits von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (Urteile 6B_865/2009 E 1.6.1; 6B_120/2014 E.2.5.1; 6B_42/2015 E 2.4.1).
1.4 Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts vom 7.7.2011, 6B_1096/2010 E. 4.2; vom 6. Juni 2011, 6B_1048/2010 E. 3.2 und vom 26. April 2011, 6B_763/2010 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung mit Einschluss des subjektiven Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen (etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 - 15 Jahren, bei leichter Tatschwere im Bereich von 5 - 10 Jahren und in schweren Fällen im Bereich von 15 - 20 Jahren). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten «Strafzumessungsverlauf» in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).
2. Im Konkreten
2.1 Nach dem Gesagten ist in einem ersten Schritt die Strafe für eine hypothetisch vollendete Tötung zu bestimmen. Diese Strafe ist hernach in einem zweiten Schritt aufgrund des Umstandes, dass «lediglich» ein Versuch vorliegt, zu mildern.
Das Ausmass des verschuldeten Erfolges wiegt bei der Tötung eines Menschen immer gleich schwer. Das Verschulden variiert demnach hauptsächlich im Grad der Verwerflichkeit des Tatvorgehens und im Bereich der subjektiven Tatkomponenten. Diesbezüglich ist hinsichtlich der (angenommenen) vollendeten Tötung des Privatklägers von einem doch sehr verwerflichen Tatvorgehen auszugehen. Nach einer zunächst wechselseitigen Auseinandersetzung hat sich der Beschuldigte entfernt, um ein Messer zu behändigen. Damit ging er wieder zurück zum Privatkläger und hat auf diesen eingestochen. Es handelte sich demnach nicht mehr um einen spontanen Tatentschluss, wenn auch der Tat keine allzu komplexen Planungen vorausgingen. Der Beschuldigte hat gegenüber seinem Opfer in einem mehrphasigen Geschehen Gewalt angewendet, indem er mehrfach auf dieses einstach. Selbst als der Privatkläger versuchte, sich dem Beschuldigten zu entziehen, ist ihm dieser gefolgt und hat noch weitere Male auf dessen Oberkörper eingestochen.
Das Weggehen und Zurückkommen mit einem Messer sowie das mehrmalige Zustechen zeugen zudem von Heimtücke. Der Beschuldigte stach selbst dann noch auf den Privatkläger ein, als dieser bereits die Flucht ergriff. Der Beschuldigte handelte skrupellos und mit einer ausserordentlich hohen kriminellen Energie.
In subjektiver Hinsicht ist festzuhalten, dass der Beschuldigte aus egoistischen Beweggründen und aus nichtigem Anlass handelte. Das Motiv des Beschuldigten bestand darin, dem Privatkläger eine Lektion zu erteilen. Die Beziehung der beiden war bereits vorbelastet durch wiederkehrende Streitereien, als es zur Auseinandersetzung am Tattag (und der folgenden Kurzschlusshandlung des Beschuldigten) kam. Nach dem Beweisergebnis ist auch nicht erstellt, wer mit den Tätlichkeiten angefangen hat. Der Beschuldigte wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, sich korrekt zu verhalten. Der Beschuldigte handelte mit einem direkten Tötungsvorsatz aus verletztem Stolz und aus Wut. Als entlastend ist zu berücksichtigen, dass die Tat nicht von langer Hand geplant gewesen sein dürfte. Es handelte sich vielmehr um einen seit Wochen schwelenden Konflikt und die Auseinandersetzung am 17. September 2020 brachte das Fass für den Beschuldigten zum Überlaufen. Alles in allem wäre aufgrund der Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung, der Art und Weise des Tatvorgehens bzw. der Verwerflichkeit des Handelns für eine vollendete Tötung von einem mittelschweren Tatverschulden auszugehen.
Art. 111 StGB sieht einen Strafrahmen von nicht unter fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Ausgehend vom mittelschweren Verschulden wäre für ein vollendetes Tötungsdelikt eine Einsatzstrafe von 12 ½ Jahren angemessen.
Bei der Bemessung der Strafreduktion zufolge versuchter Tatbegehung ist einerseits zu berücksichtigen, dass durch die Tötungshandlung (mit dem Messer zugeführte Stichverletzung) eine unmittelbare Lebensgefahr des Privatklägers eingetreten ist. Der Privatkläger war während längerer Zeit arbeitsunfähig, trug aber keine bleibenden Schäden davon. Es liegt ein vollendeter Versuch vor. Nur ein unwesentlich anderer Stichverlauf hätte zum Todeseintritt geführt, was im Rahmen des dynamischen Geschehens durch den Beschuldigten kaum beeinflusst werden konnte und die Gefährlichkeit des Messers als Tatwerkzeug unterstreicht. Immerhin liess der Beschuldigte schliesslich aus freien Stücken vom Privatkläger ab. In Anbetracht der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges und den tatsächlichen Folgen der Tat sowie unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Praxis in vergleichbaren Fällen (Gebrauch eines Messers gar einer noch gefährlicheren Schusswaffe als Tatwerkzeug) rechtfertigt sich eine Reduktion der Einsatzstrafe zufolge Versuchs um 28 % auf neun Jahre Freiheitsstrafe.
