Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.14 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 12.06.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Der Fall handelt von einem (mehrfachen) versuchten (eventual-)vorsätzlichen Mord in Verbindung mit Brandstiftung. Der Beschuldigte A.___ wird zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt und für 15 Jahre des Landes verwiesen. Die Staatsanwaltschaft hat Anschlussberufung eingelegt, um eine Verurteilung wegen versuchten mehrfachen Mordes und eine längere Freiheitsstrafe zu erreichen. Der Richter berücksichtigt die Unschuldsvermutung und die freie Beweiswürdigung, wobei die Aussagen des Beschuldigten analysiert werden. Es gibt verschiedene Beweismittel, darunter die Aussagen des Beschuldigten, die mehrmals widersprüchlich waren. Die Beweisführung basiert auf der Gesamtheit aller Beweise, um die Schuld des Beschuldigten mit hinreichender Sicherheit zu beweisen. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Brand; Solothurn; Kanton; Beschuldigten; Polizei; Täter; Urteil; Bewohner; Tötung; Staat; Recht; Brandstiftung; ABI-Nr; Apos; Feuer; Beweis; Staatsanwalt; Urteils; Person; Freiheitsstrafe; Beruf; Benzin; Berufung; Ziffer; Schuh |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 111 StGB ; Art. 112 StGB ; Art. 113 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 221 StGB ; Art. 307 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 320 StGB ; Art. 385 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 416 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 43 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 50 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 69 StGB ; Art. 73 StPO ; |
Referenz BGE: | 100 IV 146; 105 IV 225; 115 IV 286; 117 IV 7; 118 IV 122; 118 IV 342; 120 IV 72; 120 Ia 36; 121 IV 49; 123 IV 128; 127 IV 10; 133 I 33; 133 IV 1; 134 IV 1; 136 IV 1; 136 IV 55; 138 IV 120; 138 IV 57; 138 V 74; 140 IV 150; 141 IV 61; 142 IV 265; 143 IV 361; 144 IV 217; 146 IV 172; 85 IV 130; 96 IV 99; |
Kommentar: | Hans, Basler Strafrecht I, Art. 12 StGB, 2019 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.14 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 12.06.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.52 |
Titel: | (mehrfacher) versuchter (eventual-)vorsätzlicher Mord, evtl. (mehrfache) versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung, in echter Idealkonkurrenz mit vorsätzlicher qualifizierter Brandstiftung (Gefahr für Leib und Leben von Menschen), evtl. versuchter qualifizierter Brandstiftung, subevtl. Brandstiftung, |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 12. Juni 2023 Es wirken mit: Oberrichter Marti Oberrichter Werner Gerichtsschreiber Wiedmer In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn
Anschlussberufungsklägerin
A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Urs Oswald, Beschuldigter und Berufungskläger
betreffend (mehrfacher) versuchter (eventual-)vorsätzlicher Mord, evtl. (mehrfache) versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung, in echter Idealkonkurrenz mit vorsätzlicher qualifizierter Brandstiftung (Gefahr für Leib und Leben von Menschen), evtl. versuchter qualifizierter Brandstiftung, subevtl. Brandstiftung, Landesverweisung Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht vom 12. Juni 2023: 1. [Der Staatsanwalt], für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger; 3. Rechtsanwalt Urs Oswald, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten; 4. [Eine Dolmetscherin].
Zudem erscheinen:
- zwei Zuhörerinnen; - ein Medienvertreter; - zwei Polizisten.
Der Vorsitzende eröffnet um 08:30 Uhr die Verhandlung, stellt die Anwesenden fest und gibt die Besetzung des Berufungsgerichts bekannt.
Die übersetzende Person wird auf die Pflicht zur wahrheitsgemässen Übersetzung, auf die Straffolgen bei falscher Übersetzung gemäss Art. 307 StGB und auf die Straffolgen bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 73 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 320 StGB hingewiesen.
In der Folge weist der Vorsitzende auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 15. September 2021 hin und fasst dieses zusammen. Er nennt die vom Beschuldigten und Berufungskläger angefochtenen Urteilsziffern 1 (Schuldsprüche), 2 (Strafmass), 5 und 6 (Landesverweisung inkl. Ausschreibung im SIS) und 13 (Kostenentscheid). Er hält weiter fest, dass die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung gegen die Ziffern 1 und 2 des erstinstanzlichen Urteils erhoben habe. Er stellt fest, dass das erstinstanzliche Urteil demnach wie folgt in Rechtskraft erwachsen sei:
- Ziffer 7 (Einziehung und Vernichtung diverser Gegenstände); - Ziffer 8 (Einziehung von CHF 2'741.65); - Ziffer 9 (Verweis der Privatklägerinnen und Privatkläger auf den Zivilweg); - Ziffern 11 und 12 (Entschädigungen des amtlichen Verteidigers und der vormaligen amtlichen Verteidigerin der Höhe nach).
Der Vorsitzende weist darauf hin, dass das Berufungsgericht die Anordnung der Sicherheitshaft prüfen werde. Den Parteien werde Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen der Parteivorträge diesbezüglich zu äussern.
Der Vorsitzende skizziert den vorgesehenen weiteren Verhandlungsablauf wie folgt:
1. Vorfragen, Vorbemerkungen und Anträge der Parteivertreter; 2. Befragung des Beschuldigten; 3. weitere Beweisanträge und Abschluss des Beweisverfahrens; 4. Parteivorträge; 5. letztes Wort des Beschuldigten; 6. geheime Urteilsberatung; 7. Urteilseröffnung, vorgesehen am 13. Juni 2023 um 17:00 Uhr.
Der amtliche Verteidiger legt seine Honorarnote dem Staatsanwalt und dem Gericht zur Einsicht vor (Aktenseiten Berufungsgericht [ASB] 198 ff.).
Vorfragen
Keine Vorfragen seitens der Parteien.
Beweisabnahme
Der Beschuldigte wird, nachdem er von Oberrichter Werner auf sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen sowie die Aussage und Mitwirkung verweigern zu dürfen, hingewiesen worden ist, zur Sache und zur Person befragt.
Die Parteivertreter stellen keine weiteren Beweisanträge, so dass das Beweisverfahren vom Vorsitzenden geschlossen wird.
Parteivorträge
[Der Staatsanwalt] stellt und begründet (ASB 155 ff.) für die Anklägerin die folgenden Anträge:
1. Der Beschuldigte sei wegen mehrfachen versuchten Mordes (Art. 112 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) schuldig zu sprechen. 2. Die Freiheitsstrafe sei um 5 Jahre zu erhöhen, d.h. der Beschuldigte sei zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren zu verurteilen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschuldigten. 4. Im Übrigen sei das Urteil des Amtsgerichts Thal-Gäu vom 15. September 2021 zu bestätigen. 5. Dies alles unter umfänglicher Abweisung anderslautender Berufungsanträge des Beschuldigten.
Der amtliche Verteidiger Urs Oswald stellt und begründet (ASB 164 ff.) im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers die folgenden Anträge:
1. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der mehrfachen versuchten eventualvorsätzlichen Tötung sowie vom Vorwurf der qualifizierten Brandstiftung freizusprechen. 2. Der Beschuldigte sei der Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB schuldig zu erklären. 3. Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten zu bestrafen. 4. Der Beschuldigte sei für die Dauer von 8 Jahren des Landes zu verweisen. 5. Der Antrag auf Ausschreibung im SIS sei abzuweisen. 6. Die übrigen Verfahrenskosten von total CHF 38'000.00 seien im Umfang von ¾ auf die Staatskasse zu nehmen, zu ¼ dem Beschuldigten aufzuerlegen, dies unter Verrechnung des beschlagnahmten Barbetrages von CHF 2'741.65, sodass der Beschuldigte noch Verfahrenskosten von CHF 6'758.35 zu bezahlen hat. 7. Die Kosten des Berufungsverfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen. 8. Die Kosten der amtlichen Verteidigung des Berufungsverfahrens seien aus der Staatskasse zu bezahlen. 9. Die Anschlussberufung sei abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 10. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Hierauf halten der Staatsanwalt und der amtliche Verteidiger einen zweiten Parteivortrag.
Letztes Wort des Beschuldigten
Der Beschuldigte macht von seinem Recht auf das letzte Wort Gebrauch und führt aus, es tue ihm leid. Das, was er gesagt habe, sei die hundertprozentige Wahrheit. Er würde niemanden beschuldigen, wenn dies nicht der Wahrheit entsprechen würde. Es tue ihm sehr leid.
Damit endet der öffentliche Teil der Berufungsverhandlung um 11:35 Uhr und das Gericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.
Es erscheinen zur mündlichen Urteilseröffnung vom 13. Juni 2023 um 17:00 Uhr:
1. [Der Staatsanwalt], für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger; 3. Rechtsanwalt Urs Oswald, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten; 4. [Eine Dolmetscherin].
Zudem erscheinen:
- eine Zuhörerin; - ein Medienvertreter; - zwei Polizisten.
Der Vorsitzende weist vorab darauf hin, dass das Urteil des Berufungsgerichts im Rahmen der mündlichen Eröffnung nur summarisch begründet werde. Massgeblich sei die schriftliche Begründung des Urteils, welche den Parteien später eröffnet werde und ab deren Zustellung auch die Rechtsmittelfrist zu laufen beginne.
Anschliessend verliest Oberrichter Werner den Urteilsspruch. Er fasst die Beweiswürdigung zusammen, nimmt die rechtliche Würdigung vor, äussert sich zur Strafzumessung sowie zur Landesverweisung. Weiter führt er aus, dass das Berufungsgericht über die Anordnung der Sicherheitshaft entschieden habe. Mit den Angaben zur Kostenverteilung schliesst der Referent die summarische Urteilsbegründung.
Um 17:50 Uhr erklärt der Vorsitzende die mündliche Urteilseröffnung für geschlossen. Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Wie der Strafanzeige vom 28. Mai 2020 entnommen werden kann, ging am 21. Juli 2019 um 23.52 Uhr bei der Alarmzentrale der Kantonspolizei Solothurn die Meldung ein, dass es in einem Mehrfamilienhaus an der [Strasse] in [Ort 1] zu einer Explosion mit Brandfolge gekommen sei («Explosion bei [ehemaligem Gastgewerbelokal]. Es brennt. Es hat verletzte Personen.»; Aktenseite [nachfolgend AS] 10). Die unverzüglich aufgebotenen Sicherheits- und Rettungskräfte von Feuerwehr, Polizei und Ambulanz konnten in der Folge sämtliche in der Liegenschaft wohnhaften Personen aus dieser retten und den Brand löschen. Zwei Bewohner der Liegenschaft wurden wegen Verdachts einer Rauchgasvergiftung ins [Spital] überführt. Sie konnten das Spital aber noch in derselben Nacht ca. um 03.00 Uhr wieder verlassen (zum Ganzen AS 1 ff., 92 ff.).
2. In der Folge eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (nachfolgend Staatsanwaltschaft) am 22. Juli 2019 eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt betreffend Brandstiftung und versuchte vorsätzliche Tötung (AS 882).
3. Gestützt auf die Aussagen von Anwohnern konnte der Fluchtweg des mutmasslichen Täters sehr rasch ausfindig gemacht werden (AS 16). Auf der Fluchtroute konnten dann auch Gegenstände, welcher sich der mutmassliche Täter entledigt hatte, aufgefunden werden, wie insbesondere ein Schraubenzieher, ein Feuerzeug und brandbeschädigte Turnschuhe (AS 12 ff., 144 ff., 225 ff.). Gestützt auf die DNA-Auswertung dieser Gegenstände (AS 99 f., 187 ff.) wurde die Strafuntersuchung ab dem 26. Juli 2019 gegen [«A.»] bzw. A.___ geführt (AS 883).
4. Am 5. August 2019 wurde der Beschuldigte vorläufig festgenommen (AS 956 ff.) und mit Entscheid des Haftgerichts vom 8. August 2019 für drei Monate in Untersuchungshaft versetzt (AS 988 ff.). In der Folge wurde die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten mehrfach verlängert (AS 1016 ff., 1036 ff.).
5. Mit Verfügung vom 17. Juli 2020 bewilligte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten den vorzeitigen Strafvollzug (AS 1064).
6. Am 23. September 2020 erging eine bereinigte Eröffnungsverfügung betreffend versuchte vorsätzliche Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) und qualifizierte Brandstiftung (Gefahr für Leib und Leben von Menschen; Art. 221 Abs. 2 StGB) gegen den Beschuldigten (AS 884 f.).
7. Mit Anklageschrift vom 6. Mai 2021 erhob die Staatsanwaltschaft gegen A.___ Anklage betreffend (mehrfacher) versuchter (eventual-)vorsätzlicher Mord (Art. 112 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. (mehrfache) versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), in echter Idealkonkurrenz mit qualifizierter Brandstiftung (Gefahr für Leib und Leben von Menschen; Art. 221 Abs. 2 StGB), evtl. versuchte qualifizierte Brandstiftung (Art. 221 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), subevtl. Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB).
8. Mit Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten des Richteramtes Thal-Gäu vom 1. Juni 2021 wurde die Hauptverhandlung auf den 15. September 2021 angesetzt (AS 1156).
9. Am 15. September 2021 fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Thal-Gäu statt (AS 1265 ff.). Gleichentags fällte es folgendes Urteil (AS 1313 ff.): 1. A.___ hat sich schuldig gemacht: - der mehrfachen versuchten Tötung, zum Nachteil von E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___; - der qualifizierten Brandstiftung, zum Nachteil der L.___ AG, E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___ sowie C.___; alles begangen am 21. Juli 2019 in [Ort 1]. 2. A.___ wird verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren. 3. Die vom 5. August 2019 bis am 16. Juli 2020 ausgestandene Untersuchungshaft sowie der vorzeitige Strafvollzug seit dem 17. Juli 2020 werden an die Freiheitsstrafe angerechnet. 4. A.___ verbleibt im vorzeitigen Strafvollzug. 5. A.___ wird für Dauer von 15 Jahren des Landes (Hoheitsgebiet der Schweiz) verwiesen. 6. Die Landesverweisung von A.___ wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben. 7. Folgende beschlagnahmte Gegenstände werden in Anwendung von Art. 69 StGB eingezogen und sind zu vernichten:
A.___ ist berechtigt, die auf dem Mobiltelefon Samsung Galaxy [...] vorhandenen Fotos vor der Vernichtung zu kopieren. 8. Der beschlagnahmte Barbetrag in der Höhe von total CHF 2'741.65 wird eingezogen und verfällt nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Staat Solothurn, unter Verrechnung mit den vom Beschuldigten zu tragenden Gerichtskosten. 9. Nachfolgende Privatkläger werden zur Geltendmachung ihrer Zivilforderungen auf den Zivilweg verwiesen: - F.___ (Schadenersatzforderung von CHF 3'320.15 sowie Genugtuung von CHF 1'000.00); - L.___ AG, v.d. O.___ (Schadenersatzforderung von ca. CHF 500'000.00); - K.___ (Schadenersatzforderung von CHF 6'339.60 sowie Genugtuung von CHF 22'000.00); - A.I.___ und B.I.___ (Schadenersatzforderung und Genugtuung in unbekannter Höhe). 10. A.___ wird mit Wirkung ab 1. September 2021 Rechtsanwalt Dr. Urs Oswald, als amtlicher Verteidiger beigeordnet. 11. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dr. Urs Oswald, wird auf CHF 7'022.25 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt, und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu zahlen, zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO). 12. Die Entschädigung der vormaligen amtlichen Verteidigerin von A.___, Rechtsanwältin Clivia Wullimann, wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 10. November 2020 auf CHF 14'226.75 festgesetzt (unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Rückforderungsansprüche gemäss Art. 135 Abs. 4 und 5 StPO). 13. Die übrigen Verfahrenskosten, mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 38'000.00, hat A.___ zu bezahlen. Der beschlagnahmte Barbetrag von CHF 2'741.65 (siehe Ziff. 8 hiervor) wird mit den Verfahrenskosten verrechnet, sodass A.___ noch Verfahrenskosten von CHF 35'258.35 zu bezahlen hat.
