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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2021.59)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2021.59: Verwaltungsgericht

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein Berufungsverfahren vor dem Obergericht, in dem es um mehrfache qualifizierte Veruntreuung, mehrfachen Betrug, mehrfache Urkundenfälschung und Hausfriedensbruch geht. Die Beschuldigte, A.___, wird von der Staatsanwaltschaft angeklagt, unrechtmässig Gelder in Höhe von insgesamt CHF 83'309.25 an sich genommen zu haben. Es wird behauptet, dass sie Bargelder der Bank F.___ angeeignet habe, indem sie entweder Gelder aus dem TWIN-Safe der Bank oder von Kunden am Schalter einbezahlte Gelder unrechtmässig behändigt habe. Die Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe und argumentiert, dass die Beweise aus einer privaten Untersuchung der Bank nicht verwertbar seien. Der Vorsitzende des Gerichts lehnt den Antrag der Verteidigung ab und führt aus, dass die Beweise verwertbar seien. Es folgen weitere Verhandlungen und Anträge seitens der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Letztendlich wird die Beschuldigte zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt, und die Verfahrenskosten werden ihr auferlegt. Die Beschuldigte legt Berufung ein, um einen Freispruch zu erwirken und eine Entschädigung zu erhalten.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2021.59

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2021.59
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2021.59 vom 28.03.2022 (SO)
Datum:28.03.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Apos; Beschuldigten; Urkunde; Konto; Urkunden; Kredit; Unterschrift; Staat; Münz; Beweis; Täter; Recht; Auszahlung; Staatsanwalt; Hausdurchsuchung; Beleg; Urkundenfälschung; Kunde; Betrag; Dokument; Unterlagen; Geldstrafe; Bankkunde; Urteil
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;Art. 110 StGB ;Art. 126 StPO ;Art. 137 StGB ;Art. 138 StGB ;Art. 139 StGB ;Art. 146 StGB ;Art. 148 StGB ;Art. 186 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 251 StGB ;Art. 307 StGB ;Art. 31 StGB ;Art. 32 BV ;Art. 34 StGB ;Art. 40 StGB ;Art. 41 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 43 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 50 StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 669 OR ;Art. 9 ZGB ;
Referenz BGE:102 IV 84; 105 IV 225; 114 IV 26; 115 IV 286; 116 Ia 455; 117 IV 7; 120 IV 348; 120 Ia 36; 122 IV 279; 123 IV 113; 126 I 19; 131 IV 129; 132 IV 12; 133 IV 235; 134 IV 17; 134 IV 1; 134 IV 97; 135 IV 76; 136 IV 1; 136 IV 55; 137 IV 167; 137 IV 57; 138 IV 120; 138 IV 130; 138 IV 209; 142 IV 265; 143 IV 361; 144 IV 217;
Kommentar:
Hans, Schweizer, Basler Schweizerische Strafprozessordnung, 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2021.59

 
Geschäftsnummer: STBER.2021.59
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 28.03.2022 
FindInfo-Nummer: O_ST.2022.45
Titel: mehrfache qualifizierte Veruntreuung, mehrfacher Betrug, mehrfache Urkundenfälschung, Hausfriedensbruch

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 28. März 2022

Es wirken mit:

Vizepräsident Kiefer, Vorsitz

Oberrichter Frey    

Oberrichter Marti   

Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker

 

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Andreas Miescher,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

 

betreffend     mehrfache qualifizierte Veruntreuung, mehrfacher Betrug, mehrfache Urkundenfälschung, Hausfriedensbruch


Es erscheinen zur Hauptverhandlung vor Obergericht vom 23. März 2022:

1.      Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin, in Begleitung der Untersuchungsbeamtin C.___;

2.      A.___, Beschuldigte und Berufungsklägerin;

3.      Rechtsanwalt Andreas Miescher, amtlicher Verteidiger.

 

Zudem erscheint:

-        eine Gerichtsberichterstatterin der Solothurner Zeitung.

 

Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung, stellt die Anwesenden fest und gibt die Besetzung des Berufungsgerichts bekannt. Er fasst in der Folge die wesentlichen Punkte des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 31. März 2021 zusammen, gegen welches die Beschuldigte die Berufung anmelden liess. Er nennt die mit Berufungserklärung vom 14. Juli 2021 angefochtenen Dispositivziffern und verliest die von der Berufungsklägerin verlangten Abänderungen (vgl. hierzu im Einzelnen nachfolgende Ziff. I.14.). Ebenso verweist er auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anschlussberufungserklärung, mit welcher die Strafzumessung angefochten und eine höhere Freiheitsstrafe beantragt wird. Hierauf stellt der Vorsitzende die bereits in Rechtskraft erwachsenen Punkte des erstinstanzlichen Urteils fest (vgl. hierzu im Einzelnen nachfolgende Ziff. I.16.). Den vorgesehenen weiteren Verhandlungsablauf skizziert er wie folgt:

 

1. Vorbemerkungen und Vorfragen der Parteivertreter;

2. Einvernahme der Beschuldigten;

3. etwaige weitere Beweisanträge und Abschluss des Beweisverfahrens;

4. Parteivorträge;

5. letztes Wort der Beschuldigten;

6. geheime Urteilsberatung;

7. Urteilseröffnung.

 

Des Weiteren wird der amtliche Verteidiger gebeten, seine Honorarnote für das Berufungsverfahren Staatsanwalt B.___ zur Einsicht vorzulegen, damit dieser dazu im Rahmen seines Parteivortrages Stellung nehmen kann.

 

Staatsanwalt B.___ wirft keine Vorfragen auf und hat keine Vorbemerkungen.

 

Rechtsanwalt Andreas Miescher stellt vorfrageweise folgende Anträge:

 

« Folgende Belege seien aus den Akten zu weisen:

-     Beilage 16 zur Anzeige der Bank;

-     Beilagen 5, 6, 8, 13-15, 20-23, 25-48, 54-56 zur Anzeige.

 

Zudem seien sämtliche gestützt auf diese Beilagen erhaltenen Erkenntnisse als unverwertbar zu qualifizieren.»

                                                                                               

Zur Begründung führt der amtliche Verteidiger Folgendes aus: Das vorliegende Verfahren sei mit der Anzeige der Bank F.___ eingeleitet worden, wobei diese Anzeige auch diverse Beilagen beinhaltet habe. Bei der Beilage 16 der Anzeige handle es sich um einen Privatkontoauszug seiner Mandantin. Diese habe aber nie in die Offenlegung dieses privaten Dokumentes eigewilligt und das Bankgeheimnis gelange auch in Bezug auf eine Bankangestellte, die bei der Bank ein Konto habe, zur Anwendung. Dieses Dokument müsse deshalb aus den Akten gewiesen werden und die aus dem Auszug gewonnenen Erkenntnisse seien nicht verwertbar. Auch die Beilagen 5, 6, 8, 13-15, 20-23, 25-48, 54-56 zur Anzeige seien in Verletzung des Bankgeheimnisses und damit widerrechtlich erlangt worden. Hier gehe es um Bankunterlagen anderer Bankkunden, auch diese Unterlagen seien zu den Akten genommen worden, ohne dass zuvor die Zustimmung der geschützten Bankkunden eingeholt worden wäre. Dabei gelte es zu beachten, dass nur seine Mandantin in der Verfahrensrolle der Beschuldigten am Verfahren teilnehme, während diese Bankkunden nicht zu den beschuldigten Personen zählten. Die Staatsanwaltschaft hätte diese Unterlagen formell edieren müssen, was aber unterblieben sei. Auch diese Beilagen müssten folglich aus den Akten gewiesen werden und sämtliche darauf beruhenden Beweiserkenntnisse sowie die Folgebeweise seien nicht verwertbar.

 

Die Staatsanwaltschaft beantragt, es sei der Verfahrensantrag abzuweisen und sämtliche Dokumente der Bank F.___ hätten in den Akten zu bleiben, dies mit sinngemäss folgender Begründung: Die Anzeige der Bank F.___ sei von der Staatsanwaltschaft zusammen mit den Beilagen zu den Akten genommen worden. Dann habe die Staatsanwaltschaft «nachediert», d.h. weitere Unterlagen bei der Bank eingeholt. Man habe aber nicht eine Editionsverfügung erlassen in Bezug auf Bankdokumente, die aufgrund der Anzeige der Bank F.___ ohnehin bereits in die Verfahrensakten integriert gewesen seien. Dies ergebe aus Sicht der Staatsanwaltschaft keinen Sinn und käme einem Schattenboxen gleich. Würde man bei dieser Ausgangslage eine Editionsverfügung als zwingend erforderlich erachten, bewege man sich im Bereich des überspitzten Formalismus. Auch gelte es zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Strafverfahrens das Bankgeheimnis nicht zur Anwendung gelange.

 

In der Folge wird die Hauptverhandlung kurz unterbrochen, damit das Berufungsgericht den Antrag der Verteidigung geheim beraten kann.

 

Der Vorsitzende eröffnet mündlich folgenden Beschluss:

 

« Der Antrag der Berufungsklägerin, wonach die Beilagen 5, 6, 8, 13-16, 20-23, 25-48, 54-56 zur Anzeige der Bank F.___ aus den Akten zu weisen und die daraus gewonnenen beweisrechtlichen Erkenntnisse als unverwertbar zu erklären seien, wird abgewiesen.»

 

Zur Begründung führt der Vorsitzende zusammengefasst und sinngemäss Folgendes aus:

 

Im Strafverfahren gelte das Bankgeheimnis nicht und dementsprechend könne sich die beschuldigte Person nicht auf dieses berufen. Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgen würde, wäre der Antrag der Berufungsklägerin abzuweisen. Wenn die Verteidigung vorliegend geltend mache, die Bankunterlagen hätten nicht mit der eingereichten Strafanzeige, sondern nur mit einer formellen Editionsverfügung zu den Verfahrensakten genommen werden dürfen, frage sich, ob sich eine solche Formstrenge überhaupt sachlich rechtfertigen lasse ob dies nicht einem formalistischen Leerlauf gleichkäme und deshalb überspitzt formalistisch wäre. Auf jeden Fall könne das Fehlen einer formellen Editionsverfügung in der vorliegenden Konstellation – wenn überhaupt – nur als Verletzung einer Ordnungsvorschrift und nicht als Verletzung einer Gültigkeitsvorschrift qualifiziert werden. Beweise, bei deren Erhebung blosse Ordnungsvorschriften verletzt worden seien, blieben verwertbar. Demzufolge sei der Antrag der Berufungsklägerin abzuweisen.

 

Es folgt nach vorgängiger Belehrung die Befragung der Beschuldigten zur Sache und Person (Audio-Datei: Akten des obergerichtlichen Verfahrens, Aktenseite [nachfolgend zitiert «OGer AS»] 80, separates Einvernahmeprotokoll: OGer AS 81 - 92).

 

Staatsanwalt B.___ stellt und begründet für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin folgende Anträge (Plädoyernotizen: OGer AS 93 -105):

 

« 1.    A.___ sei wegen gewerbsmässigem Diebstahl, mehrfachem Betrug, mehrfacher Urkundenfälschung sowie Hausfriedensbruchs gestützt auf die Anklageschrift vom 17. März 2021 schuldig zu sprechen.

  2.    A.___ sei zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von vier Jahren, zu verurteilen.

Weiter sei sie zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu einer vom Gericht zu bestimmenden Tagessatzhöhe, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 4 Jahren, zu verurteilen.

3.    Die Verfahrenskosten seien vollumfänglich der Beschuldigten aufzuerlegen.»

 

Der amtliche Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Miescher, verlangt im Namen und Auftrag der Beschuldigten und Berufungsklägerin, es seien die folgenden Anträge gemäss Berufungserklärung vom 14. Juli 2021 (OGer AS 1) zu bestätigen (Parteivortrag: Audio-Datei: OGer AS 106):

 

« 1.  Die Beschuldigte sei freizusprechen.

  2.  Der Beschuldigten sei eine Entschädigung/Genugtuung in Höhe von CHF 15'000.00 zu bezahlen.

  3.  Es seien die Kosten der amtlichen Verteidigung im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren gemäss den eingereichten Honorarnoten vom Staat zu tragen.

  4.  Es sei der Beschuldigten der Unterzeichnende als amtlicher Verteidiger im Berufungsverfahren zuzuordnen.

  5.  Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.»

 

Die Beschuldigte führt in ihrem letzten Wort sinngemäss Folgendes aus:

 

Ihr sei die Feststellung wichtig, dass sie weder vor noch nach ihrer Tätigkeit bei der Bank F.___ jemals Probleme gar Konflikte mit einem Arbeitgeber gehabt habe. Dass sie ein paar Mal die Stelle gewechselt habe, sei auf die wirtschaftliche Situation auf den Umstand zurückzuführen gewesen, dass es ihr dort nicht gefallen habe. Sie sei ein guter Mensch und nicht kriminell.

 

Es erscheinen zur Urteilseröffnung vor Obergericht vom 28. März 2022 um 14:05 Uhr:

1.      Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin, in Begleitung der Untersuchungsbeamtin C.___;

2.      A.___, Beschuldigte und Berufungsklägerin;

3.      Rechtsanwalt Andreas Miescher, amtlicher Verteidiger.

 

Zudem erscheint:

-        eine Gerichtsberichterstatterin der Solothurner Zeitung.

 

Der Vorsitzende eröffnet die Urteilsverkündung, stellt die Anwesenden fest und verliest die wichtigsten Ziffern des Urteilsdispositivs. Hierauf nimmt er in Bezug auf die einzelne Vorhalte die Beweiswürdigung und in der Folge die rechtliche Würdigung vor. Er begründet summarisch die ausgefällte Freiheits- und Geldstrafe und gibt den Entscheid hinsichtlich der Zivilforderungen sowie der erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten bekannt. Mit dem Hinweis auf die schriftliche Zustellung der Urteilsanzeige sowie auf den Beginn der Rechtsmittelfrist ab Zustellung des motivierten Berufungsurteils endet um 14:30 Uhr die mündliche Urteilseröffnung.

 

 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

 

I. Prozessgeschichte

 

1. Am 9. August 2017 reichte die Bank F.___ gegen Unbekannt eine Strafanzeige wegen des Verdachts strafbarer Handlungen gegen das Vermögen (insbes. Veruntreuung gemäss Art. 138 StGB) ein. In der Begründung führte die Bank aus, dass sich der Hauptverdacht gegen A.___ (in der Folge: Beschuldigte) richte (1-3/2.1.1/1 ff.). Mit Eingaben vom 22. August 2017/21. September 2017 und 19. Dezember 2017 stellte die Bank F.___ der Staatsanwaltschaft drei Ergänzungen der Strafanzeige zu (1-3/2.1.1/45 ff.; 89 ff.; 116 ff.).

 

2. Am 18. August 2017 eröffnete die Staatsanwaltshaft gegen die Beschuldigte eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Veruntreuung (Art. 138 StGB; 1-3/3.1/5).

 

3. Die Staatsanwaltschaft erliess am 21. August 2017 einen Hausdurchsuchungsbefehl (1-3/3.1/8); die Hausdurchsuchung wurde am 17. Oktober 2017 durchgeführt (Bericht Polizei Kanton Solothurn vom 18.10.2017, 1-3/3.1/1 ff.; 12.2.1/4 ff.).

 

4. Am 16. Oktober 2017 dehnte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung auf die Tatbestände des Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) und der Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) aus (1-3/3.1/11).

 

5. Die Beschuldigte wurde anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 vorläufig festgenommen (12.3.1/2 ff.). Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Haftgericht in der Folge mit Verfügung vom 20. Oktober 2017 bis am 15. Dezember 2017 Untersuchungshaft an (12.3.1/24 ff.).

 

Am 11. Dezember 2017 wurde die Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen (12.3.4/1).

 

6. Am 19. Dezember 2017 reichte die Bank F.___ gegen die Beschuldigte eine weitere Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs ein (1-3/2.1.1/121 ff.).

 

7. Am 3. Januar 2018 erfolgte eine weitere Ausdehnungsverfügung wegen Hausfriedensbuchs (12.1.1/3). Am 26. Januar 2018 erliess der Staatsanwalt eine detaillierte Eröffnungsverfügung (12.1.1/4 ff.), welche mit Verfügungen vom 14. September 2018, 6. November 2018 und 31. Januar 2019 wegen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) mehrfach ausgedehnt wurde (12.1.1/10, 12,15).

 

8. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft datiert vom 25. Februar 2019 (1-3/1.4/
1 ff.).

 

9. Mit Beschluss des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 17. Juli 2019 wurden diverse Beweisanträge der Beschuldigten bewilligt und die Akten zwecks Durchführung der erforderlichen ergänzenden Untersuchungen an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen (Verfahrensakten Richteramt Olten-Gösgen, Aktenseiten [nachfolgend zitiert «O-G»] 50 ff.).

 

10. Mit Eingabe vom 7. Oktober 2019 wurden die Akten nach erfolgter Durchführung der Beweismassnahmen an das Amtsgericht Olten-Gösgen retourniert (O-G 57 ff.).

 

11. Am 12. November 2019 wurde den Parteien der Termin für die amtsgerichtliche Hauptverhandlung mitgeteilt (2./3 Juli 2020; O-G 63).

 

Zu Folge Krankheit des fallführenden Gerichtspräsidenten musste diese Verhandlung verschoben werden (O-G 79). Zu Folge interner Reorganisation beim Richteramt musste auch der neu festgesetzte Termin vom 26./27. November 2020 abgesetzt werden (O-G 104).

 

12. Die erstinstanzliche Hauptverhandlung fand schliesslich am 24. März 2021 statt. Vor dieser Verhandlung reichte der Staatsanwalt am 17. März 2021 gestützt auf Art. 333 Abs. 1 StPO noch eine geänderte Anklageschrift ein (ergänzender Eventualvorhalt in Ziff. 1 der Anklageschrift wegen gewerbsmässigen Diebstahls; O-G 116 ff.).

 

13. Am 31. März 2021 hat das Amtsgericht Olten-Gösgen erkannt (O-G 210 ff.):

1.    Die Beschuldigte A.___ hat sich schuldig gemacht:

-       des gewerbsmässigen Diebstahls, begangen in der Zeit vom 26. Februar 2015 bis 21. Juli 2017 (AnklS Ziff. 1.a);

-       des mehrfachen Betruges, begangen in der Zeit vom 14. März 2014 bis 24. März 2014 und in der Zeit vom 1. September 2015 bis 11. September 2015 (AnklS Ziff. 2);

-       der mehrfachen Urkundenfälschung, begangen in der Zeit vom 14. März 2014 bis 6. Juni 2017 (AnklS Ziff. 3);

-       des Hausfriedensbruchs, begangen am 30. Juli 2017 (AnklS Ziff. 4).

2.    Die Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu:

-       einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 4 Jahren;

-       einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je CHF 100.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 4 Jahren.

Die Untersuchungshaft vom 17. Oktober 2017 bis 11. Dezember 2017, total 56 Tage, ist der Beschuldigten im Erstehungsfalle an die Strafe anzurechnen.

3.    Von einer Landesverweisung wird abgesehen.

4.    Folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) sind an die jeweils berechtigte Person herauszugeben:

-       Unterlagen zu [(…)-Center] (Nr. 1: […] gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Handy Iphone 4s ([…])/Code […] (Nr. 4 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an K.___

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 7 (Nr. 7: «Diverse Unterlagen in Sichtmäppli» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 10 (Nr. 10: «Div. Unterlagen Bank F.___/Notizen/etc.» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 12 (Nr. 12: «Unterlagen Theorie [...]-Prüfung» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Lohnabrechnungen» (Nr. 16 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Rechnungen 2016» (Nr. 17 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Verträge» (Nr. 18 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Wohnung» (Nr. 19 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Rechnungen 2012» (bis heute) (Nr. 20 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Tasche «Oro Vivo» mit Einweg Kanülen/Spritzen + Testocyp (Nr. 21 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an K.___

-       Bargeld (4x100/1x50), total CHF 450.00 in Portemonnaie A.___ (Nr. 28 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte.

5.    Folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) werden beschlagnahmt und sind nach Rechtskraft des Urteils an die jeweils berechtigte Person herauszugeben:

-       Einzahlungsscheine bzw. Einzahlungsscheinabrisse (Nr. 2: «Unterlagen Bank G.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Gehaltsabrechnung Juli 2015 von L.___ im Original (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an L.___

-       Gehaltsabrechnung Juli 2015 von M.___ im Original (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an M.___.

6.    Folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) werden beschlagnahmt, eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils zu vernichten:

-       Einzahlungsscheinhefte (Nr. 2: «Unterlagen Bank G.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       drei Kassentransaktionsbelege sowie Konto-Eröffnungsbestätigung (Nr. 1: «Unterlagen Bank F.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Unterlagen Bank G.___ AG, Kopie Niederlassungsbewilligung, Kassentransaktionsbestätigung Bank F.___ AG (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 9 (Nr. 9: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 11 (Nr. 11: «Unterlagen Bank H.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017).

7.    Die Beschuldigte A.___ hat der Privatklägerin Bank F.___, [...], einen Betrag von CHF 50'000.00 nebst Zins zu 5% seit 9. August 2017 zu bezahlen.

8.    Die Zivilforderung der Privatklägerin Bank F.___, [...], in Höhe von CHF 83'309.25 nebst Zins zu 5% seit 21. September 2017 wird dem Grundsatz nach gutgeheissen und im Übrigen auf den Zivilweg verwiesen.

9.    Die Privatklägerin Bank G.___, [...], wird zur Geltendmachung ihrer Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

10.  Der Antrag der Beschuldigten, es sei ihr eine Entschädigung/Genugtuung in Höhe von CHF 15'000.00 zu bezahlen, wird abgewiesen.

11.  Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger der Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Andreas Miescher, wird auf CHF 32'559.65 (inkl. MwSt [8% bis 31.12.2017 / 7.7% seit 01.01.2018] und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des amtlichen Verteidigers in Höhe von CHF 11'553.95 (Differenz zu vollem Honorar, à 250/h inkl. MwSt), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

12.  Die Verfahrenskosten, mit einer Gerichtsgebühr von CHF 18'000.00, belaufen sich auf total CHF 28’055.00 und werden der Beschuldigten zur Bezahlung auferlegt.

 

14. Gegen dieses Urteil meldete die Beschuldigte am 12. April 2021 die Berufung an (O-G 207).

 

Gemäss Berufungserklärung vom 14. Juli 2021 richtet sich die Berufung gegen folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils (OGer AS 1 f.):

 

-       Ziff. 1: Schuldsprüche;

-       Ziff. 2: Sanktion;

-       Ziff. 7 und 8: Zivilforderungen der Bank F.___;

-       Ziff. 9: Zivilforderung der Bank G.___;

-       Ziff. 10: Abweisung Entschädigungsbegehren der Beschuldigten;

-       Ziff. 11: Entschädigung des amtlichen Verteidigers, soweit Rückforderungs- und Nachforderungsanspruch betreffend;

-       Ziff. 12: Verfahrenskosten.

 

Verlangt wird ein vollumfänglicher Freispruch, eine Entschädigung/Genugtuung in Höhe von CHF 15'000.00, die Auflage der Kosten für die amtliche Verteidigung zu Lasten des Staates, die Bestätigung der amtlichen Verteidigung, unter Kosten- und Entschädigungsfolge.

 

15. Am 22. Juli 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung. Diese richtet sich gegen Ziff. 2 des erstinstanzlichen Urteils (Sanktion); beantragt wird die Ausfällung einer höheren Freiheitsstrafe.

 

16. In Rechtskraft erwachsen und damit im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen sind folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

 

-       Ziff. 3: Verzicht der Anordnung der Landesverweisung;

-       Ziff. 4 und 5: Herausgaben beschlagnahmter Gegenstände;

-       Ziff. 6: Einziehungen;

-       Ziff. 11: Entschädigung des amtlichen Verteidigers, soweit die Höhe betreffend.

 

17. Die Berufungsverhandlung fand am 23. März 2022 statt.

 

 

II.  Formelle Einwendungen

 

1. Rüge der Unverwertbarkeit der Beilagen 5, 6, 8, 13-16, 20-23, 25-48, 54-56 zur Strafanzeige der Bank F.___,

 

Die Unverwertbarkeit der vorgenannten Beilagen wurde zu Beginn der Hauptverhandlung auf den entsprechenden Antrag der Verteidigung vorfrageweise behandelt. Es kann hierzu vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen im Verhandlungsprotokoll (S. 2 ff.) verwiesen werden.

 

2. «Fruit of the poisonous tree»-Doktrin/Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten, Unverwertbarkeit von Sekundärbeweisen

 

2.1 Der amtliche Verteidiger macht geltend, es hätten in der Bank F.___ prekäre Verhältnisse geherrscht und es seien in Bezug auf die bankinternen Abläufe krasse Organisationsmängel festgestellt worden. Die Staatsanwaltschaft habe sich aber entschieden, seine Mandantin als einzigen Sündenbock zu präsentieren. Es sei von ihr eine Indizienkette dargelegt worden, mit welcher sich dann auch die Vorinstanz auseinandergesetzt habe. Diese habe sich aber nicht mit der entscheidenden Frage befasst, ob die Grundlage, das Fundament dieser Indizienkette, zutreffe. Vorliegend sei dies nicht der Fall gewesen. Die Untersuchung sei von Anbeginn von der Sündenbock-Problematik geprägt gewesen. Man habe sich auf seine Mandantin eingeschossen. Der Anklage liege grösstenteils nicht eine strafprozessuale Untersuchung, sondern eine ausgedehnte private bzw. bankinterne Untersuchung zu Grunde. Diese Untersuchung von privater Seite habe die Wahrheitsfindung im Strafverfahren regelrecht verunmöglicht. Aus Sicht der Verteidigung sei deshalb alles, was im Anschluss an diese Privatuntersuchung der Bank von der Staatsanwaltschaft entwickelt worden sei, nicht verwertbar. Erkenntnisse aus internen Voruntersuchungen (wie vorliegend die Erkenntnisse eines sog. «Konzerninspektorates») seien gemäss Lehre (mit Hinweis auf Sabine Gless in: Marcel Alexander Niggli/Marianne Heer/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, nachfolgend zitiert «BSK StPO», Art.139 StPO N 47d) nicht verwertbar, weil solche Abklärungen in Verletzung der strafprozessualen Schutzbestimmungen zustande kämen und sich eine solche Verletzung im weiteren Verlauf des Verfahrens auch nicht mehr heilen lasse. Es sei erstellt, dass sich die weiteren Bankangestellten (potentiell verdächtige Personen) untereinander, aber auch mit den potentiell Geschädigten (Bankkunden) über den Verfahrensgegenstand unterhalten hätten. Die Bank hätte die Untersuchung nicht an sich reissen dürfen, sondern hätte zwingend wesentlich früher die Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft überlassen müssen. Als die Sache dann zur Staatsanwalt gelangt sei, sei der Schaden bereits angerichtet gewesen. Alle Folgebeweise, die auf der Privatuntersuchung beruhten, seien unverwertbar. Das Untersuchungsergebnis sei geradezu lehrbuchmässig nur noch die Frucht des vergifteten Baumes.

 

2.2 Die Staatsanwaltschaft hält dem entgegen (vgl. Replik vor Obergericht, OGer AS 107), die Behauptung, wonach die bankinterne Untersuchung alle weiteren im Strafverfahren gewonnenen Beweismittel vergiftet haben solle, sei nicht nachvollziehbar: Die einzige Untersuchungshandlung, welche bankintern getätigt worden sei, habe in der Befragung der Beschuldigten bestanden. Anlässlich dieser Befragung habe die Beschuldigte nichts gesagt, sondern alles abgestritten, so dass davon auch keine Vergiftung habe ausgehen können. Dementsprechend habe die Verteidigung denn auch gar keine Kausalitätskette präsentieren können. Es sei von der Verteidigung nicht aufgezeigt worden, inwiefern sich ein privates Untersuchungsergebnis auf die Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft ausgewirkt und deren Verlauf beeinflusst habe.

 

2.3 Die von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Einwendungen sind zutreffend. Eine «fruit of the poisonous tree»-Problematik ist mit Blick auf die vorliegende Strafuntersuchung nicht zu erkennen. Die von der Bank selber vor Eröffnung der Strafuntersuchung durchgeführte Befragung ihrer damaligen Mitarbeiterin, bei welcher sich diese nicht auf die verfahrensrechtlichen Schutzbestimmungen der StPO berufen konnte, hat keine beweisrechtlich relevanten Erkenntnisse hervorgebracht (vgl. «Interview von Freitag, 28.7.2017» [2.1.1/34 f.]: «A.___ bestritt vehement, dass sie die Bezüge ausgeführt und das Geld an sich genommen habe»). In dieser Befragung kann kein Anknüpfungspunkt und damit Primärbeweis für die staatsanwaltschaftlichen Beweiserhebungen erblickt werden. Auch die von der Verteidigung vorgebrachte Argumentation mit der Absprachemöglichkeit verfängt nicht. Sie beruht auf der falschen Annahme, dass die Frage des bankinternen Organisationsmangels bzw. die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bankmitarbeitenden auf das Münz der Münzmaschine zuzugreifen konnten, im Zentrum der Untersuchung gestanden sei. Tatsache ist aber, dass der Beschuldigten gar nicht vorgeworfen wird, sie habe Münz aus der Münzmaschine entwendet, der Vorhalt lautet vielmehr dahingehend, die Beschuldigte habe sich Bargeld aus dem TWIN-Safe der Bank von Kunden am Schalter einbezahlte Gelder angeeignet und zwecks Verschleierung fiktiv einen Münzmehrbestand verbucht (vgl. hierzu nachfolgende Ziff. III.).

