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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2022.47)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.47: Verwaltungsgericht

Zusammenfassung: In dem vorliegenden Fall geht es um den Vorwurf der Förderung der Prostitution und einfacher Körperverletzung gegen die Beschuldigte A.___. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 42 Monaten und die Herausgabe von beschlagnahmten Vermögenswerten an die Privatklägerin H.___. Die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin fordert zusätzlich Genugtuung und Schadensersatz. Der amtliche Verteidiger der Beschuldigten plädiert auf Freispruch und die Rückgabe der beschlagnahmten Gelder. Das Gericht berücksichtigt die Unschuldsvermutung und prüft die Beweise, darunter auch Indizien. Es müssen erhebliche Zweifel ausgeschlossen sein, um eine Verurteilung vorzunehmen. Die Beweiswürdigung basiert auf Glaubhaftigkeitsmerkmalen der Aussagen. Insgesamt wird die Schuld der Beschuldigten anhand der vorliegenden Beweise und Indizien geprüft, um ein gerechtes Urteil zu fällen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2022.47

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2022.47
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2022.47 vom 11.04.2023 (SO)
Datum:11.04.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Privatklägerin; Apos; Recht; Beschuldigten; Urteil; Staat; Urteils; Beruf; Prostitution; Berufung; Täter; Freiheit; Freiheitsstrafe; Gericht; Körper; Körperverletzung; Geldstrafe; Ziffer; Beweis; Vorinstanz; Bargeld; Förderung; Geschädigte; Verfahren; Gerichtskasse; Schaden; üglich
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ;Art. 10 StPO ;Art. 122 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 195 StGB ;Art. 267 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 335 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 382 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 40 StGB ;Art. 41 StGB ;Art. 416 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 43 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 50 StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:105 IV 225; 115 IV 286; 117 IV 7; 120 Ia 36; 133 I 33; 134 IV 1; 134 IV 97; 136 IV 1; 136 IV 55; 138 IV 120; 141 IV 244; 142 IV 265; 143 IV 361; 144 IV 217; 147 IV 241;
Kommentar:
Keller, Marti, Basler Kommentar [BSK], Art. 382 OR StPO, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2022.47

 
Geschäftsnummer: STBER.2022.47
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 11.04.2023 
FindInfo-Nummer: O_ST.2023.55
Titel: Förderung der Prostitution, einfache Körperverletzung

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 11. April 2023

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Werner

Oberrichterin Weber-Probst   

Gerichtsschreiberin Schenker

In Sachen

1.    Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anklägerin

2.    H.___, vertreten durch Rechtsanwältin Lea Leiser,

Privatanschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

 

betreffend     Förderung der Prostitution, einfache Körperverletzung


 

Zur Hauptverhandlung vom 11. April 2023, 08:30 Uhr, sind erschienen:

1.    [Die Staatsanwältin], für die Staatsanwaltschaft als Anklägerin;

2.    A.___, Beschuldigte und Berufungsklägerin;

3.    Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, amtlicher Verteidiger der Beschuldigten;

4.    [Rechtspraktikantin 1] bei RA Linganathan;

5.    [Rechtspraktikantin 2] bei RA Linganathan;

6.    Rechtsanwältin Lea Leiser, unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin und Privatanschlussberufungsklägerin H.___;

7.    [Eine Journalistin];

8.    [Eine Schülerin einer Kantonsschule] als Zuhörerin;

9.    [Ein Rechtspraktikant] des Obergerichts, als Zuhörer.

In Bezug auf die behandelten Vorfragen, die vorgenommenen Verfahrenshandlungen, die durchgeführte Einvernahme der Beschuldigten und die im Rahmen der Parteivorträge vorgetragenen Standpunkte wird auf das separate Protokoll der Hauptverhandlung vom 11. April 2023, das Einvernahmeprotokoll der Beschuldigten, die Tonaufnahme und die Plädoyernotizen in den Akten verwiesen.

Im Rahmen der Parteivorträge stellen und begründen die Parteien die folgenden Anträge:

[Die Staatsanwältin] für die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn als Vertreterin der Anklage:

1.    A.___ sei schuldig zu sprechen

a.   der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 lit. a und c StGB;

b.   der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB.

2.    A.___ sei zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten.

3.    Die ausgestandene Untersuchungshaft vom 17. September 2020 bis 1. Oktober 2020 sei an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

4.    Folgender beschlagnahmter Vermögenswert ist an die Privatklägerin herauszugeben:

Objekt                                                                                                     Aufbew. Ort

CHF 3'000.00 (Ausgehändigt durch A.___)                                            Gerichtskasse

5.    Folgende beschlagnahmten Vermögenswerte seien als unrechtmässiger Erlös einzuziehen evtl. an die Privatklägerin auszuhändigen:

Objekt                                                                                                     Aufbew. Ort

CHF 14'500.00 (Surrogat für [Sportwagen])                                           Gerichtskasse

CHF 1'500.00 (Sicherstellung aus Handtasche von C.___)      Gerichtskasse

6.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, sei durch das Gericht festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

7.    Die Verfahrenskosten seien A.___ aufzuerlegen.

 

Rechtsanwältin Lea Leiser als unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin bzw. Privatanschlussberufungsklägerin:

1.    A.___ sei im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.

2.    A.___ sei zu verurteilen, H.___ eine Genugtuung in Höhe von mindestens CHF 17'000.00 zuzüglich Zins von 5 % seit dem 16. Juli 2020 zu bezahlen.

3.    A.___ sei zu verpflichten, H.___ eine Entschädigung in Höhe von CHF 55'116.15 zuzüglich Zins von 5 % seit dem 16. Juli 2020 zu bezahlen. Für den übrigen, bis heute noch nicht bezifferbaren Schaden, welchen H.___ aus den Vorfällen gemäss Anklageschrift erlitten hat, sei die Beschuldigte zu 100 % haftbar zu erklären.

4.    Das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 3'000.00 sei H.___ herauszugeben. Die Zentrale Gerichtskasse sei anzuweisen, das Guthaben an H.___ nach Rechtskraft dieses Urteils zu überweisen.

5.    Die beschlagnahmten Vermögenswerte in Höhe von total CHF 16'000.00 seien sicherzustellen und an H.___ im Umfang ihrer Zivilforderungen zuzusprechen, in erster Linie zur festzusetzenden Schadenersatzforderung, in zweiter Linie zur festzusetzenden Genugtuung und zuletzt an die Zinsen. Die Zentrale Gerichtskasse sei anzuweisen, das Guthaben an H.___ nach Rechtskraft dieses Urteils zu überweisen. Im Gegenzug tritt H.___ ihre Forderung in diesem Umfang an den Staat ab.

6.    Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin sei gemäss Kostennote festzusetzen und zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu zahlen, zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Vorzubehalten sei der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie ein allfälliger Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin als Differenz zum vollen Honorar, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

7.    Die Kosten des Verfahrens seien der Beschuldigten aufzuerlegen.

 

Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan als amtlicher Verteidiger der Beschuldigten:

1.    Die Verurteilungen der Berufungsklägerin wegen Förderung der Prostitution, angeblich begangen in der Zeit von ca. anfangs Januar 2020 bis am 15. Juli 2020 und wegen einfacher Körperverletzung, angeblich begangen zwischen dem 24. Juni 2020 und dem 15. Juli 2020 (Urteilsdispositiv Ziffern 1 – 3) seien vollumfänglich aufzuheben und die Beschuldigte freizusprechen.

2.    Die DNA-Profile und die Daten der erkennungsdienstlichen Erfassung seien zur Löschung in Auftrag zu geben.

3.    Weiter seien die Ziffern 4 – 6 des Urteilsdispositivs aufzuheben und die beschlagnahmten Bargeldbeträge zu Gunsten der Berechtigten wieder freizugeben.

4.    Die Ziffern 7 – 10 des Urteilsdispositivs (Schadenersatz, Genugtuung und Parteientschädigung) seien vollumfänglich aufzuheben.

5.    Die gemäss Ziffern 11 und 12 des Urteilsdispositivs auferlegte Rückzahlungs- und Nachzahlungspflicht seien aufzuheben und die Kosten der amtlichen Verteidigung endgültig der Staatskasse aufzuerlegen.

6.    Die erstinstanzliche Kostenauferlegung gemäss Ziffer 13 des Urteilsdispositivs sei aufzuheben und die gesamten Verfahrenskosten der Staatskasse aufzuerlegen.

7.    Der Berufungsklägerin sei eine Genugtuung in der Höhe von mindestens CHF 5'000.00 zu Lasten der Staatskasse zuzusprechen.

8.    Die eingereichte Honorarnote der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren sei zu genehmigen.

9.    Die Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren (inklusive Kosten der amtlichen Verteidigung) seien endgültig auf die Staatskasse zu nehmen.

10.  Die Anschlussberufung der Privatklägerin sei, unter Kostenfolgen, abzuweisen.

 

Zur mündlichen Urteilseröffnung vom 12. April 2023, 11:00 Uhr, erscheinen mit Ausnahme der beiden Rechtspraktikantinnen von Rechtsanwalt Rajeevan Linganthan sämtliche Beteiligten wie anlässlich der Hauptverhandlung.

 

 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Wie der Strafanzeige vom 14. November 2020 entnommen werden kann, trat die zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Privatanschlussberufungsklägerin (nachfolgend Privatklägerin genannt), H.___, am 21. April 2020 anlässlich einer gezielten Kontrolle im Rotlicht-Milieu polizeilich in Erscheinung (Akten der Staatsanwaltschaft [zitiert Register / konkrete Seitenzahl], Reg. 2.1.1. / pag. 003). Am 22. April 2020 sagte die Privatklägerin in diesem Zusammenhang aus, sie gehe aus freien Stücken (seit Beginn des Jahres 2020) der Prostitution nach (Reg. 5.1.1. / pag. 002). Sie sei eine Frau und habe eben auch ihre (sexuellen) Bedürfnisse, die sie nun halt zu Geld mache.

 

2. Am 16. Juli 2020 meldete sich die damals 17-jährige Privatklägerin auf dem Regio-nenposten Solothurn (Reg. 1.3. / pag. 001, Reg. 2.1.1. / pag. 003 und Reg. 3.1. / pag. 001). Sie wies Brandverletzungen auf und gab an, dass ihr diese von der Freundin ihres Bruders, A.___, zugefügt worden seien, weil sie nicht befolgt habe, was diese von ihr verlangt habe (Reg. 3.1. / pag. 001 ff.).

 

3. Am 20. Juli 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (nachfolgend Staatsanwaltschaft genannt) eine Strafuntersuchung betreffend einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB) und Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) gegen Unbekannt (Reg. 12.1.1. / pag. 001).

 

4. Gleichentags wurde durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein Rechtsanwältin Eveline Roos als Prozessbeiständin von H.___ eingesetzt (Reg. 12.1.3.1. / pag. 002 f.).

 

5. Am 23. Juli 2020 wurde die Privatklägerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung durch die Staatsanwaltschaft als Opfer bzw. Zeugin einvernommen (Videoaufzeichnung; Reg. 10.2.1. / pag. 002 ff.).

 

6. Am 24. Juli 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen A.___ eine Untersuchung betreffend einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB) und Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) (Reg. 12.1.1. / pag. 002).

 

7. Am 17. September 2020 erfolgte eine Hausdurchsuchung in der 4.5-Zimmerwohnung [an der Adresse] in [Ort 1], wo die Beschuldigte mit ihrem damaligen Freund und heutigen Ehemann, B.___ (Bruder der Privatklägerin), den zwei gemeinsamen Kleinkindern, der Privatklägerin sowie deren Mutter C.___ lebte. Dabei wurden das Handy der Beschuldigten, Bargeld von CHF 1'500.00, diverse Unterlagen sowie ein [Sportwagen] sichergestellt (Reg. 12.2. / pag. 004 ff.). Im Anschluss an die Hausdurchsuchung händigte die Beschuldigte den Untersuchungsbehörden zudem Bargeld in Höhe von CHF 3'000.00 aus (in einem Couvert), wobei sie angab, dieses Geld gehöre der Privatklägerin (Reg. 2.1.1. / pag. 004). Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan wurde als amtlicher Verteidiger der Beschuldigten eingesetzt (Reg. 12.1.3.3. / pag. 001).

 

8. Gleichentags wurde die Beschuldigte vorläufig festgenommen (Reg. 12.3.1. / pag. 002 ff.) und mit Entscheid des Haftgerichts vom 18. September 2020 für zwei Wochen in Untersuchungshaft versetzt (Reg. 12.3.1. / pag. 078 ff.).

 

9. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2020 wurde die Beschuldigte durch die Staatsanwaltschaft aus der Untersuchungshaft entlassen (Reg. 12.3.1. / pag. 085).

