Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.40 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 17.11.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Beschuldigte wurde wegen einer einfachen Verkehrsregelverletzung verurteilt, da sie während der Fahrt ihr Smartphone bediente, was die Bedienung des Fahrzeugs erschwerte. Die Vorinstanz sah auch eine Verletzung der Aufmerksamkeitsregel gemäss Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV. Die Beschuldigte wurde zu einer Busse von CHF 250.00 oder drei Tagen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschuldigte. Der Richter war von Felten, die Gerichtsschreiberin Fröhlicher. |
Schlagwörter: | Verkehr; Verkehrs; Beschuldigte; Fahrzeug; Vorinstanz; Aufmerksamkeit; Strasse; Berufung; Bundesgericht; Urteil; Sachverhalt; Sekunde; Verletzung; Verfahren; Verrichtung; Entscheid; Sekunden; Gefährdung; Blick; Würdigung; Gerät; Strassen; Kammer; Beweise; Beschuldigten; Anklage; Verkehrsteilnehmer |
Rechtsnorm: | Art. 106 StGB ; Art. 3 VRV ; Art. 31 SVG ; Art. 326 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 4 BV ; Art. 416 StPO ; Art. 9 BV ; Art. 90 SVG ; Art. 97 BGG ; |
Referenz BGE: | 103 IV 101; 116 IV 230; 118 Ia 144; 120 IV 36; 120 IV 63; 122 IV 225; 127 I 54; 129 I 173; 131 IV 100; 138 V 74; 76 IV 53; |
Kommentar: | Donatsch, Basler Kommentar zur StPO, Art. 326 StPO, 2014 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.40 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 17.11.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2022.70 |
Titel: | Verletzung der Verkehrsregeln |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 17. November 2022 Es wirken mit: Oberrichter Marti Oberrichter Werner Gerichtsschreiberin Fröhlicher In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Anklägerin
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kunz, Beschuldigte und Berufungsklägerin
betreffend Verletzung der Verkehrsregeln Die Berufung wird im schriftlichen Verfahren behandelt (Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO).
Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Mit Strafbefehl vom 17. September 2020 wurde A.___ (nachfolgend die Beschuldigte) wegen einfacher Verkehrsregelverletzung zu einer Busse von CHF 250.00, ersatzweise zu drei Tagen Freiheitsstrafe, und zur Bezahlung der Verfahrenskosten von CHF 150.00 verurteilt (Aktenseite [AS] 12 f.).
2. Gegen diesen Strafbefehl erhob die Beschuldigte mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 frist- und formgerecht Einsprache (AS 15).
3. Mit Verfügung vom 16. März 2021 überwies der zuständige Untersuchungsbeamte die Akten an das Gerichtspräsidium von Thal-Gäu zur Beurteilung des gegen die Beschuldigte erhobenen Vorhalts; dies unter Festhaltung am angefochtenen Strafbefehl und unter Beantragung der Befragung der Polizisten Wm B.___ und Wm C.___ als Zeugen an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (AS 18 f.). Der Untersuchungsbeamte äusserte sich in der Überweisungsverfügung im Rahmen eines Schlussberichts zum Sachverhalt (AS 19).
4. Am 2. März 2022 fällte der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu folgendes Urteil (AS 105 ff.): 1. A.___ hat sich der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln (durch Vornahme einer Verrichtung, welche die Bedienung des Fahrzeuges erschwert), begangen am 22. Juli 2020, schuldig gemacht. 2. A.___ wird verurteilt zu einer Busse von CHF 250.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 3 Tagen. 3. A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 400.00, total CHF 650.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 200.00, womit die gesamten Kosten CHF 450.00 betragen.
5. Gegen dieses Urteil liess die Beschuldigte fristgerecht die Berufung anmelden (AS 100). Die Berufungserklärung datiert vom 12. April 2022. Verlangt wird ein Freispruch, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen und es sei eine angemessene Parteientschädigung auszurichten; U.K.u.E.F.
6. Mit Stellungnahme vom 29. April 2022 teilte der Oberstaatsanwalt mit, die Staatsanwaltschaft stelle keinen Antrag auf Nichteintreten und verzichte auf eine Anschlussberufung und eine weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.
7. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 12. Mai 2022 wurde das schriftliche Berufungsverfahren angeordnet und der Berufungsklägerin Frist bis 2. Juni 2022 gesetzt zur Einreichung einer Berufungsbegründung. Die Berufungsbegründung ging innert dreimal erstreckter Frist am 21. Juli 2022 ein.
8. Am 5. August 2022 wurde über die Beschuldigte ein Strafregisterauszug eingeholt. Es sind zwei Verurteilungen wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln verzeichnet (Strafbefehle vom 16.2.2016 und vom 31.3.2020).
II. Kognition
1. Bildeten – wie vorliegend – ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO): - das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder - die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung.
Bei Übertretungen sind die Rügemöglichkeiten somit limitiert, allerdings nur dann, wenn – wie vorliegend – ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten. Die Rügemöglichkeiten lassen sich mit den früheren kantonalen Nichtigkeitsbeschwerden bzw. der heutigen Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vergleichen. Sämtliche Rechtsfragen sind mit freier Kognition zu prüfen, und zwar nicht nur materiellrechtliche, sondern auch prozessuale. Soweit die Beweiswürdigung bzw. die Feststellung des (rechtmässig erhobenen) Sachverhalts gerügt werden, beschränkt sich die Überprüfung auf offensichtliche Unrichtigkeit, also auf Willkür. Die Regelung entspricht somit derjenigen nach Art. 97 BGG. Auch bei der Überprüfung der Strafzumessung entspricht die Kognition des Berufungsgerichts derjenigen des Bundesgerichts. Solange die vom erstinstanzlichen Richter ausgesprochene Strafe als vertretbar erscheint, besteht kein Anlass, eine Korrektur am Strafmass vorzunehmen (Markus Hug in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Hrsg. Donatsch/Hansjakob/Lieber, 3. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2020, Art. 398 StPO N 23 mit Verweisen). Eine qualifizierte Rügepflicht ist eher zu verneinen, da es dazu an einer hinreichend klaren Rechtsnorm fehlt (Hug, a.a.O., Art. 398 StPO N 24).
Gerügt werden können wegen Rechtsverletzung Sachverhaltsfeststellungen, welche auf einer Verletzung von Bundesrecht, in erster Linie von Verfahrensvorschriften der StPO, beruhen, welche unter offensichtlich ungenügendem Ausschöpfen zur Verfügung stehender Beweismittel erfolgten und bei welchen der Sachverhalt daher unvollständig festgestellt worden und mithin in Missachtung des Grundsatzes der Wahrheitsforschung von Amtes wegen (Untersuchungsgrundsatz) erfolgt ist (Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2018, Art. 398 StPO N 13).
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw. im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 173 E. 3.1, BGE 6B_811/2007 E. 3.2). Dass auch eine andere Beweiswürdigung in Betracht kommt sogar naheliegender ist, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 E. 4.1; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 54 E. 2b, 60 E. 5a, je mit Hinweisen; BGE 1P.232/2003 vom 14. Juli 2003, BGE 6B_811/2007 vom 25. Februar 2008, E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann das Abstellen auf eine nicht-schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen einen Verstoss gegen Art. 4 BV (Verbot willkürlicher Beweiswürdigung) nach sich ziehen (BGE 118 Ia 144).
2. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Neu im Sinne dieser Bestimmung sind Tatsachen und Beweise, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden. Nicht darunter fallen demgegenüber Beweise, die beantragt, erstinstanzlich jedoch abgewiesen wurden. Der Berufungskläger kann im Berufungsverfahren namentlich rügen, die erstinstanzlich angebotenen Beweise seien (in antizipierter Beweiswürdigung) willkürlich abgewiesen worden. Desgleichen kann auch der Berufungsgegner seine erstinstanzlichen Beweisanträge im Berufungsverfahren erneuern (Urteil des Bundesgerichts 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012).
3. Die Beschuldigte rügt eine Verletzung des Anklageprinzips, eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung sowie eine unrichtige Rechtsanwendung.
