E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2022.101)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.101: Verwaltungsgericht

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein Neubeurteilungsverfahren eines gewerbsmässigen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz vor der Strafkammer des Obergerichts. Die Anklage erfolgte durch die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten A.___. Nachdem das Bundesgericht das vorherige Urteil inhaltlich kassiert hatte, konzentrierte sich das Neubeurteilungsverfahren nur auf die beanstandeten Punkte. Es wurden keine Vorfragen seitens der Parteien gestellt, und die Parteivertreter legten ihre Anträge dar. Der Beschuldigte äusserte sein letztes Wort und die Strafkammer entschied, auf die Festlegung einer Ersatzforderung zu verzichten und dem Beschuldigten einen bestimmten Betrag auszuzahlen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Staat auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2022.101

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2022.101
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2022.101 vom 30.03.2023 (SO)
Datum:30.03.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Apos; Beschuldigte; Urteil; Beschuldigten; Urteils; Recht; Forderung; Ersatzforderung; Staat; Solothurn; Gericht; Ziffer; Verteidigerin; Bundesgericht; Obergericht; Betrag; Sabrina; Neubeurteilung; Verfahren; Weisskopf; Entschädigung; Rechtsanwältin; Neubeurteilungsverfahren; Obergerichts; Bargeldbetrag; Eintritt; Rechtskraft; Honorar; Zentrale
Rechtsnorm: Art. 388 StPO ;Art. 442 StPO ;Art. 70 StGB ;Art. 71 StGB ;
Referenz BGE:141 IV 244; 141 IV 360; 143 IV 214;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2022.101

 
Geschäftsnummer: STBER.2022.101
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 30.03.2023 
FindInfo-Nummer: O_ST.2023.28
Titel: gewerbsmässiges Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Neubeurteilung)

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 30. März 2023

Es wirken mit:

Oberrichter Marti

Oberrichter Müller

a.o. Ersatzrichter Kiefer

Gerichtsschreiber Wiedmer

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn

 

Anschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf

 

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     gewerbsmässiges Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Neubeurteilung)


 

Es erscheinen zur Hauptverhandlung vor Obergericht vom 30. März 2023:

1.      Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin;

2.      A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

3.      Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, amtliche Verteidigerin des Beschuldigten.

 

Der Vorsitzende eröffnet um 08:30 Uhr die Verhandlung, stellt die Anwesenden fest und gibt die Besetzung des Berufungsgerichts bekannt.

 

In der Folge weist der Vorsitzende darauf hin, dass es sich vorliegend um ein Neubeurteilungsverfahren handle. Das Bundesgericht habe das Urteil des Berufungsgerichts vom 18. November 2020 (Verfahrensnummer: STBER.2019.81) mit Urteil 6B_181/2021 vom 29. November 2022 in folgenden Punkten inhaltlich kassiert:

 

-        Einbezug des auf den Mittäter entfallenden Gewinnanteiles von CHF 75'000.00 auf den dem Beschuldigten anzurechnenden Bruttoerlös;

-        Prüfung der Verhältnismässigkeit einer allfälligen Ersatzforderung.

 

Das vorliegende Neubeurteilungsverfahren beschränke sich mithin ausschliesslich auf die kassierten Punkte.

 

Der Vorsitzende skizziert den vorgesehenen weiteren Verhandlungsablauf wie folgt:

 

1.      Vorfragen, Vorbemerkungen und Anträge der Parteivertreter;

2.      Befragung des Beschuldigten;

3.      weitere Beweisanträge und Abschluss des Beweisverfahrens;

4.      Parteivorträge;

5.      letztes Wort des Beschuldigten;

6.      geheime Urteilsberatung;

7.      Urteilseröffnung, vorgesehen gleichentags um 16:00 Uhr.

 

Die amtliche Verteidigerin legt ihre Honorarnote dem Staatsanwalt und dem Gericht zur Einsicht vor (Aktenseiten Obergericht [nachfolgend: OG] 250 f.).

 

 


 

Vorfragen

 

Keine Vorfragen seitens der Parteien. Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf reicht als weitere Urkunde den Kaufvertrag «lebzeitige Abtretung» zwischen dem Berufungskläger und dessen Sohn ins Recht (OG 252 ff.).

