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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2021.73)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2021.73
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2021.73 vom 07.12.2021 (SO)
Datum:07.12.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Das Obergericht verhandelt über einen Fall von Diebstahl, Hausfriedensbruch, Widerhandlung gegen das Asylgesetz und das Personenbeförderungsgesetz sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Beschuldigte wurde dabei vom Gericht für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einer Geldstrafe von CHF 200.00 verurteilt. Zudem wurde der bedingte Vollzug von früheren Geldstrafen widerrufen. Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten und eine Geldstrafe von CHF 200.00 sowie die Landesverweisung für 6 Jahre. Der Anwalt des Beschuldigten plädierte auf Freispruch vom Hausfriedensbruch und forderte geringere Strafen für die anderen Vergehen. Das Gericht entschied letztendlich, den Beschuldigten schuldig zu sprechen und die Strafe entsprechend festzusetzen.
Schlagwörter: Beschuldigte; Staat; Urteil; Beschuldigten; Täter; Landes; Freiheitsstrafe; Staatsanwaltschaft; Geldstrafe; Schweiz; Landesverweisung; Diebstahl; Solothurn; Sonnenbrille; Aufenthalt; Recht; Urteils; Sicherheit; Tagessätze; Person; Diebstahls; Verfahren; Apos; Beruf; Vollzug; Berufung; Zumessung; Recht; ähre
Rechtsnorm: Art. 109 StGB ; Art. 115 AIG ; Art. 186 StGB ; Art. 19a BetmG; Art. 307 StGB ; Art. 320 StGB ; Art. 416 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 43 StGB ; Art. 46 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 73 StPO ;
Referenz BGE:105 IV 225; 117 IV 7; 134 IV 140; 134 IV 1; 136 IV 1; 137 IV 57; 142 IV 265;
Kommentar:
Keller, Hans, Basler Strafrecht I, Art. 47 StGB, 2019
Entscheid
 
Geschäftsnummer: STBER.2021.73
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 07.12.2021 
FindInfo-Nummer: O_ST.2021.75
Titel: Diebstahl, Hausfriedensbruch, Widerhandlung gegen das AIG; Widerhandlung gegen das PBG

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 7. Dezember 2021

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Marti

Oberrichter Werner

Gerichtsschreiberin Ramseier

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Fabian Brunner,

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Diebstahl, Hausfriedensbruch, Widerhandlung gegen das AIG; Widerhandlung gegen das PBG, Widerhandlung gegen das BetmG


Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht:

-       für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin Staatsanwältin B.___;

-       A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

-       Rechtsanwalt Fabian Brunner, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten;

-       C.___, Dolmetscher;

-       ein Polizeibeamter.

 

 

Der Präsident eröffnet die Verhandlung, gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt und stellt die Anwesenden fest. Der Dolmetscher wird auf die Pflicht zur wahrheitsgemässen Übersetzung, auf die Straffolgen bei falscher Übersetzung gemäss Art. 307 StGB und auf die Straffolgen bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 73 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 320 StGB aufmerksam gemacht. Anschliessend macht der Präsident Ausführungen zum Anfechtungsgegenstand (vgl. nachfolgend I., Ziff. 18). In diesem Zusammenhang erwähnt er, ohne Gegenbericht werde davon ausgegangen, dass auch der Vorhalt der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen im Zeitraum vom 25. April 2019 bis 29. Dezember 2020, nicht angefochten worden und daher rechtskräftig sei (Ziff. 3 lit. e des erstinstanzlichen Urteils). In der Folge schildert er den Ablauf der Verhandlung und bittet den amtlichen Verteidiger, die Kostennote der Staatsanwältin zur Einsicht zu überreichen.

 

Weder die Staatsanwältin noch der amtliche Verteidiger haben Vorfragen Vorbemerkungen.

 

Anschliessend erfolgt die Befragung des Beschuldigten. Sie wird mit technischen Mitteln aufgezeichnet (Datenträger und separates Einvernahmeprotokoll in den Akten).

 

Da keine Beweisanträge gestellt werden, wird das Beweisverfahren geschlossen.  

 

Es stellen und begründen folgende Anträge:

 

Staatsanwältin B.___:

 

1.    A.___ sei schuldig zu sprechen wegen:

a.    Diebstahls, begangen am 13. Mai 2019;

b.    Hausfriedensbruchs, begangen am 13. Mai 2019;

c.     rechtswidrigen Aufenthaltes, begangen in der Zeit vom 10. April 2019 bis am 28. Oktober 2019 und vom 29. Oktober 2019 bis am 29. Dezember 2020;

d.    rechtswidriger Einreise, begangen am 29. Oktober 2019.

2.    A.___ sei zu bestrafen mit:

a.    einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten;

b.    einer Busse von CHF 200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 2019 und zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019.

3.    Der ausgestandene Freiheitsentzug seit dem 12. Januar 2021 sei A.___ an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

4.    Der A.___ mit folgenden Urteilen gewährte bedingte Vollzug für eine Geldstrafe sei zu widerrufen und die Geldstrafen als vollstreckbar zu erklären:

a.    Urteil der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 9. Dezember 2018: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 30.00;

b.    Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 2019: Geldstrafe 120 Tagessätze zu je CHF 30.00;

c.     Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 10.00.

5.    Zur Sicherung des Strafvollzugs sei A.___ in Sicherheitshaft zu belassen.

6.    A.___ sei für die Dauer von 6 Jahren des Landes zu verweisen.

7.    Die Landesverweisung sei im Schengener Informationssystem (SIS} auszuschreiben.

8.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Fabian Brunner, für das Berufungsverfahren sei im richterlichen Ermessen festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.

9.    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

10.  Die Kosten des Berufungsverfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

 

Rechtsanwalt Fabian Brunner:

 

1.    Der Beschuldigte sei vom Vorhalt des Hausfriedensbruchs freizusprechen.

2.    Der Beschuldigte sei wegen Diebstahls nach Art. 139 i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB mit einer Busse von CHF 300.00 zu bestrafen.

3.    Der Beschuldigte sei wegen mehrfachen rechtswidrigen Aufenthaltes und rechtswidriger Einreise nach Art. 115 Abs. 3 AIG mit einer Busse von CHF 300.00 zu bestrafen.

4.    Von einem Widerruf der Gewährung des bedingten Vollzugs der Vorstrafen gemäss Anklageschrift vom 1. Februar 2021 sei abzusehen.

5.    Der Beschuldigte sei umgehend aus der Haft zu entlassen.

6.    Er sei ihm wegen zu Unrecht ausgestandener Haft eine Entschädigung von CHF 200.00 pro Tag auszurichten.

7.    Die Verfahrenskosten habe der Beschuldigte zu einem Fünftel zu bezahlen. Vier Fünftel habe der Staat zu tragen.

8.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers sei gemäss eingereichter Kostennote festzusetzen.

 

Die Staatsanwältin benutzt die Gelegenheit für eine Replik, der amtliche Verteidiger für eine Duplik.

 

Der Beschuldigte verzichtet auf die Gelegenheit zu einem letzten Wort.

 

Hierauf wird der öffentliche Teil der Verhandlung geschlossen. Es erfolgt die geheime Beratung des Gerichts. Die mündliche Urteilseröffnung findet gleichentags um 16:30 Uhr statt. Der Präsident erläutert den Parteien das Urteil in den wesentlichsten Punkten.