 

3. Rüge der Verletzung des Anklagegrundsatzes

 

3.1 Die Verteidigung rügt vor Berufungsinstanz eine Verletzung des Anklagegrundsatzes: Die Anklagebehörde müsse sich mit der Anklageschrift auf einen Sachverhalt festlegen und dieser müsse auch ausreichend bestimmt sein, damit sich der Beschuldigte dagegen effektiv zur Wehr setzen könne. Diesen Grundsatz habe die Anklagebehörde aber unterlaufen, indem sie parallel zwei unterschiedliche Sachverhalte, nämlich zum einen die mehrfache qualifizierte Veruntreuung und zum anderen den gewerbsmässigen Diebstahl, zur Anklage gebracht und damit dem Gericht zur Auswahl gestellt habe.

 

3.2 Die Staatsanwaltschaft hält dem entgegen (vgl. Replik, OG AS 107), es gehe sowohl bei der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung als auch beim eventualiter angeklagten gewerbsmässigen Diebstahl um denselben Lebenssachverhalt, es werde dasselbe Vorgehen zur selben Zeit umschrieben, eine Divergenz sei nicht erkennbar und die zum Teil gewählte unterschiedliche Wortwahl in AKS Ziff. 1.1 – 1.3 gegenüber Ziff. 1.a)1.-3. sei auf die Terminologie der beiden Gesetzesbestimmungen zurückzuführen. Der Unterschied liege folglich ausschliesslich in der rechtlichen Würdigung.

 

3.3 Der Anklagegrundsatz verteilt die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und den Gerichten andererseits. Er bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens und bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 126 I 19 E. 2a S. 21; BGE 120 IV 348 E. 2b S. 353 f. mit Hinweisen). Konkretisiert wird der Anklagegrundsatz zur Hauptsache durch die Anforderungen, welche an die Anklageschrift gestellt werden. Diese hat eine doppelte Bedeutung. Sie dient einerseits der Bestimmung des Prozessgegenstandes (Umgrenzungsfunktion) und sie vermittelt andererseits dem Angeschuldigten die für die Durchführung des Verfahrens und die Verteidigung notwendigen Informationen (Informationsfunktion), wobei die beiden Funktionen von gleichwertiger Bedeutung sind (BGE 133 IV 235 E. 6.2 S. 244 f. mit Hinweis auf BGE 120 IV 348 E. 2c S. 354 und  BGE 116 Ia 455 E. 3a/cc). Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK hat der Beschuldigte im Zeitpunkt der Anklageerhebung das Recht darauf, in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden. Dadurch soll der Angeklagte vor Überraschung und Überrumpelung geschützt und ihm eine effektive Verteidigung ermöglicht werden (Urteil des Bundesgerichts 6P.183/2006 vom 19.3.2007 E. 4.2).

 

Sowohl unter dem Titel der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (AKS Ziff. 1.1 - 1.3) als auch unter dem Titel des gewerbsmässigen Diebstahls (AKS Ziff. 1.a)1.-3.) wird der Beschuldigten zur Last gelegt, sie habe zu denselben Tatzeiten (Zeitraum zwischen dem 26.2.2015 und 28.7.2017, am 4.5.2015 und 5.4.2017) am identischen Tatort (Bank F.___ [Ort 1]) dieselben Tathandlungen mit derselben Absicht vorgenommen: Der Beschuldigten wird zusammengefasst vorgehalten, sie habe, in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, Bargelder in der Höhe von insgesamt CHF 83'309.25 aus dem TWIN-Safe der Bank am Kundenschalter der Bank (AKS Ziff. 1.1/1.a)1.), Bargeld in der Höhe von insgesamt CHF 10'000.00 unter gleichzeitiger Belastung des Kundenkontos von [Bankkundin 4] (AKS Ziff. 1.2/1.a)2.) sowie Bargeld in der Höhe von insgesamt CHF 50'000.00 aus dem Schliessfach der Tresoranlage der Bank F.___ unter gleichzeitiger Belastung der Bankkundenkonti von [Bankkundin 1], [Bankkunde 2] und [Bankkunde 3] (AKS Ziff. 1.3/1.a)3.) behändigt. Damit steht fest, dass ein und derselbe konkretisierte Lebensvorgang Gegenstand der jeweiligen Anklageziffern bildet und die Rüge der Verteidigung, wonach die Anklagebehörde mit zwei Sachverhalten dem Gericht eine unzulässige Auswahlsendung präsentiert habe, fehlgeht. Die Frage, ob sich die der Beschuldigten vorgehaltenen Tathandlungen im Ergebnis zu Lasten der Bank F.___ (vgl. AKS Ziff. 1.1/1.a.1. sowie 1.a)2. und 1.a)3.) zu Lasten der einzelnen Bankkunden (vgl. AKS Ziff. 1.2 und 1.3) ausgewirkt haben, betrifft ausschliesslich die rechtliche Qualifikation und wird nachfolgend behandelt.

 

 

III.   AKS Ziff. 1.a)1.: Gewerbsmässiger Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB; Münzfehlbetrag von CHF 83'309.25)

 

1.1 Vorhalt

 

Der Vorhalt gemäss AKS Ziff. 1a)1. lautet wie folgt:

 

« Begangen zwischen dem 26. Februar 2015 und dem 28. Juli 2017 in [Ort 1], [...], Bank F.___, indem A.___ zuungunsten der Bank F.___ unrechtmässige Gelder in der Höhe von insgesamt CHF 83'309.25 zur Aneignung weggenommen hat, um sich selbst einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern.

 

  Konkret hat sich A.___ Bargelder der Bank F.___ angeeignet, indem sie in mehreren Malen entweder Bargelder aus dem TWIN-Safe der Bank aber von Kunden am Schalter einbezahlte Gelder behändigt hat. Diese Gelder befanden sich im Gewahrsam der Bank F.___, welcher durch die von der Beschuldigten getätigte Wegnahme der Gelder von insgesamt CHF 83'309.25 gebrochen wurde. Als Bankangestellte hatte die Beschuldigte zwar Zugriff auf die Geldbeträge, jedoch höchstens untergeordneter Gewahrsam an diesen. Um das Fehlen dieser Bargelder zu verschleiern, hat sie den Betrag der Bargelder, welche sie sich jeweils an einem bestimmten Tag unrechtmässig angeeignet hat, als zusätzlichen Münzmehrbestand der Münzmaschine im internen Buchungssystem «[…]» eingegeben. Dadurch hat sie nie stattgefundene Bareinzahlungen in Form von Münzeingängen verbucht, um das Fehlen der sich angeeigneten Gelder buchhalterisch zu kompensieren. Die Zählung des Münzbestandes in der Münzmaschine vom 26. Februar 2015 ergab einen Betrag von CHF 8'187.90, was mit den in das Buchungssystem eingegebenen Daten übereinstimmte und daher zu einer Differenz von CHF 0.00 führte. Anlässlich der nächsten vollständigen Zählung des Bargeldes vom 4.September 2017 ergab der Münzbetrag in der Münzmaschine einen Betrag von CHF 21'857.15. Gemäss den in das interne Buchungssystem eingegebenen Daten hätte jedoch ein Münzbestand von CHF 105'166.40 vorhanden sein müssen, was eine Differenz von CHF 83'309.25 ergibt.»

 

1.2 Im Sinne einer allgemeinen Vorbemerkung sind folgende unbestrittene Tatsachen festzuhalten:

 

1.2.1 Die Beschuldigte war seit dem 1. März 2013 bei der Bank F.___ als Kundenberaterin tätig. Vorher hatte sie ebenfalls bei einer Bank gearbeitet ([…], vgl. 1-3/2.1.1/48).

 

Am 21. Juli 2017 fuhr die Beschuldigte in die Ferien. Nach ihrer Rückkehr wurde sie am 28. Juli 2017 von ihrer Tätigkeit suspendiert; sie war somit nach dem 21. Juli 2017 nicht mehr für die Bank tätig (5.2.1/4).

 

Mit Schreiben vom 3. August 2017 löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit der Beschuldigten fristlos auf (4.1.1/323).

 

1.2.2 Die Beschuldigte lebte seit ca. 2001 bis ca. Ende 2017/anfangs 2018 in einer Beziehung mit K.___. Der Vater ihres damaligen Lebenspartners ist L.___ (10.1.1/10, 14).

 

2. Gemäss ergänzter Strafanzeige vom 21. September 2017 (2.1.1/91) und Vorhalt in der Anklageschrift ging die Beschuldigte alternativ wie folgt vor:

 

-           Die Beschuldigte entnahm aus dem sogenannten TWIN-Safe, der zur Abwicklung von Kassentransaktionen (Ein- und Auszahlungen) diente und der ausschliesslich Noten in Schweizer Franken enthielt (1-3/2.1.1/6), Banknoten ohne Kundenkontakt. Sodann erhöhte sie im internen Buchungssystem im Rahmen des abendlichen Kassenabschlusses den Münzbestand manuell in der Höhe des entsprechenden Betrages, so dass keine Kassendifferenz entstand.

 

-           Bei einem Kundenkontakt am Schalter nahm die Beschuldigte den Geldbetrag, den der Kunde auf sein Konto einbezahlen wollte, entgegen und eignete sich diesen an. Sie schrieb den Betrag dem Konto des Kunden gut. Aufgrund der Aneignung durch die Beschuldigte wies der Notenbestand einen Minussaldo auf, welchen sie über die Erhöhung des Münzbestandes im internen Buchungssystem ausglich.

Wie bereits unter Ziff. II.2.3 dargelegt, sei an dieser Stelle nochmals betont, dass der Einwand der Verteidigung, es habe im Zusammenhang mit dieser Münzmaschine krasse bankinterne Organisationsmängel gegeben, weil insbesondere der Raum nicht abgeschlossen worden und der Automat für alle Mitarbeitende frei zugänglich gewesen sei, an der Sache vorbeigeht. Eine Wegnahme von Münz wird der Beschuldigten nicht vorgehalten, so dass nicht von Relevanz ist, ob andere Mitarbeitende Zugang zur Münzmaschine hatten ob in diesem Zusammenhang ein allfälliger Organisationsmangel vorlag.

 

3. Zu den Betriebsabläufen bezüglich Bargeldverkehr bei der Bank F.___ ist Folgendes festzuhalten:

 

3.1 Gemäss Ergänzungen zur Strafanzeige der Bank F.___ vom 21. September 2017 (1-3/2.1.1/89 ff.) wurden Münzen, welche von Kunden zur Bank gebracht worden waren, vom Schaltermitarbeiter entgegengenommen und von diesem in eine Münzzählmaschine zur Zählung geworfen. Der Schaltermitarbeiter notierte die gezählte Summe und bezahlte dem Kunden diese (hauptsächlich in Noten) aus schrieb den entsprechenden Wert dem Konto des Kunden gut. Gleichzeitig notierte er die gezählte Summe handschriftlich auf einem Zettel. Die Münzen landeten in einem offenen Behälter in der Bancomatzone ausserhalb des Kundenbereichs.

 

3.2 Der Bestand «Münzmaschine» wurde nicht täglich gezählt. Die handschriftlich festgehaltenen Tageseinnahmen wurden jeweils zusammengezählt und zum Bestand des Vortages hinzugezählt (vgl. z.B. Bestand per 26. Februar 2015:1-3/2.1.1/95 f.). Die Summe des Gesamtbestandes wurde in das interne Buchungssystem eingegeben.

 

4. Die letzte vor der Entdeckung der Manipulationen erfolgte vollständige Zählung des Münzbestandes ergab am 26. Februar 2015 eine Summe von CHF 8'187.90 und stimmte mit den Buchungen im internen Buchungssystem überein (1-3/2.1.1/90, 95 f.).

 

Am 4. September 2017 ergab eine Zählung des Münzbestandes einen Betrag von CHF 21'857.15. Verbucht im internen Buchungssystem war dagegen ein Betrag von CHF 105'166.40. Im Umfang des Differenzbetrages von CHF 83'309.25 wurden somit im internen Buchungssystem mehr Münzeingänge erfasst als effektiv erfolgt sind (1-3/2.1.1/91, 111 ff.).

 

Es lag damit die Vermutung nahe, dass fiktiv Münzeinnahmen erfasst wurden, um buchungstechnisch einen erhöhten Münzbestand auszuweisen und damit Lücken im Notenbestand zu kompensieren. Wie der von der Bank F.___ eingereichten Aufstellung entnommen werden kann, betrug der Nettozuwachs der Münzeinnahmen an den Tagen, an welchen die Beschuldigte den Abschluss vornahm, während der vorgehaltenen Deliktszeit insgesamt ca. CHF 138'000.00, während bei den übrigen Mitarbeitern gesamthaft ein Minussaldo von ca. CHF 41'000.00 bestand (1-3/2.1.1/ 91, 98 ff.).

 

5. Am 8. November 2017 wurde in Anwesenheit der Beschuldigten und ihres Vertreters O.___ als Zeuge einvernommen (10.2.3/1 ff.). O.___ war bei der Bank F.___ seit dem 1. Januar 2007 Leiter des Privatkundenteams und damit Vorgesetzter der Beschuldigten.

 

Er führte zum Ablauf, wenn ein Kunde Münz auf die Bank bringe, Folgendes aus: Das Münz werde vom bedienenden Mitarbeiter zum Münzautomaten gebracht und dort gezählt. Es falle nach Einheit in diverse Schubladen. Diesen Vorgang nehme der Mitarbeiter in den meisten Fällen alleine vor. Er notiere manuell den gezählten Betrag. Der effektive Bestand der Münzen in der Maschine werde nur sehr unregelmässig kontrolliert. Man verlasse sich auf die notierten Angaben der Mitarbeiter.

 

Der Bestand nehme ab, wenn Münzen an die Firma «[…]» rückgeschoben würden. Die Zählung des rückgeschobenen Betrages erfolge durch die Maschine. Vom internen Inspektorat sei ihm zugetragen worden, dass es manchmal kleine Abweichungen von CHF 6.00 - CHF 10.00 gegeben habe.

 

Die Leitung Cash habe die Beschuldigte innegehabt. Es sei nicht möglich, zu sagen, welcher Mitarbeiter die meisten Münzbestände verbucht habe. Die Bank habe eine Offerte erstellen lassen für eine Maschine, welche auch direkt hätte verbuchen können. Die Bankleitung habe sich dann aber gegen die Anschaffung einer solchen Maschine entschieden.

 

6. S.___ arbeitete von Ende Januar bis Ende Oktober 2017 bei der Bank F.___ in [Ort 1] als Praktikant.

 

Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 29. November 2017 führte er als Auskunftsperson aus (10.2.2/1 ff.), dass die Münzmaschine den Betrag, den sie gezählt habe, jeweils angezeigt habe. Diesen Betrag habe er jeweils auf einem Papier notiert.

 

Er könne sich nicht genau erinnern, dass ein Kunde einmal CHF 8'000.00 in Münzen zur Einzahlung gebracht habe (vgl. dazu: Bestandesveränderung am 17.5.2017 um CHF 8'000.00, 1-3/2.1.1/98). Es sei einmal ein Kunde mit einer Roll-Tasche gekommen, er wisse nicht mehr genau, wieviel Münz in dieser Tasche gewesen sei. Er wisse aber, dass diese Tasche schwer gewesen sei.

 

Während seiner Zeit bei der Bank F.___ sei der effektive Münzbestand nur einmal, am 4. September 2017, gezählt worden. Der Kassenabschluss des Münzzählautomaten sei entweder durch ihn die Beschuldigte täglich am Computer gemacht worden, indem die Bestände angepasst worden seien.

 

Der Eintrag des Betrages, welchen die Maschine gezählt habe, sei auf einem Blatt Papier, welches beim Schalter gelegen habe, vorgenommen worden. Diese Eintragung sei im Hinblick auf den Kassenabschluss am Abend erfolgt.

 

7. Die Beschuldigte bestritt anlässlich der Einvernahme vom 17. Oktober 2017 den Vorhalt (10.1.1/ 11 ff.). Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 17. November 2017 /10.1.1/ 69, 81) führte sie aus, es treffe zu, dass der Bestand des Münzautomaten nicht jeden Tag gezählt worden sei. Man habe aber die Belege addiert und so den Abschluss gemacht.

 

Vor Obergericht führte sie aus, beim täglichen Kassenabschluss (Zusammenzählen der handschriftlichen Einträge) habe das 4-Augen-Prinizip gegolten (OGer AS 82).

 

(Auf den Vorhalt, wonach der Münzbestand an den Tagen, an welchen sie den Abschluss gemacht habe bzw. sie verantwortlich gewesen sei, zugenommen habe) Sie habe nie das Gefühl gehabt, dass der Münzbestand bei ihr besonders hoch gewesen sei. Er sei immer ausgeglichen gewesen (OGer AS 83).

 

(Auf Vorhalt der zahlreichen und umfangreichen Bareinzahlungen auf ihren Konten in der Zeit zwischen Februar 2015 bis Juli 2017) Dieses Geld sei von ihrem Ex-Freund ihrer Familie gekommen. (Auf entsprechende Frage) Nein, sie habe neben ihrem Lohn bei der Bank F.___ keine weiteren Einkünfte gehabt (OGer 83 f.).

 

8. Beweiswürdigung und Beweisergebnis

 

8.1  Allgemeines zur Beweiswürdigung

 

8.1.1 Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: Es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff., 127 I 40 f.) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.

 

Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (BGE 115 IV 286).

 

8.1.2 Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): Es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.

 

8.1.3 Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile 6B_360/2016 vom 1.6.2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie 6B_332/2009 vom 4.8.2009 E. 2.3; je mit Hinweisen).

 

8.2 Es ist gestützt auf die Ausführungen in der Strafanzeige und den Aussagen von O.___ und S.___ erstellt, dass die Mitarbeiter der Bank F.___ die Münzmaschine jeweils alleine bedienten und den von dieser gezählten Betrag auf ein Papier schrieben, welches offenbar beim Kundenschalter deponiert war. Die Beschuldigte war somit nicht die einzige Person, welche diese Tätigkeit vornahm. Es ist ebenfalls erstellt, dass jeweils am Abend ein Kassenabschluss vorgenommen wurde. Zu diesem Zweck wurden die während des Tages notierten Zahlen zusammengezählt und im internen Buchungssystem eingegeben. Diesen Kassenabschluss nahm in zahlreichen Fällen die Beschuldigte vor. Die Umsetzung des 4-Augen-Prinizips beim Kassenabschluss, wie dies von der Beschuldigten anlässlich der Einvernahme vor Obergericht geltend gemacht wird, geht aus der von der Bank F.___ erstellten Auflistung (1-3/2.1.1/98 ff.) nicht hervor. Der Auflistung kann aber entnommen werden, dass auch andere Mitarbeiter für den Abschluss besorgt waren ([Mitarbeiter 1], [Mitarbeiter 2], [Mitarbeiter 3], [Mitarbeiter 4], S.___, vgl. 1-3/2.1.1/98 ff.). Eine effektive Kontrolle des Münzbestandes erfolgte jedoch, wie erwähnt, während der vorgehaltenen Tatzeit nie.

 

8.3 Während der vorgehaltenen Tatzeit von 29 Monaten (März 2015 - Juli 2017) wurden Münzeinzahlungen von CHF 83'309.25 CHF 2'872.75 pro Monat im internen Buchungssystem eingegeben. Es ist trotz der Aussagen von O.___, wonach die Münzzählmaschine teilweise ungenau zählte, ausgeschlossen, dass diese hohe Differenz auf die mangelnde Funktion der Maschine zurückzuführen ist, handelte es sich doch jeweils nur um marginale Abweichungen im kleinen Frankenbereich, welche festgestellt wurden. Ebenso ist ausgeschlossen, dass eine Differenz in dieser Grössenordnung auf eine unsachgemässe Bedienung der Maschine durch einen mehrere Mitarbeiter der Bank zurückzuführen ist. Die Kontrolle vom 26. Februar 2015 ergab eine Differenz von CHF 0.00 (vgl. 1-3/2.1.1/110) und es sind auch aus früheren Zeiten keine Differenzen bekannt. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Differenz von CHF 83'309.25 seit dem 26. Februar 2015 absichtlich herbeigeführt worden ist.

 

8.4 Den definitiven Kassenabschlüssen vom 26. Februar 2015 und 4. September 2017 (1-3/2.1.1/95 f., 111 f.) kann entnommen werden, dass diese Notengelder und Münzgeld enthalten. Wenn nun absichtlich im internen Buchungssystem zu hohe Münzbestände eingebucht wurden, konnte dies nur den Zweck haben, den zu tiefen Bestand von Notengeldern zu verschleiern.

 

8.5 Eine Prüfung der Täterschaft der Beschuldigten ergibt Folgendes:

 

8.5.1 Die Beschuldigte hat, wie erwähnt, während der vorgehaltenen Deliktszeit in überwiegender Mehrzahl die Kassenabschlüsse vorgenommen (264 Buchungen sind verzeichnet: 1-3/2.1.1/98 ff.). Der Nettozuwachs des Münzbestandes betrug bei den von ihr vorgenommenen Kassenabschlüssen CHF 138'000.00 (1-3/2.1.1/91). Damit ist die Aussage der Beschuldigten vor Obergericht, wonach bei ihr der Münzbestand ausgeglichen und nichts besonders hoch gewesen sei (OGer AS 83), widerlegt. Neben der Beschuldigten haben im angeklagten Tatzeitraum sieben weitere Bankangestellte Eingänge über diese Münzmaschine verbucht (vgl. 1-3/2.1.1/98 ff.), wobei – im Vergleich mit der Beschuldigten – deutlich weniger Verbuchungen erfolgten und die Buchungen dieser Mitarbeitenden eine weitaus kürzere Zeitspanne erfassten: Die zweitmeisten Verbuchungen verzeichnete der Praktikant S.___ (vgl. 1-3/2.1.1/107-109). Aufgrund seiner Verbuchungen nahm der Münzbestand um ca. CHF 25'000.00 ab. Bei den von [Mitarbeiter 3] getätigten Buchungen resultierte (wie bei der Beschuldigten) ebenfalls ein Nettozuwachs, wenn auch umfangmässig wesentlich tiefer (rund CHF 12'000.00). Auffallend ist, dass die Buchungen der anderen sieben Mitarbeitenden gesamthaft einen Minussaldo von CHF 41'000.00 ergaben (1-3/2.1.1/91).

 

Dieser Umstand stellt ein starkes Indiz für eine Täterschaft der Beschuldigten dar, wenn auch in diesem Zusammenhang den Arbeitsabläufen in der Bank Beachtung zu schenken ist: Die Beschuldigte war nicht die einzige Person, welche Geld in den Münzzählautomaten einspeiste und den gezählten Betrag anschliessend auf ein Papier notierte. Es ist also denkbar, dass ein anderer Mitarbeiter eine Münzzählung vornahm und in der Folge auf das Papier eine zu hohe und damit falsche Zahl notierte, um die Wegnahme von Notengeld zu vertuschen. In diesem Fall hätte die Beschuldigte am Abend die zu hohen und damit falschen Zahlen addiert, ohne für diese verantwortlich zu sein.

 

S.___, der zu dieser Zeit als Praktikant mit der Beschuldigten zusammenarbeitete, führte aus, es sei einmal ein Kunde mit einer Roll-Tasche gekommen, er wisse nicht mehr genau, wieviel Münz in dieser Tasche gewesen sei. Er wisse aber, dass diese Tasche schwer gewesen sei. Er schloss damit nicht aus, dass eine Einzahlung in dieser Grössenordnung tatsächlich in Münzen erfolgt ist. Ein Blick auf die Auflistung der Kassenabschlüsse ab dem 26. Februar 2015 (1-3/2.1.1/98 ff.) zeigt, dass es durchaus auch andere Tage gab, an welchen der Saldo der Münzzählmaschine stark anstieg (z.B. 11.8.2015: CHF 6'039.60; 4.1.2016: CHF 5'163.10; 13.9.2016: CHF 5'100.00).

 

Der hohe Nettozuwachs des Münzbestandes, der sich aus den Kassenabschlüssen der Beschuldigten ergibt, erlaubt deshalb für sich allein keinen zwingenden Rückschluss auf deren Täterschaft.

 

8.5.2 Am 17. Mai 2017 erfolgte eine Saldoveränderung um CHF 8'000.00 (1-3/2.1.1/108). Die Beschuldigte nahm an diesem Tag eine Einzahlung von CHF 8'000.00 entgegen (1-3/2.1.1/113).

 

Auch dieser Umstand stellt ein starkes Indiz für eine Täterschaft der Beschuldigten dar, könnte sie die einbezahlten Kundengelder von CHF 8'000.00 doch zurückbehalten und den Münzsaldo fingiert um diesen Betrag erhöht haben. Zudem erweist sich eine Münzabgabe eines Kunden im Umfang von exakt CHF 8'000.00 als derart unwahrscheinlich, dass sie als alternative Sachverhaltsthese nicht zu überzeugen vermag.

 

Hinzu kommt, dass die Beschuldigte am 17. Mai 2017, 17:18 Uhr, auf ihr Privatkonto bei der Bank F.___ in bar den Betrag von CHF 1'000.00 einbezahlte (6.3/281).

 

8.5.3 Im Hinblick auf die Frage der Täterschaft sind nachfolgend die Finanzflüsse bei der Beschuldigten einer näheren Prüfung zu unterziehen. Für den vorgehaltenen Tatzeitraum ist Folgendes festzuhalten:

 

8.5.3.1 Der Lohn der Beschuldigten wurde von der […] Bank F.___ auf das auf ihren Namen lautende Privatkonto bei der Bank J.___ überwiesen.

 

Von Februar 2015 bis Juli 2017 erfolgten Lohnzahlungen von ca. CHF 166'000.00 (6.2/17 ff.).

 

8.5.3.2 Die Beschuldigte nahm regelmässig von ihrem Lohnkonto bei der Bank J.___ Überweisungen auf ihr Privatkonto bei der Bank F.___ vor. Zwischen Ende Februar 2015 bis Juli 2017 erfolgten Überweisungen von ca. CHF 124'000.00 (6.3/131 ff.).

 

8.5.3.3 Auf das Privatkonto der Beschuldigten bei der Bank F.___ erfolgten zwischen Ende Februar 2015 und Juli 2017 zudem zahlreiche Bareinzahlungen («Kassentransaktion» «Geldautomat»), die insofern nicht nachvollziehbar sind, als ihnen keine Belastung eines anderen Kontos der Beschuldigten gegenübersteht.

 

Es handelt sich um folgende Bareinzahlungen (6.3/131 ff.):

 

-       2015: CHF 26'235.00

-       2016: CHF 22'651.75

-       2017: CHF 33'920.00

 

-       Total: CHF 82'806.75

 

8.5.3.4 Die Beschuldigte verfügte zur relevanten Zeit zudem über ein Privatkonto bei der Bank I.___. Auch auf dieses Konto erfolgten diverse Gutschriften und Einzahlungen über den Bancomaten, welche nicht nachvollziehbar sind, weil ihnen keine Belastung eines anderen Kontos der Beschuldigten gegenübersteht.

 

Es handelt sich um folgende Gutschriften und Bareinzahlungen (6.1/114 ff.):

 

-       2015: CHF 35'030.95

-       2016: CHF 24'200.00

-       2017: CHF   9'700.00

 

-       Total: CHF 69'930.95

 

8.5.3.5 Es erfolgten auf die zwei Privatkonti der Beschuldigten bei der Bank F.___ und der Bank I.___ zwischen März 2015 und Juli 2017 somit Einzahlungen und Gutschriften von insgesamt CHF 152'737.70, deren Herkunft nicht nachvollziehbar ist.

 

8.5.3.6 Zu verweisen ist an dieser Stelle auf die Ausführungen zu den Vorhalten gemäss AKS Ziff. 1.a)2., 1.a)3. und 2.2 (vgl. Ziff. V., VII. und XI. hiernach). Gemäss diesen Ausschuldig gemacht.

 

Es ist zu Gunsten der Beschuldigten davon auszugehen, dass das Deliktsgut dieser Vorhalte auf ihre beiden Privatkonti bei der Bank F.___ und der Bank I.___ einbezahlt wurde. Es handelt sich um folgende Beträge:

 

-       CHF 10'000.00 (Deliktsgut AKS Ziff. 1.a)1.; [Bankkundin 4], hinten Ziff. V.);

-       CHF 30.000.00 (Deliktsgut AKS Ziff. 2.2; Kredit Bank G.___, hinten Ziff. XI.);

-       CHF 19'680.00 (Teil des Deliktsguts, welches ab dem in AKS Ziff. 1.a)3. vorgehaltenen Tatzeitpunkt vom 5. April 2017 auf die beiden Konti einbezahlt wurde, vgl. hinten Ziff. VII.).

 

Nach Abzug dieses Deliktsguts von insgesamt CHF 59'680.00 verbleibt ein Betrag von CHF 93'057.70, dessen Herkunft nicht zu erklären ist. Die Beschuldigte selber bestätigte vor Obergericht, im vorgehaltenen Tatzeitraum kein Nebeneinkommen erzielt zu haben und machte geltend, es habe sich um Zuwendungen aus ihrem familiären Umfeld bzw. um Zuwendungen ihres damaligen Lebenspartners gehandelt. In einem Spannungsverhältnis hierzu steht, dass die Beschuldigte – im Rahmen derselben Befragung – darauf hinwies, dass sie ihrem Ex-Freund damals ab und zu (finanziell) ausgeholfen habe und sich in finanzieller Hinsicht vieles geändert bzw. verbessert habe, seit sie nicht mehr mit ihm zusammen sei (OGer AS 91).

 

8.6 Zusammenfassend ergibt sich aus der Summe aller Indizien, dass die Beschuldigte zwischen dem 26. Februar 2015 und dem 21. Juli 2017 Münzeinzahlungen fingiert hat, um damit die Wegnahme von Notengeld in derselben Grössenordnung zu verschleiern. Während der vorgehaltenen Deliktszeit nahm der Saldo des Münzbestandes um insgesamt CHF 138'000.00 zu, wenn die Beschuldigte die Kassenabschlüsse vornahm, während er bei den anderen Mitarbeitern der Bank gesamthaft einen Minussaldo aufwies. Am 17. Mai 2017 erhöhte sich der Saldo um CHF 8'000.00 und erreichte damit einen einmaligen Spitzenwert. Genau an diesem Tag nahm die Beschuldigte auch eine Barzahlung in diesem Betrag entgegen und es war auch die Beschuldigte, die am 17. Mai 2017 den Kassenabschluss vornahm. Zudem bezahlte sie um 17:08 Uhr in bar einen Betrag von CHF 1'000.00 auf ihr Privatkonto bei der Bank F.___ ein. Schliesslich flossen der Beschuldigten während der vorgehaltenen Deliktszeit Geldbeträge im Umfang von CHF 93'000.00 zu, deren Herkunft nicht erklärbar ist.