III. Sachverhalt
1. Vorhalt
Der Beschuldigten wird im Strafbefehl vom 17. September 2020, welcher vorliegend die Anklage bildet, vorgehalten, während der Fahrt eine Verrichtung vorgenommen zu haben, ohne Schwenker Schwenker innerhalb der Spur und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, indem sie am 22. Juli 2020, um 18:30 Uhr, in Egerkingen, Oltenstrasse, in Fahrtrichtung Hägendorf, als Lenkerin des Personenwagens VW [...], SO-[...], ihr Mobiltelefon in der rechten Hand neben dem Lenkrad gehalten und während ein bis zwei Sekunden mit leicht gesenktem Kopf auf das Telefon geblickt habe (Fahrstrecke ca. 20 Meter, Geschwindigkeit ca. 50 km/h). Dadurch habe sie sich in Verletzung von Art. 3 Abs. 1 VRV und Art. 31 Abs. 1 SVG der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig gemacht.
2. Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz
2.1 Die Vorinstanz hielt bei der Beweiswürdigung abschliessend fest, es sei auf den Sachverhalt gemäss Strafanzeige vom 22. Juli 2020 und die Aussagen der Beschuldigten anlässlich der Erstbefragung abzustellen (US 5). Somit ging die Vorinstanz von folgendem erstellten Sachverhalt aus:
Gemäss Polizeirapport war es bewölkt, die Strassenverhältnisse waren trocken und es gab ein mittleres Verkehrsaufkommen. Während der Verkehrsüberwachung der Patrouille MOP Ost konnte auf der Oltnerstrasse in Egerkingen, am 22.07.2020, um 18:30 Uhr, der Personenwagen (Pw) VW, SO-[...], fahrend festgestellt werden. Das Fahrzeug fuhr mit einer geschätzten Geschwindigkeit von 50 km/h in Fahrtrichtung Hägendorf. Es konnte durch die Patrouille beobachtet werden, wie die Lenkerin ihr Smartphone mit ihrer rechten Hand rechts neben dem Lenkrad (auf Höhe Mitte des Lenkrades) hielt und dieses über eine Strecke von ca. 20 Metern resp. während einer geschätzten Dauer von ein bis zwei Sekunden bediente. Der Blick war auf das Smartphone gerichtet und somit war der Kopf leicht gesenkt. Eine Gefährdung Behinderung Dritter sowie Schwenker des Fahrzeuges konnten nicht festgestellt werden. Beim Verkehrsüberwachungsstandort handelte es sich um einen leicht erhöhten Vorplatz der Liegenschaft Oltnerstrasse 25, Egerkingen, ca. 6 m parallel zur Strasse mit freiem Blick auf die Oltnerstrasse (AS 3). Die Beschuldigte sagte im Rahmen der Erstbefragung vom 22. Juli 2020 aus, sie habe auf ihrem Natel das Navi einschalten wollen, um die Adresse vom Mc Donald’s in Egerkingen einzugeben. Das Natel habe sie im Getränkehalter gehabt und sie habe es von dort mit der rechten Hand behändigt. Sie habe es mittels Fingerabdruck entsperren müssen und habe die App öffnen wollen, als sie hinter sich die Polizei bemerkt habe. Sie denke, das Ganze habe etwa 2 -3 Sekunden gedauert.
2.2 Die Verteidigung rügt, die Vorinstanz gehe dann bei der rechtlichen Würdigung von einer abstrakten Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer aus und verletze damit das Anklageprinzip. Denn in der Anklage werde eine Gefährdung ausdrücklich verneint. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Frage, ob eine abstrakte Gefährdung vorliegt, eine Frage der rechtlichen Würdigung ist (vgl. dazu der im Rahmen der rechtlichen Würdigung dargelegte Entscheid des Bundesgerichts 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 3.3 in fine). Dementsprechend hat die Vorinstanz auch im Rahmen der rechtlichen Würdigung auf eine abstrakte Gefährdung geschlossen. Die Verneinung der Gefährdung im Strafbefehl bezieht sich darauf, dass eine konkrete Gefährdung, mithin eine grobe Verkehrsregelverletzung ausgeschlossen wird. Dass die Anklägerin damit nicht auch eine abstrakte Gefährdung ausschloss, zeigt sich daran, dass sie Art. 3 Abs. 1 VRV und damit eine Norm als verletzt angesehen hat, deren Verletzung stets mit einer zumindest abstrakten Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer einhergeht (in diesem Sinne auch Entscheid des Bundesgerichts 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 3.3).