 

 

Beweisabnahme

 

Der Beschuldigte wird, nachdem er vom Vorsitzenden auf sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen sowie die Aussage und Mitwirkung verweigern zu dürfen, hingewiesen worden ist, zur Person befragt.

 

Die Parteivertreter stellen keine weiteren Beweisanträge, so dass das Beweisverfahren vom Vorsitzenden geschlossen wird.

 

 

Parteivorträge

 

Staatsanwalt B.___ stellt und begründet (OG 247 f.) für die Anklägerin die folgenden Anträge:

 

1.      Der bei A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 sei im Umfang von CHF 98'875.00 in Anwendung von Art. 70 StGB zu Gunsten des Staates einzuziehen.

2.      A.___ habe dem Staat Solothurn in Anwendung von Art. 71 Abs. 1 StGB eine Ersatzforderung im Umfang von CHF 35'000.00 zu leisten.

3.      Die Ersatzforderungsbeschlagnahme sei im Umfang von CHF 35'000.00 aufrecht zu erhalten. Die Forderung sei nach den Vorschriften des SchKG einzutreiben.

4.      Die Kosten seien dem Beschuldigten aufzuerlegen und nach Art. 442 Abs. 4 StPO mit den beschlagnahmten Vermögenswerten zu verrechnen.

 

Die amtliche Verteidigerin Sabrina Weisskopf stellt und begründet (OG 246, 249) im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers die folgenden Anträge:

 

1.      Es seien Ziff. 4 – 6 und 12 des Urteils des Obergerichts vom 18. November 2020 folgendermassen abzuändern bzw. aufzuheben:

a.      Es sei der bei A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von Fr. 317'000.00 gestützt auf Art. 70 StGB im Umfang von Fr. 98'875.00 einzuziehen.

b.      Es sei auf eine Ersatzforderung zu verzichten.

c.      Es sei A.___ nach Eintritt der Rechtskraft der Betrag von Fr. 218'125.00 auszubezahlen.

2.    Es seien die im Rahmen des Nachbeurteilungsverfahrens entstandenen Kosten vom Staat zu bezahlen und A.___ eine Parteientschädigung gemäss eingereichter Kostennote zu bezahlen.

3.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

 

Letztes Wort des Beschuldigten

 

Der Beschuldigte macht von seinem Recht auf das letzte Wort Gebrauch und führt aus, es sei traurig, dass er – wenn er das mit seinen beiden Söhnen vergleiche – keine berufliche Vorsorge habe ansparen können, obwohl er mehr als 50 Jahre gearbeitet habe.

 

 

Damit endet der öffentliche Teil der Hauptverhandlung um 09:05 Uhr und das Gericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.

 

Die Parteien verzichten auf die mündliche Urteilseröffnung. Der Gerichtsschreiber wird den Parteien das Urteil gleichentags telefonisch mitteilen.

 

 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1.

Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn fällte am 18. November 2020 (Verfahren STBER.2019.81) folgendes Strafurteil:

 

«Demnach wird in Anwendung der Art. 71 Abs. 3 StGB und Art. 388 StPO beschlossen:

 

1.      Der beim Beschuldigten A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 wird im Umfang von CHF 145'000.00 zur Durchsetzung der Ersatzforderung des Staates nach Art. 71 StGB mit Beschlag belegt.

 

sowie in Anwendung der Art. 19 Abs. 1 Bst. a, Art. 19 Abs. 1 Bst. c, Art. 19 Abs. 1 Bst. d, Art.

19 Abs. 2 Bst. c BetmG; Art. 40, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 69, Art. 70, Art. 71 StGB; Art. 135, Art. 379 ff., Art. 398 ff.; Art. 416 ff., Art. 428 Abs. 1, Art. 442 Abs. 4 StPO erkannt:

 

1.      Der Beschuldigte A.___ hat sich schuldig gemacht des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz, gewerbsmässig begangen in der Zeit von August 2011 bis 10. April 2014.

2.      Der Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren.

3.      Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde.

4.      Der beim Beschuldigten A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 wird im Umfang von CHF 122'750.00 in Anwendung von Art. 70 StGB eingezogen und verfällt nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Staat Solothurn.

5.      Der Beschuldigte A.___ hat dem Staat Solothurn in Anwendung von Art. 71 StGB eine Ersatzforderung im Umfang von CHF 145'000.00 zu leisten. Die Ersatzforderung wird mit dem gemäss vorstehendem Beschluss beschlagnahmten Bargeldbetrag in gleicher Höhe verrechnet.