10. Am 30. September 2021 liess der Beschuldigte Berufung anmelden (AS 1306).
11. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils erklärte der Beschuldigte am 31. Januar 2022 die Berufung (ASB 3 ff.). Diese richtet sich gegen die Schuldsprüche wegen mehrfacher versuchter Tötung und qualifizierter Brandstiftung (Ziffer 1 des Urteils der Vorinstanz), gegen die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren (Ziffer 2 des Urteils der Vorinstanz), gegen die Dauer der Landesverweisung und die Ausschreibung derselben im Schengener Informationssystem (Ziffern 5 und 6 des Urteils der Vorinstanz) und gegen die Kostenauferlegung (Ziffer 13 des Urteils der Vorinstanz). Der Beschuldigte beantragt einen Freispruch vom Vorhalt der mehrfachen versuchten Tötung und der qualifizierten Brandstiftung, einen Schuldspruch wegen Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB, eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, eine Landesverweisung für die Dauer von acht Jahren, einen Verzicht auf die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem sowie eine Kostenauferlegung im Verhältnis ¼ (Beschuldigter) zu ¾ (Staat).
12. Mit Eingabe vom 18. Februar 2022 erklärte die Staatsanwaltschaft die Anschlussberufung (ASB 36 f.). Mit dieser beantragt die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch wegen versuchten mehrfachen Mordes und eine Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe.
13. Am 11. Januar 2023 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung auf den 12. Juni 2023 vorgeladen (ASB 44 f.).
14. Mit Eingabe vom 21. April 2023 teilte der amtliche Verteidiger der Staatsanwaltschaft mit, dass der Beschuldigte bereit sei, umfassende Aussagen zu machen (ASB 65 ff.).
15. Die Staatsanwaltschaft eröffnete in der Folge ein polizeiliches Ermittlungsverfahren unter der Verfahrensnummer STA.2023.2412. Der Beschuldigte wurde am 25. Mai 2023 von der Staatsanwaltschaft einvernommen (ASB 91 ff.).
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens, bestrittene Vorhalte
1. In Rechtskraft erwachsen sind Ziffer 7 (Einziehung und Vernichtung diverser Gegenstände), Ziffer 8 (Einziehung von CHF 2'741.65), Ziffer 9 (Verweis der Privatklägerinnen und Privatkläger auf den Zivilweg), sowie die Ziffern 11 und 12 (Entschädigungen des amtlichen Verteidigers und der vormaligen amtlichen Verteidigerin der Höhe nach [mit Ausnahme der Rückforderungsansprüche des Staates]).
2. Das Berufungsgericht hat folgende Vorhalte gemäss Anklageschrift (nachfolgend AnklS) vom 6. Mai 2021 zu beurteilen:
AnklS Ziffer 1: (mehrfacher) versuchter (eventual-)vorsätzlicher Mord (Art. 112 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. (mehrfache) versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB); in echter Idealkonkurrenz mit qualifizierter Brandstiftung (Gefahr für Leib und Leben von Menschen) (Art. 221 Abs. 2 StGB), evtl. versuchte qualifizierte Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 [recte: Abs. 2] i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), subevtl. Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB) begangen am 21.07.2019, um 23:52 Uhr, in [Ort 1], [Strasse], Mehrfamilienhaus, - zum Nachteil von E.___, F.___, G.___, K.___, H.___ sowie der Familie A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___, indem der Beschuldigte (eventual-)vorsätzlich und (bedingt dadurch, dass mit Blick auf den Beweggrund, den Zweck der Tat und die Art der Ausführung eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Ansprüche zum Ausdruck kommt [siehe unten]) in besonders skrupelloser Weise versuchte, die Bewohner des Mehrfamilienhauses [Strasse] in [Ort 1], d.h. konkret E.___, F.___, G.___, K.___, H.___ sowie die Familie A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___, mittels (qualifizierter) Brandstiftung (siehe nachfolgend) zu töten (Hinweis: Da der Erfolg, d.h. der Tod der Geschädigten, nicht eintrat, blieb es bei einem Versuch), wobei der Beschuldigte, da es letztlich nur vom Zufall abhing, ob die Geschädigten den Brand rechtzeitig bemerkten und sich zu retten vermochten, den Tod der Geschädigten (und/oder den Tod weiterer zufällig anwesenden Personen) zumindest billigend in Kauf nahm, zumal dem Beschuldigten bekannt war, dass sich Personen in der betreffenden Liegenschaft befanden, welchen er durch die Art und Weise der Brandlegung zudem den Fluchtweg abschnitt und er überdies davon ausging, dass diese zur mitternächtlichen Tatzeit schliefen; - zum Nachteil der L.___ AG, v.d. O.___, der Hausbewohner (A.I.___, B.I.___, C.I.___, D.I.___, E.___, F.___, G.___, K.___, H.___) sowie des Mieters des [ehemaligen Gastgewerbelokals] im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses (C.___), indem der Beschuldigte das Mehrfamilienhaus wissentlich und willentlich in Brand steckte und dadurch, d.h. bedingt durch den verursachten grossflächigen und unkontrollierbaren Brand, zum Schaden anderer sowie unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursachte, wobei er überdies (im Sinne des direkten Vorsatzes) um die konkrete Gefährdung für Leib und Leben von Menschen wusste und diese auch wollte, zumal dem Beschuldigten bekannt war, dass sich Personen in der betreffenden Liegenschaft befanden, welchen er durch die Art und Weise der Brandlegung zudem den Fluchtweg abschnitt und er überdies davon ausging, dass diese zur mitternächtlichen Tatzeit schliefen. Konkret brach der Beschuldigte mit einem mitgeführten Schraubenzieher [die Lieferantentür] des Mehrfamilienhauses auf und schüttete im [ehemaligen Gastgewerbelokal] und im ehemaligen Verkaufsraum drei bereits im Vorfeld am Tatort deponierte Benzinkanister aus (insgesamt ca. 30 Liter). Daraufhin zündete der Beschuldigte das ausgeschüttete Benzin an. Durch die Vermischung der Benzindämpfe (in einem relativ eng begrenzten Raum) mit der Luft entstand ein explosionsfähiges Gemisch, weshalb es bei der Entzündung zu einer (explosionsartigen) Verpuffung mit entsprechender Hitze- und Druckenergie kam. Durch die plötzliche Verpuffung entzündeten sich neben den Benzindämpfen und dem Benzin auch die benzingetränkten Socken des Beschuldigten, die er unmittelbar vor der Tatausführung über seine Schuhe gezogen hatte und immer noch trug. Infolgedessen verliess der Beschuldigte den Tatort fluchtartig, rannte an einem mit Wasser gefüllten Brunnen vorbei und warf die besagten Schuhe mitsamt den Socken in [den nahegelegenen kleinen Fluss]. Schliesslich begab er sich zu seinem Fahrzeug und fuhr weg, ohne den Brand gelöscht zu haben die Rettungskräfte zu alarmieren. In der Folge konnte der Brand von der durch Drittpersonen zu Hilfe gerufene Feuerwehr gelöscht werden. Durch den Brand entstand ein Schaden am Gebäude in der Höhe von ca. CHF 570'000.00. Hitze-, Rauch- und Russschäden entstanden im ganzen Parterre der Liegenschaft, im ganzen Treppenhaus sowie in sämtlichen Wohnungen des Mehrfamilienhauses. Das besonders skrupellose Verhalten des Beschuldigten ergibt sich konkret daraus, dass - er aus besonders verwerflichen und blanken egoistischen Gründen und mit besonders verwerflichen Zweck handelte, weil er aus keinem nachvollziehbaren Anlass (Hinweis: Der Beschuldigte schwieg über die wahren Motive der Tat) versuchte, mehrere Menschen kaltblütig und gefühlskalt mittels Legung eines Brandes zu töten und damit eine ausserordentliche Geringschätzung fremden Lebens an den Tag legte; - die Ausführung der Tat darüber hinaus als ausserordentlich verwerflich zu qualifizieren ist, weil der Beschuldigte die völlig arg- bzw. ahnungs- und schutzlosen Opfer, welche sich zum Zeitpunkt der Brandlegung teilweise schlafend in ihren Wohnungen befanden und von der bevorstehenden Brandlegung nichts ahnen konnten), in heimtückischer Art mit seiner Brandlegung im Erdgeschoss überraschte, so dass die unter den gegebenen Umständen völlig schutz- und wehrlosen Beteiligten nahezu chancenlos waren, den Brand zu bemerken und überdies der Fluchtweg über das Treppenhaus durch den Brand verunmöglicht wurde. Hinweis zu den Konkurrenzen: Echte Konkurrenz kann auch in Fällen vorliegen, in welchen keine unterschiedlichen Rechtsgüter verletzt werden. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Täter durch eine Handlung (Idealkonkurrenz) dasselbe Rechtsgut mehrerer Rechtsgutträger verletzt (vgl. BSK StGB-ACKERMANN, Art. 49 N 72). Vor diesem Hintergrund ist auf mehrfachen versuchten (eventual-)vorsätzlichen Mord, evtl. auf mehrfache versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung, zu erkennen. Hinweise zu den Eventualitervorhalten: Sollte das urteilende Gericht zu der Auffassung gelangen, dass der Beschuldigte die Geschädigten nicht auf skrupellose Weise töten wollte, so ist er eventualiter – gestützt auf den erwähnten Sachverhalt sowie in Anbetracht der Tathandlung – wegen mehrfacher (eventual-)vorsätzlicher Tötung zu verurteilen. Sollte das urteilende Gericht zu der Auffassung gelangen, dass keine tatsächliche und konkrete Gefährdung von Leib und Leben der Mitbewohner bestand, der Beschuldigte eine solche aber direktvorsätzlich herbeiführen wollte, so ist er eventualiter – gestützt auf den erwähnten Sachverhalt sowie in Anbetracht der Tathandlung – wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung (Art. 221 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) zu verurteilen. Sollte das urteilende Gericht zu der Auffassung gelangen, dass sich dem Beschuldigten betreffend konkrete Gefährdung für Leib und Leben direktvorsätzliches Verhalten nicht rechtsgenüglich nachweisen lässt, so ist er subeventualiter – gestützt auf den erwähnten Sachverhalt sowie in Anbetracht der Tathandlung – wegen Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB) zu verurteilen.
3. Der amtliche Verteidiger machte anlässlich der Berufungsverhandlung geltend, auf die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft sei nicht einzutreten. In der Anschlussberufung müsse genau angegeben werden, welche Änderungen des erstinstanzlichen Urteils verlangt würden bzw. wie das Dispositiv des zu fällenden Berufungsurteils lauten solle. Im vorliegenden Fall beschränke sich die Staatsanwaltschaft darauf, zwar eine Verurteilung des Beschuldigten wegen versuchten mehrfachen Mordes zu verlangen, bezüglich der Strafzumessung bleibe sie aber unklar. Es werde lediglich «eine Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe» verlangt. Eine derartige Formulierung könne nicht in ein Urteilsdispositiv übernommen werden und auf die Anschlussberufung könne deshalb nicht eingetreten werden.
Mit der Berufungserklärung hat die das Rechtsmittel einlegende Partei den Umfang der Überprüfung des angefochtenen Entscheides anzugeben und insb. darzutun, ob das Urteil vollumfänglich nur in Teilen angefochten wird (Art. 399 Abs. 3 StPO). In der Berufungserklärung ist sodann darzulegen, welche Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verlangt wird (Art. 399 Abs. 4 StPO).
Damit wird in diesem Verfahrensstadium noch keine eigentliche Begründung der Berufung verlangt. Es ist jedoch genau anzugeben, in welchen Punkten das Dispositiv des Urteils zu ändern ist. Aus der allgemeinen Vorschrift von Art. 385 Abs. 1 StPO kann jedoch trotz fehlender Notwendigkeit einer Begründungspflicht in diesem Verfahrensabschnitt zumindest gefolgert werden, dass es jedenfalls nicht genügt, in der Berufungserklärung bloss festzuhalten, das Rechtmittel richte sich gegen das Strafmass gegen die Schuldfrage. Das hat die Staatsanwaltschaft vorliegend aber auch nicht getan. Sie hat im Sinne einer Spezifizierung erklärt, dass eine andere rechtliche Qualifikation des vorgeworfenen Sachverhalts angestrebt werde (Qualifizierung als versuchter Mord statt versuchte vorsätzliche Tötung). Dies genügt den Anforderungen von Art. 399 Abs. 4 StPO.
Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Sanktion. Bei einer Anfechtung der Sanktion ist u.a. anzugeben, ob ein Wechsel der Strafart (Geldstrafe anstelle von Freiheitsstrafe) eine Strafminderung -schärfung angestrebt wird. Als Richtschnur kann gelten, dass von einer Partei im Interesse einer effizienten Justiz erwartet werden kann, dass sie ihre Anträge genügend begründet. Indem die Staatsanwaltschaft in der Anschlussberufungserklärung beantragte, der Beschuldigte sei – bezugnehmend auf das erstinstanzliche Urteil – zu einer höheren Freiheitsstrafe zu verurteilen, hat sie den Umfang des Berufungsverfahrens abgesteckt. Damit wurden der Berufungskläger und das Gericht informiert, welches Ziel die Anschlussberufungsklägerin verfolgt und wie sie es zu erreichen glaubt. Anlässlich der Berufungsverhandlung wurden die Anträge schliesslich präzisiert. Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden.
Nach dem Gesagten ist auf die Anschlussberufung einzutreten.
III. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Allgemeines zur Beweiswürdigung
1.1 Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime „in dubio pro reo“ ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff, 127 I 40 f) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.
Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).
1.2 Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.
1.3 Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam - einander ergänzend und verstärkend - können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2016 vom 1. Juni 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 2.3; je mit Hinweisen).
1.4 Im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Aussage auf Glaubhaftigkeitsmerkmale bzw. Lügensignale hin zu analysieren. Die Aussage ist gestützt auf eine Vielzahl von inhaltlichen Realkennzeichen zu beurteilen, wobei zwischen inhaltlichen Merkmalen (Aussagedetails, Individualität, Verflechtung), strukturellen Merkmalen (Strukturgleichheit, Nichtsteuerung, Widerspruchsfreiheit bzw. Homogenität) sowie Wiederholungsmerkmalen (Konstanz, Erweiterung) unterschieden wird. Das Vorliegen von Realitätskriterien bedeutet, dass die betreffende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit über erlebnisfundierte Geschehnisse berichtet. Zwar besitzt jedes Realitätskriterium für sich allein betrachtet meist nur eine geringe Validität, die Gesamtschau aller Indikatoren kann jedoch einen wesentlich höheren Indizwert für die Glaubhaftigkeit der Aussage haben, wobei sie in der Regel in solchen mit realem Erlebnishintergrund signifikanter und ausgeprägter vorkommen als in solchen ohne. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3). Im Bereich rechtfertigender Tatsachen trifft den Beschuldigten eine gewisse Beweislast. Seine Behauptungen müssen plausibel sein; es muss ihnen eine gewisse Überzeugungskraft zukommen. Zumindest bedarf die Behauptung des Beschuldigten gewisser Anhaltspunkte, sei es in Form konkreter Indizien einer natürlichen Vermutung für seine Darstellung, damit sie als Entlastungstatsache dem Urteil zugrunde gelegt wird. Wenn die belastenden Beweise nach einer Erklärung rufen, welche der Beschuldigte geben können müsste, dies jedoch nicht tut, darf nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes der Schluss gezogen werden, es gebe keine mögliche Erklärung und er sei schuldig. Nichts anderes kann gelten, wenn er zwar eine Erklärung gibt, diese aber unglaubhaft gar widerlegt ist. Der Grundsatz "in dubio pro reo" zwingt somit nicht dazu, jede entlastende Angabe des Beschuldigten, für deren Richtigkeit Unrichtigkeit kein spezifischer Beweis vorhanden ist, als unwiderlegt zu betrachten. Nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung braucht durch einen hieb- und stichfesten Beweis widerlegt zu werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 1.6 und 6B_562/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 2.1).
2. Beweismittel
2.1 Aussagen des Beschuldigten
2.1.1 Der Beschuldigte wurde im Vorverfahren mehrfach befragt, so am 6. August 2019 (AS 577 ff. und 962 ff.), am 23. August 2019 (AS 635 ff.), am 29. August 2019 (AS 643 ff.), am 5. September 2019 (655 ff.), am 17. Oktober 2019 (AS 731 ff.), am 12. November 2019 (AS 781 ff.), am 3. Februar 2020 (AS 784 ff.), am 23. April 2020 (AS 791 ff.), am 27. Mai 2020 (AS 828 ff.) und am 1. Oktober 2020 (AS 862 ff.).
