Zusammenfassung des Urteils STBER.2021.96: Verwaltungsgericht
Die Strafkammer des Obergerichts hat in einem Fall von fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst entschieden. Es handelte sich um einen Prozess zwischen der Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten A und B. Die Staatsanwaltschaft forderte Geldstrafen und Kostenbeteiligung. Es wurden Zeugen und Sachverständige angehört, Beweisanträge gestellt und Anträge gestellt. Die Beschuldigten äusserten sich zu den Vorwürfen. Am Ende zog sich das Gericht zur Urteilsberatung zurück. Das Urteil wurde den Parteien telefonisch mitgeteilt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2021.96 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 23.03.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Brand; Beschuldigten; Arbeit; Bitumen; Recht; Feuer; Urteil; Ausführung; Holzkonstruktion; Beruf; Staat; Flachdach; Apos; Solothurn; Brandort; Urteils; Heissarbeiten; Gebäude; Bitumenbahn; Feuers; Feuersbrunst; Arbeitgeber; Baustelle; Bitumenbahnen |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 222 StGB ;Art. 356 StPO ;Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | STBER.2021.96 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 23.03.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2023.30 |
Titel: | fahrlässiges Verursachen einer Feuersbrunst |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 23. März 2023 Es wirken mit: a.o. Ersatzrichter Kiefer Oberrichter Marti Gerichtsschreiberin Schmid In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Berufungsklägerin
1. A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Neuhaus Beschuldigter und Berufungskläger 2. B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Habegger Beschuldigter
betreffend fahrlässiges Verursachen einer Feuersbrunst Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht: 1. Staatsanwältin C.___, für die Staatsanwaltschaft als Anklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger; 3. Rechtsanwalt Samuel Neuhaus, privater Verteidiger des Beschuldigten A.___; 4. B.___ als Beschuldigter; 5. Rechtsanwalt Bruno Habegger, privater Verteidiger des Beschuldigten B.___; 6. D.___ als Sachverständiger (bis 09:56 Uhr); 7. E.___ als Zeuge (bis 09:15 Uhr).
Es erscheinen zudem als Zuhörer: - Ein Vertreter der AXA Versicherungen AG, Betriebshaftpflichtversicherung der [Arbeitgeberfirma]; - eine Schulklasse der Kantonsschule Solothurn.
Die Verhandlung beginnt um 08:33 Uhr.
Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung, gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt und stellt die weiteren Anwesenden fest. Er legt kurz den Prozessgegenstand, das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Bucheggberg-Wasseramt vom 10. Juni 2021, dar und erklärt den weiteren Verhandlungsablauf wie folgt:
- Vorfragen und Vorbemerkungen der Parteivertreter, wobei die Verteidiger gebeten werden, zu Beginn auch gleich ihre Honorarnoten der Staatsanwältin zur Einsicht vorzulegen; - Befragungen des Zeugen und des Sachverständigen; - Befragungen der beiden Beschuldigten zur Sache und zur Person; - allfällige weitere Beweisabnahmen und Abschluss des Beweisverfahrens; - Parteivorträge; - letztes Wort der Beschuldigten; - geheime Urteilsberatung; - Urteilseröffnung (derzeit vorgesehen am 23. März 2023, 17:00 Uhr, im Obergerichtssaal), wobei der Vorsitzende die Möglichkeit der telefonischen Urteilsmitteilung aufzeigt.
Die Kostennoten werden der Staatsanwältin zur Einsicht vorgelegt und danach dem Gericht übergeben.
Rechtsanwalt Neuhaus stellt folgenden Beweisantrag: Er reiche ein Dokument ein, damit es in die Befragungen involviert werden könne. Er beantragt, es sei der Auszug aus dem Brandschutzmerkblatt zu den Akten zu erkennen (Dokument wird eingereicht). Dies mit der Begründung, das Merkblatt lege den Stand der Technik per 10. Januar 2022 dar bei Bearbeitungen mit Flamme. Für die Beurteilung einer Pflichtverletzung sei das Merkblatt massgebend. Es werde daher in physischer Form eingereicht.
Es werden keine Einwände gegen den Beweisantrag geltend gemacht. Das Dokument wird zu den Akten genommen.
Es werden keine weiteren Vorbemerkungen Vorfragen aufgeworfen.
Der Zeuge E.___ wird, nachdem er vom Referenten Kiefer auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen worden ist, als Zeuge einvernommen (Aktenseite Berufungsgericht [ASB] 156 ff.) (Beginn der Einvernahme um 08:41 Uhr, Ende um 09:14 Uhr).
Der Sachverständige D.___ wird, nachdem er vom Referenten Kiefer auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen worden ist, als Sachverständiger einvernommen (ASB 167 ff.) (Beginn der Einvernahme um 09:16 Uhr, Ende um 9:56 Uhr).
Der Beschuldigte und Berufungskläger A.___ wird, nachdem er vom Referenten Kiefer auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen worden ist, als Beschuldigter zur Sache und Person befragt (ASB 178 ff.) (Beginn der Einvernahme um 09:57 Uhr, Ende um 10:50 Uhr).
Es folgt eine kurze Pause der Verhandlung von 10:50 Uhr bis 11.13 Uhr
Anschliessend wird der Beschuldigte B.___, nachdem er vom Referenten Kiefer auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen worden ist, als Beschuldigter zur Sache und Person befragt (ASB 193 ff.) (Beginn der Einvernahme um 11:15 Uhr, Ende um 11:35 Uhr).
Sämtliche Einvernahmen werden mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet (Tonträger in den Akten).
Die Parteien stellen keine weiteren Beweisanträge.
Das Beweisverfahren wird daraufhin vom Vorsitzenden geschlossen und das Wort zum Parteivortrag erteilt. Es stellen und begründen folgende Anträge: Staatsanwältin C.___ für die Anklägerin (die Anträge werden schriftlich zu den Akten gegeben [ASB 203], das Plädoyer wird aufgezeichnet [Tonträger in den Akten]): 1. B.___ sei der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst schuldig zu sprechen. 2. Er sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je CHF 110.00 unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren. 3. A.___ sei in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils vom 10. Juni 2021 der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst schuldig zu sprechen. 4. Er sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 140.00 unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren. 5. Die Kosten des Berufungsverfahrens seien den Beschuldigten A.___ und B.___ nach Verursacherprinzip und soweit gemeinsam verursacht je zur Hälfte aufzuerlegen. 6. Die Entschädigungen der Rechtsanwälte seien ins Ermessen des Gerichts zu stellen.
Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin soll die Verhandlung für die Mittagspause bis 12:30 Uhr unterbrochen werden.
Der Vorsitzende erkundigt sich nach dem Wunsch nach einer mündlichen Urteilseröffnung.
Rechtsanwalt Neuhaus erklärt, der Beschuldigte A.___ wünsche eine mündliche Urteilseröffnung, damit er das Urteil noch heute zur Kenntnis nehmen könne.
Der Vorsitzende erklärt daraufhin, dass eine Urteilseröffnung angesichts der noch ausstehenden Plädoyers der Verteidiger unwahrscheinlich erscheine. Ein neuer Termin könne sodann aufgrund von Ferienabwesenheiten wohl erst nach Ostern stattfinden.
Rechtsanwalt Habegger erklärt, B.___ verzichte auf eine mündliche Urteilseröffnung.
Der Vorsitzende stellt sodann in Aussicht, dass das Urteil bei Mitteilung durch die Gerichtsschreiberin noch diese Woche mitgeteilt werden könne.
Nach kurzer Besprechung mit seinem Klienten erklärt Rechtsanwalt Neuhaus, dass diesfalls die telefonische Mitteilung gewünscht sei.
Die Verhandlung wird um 11:46 Uhr für die Mittagspause unterbrochen.
Die Verhandlung wird um 12:31 Uhr fortgesetzt.
Rechtsanwalt Neuhaus für den Beschuldigten A.___ und Berufungskläger (die Plädoyernotizen inkl. der Anträge werden zu den Akten gegeben [ASB 204 ff.]): 1. A.___ sei vom Vorwurf der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst, angeblich begangen vor dem 25. September 2017 zum Nachteil von F.___ und G.___ sowie der Solothurnischen Gebäudeversicherung, freizusprechen. 2. Die Verfahrenskosten vor erster und zweiter Instanz seien dem Kanton Solothurn aufzuerlegen. 3. Dem Beschuldigten sei eine Parteientschädigung in der Höhe der eingereichten Honorarnote für das erstinstanzliche Verfahren und für das oberinstanzliche Verfahren durch den Kanton Solothurn zu bezahlen.
Rechtsanwalt Habegger für den Beschuldigten B.___ (die Plädoyernotizen inkl. der Anträge werden zu den Akten gegeben [ASB 225 ff.], zusätzlich wird das Plädoyer aufgezeichnet [Tonträger in den Akten]): 1. Es sei festzustellen, dass Ziffer 5 des Urteils vom 10. Juni 2021 in Rechtskraft erwachsen ist. 2. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB i.V.m. § 60 Abs. 1 Gebäudeversicherungsgesetz sowie § 46, § 48 Abs. 1 lit. d und Abs. 3, § 50 Abs. 1 lit. b Vollzugsverordnung zum Gebäudeversicherungsgesetz), angeblich begangen am 25. September 2017 in [Brandort] zum Nachteil von F.___ und G.___ sowie der Solothurnischen Gebäudeversicherung, freizusprechen. 3. Dem Beschuldigten sei für seine Anwaltskosten eine Entschädigung gemäss den eingereichten Kostennoten für die erste und zweite Instanz zu bezahlen. 4. Die Verfahrenskosten seien dem Staat Solothurn aufzuerlegen.
Die Staatsanwältin verzichtet auf eine Replik.
Der Beschuldigte A.___ macht von seinem Recht auf das letzte Wort Gebrauch und sagt im Wesentlichen und sinngemäss was folgt: «Wir haben das Objekt bei bestem Willen und Gewissen wie immer ausgeführt, durch Umstände kam es zum Brand. Das tut mir auch sehr leid. Ich habe aber nichts falsch gemacht.»
Der Beschuldigte B.___ verzichtet auf das letzte Wort.
Damit endet der öffentliche Teil der Verhandlung um 14:33 Uhr und das Gericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.
Das Urteil wird den Parteien am Folgetag telefonisch durch die Gerichtsschreiberin mitgeteilt.
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Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Am 26. September 2017, um 05:22 Uhr, erfolgte via Alarmzentrale der Polizei Kanton Solothurn die Meldung, dass in [Brandort],[Strasse 1], die Fassade eines Holzhauses brenne (Aktenseite [AS] 47). Gemäss Strafanzeige vom 14. Dezember 2017 (AS 14 ff.) handelte es sich beim Brandobjekt um ein sich im Rohbau befindliches Einfamilienhaus. Die Schadenhöhe betrug gemäss Schätzungen der Gebäudeversicherung ca. CHF 662'000.00.
2. Gleichentags erfolgte die Spurensicherung durch die Polizei, von welcher eine Fotodokumentation erstellt wurde (AS 30 ff.).
3. B.___ (Beschuldigter 2) führte am Vortag auf dem Flachdach des Rohbaus Heissarbeiten mit Bitumenbahnen und einem Gasbrenner aus. Gemäss Strafanzeige musste davon ausgegangen werden, dass es bei den Heissarbeiten zu einem Glimmbrand/Hitzestau gekommen war, welcher sich zu einem Schadenfeuer auszubreiten vermochte (AS 16 f.).
4. Am 21. Dezember 2017 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten 2 eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB; AS 152).
5. Am 8. November 2018 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen A.___ (Beschuldigter 1), Mitinhaber der [Arbeitgeberfirma], ebenfalls eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB; AS 95, 153).