 

8.7 In Bezug auf den Umfang der entwendeten Gelder ist Folgendes beweisrechtlich massgeblich: Die Beschuldigte arbeitete letztmals am 21. Juli 2017 in der Bank F.___. Die nächste Kontrolle des effektiven Münzbestandes nach ihrem letzten Arbeitstag erfolgte am 4. September 2017. (1-3/2.1.1/109). Aus den Kassenabschlüssen (2.1.1/109 f.) ergibt sich, dass nach dem 21. Juli 2017 bis am 4. September 2017 kein Rückschub von Münz erfolgte. Ebenso wenig liegen Hinweise vor, dass es nach dem Weggang der Beschuldigten zu weiteren Manipulationen kam. Demzufolge kann als erstellt betrachtet werden, dass der Differenzbetrag der Münzmaschine von CHF 83'309.25 (internes Buchungssystem CHF 105'166.40 abzüglich effektiver Münzbestand per 4.9.2017 von CHF 21'857.15) bereits am 21. Juli 2017 bestand. Mögliche anderweitige Abweichungen lagen im minimalen Rahmen von einigen Franken, so dass der Beschuldigten eine Aneignung von Notengelder in der Grössenordnung von rund CHF 83'000.00 nachgewiesen ist.

 

Es bestehen deshalb keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Beschuldigte zwischen Februar 2015 und Juli 2017 mehrfach den Saldo des Münzbestandes fiktiv um total CHF 83'309.25 erhöhte, um damit die Aneignung von Notengeld in dieser Grössenordnung verheimlichen zu können.

 

9. Rechtliche Würdigung

 

9.1 Die Beschuldigte entwendete das Geld entweder aus dem TWIN-Safe aber sie eignete sich Geld, welches Kunden am Schalter einbezahlten, an und schrieb den entsprechenden Betrag dem Kunden gut. Gemäss dem Beweisergebnis erhöhte sie in beiden Fällen den Münzbestand im internen Buchungssystem fiktiv, um eine Kassendifferenz zu vermeiden.

 

9.2. Indem die Beschuldigte das physisch im Safe gelagerte Geld, welches im Eigentum der Bank F.___ stand, wegnahm, hat sie deren Gewahrsam gebrochen. Die Beschuldigte hatte als Bankangestellte zwar Zugriff auf das Geld und damit Herrschaftsmöglichkeit darüber. Die Beschuldigte hatte aber in Bezug auf das Bargeld keinen alleinigen Gewahrsam, sondern aufgrund des Anstellungsverhältnisses übte sie lediglich einen untergeordneten Gewahrsam für die Bank F.___ aus und nach der herrschenden Lehre stellt auch der Bruch fremden Mit- der Bruch eines übergeordneten Gewahrsams einen tatbestandsmässigen Gewahrsamsbruch im Sinne von Art. 139 StGB dar (Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Auflage, Basel 2019, nachfolgend zitiert «BSK StGB II», Art. 139 StGB N 48; Stefan Trechsel/Dean Crameri in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar Schweizerisches Strafrecht, 4. Auflage, Zürich/St. Gallen 2021, nachfolgend zitiert «PK StGB», Art. 139 StGB N 9), während die Veruntreuung in Abgrenzung zum Tatbestand des Diebstahls erfordert, dass der Treugeber seinen Gewahrsam vollständig aufgibt (Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: BKS StGB II, Art. 138 StGB N 82). Die vorliegende Konstellation lässt sich vergleichen mit einer Angestellten eines Warenhauses, welche die im Geschäft zum Verkauf angepriesenen Gegenstände zur Aneignung wegnimmt sich aus der Geschäftskasse bedient und damit einen Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers begeht. Die Tathandlung ist deshalb in objektiver Hinsicht als Diebstahl im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB zu qualifizieren.

 

9.3 Auch in Bezug auf die Wegnahme von Geldern, die von den Bankkunden am Schalter einbezahlt wurden, ist mit der herrschenden Lehre in rechtlicher Hinsicht von einem Diebstahl und nicht von einer Veruntreuung auszugehen, dies insbesondere mit Blick auf die Frage, zu wessen Lasten die Tathandlung der Beschuldigten erfolgte: Nach dem Beweisergebnis nahm die Beschuldigte das Geld physisch entgegen und schrieb dem Kunden den entsprechenden Betrag auf dessen Konto gut. Die Beschuldigte hatte auch hier aufgrund des Anstellungsverhältnisses bloss untergeordneten Gewahrsam. Indem sie in der Folge dieses Geld persönlich einsteckte, änderte sich dadurch an der Rechtsstellung der einzelnen Kunden nichts. Deren Guthaben gegenüber der Bank blieb unangetastet, während der Schaden bei der Bank eintrat, was auch der rechtlichen Sichtweise der betroffenen Bank F.___ entspricht (vgl. deren Ausführungen in der Eingabe vom 21.9.2017: Ergänzung der Strafanzeige vom 9.8.2017, 1-3/2.1.1/91: «Durch die Aneignung der Banknoten durch die Täterschaft wurden der Bank Geldmittel entzogen»). Guthaben eines Kunden bei einer Bank sind rechtlich betrachtet meist nichts Anderes als Forderungen gegen diese Bank. Als blosse Forderungen können sie weder anvertraut noch veruntreut werden, womit es bereits am Tatobjekt fehlt (Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: BSK StGB II, Art. 138 StGB 99c).

 

9.4 Auch die subjektiven Tatbestandselemente von Art. 139 Ziff. 1 StGB sind erfüllt: Die Beschuldigte wusste um die Fremdheit der Notengelder und brach in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, mit deren Wegnahme willentlich den Gewahrsam der Bank F.___ und begründete ihren eigenen bzw. alleinigen Gewahrsam. Sie hat sich damit des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht (zur Qualifikation betr. Gewerbsmässigkeit vgl. hinten Ziff. VII.4.2).

 

 

IV.   AKS Ziff. 3.2 lit. b (soweit den 5.10.2015 betreffend) und 3.3 lit. b: Mehrfache Urkundenfälschung im Zusammenhang mit einer Kontoeröffnung bei der Bank Y.___ (Bank F.___) sowie Barbezügen ab diesem Konto, lautend auf L.___

 

1. Vorbemerkung

 

Der Beschuldigten wird in AKS Ziff. 1.a)2. ein Diebstahl vorgehalten, bei welchem die Erstellung von gefälschten Urkunden und deren Verwendung eine wesentliche Rolle spielen sollen. Es ist für die Beurteilung des Vorhaltes des Diebstahls deshalb angezeigt, vorerst die Urkundenfälschungen zu prüfen.

 

2. Vorhalt

 

Der Beschuldigten werden in diesem Zusammenhang folgende mehrfache Urkundenfälschungen vorgehalten:

 

2.1 Der Beschuldigten wird vorgeworfen, am 5. Oktober 2015 folgende Dokumente für die Eröffnung des Kontos IBAN [CH (...)] bei der Bank F.___ gefälscht zu haben, indem sie diese mit der Unterschrift «L.___» versah (AKS Ziff. 3.2 lit. b):

 

-       Unterschriftenkarte Private vom 5. Oktober 2015 (6.3/387);

-       Bestätigung des Kunden betreffend Steuerstatus vom 5. Oktober 2015 (6.3/389);

-       Fragebogen «US-Bezug» für natürliche Personen vom 5. Oktober 2015 (6.3/390).

 

2.2 Zudem soll sie diesen Kontoeröffnungsdokumenten am 5. Oktober 2015 eine von ihr um den 1. September 2015 verfälschte Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ mit einer Kontrollfrist «30.06.2020» (vgl. hierzu AKS Ziff. 3.1 lit. c, abgehandelt unter nachfolgender Ziff. IX.) beigelegt und deren Entgegennahme als Kundenberaterin visiert haben (6.3/388, AKS Ziff. 3.2. lit. b).

 

2.3 Schliesslich soll die Beschuldigte ab dem Konto IBAN [CH (...)] bei der Bank F.___ folgende Barbezüge getätigt und dabei die Auszahlungsbelege mit der gefälschten Unterschrift von L.___ versehen haben (AKS Ziff. 3.3 lit. b):

 

-       Bezugsbeleg 14. September 2015 über CHF 15'000.00 (6.3/394);

-       Bezugsbeleg vom 7. Oktober 2015 über CHF 5'000.00 (6.3/395);

-       Bezugsbeleg vom 26. Oktober 2015 über CHF 10'500.00 (6.3/396);

-       Bezugsbeleg vom 9. November 2015 über CHF 250.00 (6.3/397);

-       Bezugsbeleg vom 3. März 2016 über CHF 15.50 (6.3/445).

 

3. Beweismittel

 

3.1 Aussagen

 

3.1.1 Am 31. Oktober 2017 wurde L.___ von der Staatsanwaltschaft in Anwesenheit des Vertreters der Beschuldigten als Zeuge einvernommen (10.3.1/1 ff.). L.___ ist der Vater des damaligen Lebenspartners der Beschuldigten, K.___.

 

Auf der Bank Y.___ (neu Bank F.___) habe er einmal ein Konto eröffnet, damit Geld für die Ehefrau darauf habe überwiesen werden können. Es seien CHF 80'000.00 von der Pensionskasse der Ehefrau überwiesen worden. Es habe sich um ein Konto der Ehefrau gehandelt, es sei ein Sperrkonto gewesen, Bezüge seien nicht möglich gewesen. Er habe bei der Bank F.___ nur dieses Konto eröffnet.

 

Auf Vorhalt von Bankauszügen betreffend des Kontos IBAN [CH (…)] (2.1.1/54, 75 und 76) führte er aus, er habe diese Bezüge nicht getätigt, er sehe diese Auszüge zum ersten Mal.

 

3.1.2 Zwischen L.___ als Zeuge und der Beschuldigten wurde am 6. Dezember 2017 in Anwesenheit des Vertreters der Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt (10.3.1/54 ff.).

 

L.___ führte aus, die Beschuldigte habe ihm nie Dokumente vorgelegt, die er unterzeichnet habe. Auf Vorlage der Dokumente vom 5. Oktober 2015 (vgl. Ziff. IV.2.1 hiervor) führte der Zeuge aus, diese nicht unterschrieben zu haben. Er würde sich diesfalls an das Logo der Bank erinnern (10.3/60).

 

Die Beschuldigte führte auf Vorlage der Auszahlungsbelege vom 14. September 2015, 7. und 26. Oktober 2015 aus, diese Dokumente seien entweder direkt in der Bank am Domizil des Zeugen unterschrieben worden.

 

3.1.3 Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 24. März 2021 wurde L.___ erneut als Zeuge befragt (O-G 141 ff.). Er führte aus, er habe von den Dokumenten, die ihm in Solothurn (d.h. von der Staatsanwaltschaft) vorgelegt worden seien und die er unterschrieben haben solle, nichts gewusst.

 

3.1.4 Die Beschuldigte wurde anlässlich der Einvernahme vom 17. Oktober 2017 durch die Staatsanwaltschaft (10.1.1/1 ff.) konkret gefragt, ob die Unterschriften auf den ihr vorgelegten Dokumenten (vgl. Ziff. IV.2.1 hiervor) von L.___ stammten. Die Beschuldigte wollte dazu keine Aussagen machen (10.1.1/11).

 

3.1.5 Die Beschuldigte führte weiter anlässlich der Einvernahme vom 17. November 2017 aus, die Bankbelege, welche drei Bezüge ab dem Konto [CH (…)] vom 14. September, 7. und 26. Oktober 2015 belegten (10.1.1/104 - 106), seien von L.___ unterzeichnet worden. Sie sei bei den Bezügen durch L.___ auf der Bank anwesend gewesen. Er habe ihr dann das Geld gegeben und sie habe damit Rechnungen bezahlt (10.1/73).

 

Auf konkrete Frage bestritt die Beschuldigte, am 26. Oktober 2015 vom Konto von L.___ CHF 10'500.00 bezogen und gleich anschliessend auf das Konto von [Bankkundin 4] den Betrag von CHF 10'000.00 einbezahlt zu haben (vgl. 2.1.1/54 und 51).

 

3.1.6 Anlässlich der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 17. September 2018, an welcher der Beschuldigten die detaillierte Eröffnungsverfügung vorgelegt wurde (10.1.1/194 ff.), sowie anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (O-G 159) machte die Beschuldigte zu diesem Vorhalt keine weiteren Aussagen. Vor Obergericht wollte sich die Beschuldigte ganz generell nicht mehr zu L.___ äussern.

 

3.2 Schriftengutachten vom 24. Juli 2018 (7-10.1/100 ff.)

 

3.2.1 Am 17. Januar 2017 erteilte die Staatsanwaltschaft der Polizei Basel-Landschaft den Auftrag zur Erstellung eines Schriftengutachtens. Das Gutachten wurde von Wachtmeister T.___ […] erstellt. Dem Gutachter wurden die relevanten Originalurkunden (vgl. Auflistung: 7-10.1/89), Unterschriftenproben von L.___ (7.1/1 ff.) sowie Schriftproben der Beschuldigten (7.1/36 ff.) vorgelegt.

 

3.2.2 Der Gutachter arbeitete mit zwei Hypothesen, die sich gegenseitig ausschliessen und den gesamten Hypothesenraum ausschöpfen:

 

-       Die Hypothese der Urheberidentität: Die zu untersuchenden Schriften (Unterschriften L.___) und die Vergleichsschriften (Unterschriftsproben L.___) stammen vom gleichen Urheber;

-       Die Hypothese der Urheberverschiedenheit: Die zu untersuchenden Schriften (Unterschriften L.___) und die Vergleichsschriften (Unterschriftsproben L.___) stammen nicht vom gleichen Urheber.

 

3.2.3 Der Gutachter stellte zwischen den fraglichen Unterschriften und den Vergleichsunterschriften von L.___ viele Unterschiede fest. So wiesen die Vergleichsunterschriften eine Rechtsneigung auf, während die fraglichen Unterschriften eher senkrecht ausgeführt seien. Zudem seien die Vergleichsunterschriften mehrheitlich grösser als die fraglichen Unterschriften. Die Kreiselemente in den Buchstaben «a». «o», «d» und «g» seien in den fraglichen Unterschriften rund und voluminös, während sie in den Vergleichsunterschriften eher oval, rechtsgeneigt und schmaler seien. Schliesslich werde der Buchstabe «r» in den fraglichen Unterschriften mit einem senkrechten Stammstrich und kurzem horizontalen Strich ausgeführt, während er in den Vergleichsunterschriften ähnlich der Ziffer «2» geschrieben werde. Der Buchstabe «u» werde in den fraglichen Unterschriften in einem Zug geführt, während er in den Vergleichsunterschriften jeweils in zwei Zügen erfolge.

 

3.2.4 Insgesamt kommt der Gutachter zum Schluss, dass die erhobenen Befunde wahrscheinlicher erschienen unter der Annahme der Alternativhypothese als unter der Hypothese der Urheberidentität. Es sei somit wahrscheinlicher, dass die fraglichen Unterschriften nicht von L.___ ausgeführt worden seien.

 

Auf S. 20 des Gutachtens wird ausgeführt, was unter «wahrscheinlicher» zu verstehen ist (7.1/119): Demnach sei die Gesamtbefundkonfiguration widerspruchsfrei. Es gebe jedoch geringe materialbedingte Einschränkungen und/oder einige fragliche Befunde, die im Vergleichsmaterial nicht hinreichend adäquat belegbar, aber erklärbar seien.

 

3.2.5 Der Gutachter führte weiter aus, unter Annahme der Alternativhypothese erschienen die Befunde des Vergleichs der fraglichen Unterschriften «L.___» mit der Handschrift der Beschuldigten gleich wahrscheinlich unter der Hypothese, dass die Beschuldigte die Unterschriften nachgeahmt habe, wie unter der Hypothese, dass diese von jemand anderem nachgeahmt worden seien.

 

3.3 Akten des Migrationsamtes

 

Mit Verfügung vom 5. November 2018 ersuchte die Staatsanwaltschaft das Migrationsamt des Kantons Solothurn um Edition der Unterlagen der Historie der Niederlassungsbewilligung von L.___ (5.1.3/6). Den vom Migrationsamt in der Folge eigereichten Akten ist zu entnehmen, dass die Niederlassungsbewilligung von L.___ folgende Kontrollfristen aufwies:

-       31.10.2009 (5.1.3/33)

-       31.10.2014 (5.1.3/18)

-       31.10.2019 (5.1.3/9)

 

3.4 In den Unterlagen der Bank F.___ befindet sich im Zusammenhang mit der Kontoeröffnung vom 14. März 2014 (vgl. hierzu AKS Ziff. 3.2 lit. b sowie nachfolgende Ziff. IX.) eine Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___, auf welcher die Kontrollfrist «31.10.2014» vermerkt ist (6.3/382).

 

Die Bankunterlagen der Bank G.___ enthalten im Zusammenhang mit der Kreditgewährung von CHF 24'000.00 (AKS Ziff. 2.1) u.a. eine Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ (6.5/117). Der Kreditvertrag trägt das Datum des 14. März 2014 (6.5/109), die Kopie der Niederlassungsbewilligung enthält den Vermerk «Kontrollfrist 31.10.2014».

 

Eine zweite Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ in den Bankunterlagen der Bank G.___ enthält – wie die in AKS Ziff. 3.2 lit. b genannte Ausweiskopie (6.3/388) – den Vermerk «Kontrollfrist 30.06.2020» (6.5/131).

 

3.5 Am 21. August 2017 ordnete die Staatsanwaltschaft am Domizil der Beschuldigten eine Hausdurchsuchung an (12.2.1/1), die am 17. Oktober 2017 durchgeführt wurde (12.2.1/5 ff.). Anlässlich dieser Hausdurchsuchung wurde eine Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ sichergestellt, auf welcher das Datum der Kontrollfrist mit Tipp-Ex abgedeckt ist (4.1.1/74).

 

4. Beweiswürdigung

 

4.1 Das Schriftengutachten kommt zwar «nur» zum Schluss, dass die fraglichen Unterschriften und die Vergleichsunterschriften «wahrscheinlicher» (und nicht «viel wahrscheinlicher» «sehr viel wahrscheinlicher») von zwei verschiedenen Personen stammten als von der gleichen Person. Es ergibt sich aber gemäss Gutachten bei dieser Qualifikation ein widerspruchfreies und damit überzeugendes Bild. Die Unsicherheiten beschränken sich auf materialbedingte Einschränkungen (Art der verwendeten Schreibstifte), die jedoch erklärbar sind. Festzustellen ist zudem, dass L.___ glaubhaft aussagte, dass er nie entsprechende Unterlagen unterschrieben und die ihm vorgelegten Bankauszüge betreffend die eröffneten Konti noch nie gesehen habe. Es sei bei der Bank F.___ einzig ein Sperrkonto eröffnet worden zwecks Überweisung von Pensionskassen-Guthaben seiner Ehefrau, welches auf deren Namen gelautet habe.

 

Es ist kein Grund ersichtlich, warum L.___ als Zeuge und demnach unter Androhung der Straffolgen von Art. 307 StGB in diesem Punkt nicht die Wahrheit sagen sollte. Seine Angabe, wonach er die Kontounterlagen nicht gekannt habe, findet im Übrigen auch eine objektive Stütze: Als Zustelladresse für die Bankdokumente dieses neu eröffneten Kontos wurde nachweislich nicht das Wohndomizil von L.___, sondern die Wohnadresse seines Sohnes K.___ erfasst, der damals der Lebenspartner der Beschuldigten war und mit dieser zusammenwohnte. Die entsprechenden Versandinstruktionen erteilte die Beschuldigte (vgl. den E-Mail-Verkehr der Beschuldigten mit der zentralen Stelle für Adressmutationen der Bank: 1-3/2.1.1/33 - d). Unter Berücksichtigung der Aussagen von L.___ sowie der Erkenntnisse des Schriftengutachtens ist deshalb erstellt, dass die Unterschriften von L.___ auf den genannten Dokumenten gefälscht sind.

 

4.2 Das Gutachten kommt weiter zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit einer Fälschung der Unterschriften von L.___ durch die Beschuldigte gleich gross sei wie durch eine Drittperson.

 

4.3 Das Konto IBAN [CH (…)], welches gestützt auf die mit der gefälschten Unterschrift von L.___ versehenen Dokumente bei der Bank F.___ eröffnet wurde, diente ausschliesslich den Interessen der Beschuldigten:

 

-           Am 14. September 2015 erfolgte die einzige Gutschrift von CHF 30'797.90 auf dieses Konto (2.1.1/61). Es handelte sich dabei um eine Erhöhung des Kredits bei der Bank G.___ auf CHF 50'000.00 (6.5/118 ff.). Dieses Geld wurde auch gemäss Aussagen der Beschuldigten ausschliesslich in ihrem Interesse aufgenommen.

 

-           Am 14. September, 7. Oktober und 26. Oktober 2015 erfolgten ab diesem Konto Bezüge von total CHF 30'500.00 (6.3/394 - 396). Unbestrittenermassen hat die Beschuldigte diesen Betrag (gemäss eigenen Aussagen von L.___) erhalten, und in ihrem Interesse darüber verfügt.

 

4.4 Es ist bei dieser Ausgangs- und Interessenlage undenkbar, dass die Fälschung der Unterschriften zwecks Errichtung eines Kontos, welches ausschliesslich den Interessen der Beschuldigten diente, von einer Drittperson vorgenommen worden ist. Es ist deshalb erstellt, dass die Beschuldigte die drei in Ziff. IV.2.1 hiervor erwähnten Dokumente gefälscht hat, indem sie am 5. Oktober 2015 jeweils die Unterschrift von L.___ nachahmte und unter die Dokumente setzte. Sie eröffnete das entsprechende Konto bei der Bank F.___ auf den Namen von L.___, um sich den im September 2015 bei der Bank G.___ ebenfalls auf den Namen von L.___ beantragten Kredit (Aufstockung des Anfangskredites) auf dieses Konto überweisen zu lassen (vgl. hierzu AKS Ziff. 2.2; abgehandelt unter nachfolgender Ziff. XI.).

 

4.5 Ebenso ist erstellt, dass sämtliche Unterschriften auf den Bezugsbelegen betreffend dieses Konto (6.3/394 - 397, 445) von der Beschuldigten gefälscht worden sind. Sie bezog die entsprechenden Beträge ab diesem Konto und unterzeichnete die Bezugsbelege mit dem Namen «L.___».

 

4.6 Aus den vom Migrationsamt des Kantons Solothurn eingereichten Akten ergibt sich, dass die Niederlassungsbewilligung von L.___ mit einer Kontrollfrist von fünf Jahren versehen war (2009 - 2014 - 2019, vgl. Ziff. IV.3.3).

 

Im Zusammenhang mit der Eröffnung des auf den Namen von L.___ lautenden Kontos am 5. Oktober 2015 bei der Bank F.___ bestätigte die Beschuldigte mit ihrer Unterschrift, das Original des Ausländerausweises C von L.___ eingesehen zu haben und legte eine Kopie zu den Akten der Bank (6.3/388). Auf dieser Kopie ist eine Kontrollfrist «30.06.2020» aufgeführt. Das Schriftbild «30.06.2020» unterscheidet sich von den übrigen auf der Bewilligung aufgeführten Zahlen und das Datum entspricht, wie sich aus den beim Migrationsamt eingeholten Unterlagen erschliesst, nicht dem Original. Es ist deshalb erstellt, dass die Beschuldigte eine verfälschte Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ der Bank F.___ einreichte und im Zusammenhang mit der Kontoeröffnung verwendete (in Bezug auf den Vorhalt gemäss AKS Ziff. 3.1 lit. c, wonach die Beschuldigte selber dieses Dokument verfälscht haben soll, wird auf die Ausführungen unter nachfolgender Ziff. IX. verwiesen).

 

4.7 Der Sachverhalt, wie er der Beschuldigten in der Anklageschrift Ziff. 3.2 lit. b (soweit den 5.10.2015 betreffend) und Ziff. 3.3 lit. b vorgeworfen wird, ist damit erstellt.

 

5. Rechtliche Würdigung

 

5.1 Eine Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 StGB begeht, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen an anderen Rechten zu schädigen sich einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht verfälscht, die echte Unterschrift das echte Handzeichen eines anderen zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet beurkunden lässt bzw. eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht.

 

5.2 Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, das im Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb u.a. nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (vgl. u.a. Urteil 6B_367/2007 E. 4.2, BGE 132 IV 12 E. 8.1, 129 IV 130 E. 2.1).

 

5.3 Einer Kopie eines Schriftstücks, die als solche erkennbar ist und als solche in den Rechtsverkehr gebracht wird, wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Urkundenqualität zuerkannt, wenn sie im Geschäftsverkehr als Ersatz für das Original anerkannt ist und ihr dasselbe Vertrauen entgegengebracht wird wie dem Original, wobei dies im Allgemeinen der Fall ist. Einer Kopie einer Urkunde kommt also in der Regel auch Urkundenqualität zu, sodass eine Abänderung der Kopie eine Urkundenfälschung darstellen kann (vgl. BGE 114 IV 26 E. 2b und c, 115 IV 51 E. 6; Markus Boog in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Auflage, Basel 2019, nachfolgend zitiert «BSK StGB I», Art. 110 Abs. 4 StGB N 50).

 

5.4 Zu unterscheiden sind die Tatbestandsvarianten bzw. Tathandlungen des Fälschens, des Verfälschens, der Blankettfälschung, der Falschbeurkundung, des Falschbeurkunden-Lassens und des Gebrauchs einer unechten unwahren Urkunde.

Näher zu betrachten sind hier die Tathandlungen des Fälschens und des Verfälschens (Urkundenfälschung im engeren Sinne), der Falschbeurkundung (Urkundenfälschung im weiteren Sinne) und des Gebrauchs einer unechten unwahren Urkunde.

 

Fälschen ist das Herstellen einer unechten Urkunde. Eine Urkunde ist unecht, wenn deren wirklicher Urheber nicht mit dem aus ihr ersichtlichen Aussteller übereinstimmt bzw. wenn sie den Anschein erweckt, sie rühre von einem anderen als ihrem tatsächlichen Urheber her. Wirklicher Aussteller bzw. Urheber einer Urkunde ist derjenige, dem sie im Rechtsverkehr als von ihm autorisierte Erklärung zugerechnet wird. Dies ist gemäss der insoweit vorherrschenden «Geistigkeitstheorie» derjenige, auf dessen Willen die Urkunde nach Existenz und Inhalt zurückgeht. Das Fälschen bzw. die Urkundenfälschung im engeren Sinne ist mit anderen Worten eine Täuschung über die Identität ihres Urhebers (vgl. u.a. BGE 137 IV 167 E. 2.3.1, 128 IV 265 E. 1.1.1; Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 3).

 

Verfälschen ist das eigenmächtige Abändern des gedanklichen Inhalts einer von einem anderen verurkundeten Erklärung, sodass sie nicht mehr dem ursprünglichen Erklärungsinhalt des Ausstellers entspricht und neu der Anschein entsteht, der ursprüngliche Aussteller habe ihr diesen Inhalt gegeben. Der Aussteller bzw. Urheber der abgeänderten Urkunde und der aus ihr selbst ersichtliche sind nicht identisch, die Urkunde ist unecht. Insofern ist das Verfälschen ein Spezialfall des Herstellens einer unechten Urkunde bzw. des Fälschens. Die Inhaltsveränderung kann durch Ergänzen, Verändern Beseitigen von Teilen der bisherigen Erklärung erfolgen, sofern dadurch ein anderer urkundlicher Inhalt entsteht (vgl. Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 46 f.).

 

Falschbeurkunden ist das Errichten einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Nach allgemeiner Auffassung ist die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung. Entsprechend werden hier höhere Anforderungen an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde als bei der Urkundenfälschung im engeren Sinne gestellt. Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn dem Schriftstück eine erhöhte Überzeugungskraft bzw. Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihm daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (vgl. Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 64, 68, 71 und 84; vgl. u.a. BGE 138 IV 130 E. 2.1, 132 IV 12 E. 8.1, 129 IV 130 E. 2.1).

 

Echtheit und Wahrheit einer Urkunde sind stets scharf zu trennen. Ist eine Urkunde unecht, greift immer schon der Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne ein, so dass sich die Frage nach der Wahrheit nicht mehr stellt (Stefan Trechsel/Lorenz Erni in: PK StGB, Art. 251 StGB N 6 mit Hinweis auf BGE 131 IV 129).

 

5.5 Der Gebrauch einer unechten unwahren Urkunde ist schliesslich die Benutzung im Rechtsverkehr, d.h. die Urkunde muss der zu täuschenden Person zugänglich gemacht werden. Es reicht aus, dass dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft wird. Für den Urkundenfälscher ist der Gebrauch mitbestrafte Nachtat, wenn er für die Fälschung bestraft wird. Wird die Urkunde durch eine andere Person gebraucht, ist der Gebrauch auch strafbar, wenn der Fälscher straflos bleiben sollte (vgl. Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 163 und 165).

 

5.6 Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts relativ. Die Erklärung muss nicht notwendig in ihrer Gesamtheit zum Beweis geeignet sein. Sie kann vielmehr in Bezug auf einzelne Aspekte Urkundeneigenschaft haben, etwa hinsichtlich ihrer Zurechnung zu einem Aussteller, und in Bezug auf andere nicht, etwa hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit. Das Vertrauen darauf, dass eine Urkunde nicht gefälscht/verfälscht wird, dass über die Person des Ausstellers nicht getäuscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen darauf, dass jemand nicht in schriftlicher Form lügt (vgl. Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 72; vgl. u.a. BGE 138 IV 130 E. 2.2.1, 129 IV 130 E. 2.1 f., 125 IV 273 E. 3a/aa, 119 IV 54 E. 2c/aa, 118 IV 363 E. 2a). Mit anderen Worten kommt beispielsweise einer Lohnabrechnung im Rahmen einer Urkundenfälschung im engeren Sinne Urkundencharakter zu, im Rahmen einer Falschbeurkundung dagegen nicht (vgl. u.a. Urteil 6B_1179/2013 E. 2.1).