 

 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

 

I. Prozessgeschichte

 

1. Am 13. Mai 2019, 17:59 Uhr meldete D.___ vom Sicherheitsdienst der G.___ AG in Solothurn bei der Alarmzentrale der Polizei Kanton Solothurn einen Ladendiebstahl. Die in das Verkaufslokal ausgerückte Polizeipatrouille konnte hierauf E.___ (nachfolgend Mitbeschuldigter) und A.___ (nachfolgend Beschuldigter) in Gewahrsam nehmen. Die beiden Beschuldigten hätten vom Sicherheitsdienst dabei beobachtet werden können, wie sie die Diebstahlsicherung mehrerer Sonnenbrillen entfernt, diese in eine Schublade gelegt und die Sonnenbrillen in ihren Jacken verstaut hätten. Nach dem Verlassen des Verkaufslokals hätten die beiden durch den Sicherheitsdienst angehalten werden können, wobei beim Beschuldigten eine Sonnenbrille der Marke «Tommy Hilfiger» im Verkaufswert von CHF 149.00 und eine Sonnenbrille der Marke «Boss» im Verkaufswert von CHF 239.00 sichergestellt werden konnte. Der Mitbeschuldigte hatte eine Sonnenbrille der Marke «Fossil» im Verkaufswert von CHF 159.00, eine Sonnenbrille der Marke «Tommy Hilfiger» im Verkaufswert von CHF 119.00 und eine Sonnenbrille der Marke «Boss» im Verkaufswert von CHF 219.00 auf sich. Bezüglich des Beschuldigten konnte festgestellt werden, dass diesem seitens der Firma G.___ bereits am 26. Oktober 2018 ein unbefristetes Hausverbot erteilt worden war (Akten Seite [nachfolgend AS] 5 ff.)

 

2. Die von der Polizei orientierte Staatsanwältin verfügte gleichentags die Durchsuchung der von den beiden Beschuldigten im Asylzentrum I.___ bewohnten Zimmer 6 und 7, welche jedoch keine tatrelevanten Ergebnisse ergab (AS 50).

 

3. Am 15. Mai 2019 eröffnete die Staatsanwaltschaft förmlich die Strafuntersuchung gegen die beiden Beschuldigten wegen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB, gegen den Beschuldigten zudem wegen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB (AS 59).

 

4. Am 5. Juni 2019 erliess die Staatsanwaltschaft gegen den Mitbeschuldigten einen Strafbefehl und verurteilte ihn wegen Diebstahls, rechtswidrigen Aufenthalts und Fahrens ohne gültigen Fahrausweis zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 30.00 (unter Einbezug eines Widerrufes bezüglich einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen) sowie einer Busse von CHF 50.00, ersatzweise einer Freiheitsstrafe von einem Tag (AS 168 ff.).

 

5. Am 12. Juni 2019 dehnte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten auf den Vorhalt des rechtswidrigen Aufenthaltes nach Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG aus (AS 61).

 

6. Am 25. September 2019 wurde der Beschuldigte von der Stadtpolizei Solothurn im Kreuzackerpark mit 3.4 Gramm Haschisch aufgegriffen. Der Beschuldigte verlangte einen Bussenzettel mit Bedenkfrist, welche er indessen ungenutzt verstreichen liess, worauf die Stadtpolizei am 30. Oktober 2019 Anzeige erstattete (AS 41). 

 

7. Am 29. Oktober 2019, 16:43 Uhr, wurde der Beschuldigte in Buchs (SG) im Zug von Österreich herkommend kontrolliert. Es konnte festgestellt werden, dass er nicht über die erforderlichen Papiere für die Einreise in die Schweiz verfügte. Am Folgetag, 14:00 Uhr, wurde der Beschuldigte in den Kanton Solothurn überstellt, welcher die diesbezügliche Strafverfolgung übernahm (AS 43 ff., 67, 154).

 

8. Da der Beschuldigte zur geplanten Schlusseinvernahme vom 17. Juni 2020 (eine zuvor auf den 23. März 2020 vereinbarte Schlusseinvernahme musste zufolge epidemiologischer Lage im Zusammenhang mit dem Coronavirus abgesagt werden) nicht erschien (AS 53 f.) und gemäss einer Mitteilung des Migrationsamtes des Kantons Solothurn vom 16. Juni 2020 (AS 193) untergetaucht sei, erliess die Staatsanwaltschaft am 17. Juli 2020 einen Vorführungsbefehl (AS 93).

 

9. Am 29. Dezember 2020 wurde der Beschuldigte von Bellinzona herkommend im Zug in Arth Goldau kontrolliert und festgenommen (AS 104). Am Folgetag wurde der Beschuldigte ins UG Solothurn überführt, wo er bis zum 12. Januar 2021 verschiedene offene Ersatzfreiheitsstrafen verbüsste (AS 55, 95). Am 12. Januar 2021 erfolgte die formelle Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Einvernahme nach Festnahme (AS 96 ff.). Am 14. Januar 2021 ordnete das Haftgericht die Untersuchungshaft bis zum 11. Februar 2021 an (AS 119 ff.).

 

10. Am 28. Januar 2021 dehnte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten auf die Vorhalte der rechtswidrigen Einreise (Art. 115 Abs. 1 lit. a AIG), der Widerhandlung gegen das Personenbeförderungsgesetz (Art. 20 Abs. 1 und 7 i.V.m. Art. 57 Abs. 3 PBG) sowie der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Art. 19a BetmG) aus (AS 62).

 

11. Am 1. Februar 2021 erhob die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Solothurn-Lebern Anklage gegen den Beschuldigten (ASSL 1 ff.).

 

12. Am 10. Februar 2021 ordnete das Haftgericht die Sicherheitshaft bis zum 31. Mai 2021 an (ASSL 36 ff.).

 

13. Am 18. Mai 2021 erliess das Amtsgericht Solothurn-Lebern folgendes Urteil:

 

1.    Das Strafverfahren gegen A.___ wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor dem 25. April 2019, ist zufolge Eintritts der Verfolgungsverjährung sowie des Verbots der Doppelbestrafung eingestellt.

2.    Das Strafverfahren gegen A.___ wegen Widerhandlung gegen das Personenbeförderungsgesetz, angeblich begangen am 15. April 2019, ist zufolge fehlenden Strafantrags eingestellt.

3.    A.___ hat sich schuldig gemacht:

a.    des Diebstahls, begangen am 13. Mai 2019;

b.    des Hausfriedensbruchs, begangen am 13. Mai 2019;

c.     des rechtswidrigen Aufenthaltes, begangen in der Zeit vom 10. April 2019 bis am 28. Oktober 2019 und vom 29. Oktober 2019 bis am 29. Dezember 2020;

d.    der rechtswidrigen Einreise, begangen am 29. Oktober 2019;

e.    der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 25. April 2019 bis am 29. Dezember 2020.

4.    A.___ wird verurteilt zu:

a.    einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten;

b.    einer Busse von CHF 200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 20219 und zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019.

5.    A.___ sind 126 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft an die Freiheitsstrafe angerechnet.

6.    Der A.___ mit folgenden Urteilen gewährte bedingte Vollzug für eine Geldstrafe ist widerrufen und die Geldstrafen werden als vollstreckbar erklärt:

a.    Urteil der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 9. Dezember 2018: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 30.00;

b.    Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 2019: Geldstrafe 120 Tagessätze zu je CHF 30.00;

c.     Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 10.00.

7.    Das implizit gestellte Haftentlassungsgesuch von A.___ wird abgewiesen. Zur Sicherung des Strafvollzuges und im Hinblick auf ein mögliches Berufungsverfahren wird A.___ für weitere 4 Monate, d.h. bis zum 18. September 2021, in Sicherheitshaft behalten.