Die Anwesenheit des Beschuldigten zur Tatzeit am Tatort war von Beginn weg unbestritten, gab A.___ doch bereits in der ersten Einvernahme am 6. August 2019 zu Protokoll, er sei zur fraglichen Zeit dort gewesen (AS 579). Gleichzeitig sagte der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt kurz zusammengefasst aus, er habe lediglich Getränke holen wollen (AS 579 ff.) und es habe eine Explosion gegeben, als er hineingegangen sei, worauf seine Füsse bzw. Beine gebrannt hätten (AS 582 ff.). In den darauffolgenden Einvernahmen änderte der Beschuldigte seine Aussagen mehrfach bzw. gab unterschiedliche Sachverhaltsversionen zu Protokoll. Für die diesbezüglichen Einzelheiten kann aus nachfolgenden Gründen grundsätzlich auf die Akten verwiesen werden. Anlässlich der Einvernahme vom 5. September 2019 zeichnete der Beschuldigte auf einem vorgelegten Plan den von ihm nach erfolgter Explosion zurückgelegten Weg ein (AS 668), worauf zurückzukommen sein wird.
2.1.2 Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 1. Oktober 2020 (Schlusseinvernahme) führte der Beschuldigte in Bezug auf den Vorhalt der mehrfachen versuchten vorsätzlichen Tötung aus, er sei nicht dorthin gegangen, um jemanden umzubringen (AS 864). Auf den Vorhalt, er habe in der Nacht vorsätzlich einen Brand im genannten Mehrfamilienhaus verursacht, wobei er gewusst habe, dass sich mehrere Personen, darunter zwei Kinder, im Gebäude befunden hätten, und er davon ausgegangen sei, dass diese Personen zur Tatzeit geschlafen hätten, womit er deren Tod zumindest billigend in Kauf genommen habe, gab der Beschuldigte zu Protokoll (AS 864): «Herr Staatsanwalt, da haben Sie schon recht. Ich habe was die Leute angeht, gar nichts gewusst. Dort wo der Brand geschehen ist, gehört dem Herrn C.___. Dass es noch andere Personen und Kinder im Gebäude hatte, wusste ich nicht. Ich wusste nichts von den Leuten.» Auf Vorhalt des Staatsanwalts, seines Erachtens sei aufgrund der Beweisergebnisse klar, dass er (der Beschuldigte) die Liegenschaft in Brand gesetzt habe, nicht klar sei ihm (dem Staatsanwalt) hingegen, weshalb er (der Beschuldigte) dies getan habe, sagte A.___ Folgendes aus (AS 865): «Ja es ist gut. Ich gebe den Plan zu. Mehr kann ich nicht riskieren. Es ist besser, dass ich bestraft werde aber ich möchte keine Probleme haben. Ich kann es nicht riskieren. Es geht nicht um C.___. Ich habe keine Angst vor ihm. Aber ich möchte nur, dass es abgeschlossen wird und entschuldige mich.» Konfrontiert mit dem Vorhalt des Staatsanwalts, er gehe davon aus, dass es ihm (dem Beschuldigten) völlig egal gewesen sei, wer sich zum Tatzeitpunkt in der Liegenschaft aufgehalten habe, gab der Beschuldigte zu Protokoll (AS 865 f.): «Ich entschuldige mich. Ich weiss nicht, was ich Ihnen sagen kann. Es ist ganz ein anderes Problem, das ich nicht lösen kann. Ich entschuldige mich für den Brand. Von den Leuten weiss ich gar nichts. Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Für mich ist es so, als ob man mit dem Auto auf der Strasse fährt und einen Unfall macht. Als der Brand geschehen ist und ich geflüchtet bin, gab es auf der anderen Seite ein Haus. Ich habe meine Schuhe noch anbehalten, obwohl sie brannten. Ich habe mich von diesem Haus entfernt damit niemand wegen dem Feuer an den Schuhen zu Schaden kommt. Was den Brand angeht, dachte ich, dass niemand dort ist. Ich bin zum Auto gegangen, da hörte ich die Sirenen. Da wusste ich, ich muss niemanden mehr alarmieren.» Auf den Vorhalt, gemäss Untersuchungsergebnis habe er (der Beschuldigte) das Objekt mitten in der Nacht entzündet, weshalb er (der Staatsanwalt) davon ausgehe, dass er (der Beschuldigte) dadurch möglichst viele Menschen habe töten wollen, da um diese Uhrzeit die Bewohner längst geschlafen hätten, sagte A.___ wie folgt aus (AS 866): «Ich habe das nicht gewusst. Ich habe auch ein Kind. Ein Vater, eine Mutter, Schwester. Ich wollte niemanden verletzen. Brandstiftung schon aber Menschenleben nicht.» Auf die Frage, wie er vorgegangen sei, führte der Beschuldigte aus (AS 866), er könne darüber nichts erzählen, er dürfe es nicht riskieren. Er übernehme die Verantwortung und sei hier. «Wegen Brandstiftung bin ich hier. Ich entschuldige mich bei Ihnen.»
Betreffend den Vorhalt der qualifizierten Brandstiftung und konfrontiert mit dem diesbezüglich vorgeworfenen Sachverhalt (AS 867, zusammengefasst: Aufbruch der [Lieferantentür] des Mehrfamilienhauses mit einem mitgeführten Schraubenzieher, Ausschütten der drei im Vorfeld am Tatort deponierten Benzinkanister [ca. 30 Liter], Anzünden des ausgeschütteten Benzins, in der Folge explosionsartige Verpuffung und Entzündung der benzingetränkten, über die Schuhe gezogenen Socken des Beschuldigten, fluchtartiges Verlassen des Tatorts, Wurf der Schuhe in [den kleinen Fluss] und Wegfahrt, ohne den Brand zu melden bzw. versucht zu haben, den Brand zu löschen) gab der Beschuldigte zu Protokoll (AS 867): «Ja aber so viel Benzin war es nicht. Das ist zu viel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so war. Denken Sie mal daran, wenn 30 L Benzin dort gewesen wären, dann wären alle Scheiben kaputtgegangen.» Bezüglich des Vorhalts, er habe durch sein Vorgehen vorsätzlich eine Gemeingefahr verursacht und wissentlich Leib und Leben von mehreren Menschen in Gefahr gebracht, äusserte sich A.___ wie folgt (AS 868): «Ich war sehr oft dort bei C.___. Aber ich habe dort nie ein Kind gesehen. Ich wusste nicht, dass es in dem Gebäude noch andere Menschen gibt. Dass oberhalb des Lokals C.___ gewohnt hat, wusste ich. Dass es aber andere Menschen hatte, wusste ich nicht. Dies weil das Gebäude zweigeteilt ist.»
2.1.3 In der Einvernahme anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 15. September 2021 bestätigte der Beschuldigte pauschal seine bisherigen Aussagen und insbesondere die Brandlegung («Ja, ich habe dies gemacht», AS 1279). Auch wenn er in der Folge wiederum von einem Unfall sprach (AS 1279 und 1284), eine vorsätzliche Brandlegung – zumindest implizit – wieder bestritt (AS 1281 und 1284) und beispielsweise aussagte, die fraglichen Schuhe hätten einem ihm unbekannten Dritten gehört (AS 1280 f.), welcher ihn bedroht habe, und er habe den Schraubenzieher nicht gehabt (AS 1282), kann nach dem Gesagten festgehalten werden, dass A.___ die Brandlegung an sich im Grundsatz eingestanden hat. Dies betonte vor der Vorinstanz auch der Verteidiger des Beschuldigten, indem er u.a. ausführte, an der Täterschaft des Beschuldigten bezüglich der Brandlegung könnten keine ernsthaften Zweifel gegeben sein (AS 1242), der Beschuldigte stehe dazu, dass er die Brandstiftung zu verantworten habe (AS 1243), und es liege ein an sich klares Geständnis vor, das Motiv bleibe aber offen (AS 1244).
Die Frage, ob er gewusst habe, dass in der Liegenschaft ausser Herrn C.___ noch andere Personen gewohnt hätten, bejahte der Beschuldigte vor der Vorinstanz (AS 1283). Angesprochen darauf, dass er im Vorverfahren noch gesagt habe, er habe nicht gewusst, dass Leute dort seien, gab A.___ zu Protokoll (AS 1284): «Der Staatsanwalt hat mich nicht richtig verstanden. Ich wusste, dass dort Leute wohnen. Aber ich habe nicht mit Absicht bewusst jemanden verletzen wollen.» Schliesslich führte der Beschuldigte im Zusammenhang mit anderen Personen in der Liegenschaft aus, er habe gedacht, es seien alle in den Ferien. C.___ sei auch nicht da gewesen. Er habe nicht bewusst gedacht (AS 1285).
2.1.4 Am 25. Mai 2023 wurde der Beschuldigte auf dessen Wunsch hin erneut einvernommen. Er führte aus, er wolle nun die Wahrheit sagen und die Karten auf den Tisch legen. Er habe die Nase voll. Er wolle die wahren Gründe schildern, die ihn zu der Tat veranlasst hätten. Er bezichtigte in der Befragung D.___ und C.___ des Versicherungsbetruges und der Brandstiftung. Diese hätten den Versicherungsbetrug geplant. D.___ sei an diesem Abend bei ihm gewesen, C.___ in den Ferien. Er, der Beschuldigte, habe lediglich einen Einbruch und einen Diebstahl vortäuschen sollen, von einem Brand habe er keine Kenntnis gehabt.
2.1.5 Vor Obergericht bestätigte der Beschuldigte im Wesentlichen seine Aussagen vom 25. Mai 2023. Er habe die Türe mit D.___ aufgebrochen. C.___ sei in den Ferien gewesen. Die Brüder [C.___ und D.___] hätten den Versicherungsbetrug geplant. Er, der Beschuldigte, sei lediglich da gewesen, um die Türe aufzubrechen und einen Einbruch und Zigarettendiebstahl vorzutäuschen. Wie es zum Brand gekommen sei, könne er nicht sagen. Er wisse nicht, wie das passiert sei. Er habe nicht gewusst, dass jemand in dem Gebäude lebe. Er sei schon ein paar Mal da gewesen. Er sei auch schon in der Wohnung von C.___ gewesen. Diese sei vom Rest des Gebäudes abgetrennt. Er habe deshalb nicht gewusst, ob jemand anderes da wohne. Erst später, als er C.___ gefragt habe, was passiert sei, habe er erfahren, dass da Menschen im Gebäude gewesen seien.
2.2 Objektive Beweismittel
Der Beschuldigte selbst hat seine Anwesenheit zur Tatzeit am Tatort von Anfang an zugegeben. Im Übrigen änderte er seine Aussagen aber mehrfach, bzw. gab unterschiedliche Sachverhaltsversionen zu Protokoll. Sein Aussageverhalten muss als äusserst ambivalent bezeichnet werden. Er hat teilweise die Brandlegung eingestanden und hat mehrfach betont, er übernehme die Verantwortung und entschuldige sich. Gleichzeitig hat er aber eine vorsätzliche Brandlegung auch immer wieder bestritten, so auch vor Obergericht. Von einem klaren Geständnis kann keine Rede sein. Hinsichtlich der Brandlegung liegen aber die nachfolgenden objektiven Sachbeweise vor.
2.2.1 Brandursache
Wie dem forensisch-chemischen Abschlussbericht (Brand) des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern vom 28. August 2019 (AS 309 ff.) zu entnehmen ist, wurden in zahlreichen analysierten Brandasservaten die für Benzin charakteristischen Substanzen nachgewiesen, wobei die Signalintensitäten bei jedem analysierten Asservat unterschiedlich seien. Die Intensitäten könnten mit der nach dem Brand übrig gebliebenen Menge Benzin in Verbindung gebracht werden (AS 323).
Der Spurenbericht (Brand) der Polizei Kanton Solothurn vom 8. Juli 2020 (AS 187 ff.) hält fest, dass keine Hinweise auf eine fahrlässige Handlung hätten erkannt werden können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Benzin vorsätzlich ausgebracht und in Brand gesetzt worden sei (AS 202). Im Weiteren wird zusammenfassend festgestellt, anhand des Gesamtspurenbildes müsse davon ausgegangen werden, dass im Gastlokal, im Buffetbereich und im ehemaligen Verkaufslokal eine grössere Menge Benzin ausgeschüttet worden sei. Anhand der vorhandenen Kanister dürften es nahezu 30 Liter gewesen sein. Die Täterschaft habe zum Ausschütten des Benzins so viel Zeit benötigt, dass sich durch das Benzin/Luft-Gemisch eine explosionsfähige Atmosphäre gebildet habe. Beim Zuführen des Zündfunkens sei es dadurch zu einem raschen Abbrand des vorhandenen Benzins gekommen. Der Abbrand habe zu einer starken Hitzeentwicklung geführt, begleitet durch eine Druckwelle und eine massive Rauchentwicklung. Durch die massive Rauchentwicklung dürfte eine Nutzung des Treppenhauses zumindest vorübergehend unmöglich gewesen sein (AS 203).
2.2.2 Sichergestellte Gegenstände und Spuren
2.2.2.1 Wie bereits ausgeführt (Ziffer III./2.1 hiervor), zeichnete der Beschuldigte den von ihm zurückgelegten Weg nach der Explosion in der Brandliegenschaft auf einem Plan ein (AS 668). Dieser vom Beschuldigten eingezeichnete Weg stimmt mit den Beobachtungen bzw. Schilderungen mehrerer Auskunftspersonen überein (AS 490, 492, 500, 508 ff. [insbesondere 514], 515 ff. [insbesondere 522], 534 ff. [insbesondere 538]). Auf diesem Fluchtweg konnten durch die Polizei im Rahmen einer Nahfahndung vor dem sich [in der Nähe] befindlichen hölzernen Gartenzaun ein am Boden liegender Schraubenzieher und direkt hinter dem hölzernen Gartenzaun, […], ein Feuerzeug aufgefunden und sichergestellt werden (AS 12, 144 ff.). In der Folge konnte die Polizei zudem [im kleinen Fluss] zwei Turnschuhe, überzogen mit thermisch belasteten Socken, fest- und sicherstellen (AS 14, 147 f.). Bei der Sicherstellung der Schuhe konnte festgestellt werden, dass diese Brandspuren aufwiesen (AS 183). Im Weiteren konnten im ehemaligen Verkaufsladen drei Kanister mit Rückständen von Benzin festgestellt werden (AS 51).
2.2.2.2 Werkzeugspuren
Gestützt auf das Spurengutachten der Polizei Kanton Solothurn vom 20. August 2019 (AS 168 ff., insbesondere 181) steht – aufgrund der festgestellten Übereinstimmungen der Spurenmuster in den Tatortspuren und den Vergleichsspuren – fest, dass die Lieferantentür des Mehrfamilienhauses ([Lieferantentür]) mit dem sichergestellten Schraubenzieher aufgebrochen wurde.
2.2.2.3 DNA-Spuren
Wie dem Spurenbericht (Brand) der Polizei Kanton Solothurn vom 8. Juli 2020 (AS 187 ff.) entnommen werden kann, konnten durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel (nachfolgend IRM Basel) bei mehreren Spuren DNA-Profile DNA-Mischprofile erstellt werden (AS 199).
2.2.2.3.1 Ab dem Griff des sichergestellten Schraubenziehers, mit welchem – wie ausgeführt – die Aufbruchspuren verursacht wurden, konnte ein DNA-Profil gesichert werden, welches mit dem Profil des Beschuldigten übereinstimmt (DNA-Hit, AS 18 und insbesondere 99 f.).
Damit steht fest, dass es der Beschuldigte war, der den sichergestellten Schraubenzieher mitgeführt, verwendet und damit die fragliche Türe aufgebrochen hatte. Dies wurde vom Verteidiger des Beschuldigten im Parteivortrag vor der Vorinstanz auch nicht bestritten (AS 1239).
2.2.2.3.2 Aus dem Innern des [im kleinen Fluss] gesicherten rechten Schuhs und ab dem Reibrad des sichergestellten blauen Feuerzeugs konnten DNA-Mischprofile gesichert werden (AS 199). Wie den in der Folge durch das IRM Basel erstellten Gutachten mit Beweiswertberechnung vom 4. September 2019 (AS 325 ff.) und vom 17. März 2020 (AS 331 ff.) entnommen werden kann, lässt sich das DNA-Profil der entsprechenden Mischspur ca. 117.9 Billiarden-mal (Schuh) bzw. ca. 395.4 Billiarden-mal (Feuerzeug) besser erklären, wenn man annimmt, es stammt vom Beschuldigten und einer unbekannten, mit A.___ nicht verwandten Personen, als wenn man davon ausgeht, es stammt von zwei unbekannten, mit A.___ nicht verwandten Personen (AS 330 und 335).