Entgegen dem entsprechenden Einwand der Verteidigung dehnte die Vorinstanz auch nicht den Anklagesachverhalt im Sinne des Schlussberichts der Staatsanwaltschaft aus, was, wie die Verteidigung zutreffend ausführt, auch nicht zulässig wäre, da der Schlussbericht nicht Teil der Anklage, sondern eine Erläuterung davon ist in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft die Anklage nicht persönlich vor Gericht vertritt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen im Basler Kommentar zur StPO, Basel 2014, Art. 326 StPO N 15 ff.; Donatsch et al., Kommentar zur StPO, Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 326 StPO N 16). Wie dargelegt, legte die Vorinstanz ihrem Beweisergebnis die Strafanzeige und die Erstaussage der Beschuldigten zugrunde, worauf sich auch die Anklage stützt. Soweit die Vorinstanz im Rahmen der rechtlichen Würdigung von Sachverhalts-Elementen ausgeht, die sich im Schlussbericht finden, wird dazu bei der rechtlichen Würdigung Stellung genommen.
Weiter ist der Einwand der Verteidigung, die Vorinstanz hätte nicht auf die Erstaussage der Beschuldigten abstellen dürfen, denn diese habe sich damals möglichst schnell aus der unangenehmen Situation der polizeilichen Anhaltung befreien wollen und deshalb das Befragungsprotokoll unterschrieben, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, rein appellatorischer Natur und vermag nicht einmal im Ansatz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung zu begründen. Ebenso ist die Argumentation der Verteidigung unzutreffend, es müsse «in dubio pro reo» von einer Dauer des Vorfalls von lediglich einer Sekunde ausgegangen werden. Denn vorliegend ging die Beschuldigte in der hier relevanten Erstaussage selbst von einer Dauer von zwei bis drei Sekunden aus. Eine Dauer von ein bis zwei Sekunden hat sie also gar nicht bestritten. Im Übrigen kommt dem Grundsatz «in dubio pro reo» in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen).
Es liegt somit weder eine Verletzung des Anklageprinzips noch eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung vor. Das Beweisergebnis der Vorinstanz, welches den angeklagten Sachverhalt als erfüllt ansah, ist demnach nicht zu beanstanden. Auf den Eventualantrag der Verteidigung auf Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz ist unter diesen Umständen nicht näher einzugehen.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Nach Art. 90 Abs. 1 SVG wird mit Busse bestraft, wer Verkehrsregeln des SVG der Vollzugsvorschriften des Bundesrates verletzt. Der Beschuldigten wird im Strafbefehl vom 17. September 2020 eine einfache Verkehrsregelverletzung vorgeworfen, indem er gegen Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV verstossen habe.
1.2 Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG hat der Führer sein Fahrzeug ständig so zu beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss also jederzeit in der Lage sein, auf die jeweils erforderliche Weise auf das Fahrzeug einzuwirken und auf jede Gefahr ohne Zeitverlust zweckmässig zu reagieren (BGE 76 IV 53 E. 1). Er hat dafür zu sorgen, dass er weder durch die Ladung Mitfahrende noch auf andere Weise behindert wird (Art. 31 Abs. 3 SVG). Art. 3 Abs. 1 VRV konkretisiert dies wie folgt: «Der Fahrzeugführer muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit weder durch Radio noch andere Tonwiedergabegeräte beeinträchtigt wird.»