6.      Der Betrag von CHF 49'950.00 ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils A.___ auszuzahlen, unter Verrechnung mit dessen Kostenanteil für die Gerichts- und Verteidigungskosten gemäss Ziffern 10 und 11 hiernach.

7.      Gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 29. Januar 2019 werden die sichergestellten Gegenstände gemäss Verzeichnissen vom 10. April 2014 (2 Bücher, 1 Hanf-Zentrifuge, 1 Hanf-Trocknungsanlage sowie eine Hanf-Indooranlage gemäss separaten Materiallisten Nr. 1 und Nr. 2) eingezogen und sind zu verwerten resp. zu vernichten.

8.      Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten A.___ im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Thal-Gäu, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird auf CHF 9'531.55 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt. Das Honorar von Sabrina Palermo-Walker als vormalige amtliche Verteidigerin von A.___ ist in diesem Betrag inbegriffen. Das Honorar, abzüglich der bereits geleisteten Akonto-Zahlung von CHF 4'000.00, ist zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn.

9.      Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten A.___ im Berufungsverfahren, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird auf CHF 2'913.70 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Vorbehalten bleibt der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von CHF 859.55 (Differenz zum vollen Honorar im Umfang des Unterliegens), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten A.___ erlauben.

10.   Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Thal-Gäu mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'700.00 und Verteidigungskosten von CHF 9'531.55, total CHF 17'031.55, hat der Beschuldigte A.___ im Umfang von CHF 13'281.55 zu bezahlen. Der vom Beschuldigten A.___ zu bezahlende Anteil von CHF 13'281.55 wird mit dem ihm zurückzuerstattenden Betrag gemäss Ziffer 6 hiervor verrechnet.

11.   Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00 und Verteidigungskosten von CHF 2'913.70, total CHF 6'086.90, hat der Beschuldigte A.___ im Umfang von 95%, d.h. CHF 5'782.55, zu bezahlen. Sie werden mit dem ihm zurückzuerstattenden Betrag gemäss Ziffer 6 hiervor verrechnet. Die übrigen Kosten gehen zulasten des Staats Solothurn.

12.   Dem Beschuldigten ist in Anwendung der Ziff. 6, 10 und 11 nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils von der Zentralen Gerichtskasse Solothurn somit ein Betrag von CHF 30'885.90 auszubezahlen.»

 

2.

Der Beschuldigte liess gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen führen. Das Bundesgericht erkannte am 29. November 2022:

 

«

1.  

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 18. November 2020 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 

2.  

Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- auferlegt. 

3.  

Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.-- auszurichten.»

 

3.

Wie der Kostenentscheid zeigt, wurde die Beschwerde inhaltlich in den meisten Punkten abgewiesen. Eine Abweisung erfolgte bezüglich folgender Rügen:

 

-       Einwände gegen den Schuldspruch (E. 1 und 2) und die Qualifikation (E. 3);

-       Bemessung des aus dem Drogenhandel erzielten Erlöses (E. 4.3.4);

-       Einziehung des auf dem Beschuldigten entfallenden Anteils des Deliktserlöses (E. 4.5.3)

-       Grundsätzliches Abstellen auf das Bruttoprinzip bei der Feststellung einer Ersatzforderung (E. 4.6.3);

-       Anordnung der Kostendeckungsbeschlagnahme (E. 4.6.4).

 

4.

Das Bundesgericht hat das vorinstanzliche Urteil in folgenden Punkten inhaltlich kassiert:

 

-       Einbezug des auf den Mittäter entfallenden Gewinnanteiles von CHF 75'000.00 auf den dem Beschuldigten anzurechnenden Bruttoerlös (E. 4.4);

-       Prüfung der Verhältnismässigkeit einer allfälligen Ersatzforderung (E. 4.6.3).

 

5.

Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1, S. 220).  

 

Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es diesen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind (BGE 143 IV 214 E. 5.3.3, S. 222). 

 

Prozessthemen bilden im vorliegenden Neubeurteilungsverfahren einzig die beiden unter Ziffer I. 4 hiervor dargestellten Fragen nach dem Umfang des dem Beschuldigten anzurechnenden Deliktserlöses (Ziffer II hiernach) und der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Ersatzforderung (Ziffer III hiernach).