2.2 Was die Täterkomponente anbelangt, kann grundsätzlich auf die von der Vorinstanz gemachten Ausführungen verwiesen werden:
Der Beschuldigte ist am [Geburtsdatum] in [Ort 3], Kosovo, geboren, wo er – zusammen mit seinen Geschwistern – bei seinen Eltern aufgewachsen ist. Nach der Primarschule arbeitete er, eigenen Angaben zufolge, als Bäcker sowie bei seinen Eltern auf dem Land; hin und wieder verrichtete er auch Temporärarbeiten. Mit seinen Geschwistern, welche heute teilweise in der Schweiz ([Ort 4]), teilweise im Kosovo leben, pflegt er einen guten und regelmässigen Kontakt. Im Juli [Jahr] heiratete er in seinem Heimatland. Aus dieser Ehe entsprangen zunächst drei Kinder; der älteste Sohn kam mit einer schweren Behinderung zur Welt. Als Kriegsflüchtling reiste er sodann am [Datum] mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern erstmals in die Schweiz ein, wo er gleichentags um Asyl ersuchte. Da die Flüchtlingseigenschaften nicht erfüllt waren, wurde der Beschuldigte bzw. die gesamte Familie mit Entscheid vom [Datum] des Bundesamts für Flüchtlinge (BFF; heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) zwar aus der Schweiz weggewiesen, aufgrund des Bundesratsbeschlusses vom 7. April 1999 aber vorläufig aufgenommen. Auf die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde erfolgte am [Datum] ein Nichteintretensentscheid durch die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK; wurde per 1. Januar 2007 durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt). Nach Aufhebung des Bundesratsbeschlusses per 16. August 1999 hätte der Beschuldigte (samt Familie) die Schweiz bis am [Datum] verlassen müssen. Am [Datum] stellte der Beschuldigte jedoch ein Wiedererwägungsgesuch, welches das BFF mit Entscheid vom [Datum] guthiess und eine individuelle vorläufige Aufnahme anordnete; dies insbesondere mit der Begründung, dass eine adäquate Behandlung des ältesten, schwerstbehinderten Sohns im Heimatland nicht gewährleistet werden könne und der Vollzug der Wegweisung im Hinblick auf den Behandlungsbedarf des schwerstbehinderten Sohns eine unzumutbare Härte darstellen würde. In der Zwischenzeit kam im Mai [Jahr] das vierte Kind (in der Schweiz) zur Welt. U.a. mit Eingabe vom [Datum] ersuchte der Beschuldigte um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Wegen Vorliegens eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls wurde diesem Ersuchen schliesslich am [Datum] stattgegeben. Seit dem [Datum] ist der Beschuldigte nunmehr im Besitz einer Niederlassungsbewilligung; ebenso seine Kinder. Seine Ehefrau verstarb nach schwerer Krankheit im Mai [Jahr]. Der Beschuldigte war fortan alleine zuständig für die (drei minderjährigen) Kinder, wobei der älteste (volljährige) und invalide Sohn bereits seit längerer Zeit in einem speziellen Heim untergebracht war. Die elterliche Obhut über ihn wurde den Eltern nämlich (formell) per [Datum] entzogen. Aktuell ist der älteste Sohn im Wohnheim [Name] in [Ort 5] untergebracht, wobei er vor der COVID-19-Pandemie an den Wochenenden jeweils Zuhause bei seiner Familie wohnen konnte. Zudem finden (bis heute noch) regelmässige Besuche statt. In den Jahren […] arbeitete der Beschuldigte bei verschiedenen Bauern in der Schweiz; er half dort temporär aus. Seit [Datum] arbeitete er durchgehend als Bauarbeiter auf dem Bau. Im Jahr […] absolvierte er sodann eine Ausbildung zum Kranführer.
Im Rahmen der Täterkomponenten sind die aussergewöhnlich schwierigen Umstände im Vorleben des Beschuldigten (Flucht vor dem Krieg im Kosovo; schwere Behinderung des ältesten Sohns; Tod seiner Ehefrau; alleinerziehender Vater von insgesamt drei minderjährigen Kindern) leicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
2.3 Der Beschuldigte weist gemäss Schweizerischem Strafregisterauszug eine Vorstrafe auf, welche er aber nach der hier zu beurteilenden Straftat, nämlich im Zeitraum vom 20. April bis am 4. Mai 2021, begangen hat. So handelt es sich nicht um eine eigentliche Vorstrafe, sondern um weitere Delinquenz während hängigem Strafverfahren: Mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons […] vom [Datum] wurde er wegen Nichtabgabe von Ausweisen und/oder Kontrollschildern zu einer bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen, bei einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt (vgl. AS 1251). Vor der vorliegend zu beurteilenden Straftat ist er strafrechtlich also nicht in Erscheinung getreten. Da diese Tat – vor allem im Vergleich zu der vorliegend zu beurteilenden Straftat – als eigentliches Bagatelldelikt anzusehen ist, fällt sie im Rahmen des Nachtatverhaltens nicht ins Gewicht.
2.4 Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten im Tatzeitpunkt lässt sich festhalten, dass sich der Beschuldigte in einer Festanstellung als Kranführer/Bauarbeiter bei der [Firma] befand. Er lebte (und lebt nach wie vor) zusammen mit zwei Söhnen in einer Mietwohnung in [Ort 6]. Seine Lebensverhältnisse waren zum Zeitpunkt der Tat also grundsätzlich geordnet und stabil. Aktenkundig ist, dass er als guter und gewissenhafter Mitarbeiter galt, aber – gleich wie der Privatkläger – vom Arbeitgeber wegen der bestehenden Differenzen mit dem Privatkläger verwarnt worden war. Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten im Zeitpunkt der Tat lassen demgemäss keine zu berücksichtigenden Besonderheiten erkennen.