6. Mit gleichem Datum eröffnete die Staatsanwaltschaft auch eine Strafuntersuchung gegen den Mitinhaber der [Arbeitgeberfirma] H.___ (AS 154); diese Strafuntersuchung wurde mit Verfügung vom 20. April 2020 sistiert (AS 162).
7. Die Solothurnische Gebäudeversicherung konstituierte sich am 16. Januar 2018/25. Juni 2020 gegenüber den Beschuldigten 1 und 2 als Privatklägerin im Zivil- und Strafpunkt (AS 20 ff.).
8. Mit Strafbefehlen vom 20. April 2020 wurden beide Beschuldigten wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB; § 60 Abs. 1 Gebäudeversicherungsgesetz GVG und § 48 Abs. 1 lit. d und 3, § 50 Abs. 1 lit. b VV zum GVG) schuldig gesprochen. Der Beschuldigte 1 wurde mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 120.00, der Beschuldigte 2 mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je CHF 110.00 bestraft, beide unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von zwei Jahren (AS 3 ff., 9 ff.).
9. Beide Beschuldigten erhoben gegen die Strafbefehle am 4. Mai 2020 Einsprache (AS 574 f., 596).
10. Mit Verfügungen vom 9. Dezember 2020 hielt die Staatsanwaltschaft an den angefochtenen Strafbefehlen fest und überwies die Akten dem Gerichtspräsidenten von Bucheggberg-Wasseramt zum Entscheid (AS 1, 7).
11. Am 10. Juni 2021 erliess der Gerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt folgendes Urteil (AS 722 ff.):
1. A.___ hat sich der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst, begangen am 25. September 2017, schuldig gemacht. 2. A.___ wird zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 140.00 verurteilt, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren. 3. B.___ wird vom Vorhalt der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst, angeblich begangen am 25. September 2017, freigesprochen. 4. Die Schadenersatzforderung der Solothurnischen Gebäudeversicherung gegen A.___ wird auf den Zivilweg verwiesen. 5. Die Schadenersatzforderung der Solothurnischen Gebäudeversicherung gegen B.___ wird abgewiesen. 6. B.___, verteidigt durch Rechtsanwalt Bruno Habegger, wird zulasten des Staates Solothurn eine Entschädigung für die Ausübung der Verfahrensrechte von CHF 20'555.75 (inkl. Auslagen und MWST) zugesprochen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils). 7. An die Kosten des Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 4'000.00, total CHF 6'440.00, hat A.___ 1/2, somit CHF 3'220.00 zu bezahlen. Im Übrigen gehen die Kosten zulasten des Staates Solothurn. Wird von keiner Partei ein Rechtsmittel ergriffen und nicht ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils verlangt, reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 600.00, womit sich die gesamten Kosten auf CHF 5'840.00 belaufen und A.___ CHF 2'920.00 zu bezahlen hat.
12. Am 22. Juni 2021 meldete die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil die Berufung an (AS 733).
Gemäss Berufungserklärung vom 25. Oktober 2021 richtet sich die Berufung gegen die Ziff. 3, 6 und 7 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 des Urteils; beantragt wird ein Schuldspruch betreffend den Beschuldigten 2 mit entsprechender Kostenauferlegung.
13. Der Beschuldigte 1 meldete am 23. Juni 2021 gegen das Urteil die Berufung an (AS 737). Angefochten sind von seiner Seite gemäss Berufungserklärung vom 29. Oktober 2021 die Ziff. 1,2 und 7 des Urteils; beantragt wird ein Freispruch sowie die Kostenauferlegung auf den Staat und die Zusprechung einer Parteientschädigung.
14. In Rechtskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils: - Ziff. 4 (Verweis der Zivilforderung der SGV gegenüber dem Beschuldigten 1 auf den Zivilweg); - Ziff. 5 (Abweisung der Zivilforderung der SGV gegenüber dem Beschuldigten 2).
15. Die Berufungsverhandlung fand am 23. März 2023 statt. Anlässlich dieser Verhandlung erfolgten die Einvernahme eines Zeugen, des Sachverständigen sowie der beiden Beschuldigten.
II. Sachverhalt
1. Die Vorhalte
1.1 Vorhalt betreffend den Beschuldigten 2
Gemäss dem Strafbefehl vom 20. April 2020 (AS 3 ff.) soll sich der Beschuldigte 2 der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB i.V.m. § 60 Abs. 1 Gebäudeversicherungsgesetz sowie § 46, § 48 Abs. 1 lit. d und 3, § 50 Abs. 1 lit. b Vollzugsverordnung zum Gebäudeversicherungsgesetz), begangen am 25. September 2017, festgestellt am 26. September 2017, 05:20 Uhr (Eingang Brandmeldung), in [Brandort], [Strasse 2], Einfamilienhaus im Rohbau, zum Nachteil von F.___ und G.___ sowie der Solothurnischen Gebäudeversicherung, schuldig gemacht haben. Dies, indem der Beschuldigte als Mitarbeiter der [Arbeitgeberfirma] anlässlich der ihm zur Ausführung übertragenen Heissarbeiten mit Bitumen durch unsachgemässen Umgang mit einem Gasbrenner fahrlässig einen Brand an einem Einfamilienhaus im Rohbau verursacht habe. Dabei sei am Gebäude durch die fahrlässig verursachte Feuersbrunst ein Schaden in der Höhe von rund CHF 662'000.00 entstanden. Der Beschuldigte sei zum Tatzeitpunkt Angestellter der [Arbeitgeberfirma] gewesen und habe über ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis als Dachdecker verfügt. Da im Rahmen dieser Ausbildung Übergangsstellen zu verschiedenen Bauteilen, insbesondere das Verschweissen von Bitumenbahnen an Holzteile mittels offener Flamme, bloss theoretisch und planerisch geschult worden seien, habe er im Zeitpunkt seines Lehrabschlusses per 7. Juli 2010 über keine Ausbildung zur praktischen Ausführung im Bereich Flachdach, konkret im Bereich von Heissarbeiten mit Bitumenbahnen an Holzkonstruktionen, verfügt. Hingegen seien ihm aufgrund seiner theoretischen Ausbildung die zu beachtenden Vorsichts- und Brandverhütungsmassnahmen bekannt gewesen. Entsprechend sei der Beschuldigte ab Oktober 2013 während 4 Jahren durch seinen Vorgesetzten A.___ im Rahmen einer internen Schulung «on the job» an diese Arbeiten (Heissarbeiten mit Bitumenbahnen) herangeführt worden, weshalb er zur Tatzeit zumindest über Basiswissen in diesem Bereich verfügt habe und ihm das Gefahrenpotenzial von Heissarbeiten mit offener Flamme an einer Holzkonstruktion bekannt gewesen sei, zumal solche Arbeiten häufig als Auslöser von Bränden bekannt seien, was auch er gewusst habe. Vor diesem Hintergrund habe der Vorgesetzte A.___ am 25. September 2017 entschieden, dass der Beschuldigte die Heissarbeiten mit Bitumenbahnen an der Holzkonstruktion des Rohbaus in [Brandort] selbständig ausführe. In der Folge habe der Beschuldigte mit der offenen Flamme zuerst die unterste Schicht der zu verschweissenden Bitumenbahn geschmolzen. Dabei habe er den Untergrund (Holzkonstruktion) mit dem Gasbrenner nicht beschränkt bzw. indirekt beheizt, sondern direkt und somit unsachgemäss, weshalb die Holzkonstruktion im Bereich der Schweissstelle stark angebrannt worden sei. Obwohl der Beschuldigte nach Beendigung der Arbeiten instruktionsgemäss einige Brandverhütungsmassnahmen (Wässern der Schweissstellen, Räumen der Arbeitsstelle, Bereitstellen von Löschmitteln) getroffen gehabt habe, habe sich in der Folge ein Hitzestau und anschliessend ein Glimmbrand entwickelt, welcher sich durch den auffrischenden Wind im späteren Verlauf zu einem Schadenfeuer auszubreiten vermocht habe. Die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit ergebe sich daraus, dass der Beschuldigte seiner gesetzlichen Vorsichtspflicht beim Umgang mit Feuer (§ 60 Gebäudeversicherungsgesetz, § 46 Abs. 1 sowie § 48 Abs. 1 lit. d und 3 Gebäudeversicherungsverordnung) nicht nachgekommen sei, als er mit Bitumenbahnen und einem Gasbrenner Heissarbeiten auf dem Flachdach des Rohbaus (Holzkonstruktion) ausgeführt habe; konkret habe er Bitumenbahnen mit offener Flamme derart an die Holzkonstruktion geschweisst, dass die Holzkonstruktion Sengschäden erlitten habe, welche bei fachgerechter Ausführung nicht aufgetreten wären. Mit diesem unsachgemässen Verhalten habe er Ursache für den Brand gesetzt. Im Zeitpunkt der Auftragserteilung durch A.___ sei dem Beschuldigten aufgrund der ihm theoretisch und teilweise praktisch vermittelten Vorsichts- und Brandverhütungsmassnahmen bekannt gewesen, dass im Rahmen von Heissarbeiten mit Bitumen an einer Holzkonstruktion generell und erst recht bei mangelhafter Ausführung ein Brand entstehen könne, wobei er jedoch in der Folge solche risikoreichen Arbeiten unsachgemäss ausgeführt habe und keine adäquaten bzw. weitergehenden Brandverhütungsmassnahmen mit seinem Vorgesetzten auch nur ansatzweise diskutiert habe, sondern der ihm bekannten und von ihm erkannten Gefahr nicht adäquat und somit unsachgemäss entgegengewirkt habe (Wässern der Schweissstellen, Räumen der Arbeitsstelle, Bereitstellen von Löschmitteln). Weiter sei ihm im Zeitpunkt der Auftragserteilung aufgrund seiner praktischen Kenntnisse und seiner Lebenserfahrung bekannt gewesen, dass bei einer direkten Beheizung von Holz mit einer offenen Flamme Sengschäden am Holz entstehen können, welche zu vermeiden seien, da sie ein Brandrisiko darstellten, wobei er in der Folge aber solche Sengschäden verursacht und dadurch die unmittelbare Gefahr eines Brandes geschaffen habe. Soweit der Beschuldigte geltend mache, dass er den durch ihn auszuführenden Arbeiten nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen nicht gewachsen gewesen sei, sei ihm vorzuhalten, dass er aber in der Folge diese Arbeiten trotzdem ausgeführt und dadurch die unmittelbare Gefahr eines Brandes geschaffen habe. Durch korrektes Verhalten (Implementierung adäquater Brandschutzmassnahmen [Brandwache], Vermeiden der direkten Beheizung der Holzfassade mit dem Gasbrenner bei der Ausführung, Ablehnung der selbständigen Arbeitsausführung bzw. Anfordern von kompetentem Vorarbeiter zwecks Arbeitsüberwachung und -kontrolle) wäre der Brand unterblieben. Ein solches korrektes Verhalten wäre im Übrigen für den Beschuldigten ohne Weiteres zumutbar gewesen.
1.2 Vorhalt betreffend den Beschuldigten 1
Gemäss dem Strafbefehl vom 20. April 2020 (AS 9 ff.) soll sich der Beschuldigte 1 der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 bis 3, Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8, Art. 29 Abs. 2 VuV, § 60 Abs. 1 Gebäudeversicherungsgesetz, § 46, § 48 Abs. 1 lit. d und 3, § 50 Abs. 1 lit. b Vollzugsverordnung zum Gebäudeversicherungsgesetz, Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs.1, Art. 3 lit. b, Art. 8 lit. b, Art. 19 Abs. 1, Art. 21, Art. 58 Brandschutznorm VKF sowie Art. 2 Abs. 1 und 4, Art. 3.2 Abs. 4, Art. 5.1 Abs. 1, Art. 5.2 Abs. 1, Art. 5.5 Abs. 2 Brandschutzrichtlinie VKF), begangen ab einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedoch annahmeweise einige Wochen vor dem 25. September 2017, festgestellt am 26. September 2017, 05:20 Uhr (Eingang Brandmeldung), in […], Geschäftsdomizil der [Arbeitgeberfirma], sowie in [Brandort], [Strasse 2], Einfamilienhaus im Rohbau, zum Nachteil von F.___ und G.___ sowie der Solothurnischen Gebäudeversicherung, schuldig gemacht haben. Dies, indem der Beschuldigte als verantwortlicher «Geschäftsführer technischer Bereich» aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit massgebliche Sicherheitsbestimmungen ausser Acht gelassen habe, wodurch der ihm unterstellte B.___ anlässlich der Ausführung von Heissarbeiten mit Bitumen einen Brand an einem Einfamilienhaus im Rohbau verursacht habe. Dabei sei am Gebäude ein Schaden in der Höhe von rund CHF 662'000.00 entstanden.