Während das allgemeine Mass der Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach Art. 31 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, sich nach den gesamten Umständen richtet, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 116 IV 230 E. 2, BGE 103 IV 101 E. 2b), untersagt Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV explizit jede die Fahrzeugbedienung erschwerende Verrichtung, ebenso wie gemäss Art. 3 Abs. 3 VRV jedes Loslassen der Lenkvorrichtung verboten ist (in diesem Sinne auch GIGER, Strassenverkehrsgesetz, 4. Aufl., S. 76). Gesetz und Verordnung gehen mithin davon aus, dass bestimmte Verrichtungen an sich die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigen und dadurch - im Sinne eines Gefährdungsdelikts - stets zumindest eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffen. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV, welcher die Zuwendung der Aufmerksamkeit dem Verkehr und der Strasse verlangt, ist nicht bereits dadurch verletzt, dass der Fahrzeuglenker während der Fahrt ein Telefongespräch führt; ein solches braucht die Konzentration nicht stärker zu beanspruchen als ein Gespräch mit den Fahrzeuginsassen. Hingegen kann das Halten des Telefonhörers allenfalls eine Verrichtung sein, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Der Fahrzeuglenker muss das Lenkrad mindestens mit der einen Hand halten (Art. 3 Abs. 3 VRV) und hat so die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob nun eine Verrichtung das Lenken einen dieser Handgriffe erschwert verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, dem Fahrzeug und der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewandt noch die Körperhaltung geändert werden, so kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden. Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert (BGE 120 IV 63 E. 2.a - d).
1.3 Im Entscheid 6B_894/2016 vom 14. März 2017 stützte das Bundesgericht einen Schuldspruch gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV bei einem Fahrzeuglenker, der auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h mit derselben Hand, die sich am Lenkrad befand, ein Mobilgerät bediente (rechte Hand). Die freie linke Hand befand sich nicht am Lenkrad, sondern lehnte im Bereich des Kopfes. Er habe das Gerät nicht bloss gehalten, sondern bedient und dafür unbestrittenermassen seinen Blick von der Strasse abgewandt. Allein deswegen hätte er mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht sofort reagieren können, wenn seine Aufmerksamkeit just in diesem Moment erforderlich gewesen wäre. Er habe daher mit dem Bedienen des Mobilgeräts mindestens eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer geschaffen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwäge, verneine das Bundesgericht eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung bei einer kurzen Ablenkung in der Regel nur, wenn weder der Blick vom Verkehr abgewandt noch die Körperhaltung verändert werden müsse (E. 3.3.1).
1.4 Im Entscheid 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 stützte das Bundesgericht einen Schuldspruch (Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV) in einem Fall, in dem der Beschuldigte mit einer Geschwindigkeit von 60 - 70 km/h auf dem Additionsstreifen über die Autobahn fuhr und dabei während ca. 3 Sekunden (ca. 49.5 - 57 Meter) seine Aufmerksamkeit nicht der Strasse, sondern dem Mobiltelefon bzw. einem Lasermessgerät zugewendet hatte, welches er in der rechten Hand gehalten und bedient hatte. Die Bedienung bestand darin, dass der Beschwerdeführer gemäss eigenen Aussagen das Gerät kurz aus der Halterung am Gürtel genommen, abgeschaltet und wieder in die Halterung gesteckt hat. Die Geschwindigkeit und das Verkehrsaufkommen auf dem fraglichen Autobahnabschnitt habe grundsätzlich eine stete Aufmerksamkeit und eine erhöhte Bremsbereitschaft des Fahrzeuglenkers erfordert, weswegen die Reaktionszeit zwischen 0,6 und 0,7 Sekunden betragen habe. Es handle sich um eine unzulässige appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Urteil, wenn der Beschwerdeführer vortrage, er habe den Blick nicht senken müssen, um das Lasermessgerät aus der Halterung zu nehmen und es abzuschalten (E. 3.2 - 3.3.3).
1.5 Im Entscheid 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 stützte das Bundesgericht einen vorinstanzlichen Freispruch vom Vorhalt der einfachen Verkehrsregelverletzung in einem Fall, in dem ein Autolenker auf dem Normalstreifen einer Autobahn mit 80 - 100 km/h im Kurvenbereich sein Mobiltelefon während 15 Sekunden ununterbrochen in der linken Hand hielt, ohne zu telefonieren dieses zu bedienen, ohne den Blick von der Strasse abzuwenden und ohne durch eine spezielle Fahrweise aufzufallen. Der Fall unterscheide sich wesentlich von BGE 120 IV 36. Das Gesichtsfeld sei nicht eingeschränkt gewesen und die freie Bewegung des Kopfes sei für notwendige Seitenblicke die Beobachtung des Rückspiegels nicht behindert gewesen (E 1.6). Anders sei der Fall aber allenfalls zu beurteilen, wenn der Autolenker telefoniert andere Manipulationen vorgenommen hätte, hielt das Bundesgericht abschliessend fest (E. 1.6 in fine).