Zu den persönlichen Verhältnissen zum jetzigen Zeitpunkt ist festzuhalten, dass der Beschuldigte kurz nach seiner Haftentlassung eine neue Arbeitsstelle gefunden hat und nach wie vor dort arbeitet. Er lebt, wie bereits erwähnt, mit zwei Söhnen im selben Haushalt. Die Tochter lebt alleine und der älteste Sohn lebt nach wie vor im Heim. Die aktuellen persönlichen Verhältnisse lassen (nach wie vor) eine geordnete und gefestigte Situation erkennen, haben indes keine Auswirkung auf die Strafhöhe. Sie sind dementsprechend neutral zu gewichten.
2.5 Eine besondere Einsicht Reue, welche strafmindernd zu berücksichtigen wäre, ist beim Beschuldigten nicht zu erkennen. Bis vor Berufungsgericht hat er sich auch nie entschuldigt, wobei auch das keine Reue darstellte, sagte er doch, es tue ihm leid, das der Unfall passiert sei und er hoffe auf eine gute Lösung für alle. Er bedauert folglich vor allem die Folgen der Tat, die ihn selbst betreffen. Der Beschuldigte versuchte bis zuletzt, die Schuld dem Opfer zuzuschieben. Das Verhalten im Strafverfahren ist dementsprechend neutral zu gewichten.
2.6 Die von der Vorinstanz vorgenommene Reduktion von zwei Jahren wegen dem schwierigen Vorleben und der erhöhten Strafempfindlichkeit erscheint als deutlich zu hoch. Das zugegebenermassen harte Schicksal des Beschuldigten ist zwar mit einer Reduktion von einem halben Jahr leicht strafmindernd zu berücksichtigen. Vorliegend ist im Gegensatz zur Vorinstanz aber auch eine Landesverweisung auszusprechen. Diese ist im Rahmen des Sanktionspakets zu berücksichtigen und weist zweifellos auch einen pönalen Charakter auf und trifft den Beschuldigten hart, ohne dass von einem persönlichen Härtefall auszugehen ist. Für die Landesverweisung rechtfertigt sich eine weitere Reduktion um ein Jahr. Im Ergebnis ist eine Reduktion von insgesamt 1 ½ Jahren somit angemessen.
2.7 Zusammengefasst ist die Strafe aufgrund der Täterkomponenten um 1 ½ Jahre auf 7 ½ Jahre zu reduzieren. Diese Strafdauer schliesst die Gewährung des bedingten teilbedingten Vollzugs aus. Infolgedessen ist der Beschuldigte zu einer zu vollziehenden Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren zu verurteilen. An die Freiheitsstrafe ist dem Beschuldigten der ausgestandene Freiheitsentzug (Untersuchungshaft vom 17. September 2020 bis 22. Dezember 2020) anzurechnen (Art. 51 StGB).
VI. Landesverweisung und SIS-Ausschreibung
1. Der Beschuldigte hat sich der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht. Gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB ist der Ausländer, der wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe, für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz zu verweisen. Dies gilt auch für eine Verurteilung wegen einer versuchten Deliktsbegehung (Botschaft 2013, 6020 f.; BSK StGB-Zurbrügg/Hruschka, Art. 66a, N 3). Von der Landesverweisung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sie kumulativ einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an eine Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers an einem Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen.
Die Voraussetzungen für eine obligatorische Landesverweisung sind damit vorliegend grundsätzlich erfüllt. Zu prüfen ist jedoch nachfolgend, ob ein Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, der einer Landesverweisung entgegensteht. 2.1 Eine Definition, was unter einem «schweren persönlichen Härtefall» zu verstehen ist, findet sich im Gesetz ebenso wenig wie die Frage, welche Voraussetzungen bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Angesicht der terminologischen Nähe zu dem im Ausländerrecht seit langem verankerten Härtefallbegriff, ist naheliegend, die allgemeinen Kriterien von Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 [VZAE, SR 142.201] in analoger Weise beizuziehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_209/2018 vom 23. November 2018, E. 3.3.2 m.w.H. auf die h.L.). Demgemäss sind insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen: Die Integration, die Beachtung der Schweizerischen Rechtsordnung, familiäre Beziehungen, die Schulzeit und die Dauer der Schulbildung, die finanziellen Verhältnisse, die Bereitschaft zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb einer Ausbildung, die Anwesenheitsdauer in der Schweiz, der Gesundheitszustand sowie die Möglichkeiten der Wiedereingliederung im Herkunftsland (Art. 31 Abs. 1 VZAE, vgl. OGer ZH SB170394 vom 16. Oktober 2018, E. VI, 3). Dabei sind die konkreten Umstände in der Schweiz zu beleuchten und der Situation im Heimatland gegenüberzustellen. Ein schwerer persönlicher Härtefall ist dann anzunehmen, wenn die Summe aller Schwierigkeiten den Betroffenen derart hart trifft, dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrachtung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Daseinsbedingungen führt. Ob ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu eruieren (Busslinger/Uebersax, Härtefallklausel und migrationsrechtliche Auswirkungen der Landesverweisung, in: plädoyer 5/16 S. 96 ff., S. 101 f.). Dabei kommt der Rechtsprechung über den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung eine bedeutende Rolle zu, erfolgt auch diese gegenüber Ausländern, die seit langem in der Schweiz leben, nur mit besonderer Zurückhaltung (Urteil des Bundesgerichts 6B_209/2018 vom 23. November 2018, E. 3.3.3).