8.    A.___ wird für die Dauer von 4 Jahren des Landes verwiesen.

9.    Die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben.

10.  Das Begehren der H.___ AG, vertreten durch N.___, ist abgewiesen.

11.  Die G.___ AG, vertreten durch M.___, wird zur Geltendmachung ihrer Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

12.  Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Fabian Brunner, wird auf CHF 4'760.70 (Honorar CHF 4'095.00, Auslagen CHF 325.35, 7,7 % Mehrwertsteuer CHF 340.35) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 1'225.10 (Differenz zum vollen Honorar à CHF 230.00 pro Stunde), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

13.  Das Amtsgericht verzichtet auf die schriftliche Begründung des Urteils, wenn keine Partei ein Rechtsmittel ergreift innert 10 Tagen seit Zustellung des Urteilsdispositivs niemand ausdrücklich eine schriftliche Begründung verlangt.

14.  A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 4'200.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Staatsgebühr um CHF 500.00, womit die gesamten Kosten CHF 3'700.00 betragen.

 

14. Am 31. Mai 2021 meldete der Beschuldigte die Berufung an (ASSL 130).

 

15. Am 25. August 2021 erfolgte die Berufungserklärung, nachdem dem Beschuldigten das begründete Urteil am 5. August 2021 zugestellt worden war. Die Berufungserklärung des Beschuldigten richtet sich gegen den Schuldspruch wegen Hausfriedensbruchs. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Diebstahls wird die Anwendung von Art. 172ter Abs. 1 StGB (Verurteilung wegen geringfügigen Diebstahls) beantragt und hinsichtlich des Vorhalts des mehrfachen rechtswidrigen Aufenthaltes und der rechtswidrigen Einreise ein Schuldspruch gestützt auf Art. 115 Abs. 3 AIG (fahrlässige Tatbegehung). In Bezug auf den Schuldspruch wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen im Zeitraum vom 25. April 2019 bis 29. Dezember 2020, wurde den Parteien wie erwähnt zu Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt, es werde davon ausgegangen, dieser Vorhalt sei nicht angefochten und daher rechtskräftig. Weiter richtet sich die Berufung gegen die Strafzumessung, die Anordnung der Widerrufe dreier Vorstrafen, die Landesverweisung sowie die Kosten (AS 8 ff.).

 

16. Am 3. September 2021 verfügte der Präsident des Berufungsgerichts die Weiterführung der Sicherheitshaft für die Dauer des Berufungsverfahrens (AS 70 ff.).

 

17. Am 8. September 2021 erklärte die Staatsanwaltschaft die Anschlussberufung bezogen auf die Strafzumessung und die Dauer der Landesverweisung (AS 73 f.).

 

18. In Rechtskraft erwachsen sind somit folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

 

-       1 und 2: Einstellungen des Strafverfahrens hinsichtlich Übertretung des BetmG (soweit vor dem 25. April 2019 begangen) und hinsichtlich der Widerhandlung gegen das Personenbeförderungsgesetz;

-       3 lit. e: Schuldspruch wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 25. April 2019 bis am 29. Dezember 2020;

-       10 und 11: Entscheid über Zivilforderungen;

-       12: Höhe des Honorars der amtlichen Verteidigung.

 

II. Vorhalt Anklage Ziff. 1, Diebstahl, Art. 139 Ziff. 1 StGB

 

Der Beschuldigte bestreitet den Sachverhalt nicht. Dieser ist auch anhand des sich in den Akten befindenden Überwachungsvideos (AS 20) sowie des Feststellungsberichts des Sicherheitsangestellten (AS 16 ff.) hinlänglich erstellt.

 

Anerkannt ist auch die rechtliche Würdigung des Verhaltens des Beschuldigten als Diebstahl im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB. Der Beschuldigte wendet jedoch ein, es liege zwischen ihm und dem Mitbeschuldigten keine Mittäterschaft vor und sein Vorsatz habe sich lediglich auf einen geringen Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB gerichtet.

 

Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen der Mittäterschaft auf S. 16 ihrer Urteilsbegründung zutreffend dargestellt. Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden. In tatsächlicher Hinsicht stimmen die Aussagen der beiden Beschuldigten hinsichtlich ihres Zusammenwirkens im Wesentlichen überein. Demnach wurden die beiden Beschuldigten von F.___ beauftragt, Sonnenbrillen zu stehlen. F.___ habe ihnen dafür pro Stück CHF 60.00 versprochen. Er habe auch die gewünschten Marken genannt: Tommy und Boss. F.___ habe ihnen gesagt, jeder solle zwei Sonnenbrillen mitbringen. Nach dem Gespräch mit F.___ hätten die beiden Beschuldigten «zusammen geredet» und seien danach in den G.___. Der Mitbeschuldigte habe noch eine mehr genommen, welche er für sich habe behalten wollen (EV Beschuldigter vom 29. Mai 2019, AS 21 ff.). F___ habe dem Beschuldigten den Vorschlag gemacht, Sonnenbrillen zu stehlen. Der Beschuldigte habe dann gesagt, «wir gehen jetzt in den G.___». Anschliessend seien sie direkt zum G.___ gegangen. «Wir haben die Diebstahlsicherung weggenommen. Er hat zwei genommen und ich habe drei». Er habe mitgemacht, weil der Beschuldigte ihn überredet habe. Er habe drei Sonnenbrillen genommen und allenfalls eine für sich behalten wollen (EV Mitbeschuldigter, AS 32 ff.).

 

Aus den Aussagen der beiden Beschuldigten ergibt sich somit zweifellos, dass diese unmittelbar vor der Tat von F.___ beauftragt wurden, Sonnenbrillen zu stehlen und diesen Entschluss in der Folge gemeinsam fassten. Aus dem Überwachungsvideo ist ein klar aufeinander abgestimmtes koordiniertes Handeln der beiden Beschuldigten ersichtlich. Diese sprachen in den jeweiligen Einvernahmen auch immer in der Wir-Form über den Diebstahl. Die beiden Beschuldigten waren im Asylheim […] I.___ Zimmernachbarn und unmittelbar vor dem Diebstahl zusammen unterwegs. Schliesslich wusste der Beschuldigte auch darüber Bescheid, dass der Mitbeschuldigte allenfalls eine Sonnenbrille für sich behalten wollte. Dies hätte er nicht wissen können, wenn sie sich im Rahmen der Tatbegehung nicht abgesprochen hätten. Im Rahmen der eigentlichen Tatausführung leistete jeder der beiden Beschuldigten einen wesentlichen Tatbeitrag: jeder stahl Sonnenbrillen, der Beschuldigte zwei, der Mitbeschuldigte drei. Beide gingen in gleicher Weise vor, indem sie die Diebstahlsicherung entfernten, in eine Schublade legten und die Brillen in der Jackentasche verstauten. Es liegt vorliegend ein klassischer Fall von Mittäterschaft vor, was zur Folge hat, dass jedem Täter der Tatbeitrag des jeweils anderen mit anzurechnen ist. Deshalb läuft auch die Behauptung des Beschuldigten, er habe nicht gewusst, welchen Wert die zweite Sonnenbrille gehabt habe, ins Leere. Aber selbst wenn nicht von Mittäterschaft auszugehen wäre, wäre der subjektive Tatbestand beim Beschuldigten hinsichtlich eines Warenwertes über CHF 300.00 klar zu bejahen. Dass er den Wert der einen Sonnenbrille in etwa kannte (CHF 199.00), gab er im Rahmen der polizeilichen Befragung vom 29. Mai 2019 zu (Antwort 27). Anlässlich der Befragung vor Vorinstanz sprach er von ca. CHF 200.00 (ASSL 52, Z. 54). Dies bestätigte er auch vor Obergericht. Nun beliefen sich die Warenwerte der vom Beschuldigten entwendeten Sonnenbrillen zwar auf CHF 149.00 und CHF 239.00 (und nicht CHF 199.00). Wenn der Beschuldigte aber bei einer Sonnenbrille von einem Wert um die CHF 200.00 ausging, dürfte ihm klar gewesen sein, dass auch die zweite Sonnenbrille einen Warenwert von über CHF 100.00 hatte. Für eine Brille mit einem Warenwert von unter CHF 100.00 hätte er ja von F.___ kaum CHF 60.00 bekommen. Es ist aber bei der konkreten Vorgehensweise schlicht nicht vorstellbar, dass die Beschuldigten nicht auf die Preisschilder achteten (konnten sie doch F.___ nicht eine Sonnenbrille im Wert von CHF 50.00 übergeben und dafür CHF 60.00 verlangen). Es dürfte auch kein Zufall sein, dass sämtliche entwendeten Sonnenbrillen über CHF 100.00 kosteten. Im G.___ gibt es auch Sonnenbrillen unter CHF 100.00 zu kaufen. Die Beschuldigten konzentrierten sich aber auf teure Markenprodukte: Tommy Hilfiger und Boss (wie ihnen dies F.___ gemäss Aussage des Beschuldigten aufgetragen hatte). Bei der Sonnenbrille der Marke Fossil, die der Mitbeschuldigte entwendete, dürfte es sich um diejenige gehandelt haben, die er für sich stahl.