 

10. Mit Verfügung vom 4. Januar 2021 wurde der am 17. September 2020 sichergestellte [Sportwagen] durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt (Reg. 12.2. / pag. 045 f.). Diese Beschlagnahme wurde mit Beschluss der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 29. März 2021 bestätigt (BKBES.2021.12; Reg. 12.4.1. / pag. 054 ff.). Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.

 

11. Am 20. Mai 2021 hinterlegte B.___ ([…] seit […] Ehemann der Beschuldigten) zwecks Auslösung des beschlagnahmten [Sportwagens] den Betrag von CHF 14'500.00 bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn. Die von B.___ einbezahlten CHF 14'500.00 (Surrogat für [Sportwagen]) wurden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 28. Mai 2021 beschlagnahmt (Reg. 12.2. / pag. 047 f.); das Fahrzeug wurde später ausgehändigt.

 

12. Mit detaillierter Eröffnungsverfügung vom 12. Juli 2021 eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung betreffend Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. a und c StGB) und einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB) gegen die Beschuldigte (Reg. 12.1.1. / pag. 003 f.).

 

13. Mit Anklageschrift vom 19. August 2021 erhob die Staatsanwaltschaft gegen die Beschuldigte Anklage betreffend Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. a und c StGB) und einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB), eventualiter einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB).

 

14. Mit Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 13. Oktober 2021 wurde die Hauptverhandlung auf den 26. Januar 2022 angesetzt (Akten Richteramt Thal-Gäu Seiten [nachfolgend ASTG] 007 f.).

 

15. Mit Eingabe vom 3. November 2021 beantragte B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, die Herausgabe des beschlagnahmten Betrages von CHF 14'500.00 sowie die Ausrichtung einer Parteientschädigung von CHF 6'527.85, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (ASTG 015 f.). Die Privatklägerin sowie die Staatsanwaltschaft schlossen mit Eingaben vom 30. November 2021 (ASTG 027 f.) bzw. 13. Dezember 2021 (ASTG 029 f.) auf Abweisung des Herausgabebegehrens.

 

16. Am 26. Januar 2022 fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht von Thal-Gäu statt (ASTG 041 ff.). Gleichentags fällte das Amtsgericht von Thal-Gäu folgendes Urteil (ASTG 143 ff.):

 

1.      A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht:

a)  der Förderung der Prostitution, begangen in der Zeit von ca. anfangs Januar 2020 bis am 15. Juli 2020;

b)  der einfachen Körperverletzung z.N. von H.___, begangen zwischen dem 24. Juni 2020 und 15. Juli 2020.

2.      A.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten verurteilt.

3.      Die vom 17. September 2020 bis am 1. Oktober 2020 ausgestandene Untersuchungshaft (total 15 Tage) wird an die Freiheitsstrafe angerechnet.

4.      Das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 3’000.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) ist H.___ herauszugeben. Die Zentrale Gerichtskasse wird angewiesen, das Guthaben an H.___ nach Rechtskraft des Urteils zu überweisen.

5.      Das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 1’500.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) wird als unrechtmässiger Vermögensvorteil eingezogen und der Privatklägerin H.___ zur Deckung ihrer Schadenersatzforderung gegen die Beschuldigte zugesprochen. Die Zentrale Gerichtskasse wird angewiesen, das Guthaben an H.___ nach Rechtskraft des Urteils zu überweisen. Im Gegenzug tritt H.___ ihre Forderung in diesem Umfang an den Staat ab.

6.      Das beschlagnahmte Bargeld von CHF 14'500.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) wird als unrechtmässiger Vermögensvorteil eingezogen und der Privatklägerin H.___ zur Deckung ihrer Schadenersatzforderung gegen die Beschuldigte zugesprochen. Die Zentrale Gerichtskasse wird angewiesen, das Guthaben an H.___ nach Rechtskraft des Urteils zu überweisen. Im Gegenzug tritt H.___ ihre Forderung in diesem Umfang an den Staat ab.

7.      A.___ hat der Privatklägerin H.___ eine Genugtuung von CHF 12'000.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020 zu bezahlen.

8.      A.___ hat der Privatklägerin H.___ einen Schadenersatz von CHF 48'665.45 nebst Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020 zu bezahlen.

9.      A.___ wird gegenüber H.___ für alle Schadenersatzansprüche aus der Förderung der Prostitution sowie der einfachen Körperverletzung dem Grundsatz nach zu 100% haftbar erklärt. 

10.   A.___ hat H.___, vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos, für den Aufwand vom 22. Juli 2020 bis 6. Juni 2021 eine Parteientschädigung von CHF 5'920.75 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

11.   Für den Aufwand ab 7. Juni 2021 wird die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von H.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, auf CHF 4'705.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat Solothurn zu zahlen. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 4'075.70 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

12.   Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, wird auf CHF 17'213.15 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt, und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu zahlen, zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).

13.   Die übrigen Verfahrenskosten, mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 12'400.00, hat A.___ zu bezahlen.

 

17. Am 4. Februar 2022 liess die Beschuldigte Berufung anmelden (ASTG 155).

 

18. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils erklärte die Beschuldigte am 23. Mai 2022 die Berufung (Akten Berufungsverfahren Seiten [nachfolgend ASB] 001 ff.). Diese richtet sich gegen die Schuldsprüche wegen Förderung der Prostitution und einfacher Körperverletzung und die damit verbundene Sanktion, gegen die Herausgabe bzw. Zusprechung der beschlagnahmten Bargelder an die Privatklägerin, gegen die Verpflichtung zur Bezahlung einer Genugtuung, eines Schadenersatzes und einer Parteientschädigung an die Privatklägerin, gegen die Haftbarerklärung, gegen den Rückforderungs- sowie Nachzahlungsvorbehalt sowie gegen die Kostenauferlegung. Die Beschuldigte beantragt einen vollumfänglichen Freispruch, die Löschung der DNA-Profile und der Daten der erkennungsdienstlichen Erfassung, die Freigabe der beschlagnahmten Bargeldbeträge sowie eine Genugtuung in der Höhe von CHF 5'000.00, dies unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

19. Mit Eingabe vom 30. Mai 2022 teilte die Staatsanwaltschaft mit, auf eine Anschlussberufung zu verzichten (ASB 019).

 

20. Am 20. Juni 2022 erklärte die Privatklägerin die Anschlussberufung (ASB 021 f.). Mit dieser beantragt die Privatklägerin die Aussprechung einer höheren Genugtuung und eines höheren Schadenersatzes.

 

21. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 30. Juni 2022 wurden B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, und dessen Mutter, C.___, je eine Kopie der Berufungserklärung der Beschuldigten sowie der Anschlussberufung der Privatklägerin zugestellt (ASB 026 f.). Zudem wurde auf Ersuchen von Rechtsanwältin Eveline Roos deren Mitarbeiterin, Rechtsanwältin Lea Leiser, als neue unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin bestellt.

 

22. Mit Eingabe vom 21. Juli 2022 liess B.___ mitteilen, auf eine Anschlussberufung zu verzichten (ASB 032). Auch von C.___ ging keine Anschlussberufung ein.

 

23. Am 20. Januar 2023 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung auf den 11. April 2023 vorgeladen (ASB 038 f.).

 

24. Mit Eingabe vom 10. März 2023 liess die Beschuldigte dem Obergericht aktuelle Unterlagen zu ihren finanziellen Verhältnissen (Lohnausweis 2022, Lohnabrechnungen Aug. – Nov. 2022 sowie Steuerveranlagung 2021) zukommen (ASB 052 ff.).

 

25. Am 31. März 2023 beantragte die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin, es sei anlässlich der Hauptverhandlung vom 11. April 2023 und der Urteilseröffnung vom 12. April 2023 eine Begegnung derselben mit der Beschuldigten zu vermeiden (ASB 068 f.). Mit Verfügung vom 4. April 2023 hiess der Instruktionsrichter diesen Antrag gut (ASB 070). Mit Eingabe vom 6. April 2023 beantragte die Rechtsbeiständin schliesslich die gänzliche Dispensation der Privatklägerin (ASB 071), was mit Verfügung vom 5. April 2023 gutgeheissen wurde (ASB 072).

 

 

II. Eintretensfrage und Gegenstand des Berufungsverfahrens

 

1. Rechtsmittellegitimation

 

1.1. Die Beschuldigte verlangt mit Berufungserklärung vom 23. Mai 2022 unter anderem, die Ziffern 4 bis 6 des angefochtenen Urteils seien aufzuheben und die beschlagnahmten Bargeldbeträge (CHF 3'000.00, CHF 1'500.00 und CHF 14'500.00) seien zu Gunsten der Beschuldigten wieder freizugeben.

 

1.2. Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich zur Frage des Eintretens auf die Berufung der Beschuldigten hinsichtlich der beschlagnahmten Bargeldbeträge zu äussern. Sie stellten jeweils keinen konkreten Antrag auf Nichteintreten, sondern verwiesen auf ihre jeweiligen Ausführungen im Plädoyer.

 

Die Staatsanwaltschaft brachte vor, die beschlagnahmten Bargelder in Höhe von CHF 3'000.00 seien von der Beschuldigten an die Polizei herausgegeben worden mit den Worten, dies sei das Geld der Privatklägerin. Dass die Beschuldigte nun den Entscheid der Vorinstanz aufheben lassen wolle, welcher sich genau auf diese Aussage abgestützt habe, verdeutliche, dass es der Beschuldigten nur ums Geld bzw. den eigenen Vorteil gehe. Sie habe keinerlei Berechtigung an diesem Geld. Auch nicht am beschlagnahmten [Sportwagen]: Dieser habe dem Bruder der Privatklägerin bzw. dem Freund der Beschuldigten gehört. Er habe das Geld einbezahlt. Es wäre somit an ihm gewesen, ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen, mit welchem ihm die Berechtigung abgesprochen worden sei. Darauf habe er jedoch verzichtet. Schliesslich seien auch die weiteren CHF 1'500.00 nicht bei der Beschuldigten, sondern vielmehr bei der Mutter der Privatklägerin sichergestellt worden. Auch diese habe die Möglichkeit gehabt, sich am Verfahren zu beteiligen; auch sie habe dies nicht gewollt. Keiner der Beteiligten habe im bisherigen Verfahren jemals beantragt, dass ihnen das beschlagnahmte Geld herauszugeben sei. Das Geld könne somit nicht einfach ohne Weiteres der Beschuldigten herausgegeben werden.

 

Die Privatklägerin verweist zur Begründung ihrer Anträge auf das Urteil der Vorinstanz. Der Bargeldbetrag von CHF 3'000.00, welcher in einem Couvert im Elternhaus der Beschuldigten gefunden worden sei, sei der Privatklägerin gestützt auf Art. 267 Abs. 1 StPO auszuhändigen. Die CHF 1'500.00 aus der Handtasche der Mutter und der Betrag von CHF 14'500.00 für den [Sportwagen] seien einzuziehen und gestützt auf Art. 73 Abs. 1 lit. b StGB der Geschädigten zuzusprechen.

 

Die Beschuldigte wiederum präzisiert ihre ursprünglich gestellten Anträge dahingehend, als dass die Ziffern 4 – 6 des Dispositivs des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben und die beschlagnahmten Bargeldbeträge zu Gunsten der Berechtigten wieder freizugeben seien. Auf spezifische Ausführungen zur Begründung dieser Anträge wurde verzichtet.

 

1.3. Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Die Legitimation ist Eintretensvoraussetzung für den Rechtsmittelentscheid; andernfalls ergeht ein Prozessurteil. Das vorausgesetzte rechtlich geschützte Interesse bezieht sich nicht auf den Schutzzweck einer Norm, sondern auf die notwendige Beschwer der betreffenden Partei. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Verfahrensrecht selbst grundsätzlich dem Schutz der Parteien dient (Martin Ziegler/Stefan Keller, in: Basler Kommentar [BSK], Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 2. Auflage 2014, N 1 zu Art. 382 StPO).

 

Voraussetzung für die Ergreifung eines Rechtsmittels ist in jedem Fall ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheides. Ein solches ergibt sich daraus, dass die betreffende Person durch den angefochtenen Entscheid unmittelbar in ihren Rechten betroffen, d.h. beschwert ist; eine blosse (mittelbare faktische) Reflexwirkung genügt demgegenüber nicht (Viktor Lieber, in: Andreas Donatsch/Viktor Lieber/Sarah Summers/Wolfgang Wohlers [Hrsg.], Kommentar StPO, 3. Auflage 2020, N. 7 zu Art. 382 StPO).