2.2 Von einem schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (Urteile 6B_1440/2019 vom 25. Februar 2020 E. 5.3; 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.4.3; 6B_1299/2019 vom 28. Januar 2020 E. 3.3; je mit Hinweis). Das durch Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3 S. 272, 91 E. 4.2 S. 96 und E. 5.1 S. 96 f.; 144 II 1 E. 6.1 S. 12; Urteil 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.3.2). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1474/2019 vom 23. März 2020 E. 1.4). Das Verhältnis zu volljährigen Kindern fällt nur dann unter das geschützte Familienleben, wenn ein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionalen Bindungen hinausgehendes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht; namentlich infolge von Betreuungs- Pflegebedürfnissen bei körperlichen geistigen Behinderungen und schwerwiegenden Krankheiten (BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1.; Urteile des Bundesgerichts 6B_396/2020 vom 11. August 2020, E. 2.4.3; 2C_385/2018 vom 29. November 2018 E. 3.2; je mit Hinweisen). 3.1 Der Beschuldigte wurde am [Geburtsdatum] in [Ort 3] (Kosovo) geboren. Dort hat er acht Jahre die Grundschule besucht. Von Januar 1988 bis Ende 1988 habe er Militärdienst geleistet. Ferner habe er in einer Bäckerei gearbeitet. Am [Datum] reiste er, zusammen mit seiner Ehefrau (geb. [Jahrgang]) und den drei gemeinsamen Kindern, geb. [Jahrgang], [Jahrgang] und [Jahrgang], in die Schweiz ein. Im Jahr [Jahr] kam ein weiteres Kind zur Welt. Die Ehefrau des Beschuldigten verstarb im Jahr [Jahr]. Der Beschuldigte und seine vier Kinder verfügen heute alle über eine Niederlassungsbewilligung. Während der älteste Sohn in einem Heim wohnt, wohnen die beiden jüngeren Söhne zusammen mit dem Beschuldigten in [Ort 6]. Die Tochter wohnt im Kanton […] (vgl. AS 744 ff.).
3.2 Die Anwesenheitsdauer des Beschuldigten in der Schweiz beträgt zum jetzigen Zeitpunkt 24 ½ Jahre. Eine so lange Anwesenheit kann zur Annahme eines Härtefalls führen. Dies aber auch nur dann, wenn ein tadelloses Verhalten, finanzielle Unabhängigkeit sowie sozial und beruflich gute Integration vorliegen. Es kann daher nicht schematisch auf eine bestimmte Aufenthaltsdauer abgestellt werden, vielmehr ist – unabhängig von der Anwesenheitsdauer – die Integration in sprachlicher, sozialer, kultureller, religiöser und persönlicher Hinsicht zu prüfen. Es bedarf einer besonders engen Beziehung zur Schweiz, die insofern zu einer Härte führt, als dass die Beziehungen im Falle einer Landesverweisung nicht nicht mehr gelebt werden können. Entgegen den Ausführungen durch die Vorinstanz kann beim Beschuldigten nicht von einer «in jeglicher Hinsicht guten Integration» ausgegangen werden. Zwar kann dem Beschuldigten eine gute berufliche Integration zugesprochen werden. Der Beschuldigte war bzw. ist seit dem 1. Juli 2003 (praktisch durchwegs) arbeitstätig; dies, obschon er seit dem [Datum], als seine Ehefrau verstarb (AS 778), alleinerziehender Vater von drei minderjährigen Kindern war (der ältere Sohn war damals bereits im Heim untergebracht). Auch unmittelbar nach seiner Haftentlassung am 22. Dezember 2020 bemühte er sich unverzüglich um eine neue Arbeitsstelle, welche er sodann im […] 2021 antreten konnte; seither ist er wieder arbeitstätig. Aus den Akten geht auch hervor, dass der Beschuldigte von seinen Vorgesetzten stets als sehr guter und gewissenhafter Mitarbeiter bezeichnet und geschätzt worden ist (vgl. z.B. AS 915, 933, 1016). Dies belegen auch die anlässlich der Berufungsverhandlung eingereichten Unterlagen (Arbeitszeugnis [Firma] AG und Schreiben von aktuellen und ehemaligen Arbeitskollegen). Aufgrund seiner beruflich guten Integration war der Beschuldigte auch grösstenteils finanziell unabhängig. Die bis anhin von der Familie in Anspruch genommenen Sozialhilfeleistungen in einem sechsstelligen Betrag entfielen primär auf den schwer beeinträchtigten, ältesten Sohn, der im Heim lebt und auf spezielle Betreuung angewiesen ist. Zum Erfordernis des tadellosen Verhaltens ist anzumerken, dass der Beschuldigte einen Eintrag im Strafregister hat und zwar wegen Nichtabgabe von ungültigen entzogenen Ausweisen Kontrollschildern i.S. des Strassenverkehrsgesetzes. Der Beschuldigte ist somit zwar nicht einschlägig vorbestraft, sein Verhalten kann jedoch – entgegen den Ausführungen der Vorinstanz – nicht als tadellos bezeichnet werden. Mit der Vorinstanz ist aber davon auszugehen, dass der Beschuldigte aufgrund des «Bagatellvergehens» nicht im eigentlichen Sinne vorbestraft ist und somit als Ersttäter gilt. Beim Beschuldigten – welcher hier seine vier Kinder hat – ist ohne weiteres von festen familiären Bindungen in der Schweiz auszugehen. Zwei seiner Geschwister leben ebenfalls in der Schweiz (AS 740). Allerdings verfügt der Beschuldigte über kein wirklich tragfähiges Netzwerk hier in der Schweiz, das über eine Beziehung zu seiner hier lebenden Verwandtschaft hinausgeht. Daran ändert nichts, dass der Beschuldigte vor Vorinstanz anführte, er gehe ab und an mit Kollegen einen Kaffee trinken (AS 1319). Bei seinen Kollegen handelt es sich gemäss seinen Aussagen vor Obergericht um Arbeitskollegen. Besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen gesellschaftlicher Art, sind nicht zu erkennen. Schliesslich ist auch die sprachliche Integration des Beschuldigten hier in der Schweiz nur bedingt geglückt. Trotz seiner über 20-jährigen Anwesenheit in der (Deutsch-)-Schweiz ist er der deutschen Sprache nur in beschränktem Masse mächtig.