 

Der Beschuldigte hat sich daher des Diebstahls von fünf Sonnenbrillen in einem Gesamtwert von CHF 885.00, begangen in Mittäterschaft mit dem Mitbeschuldigten, schuldig gemacht und ist daher des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB für schuldig zu erkennen.

 

III. Vorhalt Anklage Ziff. 2, Hausfriedensbruch, Art. 186 StGB

 

Dem Beschuldigten wurde vom G.___ am 26. Oktober 2018 wegen eines damals begangenen Diebstahls ein Hausverbot für unbefristete Zeit erteilt. Dieses befindet sich in den Akten (AS 13). Der Beschuldigte verweigerte zwar damals die Unterzeichnung des Hausverbots, was aber an dessen Gültigkeit nichts ändert. Der Beschuldigte gab anlässlich der Einvernahme vom 29. Mai 2019 auch zu, das Hausverbot sei ihm mündlich eröffnet worden, behauptete aber, man habe ihm gesagt, es gelte nur einen Monat (Antwort 44 – 47). Anlässlich der Befragung vor Vorinstanz gab der Beschuldigte dann aber zu Protokoll, er habe gewusst, dass er den G.___ nicht hätte betreten dürfen (ASSL 52, Z. 68). Warum er dann trotzdem reingegangen sei? «Ich habe Geld gebraucht» (Z. 70). Dies bezog sich klar auf den 13. Mai 2019. Vor Obergericht sagte er wiederum aus, er sei der Meinung gewesen, das Verbot sei nur für einen Monat ausgesprochen worden. Dies ist als Schutzbehauptung zu werten. Kein Geschäft erlässt ein befristetes Hausverbot lediglich für einen Monat und es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschuldigte, der kaum Deutsch versteht und spricht, eine solche Befristung hätte verstehen sollen. Zudem hatte er vor der Vorinstanz eingeräumt, sich des Verbots bewusst gewesen zu sein.

 

Der Beschuldigte hat sich daher des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB schuldig gemacht.

 

IV. Vorhalt Anklage Ziff. 3 und 4, rechtswidriger Aufenthalt, Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG und rechtswidrige Einreise, Art. 115 Abs. 1 lit. a AIG

 

Beide Vorhalte sind in objektiver Hinsicht anerkannt und auch erstellt. Der Beschuldigte beantragt mit seiner Berufung die Bestrafung nach Art. 115 Abs. 3 AIG, also fahrlässige Tatbegehung. Indessen gab der Beschuldigte sowohl anlässlich der polizeilichen Befragung vom 29. Mai 2019, als auch anlässlich der Befragung vor Vorinstanz zu, gewusst zu haben, dass er sich illegal in der Schweiz aufhält (AS 27, Antwort 56 und 58; ASSL 51, Z. 33). Auch vor Obergericht bestätigte er, ab dem 10. April 2019 gewusst zu haben, dass er sich illegal in der Schweiz aufhält. Er wurde auch zuvor schon wegen rechtswidriger Einreise und mehrfach wegen rechtswidrigen Aufenthalts verurteilt. Es ist daher von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen. Das Vorbringen, lediglich fahrlässig gehandelt zu haben, weil er davon ausgegangen sei, der Nichteintretensentscheid vom 24. September 2018 sei angefochten und korrigiert worden, entbehrt jeglicher Grundlage. Der Beschuldigte ist gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. a und b AIG für schuldig zu erkennen. 

 

V. Strafzumessung

 

1. Allgemeines zur Strafzumessung, Vollzugsform und Widerruf

 

1.1 Nach Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).

 

1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände berühren die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.

 

1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

Die Ausländereigenschaft des Täters als solche ist bei der Strafzumessung grundsätzlich irrelevant. Ein Kulturkonflikt kann indes die Tatschuld vermindern und ist diesfalls strafmindernd zu berücksichtigen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die Sozialisation des ausländischen Straftäters von den üblichen Wertvorstellungen des Gastlandes erheblich abweicht. Allerdings können dem Ausländer, je länger er in seinem Gastland lebt, desto weniger die Sitten und Gebräuche seines Heimatlandes zugutegehalten werden. Strafminderung wegen eines Kulturkonflikts ist von vornherein ausgeschlossen, wenn der Täter weiss, dass seine Tat auch in seinem Heimatland grundsätzlich strafbar ist (Hans Wiprächtiger/Stefan Keller in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, BSK StGB I, 4. Auflage 2019, Art. 47 N 127 ff.).

 

Ebenfalls nicht ohne weiteres zu einer Strafminderung führen die den Beschuldigten zufolge der Verurteilung treffenden ausländerrechtlichen Folgen. Diese drohen jeder ausländischen Person ab einer gewissen Strafhöhe, was gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht ohne weiteres zu einer besonderen Strafempfindlichkeit führt (Urteil 6B_296/2014 vom 20. Oktober 2014 E. 3.4). Indes hat die per 1. Oktober 2016 eingeführte Landesverweisung nach Art. 66a StGB klar sanktionsrechtlichen Charakter und ist daher im Rahmen des Sanktionenpakets bei der Strafzumessung mitzuberücksichtigen.

 

Vorstrafen stellen eines von mehreren täterbezogenen Merkmalen dar und steigern das konkrete Tatverschulden nicht. Das Sachgericht darf Vorstrafen nicht wie eigenständige Delikte im Rahmen einer «nachträglichen Gesamtstrafenbildung» würdigen. Nicht zulässig ist es, eine am Tatverschulden ausgerichtete prozentuale Straferhöhung vorzunehmen, mit der Folge, dass die gleiche Vorstrafe sich je nach Tatverschulden unterschiedlich stark straferhöhend auswirkt. Damit würde aus dem täterbezogenen Strafzumessungskriterium des Vorlebens ein tatbezogenes gemacht, was der gesetzlichen Konzeption von Art. 47 Abs. 1 StGB widerspricht, wonach Tat- und Täterkomponenten voneinander unabhängige Strafzumessungsfaktoren sind. Auch kann keine Vorstrafe derart straferhöhend berücksichtigt werden, dass der Täter faktisch ein zweites Mal für die bereits abgeurteilte Tat bestraft wird. Dies liefe sowohl dem Einzeltatschuldprinzip als auch dem Grundsatz «ne bis in idem» zuwider (vgl. Urteil 6B_249/2014 vom 16. Oktober 2014 E. 2.4.2 mit Hinweis). Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 25. August 2015, 6B_510/2015, kann indes eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung zu einer Straferhöhung von einem Drittel des Strafmasses führen.