 

5.7 In subjektiver Hinsicht wird nebst Vorsatz bzw. Eventualvorsatz bezüglich der objektiven Tatbestandselemente eine Täuschungsabsicht und zudem alternativ eine Schädigungs- (bzw. Benachteiligungs-) Vorteilsabsicht (für sich selbst einen anderen) vorausgesetzt. Die Täuschungsabsicht ist darin zu sehen, dass der Täter die erstrebte Schädigung den erstrebten Vorteil gerade aus dem Gebrauch der gefälschten Urkunde erreichen bzw. die Urkunde im Rechtsverkehr als echt wahr verwenden (lassen) will. Dabei muss der Täter die Urkunde nicht selbst zu gebrauchen beabsichtigen. Es genügt, wenn sich seine Absicht darauf richtet, dass ein Dritter von der Urkunde täuschenden Gebrauch macht. Die Täuschungsabsicht ist nur relevant, wenn der Täter einen Irrtum über die Echtheit Wahrheit der Urkunde erregen will, um den Adressaten zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen. Bei der Schädigungsabsicht muss sich die angestrebte Benachteiligung gegen fremdes Vermögen fremde Rechte richten. Für die Vorteilsabsicht genügt jede Besserstellung, sei sie vermögensrechtlicher anderer Natur. Die Bevorteilung eines Dritten ist ausreichend. Der Vorteil ist unrechtmässig, wenn er rechtswidrig ist darauf kein Anspruch besteht. Eventualabsicht genügt jeweils. Eine Verwirklichung der Absichten ist nicht erforderlich (vgl. Trechsel/Erni in: PK StGB, Art. 251 StGB N 12 f.; Markus Boog in: BSK StGB II, Art. 251 StGB N 181 bis 183, 185 f., 193 und 209).

 

5.8.1 Die Beibringung der drei von der Beschuldigten mit der Unterschrift von L.___ versehenen Dokumente war Voraussetzung für die Eröffnung eines Kontos bei der Bank F.___. Es handelte sich dabei um Dokumente, welche die Unterschriftsberechtigung für das eröffnete Konto regelten und steuerrechtlich relevante Erklärungen des Kontoinhabers festhielten. Es handelte sich deshalb um Dokumente, welche dazu bestimmt und auch geeignet waren, rechtlich relevante Tatsachen zu beweisen und damit um Urkunden im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB bzw. Art. 251 StGB.

 

5.8.2 Die Beschuldigte hat diese drei Dokumente gefälscht, damit durch die Unterzeichnung mit «L.___» nicht der wirkliche Aussteller der Urkunde erkennbar war. Durch die Einreichung der Dokumente bei der Bank F.___ zwecks Eröffnung eines Kontos verwendete die Beschuldigte die Urkunden im Rechtsverkehr. Sie handelte dabei vorsätzlich und mit Täuschungsabsicht, indem sie der Bank die wahre Inhaberin und Verfügungsberechtigte des Kontos verheimlichen wollte. Dabei verfolgte sie einen unrechtmässigen Vorteil, indem sie unter fremder Identität Geldüberweisungen im Zusammenhang mit der Aufstockung des Kredits bei der Bank G.___ erlangen und über das Konto frei verfügen konnte.

 

Die Beschuldigte hat deshalb den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne einer Urkundenfälschung im engeren Sinne in drei Fällen und damit mehrfach objektiv und subjektiv erfüllt.

 

5.8.3 Auch die von der Beschuldigten gefälschten Auszahlungsbelege stellen Urkunden im Rechtssinne dar. Mit der Unterschrift auf dem Beleg «Kassentransaktion» wurde der Erhalt des betreffenden Geldbetrages bestätigt (z.B. 6.3/395). Für die Bank war dieser Beleg bestimmt und geeignet, die Auszahlung des Bargeldes zu beweisen.

 

Die Auszahlungsbelege waren Bestandteile der Geschäftsunterlagen zwischen der Bank und dem Kunden und wurden insofern im Rechtsverkehr verwendet. Der Beschuldigten ging es auch in diesen Fällen darum, gegenüber der Bank die wahre Identität der Kontoinhaberin zu verheimlichen. Der Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinn ist auch in diesen Fällen mehrfach erfüllt.

 

5.8.4 Die Niederlassungsbewilligung von L.___ stellt eine öffentliche Urkunde (Art. 9 ZGB bzw. Art. 110 Abs. 5 StGB) dar, deren Kopie hat ebenfalls Urkundenqualität. Es ist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen unter vorstehender Ziff. IV.5.3 zu verweisen. Da die Beschuldigte als Kundenberaterin auf der Kopie die unterschriftliche Bestätigung anbrachte, sie habe das Original am 5. Oktober 2015 eingesehen (vgl. 6.3/388), steht ausser Zweifel, dass dieser Kopie dasselbe Vertrauen wie dem Original entgegenbracht wurde. Eine Kontrollfrist mit Datum vom 30. Juni 2020 wurde vom Migrationsamt nachweislich nie ausgestellt (vgl. hierzu die Angaben unter vorstehender Ziff. IV.3.3). Es handelte sich um eine verfälschte Urkunde. Indem sie diese den Kontoeröffnungsdokumenten beilegte, machte sie von ihr tatbestandsmässig im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB Gebrauch.

 

Die Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz sowie Täuschungs- und Vorteilsabsicht: Die Verwendung dieser Ausweiskopie war erforderlich, weil die Beschuldigte selber nur über eine Kopie der Niederlassungsbewilligung mit einer Kontrollfrist bis 31.10.2014 verfügte (vgl. 6.3/382), welche im Zeitpunkt ihrer Handlung vom 5. Oktober 2015 (Antrag auf Kontoeröffnung) bereits abgelaufen war. Sie zielte mit dem Gebrauch dieser verfälschten Urkunde darauf ab, gegenüber der Bank F.___ (im Zusammenhang mit der Eröffnung des Kontos IBAN [CH (…)] den falschen Eindruck zu erwecken, die Migrationsbehörde habe eine Niederlassungsbewilligung mit einer Kontrollfrist bis 30. Juni 2020 ausgestellt. Die unrechtmässige Vorteilsabsicht bestand darin, mit diesem verfälschten Dokument die Eröffnung eines Kontos unter falschem Namen zu erwirken, über welches sie in der Folge frei verfügen konnte, ohne dass dies für die Bank F.___ erkenntlich war.

 

Die Beschuldigte hat demnach auch in diesem Fall den Tatbestand von Art. 251 Ziff. 1 StGB objektiv und subjektiv erfüllt. Da die Beschuldigte zugleich die Fälscherin dieser Urkunde ist, was unter nachfolgender Ziff. IX. erörtert wird, handelt es sich beim Gebrauch um eine mitbestrafte Nachtat.

 

 

V.    AKS Ziff. 1.a)2.: Gewerbsmässiger Diebstahl zu Lasten der Bank F.___ betreffend CHF 10'000.00

 

1. Vorhalt

 

Der Vorhalt lautet wie folgt:

 

«Begangen am 4. Mai 2015 in [Ort 1], [Adresse], Bank Y.___ (neu Bank F.___), indem A.___ zuungunsten der Bank F.___ unrechtmässige Gelder in der Höhe von insgesamt CHF 10'000.00 zur Aneignung weggenommen hat, um sich selbst einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern. Diese Gelder befanden sich im Gewahrsam der Bank F.___, welcher durch die von der Beschuldigten getätigte Wegnahme dieser CHF 10'000.00 gebrochen wurde. Um die Wegnahme dieser Gelder zu verschleiern, belastete A.___ das Konto [CH ...4], lautend auf [Bankkundin 4], um CHF 10'000.00.

 

  Am 26. Oktober 2015 zahlte A.___ CHF 10'000.00 auf das Konto [CH …4] zugunsten von [Bankkundin 4] zurück.»

 

2. Beweismittel

 

2.1 Am 4. Mai 2015 wurde auf dem Konto [CH …4], lautend auf [Bankkundin 4], eine Belastung von CHF 10'000.00 verbucht (1-3/2.1.1/50).

 

2.2 Am 26. Oktober 2015, 16:28 Uhr, wurde auf das Konto von [Bankkundin 4] ein Betrag von CHF 10'000.00 einbezahlt. Gemäss entsprechendem Beleg erfolgte diese Einzahlung durch die Beschuldigte und unter Verwendung ihres Passwortes [...] (1-3/2.1.1/51, 52).

 

2.3 Sechs Minuten früher, am 26. Oktober 2015, 16:22 Uhr, wurde das Konto IBAN [CH (...)], lautend auf L.___, mit einem Betrag von CHF 10'500.00 belastet. Die Belastung erfolgte ebenfalls mit dem Passwort der Beschuldigten ([…]), und gemäss dem Bezugsbeleg «Kassentransaktion» war sie die bedienende Mitarbeiterin der Bank (1-3/2.1.1/52, 54).

 

2.4 [Bankkundin 4] wurde am 25. September 2019 von der Staatsanwaltschaft als Zeugin befragt (weisser Bundesordner «Verfahrensschritte nach Gerichtsüberweisung», nachfolgend zit. «WO», 10.3.3/1 ff.). Sie konnte die Frage, ob sie im Mai 2015 auf der Bank F.___ CHF 10'000.00 abgehoben habe, nicht mehr klar beantworten. Es könne sein, dass sie da CHF 10'000.00 geholt habe, sie habe aber anno 2016 und 2017 auch nochmals CHF 10'000.00 für Investitionen ins Haus geholt.

 

In der Folge sagte die Zeugin dann aus, sie sei von einem Mitarbeiter der Bank angerufen worden, der ihr gesagt habe, dass auf ihrem Konto CHF 10'000.00 fehlten. Dies müsse 2015 gewesen sein, damals habe sie nichts abgehoben. Sie wisse aber auch, dass sie nicht immer dort Geld holen gehe, sie gehe im Normalfall zur Bank H.___ in [Ort 3].

 

Wenn das Geld später wieder auf das Konto gekommen sei, wisse sie, dass sie es am 4. Mai 2015 nicht abgehoben habe. Sie habe nichts einbezahlt, das könne sie sagen. Sie wüsste gern, wie das Geld verschwunden und dann wieder auf das Konto gekommen sei.

 

2.5 Die Beschuldigte bestreitet auch diesen Vorhalt. Vor Obergericht führte sie hierzu aus, sie habe nicht Gelder in der Höhe von CHF 10'000.00 weggenommen. Ebenso wenig habe sie am 26. Oktober 2015 CHF 10'000.00 auf das Konto von [Bankkundin 4] einbezahlt (OGer AS 85).

 

2.6 Die Beschuldigte nahm im relevanten Zeitpunkt folgende Bareinzahlungen vor:

 

-           Am 4. Mai 20215 CHF 4'000.00 auf ihr Bank I.___ - Privatkonto (6.1/120);

-           Am 5. Mai 2015 CHF 2'000.00 auf ihr Privatkonto Personal bei der Bank F.___ (6.3/146).

 

3. Beweiswürdigung und Beweisergebnis

 

3.1 Es ist erstellt, dass die Beschuldigte am 26. Oktober 2015, 16:22 Uhr, ab dem auf den Namen von L.___ lautenden Konto den Betrag von CHF 10'500.00 bezog, dabei den Bezugsbeleg mit der Unterschrift von L.___ versah und damit fälschte (6.3/396, vgl. Ziff. IV./2.3 und 4.6 hiervor).

 

3.2 [Bankkundin 4] war in ihren Aussagen bezüglich der Frage eines Geldbezugs bei der Bank F.___ teilweise unsicher und auch widersprüchlich. In einem Punkt aber war ihre Aussage klar: Sie war sich sicher, keine Einzahlung auf ihr Konto bei der Bank F.___ vorgenommen zu haben. Auf diese glaubhafte Aussage ist – auch mit Blick auf die weiteren Umstände – abzustellen.

 

3.3 Es ist deshalb davon auszugehen und erstellt, dass die Einzahlung von CHF 10'000.00 vom 26. Oktober 2015 entsprechend dem vorliegenden Bankbeleg (Ziff. V.2.2 hiervor) von der Beschuldigten ohne Wissen der Kontoinhaberin getätigt worden ist.

 

Diese Einzahlung führt aber zwingend zum Schluss, dass die Beschuldigte am 4. Mai 2015 eine Belastung von CHF 10'000.00 auf dem Konto von [Bankkundin 4] verbuchte, um auf diese Weise gegenüber der Bank F.___ ihre eigenmächtige Wegnahme von Bargeld in dieser Höhe zu verschleiern. Anders wäre die Einzahlung vom 26. Oktober 2015 nicht zu erklären. Ein weiteres Indiz hierfür stellt die Tatsache dar, dass die Beschuldigte um diese Zeit offensichtlich über erhebliche Barmittel verfügte, war sie doch in der Lage, am 4. und 5. Mai 2015 zwei Bareinzahlungen auf ihre Konti bei der Bank I.___ und der Bank F.___ von insgesamt CHF 6'000.00 vorzunehmen (vgl. Ziff. V.2.6 hiervor).

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1 Die Beschuldigte behändigte Bargelder der Bank F.___ in der Höhe von CHF 10'000.00. Um diesen Vorgang zu verschleiern, belastete sie das Konto von [Bankkundin 4] am 4. Mai 2015 um genau diesen Betrag. Die Beschuldigte nahm dieses Geld, das im Eigentum der Bank F.___ stand und demnach für die Beschuldigte fremd war, zur Aneignung weg. In Bezug auf die rechtliche Abgrenzungsfrage zwischen Veruntreuung und Diebstahl gelten grundsätzlich die gleichen Überlegungen, welche bereits unter vorstehender Ziff. III.9.2. und 9.3 erörtert wurden. Ein Unterschied ist darin zu erblicken, dass die Beschuldigte das an ihrem Arbeitsplatz entwendete Geld zur Verschleierung ihres deliktischen Handelns als Buchgeld einem einzelnen Konto belastet hat. Die buchhalterische Belastung im Umfang von CHF 10'000.00 hatte jedoch nicht zur Folge, dass im Ergebnis die Kontoinhaberin [Bankkundin 4] geschädigt wurde, sondern auch in dieser Konstellation ist der Schaden bei der Bank F.___ zu verorten: Wenn – wie vorliegend – die Täterin innerhalb der Bank als deren Angestellte handelt, indem sie ihre Zugriffsmöglichkeiten auf Kundendaten und Buchgeld widerrechtlich ausnutzt und der Kontostand eines Kunden mittels Manipulation verringert wird, so vermag solches Handeln den einzelnen Bankkunden nicht zu schädigen, weil widerrechtliche Handlungen der Angestellten der Bank die Forderung des Bankkunden gegen die Bank nicht verändern können. Ein Guthaben bei einer Bank besteht aus einer Forderung gegen diese Bank. Diese Forderung verändert sich nicht, wenn eine Bankangestellte für diese Bank etwas bucht und diese Buchung keinen Rechtsgrund aufweist. Einem Kontoauszug kommt keine konstitutionelle, sondern bloss deklaratorische Bedeutung zu. Demzufolge verbleibt die Forderungen der Bankkundin gegenüber der Bank in derselben Höhe bestehen. Die Bank haftet ihren Bankkunden gegenüber für widerrechtliche Handlungen ihrer Angestellten; damit tritt der Schaden bei der Bank als juristische Person ein, nicht aber bei den Bankkunden (Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: BSK StGB II, Art. 138 StGB N 203a - c).

 

Die Beschuldigte hat damit den Tatbestand des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB zu Lasten der Bank F.___ in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

In subjektiver Hinsicht handelte die Beschuldigte willentlich und wissentlich. Das Handlungsziel bestand in der Wegnahme des Geldbetrages zu Lasten der Bank; sie handelte deshalb mit direktem Vorsatz. Die Beschuldigte war sich bewusst, keinen Anspruch auf den Geldbetrag zu haben, was sie selbst mit der Einzahlung des Betrages von CHF 10'000.00 am 26. Oktober 2015 manifestierte. Der Tatbestand des Diebstahls ist deshalb auch subjektiv erfüllt.

 

6.2 An diesem Resultat ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschuldigte am 26. Oktober 2015 eine Bareinzahlung von CHF 10'000.00 auf das Konto [CH ...4], lautend auf [Bankkundin 4], leistete, womit sie die buchhalterische Belastung vom 4. Mai 2015 von CHF 10'000.00 wieder ausglich. Die Entwendung des Geldes am 4. Mai 2015 ist als dauernde Vermögensverschiebung zu Lasten der Bank F.___ und nicht etwa als blosses kurzfristiges Darlehen, welches die Beschuldigte von Anfang an zurückbezahlen wollte, zu qualifizieren.

 

In Bezug auf den Qualifikationsgrund der Gewerbsmässigkeit wird auf die Ausführungen unter nachfolgender Ziff. VII.4.2 verwiesen.

 

 

VI.   AKS Ziff. 3.4: Mehrfache Urkundenfälschung im Zusammenhang mit Auszahlungsbelegen von drei Bankkunden

 

1. Vorbemerkung

 

Der Beschuldigten wird in AKS Ziff. 1.a)3. ein Diebstahl von CHF 50'000.00 zu Lasten der Bank F.___ vorgehalten, bei welchem auch die Erstellung von gefälschten Urkunden und deren Verwendung eine wesentliche Rolle spielen. Es ist für die Beurteilung des Vorhaltes des Diebstahls deshalb auch hier angezeigt, vorerst den Vorhalt der mehrfachen Urkundenfälschung (AKS Ziff. 4) zu prüfen. Hierauf sind der Vorhalt gemäss AKS Ziff. 1.a)3. und auch – in Abweichung zu der streng chronologischen Reihenfolge der Anklageschrift – der Vorhalt gemäss AKS Ziff. 4 (Hausfriedensbruch) zu prüfen, denn alle diese vorgeworfenen Handlungen sind eng miteinander verflochten und ihre Tragweite erschliesst sich letztlich nur in der Gesamtschau.

 

2. Vorhalt

 

Der Beschuldigten werden in diesem Zusammenhang folgende Urkundenfälschungen vorgehalten:

 

Die Beschuldigte soll am 5. April 2017, ca. 16:00 Uhr, in [Ort 1] in der Bank F.___ auf drei Auszahlungsbelegen die Unterschriften des jeweiligen Kontoinhabers nachgeahmt haben.

 

3. Beweismittel

 

3.1.1 Es handelt sich um folgende Auszahlungsbelege, die alle den Vermerk: «Sie wurden von A.___ bedient» enthalten und mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen sind, welche die Namen der jeweiligen Kontoinhaber wiedergeben:

 

-       Bezugsbeleg vom 5. April 2017, 15:54 Uhr von CHF 20'000.00 ab dem Konto [CH ...1], lautend auf [Bankkundin 1] (4.1.1/3);

 

-       Bezugsbeleg vom 5. April 2017, 15:56 Uhr von CHF 20'000.00 ab dem Konto [CH ...2], lautend auf [Bankkunde 2] (4.1.1/1);

 

-       Bezugsbeleg vom 5. April 2017, 15:57 Uhr von CHF 10'000.00 ab dem Konto [CH ...3], lautend auf [Bankkunde 3] (4.1.1/2).

3.1.2 Die drei Auszahlungsbelege («Kassentransaktion») wurden anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 am Domizil der Beschuldigten (in einer Schublade im Kleiderschrank) sichergestellt (12.2.1/8: HD Nr. 4.1/1).

 

3.1.3 Den Auszahlungsbelegen kann entnommen werden (unten links, sehr klein gedruckt), dass die Belege am 5. April 2017 wie folgt ausgedruckt wurden:

 

-       [Bankkundin 1] (4.1.1/3): 15:55 Uhr

-       [Bankkunde 2] (4.1.1/1): 15:56 Uhr

-       [Bankkunde 3] (4.1.1/2): 18:08 Uhr

 

3.2.1 [Bankkundin 1] wurde am 25. September 2019 von der Staatsanwaltschaft als Zeugin befragt (WO, 10.3.2/1 ff.). Sie führte aus, die Bank F.___ seit ca. 10 Jahren nicht mehr besucht zu haben, die Unterschrift auf dem Beleg vom 5. April 2017 stamme nicht von ihr.

 

3.2.2 […], die Ehefrau von [Bankkunde 2] wurde am 7. Oktober 2019 als Zeugin befragt (WO, 10.3.4/1 ff.). Weder sie noch ihr Ehemann hätten am 5. April 2017 bei der Bank Geld bezogen. Ihr Mann habe zu dieser Zeit (Januar - Juli 2017) eine Magensonde gehabt, sie habe diese drei- bis viermal pro Tag anhängen müssen, um ihn zu ernähren. Die Unterschrift auf dem Beleg sei gefälscht.

 

3.2.3 Gemäss Aktennotiz der Staatsanwaltschaft vom 8. August 2019 war es [Bankkunde 3] aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, zu einer Einvernahme zu erscheinen, da er auf künstliche Ernährung angewiesen sei ([Bankkunde 3] ist 1925 geboren und war somit 2019 94-jährig). Er sei am Nachmittag jeweils zwischen 14:00 Uhr und 16:00 Uhr an einem Schlauch «angehängt».

 

3.3 Das Schriftengutachten vom 24. Juli 2018 (vgl. vorstehende Ziff. IV.3.2) äusserte sich auch zu den vorliegenden drei Auszahlungsbelegen. Diese wurden dem Gutachter als Urkunden X33, X34 und X35 zur Prüfung vorgelegt (7.1/111 f.).

 

Der Gutachter hielt fest, dass die Einfärbung der Unterschriften auf diesen Dokumenten ein spezielles Bild zeige. Diese scheine neben der hauptsächlich blauen, pastösen Einfärbung eine zusätzliche, teilweise ganz leicht vom blauen Schriftzug abweichende, schwarze, in der Natur nicht abschliessend zu beurteilende Einfärbung zu haben (7.1/121). Die schwarze und die blaue Einfärbung wichen teilweise voneinander ab, was dafür spreche, dass Vorzeichnungsspuren vorgelegen hätten (7.1/143). Die drei Dokumente wiesen zudem Durchdruckspuren auf. Dies bedeute, dass die drei Dokumente aufeinander gelegen hätten, als die Unterschriften geleistet worden seien.

 

Der Gutachter kam gestützt auf diese Feststellungen zum Schluss, eine Nachahmung der Unterschriften sei sehr viel wahrscheinlicher als die Hypothese authentischer Unterschriftszeichnungen der jeweiligen Personen (7.1/144, 172).

 

3.4.1 Anlässlich der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft am 17. Oktober 2017 machte die Beschuldigte zum Vorhalt vorerst keine Aussagen (10.1.1/5 f.). Dann führte sie aus, sie habe mit diesem Vorhalt nichts zu tun.

 

3.4.2 Anlässlich der Einvernahme vom 24. Oktober 2017 durch die Staatsanwaltschaft (10.1.1/62 ff.) wurde die Beschuldigte zu den an ihrem Domizil sichergestellten Auszahlungsbelegen befragt. Sie führte aus, dass sie am Tag nach der Befragung durch die Bank am Abend zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr an ihren Arbeitsplatz gegangen sei und die Belege gesucht habe. Sie habe im Kästli, wo alle Mitarbeiter ihre Pendenzen hätten, gesucht und dort die Belege gefunden und nach Hause genommen. Sie hätte die Belege sicher vernichtet, wenn sie von ihr gefälscht worden wären. Sie habe Angst gehabt, dass man auf der Bank davon ausgegangen wäre, dass sie diese Belege gefälscht habe, wenn sie diese dort gelassen hätte. Sie hätte die Belege dann vorgelegt, wenn sie mit ihrer Anwältin eine Anzeige gegen die Bank gemacht hätte.

 

3.4.3 Vor Obergericht führte die Beschuldigte auf Vorhalt der Erkenntnisse des Schriftengutachtens aus, sie sei das nicht gewesen (OGer AS 86).

 

4. Beweiswürdigung und Beweisergebnis

 

4.1 [Die Ehefrau von Bankkunde 2] und [Bankkundin 1] führten als Zeuginnen unter der strengen Strafdrohung von Art. 307 StGB glaubhaft aus, dass die Unterschriften auf den Auszahlungsbelegen nicht von ihnen stammten. Bei [Bankkunde 3] ergibt sich aus den Akten, dass seine Anwesenheit am 5. April 2017 auf der Bank aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen und damit eine Unterzeichnung des Auszahlungsbelegs vor Ort nicht möglich war.

 

4.2 Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass drei Bankgeschäfte mit Auszahlungen von zweimal CHF 20'000.00 und einmal CHF 10'000.00 innert drei Minuten und damit im Minutentakt erledigt sein können. Der Zeitbedarf pro Auszahlungsgeschäft, bei welchem der Kunde den gewünschten Betrag nennen und sich gegebenenfalls ausweisen muss, worauf das Geld bestellt, gezählt und verpackt werden muss, ist mit Sicherheit mit deutlich mehr als einer Minute zu veranschlagen. Die auf den Auszahlungsbelegen ausgewiesene Zeitdauer der drei Geschäfte (15:54 Uhr; 15:56 Uhr; 15:57 Uhr) wäre deshalb unmöglich, wenn ihnen eine effektive Geschäftsabwicklung zu Grunde gelegen hätte.

 

4.3 Das Schriftengutachten kommt mit schlüssiger Begründung zum klaren Ergebnis einer «sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit» einer Fälschung der Unterschriften als einer authentischen Unterzeichnung.

 

4.4 Es ist deshalb erstellt, dass die drei Unterschriften auf den Auszahlungsbelegen gefälscht sind. Gestützt auf die Erkenntnisse im Schriftengutachten, wonach die Belege im Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung aufeinander gelegen seien, ergibt sich, dass diese frühestens am 5. April 2017 um18:08 Uhr unterzeichnet wurden, weil der Auszahlungsbeleg von [Bankkunde 3] um diese Zeit ausgedruckt wurde.

 

4.5 Als Urheberin der gefälschten Unterschriften kommt nur die Beschuldigte in Betracht. So ist festzustellen, dass die Beschuldigte am 5. April 2017 bis um 18:20 Uhr arbeitete (5.2.1/96) und demzufolge im Zeitpunkt, als der dritte Auszahlungsbeleg ausgedruckt wurde, noch an ihrem Arbeitsplatz war, dies im Unterschied zum Praktikanten S.___, der am besagten Tag bereits um 17:18 Uhr ausgestempelt hatte (vgl. O-G 194). Sodann wurden die Auszahlungsbelege, wie bereits erwähnt, in ihrem Kleiderschrank an ihrem Wohndomizil anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 sichergestellt (12.2.1/8: HD Nr. 4.1/1). Ihre Aussage, sie habe die Belege auf der Bank geholt und nach Hause genommen, weil die Bank sonst davon ausgegangen wäre, dass sie diese gefälscht habe, ist nicht nachvollziehbar (vgl. hierzu eingehend auch nachfolgende Ziff. VIII.). Vielmehr hat die Beschuldigte mit diesem Verhalten den Verdacht gegen sich selbst gerade noch verstärkt: Der besagte Fundort der Belege lässt nur den Schluss zu, dass die Beschuldigte die Belege verstecken wollte. Um überhaupt an die Belege zu gelangen, musste die Beschuldigte, wie nachfolgend eingehend dargelegt wird (Ziff. VIII.), eine Straftat begehen. Die Beschuldigte machte anlässlich der ersten Einvernahme vom 17. Oktober 2017 zum Vorhalt keine Aussagen (10.1.1/5), was ihr gutes Recht ist, aber im Rahmen der Beweiswürdigung erstaunt, hatte sie doch ein eminent grosses Interesse daran gehabt, die schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen ihre Person zu entkräften. Dies aber hätte bedingt, dass sie zu den Vorwürfen Stellung bezog und Erklärungen abgab. Wenn die Beschuldigte diese Belege tatsächlich als Beweismittel hätte verwenden und zur Aufklärung hätte beitragen wollen, wie sie dies aussagte, hätte es sich aufgedrängt, diese anlässlich der Einvernahme vom 17. Oktober 2017 von sich aus zu erwähnen.

 

4.6 Schliesslich steht fest, dass die den Auszahlungsbelegen zu Grunde liegenden Kassentransaktionen mit dem Login der Beschuldigten ([...]) ausgeführt wurden (2.1.1/17). Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass auch ein anderer Mitarbeiter mit diesem Login auf den Kassenterminal hätte zugreifen können. Im konkreten Fall käme dafür aber einzig S.___, der damalige Praktikant, in Frage. Dieser war aber zur relevanten Zeit mit dem eigenen Login an der Arbeit, während das Login der Beschuldigten mit ihrem Passwort um 15:53 Uhr, also eine Minute vor den Transaktionen, verbunden wurde (2.1.1/26). Diese Verbindung konnte nur die Beschuldigte herstellen. Es ist undenkbar, dass sich die Beschuldigte um 15:53 Uhr einloggen und eine Minute später S.___ die Kassentransaktionen hätte vornehmen können (vgl. dazu auch nachfolgend Ziff. VII.).

 

4.7 Der Sachverhalt, wie er der Beschuldigten in AKS Ziff. 3.4 vorgehalten wird, ist damit erstellt.

 

5. Rechtliche Würdigung

 

In Bezug auf die allgemeinen Ausführungen zum Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne wird auf die Erwägungen unter vorstehender Ziff. IV.5. verwiesen.