1.6 Im Entscheid 1C_183/2016 vom 22. September 2016 bejahte das Bundesgericht die Bundesrechtskonformität des vorinstanzlichen Entscheids, der den Beschwerdeführer wegen einfacher Verkehrsregelverletzung verurteilt hatte, der bei einer Ortsausfahrt mehr als nur einigen Sekunden ein Navigationsgerät zum Ablesen beim Steuerrad positionierte. Dieses Verhalten entspreche insoweit dem Telefonieren während der Fahrt, bei dem das Telefon für längere Zeit am Ohr gehalten werde (E. 2.6).
1.7 Im Verfahren STBER.2018.47 stützte die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn einen vorinstanzlichen Schuldspruch (Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV) in einem Fall, in dem der Beschuldigte während der Fahrt innerorts während rund zwei Sekunden mit seiner rechten Hand ein Mobiltelefon hielt, auf dieses blickte und dieses bediente. Die Strafkammer erwog (US 10), durch dieses Verhalten habe der Beschuldigte die Bestimmungen von Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV missachtet, da er ohne zwingenden Grund seine Aufmerksamkeit während rund zwei Sekunden weg vom Strassengeschehen gerichtet habe. Die konkreten Umstände hätten jedoch vom Beschuldigten ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit verlangt, da es sich um eine Innerortsstrecke mit regem Verkehrsaufkommen handle, auf welcher mit Fussgängern und Velofahrern gerechnet werden müsse. Zudem seien angesichts der Uhrzeit (Feierabendverkehr an einem Werktag) ein brüskes Abbremsen, Vollbremsungen gar Überholmanöver entgegenkommender Fahrzeuge nicht auszuschliessen gewesen. Aufgrund dieser konkreten Gegebenheiten wäre die aufmerksame Beobachtung des vorausfahrenden und entgegenkommenden Verkehrs besonders angezeigt gewesen, um von der Entwicklung der Verkehrssituation nicht überrascht zu werden. Zudem habe der Beschwerdeführer seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die im abendlichen Berufsverkehr üblicherweise zu erwartenden Gefahren zu richten, sondern er hätte sekundär auch ungewöhnliche Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer im Auge behalten müssen (vgl. BGE 122 IV 225 E. 2c). Zwar seien die Strassen- und Sichtverhältnisse grundsätzlich gut gewesen, aufgrund der konkreten Tatzeit (Novemberabend um 17.00 Uhr, einsetzende Dämmerung) müsse aber davon ausgegangen werden, dass die Sichtverhältnisse nicht mehr optimal gewesen seien. Auch dies habe eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschuldigte das Gerät nicht bloss gehalten, sondern bedient und daher eine erhöhte kognitive Aufmerksamkeit dem Gerät zu- und von der Strasse abgewandt habe. Allein deswegen hätte er mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht sofort reagieren können, wenn seine Aufmerksamkeit just in diesem Moment erforderlich gewesen wäre. Er habe daher auch mit dem Bedienen des Mobilgeräts mindestens eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer geschaffen. Dies genüge für die Erfüllung des Tatbestandes. Die Strafkammer verwies in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 3.3.1 (analog: STBER.2021.106, STBER.2022.36).