3.3 Eine Integration im Kosovo ist dem Beschuldigten ohne weiteres zumutbar. Zwar gab der Beschuldigte anlässlich der Haftverhandlung zu Protokoll, dass nur ein Bruder von ihm im Heimatland wohne, sonst niemand (AS 397). Anlässlich der Befragung vor dem Staatsanwalt und vor Vorinstanz gab der Beschuldigte zu Protokoll, (AS 311.4, 1319), er habe einen Bruder und eine Schwester im Kosovo. Der Kontakt sei gut. Vor der Pandemie sei er regelmässig unten gewesen. Zwei Mal pro Jahr. Gleiches geht aus den Aussagen seines Sohnes hervor (AS 238) und bestätigte er vor Obergericht. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschuldigte im Kosovo Familie hat, zu der er auch von der Schweiz aus Beziehungen pflegt und die er auch regelmässig besucht. Der Beschuldigte ist im Kosovo aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Er ist mit der dortigen Kultur vertraut. Im Kosovo hat er die lebensprägenden Jahre seiner Kindheit sowie Jugend verbracht und auch dort gearbeitet. Aufgrund der beruflichen Ausbildung und Erfahrung sollte es dem Beschuldigten gut gelingen, in seinem Heimatland Fuss zu fassen. Seine Resozialisierungschancen im Heimatland sind intakt. Ausser den geklagten Problemen mit Hals und Rippen ist der Beschuldigte gesund (vgl. AS 1317). Beim Beschuldigten ist gesamthaft aufgrund der konkreten Umständen nicht von einem Härtefall auszugehen. Daran vermögen auch die Kinder des Beschuldigten nichts zu ändern. Der Beschuldigte hat vier erwachsene Kinder in der Schweiz. Diese gehören – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – nicht mehr zu Kernfamilie. Insofern ist es unerheblich, dass der Beschuldigte mit zwei seiner Söhne zusammenwohnt. Vor Vorinstanz führte der Beschuldigte zwar aus, dass er sie immer noch unterstütze (AS 1320). Vor Berufungsgericht gab er sodann an, die beiden seien arbeitstätig und er müsse sie nicht (mehr) unterstützen. Gleich verhält es sich mit der Beziehung zu seinem ältesten Sohn. Zwar pflegt der Beschuldigte den Kontakt zu seinem in einer Pflegeinstitution lebenden schwerst behinderten ([Krankheitsbild] [AS 952, 1023]) Sohn. Bereits im 2002 wurden den Eltern aber aufgrund einer Gefährdungsmeldung (Vernachlässigung bzw. Misshandlung eines schwer behinderten Kindes) die Obhut über den ältesten Sohn entzogen (AS 1064, 1085). Der älteste Sohn lebte und lebt seither betreut in einem Heim (AS 952). Der älteste Sohn verbrachte früher auch Wochenenden zu Hause. Vor der Pandemie habe er samstags und sonntags nach Hause gekonnt. Nachher habe er so einmal in drei Wochen so für drei Stunden nach Hause kommen können. Sie hätten ihn auch besuchen können (vgl. AS 1317). Nach den Angaben des Beschuldigten vor Berufungsgericht sind Besuche zu Hause aktuell nicht mehr möglich, da die neue Wohnung der Familie im dritten Stock liegt und über keinen Lift für den Rollstuhl verfügt. Es wird weder geltend gemacht, noch ist ersichtlich, dass der Beschuldigte seinen ältesten Sohn betreut, dass dieser sonst auf seine Unterstützung angewiesen ist. Der Beschuldigte besucht seinen Sohn zwar regelmässig, erbringt aber keine besonderen Leistungen für ihn, wie bspw. Fahrten zum Arzt, Pflegeleistungen auch finanzielle Beteiligung, wie er vor Berufungsgericht aussagte. Der Kontakt zu seinem ältesten Sohn wird indessen bereits durch die Verbüssung der mehrjährigen Haftstrafe für lange Zeit abbrechen. Demnach vermag auch die Beziehung zu seinem ältesten Sohn keinen Härtefall zu begründen. Folglich fällt das Verhältnis des Beschuldigten zu seinen volljährigen Söhnen (die volljährige Tochter wohnt nicht mehr zu Hause) nicht unter das geschützte Familienleben, da vorliegend kein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionalen Bindungen hinausgehendes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Es ist damit nicht von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen. Da bereits der persönliche Härtefall verneint ist, kann eine Interessenabwägung unterbleiben.