 

Alle drei Auszahlungsbelege (4.1.1/001-003) stellen in rechtlicher Hinsicht Urkunden dar. Mit der Unterschrift auf dem Beleg wird der Erhalt des Bargeldes gegenüber der Bank quittiert. Die Belege sind bestimmt und geeignet, die Barauszahlung der auf dem Beleg ersichtlichen Geldsumme (d.h. CHF 10'000.00 und zwei Mal je CHF 20'000.00) an die jeweiligen Kontoinhaber ([Bankkunde 2], [Bankkunde 3], [Bankkundin 1]) zu beweisen. Diese Urkunden waren zudem unecht, weil in allen drei Fällen die Beschuldigte die Unterschriften der Kontoinhaber nachgeahmt hat. Sie hat demnach drei unechte Urkunden hergestellt, damit ist in Bezug auf alle drei Fälle der objektive Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne erfüllt. Auch der subjektive Tatbestand ist in diesen Fällen erfüllt: Die Beschuldigte fälschte vorsätzlich die Auszahlungsbelege und zielte darauf ab, der Bank F.___ (d.h. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Organe) vorzutäuschen, die Bargeldbeträge seien von den jeweiligen Kontoinhabern bezogen worden. Ebenso handelte sie in der Absicht, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Mit den gefälschten Auszahlungsbelegen verschleierte die Beschuldigte ihre Wegnahme von CHF 50‘000.00 aus dem Tresor der Bank F.___ (vgl. nachfolgende Ziff. VII.). Sie ist deshalb der mehrfachen Urkundenfälschung, begangen am 5. April 2017, schuldig zu sprechen.

 

 

VII.    AKS Ziff. 1.a)3.: Gewerbsmässiger Diebstahl zu Lasten der Bank F.___ in Bezug auf von CHF 50'000.00

 

1. Vorhalt

 

Der Vorhalt gemäss AKS Ziff. 1.a)3. lautet wie folgt:

 

« Begangen am 5. April 2017 um ca. 16:00 Uhr in [Ort 1], [...], Bank F.___, indem A.___ zuungunsten der Bank F.___ unrechtmässige Gelder in der Höhe von insgesamt CHF 50'000.00 zur Aneignung weggenommen hat, um sich selbst einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern. Konkret hat A.___ die CHF 50'000.00 aus dem Schliessfach der Tresoranlage der Bank F.___ entnommen und sich angeeignet. Damit hat sie den Gewahrsam der Bank F.___ gebrochen. Um das Fehlen dieser Gelder zu verschleiern, hat sie folgende drei Barbezüge vorgespiegelt:

 

-     CHF 20'000.00 ab Konto [CH ...1] lautend auf [Bankkundin 1];

-     CHF 20'000.00 ab Konto [CH ...2] lautend auf [Bankkunde 2];

-     CHF 10'000.00 ab Konto [CH ...3] lautend [Bankkunde 3].

 

Die elektronischen Belegerstellungen hat sie unterdrückt und an deren Stelle der Barbezugsbelege in Papierform ausgedruckt. Auf den drei ausgedruckten Barbezugsbelegen hat sie dann jeweils die Unterschrift der Inhaberin bzw. der Inhaber der belasteten Konten nachgeahmt.»

 

2. Beweismittel und Beweiswürdigung

 

2.1 Gemäss den drei Bezugsbelegen vom 5. April 2017 sollen drei Auszahlungen von insgesamt CHF 50'000.00 um 15:54 Uhr (CHF 20'000.00 an [Bankkundin 1]), 15:56 Uhr (CHF 20'000.00 an [Bankkunde 2]) und um 15:57 Uhr (CHF 10'000.00 an [Bankkunde 3]) erfolgt sein (vgl. 4.1.1/1-3).

 

2.2 Die drei Kassentransaktionen können auch dem Kassenjournal vom 5. April 2017 entnommen werden (1-3/2.1.1/17). Aus diesem Kassenjournal ergibt sich zudem, dass am 5. April 2017, 15:54 Uhr, eine «Twin Safe Aktion» erfolgte (1-3/2.1.1/18). Gemäss Strafanzeige der Bank F.___ handelt es sich bei einer «Twin Safe Aktion» um eine Manipulation am Gerät wie z.B. die Füllung des Safes die Entnahme von Geldern (1-3/2.1.1/7).

 

2.3 Aus dem Zeitausweis der Bank F.___ vom 5. April 2017 ist ersichtlich, dass die Beschuldigte an diesem Tag am Nachmittag um 12:59 Uhr einstempelte und um 18:20 Uhr ausstempelte (5.2.1/96). Die Beschuldigte war somit im Zeitpunkt dieser Kassentransaktionen vor Ort an der Arbeit.

 

2.4 Anlässlich der Einvernahme vom 17. November 2017 führte die Beschuldigte aus, sie habe an diesem Tag um 15:30 Uhr und 15:42 Uhr mit ihrer Maestro-Karte je einen Bezug im [Coop] in [Ort 1] gemacht (Bankbeleg: 1-3/2.1.1/33). Um diese Zeit habe sich somit Herr S.___ (damaliger Praktikant auf der Bank) alleine an der Kasse aufgehalten (10.1.1/77).

 

Die Wegstrecke von der Bank F.___ in [Ort 1] bis zum Coop […] beträgt eine Minute (1-3/2.2/9). Der Bezug um 15:42 Uhr erfolgte somit 12 Minuten vor der ersten Kassentransaktion auf der Bank F.___ und schliesst diese durch die Beschuldigte somit nicht aus.

 

2.5 Die Beschuldigte war am 5. April 2017 ab 15:53 Uhr bis 17:11 Uhr im Kassenterminal der Bank F.___ mit ihrem Passwort ([...]) eingeloggt. Während dieser Zeit hatte sie Zugriff zum Twin-Safe, über welchen die Kassentransaktionen abgewickelt wurden (1-3/2.1.1/5, 26).

 

2.6 Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 17. November 2017 (10.1.1/76 ff.) führte die Beschuldigte in diesem Zusammenhang aus, dass bei einem Barbezug durch einen Kunden der betreffende Betrag nach entsprechender Funktions-Eingabe automatisch vom Twin Safe ausgegeben werde. Grössere Beträge ab CHF 30'000.00 würden aus dem Safe Master genommen und dem Kunden herausgezählt.

 

2.7 Bei der Bank F.___ unterschrieb der Kunde seit März 2017 bei einem Barbezug in aller Regel auf einem Display (Sign-Pad), worauf ein elektronischer Beleg erstellt wurde (vgl. hierzu die Aussagen des Zeugen O.___: 10.3.2/19, Zeilen 634 f.). Dies bestätigte auch die Beschuldigte, indem sie anlässlich der Einvernahme vom 17. November 2017 ausführte, dass die Bankangestellten (nur) für angekündigte Auszahlungen jeweils einen (physischen) Beleg vorbereitet hätten. Wenn ein Beleg für einen Barbezug ausgedruckt worden sei, sei dieser am Abend jeweils nach [Ort 4] geschickt und dort archiviert worden (10.1.1/76 ff.).

 

Auch O.___, Leiter des Privatkundenteams bei der Bank F.___ in [Ort 1], ging auf diesen Aspekt ein, indem er als Zeuge ausführte (10.3.2/22), es habe Möglichkeiten gegeben, immer noch einen Beleg auszudrucken, der dann noch am selben Abend nach [Ort 4] habe geschickt werden müssen. Dies sei aber sehr selten der Fall gewesen (bei einem Beleg auf 5’000- 6'000 Belege).

2.8 Bei allen drei Transaktionen vom 5. April 2017 im Umfang von total CHF 50'000.00 wurden – entgegen den geschäftlichen Gepflogenheiten – drei Belege in Papierform ausgedruckt, während die Erstellung von elektronischen Belegen nachweislich unterdrückt wurde (2.1.1/3 f., 19 - 22). Weshalb ein elektronischer Beleg vorliegend ausser Betracht fiel, erschliesst sich mit Blick auf die Ausführungen unter vorstehender Ziff. VI.: Alle drei Belege sind gefälschte Urkunden, auf welchen die Beschuldigte die Unterschrift der Kontoinhaber nachgeahmt hat. Die Beschuldigte hätte unmittelbar beim Auslösen der Transaktion die Unterschrift des jeweiligen Kunden auf dem Sign-Pad nachahmen müssen. Diese Schwierigkeit entfiel bei einem Beleg in Papierform. Die Beschuldigte konnte den Beleg ausdrucken und die Unterzeichnung konnte auch erst nachträglich erfolgen. Von dieser Möglichkeit machte die Beschuldigte denn auch Gebrauch (vgl. Ziff. VI.4.4: Unterzeichnung frühestens um 18:08 Uhr).

 

2.9 Ein Versand der Papierbelege nach [Ort 4] für die Archivierung, was bei einem physischen Beleg sowohl nach den Angaben von O.___ wie auch nach den Angaben der Beschuldigten erforderlich gewesen wäre, ist nicht erfolgt.

 

2.10 Dem Banknotentresor der Bank F.___ wurden am 5. April 2017 CHF 100'000.00 entnommen (100 x CHF 1'000.00; 2.1.1/37, 39). Der Banknoten Safe Master enthielt am 5. April 2017 gegenüber dem Vortag zusätzlich 41 Noten à CHF 1'000.00, so dass entsprechend den Ausführungen in der Strafanzeige davon auszugehen ist, dass am 5. April CHF 100'000.00 dem Tresor entnommen, davon CHF 50'000.00 zurückbehalten und mit CHF 50'000.00 der Banknoten Safe Master gespiesen wurde (2.1.1/6). Die Differenz von CHF 9'000.00 beim Bestand der Notenscheine von CHF 1'000.00 ist mit dem Tagesgeschäft ohne Weiteres zu erklären.

 

2.11.1 Bei der forensischen Auswertung des anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 sichergestellten Handys Iphone 4s der Beschuldigten konnte eine (bereits gelöschte) Notiz mit folgendem Wortlaut wieder rekonstruiert werden (4.1.2/78 sowie 10.1.1/114)):

 

« 50 am 5.4.

2[...]2 (20)

2[...]8 (10)

2[...]9 (20)»

 

Die Beschuldigte führte dazu am 17. November 2017 (10.1.1/79 f.) aus, sie habe, nachdem sie die Auszahlungsbelege auf der Bank geholt habe, diese Nummern auf ihrem Handy notiert. Es handle sich dabei um die Kundennummern, weil sie nicht gewusst habe, was sie mit den Belegen machen sollte. Danach befragt, weshalb sie die Notiz auf ihrem Handy gelöscht habe, verwies sie auf die begrenzte Speicherkapazität. Sie habe öfters Sachen löschen müssen, das Handy sei immer wieder abgestürzt (10.1.1/80).

 

2.11.2 Die Akten enthalten Vergrösserungen des unteren linken Ausschnittes («Terminal 061, [Ort 1]») der drei Auszahlungsbelege (2.2/12, 14 und 16). Aus diesen Vergrösserungen ist ersichtlich, dass die obgenannten Zahlenfolgen dort enthalten sind. Es handelt sich dabei um die früheren Kontonummern der Bankkunden (10.1.1/80):

-       2[...]2: [Bankkundin 1] (2.2/11, 12);

-       2[...]8: [Bankkunde 2] (2.2/13, 14);

-       2[...]9: [Bankkunde 3] (2.2/15, 16).

 

Die auf der Handynotiz in Klammer vermerkten Zahlen (20, 20, 10) entsprechen (als Tausendereinheiten) den auf den Auszahlungsbelegen dokumentierten Beträgen und ergeben in ihrer Summe den Betrag von CHF 50'000.00.

2.11.3 Den Hinweisen auf den Auszahlungsbelegen unten links kann im Weiteren entnommen werden, wann diese Belege erstellt bzw. ausgedruckt worden sind:

 

-       2[...]2: [Bankkundin 1] (2.2/11, 12): 5. April 2017, 15:55 Uhr;

-       2[...]8: [Bankkunde 2] (2.2/13, 14): 5. April 2017, 15:56 Uhr;

-       2[...]9: [Bankkunde 3] (2.2/15, 16): 5. April 2017, 18:08 Uhr.

 

2.12.1 S.___ wurde am 29. November 2017 mit der Beschuldigten konfrontiert (10.2.2/1 ff.). Er arbeitete von Januar 2017 bis Oktober 2017 in der Bank F.___ als Praktikant. Er führte aus, es könne sein, dass man sich nicht auf die Login-Daten verlassen könne; es sei also möglich, dass ein Mitarbeiter eine Kassentransaktion mit dem Login eines anderen Mitarbeiters vornehme, weil man ab und zu auch am Desk eines Mitarbeiters arbeite (10.2.2/7). O.___, Leiter des Privatkundenteams, der am 5. April 2017 in [Ort 4] an einer Weiterbildung weilte (10.2.2/9), bestätigte in der Einvernahme vom 8. November 2017, dass andere Mitarbeiter mit dem Login der Beschuldigten hätten arbeiten können, es seien dies aber nur er selber und der Praktikant gewesen (10.3.2/16).

 

2.12.2 Der Praktikant S.___ war am 5. April 2017 von 9:01 Uhr bis 17:11 Uhr im Kassenterminal eingeloggt (2.1.1/25).

 

2.13.1 Die Beschuldigte bezahlte am 6. April 2017 auf das auf ihren Namen lautende Privatkonto bei der Bank F.___ bar einen Betrag von CHF 8'850.00 ein (2.1.1/33). Anlässlich der Einvernahme vom 24. Oktober 2017 durch die Staatsanwaltschaft verwies sie auf eine anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellte handschriftliche Auflistung, welche die Herkunft dieses Betrages erkläre (10.1.1/67).

 

2.13.2 Diese Auflistung findet sich in den Akten (4.1.1/90). Gemäss dieser Auflistung erhielt die Beschuldigte am 2. April 2017 von der Mutter ihres Freundes CHF 8'000.00 und am 6. April 2017 von ihrem Freund den Betrag von CHF 2'850.00.

 

2.13.3 Am 30. März 2017 bezog M.___ ab dem Konto ihres Ehemannes L.___ den Betrag von CHF 8'000.00. Der entsprechende Bankbeleg wurde anlässlich der Hausdurchsuchung am Domizil der Beschuldigten sichergestellt (4.1.1/98).

 

2.13.4 Der damalige Freund der Beschuldigten, K.___, sagte am 11. Dezember 2017 als Auskunftsperson aus, dass er der Beschuldigten im Jahr 2017 einen höheren Betrag gegeben habe, er wisse die Summe nicht mehr, es sei im Tausenderbereich gewesen (10.2.1/15). Zum Bezug seiner Mutter vom 30. März 2017 machte er keine Aussagen (10.2.1/16).

 

2.13.5 L.___ führte am 31. Oktober 2017 als Zeuge aus, dass er der Beschuldigten nie Geld gegeben habe. Seinem Sohn habe er höchstens CHF 200.00 bis CHF 300.00 gegeben (10.3.1/5). Anlässlich einer Konfrontationseinvernahme mit der Beschuldigten am 6. Dezember 2017 führte L.___ aus, dass der von seiner Ehefrau am 30. März 2017 getätigte Bezug für Einzahlungen verwendet worden sei. Seine Ehefrau hätte ihm gesagt, wenn sie das Geld ihrem Sohn gegeben hätte, aber vielleicht möge er sich nicht erinnern. Sie würden finanzielle Angelegenheiten immer zusammen besprechen (10.3.1/62).

 

2.13.6 Die Beschuldigte führte dazu aus, M.___ habe ihr das Geld schenken wollen, weil sie für sie Briefe geschrieben habe wegen Problemen am Arbeitsplatz und für das RAV. Sie habe ihr gesagt, sie solle es ihrem Sohn schenken, weil dieser noch etwas am Auto repariert habe. Wahrscheinlich habe sie das Geld dann dem Sohn (ihrem Freund) gegeben und von diesem habe sie es dann erhalten.

 

2.13.7 L.___ erinnerte sich an eine Schenkung seiner Ehefrau von je CHF 1'000.00 an die Beschuldigte und den Sohn für die Ferien. Sie habe eigentlich mehr schenken wollen, der Beschuldigten sei aber bei der Korrespondenz mit dem RAV ein Fehler passiert und die Ehefrau habe deshalb Sperrtage erhalten. Sie sei deshalb wütend geworden und habe dann nur noch einen kleineren Betrag gegeben. Sein Sohn habe ihm in dieser Zeit mit dem Auto nichts geholfen (10.3.1/63).

 

3. Beweisergebnis

 

3.1 Es ist erstellt, dass die Beschuldigte am 5. April 2017 die drei Auszahlungsbelege der Bankkunden [Bankkundin 1], [Bankkunde 2] und [Bankkunde 3] fälschte, indem sie diese mit den jeweiligen Unterschriften der Kontoinhaber versah (vgl. Ziff. VI. hiervor). Entsprechend ist erstellt, dass die drei Kunden den gemäss Auszahlungsbelegen quittierten Geldbetrag nicht erhalten haben.

 

3.2 Es ist ebenfalls erstellt, dass die Beschuldigte die diesen drei Auszahlungsbelegen zu Grunde liegenden Manipulationen um 15:54 Uhr, 15:56 Uhr und 15:57 Uhr vorgenommen hat (vgl. Kassenjournal 2.1.1/17). Mit dem Passwort der Beschuldigten ([…]) erfolgte um 15:54 Uhr eine «Twin Safe Aktion», was angesichts der gleichzeitig erfolgten Kassentransaktionen und der erstellten drei Auszahlungsbelege über total CHF 50’000.00 nur einen Geldbezug in dieser Höhe bedeuten kann (2.1.1/18). Die Beschuldigte loggte sich mit ihrem Passwort um 15:53 Uhr, also eine Minute vorher, im Kassenterminal ein (2.1.1/26). Es ist undenkbar, dass eine Minute später eine andere Person die Twin Safe Aktion und damit den Geldbezug hätte vornehmen können.

 

3.3 Diese Schlussfolgerung wird auch gestützt durch die auf dem Handy der Beschuldigten sichergestellten Notiz mit dem Datum des «5.4» und den früheren Konti-Nummern der drei Bankkunden sowie den Zahlen 20/20/10, die auf die Höhe des entwendeten Betrages von gesamthaft CHF 50'000.00 hinweisen (vgl. Ziff. VII.2.11.1 und 2.11.2 hiervor).

 

Diese Notiz ergibt nur dann Sinn, wenn die Beschuldigte (wie im Zusammenhang mit dem bereits abgehandelten Vorhalt gemäss AKS Ziff. 1a)2., vgl. Ziff. V. hiervor) eine Einzahlung beabsichtigte, um damit die zuvor getätigte Kontobelastung wieder auszugleichen. Bezeichnenderweise verwendete die Beschuldigte dabei die früheren Kontonummern der drei Bankkunden, welche auf den Auszahlungsbelegen von blossem Auge nicht lesbar waren, so dass die Handy-Notiz auf den ersten Blick nicht zu entschlüsseln war.

 

3.4 Im Weiteren ist erstellt, dass die Beschuldigte, seitdem ihre Vorgesetzten Verdacht schöpften, sie könnte an ihrem Arbeitsplatz deliktisch in Erscheinung getreten sein, Beweismaterial verbarg bzw. vernichtete: Die von ihr hergestellten Urkundenfälschungen (die drei Auszahlungsbelege vom 5.4.2017: 4.1.1/1-3) versteckte sie in ihrem Kleiderschrank in ihrer Wohnung (vgl. 12.2.1/8: HD-Nr. 4.1/1; 12). Zudem löschte sie die vorgenannte Handy-Notiz. Die von der Beschuldigten hierzu zu Protokoll gegebene Erklärung (10.1.1./080 ff.), die begrenzte Speicherkapazität habe sie zum Löschvorgang bewogen, ist als Schutzbehauptung zu werten, da eine derart kurze Notiz mit weniger als 50 Zeichen für die Speicherkapazität belanglos ist. Die Löschung diente offenkundig der Elimination eines belastenden Beweismittels.

 

3.5 Schliesslich spricht auch – wenn auch für sich alleine nicht entscheidend – die Einzahlung von CHF 8'850.00 vom 6. April 2017, also einen Tag nach der Wegnahme von CHF 50'000.00 aus der Tresoranlage, für die Täterschaft der Beschuldigten. Sowohl der damalige Freund der Beschuldigten als auch dessen Vater schlossen eine Zahlung an die Beschuldigte von CHF 8'000.00 an diese zwar nicht ganz aus, insgesamt erscheint diese Möglichkeit aber als sehr unwahrscheinlich. Es liegt deshalb sehr nahe, dass diese Barmittel einen Teil der am Vortag entwendeten Summe darstellen.

 

3.6 Zusammenfassend ist erstellt, dass die Beschuldigte am 5. April 2017 an ihrem Arbeitsplatz bei der Bank F.___ aus dem Schliessfach der Tresoranlage den Betrag von CHF 50'000.00 entwendet hat. Um überhaupt auf dieses Tresorfach zugreifen zu könne, bedurfte es zwingend einer sog. «Twin Safe Aktion», weshalb die Beschuldigte die Kassentransaktionen zu Lasten der Kontoinhaber [Bankkunde 2], [Bankkunde 3] und [Bankkundin 1] auslöste. Zugleich dienten ihr diese Kassentransaktionen (zweimal CHF 20'000.00, einmal CHF 10'000.00) dazu, einen Bargeldbezug durch die drei vorgenannten Kontoinhaber vorzutäuschen und damit die von ihr vorgenommene Geldentnahme aus dem Banktresor zu verschleiern.

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1 Hinsichtlich den allgemeinen Ausführungen zum Tatbestand des Diebstahls wird auf die Erwägungen unter Ziff. III.9.2 und 9.3 verwiesen. Wiederum ist von einem Gewahrsamsbruch zu Lasten der Bank F.___ auszugehen, indem die Beschuldigte, die als Bankangestellte bloss einen untergeordneten Gewahrsam für die Arbeitgeberin ausübte, Notengeld im Gesamtbetrag von CHF 50'000.00 zur Aneignung aus dem Banktresor wegnahm und damit ihren alleinigen Gewahrsam begründete.

 

Auch wenn zu Gunsten der Beschuldigten davon ausgegangen wird, dass sie (wie im Fall von [Bankkundin 4] am 4.5.2015) die Absicht hatte, das Geld mittels Einzahlung wieder den drei Kontos gutzuschreiben und damit die buchhalterische Belastung wieder auszugleichen, ändert dies nichts an der rechtlichen Qualifikation und damit an der Erfüllung des Tatbestandes von Art. 139 Ziff. 1 StGB. Im vorliegenden Fall blieb – im Gegensatz zum Fall [Bankkundin 4] – eine solche Bareinzahlung auch aus.

 

4.2 In Ziff. 1.a) der Anklageschrift wird der Beschuldigten gewerbsmässiger Diebstahl vorgeworfen.

 

4.2.1 Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 StGB ist gegeben, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die der Täter für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufs ausübt, wobei eine quasi «nebenberufliche» deliktische Tätigkeit genügt (BGE 123 IV 113 E. 2c; 119 IV 129 E. 3a). Gewerbsmässigkeit setzt demnach voraus, dass der Täter erstens die Tat bereits mehrfach beging, zweitens in der Absicht handelte, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und drittens aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand fallenden Handlungen bereit gewesen. Zu berücksichtigen sind bei der Qualifizierung die Verhältnismässigkeit und das Schuldprinzip sowie die soziale Gefährlichkeit (BGE 116 IV E. 319 E. 3b und 4b), wobei diese Rechtsprechung unter Hinweis auf die im früheren Recht vorgesehenen Mindeststrafen erging (BGE 116 IV E. 319 E. 4c S. 333).

 

4.2.2 In den Fällen AKS Ziff. 1.a)1., 1.a)2. und 1.a)3. erfolgt jeweils ein Schuldspruch wegen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB. Während der Deliktszeit zwischen Ende Februar 2015 und Juli 2017 (29 Monate) nahm der Beschuldigte Gelder der Bank F.___ im Gesamtbetrag von CHF 143'000.00 zur Aneignung weg (AKS Ziff. 1.a)1.: Notengeld in der Grössenordnung von rund CHF 83'000.00; AKS Ziff. 1.a)2.: CHF 10'000.00; AKS Ziff. 1.a)3.: CHF 50'000.00). Pro Monat ergibt dies einen Betrag von CHF 4'931.05 und damit annähernd CHF 5'000.00. Die Beschuldigte erhielt während der Tatzeit Lohnzahlungen von ca. CHF 166'000.00; der Deliktsbetrag liegt somit nicht wesentlich unter dieser legalen Einkommensquelle. Es kam während der Tatzeit zu einer Vielzahl von Diebstählen und es ist angesichts der langen Deliktsdauer offensichtlich, dass sich die Beschuldigte auf eine regelmässige Einkommensquelle aus ihrer deliktischen Tätigkeit einrichtete und einstellte. Sie hat sich deshalb des gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 StGB schuldig gemacht.

 

 

VIII. AKS Ziff. 4: Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB)

 

1. Vorhalt

 

« Begangen am 30. Juli 2017 von 22:04 Uhr bis 22:09 Uhr, in [Stadt 1], [Adresse], Bank F.___, indem A.___ mittels Ersatzschlüssel unrechtmässig und gegen den Willen der Bank F.___ bzw. ihrer vorgesetzten Personen in die nicht den Kunden zugänglichen Räumlichkeiten der Geschäftsstelle in [Stadt 1] eingedrungen ist. A.___ wurde am 28. Juli 2017 von der Arbeit suspendiert und es wurde ihr seitens ihrer Vorgesetzten der Bank F.___ am selben Tag der Schlüssel für den Zutritt zur Bank abgenommen.»

 

2. Sachverhalt

 

2.1 Am 28. Juli 2017 fand eine interne Befragung der Beschuldigten durch ihre Vorgesetzten der Bank F.___ statt. In der Folge wurde die Beschuldigte von der Arbeit suspendiert (5.2.1/4).

 

2.2 Im Anschluss an das Gespräch vom 28. Juli 2017 wurde die Beschuldigte aufgefordert, den persönlichen Schlüssel für den Zutritt zur Geschäftsstelle in [Ort 1] abzugeben. Da die Beschuldigte ausführte, diesen Schlüssel zuhause zu haben, fuhr der Leiter der Geschäftsstelle [Stadt 1] mit ihr zu ihrer Wohnung, wo er den Schlüssel in Empfang nahm (2.1.1/134).

 

2.3 Offenbar verfügte die Beschuldigte über einen Ersatzschlüssel, der (erst) im Rahmen der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 sichergestellt wurde (Schlüssel 29518/3, vgl. 2.1.1/122 und 12.2.1/8 HD-Nr. 27).

 

2.4 Es ist unbestritten, dass sich die Beschuldigte mit diesem Ersatzschlüssel in der Nacht vom 30. Juli 2017 den Zutritt zu den nicht öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten der Bankgeschäftsstelle in [Stadt 1] verschaffte, dort die drei Auszahlungsbelege vom 5. April 2017 behändigte und nach Hause nahm, wo sie in einer Schublade im Kleiderschrank aufbewahrt wurden (vgl. auch AKS Ziff. 3.4 sowie die Ausführungen zu Ziff. VI. hiervor).

 

2.5 In der Einvernahme vom 24. Oktober 2017 führte die Beschuldigte aus, sie sei am Tag nach der internen Befragung auf der Bank ob der Vorhalte, sie habe Belege manipuliert, dermassen geschockt gewesen, dass sie am nächsten Tag am Abend auf die Bank gegangen sei, um die Belege zu suchen. Sie habe die Belege gefunden und mitgenommen. Sie habe gewusst, wenn sie die Belege dort lassen würde, sehe dies so aus, als ob sie diese gefälscht habe (10.1.1/63).

 

2.6 Danach befragt, wie sie das Verhalten des Geschäftsleiters interpretiert habe, der sie nach Hause begleitet habe, um den Schlüssel abzuholen, gab die Beschuldigte vor Obergericht zur Antwort, sie habe nicht mehr zur Arbeit gehen sollen (OGer AS 89).

 

3. Rechtliches

 

3.1 Gemäss Art. 186 StGB macht sich auf Antrag wegen Hausfriedensbruchs strafbar, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof Garten in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.

 

3.2 Vorab ist die Prozessvoraussetzung des Strafantrages zu prüfen:

 

Entgegen den Ausführungen der Verteidigung vor Obergericht liegt ein Strafantrag der Bank F.___ vor (2.1.1/121 ff.).

 

In Bezug auf die Antragsfrist von drei Monaten (Art. 31 StGB), beginnend mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person die Täterschaft bekannt wird, kann Folgendes festgehalten werden: Der Strafantrag datiert vom 19. Dezember 2017. Gemäss Ausführungen im Strafantrag erhielten die Vertreter der Strafantragstellerin am 8. November 2017 erstmals Kenntnis davon, dass sich die Beschuldigte am 30. Juli 2017 auf der Bank aufhielt.

 

Am 8. November 2017 wurde O.___, Leiter des Privatkundenteams, als Zeuge befragt (10.3.2/1 ff.). Im Verlauf dieser Einvernahme wurde er mit der Aussage der Beschuldigten konfrontiert, wonach diese ausgesagt habe, am 29. Juli 2017 auf die Bank gegangen zu sein, um die Belege zu holen. O.___ führte darauf aus, dies könne nicht sein, weil sie am Vortag Schlüssel und Badge abgegeben habe; einen zweiten Schlüssel habe sie nicht gehabt (10.2.3/18).

 

In Anbetracht dieser Aussage von O.___ auf die Frage des Staatsanwalts hatte dieser bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon, dass die Beschuldigte die Bank nach dem 28. Juli 2017 noch einmal aufgesucht hatte. Vielmehr ging er davon aus, dass die Beschuldigte über keinen Schlüssel zur Bank mehr verfügte und ihr deshalb ein Zutritt nicht mehr möglich war.

 

Damit erfolgte der Strafantrag am 19. Dezember 2017 fristgerecht.