 

1.4 Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts vom 7. Juli 2011, 6B_1096/2010 E. 4.2; vom 6. Juni 2011, 6B_1048/2010 E. 3.2 und vom 26. April 2011, 6B_763/2010 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung des (subjektiven) Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen, etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 – 15 Jahren (bei leichter Tatschwere 5 – 10 Jahre und in schweren Fällen 15 – 20 Jahre). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten «Strafzumessungsverlauf» in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).

 

1.5 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen. Es darf dabei jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Das Gericht hat die Strafe zudem zu erhöhen, d.h. die Mindeststrafe darf nicht ausgefällt werden. Das Asperationsprinzip kommt indes nur zur Anwendung, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1 S. 58). Hat der Täter mehrere Straftatbestände verwirklicht, für die das Gesetz wahlweise Freiheits- Geldstrafe vorsieht, hat der Richter nach der sog. konkreten Methode bei jeder Tat gesondert zu entscheiden und zu begründen, welche Sanktionsart angemessen ist.

 

1.6 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider / Roy Garré in: BSK StGB I, a.a.O., Art. 42 StGB N 61).

 

Der Strafaufschub wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.

 

Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Stefan Trechsel/Mark Pieth, Praxiskommentar StGB, a.a.O., Art. 42 N 8 ff. mit zahlreichen Hinweisen).

 

Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene Teil wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6 S. 15; vgl. auch 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f. zur Beurteilung der Bewährungsaussichten). Auch die bloss teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB setzt indes das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss der Vollzug zumindest eines Teils der Strafe bedingt aufgeschoben werden. Andererseits ist bei einer schlechten Prognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen besteht die Möglichkeit, dass eine zwar grundsätzlich schlechte Prognose durch den Vollzug bloss eines Teiles der Strafe in Verbindung mit dem drohenden späteren Widerruf des aufgeschobenen Strafrests deutlich günstiger werden kann (vgl. hierzu etwa Roland M. Schneider/Roy Garré, BSK StGB I, a.a.O., Art. 43 N 15).

 

1.7 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB die bedingt aufgeschobene Strafe den bedingt aufgeschobenen Teil der Strafe. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Art. 49 eine Gesamtstrafe. Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen Vergehen führt nicht zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs. Dieser erfolgt nur, wenn wegen der Begehung des neuen Delikts von einer negativen Einschätzung der Bewährungsaussichten auszugehen ist, d.h. aufgrund der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht. Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist analog der Prüfung der Gewährung des bedingten Strafvollzugs anhand einer Würdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung der Bewährungsaussichten im Falle des Widerrufs des bedingten Vollzugs einer Freiheitsstrafe ist auch zu berücksichtigen, ob die neue Strafe bedingt unbedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4.2 ff. mit Hinweisen). Besonders günstige Umstände, wie sie Art. 42 Abs. 2 StGB für den bedingten Strafaufschub bei entsprechender Vorverurteilung verlangt, sind für den Widerrufsverzicht aber nicht erforderlich. Das heisst allerdings nicht, dass es im Rahmen von Art. 46 StGB auf die neue Tat und die daraus resultierende Strafe überhaupt nicht ankommen würde. Art und Schwere der erneuten Delinquenz bleiben vielmehr auch unter neuem Recht für den Entscheid über den Widerruf von Bedeutung, insoweit nämlich, als das im Strafmass für die neue Tat zum Ausdruck kommende Verschulden Rückschlüsse auf die Legalbewährung des Verurteilten erlaubt. Insoweit lässt sich sagen, dass die Prognose für den Entscheid über den Widerruf umso eher negativ ausfallen kann, je schwerer die während der Probezeit begangenen Delikte wiegen (BGE 134 IV 140 E. 4.5).

 

2. Strafzumessung, Vollzugsform, Widerruf im konkreten Fall, Sicherheitshaft

 

2.1 Hinsichtlich der Bestimmung der Strafart kann unter Verweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz festgehalten werden, dass vorliegend für alle Delikte nur eine Freiheitsstrafe in Frage kommt. Der Beschuldigte hat in der Vergangenheit eindrücklich gezeigt, dass er sich durch Geldstrafen nicht beeindrucken lässt. Mit Strafbefehl vom 9. Dezember 2018 verurteilte ihn die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl wegen rechtswidriger Einreise und rechtswidrigen Aufenthalts, beides begangen am 21. August 2018 zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 30.00 (Probezeit zwei Jahre). Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 2. Mai 2019 erfolgte eine Verurteilung wegen mehrfachen Diebstahls (begangen am 5. Oktober 2018, 26. Oktober 2018 und 5. November 2018), geringfügiger Hehlerei (begangen am 16. Oktober 2018) und geringfügigen Diebstahls (begangen am 2. November 2018) zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu CHF 30.00 mit einer Probezeit von drei Jahren sowie einer Busse von CHF 760.00. Schliesslich verurteilte die Staatsanwaltschaft Solothurn den Beschuldigten mit Strafbefehl vom 20. Mai 2019 wegen rechtswidrigen Aufenthalts (begangen vom 2. Oktober 2018 – 9. April 2019) und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (begangen vom 14. Mai 2016 – 24. April 2019) zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 10.00 mit einer Probezeit von vier Jahren und einer Busse von CHF 500.00. Von einem Widerruf des bedingten Strafvollzuges bezüglich der am 9. Dezember 2018 verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen wurde abgesehen. Stattdessen wurde der Beschuldigte verwarnt und die Probezeit um ein Jahr verlängert (s. Strafregisterauszug vom 4. Mai 2021, ASSL 139 f.). Der Beschuldigte hat sich weder durch diese Geldstrafen noch durch die Verwarnung und die Verlängerung der Probezeit beeindrucken lassen. Die verhängten Bussen mussten in Form von Ersatzfreiheitsstrafen vollzogen werden (AS 55, 95). Eine erneute Geldstrafe wäre daher offensichtlich weder zweckmässig noch vollstreckbar.

 

Auszugehen ist vom Diebstahl als schwerste Straftat. Das Ausmass des verschuldeten Erfolges ist mit CHF 885.00 gering. Die Art und Weise der Tatbegehung zeugt jedoch von einiger Kaltblütigkeit, ist doch auf dem Überwachungsvideo zu sehen, wie die beiden Beschuldigten seelenruhig in den Laden eintreten und sich während mehreren Minuten am Sonnenbrillengestell nach Lust und Laune bedienen, die elektronische Diebstahlssicherungen entfernen und dann mit den entwendeten Sonnenbrillen wiederum seelenruhig den Laden verlassen. Dieses Vorgehen mutet recht dreist an. Dennoch ist die objektive Tatschwere im Vergleich zu anderen denkbaren Diebstählen noch klar als leicht zu bezeichnen, weshalb die Strafe am unteren Ende des abstrakten Strafrahmens anzusiedeln ist. In subjektiver Hinsicht ist von direktem Vorsatz und egoistischen Beweggründen auszugehen. Der Notbedarf des Beschuldigten war trotz seines illegalen Aufenthaltsstatus gedeckt; er hätte somit nicht stehlen müssen. Die subjektiven Tatkomponenten wirken sich verschuldenserhöhend aus. Alles in allem ist das Gesamtverschulden mit der Vorinstanz dennoch noch als sehr leicht zu bezeichnen. Die Einsatzstrafe für den Diebstahl ist auf drei Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Zufolge des in Tateinheit begangenen Hausfriedensbruchs durch Missachtung eines Hausverbots ist die Strafe asperationsweise um einen halben Monat zu erhöhen (sehr leichtes Verschulden, sehr enger Tatzusammenhang).