3.4 Und selbst bei der Annahme eines Härtefalles wäre der Beschuldigte des Landes zu verweisen, da das öffentliche Interesse an einer Wegweisung das Interesse des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz überwiegen würde. Vorliegend führte ein Konflikt zwischen zwei Landsleuten und die fehlende Impulskontrolle des Beschuldigten zu einer schweren Straftat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte auch in Zukunft wieder in eine ähnliche Situation gerät und erneut straffällig wird. Der Beschuldigte hat sodann nichts aus seiner Tat gelernt, sondern hält an Ausreden fest, bagatellisiert sein Verhalten und schiebt die Schuld auf das Opfer.
3.5 Zusammenfassend erweist sich demnach eine Landesverweisung als angezeigt. Mit Blick auf die Schwere der Tat und die vorstehenden Ausführungen rechtfertigt sich eine Landesverweisung für die Dauer von 10 Jahren. 4. 4.1 Es ist zudem über die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) zu befinden. Eine Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen im Sinne von Art. 3 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS-II-Verordnung] im SIS darf gemäss dem in Art. 21 SIS-II-Verordnung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip nur vorgenommen werden, wenn die Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falles dies rechtfertigen. Voraussetzung der Ausschreibung im SIS ist eine nationale Ausschreibung, die auf einer Entscheidung der zuständigen nationalen Instanz (Verwaltungsbehörde Gericht) beruht (Art. 24 Ziff. 1 SIS-II-Verordnung). Die Ausschreibung wird eingegeben, wenn die Entscheidung auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwesenheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats darstellt (Art. 24 Ziff. 2 Satz 1 SIS-II-Verordnung). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die betreffende Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 24 Ziff. 2 lit. a SIS-II-Verordnung), wenn gegen sie der begründete Verdacht besteht, dass sie schwere Straftaten begangen hat, wenn konkrete Hinweise bestehen, dass sie solche Straftaten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates plant (Art. 24 Ziff. 2 lit. b SIS-II-Verordnung). Eine Ausschreibung im SIS darf gemäss Art. 21 und Art. 24 Ziff. 1 SIS-II-Verordnung nur auf der Grundlage einer individuellen Bewertung unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips ergehen. Im Rahmen dieser Bewertung ist bei der Ausschreibung gestützt auf Art. 24 Ziff. 2 SIS-II-Verordnung insbesondere zu prüfen, ob von der betroffenen Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Verhältnismässig ist eine Ausschreibung im SIS immer dann, wenn eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben ist. Sind die Voraussetzungen von Art. 21 und 24 Ziff. 1 und 2 SIS-II-Verordnung erfüllt, besteht eine Pflicht zur Ausschreibung im SIS (Urteil des Bundesgerichts 6B_572/2019 vom 8.4.2020 E. 3.2.2).
4.2 Vorliegend wird der Beschuldigte wegen seiner Straftat zu einer Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren verurteilt und eine Rückfallgefahr kann nicht verneint werden. Aufgrund der Umstände, welche zur heute zu beurteilenden Tat geführt haben, nämlich ein Konflikt zwischen zwei Landsleuten und die fehlende Impulskontrolle des Beschuldigten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte auch in Zukunft wieder in eine ähnliche Situation gerät und erneut straffällig wird. Der Beschuldigte hat nichts aus seiner Tat gelernt, sondern hält an Ausreden fest, bagatellisiert sein Verhalten und schiebt es auf das Opfer. Deshalb, aufgrund der heimtückischen Tatausführung und weil der Beschuldigte einen geringen Bezug zum Schengenraum hat, ist die Landesverweisung im SIS auszuschreiben.
VII. Sicherheitshaft
Bei diesem Verfahrensausgang (Verurteilung des Beschuldigten zu einer höheren Freiheitsstrafe und Landesverweisung) ist von Amtes wegen die Anordnung von Sicherheitshaft zu prüfen. Der Beschuldigte hat bisher gezeigt, dass er sich dem Verfahren stellt. Zudem ist in Anbetracht der nun verhängten Landesverweisung sein Interesse, die verbleibende Zeit bestmöglich mit seiner Familie hier zu verbringen, noch gestiegen. Es ist keine Fluchtgefahr zu erkennen und eine Sicherheitshaft ist daher nicht nötig.
VIII. Schadenersatz und Genugtuung
1. Schadenersatz
1.1 Der Privatkläger verlangte vor Vorinstanz, der Privatkläger sei ihm gegenüber für den durch seine strafbaren Handlungen zu 100 % schadenersatzpflichtig zu erklären.
1.2 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschuldigte für die Folgen seiner wiederrechtlichen Handlung, die Verletzungen des Privatklägers, haftpflichtig ist. Der Beschuldigte wird gegenüber dem Privatkläger entsprechend für den durch die von ihm am 17. September 2020 begangene Straftat verursachten Schaden vollumfänglich schadenersatzpflichtig erklärt.
2. Genugtuung
2.1 Der Privatkläger beantragte erstinstanzlich die Zusprechung einer Genugtuung von CHF 12'000.00. Die Vorinstanz hat ihm eine Genugtuung von CHF 8'000.00 zugesprochen. Mit der Anschlussberufung wird eine Genugtuung von CHF 12'000.00 geltend gemacht.
2.2 Gemäss Art. 47 OR kann der Richter bei Körperverletzung unter Würdigung der besonderen Umstände der verletzten Person eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Die Genugtuung bezweckt den Ausgleich für erlittene seelische Unbill. Ihre Bemessung richtet sich im Wesentlichen nach der Art und Schwere der Verletzung, der Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen, dem Grad des Verschuldens des Haftpflichtigen, einem allfälligen Selbstverschulden des Geschädigten, sowie der Aussicht auf Linderung des Schmerzes durch die Zahlung eines Geldbetrags (Urteile 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 3.3.2 und 6B_1070/2015 vom 2. August 2016 E. 1.3.2).