2. Rechtliche Würdigung in casu
2.1 Aufgrund der dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist davon auszugehen, dass das Entsperren des Smartphones (wie das Sperren im Entscheid 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018) bereits ein Bedienen des Geräts darstellt. Dies in Abgrenzung zum blossen Halten des Geräts (vgl. Entscheid 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015), das weder ein Abwenden des Blicks vom Strassenverkehr noch eine Veränderung der Körperhaltung eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Kopfs nach sich zieht und auch nicht eine kognitive Ablenkung beinhaltet. Das Entsperren, sei es mittels Eingabe eines Codes, sei es mittels Fingerabdruck, erfordert einen gezielten Blick auf das Display des Gerätes, was wiederum zur Folge hat, dass während diesem Moment der Blick vom Strassengeschehen abgewendet wird. Es kann der Verteidigung also nicht gefolgt werden, wenn sie ins Feld führt, die Beschuldigte habe das Gerät nicht bedient gehabt, da sie die App nicht geöffnet habe. Sie hat das Gerät bereits dadurch bedient, dass sie dieses entsperrt hat. Der Sachverhalt fällt unter Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV, wonach der Fahrzeugführer beim Fahren keine Verrichtung vornehmen darf, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Wie in den Erwägungen zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausgeführt, gehen diesbezüglich Gesetz und Verordnung davon aus, dass bestimmte Verrichtungen an sich die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigen und dadurch - im Sinne eines Gefährdungsdelikts - stets zumindest eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffen. Vorliegend hat die Beschuldigte gemäss Beweisergebnis ihren Kopf leicht gesenkt und ihren Blick auf ihr Smartphone gerichtet. Die Verrichtung dauerte zwar nur kurz. Jedoch können im Strassenverkehr bereits ein bis zwei Sekunden Ablenkung ausreichen, um das richtige Lenken zu erschweren. Wie dargelegt, stützte die Strafkammer im Verfahren STBER.2018.47 den vorinstanzlichen Schuldspruch in einem ähnlichen Fall (Innerortsbereich, zwei Sekunden auf Mobiltelefon geschaut und dieses bedient). Die Beschuldigte hat sich demnach einer einfachen Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV schuldig gemacht.
2.2 Die Vorinstanz sah zudem auch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV als verletzt an. Wie im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zur rechtlichen Würdigung ausgeführt, liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV durch die Verwendung von Kommunikations- und Informationssystemen nur vor, wenn die Aufmerksamkeit dadurch auch tatsächlich beeinträchtigt wird (vgl. 120 IV 63 E. 2c), wovon die Vorinstanz ausging. Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz lautet wie folgt (US 6 f.): «Die Beschuldigte hat über eine Strecke von rund 20 Meter und eine Zeitdauer von ein bis zwei Sekunden ohne zwingenden Grund ihre Aufmerksamkeit nicht dem Verkehrsgeschehen zugewandt, sondern hat auf das Display ihres Smartphones geschaut, welches sie in ihrer rechten Hand auf Höhe des Lenkrads hielt, das Smartphone entsperrt und die Navigations-App geöffnet um eine Adresse einzugeben. Sie hat das Gerät folglich bedient. Dies innerorts, kurz vor einem vielbefahrenen zweispurigen Kreisverkehrsplatz und einbiegenden Strassen. Die Aufmerksamkeit der Beschuldigten wurde durch ihr Verhalten im vorliegenden Fall tatsächlich beeinträchtigt: Sie hatte sich auf der genannten Streckenlänge nicht dem Verkehrsgeschehen zugewandt, obwohl die konkreten Umstände ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit verlangt hätten (…) Zudem hat die Beschuldigte ihr Smartphone (…) nicht bloss in der Hand gehalten, sondern bedient und entsprechend eine erhöhte kognitive Aufmerksamkeit dem Gerät zu und von der Strasse abgewandt. Wäre ihre Aufmerksamkeit, etwa wegen eines brüsken Abbremsens der auf den Kreisverkehrsplatz zufahrenden Fahrzeuge, erforderlich gewesen, hätte sie mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nicht sofort reagieren können. Sie hat daher auch mit dem Bedienen des Handys mindestens eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer geschaffen.»