Insofern ist erstellt, dass der Beschuldigte sowohl die sichergestellten Schuhe getragen als auch das sichergestellte Feuerzeug verwendet hatte. Beides wurde vom Verteidiger ebenfalls nicht bestritten (AS 1239 f.).
2.2.2.3.3 Ein DNA-Mischprofil konnte auch ab dem Deckel eines russbehafteten weissen Kanisters gesichert werden (AS 199). Hier lässt sich das DNA-Profil der entsprechenden Mischspur gemäss Gutachten des IRM Basel ca. 3.1 Billionen-mal besser erklären, wenn man annimmt, es stammt vom Beschuldigten und zwei unbekannten, mit A.___ nicht verwandten Personen, als wenn man davon ausgeht, es stammt von drei unbekannten, mit A.___ nicht verwandten Personen (AS 330).
Auch diese Spur kann demzufolge rechtsgenüglich dem Beschuldigten zugeordnet werden, womit feststeht, dass A.___ auch den fraglichen Kanister gebraucht bzw. am Deckel manipuliert hatte.
2.2.3 Verbrennungen
Wie das IRM Basel in seinem Kurzbericht vom 7. August 2019 (AS 298 f.) sowie im Gutachten vom 18. September 2019 (AS 300 ff.) ausführt, passen die beim Beschuldigten festgestellten Verletzungen (beiderseits über den Aussenknöcheln am Sprunggelenk unregelmässig berandete, vom Randbereich her in Abheilung befindliche, zentral noch offene und gelblich belegte Oberhautdefekte; flächige, rosafarbene, zentral noch teilweise schorfbedeckte Narben an der linken Hand) stimmig und zwanglos ins Bild von in Abheilung befindlichen Brandwunden. Die Verletzungen ausschliesslich oberhalb der Schuhe würden ein brennender Fussboden auch in Brand geratene Schuhe erklären (AS 305). Eine vom Beschuldigten angegebene chronische Hauterkrankung könne nicht nachvollzogen werden; gegen eine solche spreche das Verteilungsmuster und das Fehlen entsprechender Befunde an anderen Körperregionen (AS 298 f., 305).
2.3 Rechtserheblicher Sachverhalt
Vor diesem Hintergrund ist, insbesondere aufgrund der unter Ziffer III./2.2 genannten objektiven Beweismittel, der Anklagesachverhalt wie folgt als erstellt zu erachten:
A.___ brach in der Nacht vom 21. Juli 2019, kurz vor Mitternacht, mit einem mitgeführten Schraubenzieher die [Lieferantentür] des Mehrfamilienhauses an der [Strasse] in [Ort 1] auf und schüttete im [ehemaligen Gastgewerbelokal] und Verkaufsraum im Erdgeschoss drei bereits im Vorfeld der Tat von ihm einem Dritten am Tatort deponierte Benzinkanister aus (insgesamt ca. 30 Liter). Daraufhin zündete der Beschuldigte das ausgeschüttete Benzin an. Durch die Vermischung der Benzindämpfe (in einem relativ eng begrenzten Raum) mit der Luft entstand ein explosionsfähiges Gemisch, weshalb es bei der Entzündung zu einer explosionsartigen Verpuffung mit entsprechender Hitze- und Druckenergie kam. Durch die plötzliche Verpuffung entzündeten sich neben den Benzindämpfen und dem Benzin auch die benzingetränkten Socken des Beschuldigten, die er unmittelbar vor der Tatausführung über seine Schuhe gezogen hatte und immer noch trug. Infolgedessen verliess der Beschuldigte den Tatort fluchtartig und warf die besagten Schuhe mitsamt den Socken in [den nahegelegenen kleinen Fluss]. Schliesslich begab er sich zu seinem Fahrzeug und fuhr weg, ohne den Brand gelöscht zu haben die Rettungskräfte zu alarmieren. In der Folge konnte der Brand von der durch Drittpersonen zu Hilfe gerufenen Feuerwehr gelöscht sowie die Bewohner und Bewohnerinnen der Liegenschaft evakuiert werden. Durch den Brand entstand am Gebäude ein Schaden in der Höhe von ca. CHF 570'000.00. Hitze-, Rauch- und Russschäden entstanden im ganzen Parterre der Liegenschaft, im ganzen Treppenhaus sowie in sämtlichen Wohnungen des Mehrfamilienhauses. Zwei Hausbewohner mussten zudem wegen des Verdachts einer Rauchvergiftung das Spital aufsuchen, konnten dieses aber noch in derselben Nacht wieder verlassen.
Nicht zum erstellten Anklagesachverhalt gehört hingegen das Tatmotiv, auch wenn ein versuchter Versicherungsbetrug sehr wahrscheinlich ist. Erstens ergibt sich ein entsprechendes Tatmotiv, welches beim Mordtatbestand ein Tatbestandsmerkmal darstellt, nicht aus der Anklageschrift (Anklagegrundsatz) und zweitens ist ein versuchter Versicherungsbetrug – gerade mit Blick auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschuldigten, der vom Brand nichts gewusst haben will – nicht mit Sicherheit erwiesen.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Mehrfacher versuchter (eventual-)vorsätzlicher Mord (Art. 112 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), evtl. mehrfache versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB)
1.1 Vorhalt der besonderen Skrupellosigkeit
Wie unter Ziffer II./2. hiervor festgehalten, wird dem Beschuldigten gemäss Anklageschrift zusammengefasst vorgeworfen, in besonders skrupelloser Weise versucht zu haben, die Bewohner des Mehrfamilienhauses [Strasse] in [Ort 1] zu töten, wobei er den Tod der Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen habe, da es letztlich nur vom Zufall abgehangen sei, ob die Geschädigten den Brand rechtzeitig bemerken würden und sich hätten retten können. Der Beschuldigte habe aus besonders verwerflichen und blanken egoistischen Gründen und mit besonders verwerflichem Zweck gehandelt, weil er aus keinem nachvollziehbaren Anlass versucht habe, mehrere Menschen kaltblütig und gefühlskalt mittels Brandlegung zu töten und damit eine ausserordentliche Geringschätzung fremden Lebens an den Tag gelegt habe. Weiter sei die Tatausführung ausserordentlich verwerflich gewesen, weil der Beschuldigte die völlig arg- bzw. ahnungs- und schutzlosen Opfer, welche sich im Tatzeitpunkt teilweise schlafend in ihren Wohnungen befunden hätten, in heimtückischer Art mit seiner Brandlegung im Erdgeschoss überrascht habe, so dass die Beteiligten nahezu chancenlos gewesen seien, den Brand zu bemerken, und überdies der Fluchtweg über das Treppenhaus durch den Brand verunmöglicht worden sei.
Der Beschuldigte bestreitet dies.
1.2 Allgemeine Erwägungen zum Tatbestand der Tötung bzw. des Mordes
1.2.1 Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, erfüllt den Grundtatbestand von Art. 111 StGB, es sei denn, er sei besonders skrupellos vorgegangen und habe dadurch den qualifizierten Mordtatbestand von Art. 112 StGB verwirklicht. Handelte er sie dagegen in einer nach den Umständen entschuldbaren Gemütsbewegung unter grosser seelischer Belastung, kommt der privilegierte Tatbestand des Totschlags (Art. 113 StGB) zur Anwendung.
„Vorsätzlich“ im Sinne von Art. 111 StGB handelt der Täter, bei welchem die Verwirklichung des Tatbestandes das eigentliche Handlungsziel darstellt; ein solcher Täter handelt mit direktem Vorsatz ersten Grades (vgl. Marcel Alexander Niggli/Stefan Maeder, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Auflage, Basel 2019 [im Folgenden BSK StGB I], Art. 12 StGB N 44).
Die Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter wissen um die Möglichkeit des Erfolgseintritts bzw. um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestandes überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich damit ab. Nicht erforderlich ist, dass er den Erfolg billigt (eingehend BGE 96 IV 99; 133 IV 1 E. 4.1, 9 E. 4.1 und 222 E. 5.3; 130 IV 58 E. 8.3; je mit Hinweisen). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen. Soweit der Täter nicht geständig ist, kann sich das Gericht für den Nachweis des Vorsatzes regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählen die Grösse des ihm bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser das Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Eventualvorsatz kann unter anderem angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs gewertet werden kann (BGE 138 V 74 E. 8.4.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; 135 IV 12 E. 2.3.2 f.; 134 IV 26 E. 3.2.2; 133 IV 1 E. 4.1, 9 E. 4.1 und 222 E. 5.5; 130 IV 58 E. 8.4; je mit Hinweisen).
Eventualvorsatz kann auch gegeben sein, wenn der Eintritt des Erfolgs sowohl objektiv als auch nach den subjektiven Vorstellungen des Täters nicht wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des Erfolgs auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen (BGE 133 IV 1 E. 4.5 und 9 E. 4.1; 131 IV 1 E. 2.2; 125 IV 242 E. 3f). Solche Umstände liegen namentlich vor, wenn der Täter das ihm bekannte Risiko nicht kalkulieren und dosieren kann und das Opfer keine Abwehrchancen hat (BGE 133 IV 1 E. 4.5; 131 IV 1 E. 2.2).
Der subjektive Tatbestand von Art. 111 StGB ist auch bei eventualvorsätzlichem Handeln erfüllt, sowohl beim unvollendeten wie auch beim vollendeten Versuch (Stefan Trechsel/Mark Pieth, Praxiskommentar zum StGB, 2. Auflage, Basel/St. Gallen 2013, Art. 111 StGB N 1).
1.2.2 Der Versuch ist in Art. 22 StGB geregelt. Das Gesetz enthält hierfür keine eigentliche Definition. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt ein Versuch vor, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert hat, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht wären (BGE 140 IV 150 E. 3.4 S. 152; 131 IV 100 E. 7.2.1 S. 103 f.; je mit Hinweisen). Der Täter muss mit der Ausführung der Tat mindestens begonnen haben. Das Vorliegen eines Versuchs ist danach zwar nach objektivem Massstab, aber auf subjektiver Beurteilungsgrundlage festzustellen. Versuch ist auch gegeben bei eventualvorsätzlichem Verhalten.
1.2.3 Handelt der Täter beim Tötungsdelikt besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren (Mord, Art. 112 StGB).
Die eventualvorsätzliche Begehung eines Mordes ist möglich (BGE 112 IV E. 3b; 6B_719/2012 E. 1.5.2).
Die in Art. 112 StGB genannten Beispiele für die besondere Skrupellosigkeit (besonders verwerflicher Beweggrund, besonders verwerflicher Zweck der Tat, besonders verwerfliche Art der Ausführung) sind Indizien für die Mentalität des Täters und nicht bindende gesetzliche Annahmen. Das Gesetz verweist in nicht abschliessender Aufzählung auf äussere (Ausführung) und innere Merkmale (Beweggrund, Zweck). Der Richter hat beim Vorliegen eines der aufgeführten Beispiele nicht automatisch die besondere Skrupellosigkeit und damit einen Mord anzunehmen. Eine besondere Skrupellosigkeit kann beispielsweise entfallen, wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch war, so etwa, wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde (Urteil des Bundesgerichts 6B_55/2015 vom 7. April 2015 E. 2.1). Demgegenüber kann ein Mord aber auch bejaht werden, wenn keines der in Art. 112 StGB genannten Beispiele gegeben ist, aber andere Faktoren von gleichem Schweregrad auftreten (Christian Schwarzenegger, BSK StGB I, Art. 112 StGB N 8). Die massgeblichen Faktoren dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Ob eine Tötung als Mord zu qualifizieren ist, ist vielmehr anhand einer Gesamtprüfung sämtlicher Tatumstände zu entscheiden (BGE 118 IV 122 E. 3d; 104 IV 150; 101 IV 79 E. 5; Urteile 6B_943/2018 E. 1.1.3; 6B_914/2010 E. 2.3; 6B_855/2009 E. 3.2). Besonders belastende Momente können durch entlastende ausgeglichen werden, wie umgekehrt auch erst das Zusammentreffen mehrerer belastender Umstände, die einzeln womöglich nicht ausgereicht hätten, die Tötung als ein besonders skrupelloses Verbrechen erscheinen lassen kann (Urteile des Bundesgerichts 6B_678/2013 vom 3. Februar 2014 E. 6.2; 6B_232/2012 vom 8. März 2013 E. 1.4.1).
Mord zeichnet sich durch aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Die für eine Mordqualifikation konstitutiven Elemente sind jene der Tat selber, während Vorleben und Verhalten nach der Tat nur heranzuziehen sind, soweit sie tatbezogen sind und ein Bild der Täterpersönlichkeit geben. Art. 112 StGB erfasst den skrupellosen, gefühlskalten, krass und primitiv egoistischen Täter ohne soziale Regungen, der sich zur Verfolgung seiner eigenen Interessen rücksichtslos über das Leben anderer Menschen hinwegsetzt. Die Qualifikation als Mord erfolgt im Wesentlichen nach ethischen Kriterien. Für Mord typische Fälle sind die Tötung eines Menschen zum Zwecke des Raubes, Tötungen aus religiösem politischem Fanatismus aus Geringschätzung (BGE 127 IV 10 E. 1a).
Als besonders verwerfliche Beweggründe werden in Lehre und Rechtsprechung folgende Fälle erwähnt (BSK StGB I, Art. 112 StGB N 9 ff.):
- Habgier bei Tötung eines Menschen zum Zwecke eines Raubes, zur Erzielung einer Belohnung (Auftragsmord) einer Versicherungssumme;
- Rache z.B. nach einer aufgelösten Liebesbeziehung, gegen eine Steuerbehörde wegen einer homosexuellen Annäherung, wobei das Rachemotiv völlig unnachvollziehbar sein und der Anlass für die Tat geringfügig sein muss;
- extremer Egoismus bzw. extreme Geringschätzung des Lebens bei der Durchsetzung eigener, im Vergleich zum Leben des Opfers unbedeutender Interessen (z.B. Tötung der Tochter als Höhepunkt eines Kultur- und Generationenkonflikts, bei dem der Vater seine Ehre über das Leben seiner Tochter stellt; Tötung der renitenten Prostituierten, um sich zu holen, wofür der Täter bezahlt hat);
- Eliminationsmord;
- politische und fundamentalistische Beweggründe;
- Mordlust (z.B. Tötung aus Neugierde, jemanden sterben zu sehen);
- sexuelle Befriedigung (z.B. wenn der Täter bei einer Vergewaltigung den Tod des Opfers in Kauf nimmt).
Nach dem Urteil des Bundesgerichts 6B_748/2016 vom 22. August 2016 schliesst die mangelnde Kenntnis über das Tatmotiv Mord nicht aus.
Die Art der Tatausführung ist besonders verwerflich, wenn sie unmenschlich aussergewöhnlich grausam ("barbare ou atroce") ist (vgl. BGE 141 IV 61 E. 4.1), bzw. wenn dem Opfer mehr physische psychische Schmerzen, Leiden Qualen zugefügt werden, als sie mit einer (versuchten) Tötung notwendigerweise verbunden sind (Urteil des Bundesgerichts 6S.441/2004 vom 7. September 2005 E. 2.2.1 mit Hinweisen). Eine skrupellose Tatausführung wurde in der neueren Rechtsprechung beispielsweise bezüglich eines Täters bejaht, der seinem Opfer im Bett 47 Messerstiche versetzte und ihm die Kehle aufschnitt (BGE 141 IV 61 E. 4.2). Gleiches wurde bezüglich eines Täters angenommen, der das zuvor durch Schüsse verletzte Opfer durch die Wohnung verfolgte und ihm schliesslich einen finalen Kopfschuss versetzte (Urteil des Bundesgerichts 6B_914/2010 vom 7. März 2011 E. 2.3). Ein klassischer Qualifikationsgrund ist auch die Heimtücke.
Das Bundesgericht hat bezüglich der Tatausführung – nebst den bereits genannten Fällen – beispielsweise in folgenden Entscheiden die besondere Skrupellosigkeit bejaht:
- Im Entscheid 6S.10/2004 vom 1. April 2004 hatte das Bundesgericht den Fall zu beurteilen, wo die Beschuldigte ihrem Ehemann in einem von ihr zubereiteten Tee einen Giftstoff beimischte. Da dieser den Tee nur teilweise trank, überlebte er ohne bleibende Schäden.