 

1.4. Subsumtion

 

1.4.1. Im Zusammenhang mit dem beschlagnahmten Bargeld im Betrag von CHF 3'000.00 (Ziffer 4 des angefochtenen Urteils) ist auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft abzustellen. Es ist festzuhalten, dass die Beschuldigte bereits anlässlich der Hausdurchsuchung, in deren Anschluss sie den Untersuchungsbehörden das fragliche Bargeld in Höhe von CHF 3'000.00 aushändigte, angab, dieses Geld gehöre der Privatklägerin (Reg. 2.1.1. / pag. 004), was sie in der Hafteinvernahme vom 17. September 2020 mehrfach wiederholte (Reg. 12.3.1. / pag. 013 f., 017 und 018). Dasselbe gab C.___ zu Protokoll (Reg. 10.2.2. / pag. 010 f.). Die Beschuldigte machte weder im Vorverfahren noch vor der Vorinstanz je geltend, das betreffende Bargeld im Betrag von CHF 3'000.00 gehöre ihr. Sie hat ihr Eigentum daran nicht einmal behauptet, geschweige denn dargetan. Auch anlässlich der Berufungsverhandlung verzichtet sie auf weitergehende Ausführungen dazu. Inwiefern die Beschuldigte in diesem Punkt sonstwie zur Berufung berechtigt wäre, legt sie nicht dar. Sie bleibt demzufolge durch die Herausgabe des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 3'000.00 an die Privatklägerin in ihren Rechtsgütern unberührt, womit sie diesbezüglich nicht beschwert ist bzw. kein rechtlich geschütztes Interesse hat. Mangels Rechtsmittellegitimation der Beschuldigten ist auf die Berufung in diesem Punkt nicht einzutreten.

 

1.4.2. Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 1'500.00 (Ziffer 5 des angefochtenen Urteils). Bereits im HD-Protokoll (Reg. 12.2. / pag. 006) ist als Inhaberin der fraglichen CHF 1'500.00, welche in der Handtasche von C.___ festgestellt wurden, nicht die Beschuldigte, sondern deren Schwiegermutter C.___ aufgeführt. In ihrer Einvernahme vom 25. September 2020 gab die Beschuldigte zu Protokoll, dieses Bargeld gehöre – wie die Tasche selbst – ihrer Schwiegermutter C.___ (Reg. 10.1. / pag. 009). Letztere hat dies bestätigt (Reg. 10.2.2. / pag. 010). Dass die Beschuldigte je Eigentümerin Besitzerin des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 1'500.00 gewesen wäre, wurde von dieser während des gesamten Verfahrens gar nie geltend gemacht. Im Gegenteil sagte die Beschuldigte aus, das besagte Bargeld gehöre ihrer Schwiegermutter. C.___ war im Verfahren vor der Vorinstanz denn auch beschwerte Dritte im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO und hätte an der Hauptverhandlung teilnehmen können (ASTG 005 ff.). C.___ wurde das Urteil der Vorinstanz zugestellt (GU-Online), in der Folge erhielt sie – wie unter Ziffer I./21. hiervor ausgeführt – auch eine Kopie der Berufungserklärung und der Anschlussberufung. Sie wäre in Bezug auf die Einziehung des beschlagnahmten Bargeldes zur Ergreifung eines Rechtsmittels legitimiert gewesen, verzichtete auf ein solches indes.

 

Die Beschuldigte hingegen bleibt durch die Zusprechung des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 1'500.00 an die Privatklägerin in ihren Rechtsgütern unberührt. Sie hat in diesem Zusammenhang kein rechtlich geschütztes Interesse und ist zur Ergreifung eines Rechtsmittels folglich nicht berechtigt. Auch in diesem Punkt ist auf die Berufung nicht einzutreten.

 

1.4.3. Bezüglich des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 14'500.00 (Ziffer 6 des angefochtenen Urteils) ist festzuhalten, dass dieses Geld von B.___ stammt. So zahlte dieser, nachdem er gegen die Beschlagnahme des von ihm am 16. Juni 2020 gekauften [Sportwagens] erfolglos Beschwerde eingereicht hatte (s. dazu Reg. 12.4.1. / pag. 001 ff.), am 20. Mai 2021 den Betrag von CHF 14'500.00 bei der Gerichtskasse ein, worauf die von ihm einbezahlten CHF 14'500.00 mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 28. Mai 2021 beschlagnahmt wurden (das fragliche Fahrzeug [Sportwagen] wurde ihm später ausgehändigt; Reg. 12.2. / pag. 047 f.). Folgerichtig war B.___ – wie seine Mutter C.___ – im Verfahren vor der Vorinstanz beschwerter Dritter im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO (ASTG 005, 007 f. und 014 ff.). So verlangte er am 3. November 2021 als beschwerter Dritter – wie unter Ziffer I./15. hiervor ausgeführt – die Herausgabe der von ihm einbezahlten und anschliessend beschlagnahmten CHF 14'500.00. B.___, damals noch vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, wurden das Urteil der Vorinstanz und später auch eine Kopie der Berufungserklärung und Anschlussberufung zugestellt. Er reichte im Zusammenhang mit der Einziehung der fraglichen CHF 14'500.00 weder eine Berufung noch eine Anschlussberufung ein, obwohl er dazu legitimiert gewesen wäre.

 

Die Beschuldigte dagegen bleibt in ihren Rechtsgütern auch hier unberührt. Sie machte nie geltend, je Eigentümerin Besitzerin des beschlagnahmten Bargeldes im Betrag von CHF 14'500.00 gewesen zu sein bzw. etwas damit zu tun gehabt zu haben, und sie legte auch in keiner Weise dar, inwiefern sie sonstwie in dieser Sache zur Berufung berechtigt wäre. Sie ist diesbezüglich nicht beschwert – eine allfällige blosse Reflexwirkung genügte nicht – und sie hat kein rechtlich geschütztes Interesse an einem Rechtsmittel. Ebenso wenig ist die Beschuldigte berechtigt, im Namen von C.___ B.___ die Herausgabe der Gelder zu verlangen. Demzufolge ist mangels Legitimation der Beschuldigten auch in diesem Punkt auf die Berufung nicht einzutreten.

 

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens, bestrittene Vorhalte

 

2.1. In Rechtskraft erwachsen sind nach dem unter Ziffer II./1.4. Gesagten Ziffer 4 des vorinstanzlichen Urteils (Herausgabe von CHF 3'000.00 an die Privatklägerin), Ziffer 5 (Einziehung und Zusprechung von CHF 1'500.00 an die Privatklägerin), Ziffer 6 (Einziehung und Zusprechung von CHF 14'500.00 an die Privatklägerin) sowie die Ziffern 11 und 12 (Entschädigungen der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von H.___ und des amtlichen Verteidigers der Höhe nach [mit Ausnahme des Rückforderungsanspruches des Staates sowie des Nachzahlungsanspruches bezüglich der Entschädigungen der unentgeltlichen Rechtsbeiständin und des Rückforderungsanspruches des Staates bezüglich der Entschädigung des amtlichen Verteidigers]).

 

2.2. Das Berufungsgericht hat somit folgende, von der Beschuldigten bestrittene Vorhalte gemäss Anklageschrift (nachfolgend AnklS) vom 19. August 2021 zu beurteilen:

 

AnklS Ziffer 1: Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. a und c StGB)

begangen zwischen mindestens ca. November 2019 evtl. anfangs Januar 2020 und dem 15. Juli 2020, in [Ort 1 ZH], [Ort 2 ZH], [Ort 2], [Ort 3], [Ort 1], [Ort 4], [Ort 5], [Ort 6], [Ort 7], [Ort 8] sowie evtl. anderswo in der Schweiz, indem die Beschuldigte das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von H.___ ([alias «H»]), die im fraglichen Zeitpunkt noch minderjährig war (Geburtsdatum: [...]), worum die Beschuldigte auch wusste, insofern verletzte, als sie diese zwecks Erlangung eines Vermögensvorteils in der Prostitution förderte. Konkret verfasste sie teilweise die Internetwerbung für die Privatklägerin, gab ihr Anweisungen für die Erstellung der Inserate-Fotos, kommunizierte teilweise via Mail mit den Freiern und vereinbarte dabei Termine wie auch Preise, drängte sie dazu mehr Freier zu bedienen und nahm ihr die gesamten Einnahmen ab. Weiter beschränkte sie die Handlungsfreiheit der Geschädigten, indem sie sie verpflichtete

-       sich so zu schminken, dass sie älter wirkt, und sich aufreizend anzuziehen,

-       sexuelle Dienstleistungen auch ungeschützt zu erbringen,

-       auch bei Menstruation und Krankheit anzuschaffen,

-       die Beschuldigte über die Einnahmen zu orientieren,

-       in der Regel mindestens CHF 1'000.00 pro Tag zu erarbeiten;

-       die gesamten Einnahmen an sie resp. bei Abwesenheit an B.___ abzugeben sowie

-       sich anlässlich von Polizeikontrollen resp. im Kontakt mit Behörden gemäss Anweisungen zu verhalten und anzugeben, dass sie sich selbständig und aus freien Stücken prostituiere.

 

AnklS Ziffer 2: Einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB) evtl. einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB)

begangen an einem nicht näher bestimmbaren Datum zwischen ca. Ende Juni 2020 (jedenfalls nach dem 23. Juni 2020) und Mitte Juli 2020 (mutmasslich vor dem 5. Juli 2020), in [Ort 1], [an der Adresse], Domizil der Beschuldigten sowie des Opfers, zum Nachteil der im gleichen Haushalt lebenden minderjährigen H.___, indem die Beschuldigte der Geschädigten vorsätzlich mit dem heissen Rand eines Feuerzeugs – und damit mit einem gefährlichen Gegenstand – an den Oberschenkeln, am Rücken, am Rande des Intimbereichs sowie am Hals insgesamt eine Vielzahl von Verbrennungen zufügte und sie damit am Körper verletzte, so dass die Verbrennungen auch nach mehreren Wochen noch gut sichtbar waren. Dabei drückte sie die Geschädigte zumindest zeitweise zu Boden resp. setzte sich auf sie, wobei die Geschädigte aufgrund der gesamten Umstände wie auch aufgrund der körperlichen Unterlegenheit nicht in der Lage war, sich zu wehren.

 

Damit zusammenhängend bildet die mit den angefochtenen Schuldsprüchen verbundene Sanktion Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ebenso die Verpflichtung der Beschuldigten zur Bezahlung einer Genugtuung, eines Schadenersatzes und einer Parteientschädigung an die Privatklägerin, die Haftbarerklärung der Beschuldigten, der Rückforderungs- sowie Nachzahlungsvorbehalt sowie die Kostenauferlegung an die Beschuldigte. Verbunden mit dem beantragten Freispruch verlangt die Beschuldigte schliesslich die Löschung der DNA-Profile und der Daten der erkennungsdienstlichen Erfassung.

 

 

III. Sachverhalt und Beweiswürdigung

 

1. Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. a und c StGB; AnklS Ziffer 1)

 

1.1. Allgemeines zur Beweiswürdigung

 

1.1.1. Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime „in dubio pro reo“ ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff, 127 I 40 f.) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.

 

Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).

 

1.1.2. Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweis-würdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): Es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.

 

1.1.3. Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2016 vom 01.06.2017 E. 2.4., nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 04.08.2009 E. 2.3.; je mit Hinweisen).

 

1.1.4. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Aussage auf Glaubhaftigkeitsmerkmale bzw. Lügensignale hin zu analysieren. Die Aussage ist gestützt auf eine Vielzahl von inhaltlichen Realkennzeichen zu beurteilen, wobei zwischen inhaltlichen Merkmalen (Aussagedetails, Individualität, Verflechtung), strukturellen Merkmalen (Strukturgleichheit, Nichtsteuerung, Widerspruchsfreiheit bzw. Homogenität) sowie Wiederholungsmerkmalen (Konstanz, Erweiterung) unterschieden wird. Das Vorliegen von Realitätskriterien bedeutet, dass die betreffende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit über erlebnisfundierte Geschehnisse berichtet. Zwar besitzt jedes Realitätskriterium für sich allein betrachtet meist nur eine geringe Validität, die Gesamtschau aller Indikatoren kann jedoch einen wesentlich höheren Indizwert für die Glaubhaftigkeit der Aussage haben, wobei sie in der Regel in solchen mit realem Erlebnishintergrund signifikanter und ausgeprägter vorkommen als in solchen ohne. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3.). Im Bereich rechtfertigender Tatsachen trifft den Beschuldigten eine gewisse Beweislast. Seine Behauptungen müssen plausibel sein; es muss ihnen eine gewisse Überzeugungskraft zukommen. Zumindest bedarf die Behauptung des Beschuldigten gewisser Anhaltspunkte, sei es in Form konkreter Indizien einer natürlichen Vermutung für seine Darstellung, damit sie als Entlastungstatsache dem Urteil zugrunde gelegt wird. Wenn die belastenden Beweise nach einer Erklärung rufen, welche der Beschuldigte geben können müsste, dies jedoch nicht tut, darf nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes der Schluss gezogen werden, es gebe keine mögliche Erklärung und er sei schuldig. Nichts Anderes kann gelten, wenn er zwar eine Erklärung gibt, diese aber unglaubhaft gar widerlegt ist. Der Grundsatz "in dubio pro reo" zwingt somit nicht dazu, jede entlastende Angabe des Beschuldigten, für deren Richtigkeit Unrichtigkeit kein spezifischer Beweis vorhanden ist, als unwiderlegt zu betrachten. Nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung braucht durch einen hieb- und stichfesten Beweis widerlegt zu werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20.12.2011 E. 1.6. und 6B_562/2010 vom 28.10.2010 E. 2.1.).