 

 

II. Festsetzung des Deliktserlöses

 

Gemäss E. 4.4 des Bundesgerichts ist dem Beschuldigten aus dem Drogenhandel nach Abzug des hälftigen Gewinnanteiles des Mittäters und der Anschaffungs- und Betriebskosten ein Nettoerlös von CHF 98'875.00 anzurechnen. Ziffer 4 des Urteils ist somit wie folgt neu zu fassen:

 

«Der beim Beschuldigten A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 wird im Umfang von CHF 98’875.00 in Anwendung von Art. 70 StGB eingezogen und verfällt nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Staat Solothurn.»

 

 

III. Festsetzung einer Ersatzforderung

 

1.

Beim Beschuldigten wurde ein Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 sichergestellt. Davon werden CHF 98'875.00 als Erlös aus dem Drogenhandel eingezogen. Weitere CHF 13'281.55 werden vom sichergestellten Betrag mit den vom Beschuldigten zu bezahlenden Anteil an den erstinstanzlichen Verfahrenskosten verrechnet, weitere CHF 5'782.55 mit seinem Anteil an den Kosten des Berufungsverfahrens. Somit verbleiben zur allfälligen Verwendung der sichergestellten CHF 317'700.00 noch CHF 199'760.90. Die Ersatzforderung des Staates beträgt gemäss Bundesgericht maximal CHF 35'000.00 (E. 4.6.2).

 

 

 

2.

Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Ersatzforderung hat das Bundesgericht in E. 4.6.3 erwogen:

 

«Das kantonale Gericht nimmt jedoch weder in den allgemeinen rechtlichen Erwägungen auf die Verhältnismässigkeit der Ersatzforderung Bezug noch setzt es sich ansonsten in irgendeiner Weise damit auseinander. Die Verhältnismässigkeit hätte jedoch geprüft werden müssen (E. 4.2.2 hiervor), insbesondere nachdem die Behauptung des 1951 geborenen Beschwerdeführers im Raum stand, das sichergestellte Geld stelle seine Altersvorsorge dar. Dies kann im bundesgerichtlichen Verfahren nicht abschliessend geprüft werden, da eine uneingeschränkte Beweiswürdigung nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist und es ihm auch nicht zusteht, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen eine ungenügende Urteilsbegründung nachzuholen bzw. zu verbessern (BGE 141 IV 244 E. 1.2). Die Angelegenheit ist daher auch in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers und mit Blick auf Art. 71 Abs. 2 StGB prüft, ob eine Ersatzforderung des Staates verhältnismässig ist nicht. Sofern die Vorinstanz im neuen Entscheid auf eine Ersatzforderung erkennt, wird sie die Rechtsprechung, wonach die Aufrechterhaltung der Ersatzforderungsbeschlagnahme zulässig ist, eine direkte Verwendung eines beschlagnahmten Vermögenswertes zur Tilgung einer Ersatzforderung aber gegen Bundesrecht verstösst (BGE 141 IV 360 E. 3.2; Urteil 6B_1362/2020 vom 20. Juni 2022 E. 23.5.4), zu beachten haben.»

 

Art. 71 Abs. 2 StGB sieht vor, dass von einer Ersatzforderung ganz teilweise abgesehen werden kann, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. Von dieser Möglichkeit ist nach der Rechtsprechung mit Zurückhaltung Gebrauch zu machen. Es müssen bestimmte Gründe vorliegen, die zuverlässig erkennen lassen, dass sich die ernsthafte Gefährdung der Resozialisierung nicht durch Zahlungserleichterungen beheben lässt und die Ermässigung der Ersatzforderung für eine erfolgreiche Wiedereingliederung des Täters unerlässlich ist (vgl. Urteil 6B_1416/2020 vom 30. Juni 2021 E. 6.3.2 mit Hinweisen).  

 

3.