Sachverhalt: Der Beschuldigte sei zum Tatzeitpunkt «Geschäftsführer technischer Bereich» bei der [Arbeitgeberfirma] gewesen. In dieser Funktion sei er verantwortlich für die Koordination der Arbeitseinsätze sowie zufolge seines beruflichen Hintergrundes als Dachdecker und Polier zuständig für die Auswahl, Instruktion und Überwachung sowie Kontrolle der ausführenden Mitarbeiter im Rahmen der jeweiligen Arbeitseinsätze gewesen. Im Rahmen des Bauvorhabens in [Brandort], [Strasse 2], habe die [Arbeitgeberfirma] seitens der [Schreinerei] den Zuschlag für die Ausführung der Dacharbeiten erhalten, wobei dem Beschuldigten bereits im Zeitpunkt der Offertstellung an die [Schreinerei] bekannt gewesen sei, dass betreffend das fragliche Bauprojekt risikoreiche Heissarbeiten mit Bitumen an einer Holzkonstruktion anfallen würden. Obwohl es allgemein bekannt sei, dass solche Arbeiten häufig als Auslöser von Bränden bekannt seien, habe er keine alternativen und risikoärmeren Ausführungsmethoden geprüft. Auch habe er kein Brandschutzkonzept geplant, welches den ihm bekannten Risiken angemessen gewesen wäre. Am 25. September 2017 habe der Beschuldigte entschieden, dass der Mitarbeiter B.___ die Heissarbeiten mit Bitumen an der Holzkonstruktion in [Brandort] selbständig zu erledigen habe. Dabei habe er gewusst, dass B.___ die Ausbildung mit Spezialkompetenz Dachdecker und nicht mit Spezialkompetenz Flachdachbauer absolviert gehabt habe, zumal dieser seine Lehre bei der [Arbeitgeberfirma] abgeschlossen gehabt habe. Ebenfalls sei ihm bekannt gewesen, dass die Ausbildung zum Dachdecker zu keiner Zeit die praktische Ausführung von Arbeiten mit bitumigen Baustoffen beinhaltet habe, sondern lediglich deren theoretische und planerische Schulung umfasst habe. Schliesslich sei ihm ebenfalls bekannt gewesen, dass er B.___ an diese Arbeiten im Laufe des Arbeitsverhältnisses, frühestens jedoch ab Oktober 2013, lediglich im Rahmen einer internen Schulung während 4 Jahren «on the job» herangeführt gehabt habe.
Garantenstellung: Als ausgelernter Dachdecker und «Geschäftsführer technischer Bereich» bei der [Arbeitgeberfirma] mit Meisterprüfung und Diplom als Polier sei der Beschuldigte mit der Leitung und Durchführung der vorgenannten Schweissarbeiten am Dach betraut worden. Bei den vorgenommenen Arbeiten handle es sich um Bauarbeiten im Sinne von Art. 2 lit. a BauAV. Es seien daher die geltenden Regeln der BauAV und der VUV zu beachten. Gestützt auf seine Ausbildung und Funktion sowie den Auftrag sei der Beschuldigte mit der Leitung der Arbeiten betraut worden. Er habe damit die folgenden vertraglichen Pflichten übernommen: Pflicht zur Auswahl der richtigen Hilfsperson für die Ausführung der Arbeiten; Pflicht zur Überwachung und Instruktion der ausgewählten Hilfsperson; Pflicht zur Endkontrolle der Erzeugnisse der Hilfsperson, wenn damit eine Schädigung Dritter verhindert werden könne; Pflicht im Auftrag des Arbeitgebers für die Einhaltung der notwendigen Sicherheitsbestimmungen, welche ihm aufgrund seiner Funktion und Ausbildung bekannt seien, zu sorgen.
Mass der anzuwendenden Sorgfalt bzw. Verletzung der Sorgfaltspflicht: Das Mass der anzuwenden Sorgfalt ergebe sich aus den dem Beschuldigten aufgrund seiner Funktion und seiner Aus- und Weiterbildungen bekannten einschlägigen Vorschriften der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 bis 3, Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8, Art. 29 Abs. 2 VUV), die Bauarbeitenverordnung (Art. 2 lit. a BauAV), die Vollzugsverordnung zum Gebäudeversicherungsgesetz (§ 46, § 48 Abs. 1 lit. d und 3, § 50 Abs. 1 lit. b) sowie die Brandschutznorm VKF (Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs.1, Art. 3 lit. b, Art. 8 lit. b, Art. 19 Abs. 1, Art. 21, Art. 58) und die Brandschutzrichtlinie VKF (Art. 2 Abs. 1 und 4, Art. 3.2 Abs. 4, Art. 5.1 Abs. 1, Art. 5.2 Abs. 1, Art. 5.5 Abs. 2).
So hätte der Beschuldigte die Bauarbeiten so planen müssen, dass das Risiko eines Brandes möglichst klein sei, wozu in einem ersten Schritt die Prüfung alternativer und geeigneter Ausführungsmethoden gehört hätte. In einem zweiten Schritt hätte er im Falle des Ausschlusses alternativer und geeigneter Ausführungsmethoden die Bauarbeiten so planen müssen, dass das Risiko eines Brandes möglichst klein sei, wozu die Evaluation der Risiken sowie die zu treffenden Sicherheitsmassnahmen gehört hätten, um die zwingenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. In einem dritten Schritt hätte er eine für die Arbeiten geeignete Hilfsperson auswählen müssen. In einem vierten Schritt hätte er die Hilfsperson betreffend die korrekte Ausführung der Arbeiten und die damit verbundenen Risiken sowie die zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen instruieren müssen. Schliesslich hätte er nach Beendigung der Arbeiten zeitnah eine Endkontrolle der Erzeugnisse der Hilfsperson durchführen und die Umsetzung der vorgängig festgelegten Sicherheitsmassnahmen prüfen müssen. Im Zeitpunkt der Offertenstellung habe der Beschuldigte gewusst, dass die auszuführenden Heissarbeiten mit Bitumen an einer Holzkonstruktion ein hohes Brandrisiko bergen würden. Ebenfalls habe er zu diesem Zeitpunkt alternative Ausführungsmethoden gekannt, welche ein geringeres Brandrisiko mit sich gebracht hätten, wobei er diese Ausführungsmethoden nicht auch nur ansatzweise in Betracht gezogen bzw. gegenüber dem Auftraggeber erwähnt mit diesem diskutiert habe. Ihm sei zudem bekannt gewesen, dass die für die Ausführung der Arbeiten ausgewählte Hilfsperson, B.___, bloss über Basiswissen – angeeignet in 4 Jahren «on the job» – verfügt habe, um Heissarbeiten an bitumigen Baustoffen fachgerecht auszuführen. Dennoch habe er die Ausführung der Arbeiten an B.___ übertragen, wobei er ihn nur rudimentär über die – insbesondere nach Abschluss der Arbeiten – zu implementierenden Brandschutzmassnahmen instruiert habe. Insbesondere habe er es unterlassen, die Errichtung einer Brandwache zu veranlassen, wobei er dies auch schon im Zeitpunkt der Planung nicht in Erwägung gezogen gehabt habe. Schliesslich habe er nach Beendigung der Arbeiten durch die Hilfsperson eine zeitnahe Endkontrolle der ausgeführten Arbeiten unterlassen. Diese Endkontrolle wäre vorliegend für die Brandverhütung von zentraler Bedeutung gewesen, zumal ihm aufgefallen wäre, dass die Heissarbeiten durch die Hilfsperson nicht fachgerecht ausgeführt worden seien, weil die Holzkonstruktion durch die von der Hilfsperson eingesetzte offene Flamme angekohlt gewesen sei und somit ein sehr hohes Risiko für einen Brand bestanden habe. Dieses erhöhte Brandrisiko, insbesondere das Risiko eines Glimmbrandes, hätte vorliegend bessere Brandverhütungsmassnahmen, konkret eine Brandwache, als die getroffenen Massnahmen (Wässern der Schweissstellen, Räumen der Arbeitsstelle, Bereitstellen von Löschmitteln) erfordert. Insgesamt habe der Beschuldigte die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen nicht geplant und angeordnet und habe es unterlassen, alternative und weniger risikoreiche Ausführungsmethoden zu prüfen. Damit habe er das Brandrisiko nicht möglichst klein gehalten. Mit der Erteilung des Auftrags für Bauarbeiten an B.___, welcher betreffend solche Arbeiten über ein Basiswissen (erworben 4 Jahre «on the job») verfügt habe, habe er die zusätzliche Gefahr eines Brandes geschaffen, welche sich zudem durch das Unterlassen einer Endkontrolle akzentuiert habe. Dabei habe er darauf vertraut, dass die risikoreichen Arbeiten nicht zu einem Brand führen würden.
Kausalität: Durch die Unterlassung einer sorgfältigen Planung der Arbeiten, insbesondere durch die unterlassene Prüfung alternativer, risikoärmerer Ausführungsmethoden, sowie die unterlassene Planung und Umsetzung eines adäquaten Brandschutzkonzeptes sowie die Übertragung der Arbeiten an eine ungeeignete Hilfsperson ohne ausreichende Instruktion, Überwachung und Nachkontrolle habe es dazu kommen können, dass sich in der Folge ein Hitzestau und anschliessend ein Glimmbrand entwickelt habe, welcher sich durch den auffrischenden Wind im späteren Verlauf zu einem Schadenfeuer auszubreiten vermocht habe.
Voraussehbarkeit, Zumutbarkeit, Relevanz: Der Erfolgseintritt sei für den Beschuldigten voraussehbar gewesen, zumal er – in Kenntnis der risikoreichen Arbeiten – in der Planungsphase weder alternative Ausführungsmethoden geprüft noch ein adäquates Brandschutzkonzept ausgearbeitet bzw. umgesetzt habe und die Ausführung der Arbeiten dem bloss während 4 Jahren «on the job» ausgebildeten B.___ mittels nur rudimentärer Instruktionen übertragen habe, ohne eine Endkontrolle dessen Erzeugnisse vorzunehmen, womit er ein unmittelbares Risiko für eine Brandursache geschaffen habe. Dass im Rahmen der Heissarbeiten von Bitumen an einer Holzkonstruktion generell und erst recht bei mangelhafter Ausführung ein Brand entstehen könne, gehöre zu den bekannten Gefahren.
2. Die Aussagen
2.1.1 Der Beschuldigte 2 wurde am 27. September 2017 polizeilich einvernommen (AS 79 ff.). Er führte aus, dass er am Vortag des Brandes, am 25. September 2017, Flachdachisolationen vorgenommen habe. Er habe das Flachdach mit PU, einem Schaumstoff, isoliert. Bevor er mit den Schweissarbeiten begonnen habe, habe er brennbare Materialien vom Dach entfernt und habe einen Kessel Wasser bereitgestellt. Ein Feuerlöscher sei bereits auf dem Dach gestanden. Er habe vor, während und nach den Heissarbeiten die bearbeiteten Stellen mit einem Lappen und Wasser befeuchtet. Er habe von 10.30 Uhr – 12.00 Uhr und von 12.30 Uhr – 16.30 Uhr Heissarbeiten ausgeführt. Er habe diese Arbeiten vom Carport aus Richtung Norden ausgeführt.