 

1.2. Beweiswürdigung und massgebender Sachverhalt

 

1.2.1. Nach Art. 82 Abs. 4 StPO kann das Gericht im Rechtsmittelverfahren für die tatsächliche (und die rechtliche) Würdigung des angeklagten Sachverhalts aus Gründen der Prozessökonomie auf die Begründung der Vorinstanz verweisen, wenn es dieser beipflichtet. Auf neue tatsächliche rechtliche Vorbringen, die erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden, ist einzugehen. Vom Instrument der Verweisung ist zurückhaltend Gebrauch zu machen, da andernfalls bei der das Rechtsmittel ergreifenden Person der Eindruck entstehen kann, die Rechtsmittelinstanz setze sich mit ihren Vorbringen nicht auseinander (vgl. Nils Stohner, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N 9 zu Art. 82 StPO). Bei strittigen Sachverhalten und Beweiswürdigungen kommt ein Verweis nur dann in Frage, wenn die Rechtsmittelinstanz den vorinstanzlichen Erwägungen vollumfänglich beipflichtet (BGE 141 IV 244 E. 1.2.3., m.w.Verw.).

 

1.2.2. Die Vorinstanz hat in ihrem Urteil vom 26. Januar 2022 die Aussagen der Privatklägerin H.___ (staatsanwaltschaftliche Einvernahmen als Opfer vom 23.07.2020 [Reg. 10.2.1. / Pag. 002 ff.] und vom 01.10.2020 [Reg. 10.2.1. / pag. 038 ff., in Anwesenheit der Beschuldigten und des amtlichen Verteidigers], gerichtliche Einvernahme als Auskunftsperson vom 26.01.2022 [ASTG 049 ff.]) korrekt und ausführlich wiedergegeben (angefochtenes Urteil Ziffer [nachfolgend Urteil Ziff.] II./2.2.2.). Sodann nahm die Vorinstanz eine sorgfältige Würdigung der Aussagen der Privatklägerin vor, wobei sie auch auf Ungenauigkeiten, (scheinbare) Widersprüche und Auffälligkeiten in den verschiedenen Aussagen einging (Urteil Ziff. II./2.3.). Dasselbe gilt für die Aussagen der Beschuldigten (Urteil Ziff. II./2.4.) und jene von B.___ (Urteil Ziff. II./2.5.), C.___ (Urteil Ziff. II./2.6.) und der Mutter der Beschuldigten, D.___ (Urteil Ziff. II./2.7.). Die Vorinstanz zeigte – auch unter Bezugnahme auf die vorhandenen objektiven Beweismittel, insbesondere den WhatsApp-Verkehr zwischen der Beschuldigten und der Privatklägerin sowie den E-Mail-Verkehr mit den Freiern (Urteil Ziff. II./2.8. f.) – schlüssig und zutreffend auf, dass (und weshalb) auf die Aussagen der Privatklägerin abgestellt werden kann, nicht hingegen auf jene der Beschuldigten und von deren Ehemann und Schwiegermutter. Die Vorinstanz setzte sich mit den fraglichen Beweismitteln eingehend und kritisch auseinander und analysierte auch die finanzielle Situation der Familie H.___/A.___ im Tatzeitraum eingehend und zutreffend (Urteil Ziff. II./2.10.). Die vorinstanzliche Beweiswürdigung überzeugt nicht nur mit Blick auf das Ergebnis, sondern insbesondere auch in Bezug auf die detaillierte Begründung. Ihr ist vollumfänglich beizupflichten.

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung beschränkte sich die Beschuldigte darauf, die vor der Vorinstanz vorgebrachten Entgegnungen zu wiederholen und ihren Ehemann als potentiellen Täter zu bezichtigen. Vor Obergericht vermochte die Beschuldigte somit keine neuen Argumente darzulegen, welche die Auffassung und Würdigung der Vorinstanz als unzutreffend erscheinen liessen. Demzufolge kann für die tatsächliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die vorinstanzliche Begründung verwiesen werden. Diese ist umfassend zu bestätigen.

 

1.2.3. Nach dem Gesagten ist – gestützt auf die Akten und bezugnehmend auf die Begründung der Vorinstanz – folgender Sachverhalt als erstellt zu erachten:

 

Die Beschuldigte verfasste teilweise die Internetwerbung für die Privatklägerin, gab dieser Anweisungen für die Erstellung von Inserate-Fotos, kommunizierte teilweise via E-Mail mit den Freiern und vereinbarte dabei Termine und Preise für die Geschädigte, trieb diese immer wieder an, mehr Freier zu bedienen, und nahm ihr die gesamten Einnahmen ab. Weiter hat die Beschuldigte die Geschädigte verpflichtet, sich so zu schminken, dass sie älter wirkt, und sich aufreizend anzuziehen, sexuelle Dienstleistungen auch ungeschützt und bei Krankheit Menstruation zu erbringen, die Beschuldigte über die Einnahmen zu orientieren, mindestens CHF 1'000.00 pro Tag zu erzielen, die gesamten Einnahmen an sie bzw. bei Abwesenheit an ihren Bruder B.___ abzugeben sowie sich anlässlich von Polizeikontrollen bzw. im Kontakt mit Behörden gemäss Anweisungen zu verhalten und anzugeben, dass sie sich selbständig und aus freien Stücken prostituiere. Dabei ist von einem Deliktszeitraum von Anfang Januar 2020 bis zum 15. Juli 2020 auszugehen.

 

2. Einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB; AnklS Ziffer 2), evtl. einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziffer 1 StGB)

 

2.1. Beweiswürdigung und massgebender Sachverhalt

 

2.2.1. Auch in Bezug auf den Vorhalt der Körperverletzung hat die Vorinstanz in ihrem Urteil vom 26. Januar 2022 die Aussagen der Privatklägerin (staatsanwaltschaftliche Einvernahmen als Opfer vom 23.07.2020 [Reg. 10.2.1. / pag. 002 ff., insbesondere pag. 027 ff.] und vom 01.10.2020 [Reg. 10.2.1. / pag. 038 ff., insbesondere pag. 079 ff.; in Anwesenheit der Beschuldigten und des amtlichen Verteidigers], gerichtliche Einvernahme als Auskunftsperson vom 26.01.2022 [ASTG 049 ff.]), die Aussagen der Beschuldigten (Haft-Einvernahme als Beschuldigte vom 17.09.2020 [Reg. 12.3.1. / pag. 014 ff.]) wie auch jene von C.___ (polizeiliche Einvernahme als Auskunftsperson vom 25.09.2020 [Reg. 10.2.2. / pag. 006]) zutreffend und detailliert wiedergegeben (Urteil Ziff. III./2.1. ff.). Bei ihrer Würdigung (Urteil Ziff. III./2.5. f.) ging die Vorinstanz zunächst auf die Möglichkeit einer Selbstbeibringung ein, um dann überzeugend darzulegen, weshalb auch in diesem Zusammenhang auf die Aussagen der Privatklägerin abgestellt werden kann.

 

Wiederum überzeugt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht nur betreffend das Ergebnis, sondern insbesondere auch bezüglich der Begründung. Auch hier vermochte die Beschuldigte nicht, anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung darzulegen, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz fehlerhaft sein sollte. Dieser ist abermals vollumfänglich beizupflichten.

 

2.2.2. Für die rechtliche Würdigung gilt demzufolge folgender Sachverhalt als erstellt:

 

Die Beschuldigte hat der Geschädigten mit dem heissen Rand eines Feuerzeugs an den Oberschenkeln, am Rücken, am Rande des Intimbereichs sowie am Hals eine Vielzahl von Verbrennungen zugefügt und hat sie zumindest zeitweise zu Boden gedrückt bzw. hat sich auf das Opfer gesetzt, wobei die Geschädigte nicht in der Lage war, sich zu wehren. Gemäss dem in den Akten liegenden Bericht von Dr. med. Q.___ vom 20. Juli 2020 zog sich die Geschädigte dabei mehrere Hautläsionen und Rötungen zu, welche – trotz unterschiedlichen Heilungsalters – auch alle auf den selben Zeitpunkt – gemäss Angaben der Geschädigten auf zwei bis drei Wochen vor der Untersuchung – datiert werden können (Reg. 7.1. / pag. 001 ff.). Die Beschuldigte handelte damit an einem nicht näher bestimmbaren Datum zwischen drei Wochen vor dem Untersuchungszeitpunkt (ca. 24.06.2020) und dem Tag vor der Untersuchung bzw. dem Tag der Flucht (15.07.2020).

 

 

IV. Rechtliche Würdigung

 

1. Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. a und c StGB; AnklS Ziffer 1)

 

1.1. Allgemeine Erwägungen zum Tatbestand der Förderung der Prostitution

 

Artikel 195 StGB enthält vier Tatbestandsvarianten. Nach Art. 195 lit. a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren Geldstrafe bestraft, wer eine minderjährige Person der Prostitution zuführt in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert. Ein Zuführen der Privatklägerin in die Prostitution wird der Beschuldigten gemäss Anklageschrift nicht vorgehalten. Einschlägig ist somit der zweite Teilsatz, d.h. die Förderung der Prostitution einer minderjährigen Person in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen.

 

Die Tatbestandsvariante nach Art. 195 lit. c StGB erfasst den Täter, der die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht Ort, Zeit, Ausmass andere Umstände der Prostitution bestimmt.

 

Die Vorinstanz hat die einschlägige Lehre und Rechtsprechung zu den vorliegend in Frage kommenden Tatbestandsvarianten zutreffend dargelegt (Urteil Ziff. II./3.2. und 3.4.). Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden, auf einzelne Aspekte ist im Rahmen der Subsumtion einzugehen. Kurz auf den Punkt gebracht, ist nicht jegliche Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit von Sexarbeitenden von Art. 195 lit. c StGB erfasst. Es muss eine Machtposition vorliegen, wobei die Umstände des Einzelfalles entscheidend sind. Für die Erfüllung des Tatbestands von Art. 195 lit. c StGB spielt es keine Rolle, ob die Prostitution freiwillig unfreiwillig ausgeübt wird. Hinsichtlich der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 lit. a StGB betreffend minderjährige Sexarbeitende liegt die Schwelle zur Strafbarkeit deutlich tiefer: Erfasst wird jede Erleichterung Begünstigung der Prostitution Minderjähriger.

 

1.2. Subsumtion

 

1.2.1. Mit ihrem Mitwirken gemäss Beweisergebnis, insbesondere mit dem (teilweisen) Verfassen der Internetwerbung und der (partiellen) Kommunikation mit den Freiern, begünstigte die Beschuldigte die Prostitution der Privatklägerin H.___ offensichtlich. Dass diese Mitwirkung in der Absicht erfolgte, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, zeigt sich allein schon darin, dass die Beschuldigte der Geschädigten – von Beginn an und über Monate hinweg – die gesamten Einnahmen abnahm. Die Beschuldigte und ihr heutiger Ehemann waren im Deliktszeitraum nicht erwerbstätig. Mit dem Verdienst der Geschädigten finanzierten sie zu einem grossen Teil ihren Lebensunterhalt und denjenigen ihrer beiden Kleinkinder, bezahlten Rechnungen, kauften Güter des täglichen Bedarfs und leisteten sich gar ein Sportcoupé als Zweitwagen. Die Beschuldigte hatte sich darauf eingerichtet, zumindest einen Teil der Ausgaben mittels der Einnahmen aus der Prostitution der Privatklägerin zu decken. Sie handelte wissentlich und willentlich. Der Tatbestand von Art. 195 lit. a StGB ist erfüllt.