Die persönliche Situation und die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten präsentieren sich wie folgt:

 

Der Beschuldigte ist nunmehr 72 Jahre alt, geschieden und Rentner/Landwirt. Gemäss seiner Steuererklärung 2021 (OG 179 ff.) resultierte aus seinem Nebenerwerb als Landwirt ein Verlust von CHF 7'342.00 (EBT CHF 27'110.10 und a.o. Verlust CHF 34’453.00). Das Renteneinkommen (AHV) betrug CHF 25'932.00, der Nebenerwerb bei der Bürgergemeinde […] belief sich auf CHF 6'545.00 und der Wertschriftenertrag belief sich auf CHF 4'228.00. Nebst dem Betriebsvermögen in unwesentlicher Höhe deklarierte der Beschuldigte ein Wertschriftenvermögen von CHF 434'688.00, darin enthalten sind Darlehensschulden des Sohnes von ca. CHF 220'000.00 aus der Übernahme des Landwirtschaftsbetriebes (im 2021 ohne Zinsertrag). Dieses Darlehen ist zinsfrei und wird aufgrund des dem Beschuldigten gewährten Wohnrechts jährlich um CHF 11'000.00 reduziert (vgl. eingereichter Kaufvertrag «lebzeitige Übernahme», OG 252 ff.). Schulden wurden keine geltend gemacht.

 

Angesichts des Alters des Beschuldigten ist es gerechtfertigt, für die Zukunft weder von einem Gewinn/Verlust aus dem Landwirtschaftsbetrieb noch von einem Nebeneinkommen auszugehen. Das Renteneinkommen beträgt somit rund CHF 2'150.00 pro Monat, der Wertschriftenertrag derzeit rund CHF 350.00 monatlich. Als Vermögensteile stehen dem Beschuldigten zu: Wertschriften ca. CHF 215'000.00 und Darlehen des Sohnes CHF 220'000.00. Der sichergestellte Betrag beläuft sich wie oben gezeigt nach Abzug der Einziehung und Verrechnungen auf CHF 199’760.00.

 

Die Lebenshaltungskosten des Beschuldigten betragen: Nebenkosten Wohnung CHF 500.00; Krankenkasse mit Selbsthalten und Franchise CHF 650.00; Steuern CHF 300.00; Telefon CHF 100.00. Zusammen mit einem Grundbetrag von CHF 1'250.00 ergeben sich monatliche Kosten von rund CHF 2’800.00.

 

4.

Das AHV-Renteneinkommen des Beschuldigten reicht nicht zur Deckung seiner laufenden Lebenshaltungskosten aus. Der Beschuldigte verfügt nicht über eine 2. Säule, sodass sein Vermögen tatsächlich einen Teil seiner Altersvorsorge darstellt. Die Lebenserwartung eines 72-jährigen Mannes in der Schweiz beträgt 14,9 Jahre (https://www.vtl-leuthold.ch/mittlere_lebenserwartung_nach_sc.htm, zuletzt besucht am 30. März 2023). Ohne Einbezug der Darlehen des Sohnes von total CHF 220'000.00 verfügt der Beschuldigte damit über Vermögenswerte von gut CHF 410'000.00. Bei einer Lebenserwartung von 15 Jahren erlaubt dies einen Vermögensverzehr von CHF 27'333.00 pro Jahr CHF 2'278.00 pro Monat. Bei Würdigung aller Umstände erscheint es als angemessen, auf die Festsetzung einer Ersatzforderung zu verzichten und dem Beschuldigten dieses «Altersguthaben» zu belassen.

 

 

IV. Kosten und Entschädigungen

 

1.

Die erst- und zweitinstanzlichen Kosten und Entschädigungen sind gemäss dem Urteil vom 18. November 2020 zu reglieren.

 

2.

Die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens erliegen auf dem Staat.

 

Die amtliche Verteidigerin, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, macht in der eingereichten Kostennote für das Neubeurteilungsverfahren einen Arbeitsaufwand von 14.25 Stunden geltend. Für die Hauptverhandlung vom 30. März 2023 werden zwei Stunden ausgewiesen; effektiv dauerte sie 45 Minuten. Diesbezüglich ist die Honorarnote um 1.25 Stunden zu kürzen. Zudem wird die geltend gemachte Position «Abschlussarbeiten» aufgrund des bescheidenen Umfangs des vorliegenden Verfahrens und des vollständigen Obsiegens von einer Stunde auf 0.25 Stunden reduziert.

 

Es werden mithin 1.5 Stunden zu CHF 180.00 (Tarif amtliche Verteidigung bis 31. Dezember 2022) sowie 10.75 Stunden zu CHF 190.00 (Tarif ab 1. Januar 2023) vergütet. Dazu kommen die Auslagen von CHF 139.50 sowie die Mehrwertsteuer.