Der Beschuldigte 2 führte aus, von 2007 bis 2010 eine Ausbildung als Polybauer absolviert zu haben. Die Grundvorschriften bezüglich Schweiss- und Feuerarbeiten seien ihm bekannt. Es sei wahrscheinlich zu einem ungewollten Hitzestau gekommen, dies trotz all seiner Vorsichtsmassnahmen und dem ständigen Benetzen.
2.1.2 Am 7. November 2018 wurde der Beschuldigte 2 von der Staatsanwaltschaft einvernommen (AS 84 ff.). Er führte aus, das Gefühl zu haben, dass es ein ungewollter Hitzestau war, den er nicht habe sehen können. Es gebe Materien, die nicht mit dem Bunsenbrenner gemacht werden sollten. Er sei nicht derjenige, der offeriere wähle, welches System angewendet würde. Er habe diese Arbeiten mit dem Bunsenbrenner auch schon ausgeführt. Er würde sagen, dass er Bitumenschweissen könne. Mit dem Untergrund (Holzbau) sei es das erste Mal gewesen. Er nehme schwer an, dass sein Vorgesetzter dies gewusst habe.
Vor Ort hätten sie die Brandgefahr nicht diskutiert, weil niemand dort gewesen sei. Sie hätten aber andernorts solche Dinge schon ein paar Mal gemacht und sie hätten öfters besprochen, wie man die Brandgefahr bannen könnte. Es sei ihm nicht vorgegeben worden, den Untergrund zu bewässern.
Auf Vorlage des Fachgutachtens führte der Beschuldigte 2 aus, die vom Gutachter erwähnten Massnahmen, welche die Sengschäden hätten verhindern können (Ziff. 1.7 Gutachten, AS 62), nicht zu kennen.
Das Thema Flachdach und Bitumenschweissen sei in seiner Ausbildung in den ersten zwei Jahren behandelt worden. Brandverhütung sei grob durchgenommen worden. Es sei Basiswissen vermittelt worden, vielleicht schweisse man mal eine Bitumenbahn auf Beton. Spezielle Anschlüsse wie Holzanschlüsse lerne man im dritten Jahr Flachdach, das er nicht gemacht habe. Er habe Steildach gemacht.
2.1.3 Am 16. Juli 2019 wurde der Beschuldigte 2 erneut von der Staatsanwaltschaft befragt (AS 115 ff.). Dem Beschuldigten 2 wurde eine Auflistung von Bauprojekten vorgelegt, welche sich auf die Arbeitsrapporte der Firma [Arbeitgeberfirma], dem damaligen Arbeitgeber des Beschuldigten 2, stützt (AS 126). Der Beschuldigte 2 soll zwischen Oktober 2012 bis September 2017 insgesamt 1’191 Stunden mit identischen Arbeiten (Heissarbeiten mit Bitumenbahnen) geleistet haben. Der Beschuldigte 2 führte dazu aus, er habe schon Flachdach gemacht, aber nie eine Weichfaserholzplatte geschweisst. Er habe auf den Baustellen gemäss Auflistung nie identische Arbeiten wie in [Brandort] verrichtet.
Zum Projekt […], 82 Stunden (AS 126): Wenn sie auf dem Flachdach gearbeitet hätten, sei er nie alleine gewesen. Er habe dann nur Hilfsarbeiten gemacht. Er denke, dort Schweissarbeiten gemacht zu haben, aber nicht direkt am Holz. Der Beschuldigte 1 sei bei diesem Projekt (und auch sonst immer) der zuständige Vorarbeiter gewesen. Er habe bei diesem Projekt in Bezug auf Heissarbeiten mit Bitumenbahnen an einer Holzkonstruktion nichts gelernt.
Zum Projekt MFH [P1] (52,75 Stunden): Es habe sich um ein Dach mit Holzschalung gehandelt. Es sei um richtiges Holz, nicht Weichfaserholz gegangen. Er habe zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrung mit Bitumenschweissen gehabt, er habe dort nichts geschweisst.
Zum Projekt [P2] (55 Stunden): Es habe sich um eine Holzkonstruktion am Dach gehandelt. Er habe bei diesem Projekt Schweissarbeiten gemacht. Er wisse nicht mehr, ob er auch Abschlüsse gemacht habe. Er habe bezüglich Heissarbeiten mit Bitumenbahnen an einer Holzkonstruktion gesehen, wie es die anderen machten und habe es nachgemacht.
Zum Projekt MAB [P3] (78,5 Stunden): Es habe sich um eine Holzkonstruktion (Hartholz) am Dach gehandelt. Hartholz brauche viel mehr Feuer und Hitze, bis es brenne, als Weichfaserplatten. Er habe bei diesem Projekt geschweisst. Der Beschuldigte 1 sei sicher auch auf der Baustelle gewesen, aber nicht ununterbrochen. Er habe aber nie alleine gearbeitet. Im Zusammenhang mit Brandschutzmassnahmen sei er vom Beschuldigten 1 auf den Feuerlöscher hingewiesen worden. Der Beschuldigte 2 bestätigte, dass er in [Brandort] erstmals Heissarbeiten mit Bitumenbahnen an einer Holzkonstruktion mit Weichfaserplatten ausgeführt habe. Es habe ihn niemand auf diese Weichfaserplatten hingewiesen.
Auf die Frage, warum er keine Brandwache organisiert habe, führte der Beschuldigte 2 aus, dass sie so etwas nie besprochen hätten. Wenn eine Brandwache zustande käme, mache dies die Firma.
Er habe erstmals 2013, nach der Lehre, Bitumenbahnen geschweisst.
2.1.4 Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 10. Juni 2021 (AS 662 ff.) führte der Beschuldigte 2 aus, dass er den Bärenanteil seiner Arbeitszeit bei der Firma [Arbeitgeberfirma] in den Jahren 2013 bis 2017 mit Steildach-Arbeiten verbracht habe. Er habe auch Flachdacherfahrung, wobei er dabei auch Vorarbeiten und Hilfsarbeiten geleistet habe.
So, wie er in [Brandort] geschweisst habe, schweisse man in der Firma, in der er jetzt arbeite, auf Beton. In der jetzigen Firma würden sie in einem Fall wie in [Brandort] eine andere Technik anwenden. Er habe zwischen 2013 bis 2017 in der Firma [Arbeitgeberfirma] zwei- bis dreimal Bitumenplatten an eine Holzkonstruktion geschweisst. Er sei dabei nie alleine gewesen und die Abschlüsse habe er nie ausgeführt. Er gehe davon aus, dass er in [Brandort] zum ersten Mal mit dieser Konstellation alleine gearbeitet habe.
Er sei mit dem Bitumen an den Rand des Hartholzes (vgl. Bild 6, AS 36) gegangen, bis das Hartholz ganz gedeckt war, «dra häre», nachher sei gerade die Weichfaserplatte gekommen. Er habe die Verfärbungen realisiert (AS 35, 36) und habe extrem Respekt vor der Situation gehabt. Er habe befeuchtet und getastet, ob es heiss sei. Er habe auch frühzeitig aufgehört zu schweissen und es sei ihm nicht aufgefallen, dass es irgendwo noch heiss sei. Er habe dies von sich aus gemacht, er sei nicht instruiert worden.
2.1.5 Vor Obergericht gab der Beschuldigte 2 an, seine Aufträge in der Regel vom Beschuldigten 1 erhalten zu haben. Wie es genau an jenem Tag gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er habe die Arbeit so gemacht, wie er es bei anderen gesehen habe. Er habe keine spezifischen Instruktionen erhalten.
Betreffend Brandschutz sei ihm nur gesagt worden, dass der Feuerlöscher bereits vor Ort sei. Er habe Respekt vor dieser Arbeit gehabt. Er habe sich versichert, dass der Feuerlöscher wirklich da sei, habe ihn vom Brandherd weggenommen, damit er unbeschädigt bliebe, er habe einen Kessel mitgenommen, nasse Lappen, nasse Handschuhe, er habe vor und nach dem Arbeiten befeuchtet und immer wieder kontrolliert.
Solche Arbeiten wie in [Brandort] habe er vorher nie alleine ausgeführt. Er sei dabei gewesen und habe Vorbereitungsarbeiten etc. gemacht. Der Unterschied zwischen Hartholz und Holzfaserplatten sei ihm bewusst gewesen, aber nicht, wie viel schneller das eine brenne. Wenn er geschweisst habe und die Hitze gestiegen sei, habe das die Verfärbungen gegeben. Er sei gelernter Steildachdecker.
2.2.1 Am 24. Januar 2019 wurde der Beschuldigte 1 von der Staatsanwaltschaft erstmals einvernommen (AS 93 ff.). Er führte aus, eine dreijährige Lehre als Dachdecker gemacht und anschliessend immer wieder Weiterbildungen für Steil- und Flachdach absolviert zu haben. 1983 bis 1985 habe er die Polierschule gemacht.
Er sei Mitinhaber der Firma [Arbeitgeberfirma] und sei zuständig für die Abwicklung draussen. Er sei an diesem Tag (d.h. am 25. September 2017) nicht auf der Baustelle gewesen. Es sei ein Holzbau gewesen, die Bitumenbahnen hätten an die Holzkonstruktion gemacht werden müssen. Er habe solche Arbeiten wiederholte Male mit dem Beschuldigten 2 gemacht. Sie hätten das vollste Vertrauen in ihn.
Bezüglich des Themas «Brandschutzkonzept» seien sie sicherlich nicht auf dem neuesten Stand. Sie machten es von Zeit zu Zeit, aber nicht bei jedem Projekt, da sich die Arbeiten auch immer wieder wiederholten. Er habe die Brandgefahr in [Brandort] vor Vornahme der Arbeiten mit dem Beschuldigten 2 nicht besprochen. Er habe gegenüber dem Beschuldigten 2 auch keine Brandschutzmassnamen angeordnet.
Auf Vorlage der Ausführungen des Vereins Polybau (vgl. Ziff. 3 hiernach): Es sei richtig, dass der Beschuldigte 2 während der Lehre die praktischen Fähigkeiten für die Arbeiten, die er habe verrichten müssen, nicht vermittelt bekommen habe. Er habe aber bereits früher Schweissarbeiten von Bitumen an einer Holzkonstruktion vorgenommen. Dies sei mehrmals gewesen, er sei immer dabei gewesen.
2.2.2 Am 19. November 2019 wurde der Beschuldigte 1 zum zweiten Mal durch die Staatsanwaltschaft einvernommen (AS 127 ff.). Er führte aus, es stimme nicht, dass er den Beschuldigten 2 nicht instruiert habe, er nie auf der Baustelle gewesen sei und der Beschuldigte 2 die Arbeiten vorher nie so gemacht habe. Das Brandschutzkonzept sei Sache des Architekten. Sie würden in ihrem Betrieb die Leute intern so ausbilden, dass sie als Flachdach-, Steildach- Fassadenbauer arbeiten könnten. Sie hätten z.B. auf den Baustellen [P2] in [Ort 2], […] in [Ort 2] und der […] sowie […] auch bei einem Wandanschluss mit Holzfaserplatten geschweisst. Die Bitumenbahnen würden bis leicht, d.h. ca. 2 cm, unterhalb der Unterkante der Holzfaserplatten, geschweisst.
Der Beschuldigte 1 reichte anlässlich der Einvernahme diverse Beilagen ein, welche Bilder von Baustellen zeigen, wo ebenfalls mit Holzfaserplatten gearbeitet und geschweisst worden sei: AS 136, 137 (Baustelle in [Ort 3]), 138 (Baustelle in [Ort 3]).