 

1.2.2. Hinsichtlich der ebenfalls angeklagten Tatbestandsvariante nach Art. 195 lit. c StGB ist vorab festzuhalten, dass die Privatklägerin zum fraglichen Zeitpunkt noch minderjährig war, aus zerrütteten Familienverhältnissen stammte (sie erlebte zuvor mehrfach und in unterschiedlicher Konstellation häusliche Gewalt, die Ehe zwischen ihren Eltern war zerbrochen, ihr Vater sass im Gefängnis) und sich demzufolge persönlich in einer schwierigen Situation befand. Nachdem sich die Privatklägerin mit der Beschuldigten anfänglich gut verstand, änderte sich dies spätestens im Herbst 2019, als sich C.___ von ihrem Ehemann E.___ trennte bzw. dieser inhaftiert wurde, zumal die Beschuldigte dannzumal, insbesondere gegenüber der minderjährigen Privatklägerin, zunehmend dominant auftrat. Die Beschuldigte machte in der Familie H.___/A.___ fortan gedeihlich ihren Einfluss geltend. Dass ihr dies zusehends gelang, hing nicht nur mit der besagten Trennung und Inhaftierung zusammen, sondern war insbesondere auch darauf zurückzuführen, dass in der Familie [H.___] die Überzeugung vorherrschte, die Beschuldigte stamme aus einem sehr wohlhabenden Elternhaus (so gab bspw. C.___ am 11.11.2019 vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde [Ort 1 ZH] Nord zu Protokoll [Reg. 5.1.2. / pag. 020 ff.], die Eltern der Freundin ihres Sohnes würden die Wohnung im Kanton Solothurn bezahlen, bzw. sie hätten gesagt, sie würden die Wohnung übernehmen, sie [C.___ und ihre Kinder] bräuchten sich deswegen keine Sorgen zu machen; die Familie der Freundin ihres Sohnes hätte diesem auch schon ein Auto geschenkt). Demgegenüber konnte die Familie […] zum damaligen Zeitpunkt ihre Mietwohnung in [Ort 1 ZH] nicht mehr bezahlen. Die Beschuldigte, Schweizer Staatsbürgerin, befand sich gegenüber der minderjährigen Privatklägerin, die sich nie gut mit ihrer Mutter verstand und zu ihrem inhaftierten Vater keinen Kontakt mehr pflegte, insofern zunehmend in einer Machtposition. Letztere akzentuierte sich noch einmal, als C.___ mit ihren Kindern B.___ und H.___ im Januar 2020 von [Ort 1 ZH], wo die Geschädigte verwurzelt war, nach [Ort 1] zog und dort mit der Beschuldigten, die zuvor zwischen ihrem Wohnsitz in [Ort 8] und [Ort 1 ZH] pendelte, zusammenzog (mit den beiden Kleinkindern K.___ und L.___). So wurden bspw. sämtliche Rechnungen der Familie H.___/A.___ durch die Beschuldigte bezahlt, wobei die übrigen Familienmitglieder – auch die Schwiegermutter – der Beschuldigten jeweils die entsprechenden Rechnungen aushändigten und dieser auch das Geld gaben (s. dazu die Aussagen von C.___, Reg. 10.2.2. / pag. 007). Wie die Privatklägerin glaubhaft aussagte, hatte ihre Mutter C.___ nichts mehr zu sagen (Reg. 10.2.1. / pag. 013), bzw. machte, was die Beschuldigte sagte – wie ihr Bruder B.___ auch (ASTG 054 f.).

 

Die Privatklägerin konnte von ihrer Mutter, die bis Mitte März 2020 in Zürich einer Arbeit nachging und insofern für die Privatklägerin so anders nur beschränkt ansprechbar war, nach dem Gesagten keine Hilfe erwarten. Dasselbe galt für den Bruder (B.___) der Privatklägerin, der mit der Beschuldigten liiert war und von der Situation bzw. H.___ finanziell erheblich profitierte. Ausser ihrer Familie kannte die Privatklägerin an ihrem neuen Wohnort in [Ort 1] niemanden. Insofern gab es im Leben der Privatklägerin zu diesem Zeitpunkt schlicht keine Vertrauensperson mehr. Demzufolge war sie gegenüber der Beschuldigten in einer besonders verletzlichen Situation. Auch wenn sich die Privatklägerin zu Beginn (im Raum [Ort 1 ZH]) freiwillig prostituierte, hatte sie nie vor, diese Tätigkeit quasi nach der Art eines Berufes auszuüben. Dazu wurde sie von der Beschuldigten gedrängt, nachdem diese realisierte, dass sich mit der Privatklägerin viel Geld verdienen liesse. Die Beschuldigte war durchaus auch gewaltbereit und gewalttätig, was sie die Privatklägerin verschiedentlich am eigenen Leibe spüren liess, worauf zurückzukommen sein wird. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Beschuldigte bereits in ihrer Schulzeit bisweilen Drohungen aussprach bzw. teilweise sogar unvermittelt und ohne Anlass im Unterricht zuschlug (Reg. 5.1.6. / pag. 016 und 020). Aufgrund der konkreten Umstände, insbesondere angesichts der Machtposition der Beschuldigten, war die minderjährige und verletzliche Geschädigte dieser gewissermassen ausgeliefert.

 

Im Zusammenhang mit den nachgewiesenen Arbeitsbedingungen sprechen folgende Umstände für die Erfüllung des Straftatbestandes nach Art. 195 lit. c StGB:

 

-        Die Vorgabe, sämtliche Freier bedienen zu müssen, schränkte die sexuelle Selbstbestimmung der Privatklägerin erheblich ein.

 

-        Gleiches gilt verstärkt auch für den Druck, auch ungewollte und ungeschützte Sexualpraktiken anbieten zu müssen und die sexuellen Dienstleistungen auch bei Krankheit Menstruation zu erbringen. Die Erwartungshaltung war aufgrund der geschalteten Inserate hoch («alles was du willst», «erfülle alle deine versauten Wünsche», etc.). Die Beschuldigte erzeugte einen grossen Druck auf die Privatklägerin. Anschaulich ist in diesem Zusammenhang bspw. die Antwort der Privatklägerin auf die Frage, ob sie etwas zum Umstand sagen könne, dass bei gewissen Inseraten stehe, AV (Abkürzung für Analverkehr) sei tabu (Reg. 10.2.1. / pag. 064): «Am Anfang habe ich es nicht gemacht, da es mega weh macht. Sie hat dann gesagt, ich müsse es irgendwann probieren, weil wir dann mehr Geld bekommen. Ich habe es dann probiert. Es hat geklappt, aber weh getan.»

 

-        Vorgaben gab es im Weiteren bezüglich Kleidung und Schminken, damit die damals minderjährige Privatklägerin älter wirkte.

 

-        Vorgegeben waren der Privatklägerin – zumindest am Anfang – auch die Preise für die anzubietenden Dienstleistungen.

 

-        Die Privatklägerin musste mindestens CHF 1'000.00 pro Tag erarbeiten, musste vollständig Rechenschaft ablegen über ihre Einnahmen und musste diese nach der Dienstleistung vollumfänglich der Beschuldigten abgeben (einzig 10er- und 20er-Noten behielt die Privatklägerin zwischendurch für sich, was mit der Beschuldigten indes nicht abgesprochen war, während sie 50er-, 100er- und 200er-Noten stets abgab). Die Privatklägerin stand diesbezüglich unter Kontrolle der Beschuldigten. Letztere wusste jeweils genau, wieviel die Geschädigte eingenommen hatte. Wenn die Privatklägerin aus Sicht der Beschuldigten zu wenig Geld verdiente, wurde sie von der Beschuldigten unter Druck gesetzt und angetrieben, mehr Freier zu bedienen. Zudem kann die vollumfängliche Abgabe der Einnahmen nur als ausbeuterisch bezeichnet werden.

-        Vorgaben gab es schliesslich auch in Bezug auf befürchtete Polizeikontrollen bzw. im Kontakt mit Behörden. So musste sich die Privatklägerin gemäss Anweisungen der Beschuldigten verhalten und angeben, dass sie sich selbständig und aus freien Stücken prostituiere.

 

Dass diese Vorgaben der Beschuldigten das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und die Handlungsfreiheit der Geschädigten stark einschränkten, ist offensichtlich. Die Geschädigte war nicht mehr frei in ihrer Entscheidung, ob, wann und wie sie dem Gewerbe nachgehen will. Die für den Straftatbestand erforderliche soziale und wirtschaftliche Drucksituation bzw. die Machtposition der Beschuldigten, die es ihr erlaubte, die Handlungsfreiheit der Privatklägerin einzuschränken, war gegeben. Die Aussagen der Privatklägerin machen deutlich, dass sie sich dieser Situation und dem Druck durch die Beschuldigte nicht einfach entziehen konnte, was nicht nur auf das Fehlen von Hilfe und emotionaler Unterstützung insbesondere seitens der eigenen Mutter und des Bruders, sondern auch auf die ausgeübte Gewalt durch die körperlich stark überlegene Beschuldigte zurückzuführen war. So hat die Beschuldigte die Privatklägerin öfters geschlagen, wobei die Geschädigte blaue Flecken sowie einmalig eine Beule erlitt und eines Tages durch die Schläge der Beschuldigten gar die Brille der Privatklägerin verbogen wurde. Weiter fügte die Beschuldigte der Privatklägerin eine Vielzahl an Verbrennungen mit einem Feuerzeug zu, schnitt ihr zweimal die Haare ab und sperrte sie einmal über Nacht im Badezimmer ein. Die Privatklägerin stand unter permanentem Druck und konnte die Beschuldigte, mit der sie im selben Haushalt lebte, nicht umgehen. Hinzu kommt, dass die Privatklägerin nicht nur Angst vor ihrer Familie, sondern insbesondere auch Angst vor einer Platzierung in einem Heim hatte. Letzteres erachtete die Geschädigte als einzige Alternative, sie fürchtete sich aber sehr davor (alle hätten ihr gesagt, im Heim sei es schlimm und man könne dort gemobbt werden; sie sei schon einmal gemobbt worden; Reg. 10.2.1. / pag. 087). Aufgrund dieser ausweglosen Situation blieb der Privatklägerin damals nichts Anderes übrig, als den Druck und die Vorgaben durch die Beschuldigte zu akzeptieren. Von einer Einwilligung der Privatklägerin in die effektive Tätigkeit und die Umstände kann keine Rede sein. Die Beschuldigte schränkte die sexuelle Selbstbestimmung der minderjährigen und verletzlichen Privatklägerin massiv ein und beutete diese zum eigenen Profit aus, indem sie wissentlich und willentlich Ort, Zeit und Modalitäten von deren Prostitution bestimmte und sich zu einem grossen Teil ihren Lebensunterhalt damit finanzieren liess. A.___ hat sich damit auch der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 lit. c StGB zum Nachteil der Privatklägerin, begangen in der Zeit von Anfang Januar 2020 bis zum 15. Juli 2020, schuldig gemacht.

 

2. Einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB), evtl. einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziffer 1 StGB; AnklS Ziff. 2)

 

2.1. Allgemeine Erwägungen zum Tatbestand der einfachen Körperverletzung

 

Nach Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper Gesundheit schädigt. Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er Gift, eine Waffe einen gefährlichen Gegenstand gebraucht (Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB).

 

Die Vorinstanz hat die einschlägige Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt (Urteil Ziff. III./3.1.). Darauf kann verwiesen werden, auf einzelne Aspekte ist im Rahmen der Subsumtion einzugehen.

 

2.2. Subsumtion

 

Wie unter Ziffer III./2.2.2. hiervor festgehalten, hat die Beschuldigte der Geschädigten mit dem heissen Rand eines Feuerzeugs an den Oberschenkeln, am Rücken, am Rande des Intimbereichs sowie am Hals eine Vielzahl von Verbrennungen zugefügt. Diese Verbrennungen waren einige Wochen gut sichtbar, das Mass einer blossen Tätlichkeit wurde klar überstiegen. Somit hat die Beschuldigte den objektiven Tatbestand der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziffer 1 StGB ohne Weiteres erfüllt. In subjektiver Hinsicht liegt Vorsatz vor, wollte die Beschuldigte die Privatklägerin doch für einen aus ihrer Sicht zu geringen Verdienst bestrafen. Demzufolge hat sich A.___ der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Privatklägerin schuldig gemacht, begangen in der Zeit zwischen dem 24. Juni 2020 und dem 15. Juli 2020.

 

Die Vorinstanz kam im angefochtenen Urteil vom 26. Januar 2022 zum Schluss, dass die Voraussetzungen einer einfachen Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB nicht erfüllt seien. Angesichts des vorliegend zu beachtenden Verschlechterungsverbots erübrigen sich deshalb weitere Ausführungen hierzu. Es bleibt beim Schuldspruch nach Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.

 

 

V. Strafzumessung

 

1. Allgemeine Ausführungen

 

1.1. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten.

 

Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuld-gehalt der konkreten Straftat beziehen. Innerhalb der Kategorie der realen Straf-zumessungsgründe ist zwischen der Tatkomponente, welche nun in Art. 47 Abs. 2 StGB näher umschrieben wird, und der in Abs. 1 aufgeführten Täterkomponente zu unterscheiden (vgl. Trechsel/Thommen, in Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage 2018, N 16 zu Art. 47, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).

 

1.2. Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa).