Soweit die Vorinstanz bei der rechtlichen Würdigung davon ausgeht, die Beschuldigte habe die App eingeschaltet, geht sie über ihr eigenes Beweisergebnis hinaus. Dies wird der Beschuldigten denn auch nicht vorgehalten und ergibt sich weder aus der Strafanzeige noch aus den Erstaussagen der Beschuldigten. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Beschuldigte ihr Mobiltelefon bedient hat, indem sie es entsperrt hat. Dass sie dies kurz vor einem vielbefahrenen zweispurigen Kreisverkehrsplatz und einbiegenden Strassen getan hat, wie dies die Vorinstanz annimmt, ergibt sich nicht aus den Akten. Der Strafanzeige ist zu entnehmen, dass es ein mittleres Verkehrsaufkommen gegeben hat, die Strassenverhältnisse waren trocken, es war bewölkt, es war um 18:30 Uhr an einem Juliabend noch hell. Der Strafanzeige ist weiter zu entnehmen, dass der Verkehrsüberwachungsstandort auf Höhe der Liegenschaft Oltnerstrasse 25 in Egerkingen war. Dass der Tatort aber kurz vor dem Kreisel war, ist nicht aktenkundig. Eine Internetrecherche (Google earth) ergibt sogar klar ein anderes Bild: Die Liegenschaft 25 befindet sich rund 200 m weg vom Kreisel. Die von der Vorinstanz genannten Begleitumstände (Tatort kurz vor vielbefahrenem Kreisel und einbiegenden Strassen), welche eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt hätten, sind somit akten- und tatsachenwidrig. In der konkreten Situation sind eher keine Umstände erkennbar, die ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit erfordert hätten. Im Gegensatz zum Verfahren STBER.2018.47 herrschte keine Dämmerung, die die Sichtverhältnisse etwas eingeschränkt hätte. Fussgängerstreifen (auf denen die Beschuldigte gegebenenfalls mit Fussgängern rechnen musste) werden in der Strafanzeige nicht erwähnt (und sind auch bei einer entsprechenden Internetrecherche nicht ersichtlich). Der Vorfall ereignete sich auch nicht während, sondern nach dem Feierabendverkehr. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht unwesentlich von jenem, der die Strafkammer im Verfahren STBER.2018.47 zu beurteilen hatte und in dem sie auch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV als verletzt ansah. Ob sich auf dem entsprechenden Streckenabschnitt eine Tankstelle befand, wie dies im Schlussbericht des zuständigen Untersuchungsbeamten steht, lässt sich aufgrund der Akten nicht eruieren. Es kann aber festgehalten werden, dass dieser Umstand nicht einen erhöhten Grad an erforderlicher Aufmerksamkeit zu begründen vermögen würde. Insgesamt liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV somit nicht vor. Dies ändert aber nichts daran, dass ein Schuldspruch nach Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV zu ergehen hat.
V. Strafzumessung
Die Vorinstanz verurteilte die Beschuldigte zu einer Busse von CHF 250.00, ersatzweise zu drei Tagen Freiheitsstrafe. Die Verteidigung äussert sich in der Berufungsbegründung nicht zur Strafzumessung der Vorinstanz. Angesichts der Tatsache, dass die Vorinstanz ausser Acht liess, dass die Beschuldigte wegen SVG-Delikten zweimal vorbestraft ist (jeweils grobe Verletzung der Verkehrsregeln: Urteile vom 16.2.1016 und 31.3.2020) und die neue Delinquenz innerhalb einer Probezeit erfolgte und nur kurz nach der letzten Verurteilung, dürfte dieses Strafmass eher zu tief veranschlagt worden sein. Die beschränkte Kognition betrifft die Strafzumessung nicht. Infolge des hier zu beachtenden Verschlechterungsverbotes fällt eine Anpassung des Strafmasses aber ausser Betracht. Die Busse der Vorinstanz ist zu bestätigen, so auch die Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen.
VI. Kosten und Entschädigung
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschuldigte die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen und ihr Entschädigungsbegehren ist abzuweisen.
Für das Berufungsverfahren wird die Staatsgebühr auf CHF 1'000.00 festgesetzt, zuzüglich der allgemeinen Kosten belaufen sich die Kosten des Berufungsverfahrens auf CHF 1'050.00. Demnach wird in Anwendung von Art. 31 Abs. 1, Art. 90 Abs. 1 SVG; Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV; Art. 47, Art. 106 StGB; Art. 379 ff., 398 ff und Art. 416 ff. StPO erkannt: 1. A.___ hat sich der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln (durch Vornahme einer Verrichtung, welche die Bedienung des Fahrzeuges erschwert), begangen am 22. Juli 2020, schuldig gemacht. 2. A.___ wird verurteilt zu einer Busse von CHF 250.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 3 Tagen. 3. Das Entschädigungsbegehren von A.___, v.d. Rechtsanwalt Alexander Kunz, wird abgewiesen. 4. A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 400.00, total CHF 650.00, zu bezahlen.
5. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 1’000.00, total CHF 1’050.00, zu bezahlen. Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin von Felten Fröhlicher
Der vorliegende Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 6B_27/2023 vom 5. Mai 2023 aufgehoben.
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