 

Hinsichtlich der Widerhandlungen gegen das AIG hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass es sich beim illegalen Aufenthalt um ein Dauerdelikt handelt und der Beschuldigte keinen neuen Tatentschluss gefasst hat. Er hat zwar die Schweiz am 29. Oktober 2019 Richtung Österreich verlassen, wurde aber von den Zollbehörden umgehend wieder zurückgeschickt. Darin kann kein neuer Tatentschluss hinsichtlich des illegalen Aufenthaltes erblickt werden. Es ist daher darauf zu achten, dass die gesetzliche Höchststrafe für illegalen Aufenthalt von einem Jahr insgesamt nicht überschritten wird. Bisher wurde der Beschuldigte zu 120 Tagessätzen verurteilt, wobei in dieser Strafe auch die illegale Einreise am 21. August 2018 enthalten ist. Für den im vorliegenden Verfahren neu zu beurteilenden rechtswidrigen Aufenthalt ist zu berücksichtigen, dass dessen Dauer mit rund 20 Monaten doch beträchtlich ist. Verschuldenserhöhend schlägt zu Buche, dass der Beschuldigte sich nicht wie angewiesen im Asylheim I.___ aufgehalten hat, sondern in der ganzen Schweiz umhergereist ist und sich der Kontrolle durch die Ausländerbehörde durch Untertauchen entzogen hat. Dass er keinerlei schützenswerten Gründe für das Verbleiben in der Schweiz hat und dieses im Gegenteil gar noch zur Begehung weiterer Delikte nutzte, erhöht das Verschulden weiter. Der Beschuldigte profitierte ganz gezielt vom Umstand, dass er mangels Papieren nicht ausgeschafft werden konnte. Insgesamt ist von einem schweren Verschulden auszugehen, was eine Einsatzstrafe von acht Monaten rechtfertigt (damit ist die Gesamtstrafe von 12 Monaten noch nicht überschritten). Asperationsweise ist die Strafe um sechs Monate zu erhöhen (eine weitergehende Asperation ist nicht angezeigt, da eine Asperation nicht dazu führen kann, dass die Strafe unter die Einsatzstrafe zu liegen kommt).

 

Eine weitere Erhöhung der Strafe wegen der illegalen Einreise rechtfertigt sich indessen nicht. Der Beschuldigte wollte ja vielmehr die Schweiz verlassen, wurde durch die Zollbehörden jedoch angewiesen, wieder in die Schweiz zurückzukehren. Dies soll ihm bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil gereichen.

 

Was die Täterkomponenten anbelangt, kann grundsätzlich auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Diese sind mit Ausnahme der Vorstrafen grundsätzlich neutral zu gewichten. Indes zeugen die allesamt einschlägigen Vorstrafen doch von einer auffälligen Renitenz des Beschuldigten. Dieser weigert sich kategorisch die Schweizerische Rechtsordnung zu beachten. Diese eindrückliche Unbelehrbarkeit, die der Beschuldigte an den Tag legt, rechtfertigt eine weitere Straferhöhung um 2 ½ Monate. Der Beschuldigte ist somit zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten zu verurteilen. Eine Reduktion der Strafe im Rahmen des Sanktionenpakets zufolge der ebenfalls anzuordnenden Landesverweisung ist vorliegend nicht angezeigt, da der Beschuldigte ohnehin keine Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz und im übrigen Schengen-Raum hat.

 

Für die Widerhandlung gegen das BetmG erscheint eine Busse von CHF 200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen, teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 2. Mai 2019, als angemessen.

 

2.2 Vollzugsform und Widerruf

 

Die Vorinstanz hat ausführlich und einleuchtend dargelegt, weshalb beim Beschuldigten von einer schlechten Prognose auszugehen ist. Diese Schlechtprognose schlägt sich sowohl bei der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs wie auch beim Widerruf durch. Der Beschuldigte hat bisher ausser dem erwähnten Abstecher nach Österreich keine Anstalten unternommen, die Schweiz zu verlassen. Er sieht seine Zukunft nach wie vor in der Schweiz und weigert sich kategorisch, in sein Heimatland zurückzukehren. Dass der Versuch, die Schweiz ohne Papiere Richtung Österreich zu verlassen nicht vom Erfolg gekrönt werden konnte, muss ihm klar gewesen sein. Der Beschuldigte ist offensichtlich nicht bereit, sich den Weisungen der Migrationsbehörden zu unterziehen und sich im Asylheim I.___ aufzuhalten. Er kann daher auch künftig nicht von der Nothilfe profitieren. Die CHF 9.00 pro Tag, die er dort erhalten würde, sind ihm offensichtlich auch zu wenig, weshalb er regelmässig Vermögensdelikte begeht, auch um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, dass sich künftig am Verhalten des Beschuldigten irgendetwas ändern würde. Die von ihm geltend gemachte Beziehung zu «K.___», deren Nachnahme und Wohnort er nicht kennt (anlässlich der Einvernahme vom 12. Januar 2021 gab er an, sie wohne in [Ortschaft 1] [AS 101, Z. 161], anlässlich der Befragung vor Haftgericht sprach er von [Ortschaft 2], resp. Nähe [Ortschaft 3] [AS 126], vor Obergericht von [Ortschaft 4]) kann offensichtlich nicht als gefestigt und zukunftsversprechend angesehen werden. Die angebliche «K.___» hat den Beschuldigten auch nie im Gefängnis besucht. Ferner ist nicht davon auszugehen, dass sich der Beschuldigte durch die Verbüssung der 12-monatigen Freiheitsstrafe, welche im vorliegenden Verfahren zu verhängen ist, von weiterer Delinquenz abhalten lassen wird. Aus diesem Grund ist auch der bedingte Strafvollzug bezüglich der Vorstrafen gemäss Urteilen vom 9. Dezember 2018 (60 Tagessätze Geldstrafe), 2. Mai 2019 (120 Tagessätze Geldstrafe) und 20. Mai 2019 (60 Tagessätze Geldstrafe) zu widerrufen. Eine Gesamtstrafe mit der im vorliegenden Verfahren verwirkten Freiheitsstrafe hat mangels Gleichartigkeit nicht zu erfolgen.

 

2.3 Sicherheitshaft

 

Mit separatem Beschluss vom 7. Dezember 2021 wurde zur Sicherung des Strafvollzugs und der zu vollziehenden Geldstrafen Sicherheitshaft angeordnet. Es kann diesbezüglich vollumfänglich auf den begründeten Beschluss verwiesen werden.

 

VI. Landesverweisung

 

1. Allgemeines

 

Die fakultative Landesverweisung nach Art. 66abis StGB darf nur angeordnet werden, wenn sie verhältnismässig, insbesondere notwendig ist. Im Gegensatz zur obligatorischen Landesverweisung ist dies nicht quasi vorweg zu vermuten. Die Verhältnismässigkeit ist unabhängig vom Bestehen eines Härtefalles in jedem Fall einer genauen Prüfung zu unterziehen.

 

Die Landesverweisung ist lediglich dann notwendig, wenn das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung aus Gründen der Sicherstellung der durch die verurteilte Person gefährdeten öffentlichen Ordnung die privaten Interessen des Betroffenen am Verbleib in der Schweiz überwiegt. Dies wird bei in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Personen nur selten der Fall sein, führen doch die Delikte, die üblicherweise mit hohen Freiheitsstrafen bestraft werden und dementsprechend ein grosses öffentliches Interesse an der Landesverweisung des die öffentliche Ordnung gefährdenden Täters besteht, praktisch ausnahmslos zu einer obligatorischen Landesverweisung gemäss Art. 66a StGB. Bei der Begehung von nicht zu den Katalogtaten gehörenden Verbrechen und Vergehen bestehen demgegenüber gewichtige Einschränkungen betreffend die Anordnung einer fakultativen Landesverweisung. In Anlehnung an den ausländerrechtlichen Widerrufsgrund der «längerfristigen Freiheitsstrafe» (Art. 62 Art. 1 lit. b und Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG) ist eine fakultative Landesverweisung bei aufenthaltsberechtigten Personen als Folge einer Verurteilung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe grundsätzlich als unverhältnismässig und somit unzulässig zu betrachten.