 

1.3. Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

Vorstrafen stellen eines von mehreren täterbezogenen Merkmalen dar und steigern das konkrete Tatverschulden nicht. Das Sachgericht darf Vorstrafen nicht wie eigenständige Delikte im Rahmen einer «nachträglichen Gesamtstrafenbildung» würdigen. Nicht zulässig ist es, eine am Tatverschulden ausgerichtete prozentuale Straferhöhung vorzunehmen, mit der Folge, dass die gleiche Vorstrafe sich je nach Tatverschulden unterschiedlich stark straferhöhend auswirkt. Damit würde aus dem täterbezogenen Strafzumessungskriterium des Vorlebens ein tatbezogenes gemacht, was der gesetzlichen Konzeption von Art. 47 Abs. 1 StGB widerspricht, wonach Tat- und Täterkomponenten voneinander unabhängige Strafzumessungsfaktoren sind. Auch kann keine Vorstrafe derart straferhöhend berücksichtigt werden, dass der Täter faktisch ein zweites Mal für die bereits abgeurteilte Tat bestraft wird. Dies liefe sowohl dem Einzeltatschuldprinzip als auch dem Grundsatz «ne bis in idem» zuwider (vgl. Urteil 6B_249/2014 vom 16.10.2014 E. 2.4.2. mit Hinweis). Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 25. August 2015, 6B_510/2015, kann indes eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung zu einer Straferhöhung von einem Drittel des Strafmasses führen.

 

1.4. Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht (BGE 136 IV 55 E. 5.7.). Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts vom 07.07.2011, 6B_1096/2010 E. 4.2.; vom 06.06.2011, 6B_1048/2010 E. 3.2. und vom 26.04.2011, 6B_763/2010 E. 4.1.).

 

1.5. Strafen von bis zu 180 Tageseinheiten sind grundsätzlich in Form einer Geldstrafe auszusprechen (Art. 34 StGB). Das Gericht kann stattdessen auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn a) eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten, b) eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann (Art. 41 Abs. 1 StGB). Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen (Art. 41 Abs. 2 StGB). Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption somit nach wie vor (auch nach der auf den 01.01.2018 in Kraft gesetzten Revision) «ultima ratio» und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21.09.1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2. S. 122 f.; BGE 144 IV 217 vom 30.04.2018 E. 3.3.3. mit Hinweisen). Bei der Wahl der Sanktionsart waren auch unter dem früheren Recht als wichtige Kriterien die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2. S. 100 f. m.w.Verw.). Das Bundesgericht hat entschieden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters und dessen voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit keine Kriterien für die Wahl der Strafart sind. Es ist vielmehr, wenn die Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind, eine bedingte Geldstrafe eine bedingte gemeinnützige Arbeit auszusprechen. Sinn und Zweck der Geldstrafe erschöpfen sich nicht primär im Entzug von finanziellen Mitteln, sondern liegen in der daraus folgenden Beschränkung des Lebensstandards sowie im Konsumverzicht. Nach der Meinung des Gesetzgebers soll die Geldstrafe auch für einkommensschwache Täter, d.h. für solche mit sehr geringem, gar unter dem Existenzminimum liegenden Einkommen ausgefällt werden können. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Geldstrafe als unzweckmässige Sanktion angesehen und deshalb vielfach auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden müsste. Dies würde dem zentralen Grundanliegen der Revision diametral zuwiderlaufen. Gerade mittellosen Straftätern geht die Geldstrafe ans Lebensnotwendige, so dass sie für jene deutlich spürbar wird. Eine nicht bezahlbare Geldstrafe soll es nach der Botschaft – ausser durch Verschulden des Täters durch unvorhergesehene Ereignisse – denn auch nicht geben. Bei einkommensschwachen mittellosen Tätern, etwa Sozialhilfebezügern, nicht berufstätigen, den Haushalt führenden Personen Studenten ist somit die Ausfällung einer tiefen Geldstrafe möglich (BGE 134 IV 97 E. 5.2.3. m.w.Verw.). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit sollte bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2. S. 122 f. m.w.Verw.).

 

1.6. Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur möglich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (sog. «konkrete Methode»). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2.; BGE 138 IV 120 E. 5.2. S. 122). Die Bildung einer sog. «Einheitsstrafe» bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang verschiedener Delikte ist nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ebenso ist es nicht zulässig, für einzelne Delikte eine Freiheitsstrafe statt einer Geldstrafe auszusprechen, nur, weil die maximale Höhe der Geldstrafe von 180 Tagessätzen zufolge Asperation mehrerer Geldstrafen überschritten würde. Diesfalls bleibt es grundsätzlich bei der Ausfällung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, auch wenn diese insgesamt für alle mit Geldstrafe zu sanktionierenden Delikte nicht mehr schuldangemessen ist (BGE 144 IV 217 E. 3.6.).

 

Im soeben erwähnten BGE 144 IV 217 und in 144 IV 313 rückte das Bundesgericht von seiner früheren Rechtsprechung ab, die im Rahmen der Deliktsmehrheit nach Art. 49 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der Wahl der Strafart noch Ausnahmen von der konkreten Methode zuliess (wonach für jedes einzelne Delikt im konkreten Fall die Strafart zu bestimmen und eine gesonderte Einsatzstrafe festzusetzen ist). In neueren Entscheiden hielt das Bundesgericht dann allerdings wieder fest, es könne eine Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen werden, wenn viele Einzeltaten zeitlich sowie sachlich eng miteinander verknüpft seien und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet sei, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken (Urteil 6B_382/2021 vom 25.07.2022 E. 2.4.2.).

 

1.7. Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1.). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2.). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider / Roy Garré in: Niggli / Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, 4. Auflage, Basel 2019, N 61 zu Art. 42 StGB).

 

Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 StGB). Für eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren ist folglich neben dem bedingten auch der teilbedingte Vollzug ausgeschlossen.

 

Der Strafaufschub nach Art. 42 Abs. 1 StGB wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges Kriterium darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: Das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.

 

Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Stefan Trechsel/Mark Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Bern 2017, N 8 ff. zu Art. 42 StGB, mit zahlreichen Hinweisen).

 

2. Konkrete Strafzumessung

 

2.1. Wahl der Strafart

 

2.1.1. Der Strafrahmen der Förderung der Prostitution beläuft sich auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren Geldstrafe. Bei der einfachen Körperverletzung umfasst der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe. Es stellt sich somit in Bezug auf beide Tatbestände die Frage der Sanktionsart (Geldstrafe Freiheitsstrafe).

 

2.1.2. Wie das Bundesgericht in einem jüngsten Urteil 6B_658/2021 vom 27. Januar 2022 E. 2.3.1. ausführt, beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall eine Geld- Freiheitsstrafe auszusprechen sei, gemäss Art. 47 StGB nach dem Ausmass des Verschuldens (BGE 144 IV 217 E. 3.3.1.), wobei die Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe als mildere Sanktion gelte. Das Gericht trage bei der Wahl der Strafart neben dem Verschulden des Täters, der Zweckmässigkeit der Strafe, ihren Auswirkungen auf die Täterschaft und auf ihr soziales Umfeld sowie ihrer Wirksamkeit unter dem Gesichtswinkel der Prävention Rechnung (BGE 147 IV 241 E. 3.2.; 144 IV 313 E. 1.1.1.; 134 IV 82 E. 4.1., 97 E. 4.2.). Nur wenn sowohl eine Geldstrafe wie eine Freiheitsstrafe in Betracht kämen und beide Strafarten in äquivalenter Weise das Verschulden sanktionierten, sei generell dem Verhältnismässigkeitsprinzip folgend der Geldstrafe die Priorität einzuräumen (Urteil des Bundesgerichts 6B_93/2022 vom 24.11.2022 E. 1.3.8.). Nach der Konzeption des StGB habe das Verschulden einen Einfluss auf die Wahl der Strafart, weil die schwersten Straftaten mit Freiheitsstrafe und nicht mit Geldstrafe zu sanktionieren seien (BGE 147 IV 241 E. 3.2.).

 

2.1.3. Wie sich aus den Akten ergibt und auch anlässlich der Berufungsverhandlung von der Beschuldigten bestätigt wurde, verfügt diese über kein eigenes Einkommen Vermögen. Für ihren Lebensunterhalt kommt aktuell ihr Ehemann auf. Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, wurde die Busse der Beschuldigten in Höhe von CHF 1'350.00 aus einer Vorstrafe gemäss ihren eigenen Angaben nicht von ihr, sondern von ihren Eltern bezahlt (Reg. 1.5. / pag. 016). Diese unterstützen sie auch anderweitig finanziell. Wie unter Ziffer V./1.5. hiervor ausgeführt, sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten und deren voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit keine Kriterien für die Wahl der Strafart. Festzuhalten ist nun jedoch, dass nach dem Gesagten ernsthaft damit zu rechnen ist, dass die Bezahlung einer Geldstrafe von den Eltern der Beschuldigten übernommen würde. Angesichts dessen kann der Zweck der Geldstrafe, der im erzwungenen zeitweisen Verzicht auf Konsum- und Bedürfnisbefriedigung liegt, im vorliegenden Fall gar nicht erreicht werden und es ist deshalb fraglich, ob eine Geldstrafe überhaupt eine spezialpräventive Wirkung zeitigen würde. Mit jeder tatsächlichen Überbürdung der wirtschaftlichen Einbusse auf Dritte verliert die Geldstrafe nämlich ihren Strafcharakter. Besteht ernstlich die Gefahr einer Drittleistung, so muss eine andere Sanktion, namentlich eine Freiheitsstrafe, in Betracht gezogen werden (Annette Dolge, in: Niggli / Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Auflage, Basel 2019, N 19 zu Art. 34 StGB).

 

Die Förderung der Prostitution stellt ein Verbrechen dar (Art. 10 Abs. 2 StGB). Die schwersten Straftaten sind nach der Konzeption des StGB und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich durch die Freiheitsstrafe und nicht durch die Geldstrafe zu sanktionieren. Auch wenn es sich beim Tatbestand der einfachen Körperverletzung um ein Vergehen handelt (Art. 10 Abs. 3 StGB), stellt vorliegend insbesondere angesichts der Dauer der Tathandlungen, der Anzahl Verletzungen, der Intensität und des Beweggrundes auch die vorsätzliche Körperverletzung eine schwerwiegende Straftat dar. Eine Geldstrafe vermöchte im vorliegenden Fall das Verschulden, das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung – neben den anderen bestimmenden Kriterien – adäquat einzuschätzen ist, weder hinsichtlich der Förderung der Prostitution noch bezüglich der Körperverletzung in angemessener Weise zu sanktionieren. Aufgrund der intensiven Delinquenz der Beschuldigten drängt sich vielmehr eine Freiheitsstrafe auf.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich einzig die Freiheitsstrafe als geeignete Sanktion. Entsprechend ist eine solche auszusprechen.

 

2.2. Einsatzstrafe

 

2.2.1. Die Beschuldigte hat sich der Förderung der Prostitution (Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren Geldstrafe) und der einfachen Körperverletzung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe) strafbar gemacht. Als schwerste Straftat ist somit die Förderung der Prostitution zum Nachteil der Privatklägerin H.___ zu qualifizieren. Dafür ist eine Einsatzstrafe festzusetzen. Anschliessend ist für die Körperverletzung eine separate hypothetische Strafe festzusetzen, wobei nach Art. 49 Abs. 1 StGB vorzugehen ist.

 

2.2.2. Tatkomponenten

 

2.2.2.1. Förderung der Prostitution

 

Hinsichtlich der objektiven Tatschwere ist vorab festzuhalten, dass die Geschädigte im Tatzeitraum erst 16 bzw. 17 Jahre alt und mithin minderjährig war. Sie befand sich auch nicht unmittelbar an der Grenze zur Volljährigkeit. Weiter ist unter dem Gesichtspunkt der Tatkomponenten darauf hinzuweisen, dass die Privatklägerin zahlreichen, teilweise massiven Einschränkungen unterworfen war. Sie musste täglich anschaffen, ansonsten Konsequenzen drohten, sie sollte dabei mindestens CHF 1'000.00 pro Tag erarbeiten und sie musste sämtliche Freier bedienen. Auch betreffend die zu erbringenden Dienstleistungen war sie nicht frei und war bspw. gezwungen, gegen ihren Willen ungeschützten Verkehr (oral, vaginal und anal) anzubieten. Zudem musste sie ihre sexuellen Dienstleistungen auch bei Krankheit und Menstruation erbringen – notabene während der Pandemie, als die Arbeit als Prostituierte teilweise sogar verboten war. Sie musste ihren gesamten Verdienst an die Beschuldigte abgeben. Die Privatklägerin musste Gewalt in unterschiedlichen Formen erdulden, sie wurde von der Beschuldigten mehrfach geschlagen. Der Tatzeitraum erstreckte sich über mehrere Monate und die ungeheure Menge an E-Mails mit den Freiern lassen auf eine äusserst grosse Anzahl sexueller Dienstleistungen schliessen (dazu dürfte auch der damalige Lockdown und das damit einhergehende Verbot der Prostitution beigetragen haben). Der Eingriff in das geschützte Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und in das Rechtsgut der sexuellen Entfaltung der Minderjährigen war massiv. Wäre die Privatklägerin am 16. Juli 2020 nicht zur Polizei gegangen, hätte die Beschuldigte ihre deliktische Tätigkeit zweifellos weitergeführt und die Privatklägerin weiterhin ausgebeutet.