Das Bundesgericht führte aus, dass die Beschuldigte die Tat geplant und entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte (Kauf des Giftes, Abwarten einer passenden Gelegenheit für dessen Einsatz). Dem Tee mischte sie Zitrone und Honig bei, um den Geschmack des Giftes zu neutralisieren. Die Beschuldigte habe das Gift somit auf eine besonders heimtückische Art eingesetzt. Sie habe zudem nicht ausschliessen können, dass das Gift qualvoll wirken würde. Aus all diesen Gründen müsse die Art der Tatausführung als besonders verwerflich bezeichnet werden (E. 5.1).
- Die Beschuldigte tötete ihren Freund, weil dieser sie verlassen wollte, indem sie ihm aus unmittelbarer Nähe in den Rücken und von oben in den Unterkiefer schoss. Sie vergrub in der Folge die Leiche, nachdem sie diese mit Benzin übergossen und angezündet hatte (Urteil 6P.46/2006 vom 31. August 2006, E. 9.3).
- Im Entscheid 6P.47/2007 vom 29. Juni 2007 wird die besondere Verwerflichkeit der Tatausführung mit folgenden Gründen bejaht: Der Beschuldigte tötete seine Lebenspartnerin, indem er ihr mit einem Kleinkaliber-Gewehr aus nächster Nähe in den Hinterkopf schoss. Dabei hat der Beschuldigte die Tat von langer Hand geplant: Er bemühte sich über längere Zeit darum, eine Schusswaffe zu erlangen und verfasste zwei Tage vor der Tat eine SMS, die den Verdacht auf die Schwester des Opfers lenken sollte. Die Skrupellosigkeit ergab sich aber auch daraus, dass der Beschuldigte das Opfer zielstrebig und kaltblütig von hinten erschossen hatte und dieses in der Wohnung zurückliess, in welcher sich auch die zwei Kinder des Opfers (wovon ein gemeinsames) aufhielten (E. 8.3).
- Der Beschuldigte traf auf dem Marktplatz in Basel auf seine getrennt von ihm lebende Ehefrau. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, die Frau suchte eine nahe gelegene Telefonkabine auf, worauf der Beschuldigte ihr folgte und eine Pistole zog, die er schon Monate zuvor erworben hatte. In der Kabine kam es zu einem Handgemenge. Der Beschuldigte gab einen aufgesetzten Schuss ins Gesicht und einen zweiten Schuss in den Hals der Ehefrau ab. Die Frau sackte zusammen, worauf der Beschuldigte drei weitere Schüsse abgab, die den Schulter- und Oberarmbereich der Frau trafen. Der Beschuldigte steckte daraufhin die Waffe in den Hosenbund zurück, zog das Opfer aus der Kabine und liess es am Boden liegen.
Das Bundesgericht bejahte die Skrupellosigkeit dieses Handelns, weil der Beschuldigte das Delikt mit dem Kauf der Waffe von langer Hand geplant und alsdann äusserst kaltblütig und konsequent umgesetzt habe (6B_535/2008 vom 11. September 2008, E. 4.4).
- Im Entscheid 6B_21/2010 vom 4. März 2010 (E. 6.2) wird die besondere Skrupellosigkeit mit der Kaltblütigkeit bejaht, die aus den Tatumständen abzuleiten sei (körperliche Überlegenheit der beiden Täter, Bewaffnung, Wehrlosigkeit des Opfers). Das Opfer habe sich ohne Abwehrchance auf den Knien mit dem Rücken zu den beiden Tätern befunden, als es einer der Täter - einer Exekution gleich - von hinten erschossen habe.
- Die besondere Skrupellosigkeit wurde auch im Entscheid 6B_35/2017 vom 26. Februar 2018 bejaht. Der Beschuldigte stalkte eine Begleitdame nach einigen Treffen, bis diese ihm sagte, dass sie ihn nicht liebe und er sie in Ruhe lassen solle; daraufhin entführte er sie mit seinem Auto in einen Wald, fesselte sie und redete noch die ganze Nacht auf sie ein und erzählte ihr unter anderem, wie er seine vorherige Partnerin umgebracht habe. Gegen Ende der Nacht legte er ihr einen Gürtel um den Hals und erwürgte sie kaltblütig über mehrere Minuten.
Eine besonders verwerfliche Art der Ausführung kann sich auch aus dem Einsatz von Gift, Feuer ähnlichen Tatmitteln ergeben, wenn die Tötung derart ausgeführt wird. Dies allein genügt jedoch nicht zur Annahme der besonderen Skrupellosigkeit. Der Einsatz dieser Tatmittel ist zwar ein gewichtiges Indiz dafür, aber erst die Berücksichtigung aller Umstände der Tatausführung lassen erkennen, ob der Gebrauch von Gift bzw. Feuer mit besonderer Heimtücke erfolgte besonders grausam ist (BSK StGB I, Art. 112 StGB N 23, mit Hinweisen).
Die Kaltblütigkeit bzw. Gefühlskälte (Tatausführung ohne Gefühlsregung) gehört für sich genommen nicht zu den Beweggründen, können aber im Rahmen der Gesamtwürdigung als Indiz für fehlende Skrupel berücksichtigt werden (BGE 100 IV 146, E. 2; 118 IV 122, E. 3a; 127 IV 10, E. 1c).
1.3 Subsumtion
1.3.1 Gemäss vorstehendem Beweisergebnis schüttete der Beschuldigte in der Nacht im Erdgeschoss des fraglichen Mehrfamilienhauses, in welches er zuvor eingebrochen war, drei bereits im Vorfeld der Tat von ihm einem Dritten am Tatort deponierte Benzinkanister aus (insgesamt ca. 30 Liter). Hernach zündete er das ausgeschüttete Benzin an, wobei es zu einer explosionsartigen Verpuffung mit entsprechender Hitze- und Druckenergie kam. In der Folge verliess der Beschuldigte fluchtartig den Tatort und fuhr mit seinem Fahrzeug weg, ohne den Brand gelöscht zu haben die Rettungskräfte zu alarmieren.
1.3.2 Wie unter Ziffer III./2.1.2 hiervor festgehalten, machte der Beschuldigte anlässlich der Schlusseinvernahme zuerst geltend, er habe, was die Menschen im betreffenden Mehrfamilienhaus angehe, gar nichts gewusst. Er habe nicht gewusst, dass es noch andere Personen und Kinder im Gebäude gehabt habe. Er habe sich darüber keine Gedanken gemacht. Gleichzeitig sagte der Beschuldigte aus, er habe, was den Brand angehe, gedacht, dass niemand dort sei. Er sei zum Auto gegangen, da habe er die Sirenen gehört und gewusst, dass er niemanden mehr alarmieren müsse.
An der vorinstanzlichen Hauptverhandlung gab der Beschuldigte dann zu, gewusst zu haben, dass dort Leute wohnten. Der Staatsanwalt habe ihn nicht richtig verstanden. Er habe gewusst, dass dort Leute wohnten, habe aber nicht mit Absicht bewusst jemanden verletzen wollen. Wenig später sagte A.___ vor der Vorinstanz in Bezug auf die anderen Personen in der Brandliegenschaft aus, er habe gedacht, es seien alle in den Ferien. C.___ sei auch nicht da gewesen. Er habe nicht bewusst gedacht.
Vor Obergericht führte er wiederum aus, er habe nicht gewusst, dass jemand in dem Gebäude lebe. Er sei schon ein paar Mal da gewesen. Er sei auch schon in der Wohnung von C.___ gewesen. Diese sei vom Rest des Gebäudes abgetrennt. Er habe deshalb nicht gewusst, ob jemand anderes da wohne. Erst später, als er C.___ gefragt habe, was passiert sei, habe er erfahren, dass da Menschen im Gebäude gewesen seien.
1.3.3 Zur Frage des Vorsatzes
1.3.3.1 Vorweg ist festzuhalten, dass dem Beschuldigten die Verhältnisse im brandbeschädigten Mehrfamilienhaus bestens bekannt waren. Dazu kann vollumfänglich auf die vorinstanzliche Begründung verwiesen werden: Der Beschuldigte war oft im Lokal von C.___. Er wusste, dass in der fraglichen Liegenschaft diverse Personen wohnten; und er sah diese auch, was er anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz ausdrücklich zugestanden hat (AS 1283). Zudem war die Wohnung von C.___ im ersten Obergeschoss, in welcher der Beschuldigte mehrfach übernachtete und für welche er sogar einen Schlüssel hatte, über dieselbe Eingangstüre erreichbar wie die übrigen Wohnungen (AS 11).
1.3.3.2 Über den Beweggrund des Beschuldigten kann, wie schon dargelegt, nach wie vor lediglich spekuliert werden. Damit ist gleichzeitig aber auch keineswegs erstellt, dass es A.___ bei der Brandlegung – im Sinne eines direkten Vorsatzes – um die Tötung von Bewohnerinnen und Bewohnern des brandbeschädigten Mehrfamilienhauses gegangen wäre, sein eigentliches Handlungsziel mithin die Tötung von ihm grundsätzlich unbekannten bzw. lediglich oberflächlich bekannten Drittpersonen dargestellt hätte. Dafür gibt es schlicht keine Indizien. Ein direkter Vorsatz ist insofern zu verneinen.
1.3.3.3 Dass sich der Beschuldigte Gedanken über die in der betreffenden Liegenschaft wohnhaften Personen – und folglich auch über das damit verbundene Risiko – gemacht hatte, bevor er drei Kanister Benzin (insgesamt ca. 30 Liter) ausgeschüttet und hernach entzündet hat, ergibt sich bereits aus seinen Aussagen, wonach er davon ausgegangen sei, dass niemand dort sei (AS 866) bzw. alle in den Ferien seien; C.___ sei auch nicht da gewesen (AS 1285). Wenn der Beschuldigte nun vor diesem Hintergrund geltend macht, er habe die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht einmal bedacht, kann dies als Schutzbehauptung gewertet werden. Abgesehen davon widerspräche solches schlicht jeglicher Lebenserfahrung, wobei diesbezüglich wiederum auf die vorinstanzliche Begründung verwiesen werden kann. Unbewusste Fahrlässigkeit scheidet demzufolge aus.
1.3.3.4 Zu klären ist somit, ob der Beschuldigte bewusst fahrlässig eventualvorsätzlich gehandelt hat.
Bei der Brandliegenschaft handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, in welchem sich zur Tatzeit im ersten bis dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss insgesamt mindestens sieben Mietwohnungen befanden. Diese Wohnungen waren allesamt lediglich via Eingangstüre […] und Treppenhaus erreichbar (AS 3 ff., 11, 143, 149, 445). Dass C.___ zum Tatzeitpunkt mit seinem Vater in der Türkei in den Ferien weilte, was dem Beschuldigten bekannt war, ändert nichts daran, dass A.___ bestens wusste, dass es in der fraglichen Liegenschaft weitere Wohnungen gab und diese vermietet waren, hatte er doch die betreffenden Personen auch schon gesehen. Auch wenn der 21. Juli 2019 in der Ferienzeit lag, konnte der Beschuldigte – an einem Sonntagabend kurz vor Mitternacht – nicht ernstlich davon ausgegangen sein, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner der übrigen sechs Mietwohnungen, unabhängig von C.___, ausnahmslos abwesend bzw. in den Ferien sein würden. Die – mehr als zwei Jahre nach der Tat gemachte – Aussage des Beschuldigten, er habe gedacht, es seien alle in den Ferien, widerspricht jeder Lebenserfahrung und kann als Schutzbehauptung gewertet werden.
Obgleich der Beschuldigte die Brandliegenschaft bestens kannte und insbesondere wusste, dass diverse Personen darin wohnten, legte er in der Nacht vom 21. Juli 2019 kurz vor Mitternacht im Erdgeschoss einen erheblichen Brand, den er – und das fällt ins Gewicht – nicht mehr kontrollieren konnte. Gemäss Spurenbericht (Brand) der Polizei Kanton Solothurn vom 8. Juli 2020 (AS 187 ff., insbesondere AS 203) führte der Abbrand des ausgeschütteten Benzins zu einer starken Hitzeentwicklung mit Blasenbildung an diversen Türen und an der Decke des Treppenhauses, begleitet durch eine Druckwelle (zersplitterte bzw. aufgebrochene Türe, herausgedrückte Dachelemente, zersplitterte Fenster) und eine massive Rauchentwicklung mit starken Russanhaftungen an den Wänden bis ins dritte Obergeschoss. Die polizeiliche Fotodokumentation (AS 206 ff.), insbesondere die Bilder Nr. 13 (Zwischenboden des Treppenhauses im Erdgeschoss, AS 218), Nr. 14 (Gang im ersten Obergeschoss, AS 219), Nr. 15 (Zwischenboden des Treppenhauses im ersten Obergeschoss, AS 220) und Nr. 16 (Wohnungstüre im ersten Obergeschoss, AS 221), illustriert die damalige Hitzeeinwirkung auf das Treppenhaus, die Decke, Wände und die betreffende Wohnungstüre eindrücklich. Die Bilder lassen unschwer erkennen, dass das enge Treppenhaus durch das Feuer bzw. die Hitze sowie den Rauch massiv befallen wurden. Der Spurenbericht führt dazu aus, dass eine Nutzung des Treppenhauses durch die massive Rauchentwicklung zumindest vorübergehend unmöglich gewesen sein dürfte, was angesichts der Fotodokumentation nachvollziehbar ist. Die Schilderungen der anwesenden Hausbewohnerinnen und Hausbewohner stimmen mit dem Bericht insofern überein, als diese allesamt schwarzen Rauch in ihrer Wohnung unmittelbar vor der Wohnungstüre wahrgenommen haben. So sprachen die Bewohner B.I.___ und A.I.___, die sich damals via Balkon und Leiter in Sicherheit bringen konnten, von beissendem Rauch (AS 541) bzw. einer grossen Menge schwarzen, richtig dicken Rauchs, welcher – «wie eine Lawine» – sofort in ihre Wohnung gekommen sei (AS 549). Ähnliches schilderten F.___ (AS 476), E.___ (AS 478), K.___ (AS 482) und G.___ (AS 486). Letzterer wurde zusammen mit A.I.___ wegen des Verdachts einer Rauchgasvergiftung ins [Spital] überführt. Beide konnten das Spital aber noch in derselben Nacht wieder verlassen (AS 97 f.).
Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es vorliegend nur glücklichen Umständen zuzuschreiben ist, dass durch die Brandlegung – abgesehen vom Beschuldigten – keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Dies führte auch der Verteidiger des Beschuldigten so aus (AS 1250). Der Beschuldigte hat im Erdgeschoss eines älteren Gebäudes, in dessen Obergeschossen sich Mietwohnungen befanden, die bewohnt und nur über das enge Treppenhaus zugänglich waren, insgesamt ca. 30 Liter Benzin ausgeschüttet und hernach angezündet. Dadurch hat er den Bewohnerinnen und Bewohnern den Fluchtweg über das Treppenhaus abgeschnitten. Dies tat er notabene an einem Sonntagabend kurz vor Mitternacht, mithin zu einer Zeit, in der die meisten Menschen üblicherweise schlafen. In der Folge wütete im Erdgeschoss ein Feuer, in den Obergeschossen herrschte dichter Rauch. Rauchgas ist hochgiftig und kann bereits nach wenigen Atemzügen zum Tod führen (Rauchgasvergiftungen sind aus medizinischer Sicht die mit Abstand häufigste Ursache bei Todesfällen durch Brände). Dass zwei Bewohner denn auch tatsächlich – wenn auch bloss vorübergehend – wegen des Verdachts einer Rauchgasvergiftung hospitalisiert werden mussten, kann vor diesem Hintergrund nicht überraschen.