 

Für das Neubeurteilungsverfahren wird die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin nach dem Gesagten auf total CHF 2'640.80 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt, zahlbar durch den Staat, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse. Da dem Beschuldigten im Neubeurteilungsverfahren keine Kosten auferlegt werden, fallen weder eine Rück- noch eine Nachforderung an.

 

 

Demnach wird

in Anwendung der Art. 19 Abs. 1 Bst. a, Art. 19 Abs. 1 Bst. c, Art. 19 Abs. 1 Bst. d, Art. 19 Abs. 2 Bst. c BetmG; Art. 40, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 69, Art. 70; Art. 135, Art. 335 ff., Art. 379 ff., Art. 398 ff.; Art. 416 ff., Art. 428, Art. 442 Abs. 4 StPO festgestellt und erkannt:

1.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des Urteils des Obergerichts vom 18. November 2020 (nachfolgend: Urteil des Obergerichts) hat sich der Beschuldigte A.___ schuldig gemacht des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz, gewerbsmässig begangen in der Zeit von August 2011 bis 10. April 2014.

2.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Obergerichts wird der Beschuldigte A.___ verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren.

3.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 3 des Urteils des Obergerichts wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde.

4.    Der beim Beschuldigten A.___ sichergestellte Bargeldbetrag von CHF 317'700.00 wird im Umfang von CHF 98'875.00 in Anwendung von Art. 70 StGB eingezogen und verfällt nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils dem Staat Solothurn.

5.    Es wird auf die Festlegung einer Ersatzforderung verzichtet.

6.    Der Betrag von CHF 218'825.00 ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils A.___ auszuzahlen, unter Verrechnung mit dessen Kostenanteil für die Gerichts- und Verteidigungskosten gemäss Ziffern 10 und 11 hiernach.

7.    Gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des Urteils des Amtsgerichts von Thal-Gäu vom 29. Januar 2019 werden die sichergestellten Gegenstände gemäss Verzeichnissen vom 10. April 2014 (2 Bücher, 1 Hanf-Zentrifuge, 1 Hanf-Trocknungsanlage sowie eine Hanf-Indooranlage gemäss separaten Materiallisten Nr. 1 und Nr. 2) eingezogen und sind zu verwerten resp. zu vernichten.

8.    Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten A.___ im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Thal-Gäu, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird auf CHF 9'531.55 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Das Honorar von Sabrina Palermo-Walker als vormalige amtliche Verteidigerin von A.___ ist in diesem Betrag inbegriffen. Das Honorar, abzüglich der bereits geleisteten Akonto-Zahlung von CHF 4'000.00, wurde durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn bereits ausbezahlt.

9.    Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten A.___ im Berufungsverfahren, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird auf CHF 2'913.70 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und wurde durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn bereits ausbezahlt. Vorbehalten bleibt der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von CHF 859.55 (Differenz zum vollen Honorar im Umfang des Unterliegens), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten A.___ erlauben.

10.  Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Thal-Gäu mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'700.00 und Verteidigungskosten von CHF 9'531.55, total CHF 17'031.55, hat der Beschuldigte A.___ im Umfang von CHF 13'281.55 zu bezahlen. Der vom Beschuldigten A.___ zu bezahlende Anteil von CHF 13'281.55 wird mit dem ihm zurückzuerstattenden Betrag gemäss Ziffer 6 hiervor verrechnet.

11.  Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00 und Verteidigungskosten von CHF 2'913.70, total CHF 6'086.90, hat der Beschuldigte A.___ im Umfang von 95%, d.h. CHF 5'782.55, zu bezahlen. Sie werden mit dem ihm zurückzuerstattenden Betrag gemäss Ziffer 6 hiervor verrechnet. Die übrigen Kosten gehen zulasten des Staates Solothurn.

12.  Dem Beschuldigten A.___ ist in Anwendung der Ziffern 6, 10 und 11 nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils von der Zentralen Gerichtskasse Solothurn somit ein Betrag von CHF 199'760.90 auszubezahlen.

13.  Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten A.___, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird im Neubeurteilungsverfahren auf CHF 2'640.80 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Ohne Rückforderungs- und Nachzahlungsanspruch.

14.  Die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens gehen zu Lasten des Staates.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

Marti                                                                                  Wiedmer



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.