 

3.3 Die Beschuldigte musste nach dem internen Gespräch vom 28. Juli 2017 mit ihren Vorgesetzten ihren persönlichen Schlüssel für den Zutritt zur Geschäftsstelle der Arbeitgeberin abgeben. Da sie diesen in ihrer Wohnung hatte, wurde sie vom Leiter der Geschäftsstelle nach Hause begleitet, wo er den Schlüssel in Empfang nahm. Die Vertreter der Arbeitgeberin gaben der Beschuldigten mit diesem Vorgehen und der ebenfalls am 28. Juli 2017 erfolgten Suspendierung mit aller Deutlichkeit zu verstehen, dass ihr ein Betreten der Geschäftsstelle bzw. die Anwesenheit an ihrem Arbeitsplatz ab sofort untersagt ist.

 

3.4 Die Beschuldigte betrat den nicht publikumsöffentlichen Teil der Geschäftsstelle am Abend des 30. Juli 2017 trotz dieser unmissverständlichen Willensäusserung der Arbeitgeberin. Sie hat damit den objektiven Tatbestand von Art. 186 StGB erfüllt.

 

3.5 Ein schriftliches Hausverbot wurde der Beschuldigten von der Arbeitgeberin nicht ausgehändigt, was aber – entgegen der Verteidigung – auch gar nicht erforderlich war, denn in subjektiver Hinsicht wusste diese auch ohne ein solches Schreiben, dass ihr das Betreten der Büroräumlichkeiten an der Geschäftsstelle in [Stadt 1] untersagt war. Das erschliesst sich unmissverständlich aus ihrer eigenen Aussage vor Obergericht (vgl. vorstehende Ziff. VIII.2.6). Daran ändert ebenfalls nichts, dass die Beschuldigte noch über einen Ersatzschlüssel zur Geschäftsstelle verfügte; offensichtlich war dies der Arbeitgeberin nicht mehr bewusst, da sie andernfalls dessen Abgabe ebenfalls verlangt hätte. Bezeichnenderweise betrat die Beschuldigte denn die Bank auch ausserhalb der Bürozeiten, nämlich nachts an einem Sonntag (30.7.2017), als sich niemand auf der Bank aufhielt und sie entsprechend am Betreten hätte hindern können. Damit ist eine vorsätzliche Verletzung des Hausrechts gegeben.

 

3.6 Der Verteidiger bestreitet vor Berufungsgericht die Rechtswidrigkeit der Tat, indem er vorbringt, seine Mandantin habe sich in einem Beweisnotstand befunden und sei berechtigt gewesen, beweisrechtliche Selbsthilfe zu üben. Die Beschuldigte habe sich in ihrer Berufsehre verletzt gefühlt und habe sich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen wollen und auch dürfen. Dass die Beschuldigte ihren ehemaligen Arbeitsplatz aufgesucht habe, um sich auf die Suche nach entlastendem Beweismaterial zu machen, könne ihr nicht zum Vorwurf gereichen. Um an die Belege zu gelangen, habe sie zwingend die Büroräumlichkeiten betreten müssen. Im Rahmen einer Interessenabwägung sei das Interesse der Beschuldigten, sich gegen die schwer wiegenden Vorwürfe zur Wehr setzen zu können, stärker zu gewichten als das Hausrecht der Bank F.___.

 

Diese Argumentation verfängt aus folgenden Gründen nicht: Die Überwachungskamera zeichnete auf, wie die Beschuldigte um 22:04 Uhr die Schalterhalle der Bank F.___ Geschäftsstelle in [Stadt 1] über den Personaleingang betrat, sich in Richtung des von der Kamera nicht erfassten Arbeitsplatzes bewegte und schliesslich bereits um 22:09 Uhr in der Gegenrichtung die Schalterhalle wieder verliess (1-3/2.1.1/135). Diese kurze Aufenthaltsdauer von nur 5 Minuten spricht nicht dafür, dass sich die Beschuldigte vor Ort auf die Suche nach Beweismitteln begab, sondern legt vielmehr nahe, dass sie zielgerichtet ihren ehemaligen Arbeitsplatz aufsuchte, um dort die Auszahlungsbelege zu behändigen. Die drei Auszahlungsbelege waren nicht Gegenstand der bankinternen Befragung der Beschuldigten am 28. Juli 2017. Die Bank ging im Sommer 2017 vielmehr davon aus, es gebe überhaupt keine Belege zu diesen drei Transaktionen (vgl. auch die Ausführungen in der Strafanzeige der Bank F.___ vom 9.8.2017: 2.1.1/3 f.). Die Behauptung der Beschuldigten, solche Belege seien in der Bank in einem allgemeinen Pendenzenfach aufbewahrt worden, sie habe deshalb gewusst, wo sie suchen müsse, ist unglaubhaft. Es kann ausgeschlossen werden, dass Belege, die nachweislich am 5. April 2017 ausgedruckt worden waren, in der Folge über 3 ½ Monate in einem Pendenzenfach lagen, ohne dass diese von Mitarbeitenden der Bank entdeckt worden wären. Mit der Version der Beschuldigten, sie habe die Belege geholt, um Licht ins Dunkle zu bringen, nicht zu vereinbaren ist zudem die Tatsache, dass diese Belege dann nie – weder von der Beschuldigten noch vom Verteidiger bzw. ihrer Rechtsvertreterin in der zivilrechtlichen Streitsache – in das Verfahren eingebracht wurden und schliesslich anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 an ihrem Wohndomizil in ihrem Kleiderschrank in einer Schublade zum Vorschein kamen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Belege – drei von ihr erstellte Urkundenfälschungen (vgl. hierzu vorstehende Ziff. VI.) – von ihr bewusst von der geschäftlichen in die rein private Sphäre verbracht wurden, damit sie diese verstecken konnte. Ihr Betreten der nicht öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten der Bank (entgegen dem Willen der Hausherrin) diente damit nicht der Beweismittelbeschaffung, sondern der Beweismittelvereitelung.

 

Der Notstand setzt zudem eine «nicht anders abwendbare Gefahr» voraus (Art. 17 StGB). Die Beschuldigte hätte jedoch mit einem entsprechenden Beweisantrag (im damaligen Zeitpunkt wohl im Rahmen des Zivilprozesses) und demzufolge mit einer nicht strafbaren Handlung die von ihr behauptete Gefahr beseitigen können.

Von der Beschuldigten wurden mit dem begangenen Hausfriedensbruch weder höherwertige Interessen gewahrt noch lag eine nicht anders abwendbare Gefahr vor, weshalb ein rechtfertigender Notstand zu verneinen ist.

 

Die Beschuldigte hat sich am 30. Juli 2017 des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB schuldig gemacht.

 

 

IX.   AKS Ziff. 3.1 lit. b, c und d, Ziff. 3.2 lit. b (soweit den 14.3.2014 betreffend) sowie Ziff. 3.3 lit. a: Mehrfache Urkundenfälschung (Art. 251 Abs. 1 StGB)

 

1. Vorbemerkung

 

Der Beschuldigten werden in AKS Ziff. 2.1 und 2.2 mehrere Betrugshandlungen vorgehalten, bei welchen jeweils die Erstellung von gefälschten Urkunden und deren Verwendung eine wesentliche Rolle spielen. Es ist für die Beurteilung der Vorhalte der Betrugshandlungen deshalb angezeigt, vorerst die Urkundenfälschungen zu prüfen. Falls diese Vorhalte nicht erstellt sind, wird dies unmittelbare Auswirkungen auf den Vorwurf des Betrugs haben, der eine arglistige Täuschungshandlung voraussetzt.

 

2. Vorhalt

 

2.1 Der Beschuldigten wird vorgehalten, am 14. März 2014 zwecks Erlangung eines Kredits bei der Bank G.___ über den Betrag von CHF 24'000.00 auf den nachfolgenden sieben Dokumenten die Unterschrift von L.___ nachgeahmt zu haben (AKS Ziff. 3.1 lit. b):

 

-       Kreditantrag (6.5/137);

-       Vertrag Barkredit Plus (6.5/138);

-       AGB Vertrag Barkredit Plus (6.5/139 und 139a);

-       Budgetberechnung (6.5/140);

-       Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten (6.5/141);

-       Beitrittserklärung für den freiwilligen Versicherungsschutz (6.5/142);

-       Auszahlungsauftrag (6.5./143).

 

2.2 Der Beschuldigten wird weiter vorgehalten, ebenfalls am 14. März 2014 folgende vier Dokumente mit dem Namen und der Unterschrift von L.___ versehen zu haben, um ohne dessen Wissen bei der Bank F.___ das Konto IBAN [CH (…)] auf dessen Namen eröffnen zu können (AKS Ziff. 3.2 lit. b):

 

-       Unterschriftenkarte Private (6.3/381);

-       Anhang zum US-Quellensteuer-Fragebogen für natürliche Personen (6.3/383);

-       Bestätigung des Kunden betr. Steuerstatut (6.3/384);

-       Fragebogen für natürliche Personen (6.3/385).

 

2.3 Der Beschuldigten wird sodann vorgehalten, zwei diesen Kredit betreffende Auszahlungsbelege ab dem Konto IBAN [CH (…)] mit der gefälschten Unterschrift von L.___ versehen zu haben (AKS Ziff. 3.3 lit. a):

 

-           Auszahlungsbeleg vom 25. März 2014 über CHF 23'000.00 (6.3/392);

-           Auszahlungsbeleg vom 10. April 2014 über CHF 986.45 (6.3/393).

 

2.4 Anfangs September erfolgte der Abschluss eines zweiten Kreditvertrages über CHF 50'000.00 (Aufstockung des Ausgangskredits um CHF 30'797.90, im Umfang von CHF 19'202.10 wurde der Ausgangskredit getilgt). In diesem Zusammenhang wird der Beschuldigten vorgehalten, am 1. September 2015 folgende Dokumente mit der Unterschrift von L.___ versehen und hierauf der Bank G.___ eingereicht zu haben (AKS Ziff. 3.1 lit. b):

 

-       Kreditantrag (6.5/144);

-       Vertrag Barkredit Plus (6.5/145);

-       AGB Vertrag Barkredit Plus (6.5/146 f.);

-       Budgetberechnung (6.5/148);

-       Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten (6.5/149);

-       Auszahlungsauftrag (6.5./150);

-       Korrespondenz-Zustellung (6.5/151).

 

2.5 Ebenso soll die Beschuldigte um den 1. September 2015 eine Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ eigenhändig abgeändert und damit verfälscht haben, indem sie das Datum der Kontrollfrist, lautend auf den 31. Oktober 2014, mit Tipp-Ex abgedeckt und auf einer weiteren Kopie der Niederlassungsbewilligung das Datum «30.06.2020» angebracht habe. Auch diese Urkunde soll sie der Bank G.___ eingereicht haben (AKS Ziff. 3.1 lit. c).

 

2.6 Schliesslich wird der Beschuldigten im Zusammenhang mit den Kreditaufnahmen bei der Bank G.___ vorgehalten, zwischen dem 4. Februar 2016 und dem 6. Juni 2017 die E-Mail-Adresse «L.___@gmx.ch» ohne dessen Wissen eingerichtet zu haben und in der Folge sechs E-Mail-Nachrichten (6.5/152 - 157) mit diesem Absender an die Bank G.___ gesandt und diese mit dem Namen «L.___» versehen zu haben. In allen sechs E-Mail-Nachrichten wird die Bank gebeten, einen Mahnstopp zu veranlassen, weil die fällige Monatsrate bezahlt worden sei bzw. noch gleichentags bezahlt werde (6.5/152 ff.; AKS Ziff. 3.1 lit. d).

 

3. Beweiswürdigung und Beweisergebnis

 

3.1 Es kann vorweg auf die Ausführungen unter Ziff. IV.3.2 verwiesen werden. Es ist insbesondere festzustellen, dass die Schlussfolgerungen des Schriftengutachtens vom 24. Juli 2018 in gleichem Masse auch für die vorliegenden Vorhalte zutreffen.

 

3.2.1 Am 31. Oktober 2017 führte L.___ anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme in Anwesenheit des Vertreters der Beschuldigten als Zeuge aus (10.3.1/1 ff.), er habe der Beschuldigten bei finanziellen Engpässen nie in irgendeiner Form geholfen. Er habe für sich selber noch nie einen Privatkredit aufgenommen.

 

3.2.2 Zwischen L.___ als Zeuge und der Beschuldigten wurde am 6. Dezember 2017 in Anwesenheit des Vertreters der Beschuldigten eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt (10.3.1/54 ff.).

 

L.___ führte aus, dass er von der Beschuldigten nie gefragt worden sei, für sie ein Darlehen aufzunehmen. Sie habe ihm auch nie Dokumente vorgelegt, die er unterzeichnet habe, weder für Kredite noch für sonst etwas.

 

Die Beschuldigte führte aus, die Dokumente seien entweder direkt in der Bank am Domizil des Zeugen unterschrieben worden. Sie habe ihm auch gesagt, dass sie Schulden habe, weshalb sie den Kredit aufstocken wolle. Er habe für sie einen Kredit aufgenommen.

 

3.2.3 Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 24. März 2021 wurde L.___ erneut als Zeuge befragt (O-G 141 ff.). Er führte aus, dass er in den 40 Jahren, die er in der Schweiz lebe, nie einen Kredit aufgenommen habe, weder für sich noch für einen Dritten. Er habe von den Dokumenten, die ihm in Solothurn (d.h. von der Staatsanwaltschaft) vorgelegt wurden und die er unterschrieben haben soll, nichts gewusst.

 

3.3 K.___, der damalige Freund der Beschuldigten und der Sohn von L.___, führte anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 11. Dezember 2017 als Auskunftsperson aus (10.2.1/8 ff.), seine Eltern hätten von den Schulden von ihm selber der Beschuldigten keine Kenntnis gehabt.

 

3.4.1 Die Beschuldigte bestritt die Fälschung der Unterschriften stets: Anlässlich der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 24. Oktober 2017 (10.1.1/62 ff.) führte die Beschuldigte auf Vorlage von Dokumenten der Bank G.___ aus, dass sie mit L.___ vereinbart habe, dass dieser ein Darlehen aufnehme und dieses an sie weitergebe. Ihr Freund und sie hätten damals Steuerschulden gehabt.

 

3.4.2 Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 17. November 2017 (10.1.1/69 ff.) führte die Beschuldigte aus, dass sie Schulden gehabt und deshalb L.___ gefragt habe, ob er für sie ein Darlehen aufnehmen würde. Beim ersten Mal, ca. 2014, seien es ca. CHF 24'000.00 gewesen, welche die Bank G.___ ausbezahlt habe. Den Antrag habe Herr L.___ unterzeichnet. Im Jahr 2015 habe es eine Erhöhung des Kredits gegeben, dann seien ca. CHF 30'000.00 ausbezahlt worden. Sie habe Herrn L.___ darauf angesprochen und er sei einverstanden gewesen. Sie habe die Ratenzahlungen direkt vorgenommen.

 

3.4.3 Unbestritten war aber auch von ihrer Seite stets, dass die Kreditauszahlungen schliesslich von ihr zur Beseitigung finanzieller Engpässe und Begleichung von Schulden verwendet worden seien. Der Kreditantrag sowie der Antrag auf Kreditaufstockung erfolgten somit unbestrittenermassen ausschliesslich in ihrem Interesse.

 

3.5 Gestützt auf diese Ausgangs- und Interessenlage ist deshalb erstellt, dass die Unterschriften von L.___ auf den Dokumenten, welche zur Erlangung eines Kredits bzw. der Aufstockung des Kredits bei der Bank G.___ dienten, aber auch die Bezugsbelege vom 25.3./10.4.2014 (6.3/392, 393) von der Beschuldigten gefälscht und in der Folge gegenüber der Bank G.___ verwendet wurden.

 

3.6 Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 wurde am Domizil der Beschuldigten eine Kopie der Niederlassungsbewilligung von L.___ sichergestellt, auf welcher mit Tipp-Ex das Datum der Kontrollfrist überdeckt worden ist (4.4.1/74). Es ist somit offensichtlich, dass sich die Beschuldigte von der Kopie der Niederlassungsbewilligung, welche sich im Zusammenhang mit der Kontoeröffnung vom 14. März 2014 bei den Unterlagen der Bank F.___ befand (6.3/382), eine Kopie erstellte und auf dieser die Kontrollfrist, die nur bis am 31. Oktober 2014 lief, abdeckte und eine neue Frist «30.06.2020» einsetzte, um damit über eine Kopie eines amtlichen Ausweises zu verfügen, die zur Zeit dieser Handlung (2. Kreditantrag im Namen von L.___ bei der Bank G.___) noch in Geltung war.

 

Auf dieser Kopie bestätigte die Beschuldigte in ihrer Funktion als Kundenberaterin unterschriftlich, das Original am 9. September 2015 eingesehen zu haben (6.5/131).

 

3.7 Die Beschuldigte ist geständig, die E-Mail-Adresse «L.___@gmx.ch» eingerichtet und benutzt zu haben. Sie hat auch eingeräumt, die sechs E-Mails gemäss Vorhalt (vgl. Ziff. IX.2.6 hiervor) geschrieben zu haben (10.3.1/61).

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1 Die von der Beschuldigten gefälschten Dokumente im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Krediterhöhung (je sieben Dokumente: AKS Ziff. 3.1 lit. b), im Zusammenhang mit der Kontoeröffnung vom 14. März 2014 (vier weitere Dokumente: AKS Ziff. 3.2 lit. b) sowie im Zusammenhang mit den beiden Bezugsbelegen (AKS Ziff. 3.3 lit a) stellen allesamt Urkunden im Sinne der Legaldefinition von Art. 110 Abs. 4 StGB dar (vgl. hierzu ausführlich bereits Ziff. IV.5.8.1 und 5.8.3). Gleiches gilt in Bezug auf die Kopie des amtlichen Ausweises (Niederlassungsbewilligung mit der von der Beschuldigten eingefügten Kontrollfrist «30.06.2020»: AKS Ziff. 3.1 lit. c, vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziff. IV.5.8.4).

 

Es kann in Bezug auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung im engeren Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB vorab auf die Ausführungen unter Ziff. IV.5. hiervor verwiesen werden. Die Beschuldigte hat auf insgesamt 20 Dokumenten mit Urkundencharakter die Unterschrift von L.___ nachgeahmt und damit in objektiver Hinsicht den Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne erfüllt. Sie handelte wissentlich und willentlich sowie in der Absicht, über die Identität der antragstellenden Person und deren finanzielle Situation (Kreditantragsformulare) bzw. über die Identität der faktischen Bankkontoinhaberin (Kontoeröffnungsdokumente) und über die Identität der Zahlungsempfängerin (Bezugsbelege) zu täuschen sowie in der Absicht, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (Erlangen zweier Kredite trotz fehlender Kreditwürdigkeit, freies Verfügen über die Gelder auf dem unter falschem Namen eröffneten Bankkonto).

 

4.2 Die Beschuldigte vermerkte auf der Kopie der Niederlassungsbewilligung bei der Kontrollfrist nachträglich und eigenmächtig ein anderes Datum. Aufgrund dieser Abänderung entsprach dieser Erklärungsinhalt nicht mehr dem ursprünglichen Erklärungsinhalt der Ausstellerin (Migrationsbehörde). Es handelt sich um eine tatbestandsmässige Verfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB (Sonderfall der Urkundenfälschung im engeren Sinne). Auch die subjektiven Tatbestandselemente sind erfüllt: Sie handelte in der Absicht, der Bank G.___ vorzuspiegeln, es handle sich um eine Kopie eines von der Migrationsbehörde ausgestellten Ausweises, der zum Zeitpunkt des zweiten Kreditantrages bzw. der Kreditaufstockung Gültigkeit besass. Die unrechtmässige Vorteilsabsicht bestand darin, mit dieser verfälschten Urkunde die Kreditaufstockung zu erwirken.

 

4.3 E-Mails sind Computerurkunden. Das Bundesgericht hat in einem Fall, da der Beschuldigte E-Mails, die ihm zugestellt worden waren und die er inhaltlich abänderte und in der Folge weiterleitete, den Tatbestand der Urkundenfälschung bejaht (BGE 138 IV 209 E. 5.4). Im vorliegenden Fall handelt es sich um Urkundenfälschungen im engeren Sinne, da die wirkliche Ausstellerin der E-Mails (die Beschuldigte) mit dem erkennbaren Aussteller (L.___) nicht übereinstimmt. Die Beschuldigte hat deshalb den Tatbestand der Urkundenfälschung auch im Falle der sechs E-Mails mehrfach erfüllt.

 

4.4 Die Beschuldigte hat sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung im engeren Sinne gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB in diesen insgesamt 27 Fällen erfüllt und ist entsprechend wegen mehrfacher Urkundenfälschung schuldig zu sprechen.

 

 

X. Anklageschrift Ziff. 2.1: Betrug (Kredit über CHF 24'000.00 bei der Bank G.___)

 

1.  Sachverhalt und Beweisergebnis

 

1.1 Die Beschuldigte versah zwischen dem 14. März 2014 bis 24. März 2014 sieben Dokumente (vgl. Ziff. IX.2.1 hiervor) mit der Unterschrift von L.___ und reichte diese mit zwei weiteren Belegen (Lohnabrechnung und Kopie Ausländerausweis) bei der Bank G.___ zwecks Erlangung eines Kredits von CHF 24'000.00 ein (6.5/137 -143; 116, 117).

 

1.2 Am 24. März 2014 wurde der Betrag von CHF 24'000.00 gestützt auf die von ihr eingereichten gefälschten Dokumente ausbezahlt und dem (von ihr unter falschen Namen) am 14. März 2014 eröffneten Privatkonto IBAN [CH (…)] (vgl. Ziff. IX.2.2 hiervor) mit Valuta 25. März 2014 gutgeschrieben (6.3/314; 6.5/107).

 

1.3 Den beim Betreibungsamt (…) eingeholten Betreibungsakten kann entnommen werden, dass im Jahr 2014 zahlreiche Betreibungsverfahren gegen die Beschuldigte hängig waren (5.1.2/5 ff.: sieben Einträge in der Gesamthöhe von CHF 15'207.75).

 

1.4 Der Kredit wurde bis am 11. September 2015 von der Beschuldigten ratenweise zurückbezahlt. Die Schlusszahlung vom 11. September 2015 im Umfang von CHF 19'202.10 erfolgte durch einen Kontoübertrag im Rahmen der Aufstockung des Kredits (vgl. AKS Ziff. 2.2, Ziff. XI. hiernach): Der zweite Kredit umfasste insgesamt CHF 50'000.00, wovon CHF 30'797.90 (CHF 50'000.00 – CHF 19'202.10) ausbezahlt wurden.

 

2. Rechtliche Würdigung

 

2.1 Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich u.a. des Betrugs schuldig, wer in der Absicht, sich einen anderen unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst einen anderen am Vermögen schädigt.

 

Als objektive Tatbestandselemente werden eine arglistige Täuschung, ein dadurch bewirkter Irrtum, eine auf den Irrtum gestützte Vermögensdisposition des Irrenden sowie ein aufgrund der Vermögensdisposition eingetretener Vermögensschaden vorausgesetzt (vgl. Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 146 StGB N 1).

 

2.2 Angriffsmittel beim Betrug ist die Täuschung des Opfers. Als Täuschung gilt jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, bei einem anderen eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervorzurufen. Sie ist eine unrichtige Erklärung über Tatsachen, d.h. über objektiv feststehende, vergangene gegenwärtige Geschehnisse Zustände (vgl. u.a. BGE 135 IV 76 E. 5.1).

 

Die Erfüllung des Tatbestands erfordert eine arglistige Täuschung. Betrügerisches Verhalten ist strafrechtlich erst relevant, wenn der Täter mit einer gewissen Raffinesse Durchtriebenheit täuscht. Ob die Täuschung arglistig ist, hängt aber nicht davon ab, ob sie gelingt. Aus dem Umstand, dass das Opfer der Täuschung nicht erliegt, lässt sich nicht ableiten, diese sei notwendigerweise nicht arglistig. Wesentlich ist, ob die Täuschung in einer hypothetischen Prüfung unter Einbezug der dem Opfer nach Wissen des Täters zur Verfügung stehenden Selbstschutzmöglichkeiten als nicht nur erschwert durchschaubar erscheint (vgl. u.a. BGE 135 IV 76 E. 5.2; Ursula Cassani, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR 117/1999 S. 164).

 

Dem Merkmal der Arglist kommt mithin die Funktion zu, legitimes Gewinnstreben durch Ausnutzung von Informationsvorsprüngen von der strafrechtlich relevanten verbotenen Täuschung abzugrenzen und den Betrugstatbestand insoweit einzuschränken. Dies geschieht einerseits durch das Erfordernis einer qualifizierten Täuschungshandlung. Aus Art und Intensität der angewendeten Täuschungsmittel muss sich eine erhöhte Gefährlichkeit ergeben (betrügerische Machenschaften, Lügengebäude). Einfache Lügen, plumpe Tricks leicht überprüfbare falsche Angaben genügen demnach nicht. Andererseits erfolgt die Eingrenzung über die Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit des Opfers (vgl. u.a. BGE 135 IV 76 E. 5.2).

 

Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist – soweit das Opfer sich nicht in leichtfertiger Weise seiner Selbstschutzmöglichkeiten begibt – Arglist gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines anderen ein ganzes Lügengebäude errichtet sich besonderer Machenschaften Kniffe bedient. Solche betrügerischen Machenschaften liegen vor, wenn die Täuschung durch zusätzliche Massnahmen, wie z.B. gefälschte rechtswidrig erlangte Urkunden und Belege, abgesichert wird. Arglist wird aber auch schon bei einfachen falschen Angaben bejaht, wenn deren Überprüfung nicht nur mit besonderer Mühe möglich nicht zumutbar ist, und wenn der Täter das Opfer von der möglichen Überprüfung abhält nach den Umständen voraussieht, dass dieses die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen wird (vgl. u.a. BGE 135 IV 76 E. 5.2, 122 IV 197 E. 3d; Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 146 StGB N 7 f. sowie die neueren Entscheide 6B_962/2015 vom 5.4.2016 E. 2.4 sowie 6B_712/2017 vom 23.5.2018 E. 4.3).

 

Der Gesichtspunkt der Überprüfbarkeit der Angaben erlangt nach der neueren Rechtsprechung auch bei Lügengebäuden und besonderen Machenschaften und Kniffen Bedeutung. Auch in diesen Fällen ist somit das Täuschungsopfer zu einem Mindestmass an Aufmerksamkeit verpflichtet (BGE 135 IV 76 E. 5.2; 128 IV 18 E. 3a; je mit Hinweisen). Arglist scheidet aus, wenn der Getäuschte den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Dabei sind die jeweilige Lage und die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall entscheidend. Rücksicht zu nehmen ist namentlich auf geistesschwache, unerfahrene aufgrund von Alter Krankheit beeinträchtigte Opfer auf solche, die sich in einem Abhängigkeits- Unterordnungsverhältnis in einer Notlage befinden, und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen. Auf der anderen Seite sind besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Opfers in Rechnung zu stellen.

 

2.3 Die arglistige Täuschung muss beim Opfer einen Irrtum – also eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung – bewirken, welcher es dazu veranlasst, eine Vermögensdisposition, eine Vermögensverfügung zu treffen, die zu einem Vermögensschaden führt. Das Opfer kann auch zum Schaden eines Dritten verfügen, was entsprechende Verfügungsmacht voraussetzt. Mit dem Eintritt eines Vermögensschadens ist der Betrug vollendet. Eine vorübergehende Schädigung genügt, späterer Ersatz schliesst Betrug nicht aus (vgl. Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 146 StGB N 14 f., 18, 20 und 26).

 

Das Vermögen muss einen Schaden erleiden, d.h. es muss sich im Vergleich zwischen der effektiven Gesamtvermögenslage und der hypothetischen Vermögenslage unter der Annahme, dass die Erklärung des Täters wahr war, eine Differenz zum Nachteil des Opfers ergeben. Eine blosse Vermögensgefährdung genügt nicht. Eine Vermögensgefährdung wird aber dann zur Verletzung, wenn das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vermindert ist das Vermögen, wenn der Gefährdung im Rahmen einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung Rückstellung Rechnung getragen werden muss (vgl. Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 146 StGB N 23; vgl. u.a. BGE 122 IV 279 E. 2a).

 

Das Bundesgericht hat in BGE 122 IV 279 E. 2a in Zusammenhang mit dem altrechtlichen Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung zum Vermögensschaden entsprechend erläutert, wenn ein Geschäftsführer klar ungenügend gesicherte Kredite vergebe, so stehe nicht fest, ob daraus tatsächlich ein Schaden resultieren werde. Trotzdem werde das betreffende Darlehen in der Bilanz nicht mehr zum Nennwert eingesetzt (vgl. Art. 669 Abs. 1 OR), sondern der Betrag werde teilweise abgeschrieben. In diesem Sinne bedeute die erhebliche Unsicherheit betreffend die Einbringlichkeit des gewährten Darlehens nicht nur eine Gefährdung des Vermögens in der Höhe des Darlehensbetrages, sondern gleichzeitig auch einen Schaden in der Höhe eines Teilbetrages desselben.

 

In BGE 102 IV 84 E. 4 hat das Bundesgericht zum Kredit- bzw. Darlehensbetrug gemäss dem altrechtlichen Betrugstatbestand (Art. 148 aStGB) Folgendes ausgeführt: «Kreditgeschäfte, wie der vorliegende Darlehensvertrag, schliessen zumeist gewisse Risiken in sich, welche der Darleiher bewusst eingeht. Dafür erhebt er regelmässig auch einen Zins, welcher diesem Risiko Rechnung trägt. Deshalb kann nicht schon in jeder Vermögensgefährdung, welche im Abschluss solcher Kreditgeschäfte liegt, eine nach Art. 148 StGB beachtliche Vermögensschädigung gesehen werden. Eine solche ist sinngemäss nur dann gegeben, wenn der Borger entgegen den beim Darleiher geweckten Erwartungen von Anfang an dermassen wenig Gewähr für eine vertragsgemässe Rückzahlung des Geldes bietet, dass die Darlehensforderung erheblich gefährdet und infolgedessen in ihrem Wert wesentlich herabgesetzt ist. In diesem Fall überschreitet der Kreditnehmer in unzulässiger Weise die Grenze des dem Kreditgeber zumutbaren Risikos.»