Dass ein Brand im Erdgeschoss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge rasch auf das ganze Gebäude übergreifen kann, zumal in einem älteren Gebäude, musste dem Beschuldigten klar sein. Ebenso klar musste ihm sein, dass er das Feuer nicht mehr würde steuern bzw. kontrollieren können und demzufolge auch nicht mehr in der Lage sein würde, das von ihm geschaffene Risiko zu dosieren. Und dennoch hat A.___ – kurz vor Mitternacht und damit zur Schlafenszeit – das fragliche Feuer gelegt und den Bewohnerinnen und Bewohnern damit den einzigen Fluchtweg über das Treppenhaus abgeschnitten. Er hat dadurch eine eklatante Sorgfaltspflichtverletzung begangen. In Anbetracht der konkreten Umstände, insbesondere angesichts der nächtlichen Tatzeit, der grossen Menge an Benzin, das – notabene in einem älteren Gebäude – verwendet wurde, der Tatsache, dass sämtliche Mietwohnungen lediglich über das enge Treppenhaus und ein und dieselbe Eingangstüre hätten verlassen werden können, dieser Fluchtweg durch das Feuer und die Rauchentwicklung indes gerade vereitelt wurde, und angesichts der Unmöglichkeit, das Feuer und das damit geschaffene Risiko kontrollieren zu können, lag die Möglichkeit einer Tötung von Hausbewohnerinnen und Hausbewohnern sehr nahe. Auch wenn sich der Beschuldigte dies nicht gewünscht haben dürfte, konnte er nach dem Gesagten nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern nichts passieren würde. Vielmehr drängte sich dem Beschuldigten aufgrund der konkreten Umstände bzw. infolge seines lebensgefährlichen Verhaltens die Tötung von Bewohnerinnen und Bewohnern als so wahrscheinlich auf, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs gewertet werden kann. Eventualvorsatz liegt insofern vor.
Und selbst wenn man zum Schluss gelangen würde, der Eintritt des Erfolgs (in Form des Todes von einem mehreren Hausbewohnern) sei sowohl objektiv als auch nach den subjektiven Vorstellungen des Beschuldigten nicht wahrscheinlich, sondern bloss möglich gewesen, wäre Eventualvorsatz nach der unter Ziffer IV./1.2.1 hiervor zitierten Rechtsprechung zu bejahen, da A.___ das ihm bekannte Risiko nicht kalkulieren und dosieren konnte und die sich in den Obergeschossen befindlichen neun Bewohnerinnen und Bewohner infolge des wegen Feuers und Rauchs unpassierbaren Fluchtweges sowie aufgrund der nächtlichen Tatzeit kaum Abwehrchancen hatten. Zu Letzterem ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die unmittelbar nach der Entzündung erfolgte Explosion, welche die Geschädigten aus dem Schlaf riss bzw. auf den Brand aufmerksam machte, nach dem Tatplan des Beschuldigten nicht gewollt gewesen sein dürfte, zumal der Beschuldigte sich dadurch selbst schädigte.
Nach dem Gesagten ist bezüglich der Tötung der Hausbewohner von Eventualvorsatz auszugehen. Es ist lediglich glücklichen Umständen zu verdanken, dass durch den Brand niemand tödlich verletzt worden ist. Da die Bewohnerinnen und Bewohner, konkret E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___, nicht getötet wurden, liegt eine (vollendete) mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung vor (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB).
1.3.4 Zur Frage der Mordqualifikation
1.3.4.1 Zu prüfen bleibt, ob sich der Beschuldigte des mehrfachen versuchten Mordes schuldig gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft A.___ – wie unter Ziffer IV./1.1 festgehalten – vor, aus besonders verwerflichen und blanken egoistischen Gründen und mit besonders verwerflichen Zweck gehandelt und dabei eine ausserordentliche Geringschätzung fremden Lebens an den Tag gelegt zu haben. Er habe die völlig arg- bzw. ahnungs- und schutzlosen Opfer, welche sich im Tatzeitpunkt teilweise schlafend in ihren Wohnungen befunden hätten, mit seiner Brandlegung im Erdgeschoss in heimtückischer Art überrascht.
1.3.4.2 Der Beweggrund des Beschuldigten ist nach wie vor nicht erstellt (siehe Ziffer III./2.3 hiervor). Die mangelnde Kenntnis über das Tatmotiv schliesst die Qualifikation einer (versuchten) Tötung als Mord zwar nicht aus (Ziffer IV./1.2.3 hiervor), vermag den Beschuldigten aber auch nicht zusätzlich zu belasten. Ob A.___ tatsächlich aus besonders verwerflichen und blanken egoistischen Gründen gehandelt hat, wie die Staatsanwaltschaft dies vorbringt, muss letztlich offenbleiben.
Die Tatausführung unter Einsatz von Feuer kann – aufgrund des Tatmittels – durchaus als heimtückisch bezeichnet werden. Dies allein genügt jedoch nicht zur Annahme der besonderen Skrupellosigkeit; entscheidend sind die Gesamtumstände der Tatausführung.
Vorliegend kann das Mordmerkmal der Heimtücke insofern bejaht werden, als die Bewohnerinnen und Bewohner, die sich zum Tatzeitpunkt in ihren Wohnungen in den Obergeschossen befanden und teilweise bereits schliefen bzw. dösten (AS 476, 484, 486), arg- und wehrlos waren, zumal der Beschuldigte den Brand in der Nacht legte und den Geschädigten zudem den Fluchtweg abschnitt. Auch wenn Letzteres kaum das eigentliche Handlungsziel des Beschuldigten dargestellt haben dürfte, legte der Beschuldigte durch sein Vorgehen eine ausgesprochene Gefühlskälte an den Tag, wusste er doch, dass in den vermieteten Wohnungen in den Obergeschossen Menschen wohnten. Dass der Beschuldigte davon absah, die Rettungskräfte zu alarmieren, nachdem er den Brand gelegt hatte, ist an dieser Stelle erschwerend zu berücksichtigten. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beschuldigte den Tod gleich mehrerer Menschen in Kauf nahm. Allerdings ist auch festzuhalten, dass der Beschuldigte die Arg- und Wehrlosigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner nicht derart ausgenutzt hat, wie dies ein Täter tut, der zuerst das Vertrauen des Opfers erschleicht dieses (aktiv) in einen Hinterhalt lockt, um es dann – unter bewusster Ausnützung seiner Arglosigkeit – zu töten. Dafür, dass der Beschuldigte zu den Bewohnerinnen und Bewohnern – abgesehen von C.___ – einen näheren Kontakt gesucht bzw. gepflegt hätte, bzw. dass er versucht hätte, eine Bekanntschaft aufzubauen und sich diese hernach zu Nutze zu machen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Abgesehen davon liegen weitere Umstände vor, welche gegen eine besonders verwerfliche Tatausführung sprechen. So hat der Beschuldigte durch sein Verhalten zwar eine eklatante Sorgfaltspflichtverletzung begangen und eine grosse Gefühlskälte an den Tag gelegt. Eine ausserordentliche Grausamkeit im Sinne eines absichtlichen Zufügens von für die konkrete Tötung nicht notwendigen Leiden ist in seinem Vorgehen indes nicht zu erblicken. Auch wenn eine Tötung unter Einsatz von Feuer per se grausam ist, gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass A.___ den Bewohnerinnen und Bewohnern an Intensität Dauer je grössere physische psychische Schmerzen, Leiden Qualen zufügen wollte, als diese mit der in Kauf genommenen Tötung in Folge der Brandlegung notwendigerweise verbunden gewesen wären. Schliesslich kann die Vorgehensweise des Beschuldigten, der sich selbst den grössten körperlichen Schaden zugefügt hatte, als seine benzingetränkten, über die Schuhe gezogenen Socken Feuer fingen, bevor er den Tatort fluchtartig verlassen hat, nur als stümperhaft bezeichnet werden, auch wenn dieser Umstand den Beschuldigten nur leicht zu entlasten vermag. Eine besondere Grausamkeit liegt nach dem Gesagten – auch im Quervergleich – nicht vor.
In einer Gesamtwürdigung ist festzuhalten, dass die Tatausführung durchaus heimtückisch war und die grosse Gefühlskälte des Beschuldigten diesen belastet, was auch für die Tatsache gilt, dass A.___ den Tod gleich mehrerer Menschen in Kauf genommen hat. Andererseits erfolgte der Gebrauch von Feuer im konkreten Fall insgesamt weder mit besonderer Heimtücke, noch war das Vorgehen des Beschuldigten besonders grausam. Der Beschuldigte handelte mit Eventualvorsatz. Alles in allem ist die Mordqualifikation deshalb zu verneinen.
Der Beschuldigte ist somit der mehrfachen versuchten (eventual-)vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, zum Nachteil von E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___, für schuldig zu erkennen.
2. Qualifizierte Brandstiftung (Art. 221 Abs. 2 StGB), evtl. versuchte qualifizierte Brandstiftung (Art. 221 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), subevtl. Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB)
2.1 Allgemeine Erwägungen zum Tatbestand der Brandstiftung
2.1.1 Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer vorsätzlich zum Schaden eines andern unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht (Art. 221 Abs. 1 StGB). Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren (Art. 221 Abs. 2 StGB). Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe erkannt werden (Art. 221 Abs. 3 StGB).
Beim Tatbestand der Brandstiftung handelt es sich um ein gemeingefährliches Delikt, wobei von einer Brandstiftung nur dann die Rede ist, wenn aus einer Feuersbrunst entweder eine Sachbeschädigung eine Gemeingefährdung resultiert (Stefan Trechsel/Anna Coninx, in: Trechsel/Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage 2018 [im Folgenden PK StGB], vor Art. 221 StGB N 1, Art. 221 StGB N 1).
Nach der Rechtsprechung genügt zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht jedes unbedeutende Feuer. Es muss vielmehr ein Brand in solcher Stärke vorliegen, dass er vom Urheber nicht mehr bezwungen werden kann. Der Täter muss mithin ausserstande sein, das Feuer zu löschen wenigstens dessen Ausdehnung zum Schaden Dritter zur Gemeingefahr zu verhindern. Keine Feuersbrunst liegt vor, wenn Papier und Reiswellen mit Hilfe einer Gabel und zwei Kesseln Wasser gelöscht werden können (Stefan Trechsel/Anna Coninx, PK StGB, Art. 221 StGB N 2). Eine offene Flamme ist nicht vorausgesetzt. Es genügt ein Verglimmen Verglühen, wie z.B. bei Stoffen, Wolldecken, Matratzen, Torfmooren und Grasflächen. Indessen bedingt auch ein Glimmbrand, dass er vom Verursacher nicht mehr selbst bezwungen werden kann (Bruno Roelli, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Auflage 2019 [im Folgenden BSK StGB II], Art. 221 StGB N 8; Stefan Trechsel/Anna Coninx, PK StGB, Art. 221 StGB N 2).
2.1.2 Der qualifizierte Tatbestand im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StGB als vollendetes Delikt setzt voraus, dass Leib und Leben von Menschen tatsächlich konkret gefährdet werden. Eine abstrakte Gefahr reicht nicht aus. Erforderlich ist zudem, dass der Täter im Sinne des direkten Vorsatzes um diese konkrete Gefährdung weiss und sie auch will. Es genügt nicht, dass er im Sinne des Eventualvorsatzes eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben für möglich hält und sie in Kauf nimmt. Wer aber mit Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt, die er kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (BGE 123 IV 128 E. 2a S. 130; Urteil des Bundesgerichts 6B_154/2012 vom 25. September 2012 E. 4.1; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung genügt es somit, dass der Täter die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr für Leib und Leben von Menschen kennt; zu wollen braucht er sie nicht (BGE 85 IV 130 E. 1 S. 132).
Die bei den konkreten Gefährdungsdelikten vorausgesetzte Gefahr ist gegeben, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit nahe Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes besteht (BGE 138 IV 57 E. 4.1.2 S. 61; 124 IV 114 E. 1 S. 115 f.; je mit Hinweisen). Die Wahrscheinlichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes und damit die konkrete Gefahr können indessen mehr weniger gross bzw. nahe sein. Welche Anforderungen an die Nähe der bei einem konkreten Gefährdungsdelikt erforderlichen Gefahr zu stellen sind, hängt auch von der Strafandrohung ab. Angesichts der vergleichsweise hohen Strafandrohung von drei bis zwanzig Jahren Freiheitsstrafe in Art. 221 Abs. 2 StGB ist für diesen Tatbestand eine grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib und Leben und damit eine nahe Gefahr erforderlich. Dies rechtfertigt sich auch deshalb, weil Art. 221 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung keine Gemeingefahr voraussetzt und schon im Falle der Gefährdung einer einzigen, individuell bestimmten Person erfüllt sein kann (BGE 123 IV 128 E. 2a S. 130 mit Hinweisen).
Die Verurteilung wegen qualifizierter Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB als vollendete Tat setzt voraus, dass durch die vom Täter mit Wissen und Willen verursachte Feuersbrunst, so wie sie sich ereignet hat, tatsächlich Leib und Leben von Menschen im genannten Sinne konkret gefährdet worden sind und der Täter diese Gefährdung gekannt und gewollt hat. Es genügt nicht, dass Menschen gefährdet worden wären, wenn das Feuer später, als es tatsächlich geschah, entdeckt bzw. gelöscht worden wäre. Massgebend ist nicht, was alles hätte geschehen können, sondern einzig, was sich tatsächlich ereignet hat. Wurde etwa dank rascher Hilfeleistung niemand konkret gefährdet, so kommt, sofern die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, bloss eine Verurteilung wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung in Betracht (BGE 123 IV 128 E. 2a S. 131).
2.1.3 Der subjektive Tatbestand (im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StGB) verlangt, dass der Täter willentlich eine Feuersbrunst verursacht und sodann wissentlich jemanden in Gefahr für Leib und Leben bringt. Erforderlich ist, dass er im Sinne des direkten Vorsatzes um diese konkrete Gefährdung weiss und sie auch will. Wer mit Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine ihm bekannte Gefahr ergibt, der will sie notwendigerweise auch. Bei einer Brandstiftung an einem Gebäude muss der Täter wissen, dass sich darin mindestens ein Mensch befindet (Bruno Roelli, BSK StGB II, Art. 221 StGB N 21).
2.1.4 Zwischen Art. 111 StGB und Art. 221 StGB besteht echte Konkurrenz. Diese wird allerdings nicht wegen der Verschiedenheit der betroffenen Rechtsgüter, sondern durch die Gemeingefährlichkeit der Begehungsweise begründet (Stefan Trechsel/Anna Coninx, PK StGB, Art. 221 StGB N 12; Bruno Roelli, BSK StGB II, vor Art. 221 StGB N 14).
2.2 Subsumtion
2.2.1 Dass vorliegend zumindest der Grundtatbestand der vollendeten Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB erfüllt ist, steht ausser Frage und ist auch von der Verteidigung anerkannt.
2.2.2 Der Beschuldigte legte in der Nacht vom 21. Juli 2019 im Erdgeschoss des brandbeschädigten Mehrfamilienhauses, obgleich ihm die Verhältnisse in der fraglichen Liegenschaft bestens bekannt waren und er insbesondere wusste, dass darin diverse Personen wohnten, kurz vor Mitternacht einen erheblichen Brand, den er nicht mehr kontrollieren konnte. Welche Folgen diese Brandlegung hatte, wurde unter Ziffer IV./1.3.3.4 ausgeführt, worauf an dieser Stelle grundsätzlich verwiesen werden kann. Das enge Treppenhaus der betroffenen Liegenschaft wurde durch das Feuer und den Rauch massiv befallen, eine Nutzung des Treppenhauses war zumindest vorübergehend nicht mehr möglich. Insofern war den Bewohnerinnen und Bewohnern, konkret E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___, der einzige Fluchtweg abgeschnitten. Die dem Brand direkt ausgesetzten Menschen haben allesamt Rauch in ihrer Wohnung unmittelbar vor der Wohnungstüre wahrgenommen, wobei zwei Bewohner wegen des Verdachts einer Rauchgasvergiftung vorübergebend hospitalisiert werden mussten. Bei der explosionsartigen Verpuffung, welche die Bewohner aufschreckte, handelt es sich um einen glücklichen Umstand, der so nicht geplant war (wie auch die Brandverletzungen des Beschuldigten zeigen).
Vor diesem Hintergrund ist von einer konkreten und sehr naheliegenden Gefährdung der Bewohnerinnen und Bewohner auszugehen. Letztere wurden allesamt tatsächlich und konkret an Leib und Leben gefährdet. Der objektive Tatbestand der qualifizierten Brandstiftung ist damit erfüllt.