2.3 Die Festsetzung der Höhe der Genugtuung ist eine Entscheidung nach Billigkeit und beruht auf richterlichem Ermessen. Sie ist nicht schematisch vorzunehmen, sondern muss dem Einzelfall angepasst werden. Dies schliesst indes den Rückgriff auf Präjudizien im Sinne eines Richtwerts so wenig aus wie die Vornahme der Bewertung der immateriellen Beeinträchtigung in zwei Phasen, indem zuerst ein Basisbetrag festgelegt und anschliessend die besondere individuelle Situation berücksichtigt wird (BGE 132 II 117 E. 2.2.3 S. 120; Urteile 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 3.3.2 und 6B_768/2014 vom 24. März 2015 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 141 IV 97; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht überprüft die Rechtsfrage der Ermessensausübung durch das Sachgericht mit Zurückhaltung. Es schreitet nur ein, wenn dieses grundlos von anerkannten Bemessungsgrundsätzen abweicht, sich von nicht massgebenden Faktoren leiten lässt sich das Ergebnis als offensichtlich unbillig erweist (vgl. Urteile 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 3.3.2; 6B_1070/2015 vom 2. August 2016 E. 1.3.2; 6B_857/2015 vom 21. März 2016 E. 3.2; 6B_768/2014 vom 24. März 2015 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 141 IV 97; je mit Hinweisen).
2.4 Das Amtsgericht hat bei der Bemessung der Genugtuung grundsätzlich alle massgeblichen Faktoren korrekt und umfassend berücksichtigt. Es führte zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes aus: Im vorliegenden Fall habe der Beschuldigte mit seinem mehrfachen Einstechen auf den Privatkläger in Kauf genommen, diesen tödlich zu verletzen. Die ihm vom Beschuldigten zugefügten Verletzungen seien erheblich und teilweise gar lebensgefährlich gewesen. […]. Der Privatkläger habe sich in konkreter und akuter Lebensgefahr befunden. Dass der Tod ausgeblieben sei, sei insbesondere dem Glück und der sehr raschen und adäquaten medizinischen Versorgung bzw. Intervention zuzuschreiben. Zur Vermeidung von Folgekomplikationen, wie bspw. Verwachsungen einer Lungenentzündung infolge der Lungenschädigung, hätten im Verlauf des Spitalaufenthalts mehrmals täglich intensivierte Maskenbeatmungen zur vollständigen Entfaltung des Lungengewebes durchgeführt werden müssen. Im weiteren Behandlungsverlauf hätten sich sodann auch Hinweise auf die Entwicklung einer Entzündung des Herzmuskels und des Herzbeutels (Perimyokarditis) ergeben. Eine Perimyokarditis könne sich ebenfalls zu einem schwerwiegenden, ja gar tödlich verlaufenden Krankheitsbild entwickeln. Vor allem während der Entzündungsphase sei das Risiko eines Herztodes erhöht. Der Spitalaufenthalt habe vom 17. bis am 23. September 2020 (insgesamt sieben Tage) gedauert und bis am 16. Oktober 2020 sei der Privatkläger zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Eine darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht aktenkundig. Nach dem Spitalaustritt habe sich der Privatkläger weiterer ärztlicher Kontrollen und Behandlungen unterziehen sowie Medikamente bzw. Schmerzmittel einnehmen müssen. Der Privatkläger habe über einen längeren Zeitraum unter Schmerzen, insbesondere beim Husten und Niesen gelitten. Anlässlich der gerichtlichen Befragung habe er zudem glaubhaft geltend gemacht, immer (wieder) einen Druck im Brustbein zu verspüren; seit kurzem habe er auch wieder Schmerzen beim Husten; vermutlich eine Verknorpelung. Gewisse Restbeschwerden würden demzufolge nach wie vor fortbestehen. Der Eingriff in die körperliche Integrität sei somit erheblich gewesen. Der lebensbedrohliche Angriff habe beim Privatkläger zweifellos auch psychische Folgen hinterlassen. Er habe sich ab dem 25. November 2020 in psychotherapeutische Behandlung begeben, welche nach eigenen Angaben rund fünf Monate gedauerte habe und nach Bedarf wieder aufgenommen werden könne. Ihm sei insbesondere eine Posttraumatische Belastungsstörung attestiert worden (vgl. AS 1274 ff.). Sein Sicherheits- und Selbstwertgefühl sei durch die Tat sicherlich erschüttert worden; er leide insbesondere unter Todesangst. Auch wenn die psychischen Folgen zum heutigen Zeitpunkt nicht vollständig absehbar seien, sei vorliegend nicht von einer konstant fortbestehenden Belastungssituation von vergleichbaren negativen Auswirkungen von erheblichem Ausmass auszugehen. So seien bspw. keine fortbestehenden Auswirkungen auf das Berufs- Privatleben eine erhebliche Veränderung der Lebensweise auszumachen.
2.5 Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Allerdings rechtfertigt sich in Anbetracht des direkten Tötungsvorsatzes und eines mittelschweren Verschuldens des Beschuldigten nun eine leicht höhere Genugtuung, als sie von der Vorinstanz gesprochen wurde. Eine Genugtuung von CHF 10'000.00 ist angesichts der dargelegten, konkreten Umstände angemessen und deshalb – in teilweiser Gutheissung der Anschlussberufung des Privatklägers – zuzusprechen. Die Mehrforderung des Privatklägers ist abzuweisen.