Er denke, dass in [Brandort] nichts falsch gemacht worden sei. Es gebe immer ein Restrisiko.
Er habe den Beschuldigten 2 an die Arbeiten am Flachdach herangeführt. Als er es gekonnt habe, habe er ihn alleine machen lassen. Er habe den Beschuldigten 2 an verschiedenen Baustellen an Details wie die Ausführung von Wandanschlüssen herangeführt. Er sei überzeugt gewesen, dass der Beschuldigte 2 dies könne.
Wenn bei Wandanschlüssen Holzfaserplatten folgen würden, müsse man vorsichtiger sein.
In [Brandort] habe noch I.___ gearbeitet, er habe auf Spenglerarbeiten abgeschlossen.
2.2.3 Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 20. Juni 2021 (AS 648 ff.) führte der Beschuldigte 1 aus, dass die Holzplatte, auf welche geschweisst werde, vorgängig mit einem Lack behandelt werde, um so die Haftung der Isolation zu gewährleisten.
Auf Vorlage der Fotos Nr. 5 und 6 (AS 35, 36) führte der Beschuldigte 1 aus, dass die Holzfaserplatte ca. 2 bis 3 cm über der Dachpappe, die auf das Holzbrett gezogen worden sei (Aufbordung), beginne. Die dunklen Stellen auf den Fotos seien Verfärbungen der Holzfaserplatten. Diese seien nicht durch eine direkte Beheizung mit dem Brenner entstanden. Die Dachpappe sei zurückgelegt und erhitzt worden, um sie zu verkleben. Dabei strahle Wärme auf die Platten. Die Holzfaserplatten seien porös und hätten viele kleine Fäserchen, die sofort dunkel würden.
Auf Vorlage der Foto Nr. 4 (AS 34) führte der Beschuldigte 1 aus, dass dies der vordere Teil des Flachdachs des Carports sei. Hier sei nur eine Lage der Abdichtung montiert. Der Abstand zwischen dieser ersten Abdichtung (Bitumenbahn) und den Holzfaserplatten sei grösser und es habe deshalb auf den Holzfaserplatten (im Gegensatz zum hinteren Bereich, wo bereits zwei Lagen montiert waren), keine Verfärbungen.
Er – der Beschuldigte 1 – sei am 25. September 2017 nicht auf der Baustelle gewesen. Wenn er dort gewesen wäre und die Verfärbungen gesehen hätte, hätte er die Stellen abgetastet, um zu schauen, ob es irgendwo noch Wärme hat. Aber es habe keine Rauchentwicklung gegeben. Die Verfärbungen hätten ihn nicht irritiert, weil es diese auch gegeben hätte, wenn er geschweisst hätte.
Sobald man bei einem Bau Holzfaserplatten sehe, sei für sie schon klar, dass man vorsichtig sein müsse. Man könne nicht irgendjemand hinschicken, um dies zu machen. Der Beschuldigte 2 habe auch schon mit dieser Konstellation gearbeitet, es sei nichts Spezielles gewesen, bei Aufbauten von Holzelementhäusern sei dies immer so. Der Beschuldigte 2 sei Schritt für Schritt instruiert worden und er habe auf der Baustelle auch schon selbständig gearbeitet. Er sei überzeugt, dass er für diese Arbeiten den richtigen Mann ausgewählt habe. Er kenne den Beschuldigten 2 seit dessen Lehre.
Auf Vorlage von Foto Nr. 5 (AS 35): Wenn bei den Holzfaserplatten eine direkte Beheizung erfolgt wäre, wären die Verletzungen der Holzfaserplatten viel grösser. Die äusserste Schicht der Platte wäre gleich abgebrannt und wäre «abbrösmelet».
2.2.4 Der Beschuldigte 1 führte vor Obergericht aus, dass H.___ an dem Tag den Auftrag für die Arbeiten in [Brandort] erteilt habe, nicht er. Er sei selbst nicht auf der Baustelle gewesen. Welche Materialien verwendet würden, entschieden der Architekt und die Bauherren. Geplant worden sei alles von der [Schreinerei].
Ihm sei klar gewesen, dass der Beschuldigte 2 die Arbeiten ausführen würde, aber in Begleitung. Er wisse nicht, wieso er genau an diesem Tag nicht auf der Baustelle gewesen sei, normalerweise sei er bei Flachdächern eigentlich immer dabei. Aber der Spenglerchef I.___ sei auch ausgebildet auf Flachdach. Dieser und der Beschuldigte 2 hätten zusammen die Bahnen verlegt und der Beschuldigte 2 habe geschweisst. Für ihn sei klar gewesen, dass sie zusammen gehen, für ihn sei der Auftrag nicht gewesen, dass I.___ nur bis Mittag dort sei. Er wisse nicht, was die beiden auf der Baustelle diesbezüglich besprochen hätten. Er habe I.___ aber nicht den Auftrag erteilt, die Arbeit des Beschuldigten 2 zu kontrollieren.
In seinen Augen sei der Beschuldigte 2 für diese Arbeiten ausgebildet gewesen. Er habe ihn Schritt für Schritt angeleitet und kontrolliert. Aber einen entsprechenden Abschluss habe er nicht. Flachdacharbeit sei immer ein Risiko. Der Beschuldigte 2 habe solche Arbeiten wie in [Brandort] bei ihm auch schon gemacht, das seien gängige Details bei Elementbauten. Der Beschuldigte 2 habe es alleine ausgeführt und er – der Beschuldigte 1 – habe ihn kontrolliert.
Die Holzfaserplatten müssten eine gewisse Brandklasse erfüllen, doch allgemein brenne Faserholz leichter als Hartholz. Der Beschuldigte 2 habe die Erfahrung gehabt, dass man solches Holz benetzen müsse, was er ja auch gemacht habe. Wenn er nach Abschluss der Arbeiten auf die Baustelle gegangen wäre, hätte er Sichtkontrolle gemacht und mit den Händen die Temperatur gefühlt. Wenn er gesehen hätte, dass eine Stelle mehr verfärbt sei die Platten abgeblättert wären, hätte man reagieren und diesen Teil aufreissen müssen. Seiner Meinung nach sei der Brand entstanden, weil sich im Element der hinterlüfteten Nordfassade durch die abweichende Hitze ein Glimmbrand gebildet habe, den es wie bei einem Kamin ins Element hineingezogen habe. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hätte er den Glimmbrand nicht feststellen können. Wenn der Brand im Element sei, könne das auch mit Abtasten nicht erkannt werden. Auch mit einer Wärmebildkamera, die sie nach dem Vorfall angeschafft hätten, gebe es keine Garantie, einen solchen Glimmbrand zu erkennen.
Die Verfärbungen seien erst ein Alarmzeichen, wenn die Platte dadurch beschädigt sei. Ob es auf dem Hartholz Verfärbungen habe, sei auf den Fotos gar nicht ersichtlich, da dort der schwarze Bitumenlack darauf sei. Die Konterlatten indessen seien kein Hartholz, sondern ganz normale Tannenlatten.
Er sei nicht informiert worden, dass es gefährlich gewesen sei, es sei ihm nicht weitergeleitet worden, dass man dort nochmals nachschauen müsste. Eine Brandwache wäre eine Möglichkeit gewesen. Dann hätte er aber die Information haben müssen, dass da ein Risiko gewesen sei. Eine Brandwache sei nicht gang und gäbe. Er denke, wenn man das Risiko festgestellt hätte, hätte man eher das Element aufgeschnitten, anstatt eine Brandwache zu machen. Auch mit einem Heissluftföhn sei die Gefahr da. Solche Flächen mache niemand mit einem Föhn.
2.3 H.___ wurde am 24. Januar 2019 von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter einvernommen (AS 107 ff.). Er führte aus, das Geschäft mit dem Beschuldigten 1 zu führen, er mache das Administrative, er habe auf einer Bank das KV gemacht. Der Beschuldigte 1 sei auf dem Bau draussen, er entscheide über die jeweilige Art der Arbeitsausführung. Er habe mit dem Beschuldigten 1 zusammen entschieden, dass der Beschuldigte 2 diese Arbeiten ausführen würde. Er sei alleine gegangen und nicht instruiert worden, weil er schon viele Flachdächer gemacht habe. Die Risiken von Schweissarbeiten mit offener Flamme sei ihnen bewusst gewesen. Sie hätten deshalb Feuerlöscher dabei haben müssen, wenn sie mit Bitumen arbeiteten.
Die im Gutachten erwähnten alternativen Arbeitsmöglichkeiten seien ihm bekannt gewesen. Sie hätten bisher immer mit der Flamme gearbeitet und nicht gewusst, wie dauerhaft die Alternativen seien.
Der Beschuldigte 2 sei 2013 wieder in ihre Firma zurückgekehrt. Er habe damals den Wunsch geäussert, vermehrt auf Flachdächern zu arbeiten. Er sei oft mit dem Beschuldigten 1 unterwegs gewesen. Seine Arbeit in [Brandort] sei nicht kontrolliert worden. Der Beschuldigte 2 habe bei ihnen schon identische Arbeiten wie in [Brandort] gemacht, dies ein paarmal. Er sei nicht eigentlich geschult worden, aber der Beschuldigte 1 sei ja immer dabei gewesen. Der Beschuldigte 2 habe bei ihnen keine internen externen Weiterbildungen gemacht.
2.4 Der Zeuge E.___ sagte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, dass er den Beschuldigten 2 erstmals im Jahr 2013 kennengelernt habe, als dieser als Hilfsarbeiter bei der [Spenglerei] temporär angestellt gewesen sei. Im April 2018 sei der Beschuldigte 2 dann durch ihn eingestellt worden. Der Beschuldigte 2 sei primär als Servicemonteur angestellt worden, d.h. für Reparaturarbeiten. Auch die Servicemonteure würden aber in die normalen Arbeitsgruppen integriert. Der Beschuldigte 2 sei in eine Gruppe mit erfahrenen Mitarbeitern integriert worden. Erst im Jahr 2019/2020 habe er schliesslich kleinere Baustellen selbstständig gemacht. Er habe den Beschuldigten 2 als gewissenhaften und korrekten Mitarbeiter erlebt.
Betreffend Flachdachkenntnisse habe er ihres Erachtens damals, im April 2018, nur über Grundkenntnisse verfügt. Das bedeute, er habe gewusst, wie man Aufbordungen an simplen Details mache und wie man Flächen abdichte. Wenn es aber ins Detail gegangen sei, seien seine Kenntnisse damals mangelhaft gewesen. Aus seiner Sicht sei der Beschuldigte 2 damals nicht in der Lage gewesen, alleine eine Aufbordung an eine Holzwand mit Bitumen auszuführen. Bei Weichfaserplatten mit Schnittkanten könne es schnell anfangen zu brennen, diese seien sehr heikel. Bei Vollholz brauche es wesentlich mehr. Die verwendeten Materialien würden in Absprache mit dem Architekten und Bauleiter ausgewählt, nach deren Vorstellung.
Bei Aufbordungen auf Holz verwende die [Spenglerei] andere Materialien als die, die in [Brandort] verwendet worden seien. Sie benutzten Kaltklebebahnen, die nur angewärmt werden müssen und nicht wie normale Bitumenbahnen extrem erhitzt werden müssen. Einen Auftrag genauso wie in [Brandort] würde er verweigern.