Dasselbe gilt für den subjektiven Tatbestand, hat der Beschuldigte den Brand doch willentlich und im Wissen darum gelegt, dass in den Obergeschossen diverse Personen wohnten. Das Feuer und insbesondere das damit zusammenhängende Rauchgas hätten Bewohnerinnen und Bewohner der brandbeschädigten Liegenschaft problemlos schwer schädigen gar töten können, zumal kurz vor Mitternacht. Im Schlaf ist der Geruchssinn des Menschen nämlich kaum aktiv, was dazu führt, dass gefährlicher Brandrauch oft zu spät wahrgenommen wird. Gerade weil der Beschuldigte den Brand nachts legte, musste sich ihm die Gefahr für Leib und Leben der betroffenen Menschen aufdrängen, musste er doch annehmen, dass die in den Obergeschossen wohnhaften Personen zum Tatzeitpunkt – zumindest teilweise – bereits schliefen. Dass der Beschuldigte auch nicht ernstlich davon ausgegangen sein kann, alle Bewohnerinnen und Bewohner weilten in den Ferien, wurde bereits ausgeführt (Ziffer IV./1.3.3.4 hiervor). Der Beschuldigte alarmierte weder die Rettungskräfte, noch versuchte er, den entfachten Brand zu löschen, was indes auch gar nicht möglich gewesen wäre. Das Feuer bzw. die starke Hitze und der massive Rauch griffen innert Kürze vom Ladenlokal auf das gesamte Gebäude über. Die Möglichkeit einer Tötung von Hausbewohnerinnen und Hausbewohnern lag sehr nahe.
Wenn der Beschuldigte geltend macht, er habe keine Leute im Gebäude gefährden wollen, ist dies im Lichte der bisherigen Ausführungen alles andere als glaubhaft. Wer im Erdgeschoss eines älteren Gebäudes, in dessen Obergeschossen sich Mietwohnungen befinden, die bewohnt und nur über ein enges Treppenhaus zugänglich sind, an einem Sonntagabend kurz vor Mitternacht insgesamt ca. 30 Liter Benzin ausschüttet und anzündet, wodurch er den Bewohnerinnen und Bewohnern den einzigen Fluchtweg abschneidet, der weiss um die durch seine Tat herbeigeführte, grosse Gefahr für Leib und Leben der betroffenen Menschen und will diese auch. Der Beschuldigte hat mit Wissen und Willen einen Brand gelegt, der die Bewohnerinnen und Bewohner des brandbeschädigten Mehrfamilienhauses konkret an Leib und Leben gefährdet hat. Diese Gefahr kannte der Beschuldigte, womit er sie notwendigerweise auch wollte.
Der Beschuldigte ist somit auch wegen qualifizierter Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StGB, zum Nachteil der L.___ AG, vertreten durch O.___, der Hausbewohnerinnen und Hausbewohner (E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___) sowie C.___ (Mieter der brandbeschädigten Räumlichkeiten im Erdgeschoss), zu verurteilen.
V. Strafzumessung
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten.
Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuld-gehalt der konkreten Straftat beziehen. Innerhalb der Kategorie der realen Straf-zumessungsgründe ist zwischen der Tatkomponente, welche nun in Art. 47 Abs. 2 StGB näher umschrieben wird, und der in Abs. 1 aufgeführten Täterkomponente zu unterscheiden (vgl. Trechsel/Thommen, PK StGB, Art. 47 StGB N 16, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).
1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa).
1.3 Das sog. Doppelverwertungsverbot besagt, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren tieferen Strafrahmens (z.B. eines qualifizierten privilegierten Tatbestandes) führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen, weil dem Täter sonst der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt zugute gehalten würde (BGE 118 IV 342 E. 2b S. 347; siehe auch BGE 141 IV 61 E. 6.1.3 S. 68). Indes kann der Richter dem Ausmass eines qualifizierenden privilegierenden Tatumstandes bei der Strafzumessung Rechnung tragen (BGE 118 IV 342 E 2.b, bestätigt in BGE 120 IV 72 E 2.b).
1.4 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.
Vorstrafen stellen eines von mehreren täterbezogenen Merkmalen dar und steigern das konkrete Tatverschulden nicht. Das Sachgericht darf Vorstrafen nicht wie eigenständige Delikte im Rahmen einer «nachträglichen Gesamtstrafenbildung» würdigen. Nicht zulässig ist es, eine am Tatverschulden ausgerichtete prozentuale Straferhöhung vorzunehmen, mit der Folge, dass die gleiche Vorstrafe sich je nach Tatverschulden unterschiedlich stark straferhöhend auswirkt. Damit würde aus dem täterbezogenen Strafzumessungskriterium des Vorlebens ein tatbezogenes gemacht, was der gesetzlichen Konzeption von Art. 47 Abs. 1 StGB widerspricht, wonach Tat- und Täterkomponenten voneinander unabhängige Strafzumessungsfaktoren sind. Auch kann keine Vorstrafe derart straferhöhend berücksichtigt werden, dass der Täter faktisch ein zweites Mal für die bereits abgeurteilte Tat bestraft wird. Dies liefe sowohl dem Einzeltatschuldprinzip als auch dem Grundsatz «ne bis in idem» zuwider (vgl. Urteil 6B_249/2014 vom 16. Oktober 2014 E. 2.4.2 mit Hinweis). Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 25. August 2015, 6B_510/2015, kann indes eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung zu einer Straferhöhung von einem Drittel des Strafmasses führen.
1.5 Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht (BGE 136 IV 55 E. 5.7). Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts vom 7. Juli 2011, 6B_1096/2010 E. 4.2; vom 6. Juni 2011, 6B_1048/2010 E. 3.2 und vom 26. April 2011, 6B_763/2010 E. 4.1).
1.6 Wurde eine Straftat lediglich versucht, ist im Rahmen der Strafzumessung zuerst eine Einsatzstrafe für das gemäss den Vorstellungen des Beschuldigten vollendete Delikt auszusprechen. Diese ist hernach in Anwendung von Art. 22 Abs. 1 StGB zu mindern. Das Mass der zulässigen Reduktion der Strafe hängt einerseits von der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolgs bzw. vom Ausmass der geschaffenen Gefahr, andererseits von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (Urteile 6B_865/2009, E 1.6.1; 6B_120/2014 E.2.5.1; 6B_42/2015, E 2.4.1). Die Reduktion der Strafe wird mit andern Worten umso geringer sein, je näher der tatbestandsmässige Erfolg und je schwerwiegender die tatsächliche Folge der Tat war (BGE 121 IV 49 E. 1b).
1.7 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur möglich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (sog. «konkrete Methode»). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Die Bildung einer sog. «Einheitsstrafe» bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang verschiedener Delikte ist nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ebenso ist es nicht zulässig, für einzelne Delikte eine Freiheitsstrafe statt einer Geldstrafe auszusprechen, nur, weil die maximale Höhe der Geldstrafe von 180 Tagessätzen zufolge Asperation mehrerer Geldstrafen überschritten würde. Diesfalls bleibt es grundsätzlich bei der Ausfällung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, auch wenn diese insgesamt für alle mit Geldstrafe zu sanktionierenden Delikte nicht mehr schuldangemessen ist (BGE 144 IV 217 E. 3.6).
Im soeben erwähnten BGE 144 IV 217 und in 144 IV 313 rückte das Bundesgericht von seiner früheren Rechtsprechung ab, die im Rahmen der Deliktsmehrheit nach Art. 49 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der Wahl der Strafart noch Ausnahmen von der konkreten Methode zuliess (wonach für jedes einzelne Delikt im konkreten Fall die Strafart zu bestimmen und eine gesonderte Einsatzstrafe festzusetzen ist). In neueren Entscheiden hielt das Bundesgericht dann allerdings wieder fest, es könne eine Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen werden, wenn viele Einzeltaten zeitlich sowie sachlich eng miteinander verknüpft seien und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet sei, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken (Urteil 6B_382/2021 vom 25. Juli 2022 E. 2.4.2).
1.8 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider / Roy Garré, BSK StGB I, Art. 42 StGB N 61).
Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 StGB). Für eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren ist folglich neben dem bedingten auch der teilbedingte Vollzug ausgeschlossen.
2. Konkrete Strafzumessung
2.1 Strafrahmen und Wahl der Strafart
2.1.1 Der Strafrahmen der vorsätzlichen Tötung beläuft sich auf Freiheitsstrafe von fünf bis zu 20 Jahren. Bei der qualifizierten Brandstiftung umfasst der Strafrahmen Freiheitsstrafe von drei bis zu 20 Jahren.
2.1.2 Die Frage der Sanktionsart stellt sich demzufolge grundsätzlich nicht. Es ist vorliegend so anders eine Freiheitsstrafe auszufällen.
2.2 Einsatzstrafe
2.2.1 Der Beschuldigte hat sich der mehrfachen versuchten (eventual-)vorsätzlichen Tötung und der qualifizierten Brandstiftung strafbar gemacht. Als schwerste Straftat ist die versuchte vorsätzliche Tötung zum Nachteil von E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___ zu qualifizieren. Dafür ist eine Einsatzstrafe festzusetzen. Anschliessend ist für die qualifizierte Brandstiftung eine separate hypothetische Strafe festzusetzen, wobei nach Art. 49 Abs. 1 StGB vorzugehen ist.
2.2.2 Tatkomponenten
2.2.2.1 Mehrfache versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung
2.2.2.1.1 Hinsichtlich der objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass das menschliche Leben das höchste Rechtsgut darstellt. Das Vorgehen des Beschuldigten, der kurz vor Mitternacht im Erdgeschoss einer Liegenschaft, die er bestens kannte und von der er wusste, dass in den Obergeschossen diverse Personen wohnten, einen nicht mehr zu kontrollierenden Brand legte und dadurch den Bewohnerinnen und Bewohnern den einzigen Fluchtweg abschnitt, wiegt mit Blick auf die Schwere der Verletzung bzw. Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes schwer, und zwar sowohl bezüglich des Ranges des beeinträchtigten Rechtsgutes als auch betreffend das Ausmass seiner Beeinträchtigung. Vom Brand waren – abgesehen vom Beschuldigten – gleich neun Bewohnerinnen und Bewohner, darunter zwei Kinder, betroffen, was sich straferhöhend auswirkt. Die Bewohnerinnen und Bewohner befanden sich zur Tatzeit allesamt in ihren jeweiligen Wohnungen in den Obergeschossen der Brandliegenschaft, teilweise bereits schlafend. Sie alle hatten aufgrund der nächtlichen Tatzeit und infolge des wegen Feuers und Rauchs unpassierbaren Fluchtweges kaum Abwehrchancen. Insofern muss die Vorgehensweise des Beschuldigten als skrupellos bezeichnet werden, was straferhöhend zu berücksichtigen ist. Es ist lediglich glücklichen Umständen zuzuschreiben, namentlich der Explosion unmittelbar nach der Entzündung als Folge der Vermischung der Benzindämpfe mit der Luft, dass die Bewohnerinnen und Bewohner geweckt bzw. auf den Brand aufmerksam wurden und sich so gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen von der Feuerwehr gerettet werden konnten.
Auch die Würdigung der Verwerflichkeit des Handelns belastet den Beschuldigten schwer. So wurde bereits im Rahmen der rechtlichen Qualifikation darauf hingewiesen (Ziffer IV./1.3.4.2), dass im vorliegenden Fall die Tatausführung unter Einsatz von Feuer durchaus als heimtückisch zu qualifizieren ist und der Beschuldigte durch sein Vorgehen eine ausgesprochene Gefühlskälte an den Tag legte. Die vom Beschuldigten aufgewendete kriminelle Energie war gross. Dies alles wirkt sich straferhöhend aus und kann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, ohne dass das Doppelverwertungsverbot verletzt würde, zumal die Mordqualifikation im vorliegenden Fall verneint wird. Zu Gunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass er nicht der Initiator des Vorganges war.
Vor diesem Hintergrund wiegt das Verschulden keineswegs mehr leicht. Im Gegenteil handelt es sich um einen im Gesamtspektrum aller denkbaren Fälle schwerwiegenden Fall, der nicht weit von der Grenze zum qualifizierten Tatbestand des Mordes liegt.
Gegen ein sehr schweres Verschulden im Maximum der Verschuldensskala spricht hingegen der Umstand, dass die Tatausführung laienhaft und nicht besonders verwerflich war. So hat der Beschuldigte nicht mehr getan, als für die Tötung mittels Brandlegung notwendig gewesen wäre. Eine ausserordentliche Grausamkeit im Sinne eines absichtlichen Zufügens von für die konkrete Tötung nicht notwendigen Leiden ist im Vorgehen des Beschuldigten nicht zu erblicken, auch wenn die Anzahl denkbarer Fälle einer sogenannten Übertötung bei einer Tatausführung unter Einsatz von Feuer wohl per se geringer ist als bei anderen Tötungsformen. Es sind, ohne den vorliegenden Fall bagatellisieren zu wollen, noch schwerere Fälle denkbar.
Das Verhalten unmittelbar nach der Tat vermag sich nicht verschuldensmindernd auszuwirken. So verliess der Beschuldigte den Tatort, ohne die Rettungskräfte zu alarmieren zu versuchen, den entfachten Brand zu löschen, wobei Letzteres jedoch auch gar nicht möglich gewesen wäre.
Das objektive Tatverschulden wiegt, insbesondere auch wegen der Anzahl Geschädigter, nach dem Gesagten schwer und ist im oberen Bereich des oberen Drittels des Strafrahmens anzusiedeln. Es handelt sich um einen schwerwiegenden Fall, der nicht weit von der Grenze zum qualifizierten Tatbestand des Mordes liegt. 2.2.2.1.2 Zur subjektiven Tatschwere ist auszuführen, dass der Beschuldigte (hinsichtlich der mehrfachen versuchten Tötung) nicht mit direktem Vorsatz, sondern lediglich mit Eventualvorsatz gehandelt hat. Dieser Umstand wirkt entlastend und ist strafmindernd zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist indes auch zu beachten, dass die Vorgehensweise des Beschuldigten sehr rücksichtslos war. Er kannte die fragliche Liegenschaft und den einzigen Zugang zu den Mietwohnungen über das Treppenhaus gut, entsprechend war ihm die verletzliche Situation der Bewohnerinnen und Bewohner bekannt. Anzeichen für das Vorliegen einer reduzierten Schuldfähigkeit liegen nicht vor. Auch sonst sind beim Beschuldigten – entgegen seinen Behauptungen – keine Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit auszumachen; ein irgendwie gearteter Druck seitens von Dritten bestand nicht. Der Beschuldigte handelte wie ein Kriminaltourist. Das Motiv ist wie dargelegt nicht nachweisbar, aber ein möglicherweise entlastendes Motiv ist nicht erkennbar.
Das subjektive Tatverschulden, insbesondere das Vorliegen eines Eventualdolus, vermag das objektive Tatverschulden deshalb nur leicht zu relativieren. Insgesamt ist das Tatverschulden nach wie vor im oberen Bereich des oberen Drittels anzusiedeln. Für das gemäss den Vorstellungen des Beschuldigten vollendete Delikt erschiene eine Einsatzstrafe von 18 Jahren angemessen.
2.2.2.1.3 Strafmildernd zu berücksichtigen ist nun jedoch, dass der Erfolg insofern ausgeblieben ist, als die Bewohnerinnen und Bewohner nicht getötet wurden, weshalb lediglich ein Versuch vorliegt. Dabei ist jedoch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die neun Bewohnerinnen und Bewohner zum Zeitpunkt der Brandlegung allesamt in ihren jeweiligen Wohnungen befanden, teilweise bereits schlafend, und dass der Beschuldigte diesen durch sein Vorgehen den Fluchtweg abschnitt, womit die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatbestandsmässigen Tötungserfolgs hoch war. Dass durch den Brand niemand tödlich auch nur schwer verletzt worden ist, ist – wie bereits festgestellt – lediglich glücklichen Umständen zu verdanken.
Die Einsatzstrafe ist praxisgemäss zufolge Versuchs um einen Drittel, d.h. sechs Jahre, zu mindern. Es resultiert eine Einsatzstrafe von zwölf Jahren.
2.2.2.2 Qualifizierte Brandstiftung
Wie unter Ziffer IV./2.1.4 ausgeführt, besteht zwischen Art. 111 StGB und Art. 221 StGB echte Konkurrenz, die durch die Gemeingefährlichkeit der Begehungsweise der Brandstiftung begründet wird.
Vorliegend weist die qualifizierte Brandstiftung zeitlich, sachlich und situativ einen sehr engen Bezug zur Haupttat auf, zumal Erstere das Tatmittel der versuchten Tötung darstellt. Dementsprechend ist mit der ausgefällten Strafe für die mehrfache versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung das deliktische Unrecht in Zusammenhang mit Art. 221 Abs. 2 StGB zu einem grossen Teil, wenn auch nicht vollständig, abgegolten. Es hat deshalb nur eine moderate Straferhöhung zu erfolgen.