IX. Kosten und Entschädigungen
1. Erstinstanzliches Verfahren
1.1 Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kostenentscheid zu bestätigen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (exkl. Kosten der amtlichen Verteidigung) mit einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 16'260.00, hat der Beschuldigte zu bezahlen.
1.2 Die vorinstanzlich gesprochenen Entschädigungen sind der Höhe nach bereits in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund des Verfahrensausganges ist der vorinstanzliche Entscheid betreffend Rückforderung ebenfalls zu bestätigen.
2. Zweitinstanzliches Verfahren
2.1 Die Kosten des Berufungsverfahrens gehen ausgangsgemäss zu Lasten des Beschuldigten. Sie betragen mit einer Gerichtsgebühr von CHF 8'000.00 total CHF 8'710.00.
2.2 Der Privatkläger obsiegt mit dem Antrag im Schuldpunkt vollumfänglich und mit seinem Antrag auf eine höhere Genugtuung teilweise. Er hat Anspruch auf eine Parteientschädigung, die durch den Beschuldigten zu bezahlen ist. Gegen die Honorarnote von Rechtsanwalt Patrick Hasler (ASB 124 ff.), dem Vertreter von A.___, ist nichts einzuwenden. Die Parteientschädigung ist auf die verlangten CHF 2'648.90 (inkl. Auslagen und MWST) festzusetzen.
2.3 Der durch Rechtsanwalt Daniel R. Frey als früherer amtlicher Verteidiger des Beschuldigten mittels eingereichter Kostennote (ASB 28 ff.) geltend gemachte Aufwand von 7.98 Stunden erweist sich als angemessen. Die Entschädigung ist daher auf CHF 1'560.50 (inkl. Auslagen und MWST) festzusetzen und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 424.85 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde, inkl. MWST), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.
2.4 Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschuldigte, privat vertreten durch Advokat Christian von Wartburg, keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
Demnach wird in Anwendung von Art. 111 i.V.m. 22 Abs. 1 StGB; Art. 40, Art. 47, Art. 51 und Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB; Art. 41 ff. OR; Art. 126 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 lit. b und Abs. 3, Art. 135, Art. 267 Abs. 3, Art. 398 ff., Art. 428 Abs. 1 und 3, Art. 433 Abs. 1 lit. a, Art. 436 Abs. 1 StPO; festgestellt und erkannt: 1. Der Beschuldigte B.___ hat sich der versuchten vorsätzlichen Tötung, begangen am 17. September 2020, schuldig gemacht.
2. B.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren verurteilt.
3. B.___ werden 97 Tage Haft an die Freiheitsstrafe angerechnet.
4. B.___ wird für die Dauer von 10 Jahren des Landes verwiesen.
5. Die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben.
6. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 6 des Urteils des Richteramts Bucheggberg-Wasseramt vom 25. Februar 2022 (Urteil der Vorinstanz) sind die sichergestellten Kleidungsstücke und Schuhe von B.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) zufolge Verzichts nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten.
7. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 7 des Urteils der Vorinstanz sind die sichergestellten Kleidungsstücke von A.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) zufolge Verzichts nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten.
8. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des Urteils der Vorinstanz werden die sichergestellten Schuhe von A.___ (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) diesem nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils herausgegeben.
9. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 9 des Urteils der Vorinstanz sind folgende im Verfahren gegen B.___ sichergestellten Gegenstände (alle aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, Fachbereich Asservate) zufolge Verzichts des Berechtigten F.___ nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Polizei Kanton Solothurn zu vernichten: a) 1 buntes Küchentuch, b) 1 oranges T-Shirt; Marke: Nikin; Grösse: L.
10. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 10 des Urteils der Vorinstanz hat B.___ A.___ Schadenersatz von CHF 1'345.40, zuzüglich Zins zu 5 % seit 17. September 2020, zu bezahlen. Zur Geltendmachung seiner Mehrforderung wird A.___ auf den Zivilweg verwiesen.
11. B.___ wird gegenüber A.___ für allfälligen aus und im Zusammenhang mit der Straftat gemäss Ziffer 1 hiervor noch anfallenden Schaden bei einer Haftungsquote von 100 % dem Grundsatz nach für ersatzpflichtig erklärt.
12. B.___ hat A.___ eine Genugtuung von CHF 10'000.00, zuzüglich Zins zu 5 % seit 17. September 2020, zu bezahlen.
13. Die Parteientschädigung von A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, wurde für das erstinstanzliche Verfahren gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 13 des Urteils der Vorinstanz auf CHF 13'074.35 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist durch B.___ zu bezahlen.
14. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von B.___, Rechtsanwalt Daniel R. Frey, wurde für das erstinstanzliche Verfahren gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 14 des Urteils der Vorinstanz auf CHF 18'700.00 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und wurde zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn bezahlt. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 4'810.45 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde, inkl. MWST), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von B.___ erlauben.
15. Die Parteientschädigung von A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 2'648.90 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist durch B.___ zu bezahlen.
16. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von B.___, Rechtsanwalt Daniel R. Frey, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 1'560.50 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 424.85 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde, inkl. MWST), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von B.___ erlauben.
17. Bei diesem Verfahrensausgang hat B.___, privat vertreten durch Advokat Christian von Wartburg, keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
18. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 10'000.00, total CHF 16'260.00, hat B.___ zu bezahlen.
19. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 8'710.00, hat B.___ zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Marti Schmid |
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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