 

Auch wenn es sich bei der Beschuldigten um eine junge Frau handelt, kann von einem klassischen «Zuhälter-Verhältnis» gesprochen werden, herrschte doch ein immenser Druck und ein Klima der Angst, da die Beschuldigte die Familie der Privatklägerin dominierte und die verletzliche Privatklägerin der gewaltbereiten Beschuldigten körperlich stark unterlegen war, was der Beschuldigten bewusst war und wovon diese profitierte. Über die psychischen Folgen bei der Privatklägerin ist wenig bekannt (in den Akten befindet sich zwar eine Bestätigung von Dr. med. R.___, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie, wonach H.___ zwischen Oktober 2020 und März 2021 eine Einzel-Psychotherapie in seiner Praxis besucht habe [ASTG 036]. Ein entsprechender Bericht ist den Akten indes nicht zu entnehmen. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sagte die Privatklägerin aus, sie habe lange Zeit Albträume und Probleme mit dem Schlafen gehabt, v.a. im Heim. Nun könne sie aber wieder normal schlafen. Der Psychologe habe ihr geholfen, dies zu verarbeiten, sodass es ihr nicht mehr weh tue, wenn sie darüber spreche [ASTG 051]). Klar straferhöhend zu berücksichtigen ist, dass die Beschuldigte zwei Tatbestandsvarianten – diese dienen unterschiedlichen Schutzzwecken – erfüllt hat, nämlich die Einschränkung der Handlungsfreiheit einer Person, welche sich prostituiert (lit. c), wobei das Opfer gleichzeitig auch noch minderjährig war (lit. a). Zu Gunsten der Beschuldigten lässt sich zwar feststellen, dass die Privatklägerin selbst auf die Idee kam, sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anzubieten und dies auch umgesetzt hat, wenn auch im kleinen Rahmen (CHF 20.00 bis 40.00) und mit ungefähr gleichaltrigen Bekannten. Die in der Folge von der Beschul­digten angetriebene Prostitutionstätigkeit nahm aber ein ganz anderes Ausmass an, das seitens der Privatklägerin weder je geplant noch gewollt war. Die Beschuldigte setzte die Geschädigte unter grossen Druck, musste diese doch Tageseinnahmen von CHF 1‘000.00 erwirtschaften. Straferhöhend wirkt auch, dass die Beschuldigte ihre Stellung als Familienmitglied (zukünftige Schwägerin, die das Vertrauen der Mutter und des Bruders der Privatklägerin genoss), in Verbindung mit der sozialen Isolation der Privatklägerin, ausgenutzt hat. Das Ganze hat sich im sozialen Umfeld der Geschädigten abgespielt und führte schliesslich auch zur Trennung von ihrer Familie, mit welcher die Privatklägerin bisher zusammenlebte, sowie zur Platzierung im Heim, wovor sich die Geschädigte stets fürchtete. Insgesamt handelt es sich um einen im Gesamtspektrum aller denkbaren Fälle eher schwerwiegenden Fall der Förderung der Prostitution.

 

Das objektive Tatverschulden wiegt nach dem Gesagten nicht mehr leicht und ist im unteren Bereich des mittleren Drittels anzusiedeln (41 – 54 Monate).

 

Zur subjektiven Tatschwere ist auszuführen, dass die Beschuldigte mit direktem Vorsatz und aus rein finanziellen und egoistischen Motiven handelte (die Beschuldigte finanzierte mit den Einkünften aus der Prostitutionstätigkeit der Privatklägerin zu einem grossen Teil ihren Lebensunterhalt bzw. lebte von diesem Geschäft). Die verletzliche Situation der Geschädigten war ihr bestens bekannt. Sie setzte sich über die Bedürfnisse der minderjährigen Privatklägerin skrupellos hinweg. Anzeichen für das Vorliegen einer reduzierten Schuldfähigkeit liegen nicht vor. Auch sonst sind bei der Beschuldigten keine Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit auszumachen.

 

Das subjektive Tatverschulden vermag das objektive folglich nicht zu relativieren. Insgesamt ist das Tatverschulden im unteren Bereich des mittleren Drittels anzusiedeln. Eine Einsatzstrafe von 42 Monaten erscheint angemessen.

 

2.2.2.2. Einfache Körperverletzung

 

Die Beschuldigte hat der Privatklägerin mit dem heissen Rand eines Feuerzeugs eine Vielzahl von Verbrennungen zugefügt, wobei sich die ganze Tortur über einen Zeitraum von einer Stunde hingezogen hat. Bei den zahlreichen Verbrennungen zum Nachteil der Privatklägerin handelt es sich in der Bandbreite der möglichen Körperverletzungen – unterhalb der Schwelle zur schweren Körperverletzung – um intensive Handlungen. Die Verbrennungen waren mindestens während einiger Wochen gut sichtbar. Das Vorgehen war äusserst demütigend, was sich straferhöhend auswirkt. Die körperlich überlegene Beschuldigte verletzte in grober Weise das hochwertige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit. Festzuhalten ist auch hier, dass sich das Ganze im sozialen Umfeld der Geschädigten abgespielt hat, gar in Anwesenheit der Mutter der Privatklägerin, die dieser jedoch nicht etwa zu Hilfe kam, sondern vielmehr wegschaute.

 

In subjektiver Hinsicht ist – wie dies die Vorinstanz zu Recht festhielt – zu berücksichtigen, dass die Beschuldigte der Privatklägerin die Verletzungen einzig deshalb zufügte, um sie zu bestrafen, da sie zu wenig Geld nach Hause gebracht hatte. Hinzu kommt nun aber, dass die Beschuldigte bei ihrem Vorgehen eine grosse Hartnäckigkeit an den Tag legte und ihr eine nicht unerhebliche Skrupellosigkeit zu attestieren ist. Das rücksichtslose Vorgehen zeugt von einer gewichtigen Intensität des deliktischen Willens. Der egoistische Beweggrund und die Intensität des deliktischen Willens wirken sich verschuldenserhöhend aus.

 

Insgesamt wiegt das Verschulden auch hier nicht mehr leicht, es ist wiederum im unteren Bereich des mittleren Drittels anzusiedeln. Angemessen wäre eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten.

 

2.3. Asperation der hypothetisch festgelegten Strafen

 

Die für die Förderung der Prostitution festgelegte Einsatzstrafe von 42 Monaten ist zur Abgeltung der einfachen Körperverletzung in Anwendung des Asperationsprinzips um die Hälfte der dafür festgelegten hypothetischen Strafe von 14 Monaten, konkret um sieben Monate, auf 49 Monate Freiheitsstrafe zu erhöhen. Insgesamt ergibt sich damit unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Tatkomponenten eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat.

 

2.4. Täterkomponenten

 

Bezüglich der persönlichen Verhältnisse kann vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf den Urteilsseiten 26 f. verwiesen werden. Die Kindheit und Jugend der Beschuldigten sind strafmindernd zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite schlägt die Vorstrafe aus dem Jahr 2016 wegen Betrugs sowie Vergehens gegen das Waffengesetz zu Buche. Diese Vorstrafe sowie die Kindheit bzw. Jugend der Beschuldigten heben sich gegenseitig in etwa auf. Reue zeigte die Beschuldigte bisher keine, was ihr aber nicht vorgeworfen werden kann, da sie die ihr vorgehaltenen Straftaten bestreitet.

 

Aktuell lebt die Beschuldigte nach wie vor mit ihrem Ehemann, den beiden gemeinsamen Kindern und der Schwiegermutter in der Wohnung in [Ort 1]. Während die Beschuldigte ausser ein paar wenigen Temporäreinsätzen keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die Kinder betreut und den Haushalt besorgt, sind der Ehemann (100 % [als […]) und die Schwiegermutter (ebenfalls an Temporäreinsätzen, bis zu 50 % - 60 %) erwerbstätig. Damit handelt es sich bei der Beschuldigten derzeit wohl um die Hauptbetreuungsperson der Kinder. Dies dürfte jedoch nur vorübergehend der Fall sein. Anlässlich der Berufungsverhandlung gab die Beschuldigte zu Protokoll, sie sei auf der Suche nach Arbeit in einem Pensum von 80 % bis 100 %. Bereits jetzt würden sie die Schwiegermutter, der Ehemann, ihre Schwester und deren Ehemann bei der Betreuung der beiden Kleinkinder K.___ (geb. [...]) und L.___ (geb. [...]) unterstützen, wenn sie einen Einsatzvertrag habe. Die Beschuldigte hat damit die Kinderbetreuung während ihren Abwesenheiten organisiert. Weiter wird auch durch den Kindergarten- bzw. Schuleintritt der Kinder eine Abwesenheit der Mutter weiter kompensiert. Aussergewöhnliche Umstände, welche eine erhöhte Strafempfindlichkeit zu begründen vermöchten (s. diesbezüglich das Urteil des Bundesgerichts 6B_18/2022 vom 23.06.2022 mit Verweis auf die Urteile des Bundesgerichts 6B_1053/2018 vom 26.02.2019 E. 3.4. am Ende, 6B_1416/2017 vom 29.11.2018 E. 1.4.4. und 6B_698/2017 vom 13.10.2017 E. 7.1.2., je mit Hinweisen), sind demnach nicht gegeben. Die Täterkomponente ist diesbezüglich neutral zu gewichten.

 

Insgesamt wäre die Beschuldigte somit zu einer Freiheitsstrafe von 49 Monaten zu verurteilen. In Anbetracht des geltenden Verschlechterungsverbots ist die Freiheitsstrafe indes auf 42 Monate festzusetzen.

 

2.5. Vollzugsform

 

Bei dieser Strafhöhe (Freiheitsstrafe von 42 Monaten) ist die Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzuges von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

 

2.6. Anrechnung der Haft

 

Der Beschuldigten ist die vom 17. September 2020 bis am 1. Oktober 2020 ausgestandene Untersuchungshaft (15 Tage) in Anwendung von Art. 51 StGB an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

 

 

VI. Zivilforderungen der Privatklägerin

 

1. Die Privatklägerin beantragte vor erster Instanz eine Genugtuung von mindestens CHF 20'000.00 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020, Schadenersatz in Höhe von CHF 58'116.15 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020 sowie die Festsetzung einer Haftungsquote von 100 % für den noch nicht bezifferbaren Schaden im Zusammenhang mit den verübten Straftaten. Im Berufungsverfahren beantragt die Privatklägerin nun eine Genugtuung von CHF 17'000.00 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020 und Schadenersatz in Höhe von CHF 55'116.15 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020.

 

2. Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Voraussetzungen für Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen korrekt dargelegt (Urteilsseiten 30 ff.). Darauf kann verwiesen werden.

 

Die Vorinstanz hat verständlich und nachvollziehbar dargelegt, weswegen die Bargeldeinzahlungen auf das […]-Konto von B.___ in der Zeit vom 16. Januar 2020 bis zum 5. August 2020 in Höhe von CHF 30'885.45 nur aus der Prostitutionstätigkeit der Privatklägerin stammen können, womit für diesen Betrag grundsätzlich Schadenersatz geschuldet ist bzw. weshalb im Rahmen der zu berücksichtigenden Dispositionsmaxime lediglich die beantragten CHF 28'945.45 zuzusprechen sind (Ziff. 3.4., Urteilsseite 33). Auch hinsichtlich der CHF 14'500.00, welche für den Kauf des [Sportwagens] verwendet wurden, sowie für die CHF 3'720.00, welche für die Mietkaution verwendet wurden, ist auf die Ausführungen der Vorinstanz zu verweisen (Ziff. 3.4.5. und Ziff. 3.4.6., Urteilsseite 34). Schliesslich hat die Vorinstanz auch nachvollziehbar dargelegt, weswegen von den in der Handtasche von C.___ sichergestellten CHF 2'470.00 lediglich CHF 1'500.00 an Schadenersatz geschuldet sind (Ziff. 3.4.7., Urteilsseite 34). Die Argumente der Vorinstanz finden ihre Stütze in den Akten und lassen sich ohne weiteres nachvollziehen.

 

Im Weiteren hat die erste Instanz ebenso schlüssig begründet, weswegen für die vom 21. März 2020 bis zum 24. Juli 2020 getätigten, bar bezahlten Migros-Einkäufe im Umfang von CHF 1'908.50 sowie für die mit dem Deliktserlös erworbenen, ebenfalls bar bezahlten Haushalts- und Elektronikgeräte im Umfang von CHF 3'572.20 kein Schadenersatz geschuldet ist (Ziff. 3.4.3. und Ziff. 3.4.4., Urteilsseite 34). Von den Einkäufen und Geräten konnte die Privatklägerin zumindest teilweise selber profitieren. Die Abgrenzungen, in welchem Ausmass und in welchem Zeitraum ihr dies möglich war, beinhalten teilweise zivilrechtliche Fragestellungen und sind nicht ohne Weiteres zu beantworten. Da der Sachverhalt diesbezüglich nicht genügend liquide eruiert werden kann, können die beantragten Beträge nicht zugesprochen werden.