3. Die objektiven Beweismittel
3.1 Die Staatsanwaltschaft forderte den Verein Polybau, nationaler Bildungsdienstleister für das Berufsfeld der Gebäudehülle, unter Vorlage des anonymisierten Fähigkeitsausweises des Beschuldigten 2 zu einer schriftlichen Stellungnahme zu dessen Ausbildung auf (AS 48 f.). Gemäss dieser Stellungnahme vom 20. Juni 2018 wurden dem Beschuldigten 2 fachliche Grundlagenkompetenzen (Basiswissen) über die Tätigkeiten der Berufe im Berufsfeld Gebäudehülle (Dachdecker, Flachdachbauer, Fassadenbauer und Gerüstbauer) vermittelt. Zu dieser Ausbildung gehörte der sichere und fachgerechte Umgang mit Flüssiggas (Gasbrenner), Heissbitumen und Bitumendichtungsbahnen in einfachen Situationen (Flächenausführung ohne Anschlüsse an aufsteigende Bauteile). Fachliche Spezialkompetenzen habe der Beschuldigte 2 in dem von ihm gewählten Beruf als Dachdecker erhalten. Bei Dachdeckern würden Übergangsstellen zu verschiedenen Bauteilen theoretisch und planerisch geschult. Zur praktischen Ausführung erfolge keine Ausbildung. Der Beschuldigte 2 sei nicht dafür ausgebildet worden, auf einem Flachdach Heissarbeiten mit Bitumenbahnen und einem Gasbrenner auszuführen. Der Anschluss von Bitumendichtungsbahnen an eine Holzkonstruktion sei als anspruchsvoll einzustufen. Das vorliegende Schadenereignis sei kein Einzelfall. In den meisten Fällen sei es eine Verkettung von mehreren unglücklichen Umständen (AS 51 f.).
3.2.1 Am 6. Februar 2018 beauftragte die Staatsanwaltschaft die D.___ GmbH mit der Erstellung eines Fachgutachtens (AS 55 f.). Das Gutachten wurde am 16. März 2018 vorgelegt (AS 58 ff.).
Der Gutachter stellte fest, dass Arbeiten mit der offenen Flamme an einer Holzfassade immer ein latentes und nicht auszuschliessendes Risiko für verdeckte Glimmbrände darstellten. Eine bestmögliche und genügende Sicherheit könne nur durch eine Brandwache sichergestellt werden. Es müssten deshalb Arbeiten mit der offenen Flamme am brennbaren Untergrund vermieden werden. Die an der Holzkonstruktion festgestellten Brandbeschädigungen (Bild 6 lit. b; AS 61) seien Folge einer unsachgemässen Arbeitsausführung. Die Holzfassade sei im Bereich der Aufbordungen stark angebrannt, was auf eine direkte Beheizung der Holzfassade mit dem Bunsenbrenner bei der Erstellung der Aufbordungen hindeute. Die Sengschäden hätten mit diversen Massnahmen vermieden werden können:
- Montage eines vorgängig abgewinkelten Blechs unter die Aufbordung; - Materialwechsel von der Fläche an die Fassade (also keine Aufbordung); - Verwendung von Selbstklebeband (1. Lage) mit höherer Aufbordung als 2. Lage (also Holz vor Einsatz Gasbrenner abdecken); - Systemwechsel ohne offene Flamme.
3.2.2 D.___ wurde vor Obergericht als Sachverständiger befragt und gab dabei an, dass Arbeiten an Holz mit einem Gasbrenner immer gefährlich seien. Es sei schlussendlich an den Projektbeteiligten zu beurteilen, wie heikel es sei. Gewisse Details seien heikler als andere. Die Arbeiten mit offener Flamme an diesem Gebäudeteil hätte man vermeiden sollen, da es ein sehr hohes Risiko auslöse. Es gebe heute viel mehr Holzbau als früher, die Schadenfälle hätten extrem zugenommen.
Es gebe viele alternative Methoden, die er im Gutachten aufgezeigt habe. Die Kaltklebebahn sei heute die am häufigsten bei Anschlüssen auf Holzuntergrund verwendete Methode. Bei einer Holzfaserplatte brauche es sehr wenig für die Entwicklung von Brandspuren. Bei solchen Bitumenbahnen, wie sie in [Brandort] verwendet wurden, komme ein Drittel der Hitze des Brenners bei der Aufbordung auf die Wand. Es sei sehr situativ, wie viel Hitze verwendet werde, es komme auf die Art und Grösse des Brenners an wie auch auf die Aussentemperatur.
Die Frage, ob die schwarzen Stellen am Holz ein Alarmzeichen seien, beantwortete der Sachverständige allgemein und unkonkret, wonach man immer damit rechnen müsse, dass es brennen könne, und er verwies erneut auf die Alternativen. Beim Schweissen auf Holz gehe man immer ein Risiko ein, es sei an den Beteiligten zu entscheiden, ob man das ein- wie man damit umgehe. Eine Lösung, die es 2018 gegeben habe, sei die Brandwache. Heute gehe man auch vermehrt Richtung Wärmebildkamera.
Angesprochen auf die Erklärung des Beschuldigten 1 im erstinstanzlichen Verfahren, wonach die Verfärbungen als Folge der aufsteigenden Wärme entstanden seien, antwortete er, das sei eine rein spekulative Frage, um diese zu beantworten müsse man vor Ort einen Test machen. Er habe schon das Gefühl, dass eine Flamme in irgendeiner Wiese auf die Fassade eingewirkt habe, die Verfärbungen seien schon extrem. Auf den Fotos seien auch die Konterlatten, die Festholz seien, schwarz und nicht nur die Faserplatte. Er sei in [Brandort] nicht vor Ort gewesen.
3.3 Der Beschuldigte 1 sowie der Verteidiger von H.___ reichten am 18. April 2019 diverse Arbeitsrapporte des Beschuldigten 2 sowie Pläne und Fotos von diversen Baustellen ein, welche dokumentieren sollen, dass dieser sehr oft im Bereich Flachdach mit dem Detail Holzbau tätig gewesen sei und dabei Schweissarbeiten vorgenommen habe (AS 304 ff; 421 ff.).
3.4 Der Verteidiger des Beschuldigten 1 reichte an der Berufungsverhandlung das Brandschutzmerkblatt der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) betreffend Brandverhütung auf Baustellen vom 1. Juli 2022 zu den Akten (ASB 154 f.).
4. Beweiswürdigung und Beweisergebnis
4.1 Beide Beschuldigten haben in mehreren Einvernahmen ausführlich zu den gestellten Fragen und den Vorhalten Stellung genommen. Dabei erscheinen die Aussagen beider Beschuldigter nicht als unglaubhaft. Sie gehen beide davon aus, bei ihrer Arbeit keinen Fehler, welcher zum Brand führte, begangen zu haben. Vor allem beim Beschuldigten 1, der während seiner beruflichen Laufbahn diverse Weiterbildungen absolvierte und sich zum Polier ausbilden liess, schimmerte dabei auch immer wieder sein Berufsstolz durch. Beide Beschuldigten haben aber ein Interesse daran, die Feststellung einer Sorgfaltspflichtwidrigkeit sowie einer Verurteilung wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst zu verhindern, was sich naturgemäss in ihrem Aussageverhalten niederschlägt. Diesen Umständen ist bei der Würdigung ihrer Aussagen Rechnung zu tragen und es ist deshalb bei der Feststellung des rechtsrelevanten Sachverhalts in starkem Mass auf die objektiven Beweismittel abzustellen.
4.2 Beim Brandobjekt in [Brandort] handelte es sich um ein Einfamilienhaus, das sich im Rohbau befand. Das Einfamilienhaus bestand aus einem Holzelementbau (AS 31 und 33, Bilder 1 und 3). Die Holzkonstruktion an der Ostfassade bestand aus senkrecht und waagrecht miteinander verbundenen Holzleisten (Dachleisten/Konterlaten), die so ein Gerüst bildeten. Die eigentliche Wand der Ostfassade bildeten Holzfaserplatten, welche sich unmittelbar an die Dachlatten anschlossen (AS 35). An der Ostseite des Hauses war ein Flachdach an die Fassade angebaut, welches den Carport und Teile des Wohnraums überdachte (AS 34). Der Brandherd befand sich in der nordwestlichen Ecke des Flachdachs (AS 16, 34, 35).
4.3 Der Beschuldigte 2 führte am 25. September 2017 zwischen 10.30 Uhr – 12.00 Uhr und 12.30 Uhr – 16.30 Uhr auf dem Flachdach Isolationsarbeiten in der von ihm durchgeführten Form mit offener Flamme aus. Er verlegte zu diesem Zweck Bitumenbahnen und verschweisste sie mit einem Gasbrenner (Bitumen ist ein halbfestes bis hartes klebriges Kohlenwasserstoffgemisch. Bitumen wird vor allem im Strassenbau und für Abdichtungsarbeiten eingesetzt – de.m.wikipedia.org, besucht am 2. Januar 2023). Die verlegten Bitumenbahnen wurden an der östlichen Fassade an der waagrechten Hartholzplatte angeschweisst, indem das Bitumen auf diese Holzplatte gelegt und erhitzt wurde, damit es verklebt werden konnte. Es handelte sich dabei um den Arbeitsschritt, der im Fachgutachten mit «Erstellen der Aufbordungen» bezeichnet wird. Bei dieser Arbeit mit dem Gasbrenner strahlte Hitze auf die Weichfaserholzplatten, an welche der Beschuldigte 2 «dra häre» (vgl. Einvernahme vor erster Instanz) verklebte, ab. Dies führte zu Verfärbungen der Holzfaserplatten der Fassade (AS 35 f.). Die vom Beschuldigten 2 im Bereich der letzten verschweissten und verlegten Bitumenbahnen im nördlichen Teil des Flachdachs vorgenommenen Heissarbeiten mit dem Gasbrenner führten schliesslich zu einem Hitzestau und Glimmbrand, der sich durch den auffrischenden Wind im späteren Verlauf zu einem Schadenfeuer auszubreiten vermochte (AS 16 f.).
4.4 Der Beschuldigte 1 war Mitinhaber der Firma [Arbeitgeberfirma], der Arbeitgeberin des Beschuldigten 2. Er war zuständig für die Abwicklungen «draussen». Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte 1 den Beschuldigten 2 beauftragt hat, am 25. September 2017 die Abdichtungsarbeiten auf dem Flachdach vorzunehmen. Der Beschuldigte 2 hat diese Arbeiten alleine verrichtet, der Beschuldigte 1 war an diesem Tag nicht auf der Baustelle. Er hat den Beschuldigten 1 weder vor den Arbeiten bezüglich Brandschutz besonders instruiert noch hat er die Arbeiten nach deren Abschluss kontrolliert andere Brandverhütungsmassnahmen getroffen.
III. Rechtliche Subsumtion
1. Allgemeines
1.1 Gemäss Art. 222 Abs. 1 StGB wird mit Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer fahrlässig zum Schaden eines anderen unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht.
Fahrlässig begeht ein Verbrechen Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).
1.2 Die objektiven Tatbestandsmerkmale von Art. 222 Abs. 1 StGB (Feuersbrunst und der Schädigung eines anderen) sind unbestrittenermassen erfüllt. Zu prüfen ist bei beiden Beschuldigten, ob sie sich einer pflichtwidrigen Unvorsichtigkeit und damit einer fahrlässigen Tatbegehung schuldig gemacht haben.
2. Der Beschuldigte 2
2.1 Ein Verhalten ist sorgfaltswidrig, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (Trechsel, Schweizerisches StGB, 4. Auflage, Art. 12 N 29). Als Rechtsquelle dieser Sorgfaltspflicht kommen in Frage das Gesetz, aber auch allgemeine Grundsätze (Trechsel, a.a.O. Art. 12 N 230).