 

Zum konkreten Fall hat sich das Bundesgericht in E. 4 sodann wie folgt geäussert: «Wie schon dargelegt, täuschte der Beschwerdegegner eine weit grössere Kreditwürdigkeit vor, als es den Tatsachen entsprach. Wären seine Angaben wahr gewesen, hätte die Darlehensforderung nach Abschluss des Vertrages einen viel höheren Wert gehabt. Sie hätte vom Darleiher bedeutend leichter und besser an einen Dritten verpfändet abgetreten werden können. Damit war aber der Darleiher schon durch den Abschluss des Vertrages geschädigt, nicht erst durch die nicht vertragsgemässe Rückzahlung. Selbst die vertragsgemässe Rückzahlung hätte die schon durch den Vertragsschluss eingetretene Vermögensverminderung nicht ungeschehen machen können. Denn auch eine bloss vorübergehende Schädigung genügt für den Betrug.»

 

Bezogen auf den Schädigungsvorsatz im konkreten Fall hat das Bundesgericht in E. 5 schliesslich Folgendes festgehalten: «Die Vermögensschädigung lag nicht erst darin, dass der Beschwerdegegner später hinzugetretene Umstände (…) nicht voraussah und infolge dieser Umstände seine vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllte. Die Vermögensschädigung trat schon mit Vertragsabschluss ein, weil damals der Darleiher für sein Geld eine Darlehensforderung erhielt, die trotz der subjektiven Rückzahlungsbereitschaft bedeutend weniger wert war, als sie es gewesen wäre, wenn die Angaben des Beschwerdegegners über den Verwendungszweck des Darlehens und die Vermögensverhältnisse der Wahrheit entsprochen hätten. Nur dies ist rechtlich auch Gegenstand des Schädigungsvorsatzes, nicht der zur Zeit des Vertragsabschlusses mehr weniger begründete Glaube des Beschwerdegegners, er könne und wolle seinen Rückzahlungsverpflichtungen auch unter den zur Zeit des Vertragsabschlusses wirklich bestehenden und voraussehbaren Verhältnissen nachkommen.»

 

2.4 In subjektiver Hinsicht wird Vorsatz bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale vorausgesetzt, wobei Eventualvorsatz genügt. Ausserdem muss die Absicht, sich einen Dritten ungerechtfertigt bereichern zu wollen, vorliegen, wobei nicht erforderlich ist, dass die Bereicherung tatsächlich eintritt. Als Bereicherung gilt jede wirtschaftliche Besserstellung im Sinne des strafrechtlichen Vermögensbegriffes, selbst wenn sie bloss vorübergehend sein sollte. Zwischen dem Schaden und der Bereicherung muss ein innerer Zusammenhang bestehen; die Bereicherung muss die Kehrseite des Schadens sein. Unrechtmässigkeit der Bereicherung ist gegeben, wenn diese im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, sie also vom Recht missbilligt wird. Ist der Täter nicht sicher, einen Anspruch auf die Bereicherung zu haben, so handelt er hinsichtlich der Unrechtmässigkeit mit Eventualabsicht, was nach der Praxis des Bundesgerichts genügt, sofern er die Bereicherung selbst unbedingt anstrebt (vgl. Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 146 StGB N 31 sowie zu Vor Art. 137 StGB N 10 bis 13 und 15; Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo in: BSK StGB II, Vor Art. 137 StGB N 78, 85 und 87).

 

2.5 Die Beschuldigte täuschte die Bank G.___ arglistig über die Identität des Kreditnehmers und Vertragspartners, indem sie sich besonderer Machenschaften bediente (Einreichung von sieben von ihr gefälschten Urkundendokumenten), welche mit der nachgeahmten Unterschrift von L.___ versehen waren. Die Beschuldigte kreuzte im Kreditantrag (6.4/137) bei der Frage nach offenen Betreibungen «Nein» an, was nicht der Wahrheit entsprach. Sie legte dem Antrag zudem einen Lohnausweis von L.___ sowie ein Familienbudget bei, welches einen monatlich verfügbaren Freibetrag von CHF 1'171.00 auswies (6.5/140, 116). Auch diese Angaben entsprachen nicht ihrer persönlichen finanziellen Situation.

 

Die Bank G.___ befand sich gestützt auf diese Angaben in einem Irrtum über die Person und finanzielle Situation des Kreditantragstellers und bewilligte gestützt auf diesen Irrtum den beantragten Kredit. Am 24. März 2014 überwies sie den Betrag von CHF 24'000.00 auf das Privatkonto bei der Bank F.___ (vormals Bank Y.___], welches auf den Namen von L.___ lautete (6.5/107; 6.3/314), dessen Eröffnung aber ohne dessen Wissen wenige Tage zuvor (14.3.2014) von der Beschuldigten mit gefälschten Urkunden erwirkt worden war (vgl. hierzu AKS Ziff. 3.2 lit. b).

 

Durch diese Vermögensdisposition wurde die Bank G.___ geschädigt, weil sie den Kredit nicht einem in finanziell gesicherten Verhältnissen lebenden Vertragspartner, sondern einer finanziell schwachen Person, gegen welche Betreibungsverfahren hängig waren, ausbezahlte. Der wirtschaftliche Wert der Kreditforderung gegenüber der Beschuldigten war kleiner als gegenüber einer Person, welche über einen monatlichen Freibetrag von CHF 1'171.00 verfügte, da die Einbringlichkeit der Forderung damit erheblich gefährdet war. Daran ändern auch die nach Vertragsschluss getätigten Rückzahlungen des Kredits nichts, weil sich der Schädigungsvorsatz auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezieht. Die Beschuldigte wusste, dass sie zu Folge der gegen sie hängigen Betreibungsverfahren keinen Kredit erhalten würde, wenn sie diesen im eigenen Namen beantragt hätte. Sie handelte deshalb vorsätzlich und mit unrechtmässiger Bereicherungsabsicht.

 

Der Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB ist damit in Bezug auf AKS Ziff. 2.1 erfüllt.

 

2.6 Zwischen Betrug und Urkundenfälschung besteht wegen der Verschiedenartigkeit der betroffenen Rechtsgüter echte Konkurrenz (BGE 138 IV 209 E. 5.5).

 

 

XI.   AKS Ziff. 2.2.: Betrug (Kredit über CHF 50'000.00 bei der Bank G.___)

 

1. Sachverhalt und Beweisergebnis

 

1.1 Es ist erstellt, dass die Beschuldigte am 1. September 2015 folgende Dokumente fälschte, indem sie diese mit der Unterschrift «L.___» versah (vgl. AKS Ziff. 3.1 lit. b; vorne Ziff. IX.2.4 und 3.5):

 

-       Kreditantrag (6.5/144);

-       Vertrag Barkredit Plus (6.5/145);

-       AGB Vertrag Barkredit Plus (6.5/146 f.);

-       Budgetberechnung (6.5/148);

-       Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten (6.5/149);

-       Auszahlungsauftrag (6.5./150);

-       Korrespondenz-Zustellung (6.5/151)

 

Diese Dokumente reichte die Beschuldigte in der Folge mit den beiden nachfolgenden Belegen bei der Bank G.___ zwecks Antrag auf Erhöhung des Kredits von CHF 24'000.00 auf total CHF 50'000.00 ein:

 

-       Lohnabrechnungen von L.___ und dessen Ehefrau (6.5/127 f.);

-       Kopie des Ausländerausweises von L.___ (6.5/131).

Auf dieser Ausweiskopie wurde die Kontrollfrist von der Beschuldigten abgeändert (30.6.2020), vgl. AKS Ziff. 3.1 lit. c; vorne Ziff. IX.3.6 und 4.2).

 

1.2 Die Beschuldigte bezifferte im Kreditantrag das Nettoeinkommen von L.___ mit CHF 5'578.00 und jenes seiner Ehefrau mit CHF 3'720.00 (6.5/144). In der Budgetberechnung wurde ein monatlich frei verfügbarer Betrag von CHF 2'474.00 angegeben (6.5/148).

 

1.3 Im Zeitpunkt des Antrags auf Aufstockung des Kredits bei der Bank G.___ liefen gegen die Beschuldigte mehrere Betreibungsverfahren (5.1.2/6). Die Beschuldigte präsentierte sich somit gegenüber der Bank G.___ wahrheitswidrig als eine in gesicherten und stabilen Verhältnissen lebende Person.

 

1.4 Die Bank G.___ schloss auf der Grundlage der von der Beschuldigten am 1. September 2015 eingereichten ge- bzw. verfälschten Unterlagen mit «L.___» einen Kreditvertrag «Barkredit Plus» mit einer Kreditlimite von maximal CHF 50'000.00 ab (6.5/145).

 

Am 11. September 2015 erfolgte die Auszahlung des Kredits von CHF 50'000.00 durch die Bank G.___ (6.5/118). CHF 19'202.10 wurden für die Saldierung des Grundkredits von CHF 24'000.00 verwendet (6.5/108, vgl. AKS Ziff. 2.1, Ziff. IX. hiervor), der Betrag von CHF 30'797.90 wurde mit Valuta 14. September 2015 dem Konto [CH (..)]bei der Bank Y.___, lautend auf L.___, gutgeschrieben (6.3/348).

 

1.5 Es ist unbestritten, dass die ab diesem Konto getätigten Bezüge von total CHF 30'500.00 (6.5/394 - 396) von der Beschuldigten verwendet wurden. Entgegen ihren Aussagen (vgl. Ziff. IV.3.1.5 hiervor) erhielt sie dieses Geld jedoch nicht von L.___, der mit diesem Konto nichts zu tun hatte, sondern bezog es selbst, indem sie jeweils die Unterschrift von L.___ fälschte.

 

1.6 Gemäss Aufstellung der Bank G.___ vom 28. August 2017 erfolgten bis zu diesem Zeitpunkt Rückzahlungen des Kredits im Umfang von CHF 23'282.40 (6.5/118 f.).

 

Per 20. Januar 2019 bestand ein Ausstand (inkl. Zinsbelastung) von CHF 38'268.15 (9.2/6-8).

 

2. Rechtliche Würdigung

 

2.1 Das Vorgehen der Beschuldigten bei der Aufstockung des Kredits entsprach ihrem Vorgehen am 14. März 2014, als sie bei der Bank G.___ den Grundkredit von CHF 24'000.00 beantragte und schliesslich auch erwirkte. Sie bediente sich betrügerischer Machenschaften und somit einer qualifizierten Täuschungshandlung, indem sie der Bank bei der Aufstockung des Kredits diverse gefälschte Urkundendokumente sowie eine verfälschte Kopie der Niederlassungsbewilligung vorlegte, welche die Bank über die Identität sowie die finanzielle Stärke der Vertragspartnerin täuschten und diese zum Abschluss des Kreditvertrags veranlassten.

 

2.2 Es kann deshalb für die rechtliche Würdigung vollumfänglich auf die Ausführungen in Ziff. X.2. hiervor verwiesen werden.

 

Die Beschuldigte hat sich bei der Aufstockung des Anfangskredits bei der Bank G.___ bzw. beim Zweitkredit von CHF 50'000.00 des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

 

 

XII.  AKS Ziff. 3.2 lit. c: Mehrfache Urkundenfälschung betreffend Konto lautend auf Z.___ [fiktiver Name]

 

1. Vorhalt

 

Der der Beschuldigten zur Last gelegte Vorhalt lautet folgendermassen (AKS Ziff. 3.2 lit. c):

 

«c) Betreffend Konto, lautend auf Z.___

 

A.___ hat am 13. Januar 2017 auf insgesamt fünf Kontoeröffnungsdokumenten bei der […] Bank F.___ betreffend Konto IBAN Nr. [CH (…)], lautend auf Z.___, als angeblicher Z.___, geb. 7. Juli 1980, unterzeichnet, welcher aber in der Realität nicht existiert. Hierbei handelt es sich um folgende Dokumente:

 

-     Unterschriftenkarte Private vom 13. Januar 2017;

-     Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten;

-     Bestätigung des Kunden betreffend Steuerstatus;

-     Informationsaustausch per E-Mail;

-     Selbstauskunft betreffend unbeschränkter Steuerpflicht und «US-Person»

Status.

 

A.___ legte zu den gefälschten Kontoeröffnungsunterlagen drei von ihr eigenhändig verfälschte Ausweiskopien, welche ursprünglich von ihrem damaligen Lebenspartner, K.___, geb. […] 1982, stammten. Bei den verfälschten Ausweiskopien handelt es sich um folgende:

 

-     Kopie der Niederlassungsbewilligung von Z.___. Unter anderem verfälschte A.___ den Vornamen, Geburtsdatum und Wohnadresse. Als Wohnort hat sie «[eine Schreibvariante von Ort 2]» anstatt «[Ort 2]» angebracht.

-     Kopie der Niederlassungsbewilligung von Z.___. Unter anderem verfälschte A.___ den Vornamen, Geburtsdatum und Wohnadresse. Bei dieser Fassung hat sie den Wohnort korrekt mit «[Ort 2]» angebracht.

-     Passkopie von Z.___. Unter anderem verfälschte A.___ den Vornamen und das Geburtsdatum.

 

Die fünf gefälschten Kontoeröffnungsdokumente sowie die drei verfälschten Ausweiskopien visierte A.___ als Kundenberaterin und legte diese im entsprechenden Kundendossier ab. A.___ fälschte resp. verfälschte und brauchte diese total acht Urkunden in der Absicht, um über die faktische Inhaberin des Kontos zu täuschen und sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, indem sie anonym über ein Konto bei der […] Bank F.___ frei verfügen konnte.»

 

2. Beweismittel

 

2.1 Im Jahr 2017 lebte die Beschuldigte in Partnerschaft mit K.___. Dieser wurde [...] 1982 geboren und ist [europäischer] Staatsangehöriger. Er lebte mit der Beschuldigten im gleichen Haushalt [an der Adresse in Ort 2] (2.2/4-6, 8).

 

2.2 Am 29. November 2017 ersuchte die Staatsanwaltschaft die Bank F.___ um Zustellung sämtlicher Kontoeröffnungsunterlagen betreffend Z.___, geb. […] 1980, Geschäftsbeziehung Nr. 2571.7138 (6.3/398).

 

Am 4. Dezember 2017 stellte die Bank der Staatsanwaltschaft folgende Unterlagen zu:

 

-       Unterschriftenkarte Private vom 13. Januar 2017 (6.3/403);

-       Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten (6.3/407);

-       Bestätigung des Kunden betr. Steuerstatus (6.3/408);

-       Informationsaustausch per e-mail (6.3/409);

-       Selbstauskunft betr. unbeschränkter Steuerpflicht und «US-Person»-Status (6.3/410).

 

Alle fünf Dokumente tragen das Datum «13.1.2017» und die Unterschrift «Z.___».

 

2.3 Die Kontoeröffnungsunterlagen betreffend Z.___ enthalten im Weiteren die unter Ziff. XII.1. aufgeführten Ausweiskopien.

 

2.4 Sowohl auf den Kopien der Niederlassungsbewilligung als auch auf der Passkopie ist vermerkt und unterschriftlich bestätigt, dass die Beschuldigte in ihrer Funktion als Kundenberaterin der Bank F.___ die Originaldokumente eingesehen habe.

 

2.5 Gemäss Aktennotiz der Staatsanwaltschaft ist im System der Migrationsbehörde kein Z.___ verzeichnet. Die ZEMIS-Nr. […], welche auf dem Ausländerausweis von Z.___ aufgeführt sei (vgl. 6/3/405, auf dem Ausweis oben rechts) könne K.___ zugeordnet werden (2.2/2). In den Akten findet sich eine Kopie des Ausländerausweises von K.___ mit der entsprechenden ZEMIS-Nr. (2.2/4).

 

2.6 Das Schriftengutachten vom 24. Juli 2018 (7.1/100 ff.; 154 ff.) nahm eine Analyse der Unterschrift «Z.___» auf den Kontoeröffnungsunterlagen vor und verglich diese mit der Unterschrift von K.___, dem damaligen Lebenspartner der Beschuldigten. Der Gutachter kam zum Schluss, die Befunde erschienen wahrscheinlicher unter der Hypothese, dass die Unterschriften auf den Dokumenten nicht von K.___ ausgeführt worden seien. Dabei sei die Hypothese, dass die Beschuldigte diese Unterschriften ausgeführt habe, gleich wahrscheinlich wie die Hypothese, dass dies durch eine Drittperson erfolgt sei (7.1/166).

 

2.7 Die Bank F.___ sandte am 12. Januar 2017 an die Adresse «K.___, c/o Z.___, [Adresse in Ort 2]», an welcher die Beschuldigte und ihr Lebenspartner wohnten, eine Konto-Eröffnungsbestätigung (4.1.1/9). Diese wurde anlässlich der Hausdurchsuchung vom 17. Oktober 2017 im Kleiderschrank der Beschuldigten sichergestellt (12.2.1/8).

 

2.8 Die Beschuldigte wurde anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 17. November 2017 mit dem Namen «Z.___» konfrontiert (10.1.1/82 f.). Sie machte dazu keine Aussagen. Auch anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und der Berufungsverhandlung wollte sie zu diesem Vorhalt nichts sagen (O-G 160, OGer AS 88). Der damalige Lebenspartner der Beschuldigten, K.___, sagte anlässlich seiner Befragung vom 11. Dezember 2017 als Auskunftsperson ebenfalls nichts zu diesem Vorhalt (10.2.1/14).

 

3. Beweiswürdigung und Beweisergebnis

 

3.1 Die Person «Z.___» existiert gemäss Angaben des Migrationsamtes nicht. Auf Grund des Ausländerausweises und des Passdokuments des damaligen Lebenspartners der Beschuldigten ist offensichtlich, dass diese Dokumente verfälscht wurden, indem der Vorname, das Geburtsdatum und die Wohnadresse abgeändert wurden. Die Beschuldigte hat bei diesen Dokumenten bestätigt, sie mit dem Original verglichen zu haben. Das Original war aber ein Dokument ihres Lebenspartners, welches verfälscht wurde und deshalb nicht der Kopie entsprach. Die Bestätigungen der Beschuldigten auf den Kopien (6.3/405, 406, 412) sind somit unwahr, was der Beschuldigten zweifellos bewusst war.

 

3.2 Die Unterschriften «Z.___» auf den Kontoeröffnungsdokumenten stammen gemäss Schriftengutachten wahrscheinlich nicht vom Lebenspartner der Beschuldigten. Als weitere mögliche Täterschaft ist nur die Beschuldigte denkbar. Das Schreiben der Bank F.___ betreffend Bestätigung der Kontoeröffnung wurde im Kleiderschrank der Beschuldigten und damit in ihrem persönlichen Bereich sichergestellt, was darauf schliessen lässt, dass sie die entsprechende Postzustellung entgegengenommen und bei sich aufbewahrt hatte. Es steht deshalb fest, dass die Unterschriften auf den erwähnten Unterlagen von der Beschuldigten gefälscht wurden.

 

3.3 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass der Vorhalt gemäss AKS Ziff. 3.2 lit. c erstellt ist.

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1 Es ist vorab auf die allgemeinen Ausführungen zur Urkundenfälschung im engeren Sinne und die Tathandlungen des Fälschens und Verfälschens unter vorstehender Ziff. IV.5. zu verweisen.

 

4.2 Die fünf Kontoeröffnungsdokumente stellen Urkunden im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB dar (vgl. Ziff. IV.5.8.2 hiervor), die zudem unecht sind: Sie wurden von der Beschuldigten unterzeichnet, lauten aber auf eine nicht real existierende Person (Z.___, europäischer Staatbürger, geboren am 7.7.1980 in der Schweiz).

 

Auch die in AKS Ziff. 3.2 lit. c aufgeführten drei Ausweiskopien haben Urkundencharakter im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB (vgl. hierzu die vorstehender Ziff. IV.5.3 sowie 5.8.4). Diese Urkunden wurden von der Beschuldigten verfälscht: Für deren Herstellung dienten ihr gemäss dem Beweisergebnis die Niederlassungsbewilligung und der Pass ihres damaligen Lebenspartners K.___, europäischer Staatsbürger, geboren am [...] 1982, als Vorlagen. In der Folge änderte sie auf den Kopien dieser beiden Vorlagen den Vornamen, das Geburtsdatum und (teilweise) auch den Wohnort und die Wohnadresse eigenmächtig ab, so dass die Urkunden nicht mehr dem ursprünglichen Erklärungsinhalt des Ausstellers (kantonales Migrationsamt) bzw. der Ausstellerin (spanische Ausweisbehörde) entsprachen.

 

Die Beschuldigte hat in Bezug auf alle acht Dokumente den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne erfüllt. Der Gebrauch dieser ge- bzw. verfälschten Urkunden (Einreichung bei der Bank F.___) durch die Urkundenfälscherin selber ist eine mitbestrafte Nachtat (Stefan Trechsel/Lorenz Erni in: PK StGB, Art. 251 StGB N 11).

 

Auch der subjektive Tatbestand ist erfüllt: Die Beschuldigte fälschte resp. verfälschte die Dokumente wissentlich und willentlich und dies in der Absicht, die Bank über die Identität der Person, welche das Bankkonto eröffnen wollte, zu täuschen, sowie in der Absicht, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, indem sie anonym über ein Konto bei der Bank F.___ (vormals Bank Y.___), frei verfügen konnte.

 

Mit Blick auf die Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Sachverhaltskomplex L.___ (vgl. insbesondere AKS Ziff. IX., X. und XI.) ist davon auszugehen, dass die Beschuldigte plante, betrügerisch einen weiteren Kredit zu erwirken und sie mit dieser Kontoeröffnung die Grundlage schuf, um sich den Kredit auszahlen lassen zu können, ohne dass das Kreditinstitut Verdacht schöpfte.

 

 

XIII. Zusammenfassung

 

Die Beschuldigte ist somit schuldig zu sprechen wegen:

-       Gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 StGB (AKS Ziff. 1.a)1. - 1.a)3.);

-       Mehrfachen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB (AKS Ziff. 2.1, 2.2);

-       Mehrfacher Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Abs. 1 StGB (AKS Ziff. 3.1 - 3.4);

-       Hausfriedensbruchs (AKS Ziff. 4).

 

 

XIV. Strafzumessung

 

1. Allgemeine Ausführungen

 

1.1 Nach Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).

 

1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung ist dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände berühren die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.

 

1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

1.4 Führt die Strafzumessung unter Würdigung aller wesentlichen Umstände zu einer Freiheitsstrafe, welche im Bereich eines Grenzwertes zur Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzuges liegt, hat sich der Richter zu fragen, ob – zugunsten des Beschuldigten – eine Sanktion, welche diese Grenze nicht überschreitet, noch innerhalb des Ermessensspielraumes liegt. Bejaht er die Frage, hat er die Strafe in dieser Höhe festzulegen. Verneint er sie, ist es zulässig, auch eine nur unwesentlich über der Grenze liegende Freiheitsstrafe auszufällen. In jedem Fall hat der Richter diesen Entscheid im Urteil ausdrücklich zu begründen, andernfalls er seiner Begründungspflicht nach Art. 50 StGB nicht nachkommt (BGE 134 IV 17 E 3.6).

 

1.5 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen. Es darf dabei jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Das Gericht hat die Strafe zudem zu erhöhen, d.h. die Mindeststrafe darf nicht ausgefällt werden. Das Asperationsprinzip kommt indes nur zur Anwendung, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1 S. 58). Hat der Täter mehrere Straftatbestände verwirklicht, für die das Gesetz wahlweise Freiheits- Geldstrafe vorsieht, hat der Richter nach der sog. konkreten Methode bei jeder Tat gesondert zu entscheiden und zu begründen, welche Sanktionsart angemessen ist.

 

1.6 Gemäss dem bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Recht war für Strafen von weniger als sechs Monaten grundsätzlich eine Geldstrafe auszusprechen (aArt. 34 Abs. 1, aArt. 40 und 41 Abs. 1 StGB). Für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr sah das Gesetz die Geldstrafe (aArt. 34 StGB) und die Freiheitsstrafe (aArt. 40 StGB) vor. Gemäss aArt. 41 StGB ist die Geldstrafe im Bereich leichter Kriminalität die Regelsanktion und geht bei Strafen bis zu sechs Monaten freiheitsentziehen-den Sanktionen vor. Daran hat der Gesetzgeber im Rahmen der erneuten Revision des Sanktionenrechts mit Inkrafttreten per 1. Januar 2018 entgegen der ursprünglichen Stossrichtung festgehalten (BGE 144 IV 217 E. 3.6 mit Hinweisen). Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption ultima ratio und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; BGE 144 IV 217 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100 f. mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweis). Hält das Gericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung für einzelne Delikte im konkret zu beurteilenden Fall unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips eine Geldstrafe nicht mehr für schuldadäquat und zweckmässig, hindert aArt. 41 Abs. 1 StGB es nicht daran, auf Einzelfreiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten zu erkennen, wenn die daraus zu bildende Gesamtstrafe sechs Monate übersteigt. Das Gericht hat im Urteil die Wahl der Sanktionsart zu begründen (Art. 50 StGB; Urteil 6B_523/2018 vom 23.8.2018 E. 1.2.3; BGE 144 IV 217 E. 4.3).

 

Nach Art. 34 Abs. 1 StGB in der Fassung ab 1. Januar 2018 beträgt die maximale Geldstrafe 180 Tagessätze. Gemäss der Neufassung von Art. 41 Abs. 1 StGB kann das Gericht statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn (a) eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten, (b) eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.

 

1.7 Gemäss einem neueren Urteil des Bundesgerichts vom 26. Oktober 2018 (BGE 144 IV 313) darf das Gericht eine Geldstrafe nicht in eine Freiheitsstrafe umwandeln, weil die Höhe der ersteren zusammen mit weiteren, für gleichzeitig zu beurteilende Taten auszusprechenden hypothetischen Geldstrafen das in Art. 34 Abs. 1 StGB festgesetzte Höchstmass überschreitet. Dies hindert das Gericht indes nicht daran, aus den in Art. 41 Abs. 1 StGB erwähnten Gründen insgesamt für sämtliche Delikte auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen. Was das Kriterium der fehlenden Vollziehbarkeit anbelangt, ist indes darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht entschieden hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters und dessen voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit keine Kriterien für die Wahl der Strafart sind. Es ist vielmehr, wenn die Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind, eine bedingte Geldstrafe auszusprechen. Sinn und Zweck der Geldstrafe erschöpfen sich nicht primär im Entzug von finanziellen Mitteln, sondern liegen in der daraus folgenden Beschränkung des Lebensstandards sowie im Konsumverzicht. Nach der Meinung des Gesetzgebers soll die Geldstrafe auch für einkommensschwache Täter, d.h. für solche mit sehr geringem, gar unter dem Existenzminimum liegenden Einkommen ausgefällt werden können. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Geldstrafe als unzweckmässige Sanktion angesehen und deshalb vielfach auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden müsste. Dies würde dem zentralen Grundanliegen der Revision diametral zuwiderlaufen. Gerade mittellosen Straftätern geht die Geldstrafe ans Lebensnotwendige, so dass sie für jene deutlich spürbar wird. Eine nicht bezahlbare Geldstrafe soll es nach der Botschaft – ausser durch Verschulden des Täters durch unvorhergesehene Ereignisse – denn auch nicht geben. Dementsprechend hat der Gesetzgeber ursprünglich explizit auf die Festsetzung einer Untergrenze für die Geldstrafe verzichtet. Bei einkommensschwachen mittellosen Tätern, etwa Sozialhilfebezügern, nicht berufstätigen, den Haushalt führenden Personen Studenten ist somit die Ausfällung einer tiefen Geldstrafe möglich (BGE 134 IV 97 E. 5.2.3 mit Hinweisen). In der Neufassung von Art. 34 StGB (in Kraft seit 1. Januar 2018) wurde ein Mindesttagessatz von CHF 30.00 vorgesehen, welcher jedoch ausnahmsweise – wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten – auf CHF 10.00 gesenkt werden kann (Abs. 2). Das Existenzminimum des Täters wird in diesem Absatz als im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigendes Kriterium u.a. explizit erwähnt.

 

1.8 Die tat- und täterangemessene Strafe ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der (schwersten) anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser wird durch Strafschärfungs- Strafmilderungsgründe nicht automatisch erweitert, worauf innerhalb dieses neuen Rahmens die Strafe nach den üblichen Zumessungskriterien festzusetzen wäre. Vielmehr ist der ordentliche Strafrahmen nur zu verlassen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angedrohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint. Die Frage einer Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens kann sich stellen, wenn verschuldens- bzw. strafreduzierende Faktoren zusammentreffen, die einen objektiv an sich leichten Tatvorwurf weiter relativieren, so dass eine Strafe innerhalb des ordentlichen Strafrahmens dem Rechtsempfinden widerspräche. Die verminderte Schuldfähigkeit allein führt deshalb grundsätzlich nicht dazu, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen. Dazu bedarf es weiterer, ins Gewicht fallender Umstände, die das Verschulden als besonders leicht erscheinen lassen (BGE 136 IV 55 E. 5.8, S. 63, mit Hinweisen).

 

1.9 Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts 6B_1096/2010 vom 7.7.2011 E. 4.2; 6B_1048/2010 vom 6.6.2011 E. 3.2 und 6B_763/2010 vom 26.4.2011 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung des (subjektiven) Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen, etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 - 15 Jahren (bei leichter Tat-schwere 5 - 10 Jahre und in schweren Fällen 15 - 20 Jahre). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten «Strafzumessungsverlauf» in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).

 

1.10 Gemäss Art 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Roland M. Schneider/Roy Garré in: StGB I, Art. 42 StGB N 61).

 

Der Strafaufschub wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: Das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.

 

Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Stefan Trechsel/Mark Pieth in: PK StGB, Art. 42 StGB N 8 ff. mit zahlreichen Hinweisen).