 

Insgesamt hat die Beschuldigte der Privatklägerin einen Schadenersatz von CHF 48'665.45, zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020, zu bezahlen.

 

3. Im vorliegenden Fall hat die erste Instanz der Privatklägerin eine Genugtuung von CHF 12'000.00 zugesprochen. Die von der Vorinstanz diesbezüglich getätigten Überlegungen (Ziff. 2.4., Urteilsseiten 31 f.), welche grundsätzlich allesamt zutreffend sind, umfassen jedoch nur einen Teil der Kriterien, die vorliegend mit in die Bemessung der Höhe der Genugtuung einzubeziehen sind. Erschwerend tritt hinzu, dass die Privatklägerin, wenn sie den Forderungen und Bedingungen der Beschuldigten nicht nachgekommen ist, wiederholt körperliche Bestrafungen zu erwarten hatte und der Druck, immer genügend Geld nach Hause zu bringen, vor diesem Hintergrund noch schwerer wog als ohnehin schon. 

 

Ebenso erschwerenden Einfluss hat – wenn auch von der Vorinstanz zumindest kurz erwähnt – die Pandemielage. Im Zeitpunkt, als sich die Privatklägerin auf Geheiss der Beschuldigten ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit ohne Verhütungsmittel und ohne Einhaltung von sonstigen Schutzmassnahmen wie bspw. Masken den Freiern hingeben musste – d.h. im Zeitraum von Januar 2020 bis Juli 2020 –, bestand noch die Auffassung, dass potentiell jeder Kontakt mit dem Corona-Virus bzw. eine Ansteckung mit demselben tödlich verlaufen könnte. Die Beschuldigte setzte die Privatklägerin damit wiederholt und ohne jeglichen Schutz einer akuten Gefahr für die eigene Gesundheit aus. Das Risiko für die Geschädigte war massiv.

 

Im Vergleich mit weiteren Fällen der Förderung der Prostitution – stellvertretend kann auf das publizierte Urteil des Berufungsgerichts STBER.2019.43 verwiesen werden – erschient die von der Vorinstanz zugesprochene Genugtuung als zu tief. Ermessensweise ist die Genugtuung demnach auf CHF 15'000.00 festzusetzen. Die Beschuldigte hat der Privatklägerin damit eine Genugtuung von CHF 15'000.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020 zu bezahlen.

 

4. Aus den genannten Gründen ist auch die grundsätzliche Haftbarkeit der Beschuldigten zu bestätigen.

 

 

VII. Löschung DNA

 

1. Die Verteidigung der Beschuldigten beantragt, die DNA-Profile und die Daten der erkennungsdienstlichen Erfassung seien zur Löschung in Auftrag zu geben.

 

2. Vorliegend ist keiner der Anwendungsfälle von Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz, SR 363) gegeben, bei welcher es zu einer Löschung der DNA-Profile durch die zuständige Stelle kommen könnte. Der Antrag der Beschuldigten ist abzuweisen.

 

 

VIII. Kosten- und Entschädigungsfolgen

 

1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens (es kommt wie im erstinstanzlichen Verfahren auch im Berufungsverfahren zu Schuldsprüchen) ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid vollumfänglich zu bestätigen.

 

Die Beschuldigte hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Verfahrensgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 12'400.00, zu bezahlen. Die erstinstanzlich festgelegten Entschädigungen der vormaligen und der jetzigen amtlichen Verteidigung der Beschuldigten sowie der vormaligen und der jetzigen unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin wurden nicht gerügt und sind in Rechtskraft erwachsen.

 

Vorbehalten bleiben die Rückforderungsansprüche des Staates während 10 Jahren sowie der Nachforderungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im geltend gemachten Umfang, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

 

2.1. Die Beschuldigte unterliegt mit ihrer Berufung vollständig. Der Schuldspruch wird vollumfänglich bestätigt, auch die Höhe der Sanktion bleibt unverändert. Ebenso unverändert bleibt die Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes; die der Privatklägerin zugesprochene Genugtuung fällt sogar noch höher aus als noch vor erster Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 5'000.00, ausmachend total CHF 5'320.00, sind damit vollumfänglich der Beschuldigten aufzuerlegen.

 

2.2. Die unentgeltliche Rechtsbeiständin, Rechtsanwältin Lea Leiser, macht in ihrer Honorarnote für das Berufungsverfahren einen Arbeitsaufwand von 10.88 Stunden (nicht wie irrtümlich in der Zusammenfassung ausgewiesen 10.91 Stunden) geltend, zzgl. Hauptverhandlung und Urteilseröffnung. Dies erscheint grundsätzlich angemessen.

 

Zusammengefasst ergibt sich folgende Berechnung:

 

 

Ansatz

Zwischentotal

Ansatz

 

2.64 h

(bis 31.12.2022)

CHF 180.00

CHF 475.20

CHF 230.00

CHF 607.20

8.24 h

(ab 01.01.2023

CHF 190.00

CHF 1'565.60

CHF 250.00

CHF 2'060.00

3 h

(HV und Urteils-eröffnung)

CHF 190.00

CHF 570.00

CHF 250.00

CHF 750.00

 

 

CHF 2'610.80

 

CHF 3'417.20

Auslagen

 

CHF 46.10

 

CHF 46.10

 

 

CHF 2'656.90

 

CHF 3'463.30

MwSt.

7.7 %

CHF 204.60

 

CHF 266.70

TOTAL

 

CHF 2'861.50

 

CHF 3'730.00

Diff.

 

 

 

CHF 868.50

 

Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Privatklägerin wird demnach auf CHF 2'861.50 festgesetzt. Sie ist infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

 

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachforderungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 868.50 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 [bis 31.12.2022] bzw. zu CHF 250.00 [ab 01.01.2023] pro Stunde, inkl. Auslagen und MwSt.), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

 

2.3. Der amtliche Verteidiger der Beschuldigten, Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, macht in seiner Honorarnote für das Berufungsverfahren einen Arbeitsaufwand von 32.53 Stunden geltend. Diesbezüglich sind jedoch zwei Korrekturen anzubringen:

 

-        Im geltend gemachten Umfang enthalten sind insgesamt 19.5 Stunden an Vorbereitung des Parteivortrags anlässlich der Berufungsverhandlung. Mit Blick darauf, dass durch die Verteidigung im Rahmen des Parteivortrags vor der Berufungsinstanz weitgehend das Plädoyer vor erster Instanz wiederholt wurde, erscheint dieser Aufwand als zu hoch. Er ist ermessensweise auf pauschal 10 Stunden zu reduzieren.

 

-        Für die Hauptverhandlung und Urteilseröffnung wurden insgesamt 4.5 Stunden geltend gemacht. Mit Blick auf deren tatsächliche Dauer ist dieser Aufwand – wie auch bei der unentgeltlichen Rechtsbeiständin – auf drei Stunden festzusetzen. Die Position ist entsprechend zu kürzen.

 

-        Für ein Einschreiben sind Portokosten von CHF 6.00 geltend gemacht. Die Kosten der Schweizerischen Post für ein Einschreiben betragen jedoch lediglich CHF 5.30. Die Positionen vom 4. Februar 2022 und vom 23. Mai 2022 sind entsprechend anzupassen.

 

Zusammengefasst ergibt sich folgende Berechnung:

 

 

Ansatz

Zwischentotal

2.65 h

(bis 31.12.2022)

CHF 180.00

CHF 477.00

18.88 h

(ab 01.01.2023

CHF 190.00

CHF 3'587.20

 

 

CHF 4'064.20

Auslagen

 

CHF 155.70

 

 

CHF 4'219.90

MwSt.

7.7 %

CHF 324.95

TOTAL

 

CHF 4'544.85

 

Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren demnach auf CHF 4'544.85 festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

 

3. Ausgangsgemäss ist der Antrag der Beschuldigten auf Ausrichtung einer Genugtuung i.S.v. Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO in Höhe von CHF 5'000.00 abzuweisen.

 

Demnach wird in Anwendung von Art. 40 StGB, Art. 41 Abs. 1 StGB, Art. 47 StGB, Art 49 StGB, Art. 50 StGB, Art. 51 StGB, Art. 123 Ziff. 1 StGB, Art. 195 lit. a StGB, Art. 195 lit. c StGB, Art. 122 ff. StPO, Art. 135 StPO, Art. 138 StPO, Art. 335 ff. StPO, Art. 379 ff. StPO, Art. 391 Abs. 2 StPO, Art. 398 ff. StPO, Art. 416 ff. StPO, Art 41 OR, Art. 49 OR, § 146 lit. c Gebührentarif, § 158 Gebührentarif

beschlossen, festgestellt und erkannt:

1.    Auf die Berufung von A.___ gegen die Ziffern 4, 5 und 6 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 wird nicht eingetreten.

2.    A.___ hat sich schuldig gemacht

a)    der Förderung der Prostitution, begangen in der Zeit von Anfangs Januar 2020 bis am 15. Juli 2020;

b)    der einfachen Körperverletzung zum Nachteil von H.___, begangen zwischen dem 24. Juni 2020 und dem 15. Juli 2020;

3.    A.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten verurteilt.

4.    Die Untersuchungshaft vom 17. September 2020 bis 1. Oktober 2020, total 15 Tage, wird A.___ an die Freiheitsstrafe angerechnet.

5.    Die von A.___ geltend gemachte Genugtuungsforderung wird abgewiesen.

6.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 4 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 ist das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 3'000.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) der Privatklägerin H.___ herauszugeben. Die Zentrale Gerichtskasse wird nach Rechtskraft dieses Urteils angewiesen, den Betrag an H.___ zu überweisen.

7.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 wird das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 1'500.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) als unrechtmässiger Vermögensvorteil eingezogen und der Privatklägerin H.___ zur Deckung ihrer Schadenersatzforderung gegen die Beschuldigte zugesprochen. Die Zentrale Gerichtskasse wird nach Rechtskraft dieses Urteils angewiesen, den Betrag an H.___ zu überweisen. Im Gegenzug tritt H.___ ihre Forderung in diesem Umfang an den Staat ab.

8.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 6 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 wird das beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 14'500.00 (einbezahlt bei der Zentralen Gerichtskasse Solothurn) als unrechtmässiger Vermögensvorteil eingezogen und der Privatklägerin H.___ zur Deckung ihrer Schadenersatzforderung gegen die Beschuldigte zugesprochen. Die Zentrale Gerichtskasse wird nach Rechtskraft dieses Urteils angewiesen, den Betrag an H.___ zu überweisen. Im Gegenzug tritt H.___ ihre Forderung in diesem Umfang an den Staat ab.

9.    A.___ hat der Privatklägerin H.___ eine Genugtuung von CHF 15'000.00, zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020, zu bezahlen.

10.  A.___ hat der Privatklägerin H.___ einen Schadenersatz von CHF 48'665.45, zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 16. Juli 2020, zu bezahlen.

11.  A.___ wird gegenüber H.___ für alle Schadenersatzansprüche aus der Förderung der Prostitution sowie der einfachen Körperverletzung dem Grundsatz nach zu 100 % haftbar erklärt.

12.  A.___ hat H.___, vormals vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos, für deren Aufwand im erstinstanzlichen Verfahren vom 22. Juli 2020 bis 6. Juni 2021 eine Parteientschädigung von CHF 5'920.75 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

13.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 11 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 wurde für den Aufwand der vormaligen unentgeltlichen Rechtsbeiständin von H.___, Rechtsanwältin Eveline Roos, im erstinstanzlichen Verfahren ab dem 7. Juni 2021 eine Entschädigung von CHF 4'705.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat bezahlt.

Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch während 10 Jahren sowie der Nachforderungsanspruch der ehemaligen unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 4'075.70 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 pro Stunde), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

14.  Gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 12 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 26. Januar 2022 wurde die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, im erstinstanzlichen Verfahren auf CHF 17'213.15 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn bezahlt.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

15.  A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 12'400.00, zu bezahlen.

16.  Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von H.___, Rechtsanwältin Lea Leiser, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 2'861.50 (Honorar CHF 2'610.80 [2.64 Stunden à CHF 180.00, 11.24 Stunden à CHF 190.00], Auslagen CHF 46.10 und 7.7 % MwSt. CHF 204.60) festgesetzt. Sie ist infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse von A.___ vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachforderungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 868.50 (Differenz zum vollen Honorar zu CHF 230.00 [bis 31.12.2022] bzw. zu CHF 250.00 [ab 01.01.2023] pro Stunde, inkl. Auslagen und MwSt.), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

17.  Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 4'544.85 (Honorar CHF 4'064.20 [2.65 Stunden à CHF 180.00, 18.88 Stunden à CHF 190.00], Auslagen CHF 155.70 und MwSt. CHF 324.95) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

18.  A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 5'000.00, total CHF 5'320.00, zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Schenker



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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