2.2 Gemäss § 46 Abs. 1 der Verordnung zum Gebäudeversicherungsgesetz des Kantons Solothurn (BGS 618.112) hat jedermann beim Umgang mit Wärme, Licht und anderen Energiearten, ganz besonders mit Feuer und offenen Flammen, mit feuergefährlichen Stoffen und Waren sowie bei der Verwendung von Maschinen, Apparaten und dergleichen die zur Vermeidung eines Brandes einer Explosion nötige Vorsicht walten zu lassen. Gemäss lit. d derselben Bestimmung dürfen Feuerarbeiten wie Löten, Schweissen das Verflüssigen von Bitumen ähnlichen Stoffen sowie funkenbildende Arbeiten nur unter Wahrung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen werden. Gemäss Art. 23 Bauarbeitenverordnung (BauAV, SR 832.311.141) müssen bei Arbeiten mit Brandgefahr Löschmittel und Löscheinrichtungen, die den möglichen Brandstoffen angepasst sind, in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stehen. Art. 29 der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV; SR 823.3) schreibt vor, dass Arbeitsmittel in brand- explosionsgefährdeten Bereichen so gestaltet sein und verwendet werden müssen, dass sie keine Zündquellen darstellen und dass sich keine Stoffe entzünden zersetzen können.
2.3 Der Beschuldigte 2 war sich der Gefahren, welche mit Heissarbeiten mit offener Flamme an einer Holzkonstruktion verbunden sind, offenbar bewusst. Er war sich entsprechend den Ausführungen im Fachgutachten bewusst, dass solche Arbeiten stets mit einem Risiko für die Entstehung verdeckter Glimmbrände verbunden sind. Er entfernte deshalb, bevor er mit den Schweissarbeiten begann, brennbare Materialen vom Dach, stellte Wasserkübel und Feuerlöscher bereit und befeuchtete die bearbeiteten Holzstellen vor, während und nach den Heissarbeiten jeweils mit Wasser.
2.4.1 Im Fachgutachten wird ausgeführt, dass die Holzfassade im Bereich der Aufbordungen schwarz verfärbt war, was auf eine direkte Beheizung der Holzfassade mit dem Gasbrenner bei der Erstellung der Aufbordungen und damit auf eine unsachgemässe Arbeitsausführung hinweise. Die Holzkonstruktion war durch die Vorgehensweise des Beschuldigten 2 einer übermässigen Hitzeeinwirkung ausgesetzt, was zu einem Hitzestau und Glimmbrand und in der Folge zur Entstehung eines Schadenfeuers führte.
2.4.2 Der Beschuldigte 2 absolvierte 2007 – 2010 eine Ausbildung zum Dachdecker. Während der dreijährigen Ausbildung wurden in den ersten zwei Jahren fachliche Grundlagenkompetenzen vermittelt. Dem Beschuldigten 2 wurden bei dieser Ausbildung Grundlagenkompetenzen im Umgang mit Flüssiggas, Heizbitumen und Bitumendichtungsbahnen in einfachen Situationen vermittelt. Der Verein Polybau führte dazu in seinem Bericht vom 20. Juni 2018 ausdrücklich aus, dass Gegenstand der Ausbildung einzig Flächenausführungen ohne Anschlüsse an aufsteigende Bauteile waren. Im dritten Lehrjahr schloss sich eine Spezialausbildung zum Flachdachbauer Dachdecker, der am Steildach arbeitet, an. Der Beschuldigte 2 wurde zum Dachdecker ausgebildet und erhielt im dritten Lehrjahr keine praktische Ausbildung zur Ausführung von Arbeiten mit bitumigen Baustoffen. Übergangsstellen zu verschiedenen Bauteilen wurden einzig theoretisch und planerisch geschult. Der Beschuldigte 2 war nicht dazu ausgebildet, auf einem Flachdach Heissarbeiten mit Bitumenbahnen und einem Gasbrenner auszuführen.
Entsprechend seiner Aussagen ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte 2, der während seines Berufslebens bis zum 25. September 2017 praktisch ausschliesslich für die Firma [Arbeitgeberfirma] arbeitete, einige wenige Male (zwei- dreimal) Bitumenbahnen an eine Holzkonstruktion geschweisst hat. Den sowohl vom Beschuldigten 1 als auch von H.___ eingereichten Arbeitsrapporten des Beschuldigten 2 sowie den Plänen und Fotos kann entnommen werden, dass auf einigen Baustellen, auf welchen auch der Beschuldigte 2 tätig war, entsprechende Arbeiten verrichtet wurden (z.B. Neubau […], AS 305 ff.; […] [Ort 3], AS 310 ff.; [P2] ,AS 356 ff.; [P3] AS 391 ff., vgl. auch Ziff. II./2.1.3 hiervor). Zahlreiche eingereichte Arbeitsrapporte beinhalten aber auch nicht einschlägige Arbeiten des Beschuldigten 2, sei es, dass keine Aufbordung an eine Holzkonstruktion vorgenommen werden musste der Untergrund Beton darstellte (z.B. AS 342 ff.; 347 ff.; 356 ff.). Welche Arbeiten der Beschuldigte 2 bei Arbeiten mit Holzkonstruktion genau verrichtet hat, ist jedoch nicht erstellt. Es ist auch nicht erstellt, ob sich in diesen Fällen die Ausgangslage gleich präsentierte wie in [Brandort]. Sowohl der Beschuldigte 2 als auch H.___ führten in ihren Einvernahmen vom 24. Januar 2019 aus, dass der Beschuldigte 1 bei früheren Schweissarbeiten mit Bitumenbahnen an einer Holzkonstruktion immer dabei gewesen sei. Zu Gunsten des Beschuldigten 2 muss aber davon ausgegangen werden, dass er entsprechend seinen Aussagen Anschlüsse an eine Fassade vor dem 25. September 2017 noch nie alleine ausgeführt hatte. Es ist deshalb zwar davon auszugehen, dass der Beschuldigte 2 diesbezüglich durchaus punktuell praktische Kenntnisse erworben hatte. Es ist aber weder eine externe noch eine interne systematische Fachausbildung des Beschuldigten 2 in diesem Bereich erstellt. Entsprechend führte H.___ auch aus, der Beschuldigte 2 habe bei ihnen weder interne noch externe praktische Weiterbildungen gemacht. Erstellt ist einzig eine theoretische Weiterbildung vom 17. November 2016, an welcher anlässlich einer Fachtagung u.a. die Thematik «Aufbordungen – Hitze bewegt» behandelt wurde (AS 405).
Der Zeuge E.___, der direkte Vorgesetzte des Beschuldigten 2 bei der Firma [Spenglerei], erklärte, der Beschuldigte 2 habe bei Arbeitsbeginn im April 2018 über mangelhafte Kenntnisse betreffend Flachdach verfügt, er habe lediglich Grundkenntnisse gehabt. Die Firma [Spenglerei] verwende andere Materialien als in [Brandort]. Er habe den Beschuldigten 2 nicht alleine arbeiten lassen, sondern in eine Gruppe mit erfahrenen Leuten integriert. Erst im Jahr 2019/2020 habe der Beschuldigte 2 kleinere Baustellen alleine ausführen dürfen. Seiner Meinung nach sei der Beschuldigte 2 nicht in der Lage gewesen, Arbeiten wie in [Brandort] alleine auszuführen. Er hätte dies nicht als verantwortbar erachtet. Er erlebe den Beschuldigten 2 als gewissenhaften und korrekten Mitarbeiter.
Es ist damit zusammenfassend festzuhalten, dass der Beschuldigte 2 aufgrund seiner Ausbildung und seiner bisherigen praktischen Erfahrungen darauf vertrauen und davon ausgehen durfte, dass die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen genügen würden, um den Ausbruch eines Brandes zu verhindern. Die Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch den Beschuldigten 2 bei der Ausführung der Arbeiten ist nicht erstellt.
2.5 Entgegen den Ausführungen im Strafbefehl vom 20. April 2020 ist nicht von einer direkten Beheizung der Holzkonstruktion durch den Beschuldigten 2 auszugehen. Das Fachgutachten ging aufgrund der Verfärbungen von einer direkten Beheizung des Holzes aus. Bei der obergerichtlichen Befragung konnte der Sachverständige dies jedoch nicht bestätigen, sondern führte vielmehr aus, dass bei diesen Heissarbeiten immer ein Teil der Hitze – rund ein Drittel – abstrahle. Eine direkte Beheizung ist somit nicht erstellt. Vielmehr verhielt es sich so, dass der Beschuldigte 2 das Bitumen mit dem offenen Gasbrenner erhitzte, um dieses in der Folge zu verkleben. Da er diese Arbeit in unmittelbarer Nähe der Holzunterlage und der Holzkonstruktion verrichtete, strahlte Hitze auf das Holz ab, was schliesslich zu einem Hitzestau führte. Eine solche Hitzeabstrahlung war aber bei der gewählten Ausführungsmethode unvermeidbar und kann deshalb dem Beschuldigten 2 nicht vorgeworfen werden.
2.6 Die von den Arbeiten mit offener Flamme herrührenden Verfärbungen der Holzfaserplatten stellten für den Beschuldigten 2 gemäss Aussage beider Beschuldigter, aber auch des Gutachters anlässlich der Hauptverhandlung vor Obergericht, kein Alarmzeichen dar, welches auf einen Hitzestau hinwies und den Beschuldigten 2 zu weiteren Vorsichtsmassnahmen hätte veranlassen müssen.
2.7 Dem Beschuldigten 2 ist nicht vorzuwerfen, keine Brandwache veranlasst zu haben. Einerseits wäre es kaum Sache des Beschuldigten 2 gewesen, eine Brandwache zu organisieren. Aber auch bei Installierung einer Brandwache wäre der Ausbruch des Brandes in der konkreten Situation nicht zu verhindern gewesen. Gemäss Weisungen der VKF vom 1. Juli 2022 ist eine Brandwache bei hohem Risiko während vier Stunden, im vorliegenden Fall also bis ca. 20:30 Uhr, anzuordnen. Der Brand wurde aber erst viel später, um 05:22 Uhr des Folgetages, gemeldet. Es ist deshalb nicht erstellt, dass die Entstehung des Feuers bis 20:30 Uhr entdeckt worden wäre. Bezüglich des Vorhalts der unterlassenen Brandwache fehlt es somit an der hypothetischen Kausalität. Die zitierten Richtlinien der VKF gelten zwar erst ab dem 1. Juli 2022, doch sind für den Tatzeitpunkt keine strengeren Vorschriften bekannt.
2.8 Dem Beschuldigten 2 kann auch nicht vorgehalten werden, er habe den zeitweise ebenfalls auf der Baustelle anwesenden Mitarbeiter I.___ nicht beigezogen. Dieser war ab Mittag nicht mehr auf der Baustelle, zudem hatte dieser von Seiten des Arbeitgebers nicht den Auftrag, den Beschuldigten 2 zu betreuen, zu instruieren zu kontrollieren.
2.9 Dem Beschuldigten 2 ist schliesslich auch nicht vorzuwerfen, dass er die angeordneten Arbeiten übernommen hat (Übernahmeverschulden, vgl. Trechsel, a.a.O., Art. 12 StGB N 36). Der Beschuldigte 2 stand als Arbeitnehmer in einem Subordinationsverhältnis zum Beschuldigten 1, er hatte bei den angeordneten Arbeiten auf früheren Baustellen schon mitgewirkt und hatte dort die Erfahrung gemacht, dass die von ihm getroffenen Sicherheitsvorkehrungen ausreichend waren, um die Entstehung einer Feuersbrunst zu verhindern. Er erhielt von Seiten seines Vorgesetzten keine weiteren Instruktionen Hinweise, so dass ihm die Übernahme bzw. alleinige Ausführung der Arbeiten nicht vorgeworfen werden kann.
2.10 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Beschuldigten 2 keine Verletzung von Sorgfaltspflichten, die zur Entstehung der Feuersbrunst führte, vorgeworfen werden kann. Der Beschuldigte 2 ist deshalb vom Vorhalt der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst freizusprechen.