Das Verschulden ist analog zu den obigen Ausführungen im oberen Bereich des oberen Drittels anzusiedeln, wobei hierzu grundsätzlich auf das bereits Gesagte verwiesen werden kann. Anders als bei der mehrfachen versuchten Tötung hat der Beschuldigte die qualifizierte Brandstiftung mit direktem Vorsatz begangen. Dabei richtete er einen immensen Sachschaden von über einer halben Million Franken an.
In grosszügiger Anwendung des Asperationsprinzips ist die Strafe um zwei Jahre zu erhöhen. Insgesamt ergibt sich damit unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Tatkomponenten eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren.
2.3 Täterkomponenten
Bezüglich der persönlichen Verhältnisse kann vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf der Urteilsseite (nachfolgend US) 18 verwiesen werden. Das Vorleben ist neutral zu gewichten, die aktuellen persönlichen Verhältnisse sind als leicht positiv zu werten. Auf der anderen Seite schlägt die Vorstrafe aus dem Jahr 2007 zu Buche. So wurde der Beschuldigte mit Urteil des Strafgerichtes Zug vom 5. Juli 2007 u.a. wegen Hausfriedensbruchs, gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls und mehrfacher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Im Jahr 2008 wurde er durch den Kanton Zug ausgeschafft, seine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz verlor er. Diese Vorstrafe ist leicht strafschärfend zu berücksichtigen, auch wenn sie bereits etwas länger zurückliegt, wobei in diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass der Beschuldigte im Jahr 2008 aus der Schweiz weggewiesen wurde und sich in den folgenden Jahren nur noch sehr eingeschränkt in der Schweiz aufhalten durfte.
Der Beschuldigte befindet sich seit dem 17. Juli 2020 im vorzeitigen Strafvollzug, wo er grundsätzlich ein positives Vollzugsverhalten zeigt und sich weitgehend angepasst verhält (vgl. Führungsberichte der Justizvollzugsanstalt [JVA 1] vom 21. November 2022 und 13. März 2023, Vollzugsverlaufsbericht der [JVA 2] vom 5. Juni 2023). Ein vorbildliches Verhalten im vorzeitigen Strafvollzug kann indes nicht als besondere Einsicht Reue interpretiert werden, da ein korrektes Verhalten vorausgesetzt werden kann (Urteil des Bundesgerichts 6B.974/2009).
Echte Einsicht und Reue zeigte der Beschuldigte bisher keine, was ihm aber nicht vorzuwerfen ist, da er die ihm vorgehaltene versuchte Tötung und die Qualifikation bezüglich der Brandstiftung bestreitet.
Eine besondere Strafempfindlichkeit ist nicht auszumachen.
Wegen der Vorstrafe aus dem Jahr 2007 wirkt sich die Täterkomponente gesamthaft straferhöhend aus; konkret würde sich eine Erhöhung der Strafe um ein halbes Jahr auf 14 ½ Jahre rechtfertigen. Da sich die anzuordnende Landesverweisung (s. hernach) nach der Praxis des Berufungsgerichts im Rahmen des gesamten Sanktionenpakets indes strafreduzierend auswirkt, verringert sich die Freiheitsstrafe um 1 ½ Jahre auf 13 Jahre. Eine solche erscheint insgesamt als schuldangemessen.
2.4 Vollzugsform
Bei dieser Strafhöhe ist die Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzuges von Gesetzes wegen ausgeschlossen.
2.5 Anrechnung der Haft
Dem Beschuldigten ist die vom 5. August 2019 bis zum 16. Juli 2020 ausgestandene Untersuchungshaft sowie der vorzeitige Strafvollzug seit dem 17. Juli 2020 in Anwendung von Art. 51 StGB an die Freiheitsstrafe anzurechnen.
VI. Landesverweisung / Ausschreibung im SIS
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Nach Art. 66a Abs. 1 lit. a und i StGB ist ein Ausländer, der wegen mehrfacher versuchter Tötung und qualifizierter Brandstiftung verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe, für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz zu verweisen. Von der Landesverweisung kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB abgesehen werden.
Die Vorinstanz hat die einschlägige Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt (US 19 f.). Darauf kann verwiesen werden, auf einzelne Aspekte ist im Rahmen der Subsumtion einzugehen.
1.2 Eine Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen im Sinne von Art. 3 lit. d SIS-II-Verordnung im Schengener Informationssystem (SIS) darf gemäss dem in Art. 21 SIS-II-Verordnung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip nur vorgenommen werden, wenn die Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falles dies rechtfertigen. Die Ausschreibung wird eingegeben, wenn die Entscheidung auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwesenheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats darstellt (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 SIS-II-Verordnung). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die betreffende Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 24 Abs. 2 lit. a SIS-II-Verordnung), wenn gegen sie der begründete Verdacht besteht, dass sie schwere Straftaten begangen hat, wenn konkrete Hinweise bestehen, dass sie solche Straftaten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates plant (Art. 24 Abs. 2 lit. b SIS-II-Verordnung). Eine Ausschreibung im SIS darf gemäss Art. 21 und Art. 24 Abs. 1 SIS-II-Verordnung nur auf der Grundlage einer individuellen Bewertung unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips ergehen. Im Rahmen dieser Bewertung ist bei der Ausschreibung gestützt auf Art. 24 Abs. 2 SIS-II-Verordnung insbesondere zu prüfen, ob von der betroffenen Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Verhältnismässig ist eine Ausschreibung im SIS immer dann, wenn eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben ist. Sind die Voraussetzungen von Art. 21 und 24 Abs. 1 und 2 SIS-II-Verordnung erfüllt, besteht eine Pflicht zur Ausschreibung im SIS (BGE 146 IV 172 E. 3.2.2).
Die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS bewirkt, dass der betroffenen Person die Einreise in das Hoheitsgebiet aller Schengen-Mitgliedstaaten grundsätzlich untersagt ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung [EU] Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [Schengener Grenzkodex]; vgl. auch Art. 32 Abs. 1 lit. a Ziff. v der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex]). Die übrigen Schengen-Staaten können die Einreise in ihr Hoheitsgebiet im Einzelfall aus humanitären Gründen Gründen des nationalen Interesses aufgrund internationaler Verpflichtungen indes dennoch bewilligen (Art. 6 Abs. 5 lit. c Schengener Grenzkodex; vgl. auch Art. 25 Abs. 1 lit. a Visakodex) (BGE 146 IV 172 E. 3.2.3).
2. Subsumtion
2.1 Landesverweisung
2.1.1 Der Beschuldigte hat sich der mehrfachen versuchten Tötung sowie der qualifizierten Brandstiftung schuldig gemacht. Es liegen damit gleich zwei Anlasstaten nach Art. 66a StGB vor. Insofern sind die Voraussetzungen für eine obligatorische Landesverweisung unabhängig von der Höhe der auszusprechenden Strafe grundsätzlich erfüllt.
2.1.2 Bezüglich des Vorlebens, der familiären Faktoren bzw. des engeren Soziallebens und des beruflichen Werdegangs kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (US 20). Der Beschuldigte kam als Jugendlicher in die Schweiz, wurde per 3. November 2008 indes ausgeschafft und verlor seine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz. Er ist seit 2013 mit S.___ verheiratet und hat seit 2017 eine Freundin namens T.___. Mit Letzterer hat der Beschuldigte nach eigenen Angaben ein Kind ([…], Jg. 2018).
2.1.3 Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass kein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt. Der Beschuldigte hat in der Schweiz zwar seine Geschwister ([…]) und Eltern. Er selbst wurde indes bereits im Jahr 2008 des Landes verwiesen und lebt seither in Italien, wo auch seine Lebenspartnerin lebt. Die Wegweisung vermochte den Beschuldigten nicht von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten. Dies kann nicht anders interpretiert werden, als dass ihn die Landesverweisung nicht im Sinne eines schweren persönlichen Härtefalles trifft.
Selbst bei Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalles würde das öffentliche Interesse an der Landesverweisung angesichts der Schwere der verübten Straftaten, des Verschuldens des Beschuldigten, dessen Unbelehrbarkeit (Verübung von Katalogtaten nach früherer Verurteilung und Wegweisung) und der daraus abzuleitenden schlechten Prognose die privaten Interessen des Beschuldigten deutlich überwiegen.
Demzufolge steht ausser Frage, dass der Beschuldigte im Sinne von Art. 66a StGB des Landes zu verweisen ist, was vom Verteidiger des Beschuldigten im Parteivortrag vor der Vorinstanz auch ausdrücklich anerkannt wurde (AS 1261).
2.1.4 Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, lässt sich eine Dauer der Landesverweisung von 15 Jahren insofern rechtfertigen, als es sich um eine sehr schwere Tat und darüber hinaus hinsichtlich der Landesverweisung quasi um einen Wiederholungsfall handelt, wurde der Beschuldigte doch bereits einmal des Landes verwiesen, wenn auch gestützt auf andere gesetzliche Bestimmungen.
2.2 Ausschreibung im SIS
Der Beschuldigte ist kosovarischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger. Er wurde im Jahr 2008 erstmals des Landes verwiesen. Nun wird der Beschuldigte wegen mehrfacher versuchter (eventual-)vorsätzlicher Tötung und qualifizierter Brandstiftung – es handelt sich dabei fraglos um sehr schwere Verbrechen – zu einer langjährigen Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Dass der Beschuldigte trotz einer früheren Wegweisung in der Schweiz erneut – mit einem Verbrechen gegen Leib und Leben und einem gemeingefährlichen Verbrechen – deliktisch in Erscheinung getreten ist, zeigt eindrücklich, dass A.___ eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Insofern ist eine Ausschreibung im SIS vorliegend verhältnismässig. Dass der Beschuldigte in Italien lebt und seine Eltern und Geschwister in der Schweiz sind, ändert daran angesichts der Schwere seiner Straftat und der zu verbüssenden langen Freiheitsstrafe nichts. Dies gälte selbst für den Fall, dass dem Beschuldigten die Einreise nach Italien – nach dem Strafvollzug – verweigert werden sollte.
Nach dem Gesagten ist die Landesverweisung im SIS auszuschreiben.
VII. Kosten und Entschädigung
1. Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid zu bestätigen.
2. Die Berufung war nicht erfolgreich, der Beschuldigte unterliegt in allen Punkten. Gleichzeitig war aber auch die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft nur in geringem Ausmass erfolgreich, wobei diese lediglich einen geringen zusätzlichen Aufwand verursachte. Es rechtfertigt sich deshalb, die Kosten für das Berufungsverfahren mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 8'500.00, dem Beschuldigten im Umfang von 90%, ausmachend CHF 7'650.00, aufzuerlegen. Im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates.
3. Nach Art. 135 Abs. 1 StPO wird die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Die Staatsanwaltschaft das urteilende Gericht legen die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest (Art. 135 Abs. 2 StPO). Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt (Art. 426 Abs. 1 StPO), so ist diese, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, nach Art. 135 Abs. 4 StPO verpflichtet, dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen. Gemäss § 158 Abs. 1 des kantonalen Gebührentarifs (GT) setzt der Richter die Entschädigung nach dem Aufwand fest, welcher für eine sorgfältige und pflichtgemässe Vertretung erforderlich ist. Der Stundenansatz für die Bestimmung der Entschädigung der amtlichen Verteidiger und der unentgeltlichen Rechtsbeistände betrug bis 31. Dezember 2022 CHF 180.00 und beträgt ab 1. Januar 2023 CHF 190.00 zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 158 Abs. 3 GT).
Der vom amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Urs Oswald, mittels Honorarnote geltend gemachte Aufwand von total 72.15 Stunden erweist sich mit den folgenden Anpassungen als angemessen:
- Für die effektive Dauer (inkl. Reiseweg) der Hauptverhandlung (5 Stunden) bzw. Urteilseröffnung (3 Stunden) werden insgesamt 7 Stunden gekürzt (geltend gemacht wurden 11 Stunden für die Hauptverhandlung und 4 Stunden für die Urteilseröffnung). - Weiter werden die Positionen «Besprechung mit Schwester des Klienten, Frau U.___» vom 26. April 2022 (1 Stunde) sowie «Besprechung mit Frau U.___» vom 8. Juli 2022 (0.75 Stunden) gestrichen, da diese Aufwendungen nicht unter die amtliche Verteidigung des Beschuldigten subsumiert werden können.
Nach Aufrechnung der geltend gemachten und angemessen erscheinenden Auslagen von total CHF 788.90 sowie der MwSt. zu 7.7 % resultieren CHF 13'683.20 (13 Stunden à CHF 180.00, 50.4 Stunden à CHF 190.00). Die Entschädigung von Rechtsanwalt Urs Oswald ist demgemäss in dieser Höhe festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorzubehalten ist der Rückforderungsanspruch des Staates Solothurn während zehn Jahren im Umfang von 90%.
Demnach wird in Anwendung von Art. 111 i.V.m. 22 Abs. 1, Art. 221 Abs. 2 StGB; Art. 40, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 66a, Art 69 StGB; Art. 122 ff., Art. 135, Art. 267, Art. 335 ff., Art. 398 ff., Art. 416 ff. StPO beschlossen und erkannt: 1. A.___ hat sich schuldig gemacht: - der mehrfachen versuchten Tötung, zum Nachteil von E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___; - der qualifizierten Brandstiftung, zum Nachteil der L.___ AG, E.___, F.___, G.___, K.___, H.___, A.I.___, B.I.___, C.I.___ und D.I.___ sowie C.___; beides begangen am 21. Juli 2019 in [Ort 1].
2. A.___ wird verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren.
3. Die vom 5. August 2019 bis am 16. Juli 2020 ausgestandene Untersuchungshaft sowie der vorzeitige Strafvollzug seit dem 17. Juli 2020 werden an die Freiheitsstrafe angerechnet. 4. A.___ verbleibt im vorzeitigen Strafvollzug. 5. Es wird festgestellt, dass die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn mit separatem Beschluss vom 12. Juni 2023 über die Anordnung der Sicherheitshaft entschieden hat. 6. A.___ wird für die Dauer von 15 Jahren des Landes verwiesen. 7. Die Landesverweisung von A.___ wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben. 8. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 7 des Urteils des Amtsgerichts Thal-Gäu vom 15. September 2021 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) werden folgende beschlagnahmte Gegenstände in Anwendung von Art. 69 StGB eingezogen und sind zu vernichten:
A.___ ist berechtigt, die auf dem Mobiltelefon Samsung Galaxy [...] vorhandenen Fotos vor der Vernichtung zu kopieren. 9. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils wird der beschlagnahmte Barbetrag in der Höhe von total CHF 2'741.65 eingezogen und verfällt nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Staat Solothurn, unter Verrechnung mit den vom Beschuldigten zu tragenden Gerichtskosten gemäss Ziffer 16 hernach. 10. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils werden nachfolgende Privatkläger zur Geltendmachung ihrer Zivilforderungen auf den Zivilweg verwiesen: - F.___ (Schadenersatzforderung von CHF 3'320.15 sowie Genugtuung von CHF 1'000.00); - L.___ AG, v.d. O.___ (Schadenersatzforderung von ca. CHF 500'000.00); - K.___ (Schadenersatzforderung von CHF 6'339.60 sowie Genugtuung von CHF 22'000.00); - A.I.___ und B.I.___ (Schadenersatzforderung und Genugtuung in unbekannter Höhe).
11. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dr. Urs Oswald, wurde für das erstinstanzliche Verfahren gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 11 des erstinstanzlichen Urteils auf CHF 7'022.25 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt, und wurde zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn bezahlt. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).
12. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dr. Urs Oswald, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 13'683.20 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt, und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 90%, ausmachend CHF 12'314.90, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).
13. Die Entschädigung der vormaligen amtlichen Verteidigerin von A.___, Rechtsanwältin Clivia Wullimann, wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 10. November 2020 auf CHF 14'226.75 festgesetzt (unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Rückforderungsansprüche gemäss Art. 135 Abs. 4 und 5 StPO).
14. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 38'000.00, hat A.___ zu bezahlen.
15. Die Verfahrenskosten vor Berufungsgericht, mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 8'500.00, hat A.___ im Umfang von 90%, ausmachend CHF 7'650.00, zu bezahlen. Im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates.
16. Der beschlagnahmte Barbetrag von CHF 2'741.65 (siehe Ziffer 9 hiervor) wird mit den Verfahrenskosten verrechnet, sodass A.___ noch Verfahrenskosten von CHF 42'908.35 zu bezahlen hat. Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Der Gerichtsschreiber von Felten Wiedmer
Der vorliegende Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 6B_1084/2023 vom 29. November 2023 bestätigt.
|
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.