 

Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit sind in jedem Fall die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten. Insbesondere sind den öffentlichen Interessen die privaten Interessen der betroffenen Person und ihrer Familie gegenüberzustellen. Dabei sind insbesondere – immer im Lichte der Schwere der begangenen Tat – der Grad der Integration der Person, die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz sowie die Wirkung der Massnahme auf die Familie der betroffenen Person zu beachten. Demnach kann sich etwa die Landesverweisung – bspw. bei ausländischen Staatsbürgern, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind und keinen engen Bezug zum Land, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen, haben – selbst bei einer Verurteilung zu einer hohen Freiheitsstrafe als unverhältnismässig erweisen. Mit Blick auf die sog. «Reneja-Praxis» kann sich im konkreten Fall aber auch bei mit Schweizer Staatsbürgern verheirateten, noch nicht lange in der Schweiz aufhältigen Ausländern, die zu einer Freiheitsstrafe von zwei mehr Jahren verurteilt wurden, die Anordnung einer fakultativen Landesverweisung als unverhältnismässig erweisen, wenn es für den schweizerischen Ehepartner schwer zumutbar erscheint, die Schweiz zu verlassen. Umgekehrt kann die Anordnung einer fakultativen Landesverweisung bei mehrfach verurteilten unbelehrbaren Wiederholungstätern angebracht sein, wobei auch diese Tätergruppe aufgrund des weit gefassten Deliktskatalogs in Art. 66a Abs. 1 lit. a – o i. d. R. von einer obligatorischen Landesverweisung betroffen sein wird, bevor sich eine fakultative Landesverweisung als verhältnismässig erweist. Die fakultative Landesverweisung kann somit bei in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Personen nur in wenigen Fällen angeordnet werden. Vielmehr fokussiert sich diese Massnahme auf sog. «Kriminaltouristen», also auf Personen, welche sich, ohne über eine Aufenthaltsberechtigung zu verfügen, mit dem Ziel in die Schweiz begeben haben, um hierzulande zu delinquieren (Matthias Zurbrügg/Constantin Hruschka in: BSK-StGB, a.a.O., Art. 66abis N 6 ff. mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

 

2. Im Konkreten

 

Auch hier kann vorweg auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. Der Beschuldigte hat keine Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz. Seine Situation ist somit vergleichbar mit der von Kriminaltouristen. Vorwiegend für diese wurde die fakultative Landesverweisung geschaffen. Mangels Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz kann der Beschuldigte auch kein schützenswertes privates Interesse am Verbleib in der Schweiz geltend machen. Er ist hier nicht integriert und hat keine Familie in der Schweiz. Seine Familie lebt in seinem Heimatland. Die Straftaten, wegen derer der Beschuldigte im vorliegenden Verfahren verurteilt wurde, wiegen zwar nicht sonderlich schwer. Indes ist zu sehen, dass die öffentliche Ordnung bereits durch die reine Anwesenheit des Beschuldigten in der Schweiz erheblich tangiert wird. Diese gebietet, dass ausländische Personen, welche keine Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz haben, weggewiesen werden können. Dies ist im ausländerrechtlichen Verfahren ja bereits erfolgt. Dass der Beschuldigte bisher nicht in sein Heimatland ausgeschafft werden konnte, liegt offensichtlich alleine an seiner mangelnden Kooperation. Gemäss dem in den Akten liegenden Asylentscheid vom 24. September 2018 ist der Vollzug der Wegweisung jedenfalls technisch möglich und praktisch durchführbar (AS 198). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des MISA vom 12. Juni 2019 (AS 191 f.). Es wäre aus Sicht der öffentlichen Ordnung nicht hinnehmbar, dass der Beschuldigte durch mangelnde Mitwirkung (keine Identitätspapiere, Untertauchen) die rechtmässig angeordnete Wegweisung umgehen kann, zusätzlich sein wirtschaftliches Fortkommen durch regelmässige Begehung von Diebstählen sichert und dann auf eine Landesverweisung verzichtet würde. Die Landesverweisung ist daher anzuordnen. Sie ist offensichtlich verhältnismässig. Die von der Vorinstanz verfügte Dauer von vier Jahren ist angemessen.

 

3. SIS-Ausschreibung

 

Das SIS ist eine europaweite Fahndungsdatenbank, welche sich aus einem zentralen System (C-SIS) sowie einem nationalen System in jedem Schengen-Mitgliedstaat (N-SIS) zusammensetzt (Nicole Schneider/Diego R. Gfeller: Landesverweisung und das Schengener Informationssystem in: Sicherheit & Recht 1/2019, S. 7). Auf europäischer Ebene finden sich die relevanten Bestimmungen in der sogenannten SIS-II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, Abl. L 381/4 vom 28.12.2006). Auf nationaler Ebene ist die Verordnung über den nationalen Teil des Schengener Informationssystems (N-SIS) und das SIRENE-Büro (N-SIS-Verordnung, SR 362.0) massgebend.

 

In das SIS ausgeschrieben werden können nur sogenannte Drittstaatenangehörige. Darunter fallen gemäss Art. 3 lit. d SIS-II Personen, die weder Bürger der EU noch Drittstaatenangehörige sind, die sich auf ein Freizügigkeitsrecht berufen können. Eine Ausschreibung in das SIS hat für den Betroffenen weitreichende materiellrechtliche Folgen. Sie bildet gemäss Schengener Grenzkodex ein Einreisehindernis für den gesamten Schengen-Raum (Nicole Schneider/Diego R. Gfeller, a.a.O., S. 9). Damit werden die Wirkungen der Landesverweisung (d.h. Einreise- und Aufenthaltsverweigerung) auf alle Schengen-Staaten ausgedehnt. Auch Drittstaatenangehörige, die Familienangehörige eines Unionbürgers sind, können im SIS ausgeschrieben werden. Die Ausschreibung hat aber in diesen Fällen nach der von Schneider/Gfeller vertretenen Auffassung (a.a.O., S. 8) nur die begrenzte Wirkung einer Warnung an die Adresse der anderen Schengen-Mitgliedstaaten.

 

Die SIS-Ausschreibung wird eingegeben, wenn die nationale Entscheidung mit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die nationale Sicherheit begründet wird, die die Anwesenheit der betreffenden Person in einem Mitgliedstaat darstellt (Art. 24 Ziff. 2 SIS-II-Verordnung). Dies ist insbesondere der Fall bei einem Drittstaatenangehörigen, der in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (lit. a), sowie bei einem Drittstaatenangehörigen, gegen den ein begründeter Verdacht besteht, dass er schwere Straftaten begangen hat, gegen den konkrete Hinweise bestehen, dass er solche Taten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats plant (lit. b).

 

Des Weiteren hat die Ausschreibung im SIS auch einer Verhältnismässigkeitsprüfung standzuhalten. Der ausschreibende Staat hat gemäss Art. 21 SIS-II-Verordnung zu prüfen, ob Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falles eine Aufnahme im SIS rechtfertigen (Nicole Schneider/Diego R. Gfeller, a.a.O., S. 9).