3. Der Beschuldigte 1
3.1 Nebst den in Ziff. 2.2 hiervor erwähnten rechtlichen Grundlagen sind für die Beurteilung des Verhaltens des Beschuldigten 1 folgende weitere Normen relevant:
Die Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; SR 823.30) verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeitnehmer ausreichend und angemessen über die in ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren zu informieren und sie anzuleiten. Der Arbeitgeber sorgt für die Einhaltung der Massnahmen der Arbeitssicherheit durch die Arbeitnehmer, er hat somit eine entsprechende Überwachungspflicht (Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1-3, 7 Abs. 1 und 2 VUV). Gemäss Art. 21 der Brandschutznorm der Vereinigung der Kantonalen Feuerversicherungen (VKF), welche den geltenden Sicherheitsstandart bestimmt, sorgt derjenige, der andere beaufsichtigt, dafür, dass diese instruiert sind und die nötige Vorsicht walten lassen.
3.2 Der Beschuldigte 1 war am 25. September 2017 nicht auf der Baustelle in [Brandort] und hat deshalb die Entstehung der Feuersbrunst nicht durch eine aktive Tätigkeit mitverursacht. Entsprechend werden ihm im Strafbefehl vom 20. April 2020, der vorliegend als Anklageschrift gilt (Art. 356 Abs. 1 StPO), ausschliesslich Unterlassungen vorgehalten. Es wird ihm vorgehalten, er habe es unterlassen
- alternative und geeignete Ausführungsmethoden zu prüfen; - die Bauarbeiten so zu planen, dass das Risiko eines Brandes möglichst klein ist; - eine für die Arbeiten geeignete Hilfsperson auszuwählen; - die geeignete Hilfsperson bezüglich korrekter Ausführung der Arbeiten, der Risiken und der Sicherheitsvorkehrungen zu instruieren; - die Arbeiten der Hilfsperson zu kontrollieren; - eine Brandwache zu installieren.
3.3 Dem Beschuldigten 1 wird somit die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst durch Unterlassung und damit ein unechtes Unterlassungsdelikt vorgehalten (Trechsel, a.a.O, Art. 11 StGB N 1). Die Strafbarkeit des Beschuldigten 1 ist bei dieser Ausgangslage wie folgt zu prüfen (vgl. dazu Trechsel, a.a.O., Art. 11 StGB N 5):
3.3.1 Die erste Voraussetzung einer Strafbarkeit ist das Bestehen einer Garantenstellung des Beschuldigten 1. Eine Garantenstellung hat eine Person inne, wenn sie rechtlich verpflichtet war, den eingetretenen Erfolg nach Möglichkeit abzuwenden. Die möglichen Quellen einer Garantenpflicht sind gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. a-d StGB das Gesetz, ein Vertrag, eine freiwillig eingegangene Gefahrengemeinschaft die Schaffung einer Gefahr.
Im vorliegenden Fall wurde die Arbeitgeberin des Beschuldigten 1, die Firma [Arbeitgeberfirma], von der Bauherrschaft beauftragt, auf dem an den Rohbau des Einfamilienhauses angrenzenden Flachdach Abdichtungsarbeiten auszuführen. Die Ostfassade des Rohbaus, welche unmittelbar an das Flachdach angrenzte, wies eine Holzkonstruktion auf. Bei den Abdichtungsarbeiten kam ein Gasbrenner zum Einsatz, mit dem die Bitumenbahnen an den Rändern erhitzt und auf diese Weise auf dem Untergrund haftbar gemacht wurden. Durch den Vertragsabschluss verpflichtete sich die [Arbeitgeberfirma], diese Arbeiten sorgfältig auszuführen und das Vermögen der Bauherrschaft und Hauseigentümer dabei nicht zu schädigen. Der Schutz des Vermögens der Vertragspartner gehörte damit zum Kernbereich des abgeschlossenen Auftrags (vgl. Trechsel, a.a.O. Art. 11 StGB N 10) und stellte für den für die Arbeitserledigung verantwortlichen Beschuldigten 1 eine entsprechende Verpflichtung dar. Die Garantenstellung des Beschuldigten 1 ergibt sich deshalb aus Vertrag und ist zu bejahen. Sie ergibt sich zudem auch aus dem Gesetz (§ 46 VO zum Gebäudeversicherungsgesetz, vgl. Ziff. 3.2 hiervor) sowie aus der Schaffung einer Gefahr, nachdem die Abdichtungsarbeiten mit offener Hitze in unmittelbarer Nähe einer Holzkonstruktion ausgeführt wurden.
3.3.2 Die zweite Voraussetzung für eine Strafbarkeit des Beschuldigten 1 ist die Möglichkeit der Erfolgsabwendung, mithin der Verhinderung der Brandentstehung.
Es kann auf die Ausführungen zum Beschuldigten 2 verwiesen werden (Ziff. 2 hiervor). Beim Beschuldigten 2 sind im Zusammenhang mit der Ausführung der Isolationsarbeiten keine Sorgfaltspflichtverletzungen vorzuwerfen. Entsprechend kann dem Beschuldigten 1 nicht vorgehalten werden, den Beschuldigten 2 nicht instruiert und kontrolliert zu haben. Ebenso kann ihm unter diesen Umständen nicht vorgeworfen werden, eine ungeeignete Hilfsperson ausgewählt zu haben. Die vom Beschuldigten 2 ausgeführte Isolationsmethode unter Verwendung einer offenen Flamme war im Tatzeitpunkt eine gängige Arbeitsmethode, deren Auswahl nicht im Verantwortungsbereich des Beschuldigten 1 lag. Schliesslich ist auch beim Beschuldigten 1 auf die fehlende hypothetische Kausalität bei der unterlassenen Anordnung einer Brandwache hinzuweisen. Selbst wenn der Beschuldigte 1 eine Brandwache hätte anordnen müssen – was an dieser Stelle offen gelassen werden kann –, hätte diese den Ausbruch des Feuers nicht verhindert (vgl. Ziff. 2.7 hiervor).
3.3.3 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass auch der Beschuldigte 1 mangels Möglichkeit der Erfolgsabwendung vom Vorhalt der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst freizusprechen ist.
IV. Kosten
1. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von total CHF 6'440.00 sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 7'940.10, auf die Staatskasse zu nehmen.
2.1 Der Beschuldigte 1, verteidigt durch Rechtsanwalt Samuel Neuhaus, hat zufolge Freispruch Anspruch auf eine volle Parteientschädigung für das erst- wie auch das zweitinstanzliche Verfahren, zahlbar durch den Staat Solothurn.
2.1.1 Für das erstinstanzliche Verfahren macht Rechtsanwalt Neuhaus einen Aufwand von 66.70 Stunden geltend, ohne die erstinstanzliche Hauptverhandlung. Für diese sind ihm zusätzlich 4.5 Stunden zu vergüten, damit insgesamt 71.20. Bei einem geltend gemachten Stundenansatz von CHF 250.00, der nicht zu beanstanden ist, entspricht dies einem Honorar vom CHF 17'800.00. Zuzüglich Auslagen vom CHF 725.00 und Mehrwertsteuer von CHF 1'426.45 beträgt die Entschädigung damit total CHF 19'951.45.
2.1.2 Für das Berufungsverfahren weist Rechtsanwalt Neuhaus in seiner Honorarnote einen Aufwand von 20 Stunden aus, ohne die Berufungsverhandlung und den Reiseweg. Diese sind dazuzurechnen und damit sind insgesamt 27.5 Stunden zu vergüten. Bei einem Ansatz von CHF 250.00, wobei 0.8 Stunden auf den Praktikanten zu einem Stundenansatz von CHF 100.00 entfallen, entspricht dies einem Honorar von CHF 6'755.00. Zuzüglich Auslagen von CHF 132.90 und Mehrwertsteuer von CHF 530.35 ergibt sich eine Entschädigung von insgesamt CHF 7'418.25.
2.2 Der Beschuldigte 2, verteidigt durch Rechtsanwalt Bruno Habegger, hat aufgrund des Freispruches ebenfalls Anspruch auf eine volle Parteientschädigung für das erst- wie auch das zweitinstanzliche Verfahren, zahlbar durch den Staat Solothurn.
2.2.1 Die für das erstinstanzliche Verfahren von Rechtsanwalt Habegger eingereichte Kostennote ist dabei jedoch teilweise zu beanstanden: Der Verteidiger macht für die Hauptverhandlung einen Aufwand von 9 Stunden geltend, wobei diese gemäss Verhandlungsprotokoll leidglich rund 4 Stunden dauerte. Entsprechend sind 4.5 Stunden zu kürzen. Im Weiteren hat der Rechtsanwalt für Kopien offenbar jeweils CHF 1.00 verrechnet (in der Honorarnote der zweiten Instanz entsprechend ausgewiesen). § 158 Abs. 5 des Gebührentarifs (GT, BGS 615.11) schreibt jedoch CHF 0.50 pro Kopie vor. Die Kopierkosten sind daher zu halbieren. Abschliessend ist anzumerken, dass der Verteidiger in der Honorarnote der ersten Instanz (abgesehen von der Annahme der Dauer der Hauptverhandlung) bei den einzelnen Positionen den genauen Stundenaufwand nicht ausweist, sondern lediglich gesamthaft 65 Stunden geltend machte. Eine Überprüfung kann so gar nicht zielführend stattfinden. Der gekürzte Gesamtaufwand von 60.5 Stunden erscheint jedoch in Anbetracht der geltend gemachten Stunden des anderen Verteidigers noch als angemessen. Auch der geltend gemachte Stundenansatz von CHF 270.00 ist vorliegend nicht zu beanstanden. Rechtsanwalt Habegger werden damit 60.5 Stunden entschädigt, was einem Honorar von CHF 16'335.00 entspricht. Zuzüglich Auslagen von CHF 969.00 und Mehrwertsteuer von CHF 1'332.45 resultiert eine Entschädigung von total CHF 18'636.45.
2.2.2 Für das Berufungsverfahren macht der Rechtsanwalt 24.83 Stunden Aufwand geltend. Dabei sind die Dauer der Berufungsverhandlung sowie der Nachbesprechung jedoch zu hoch veranschlagt. Es ist eine Kürzung von 4.5 Stunden vorzunehmen und damit ein Honorar von CHF 5'489.10 zu vergüten. Bei den Auslagen sind wie bereits erwähnt die Kopierkosten zu halbieren, womit für Auslagen CHF 136.10 und für die Mehrwertsteuer CHF 433.15 vergütet werden. Insgesamt wird damit eine Entschädigung von CHF 6'058.35 zugesprochen.
Demnach wird in Anwendung von Art. 126 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. b, Art. 405, Art. 423 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3 StPO erkannt: 2. Der Beschuldigte B.___ wird vom Vorhalt der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst, angeblich begangen am 25. September 2017, freigesprochen. 3. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 4 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Bucheggberg-Wasseramt vom 10. Juni 2021 (Urteil der Vorinstanz) wird die Schadenersatzforderung der Solothurnischen Gebäudeversicherung gegen A.___ auf den Zivilweg verwiesen. 4. Gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des Urteils der Vorinstanz wird die Schadenersatzforderung der Solothurnischen Gebäudeversicherung gegen B.___ abgewiesen. 5. A.___, verteidigt durch Rechtsanwalt Samuel Neuhaus, wird für das erstinstanzliche Verfahren zulasten des Staates Solothurn eine Entschädigung von CHF 19'951.45 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils). 6. B.___, verteidigt durch Rechtsanwalt Bruno Habegger, wird für das erstinstanzliche Verfahren zulasten des Staates Solothurn eine Entschädigung von CHF 18'636.45 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils). 7. A.___, verteidigt durch Rechtsanwalt Samuel Neuhaus, wird für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von CHF 7'418.25 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils). 8. B.___, verteidigt durch Rechtsanwalt Bruno Habegger, wird für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von CHF 6'058.35 (inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen (auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn nach Rechtskraft des Urteils). 9. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 4'000.00, total CHF 6'440.00, gehen zulasten des Staates Solothurn. 10. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 6'000.00, total CHF 7'940.10, gehen zu Lasten des Staates Solothurn. Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin von Felten Schmid |
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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