 

Art. 24 Ziff. 2 lit. a SIS-II-Verordnung knüpft an eine Verurteilung wegen einer Straftat an, «welche mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist». In einem neueren Entscheid 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 hat das Bundesgericht klargestellt, dass dieses Kriterium erfüllt ist, wenn für die begangene Straftat im Gesetz eine Freiheitsstrafe im Höchstmass von einem Jahr mehr vorgesehen ist. An die «Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung» seien keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere sei nicht erforderlich, dass von der betroffenen Person eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung ausgehen würde, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die Annahme einer «Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung» setze damit bei verurteilten Straftätern nicht zwingend ein schweres besonders schweres Delikt voraus. Es genüge, wenn die betroffene Person wegen einer mehrerer Straftaten verurteilt worden sei, welche die öffentliche Sicherheit Ordnung gefährden und die einzeln gemeinsam betrachtet von einer gewissen Schwere seien. Ausgenommen seien somit grundsätzlich lediglich Bagatellfälle. Entscheidend sei zudem nicht das Strafmass, sondern in erster Linie Art und Häufigkeit der Straftaten, die Tatumstände sowie das übrige Verhalten der Person. Auch eine bloss bedingt ausgesprochene Strafe stehe daher einer Ausschreibung im SIS nicht entgegen.

 

Der Beschuldigte wurde wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs verurteilt. Diebstahl ist mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahre bedroht, Hausfriedensbruch mit Freiheitsstrafe bis drei Jahre. Auch die Widerhandlung gegen das Ausländergesetz sieht eine Höchststrafe von 12 Monaten Freiheitsstrafe vor, was für sich gesehen gemäss aktueller bundesgerichtlicher Rechtsprechung bereits für eine SIS-Ausschreibung genügen würde. Wie erwähnt, kommt es nicht auf das konkrete Strafmass, sondern in erster Linie auf die Art und Häufigkeit der Straftaten, die Tatumstände und das übrige Verhalten des Verurteilten an. Es wurde bereits dargelegt, dass der Beschuldigte die öffentliche Ordnung erheblich gefährdet. Die Taten, wegen derer er verurteilt worden ist, weisen nicht lediglich Bagatellcharakter auf. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte bereits ausländerrechtlich rechtskräftig weggewiesen worden ist. Er hat aber auch im Schengenraum keine Aufenthaltsberechtigung und gefährdet dort die öffentliche Ordnung genau so wie in der Schweiz. Die Landesverweisung ist daher im SIS auszuschreiben.

 

VII. Kosten

 

1. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass die verfügte Einstellung des Strafverfahrens wegen zweier marginaler Übertretungen (hinsichtlich der Übertretung gegen das BetmG nur bezogen auf einen gewissen Zeitraum) keine Kostenausscheidung rechtfertigt. Die erstinstanzliche Kostenverlegung ist daher zu bestätigen.

 

2. Im Berufungsverfahren unterliegt der Beschuldigte. Die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft betraf lediglich Strafzumessung und Dauer der Landesverweisung, mithin Elemente, die im Rahmen der Berufung des Beschuldigten ohnehin zu überprüfen gewesen wären. Aus der Anschlussberufung ergab sich für das Berufungsgericht somit kein Zusatzaufwand. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind daher vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen. Sie betragen bei einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00 total CHF 2'080.00.

 

Rechtsanwalt Fabian Brunner macht für das obergerichtliche Verfahren einen Aufwand von elf Stunden, ohne Hauptverhandlung, geltend, was angemessen erscheint. Inklusive Hauptverhandlung und Urteilseröffnung von total vier Stunden sind ihm folglich 15 Stunden zu entschädigen. Die Entschädigung ist daher auf CHF 2'982.85 (inkl. Auslagen von CHF 69.60 und der Mehrwertsteuer von 7,7 %) festzusetzen, zahlbar durch den Staat Solothurn, auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse. Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 807.75 (Differenz zum vollen Honorar à CHF 230.00 pro Stunde, plus MwSt.), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

 

 

Demnach wird in Anwendung der Art. 139 Ziff. 1, Art. 186 StGB; Art. 115 Abs. 1 lit. a und lit. b AIG; Art. 19a Ziff. 1 BetmG; Art. 40, Art. 46 Abs. 1, Art. 47, Art. 49 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 51, Art. 66abis, Art. 106 und Art. 109 StGB; Art. 135, Art. 379 ff., Art. 398 ff. und Art. 416 ff. StPO

 

erkannt:

 

1.    Gemäss rechtskräftiger Ziff. 1 des Urteils des Amtsgerichts von Solothurn-Lebern vom 18. Mai 2021 (nachfolgend erstinstanzliches Urteil) ist das Strafverfahren gegen A.___ wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor dem 25. April 2019, zufolge Eintritts der Verfolgungsverjährung sowie des Verbots der Doppelbestrafung eingestellt.

2.    Gemäss rechtskräftiger Ziff. 2 des erstinstanzlichen Urteils ist das Strafverfahren gegen A.___ wegen Widerhandlung gegen das Personenbeförderungsgesetz, angeblich begangen am 15. April 2019, zufolge fehlenden Strafantrags eingestellt.

3.    Gemäss rechtskräftiger Ziff. 3 lit. e des erstinstanzlichen Urteils hat sich A.___ der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 25. April 2019 bis am 29. Dezember 2020, schuldig gemacht.

4.    A.___ hat sich ferner schuldig gemacht:

  1. des Diebstahls, begangen am 13. Mai 2019;
  2. des Hausfriedensbruchs, begangen am 13. Mai 2019;
  3. des rechtswidrigen Aufenthaltes, begangen in der Zeit vom 10. April 2019 bis am 28. Oktober 2019 und vom 29. Oktober 2019 bis am 29. Dezember 2020;
  4. der rechtswidrigen Einreise, begangen am 29. Oktober 2019.

5.    A.___ wird verurteilt zu:

  1. einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten;
  2. einer Busse von CHF 200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 2019 und zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019.

6.    A.___ sind 330 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft an die Freiheitsstrafe angerechnet.

7.    Der A.___ mit folgenden Urteilen gewährte bedingte Vollzug für eine Geldstrafe ist widerrufen und die Geldstrafen werden als vollstreckbar erklärt:

  1. Urteil der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 9. Dezember 2018: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 30.00;
  2. Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 2. Mai 2019: Geldstrafe 120 Tagessätze zu je CHF 30.00;
  3. Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Mai 2019: Geldstrafe 60 Tagessätze zu je CHF 10.00.

8.    A.___ wird für die Dauer von 4 Jahren des Landes verwiesen.

9.    Die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben.

10.  Es wird festgestellt, dass mit separatem Beschluss vom 7. Dezember 2021 Sicherheitshaft angeordnet worden ist.

11.  Gemäss rechtskräftiger Ziff. 10 des erstinstanzlichen Urteils ist das Begehren der H.___ AG, vertreten durch N.___, abgewiesen.

12.  Gemäss rechtskräftiger Ziff. 11 des erstinstanzlichen Urteils ist die G.___ AG, vertreten durch M.___, zur Geltendmachung ihrer Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

13.  Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Fabian Brunner, wurde von der Vorinstanz rechtskräftig auf CHF 4'760.70 (Honorar CHF 4'095.00, Auslagen CHF 325.35, 7,7 % Mehrwertsteuer CHF 340.35) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 1'225.10 (Differenz zum vollen Honorar à CHF 230.00 pro Stunde), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

14.  A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 4'200.00, zu bezahlen.

15.  Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger des Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Fabian Brunner, wird für das obergerichtliche Verfahren auf CHF 2'982.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu bezahlen.

Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers im Umfang von CHF 807.75 (Differenz zum vollen Honorar à CHF 230.00 pro Stunde), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

16.  Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'000.00, total CHF 2'080.00, hat der Beschuldigte A.___ zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Ramseier



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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