 

1.11 Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene Teil wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6 S. 15; vgl. auch 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f. zur Beurteilung der Bewährungsaussichten). Auch die bloss teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB setzt indes das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss der Vollzug zumindest eines Teils der Strafe bedingt aufgeschoben werden. Andererseits ist bei einer schlechten Prognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen besteht die Möglichkeit, dass eine zwar grundsätzlich schlechte Prognose durch den Vollzug bloss eines Teiles der Strafe in Verbindung mit dem drohenden späteren Widerruf des aufgeschobenen Strafrests deutlich günstiger werden kann (vgl. hierzu etwa Roland M. Schneider/Roy Garré, a.a.O., Art. 43 StGB N 15).

 

Art 43 Abs. 1 aStGB in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sah zudem auch den teilbedingten Vollzug einer Geldstrafe vor.

 

1.12 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen Vergehen begeht (Art. 2 Abs. 1 StGB). Hat der Täter ein Verbrechen Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB, sog. «lex mitior»).

 

 

2. Konkrete Strafzumessung

 

2.1. Sanktionenwahl

 

2.1.1 Grundsätzlich sind – soweit möglich – nach den obigen allgemeinen Ausführungen die Delikte der Beschuldigten mit Geldstrafen abzugelten: Sie ist nicht vorbestraft, verfügt über eine feste Arbeitsstelle und hat sich seit fast fünf Jahren wohlverhalten.

 

2.1.2 Die Beschuldigte verübte sämtliche Straftaten vor der auf den 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Teilrevision des StGB. Vor diesem Zeitpunkt war die Ausfällung einer Geldstrafe bis zu maximal 360 Tagessätzen möglich (ab 1.1.2018: Obergrenze von 180 Tagessätzen). Nachfolgend wird die Strafe nach dem alten Recht bestimmt (Ziff. 2.2 -2.4) und in der Folge zur Bestimmung des milderen Rechts der Strafzumessung nach neuem Recht gegenübergestellt (Ziff. 2.5).

 

2.2 Einsatzstrafe für gewerbsmässigen Diebstahl

 

Schwerstes Delikt ist vorliegend der gewerbsmässige Diebstahl, für welchen Art. 139 Ziff. 2 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren eine Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen vorsieht. Für den gewerbsmässigen Diebstahl ist somit eine Einsatzstrafe festzusetzen.

 

2.2.1 Tatkomponenten

 

Der Deliktserfolg ist mit einem Betrag in der Grössenordnung von CHF 143'000.00 erheblich, wobei bei gewerbsmässigem Diebstahl auch viel höhere – allerdings auch tiefere – Deliktssummen denkbar sind. Der Beschuldigten wird in AKS Ziff. 1.a)1. (Diebstahl zu Lasten der Bank F.___ durch Wegnahme von Geldern in der Grössenordnung von CHF 83'000.00) eine Deliktsdauer von 2 ½ Jahren vorgehalten; die Daten der ersten und letzten Tathandlung, welche die Beschuldigte verübte, sind zwar nicht bekannt, angesichts der praktisch täglich feststellbaren Saldoveränderungen (vgl. Kassenabschlüsse der Münzzählmaschine; 2.1.1/98 ff.), muss aber von einer langen Deliktsdauer auszugegangen werden.

 

Am 4. Mai 2015 (AKS Ziff. 1.a)2.: Wegnahme von CHF 10'000.00) und am 5. April 2017 (AKS Ziff. 1.a)3.: Wegnahme von CHF 50'000.00) beging die Beschuldigte weitere Diebstähle zu Lasten ihrer damaligen Arbeitgeberin (Bank F.___). Gegenüber ihren Kunden (insbesondere gegenüber den Kontoinhabern [Bankkundin 4], [Bankkundin 1], [Bankkunde 2] und [Bankkunde 3]) erlitt die Bank F.___ auch einen Reputationsschaden. Die Beschuldigte hat mit ihren Diebstählen keine Privatperson wirtschaftlich geschädigt, wohl aber gefährdet. Die Beschuldigte missbrauchte in grober Weise das Vertrauen ihrer Arbeitgeberin bzw. ihrer Vorgesetzten. Eine deliktische Tätigkeit am Arbeitsplatz ist für die Arbeitgeberin mit viel Umtrieben und Aufwand verbunden und für das Arbeitsklima verheerend. Solange die Täterschaft nicht abschliessend geklärt ist, ist ein solcher Vorfall Gift für die tägliche Zusammenarbeit am Arbeitsplatz. Die Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz, was beim Diebstahl jedoch die Regel ist. Um die Wegnahme der Gelder zu verschleiern, ergriff die Beschuldigte spezifische Massnahmen: Sie fälschte mehrere Urkunden, indem sie auf den Auszahlungsbelegen die Unterschriften der Kontoinhaber nachahmte, und sie nahm eine Vielzahl von Buchungen ohne Rechtsgrund vor, womit sie eine beachtliche kriminelle Energie offenbarte. Die Kunden, deren Konti die Beschuldigte zum Zwecke der Verschleierung ihrer Diebstähle belastete, waren alle in weit fortgeschrittenem Alter (Jahrgänge 1925, 1937, und 1944: vgl. 2.1.1/30-32 sowie WO 10.3.3/3 ), was nicht dem Zufall zugeschrieben werden kann, sondern vielmehr auf eine gezielte Auswahl schliessen lässt, da ältere Menschen in aller Regel ihre Bankgeschäfte nach wie vor am Bankschalter abwickeln und keinen kaum Gebrauch von E-Banking machen, bei welchem die Buchungen der Beschuldigten wohl schnell aufgeflogen wären. Festgehalten werden kann, dass die Beschuldigte die buchhalterische Belastung des Kontos [der] [Bankkundin 4] im Umfang von CHF 10'000.00 mit einer Bareinzahlung im selben Umfang später wieder ausglich. Diese Einzahlung leistete sie jedoch aus deliktisch erlangten Mitteln, nämlich aus einer betrügerisch erwirkten Kreditauszahlung. Bei den vorgenommenen buchhalterischen Belastungen der Kundenkonti [Bankkundin 1], [Bankkunde 2] und [Bankkunde 3] leistete die Beschuldigte später keine Bareinzahlungen. Selbst wenn man – zu Gunsten der Beschuldigten – annimmt, sie habe solche Bareinzahlungen beabsichtigt, muss festgehalten werden, dass ihr dies mit Blick auf ihre damalige Schuldensituation kaum aus eigenen legalen Mitteln möglich gewesen wäre. Die Beschuldigte handelte aus rein materiellen Interessen, da sie offenbar deutlich über ihren Verhältnissen lebte und ihre Finanzen nicht im Griff hatte. Ein rechtsgetreues Verhalten wäre der Beschuldigten, die über eine feste Stelle mit einem guten Einkommen verfügte, ohne Weiteres zumutbar gewesen.

 

Vor dem Hintergrund, dass nur andere gewerbsmässig begangene Diebstähle die relevante Vergleichsgrösse bilden, ist noch von einem leichten Tatverschulden auszugehen. Die Einsatzstrafe ist mit Blick auf die dargelegten Tatkomponenten und unter Berücksichtigung des Strafrahmens auf 24 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

 

2.2.2 Täterkomponenten

 

Da alle weiteren Delikte nach den altrechtlichen Bestimmungen mit einer weniger eingriffsintensiven Geldstrafe abgegolten werden können, sind in einem nächsten Schritt die Täterkomponenten zu berücksichtigen.

 

-     Vorleben

 

Die Beschuldigte, […] Staatsangehörige, wurde am […] 1985 geboren. Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte sie eine zweijährige Lehre als kaufmännische Angestellte. Danach arbeitete sie vorerst bei der Firma […] und wechselte anschliessend in den Bankensektor (10.1.1/3). Ab dem […] 2019 arbeitete sie bei der Firma […].

-     Vorstrafen

 

Die Beschuldigte hat keine Vorstrafen.

 

-     Aktuelle persönliche Verhältnisse

 

Die Beschuldigte wechselte beruflich wieder in die Finanzbranche und ist seit […] 2021 bei [einer] Firma, welche Finanzlösungen anbietet, im Innendienst festangestellt. Die Beschuldigte konnte – auch dank der massgeblichen finanziellen Unterstützung von Drittpersonen aus ihrem privaten Umfeld (gemäss den Angaben der Beschuldigten zwei Darlehen von CHF 7'000.00 und CHF 12'000.00, vgl. OGer AS 90 f.) – ihre Schulden (insbesondere die Steuerschulden) weitgehend abbauen: Gemäss dem Auszug aus dem Betreibungsregister vom 1. Februar 2018 bestanden zu diesem Zeitpunkt fünf Verlustscheine mit einem Gesamtbetrag von CHF 19'817.45 sowie laufende Betreibungen mit einem Gesamtbetrag von ca. CHF 65'000.00 (1-3/1.5/7 ff.). Aus den aktuellen Auszügen aus dem Betreibungsregister vom 14. und 15. März 2022 (OGer AS 59 f., 65 f.), eingeholt bei der aktuellen und vormaligen Wohnsitzgemeinde, geht nur noch eine am 11. Dezember 2020 eingeleitete Betreibung im Betrag von CHF 627.30 hervor (wobei die Beschuldigte vor Obergericht ausführte, auch diese Forderung sei bereits beglichen worden) und es sind keine Verlustscheine registriert. Gemäss den Angaben der Beschuldigten vor Obergericht schuldet sie in Bezug auf ein Privatdarlehen noch einen Teilbetrag von CHF 5'000.00 (OGer AS 91).

 

Die Beschuldigte lebt aktuell in keiner Partnerschaft und wohnt allein. Sie verfügt über diverse soziale Kontakte und hilft in ihrer Freizeit in einem […] aus (OGer AS 90).

 

Es liegen folglich stabile persönliche, berufliche und soziale Verhältnisse vor.

 

-     Nachtatverhalten

 

Seit den vorliegend beurteilten Taten sind knapp fünf Jahr vergangen, in welchen die Beschuldigte nicht mehr deliktisch in Erscheinung getreten ist, was positiv zu werten ist. Auch ihre Schuldensituation konnte sie, wie soeben dargelegt, grösstenteils bereinigen. Einsicht und Reue auch nur Ansätze einer selbstkritischen Reflexion über ihr Handeln als Bankangestellte waren bei der Beschuldigten jedoch nicht zu erkennen. Die Beschuldigte wies trotz zum Teil erdrückender Beweislage die strafrechtlichen Vorwürfe von sich. Sie legte sich von Anbeginn eine Sachverhaltsversion zurecht, die alles Fehlverhalten externalisierte, und hielt daran in der Folge eisern fest. Teil ihrer eigenen Verteidigungsstrategie war es denn auch, ihre Arbeitgeberin und andere Mitarbeiter zu diskreditieren und Verdachtsmomente zu streuen, indem sie beispielsweise auf angebliche bankinterne Organisationsmängel und den Ge- bzw. Missbrauch ihrer Login-Daten durch andere Bankangestellte, auf den chaotischen Praktikanten, der oft Belege verlegt habe (10.01/63), sowie auf den spielsüchtigen und verschuldeten Lebenspartner einer bei der Bank tätigen Anlageberaterin hinwies (10.1/66).

 

Die Täterkomponenten wirken sich insgesamt neutral aus.

 

Es bleibt damit folglich bei einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten.

 

2.3 Geldstrafe für alle weiteren Delikte

 

2.3.1 Einsatzstrafe für den Betrug nach AKS Ziff. 2.2

 

Das schwerste Delikt, für welches eine Einsatzstrafe festzulegen ist, stellt der Betrug gemäss AKS Ziff. 2.2 (im Zusammenhang mit dem Kredit über CHF 50'000.00 bei der Bank G.___) dar. Der Strafrahmen bei diesem Delikt beträgt Geldstrafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (Art. 146 Abs. 1 StGB).

 

Der Deliktsbetrag von CHF 50'000.00 stellt einen erheblichen verschuldeten Erfolg dar, wobei knapp CHF 20'000.00 für die Rückzahlung des ersten Kredits bei der gleichen Bank verwendet worden sind (AKS Ziff. 2.1). Die Beschuldigte ging mit einiger Raffinesse vor und es imponiert die grosse Anzahl von ge- und verfälschten Urkunden (insgesamt 8 Dokumente, darunter auch die verfälschte Kopie eines amtlichen Ausweises), welche sie herstellte und der Bank G.___ vorlegte, um die Auszahlung des Kredits betrügerisch zu erwirken. Auch wenn generell nur qualifizierte (d.h. arglistige) Täuschungshandlungen unter Art. 146 StGB fallen, lässt sich ein Betrug mit deutlich geringeren planerischen Vorkehrungen und weniger Aufwand realisieren. Die kriminelle Energie war demnach auch hier beachtlich. Es kam aber nicht zu einer Schädigung einer Privatperson, welche durch die Delinquenz der Beschuldigten in eine wirtschaftliche Notlage geraten wäre. Die Tatsache aber, dass sie gezielt einen unbescholtenen Bürger aus ihrem nächsten privaten Umfeld – bei dem von ihr vorgeschobenen Kreditnehmer L.___ handelt es sich um den Vater ihres damaligen Lebenspartners – involvierte und für ihre kriminellen Ziele missbrauchte, wiegt nicht leicht. Sie nahm in verwerflicher Weise in Kauf, dass dieser in Schwierigkeiten geraten könnte, beispielsweise wenn die Beschuldigte den Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr fristgerecht nachgekommen wäre wenn gestützt auf bankinterne Abklärungen aufgeflogen wäre, dass es sich bei der eingereichten Kopie der Niederlassungsbewilligung um eine Fälschung handelt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das Bleiberecht von L.___ in der Schweiz als Ausländer an Voraussetzungen geknüpft war und dessen Niederlassungsbewilligung regelmässig verlängert werden musste. Die Beweggründe waren auch hier ausschliesslich materieller Natur, die Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz. Der Beschuldigten wäre ein normgerechtes Verhalten auch hier ohne Weiteres zumutbar gewesen.

 

Das Tatverschulden ist noch als leicht zu qualifizieren. Entsprechend ist die Einsatzstrafe im unteren Strafdrittel auf 330 Tagessätze Geldstrafe festzusetzen.

 

2.3.2 Asperation für den Betrug gemäss AKS Ziff. 2.1

 

Die Beschuldigte ging gleich vor wie bei der soeben dargelegten Aufstockung des Kredits (Ziff. 2.3.1 hiervor). Auch für diesen Betrug gab sie sich als kreditwürdige Person aus, indem sie sieben gefälschte Urkunden mit der nachgeahmten Unterschrift von L.___ der Bank G.___ einreichte. Auf diese Weise erwirkte sie die Auszahlung des Kredites durch die Bank. Der Kredit von CHF 24'000.00 wurde eineinhalb Jahre später (anlässlich der Auszahlung des zweiten Kredits von CHF 50'000.00) saldiert. Der Bank entstand somit «nur» ein vorübergehender Schaden.

 

Für dieses Delikt erweisen sich 210 Tagessätze, unter Berücksichtigung der Asperation 105 Tagessätze Geldstrafe als angemessen.

 

2.3.3 Asperation für die mehrfache Urkundenfälschung

 

Die Urkundenfälschungen dienten praktisch ausschliesslich der Verübung der Betrugsdelikte und sind damit mit der Sanktionierung gemäss Ziff. 2.3.1 und 2.3.2 hiervor weitgehend abgegolten. Dies gilt auch für die Urkundenfälschungen, welche die Beschuldigte beging, indem sie auf drei Auszahlungsbelegen die Unterschrift der Kontoinhaber nachahmte. Diese Urkundenfälschungen dienten der Ermöglichung und Verschleierung des verübten Diebstahls zu Lasten der Bank F.___ im Umfang von CHF 50'000.00 (AKS Ziff. 1.a)3.). Es sind deshalb nur noch geringe Straferhöhungen für die Urkundenfälschungen vorzunehmen:

 

-       Mehrfache Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit den zwei Krediten bei der Bank G.___ (AKS Ziff. 3.1): 60 Tagessätze Geldstrafe, asperiert 30 Tagessätze Geldstrafe;

 

-       Mehrfache Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit drei Kontoeröffnungen bei der Bank Y.___ (AKS Ziff. 3.2): 60 Tagessätze Geldstrafe, asperiert 30 Tagessätze Geldstrafe;

 

-       Mehrfache Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit Barbezügen auf den beiden Konti bei der Bank Y.___ (AKS Ziff. 3.3): 60 Tagessätze Geldstrafe, asperiert 30 Tagessätze Geldstrafe;

 

-       Mehrfache Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit den Auszahlungsbelegen von drei Bankkunden (AKS Ziff. 3.4): 60 Tagessätze Geldstrafe, asperiert 30 Tagessätze Geldstrafe;

 

2.3.4 Asperation für den Hausfriedensbruch

 

Die Beschuldigte hielt sich am 30. Juli 2017 nur sehr kurz (5 Minuten) gegen den Willen der Hausherrin in deren Geschäftsräumen auf. Gleichwohl hatte der Vorfall nicht bloss Bagatellcharakter: Sie schlich sich nachts an ihrem ehemaligen Arbeitsort ein. Den Zutritt zu den Räumlichkeiten konnte sie sich nur verschaffen, weil sie (ohne Wissen der Arbeitgeberin) noch über einen Ersatzschlüssel verfügte. Der Hausfriedensbruch bezweckte, belastende Beweismittel (von ihr gefälschte Auszahlungsbelege) vom Tatort beiseite zu schaffen und in der Folge am Privatdomizil zu verstecken. Das Tatverschulden ist als noch sehr leicht zu qualifizieren. Es ist (als Einzelstrafe) eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen festzusetzen. Unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips ist die Gesamtgeldstrafe um 25 Tagessätze zu erhöhen.

 

2.3.5 Damit ergibt sich unter ausschliesslicher Berücksichtigung des Tatverschuldens eine Geldstrafe von (theoretisch) 580 Tagessätzen.

 

2.3.6 Täterkomponenten

 

Die Täterkomponenten sind in einer Gesamtschau neutral zu gewichten (vgl. hierzu die Ausführungen unter vorstehender Ziff. XIV.2.2.2).

 

2.3.7 Das schuldangemessene Strafmass von 580 Strafeinheiten ist mit Blick auf die eingangs erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. vorstehende Ziff. XIV.1.7; BGE 144 IV 313) auf das für die Geldstrafe vom Gesetzgeber vorgesehene Höchstmass von (altrechtlich) 360 Tagessätze herabzusetzen.

 

 

2.3.8 Höhe des Tagessatzes

 

Aktuell erzielt die Beschuldigten ein Nettoeinkommen von monatlich CHF 4'600.00 (vgl. OGer AS 91). Nach einem Pauschalabzug von 30 % für Krankenkasse und Steuern (CHF 1'380.00) resultiert ein satzbestimmendes Einkommen von CHF 3'220.00, was einen Tagessatz von abgerundet CHF 100.00 ergibt.

 

2.4 Vollzugsform

 

Die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges gemäss Art. 42 StGB sind sowohl für die Freiheits- als auch die Geldstrafe erfüllt. Die Beschuldigte hat sich nun jahrelang klaglos verhalten. Ein unbedingt zu vollziehender Strafanteil erweist sich unter legalprognostischen Gesichtspunkten nicht als erforderlich. Diese Ansicht wird mit Blick auf die günstige Entwicklung seit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung auch von der Anschlussberufungsklägerin geteilt (vgl. deren Antrag anlässlich der Hauptverhandlung, während vor erster Instanz noch ein bloss teilweiser Strafaufschub beantragt worden war). Gewisse Restzweifel ergeben sich aufgrund der völligen Uneinsichtigkeit der Beschuldigten (vgl. hierzu Ziff. XIV.2.2.2). Diesen kann aber mit einer leicht erhöhten Probezeit von drei Jahren für beide Strafarten ausreichend Rechnung getragen werden.

 

2.5 Konkreter Vergleich des alten mit dem neuen Recht

 

In Anwendung der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Bestimmungen zur Strafzumessung müssten für die beiden Betrugstatbestände (AKS Ziff. 2.2: 330 Strafeinheiten; AKS Ziff. 2.1: 210 Strafeinheiten) zwingend Freiheitsstrafen ausgefällt werden, da eine Geldstrafe neurechtlich nur noch höchstens 180 Tagessätze betragen darf. Demzufolge müsste in Anwendung des neuen Rechts die eingriffsintensivere Sanktion (Freiheitsstrafe) zwingend höher ausfallen und ein vollständiger Strafaufschub wäre ausgeschlossen (vgl. Art. 42 Abs. 1 StGB). Das neue Recht erweist sich deshalb nicht als milder und es gelangen die altrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung.

 

2.6 Zusammenfassung

 

Die Beschuldigte ist demnach zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je CHF 100.00 zu verurteilen, wobei für beide Sanktionen der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von drei Jahren zu gewähren ist.

In Anwendung von Art. 51 StGB ist die ausgestandene Untersuchungshaft (17.10.2017 -11.12.2017) im Erstehungsfall an die Hauptsanktion (Freiheitsstrafe) anzurechnen.

 

 

XV. Zivilforderungen

 

1. Bank F.___

 

1.1 Die Bank F.___ konstituierte sich am 6. September 2018 als Privatklägerin im Zivilpunkt (9.1/13). Sie beantragte die Zusprechung folgender Forderungen:

 

-       CHF 50'000.00 plus 5% Zins seit 9. August 2017;

-       CHF 83'309.25 plus 5% Zins seit 21. September 2017.

 

1.2 Die Bank F.___ verwies zur Begründung dieser Forderungen auf die Strafanzeigen vom 9. August 2017 (2.1.1/1 ff.) und 21. September 2017 (2.1.1/89 ff.).

 

1.3 Beide Forderungen werden mit dem Verweis auf die Strafanzeigen ausreichend begründet. Der Forderungsbetrag von CHF 50'000.00 betrifft die Wegnahme von Geldern aus dem Schliessfach der Tresoranlage (unter Vorspiegelung von drei Barbezügen ab drei Kundenkonti), der Forderungsbetrag von CHF 83’309.25 bezieht sich auf die Wegnahme von Geldern aus dem TWIN-Safe der Bank von Kundengeldern am Bankschalter (unter gleichzeitiger Verbuchung von fiktiven Münzeingängen). In beiden Fällen erfolgt ein Schuldspruch wegen gewerbsmässigen Diebstahls.

 

1.4 Der Deliktsbetrag von CHF 50'000.00 im Zusammenhang mit AKS Ziff. 1.a)3. ist erstellt und entsprechend mit Zinsbeginn ab Einreichung der Strafanzeige am 9. August 2017 in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zuzusprechen.

 

1.5 Im Zusammenhang mit dem Vorhalt gemäss AKS Ziff. 1.a)1. ergab das Beweisergebnis des Berufungsgerichts einen Deliktsbetrag in der Grössenordnung von rund CHF 83'000.00. Die Vorinstanz bejahte in diesem Zusammenhang jedoch einen Anwendungsfall von Art. 126 Abs. 3 StPO (vgl. US 44): Der Schaden sei nicht eindeutig feststellbar bzw. deren vollständige Beurteilung erweise sich als unverhältnismässig aufwändig. Das Gericht hiess deshalb diese Zivilforderung nur dem Grundsatz nach gut und verwies sie im Übrigen auf den Zivilweg.

 

Gegen den Entscheid der Vorinstanz (Gutheissung der Schadenersatzforderung nur dem Grundsatz nach) ergriff die Privatklägerin kein Rechtsmittel. Für zivilrechtliche Ansprüche, welche im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemacht werden, gilt die Dispositionsmaxime. Damit ist es der Berufungsinstanz verwehrt, eine konkreten Schadenersatzsumme im Rechtsmittelverfahren zuzusprechen und das erstinstanzliche Urteil ist zu bestätigen.

 

2. Bank G.___

 

2.1 Die Bank G.___ konstituierte sich am 21. Januar 2019 als Privatklägerin im Zivilpunkt und stellte eine Zivilforderung von CHF 38'268.15 plus Zins von 5 % ab dem 21. Januar 2019 (9.2/5). Zur Begründung legte sie einen Kontoauszug des Barkredit plus vom 21. Januar 2019 vor, der einen Saldo im Umfang des gestellten Forderungsbetrages auswies (9.2/7 f.).

 

2.2 Die Forderung der Bank G.___ wurde von der Vorinstanz auf den Zivilweg verwiesen, da sie einen Anwendungsfall von Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO (nicht hinreichende Begründung der Zivilklage durch die Privatklägerschaft) bejahte. Dieser Entscheid blieb von der Privatklägerin unangefochten, so dass mit Blick auf die geltende Dispositionsmaxime die Zusprechung der Zivilforderung im Rechtsmittelverfahren nicht möglich ist. Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb auch bezüglich der Zivilforderung der Bank G.___ zu bestätigen.

 

 

XVI. Kosten- und Entschädigungsfolgen

 

1. Verfahrenskosten

 

1.1 Erstinstanzliches Verfahren

 

In Anbetracht des Verfahrensausganges (Bestätigung sämtlicher Schuldsprüche) ist der erstinstanzliche Kostenentscheid zu Lasten der Beschuldigten zu bestätigen (Art. 428 Abs. 3 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO).

 

1.2 Berufungsverfahren

 

Die Berufung der Beschuldigten ist erfolglos, die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hingegen erfolgreich, wird doch die Strafe gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil erhöht. Entsprechend sind die Kosten des Berufungsverfahrens in Anwendung von Art. 428 Abs. 1 StPO der Beschuldigten zur Bezahlung zu aufzuerlegen.

 

2. Entschädigungsfolgen

 

2.1 Honorar für die amtliche Verteidigung

 

2.1.1 Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger der Beschuldigten, Rechtsanwalt Andreas Miescher, ist für das erstinstanzliche Verfahren rechtskräftig auf CHF 32'559.65 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, bereits ausbezahlt worden.

 

Vorzubehalten ist in Anwendung von Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO im Umfang von CHF 32'559.65 der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

 

Ein Nachforderungsanspruch ist vom amtlichen Verteidiger anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung weder explizit (vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vor erster Instanz: O-G 138) noch implizit (kein höherer Stundenansatz gemäss Honorarnote: O-G 190 ff.) beantragt worden.

 

2.1.2 Der amtliche Verteidiger reichte für das Berufungsverfahren eine Honorarnote ein, welche sich aus einem Aufwand (exkl. Hauptverhandlung, Urteilseröffnung und Nachbesprechung) von 26,67 Stunden und Auslagen von CHF 181.05 (zzgl. MWST) zusammensetzt (OGer AS 77 f.). Für die Teilnahme an der Hauptverhandlung sind drei Stunden und 25 Minuten, für die mündliche Urteilseröffnung 25 Minuten und für die Nachbearbeitung pauschal eine Stunde hinzu zu rechnen, so dass 31,503 Stunden zu je CHF 180.00 (= CHF 5'670.60) resultieren. Die Auslagen sind mit CHF 118.55 zu veranschlagen und setzen sich aus Portokosten von CHF 42.00, Telefonkosten von CHF 1.55 sowie Kosten für Kopien von CHF 75.00 (150 Kopien) zusammen. Die letztgenannte Position wurde um CHF 67.50 gekürzt, da der geltend gemachte Aufwand von 275 Kopien bei einem Aktenumfang von 80 Seiten (bis zur HV vom 23.3.2022) nicht nachvollziehbar ist. Demzufolge ist die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger der Beschuldigten für das Berufungsverfahren inkl. 7,7 % MWST (= CHF 445.75) auf CHF 6’234.90 festzusetzen und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

 

Vorzubehalten ist der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 6'234.90, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

 

Ein Nachforderungsanspruch ist vom amtlichen Verteidiger für das Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

 

2.2 Entschädigungs-/Genugtuungsanspruch der Beschuldigten

 

Die Beschuldigte verlangt im Berufungsverfahren eine Genugtuung von CHF 15'000.00 und liess dies vor Berufungsgericht mit dem beantragten vollumfänglichen Freispruch begründen. In Anbetracht des Verfahrensausganges ist dieses Begehren abzuweisen.

Demnach wird in Anwendung von aArt. 34, Art. 40, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und 3, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 66a Abs. 2, Art. 69, Art. 139 Ziff. 1 und 2, Art. 146 Abs. 1, Art. 186 und Art. 251 Ziff. 1 StGB; Art. 122, Art. 126 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 lit. b und Abs. 3, Art. 135 Abs. 1, Abs. 4 lit. a, Abs. 5, Art. 263, Art. 267, Art. 379 ff., Art. 398 ff., Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3 StPO erkannt:

1.    Die Beschuldigte A.___ hat sich schuldig gemacht:

-       des gewerbsmässigen Diebstahls, begangen in der Zeit vom 26. Februar 2015 bis 21. Juli 2017 (AKS Ziff. 1.a) 1. - 4.);

-       des mehrfachen Betruges, begangen in der Zeit vom 14. März 2014 bis 24. März 2014 und in der Zeit vom 1. September 2015 bis 11. September 2015 (AKS Ziff. 2.1 und 2.2);

-       der mehrfachen Urkundenfälschung, begangen in der Zeit vom 14. März 2014 bis 6. Juni 2017 (AKS Ziff. 3.1 - 3.4);

-       des Hausfriedensbruchs, begangen am 30. Juli 2017 (AKS Ziff. 4).

2.    Die Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu:

-       einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 3 Jahren;

-       einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je CHF 100.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 3 Jahren.

3.    Der Beschuldigten A.___ wird die erstandene Untersuchungshaft (17.10.2017 - 11.12.2017) im Erstehungsfalle an die Freiheitsstrafe angerechnet.

4.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 3 des Urteils des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 31. März 2021 (nachfolgend erstinstanzliches Urteil) von einer Landesverweisung abgesehen worden ist.

5.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 4 des erstinstanzlichen Urteils folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) an die jeweils berechtigte Person herauszugeben sind:

-       Unterlagen zu [(…)-Center] (Nr. 1: «Unterlagen Bank F.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Handy Iphone 4s (K.___)/Code […] (Nr. 4 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an K.___

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 7 (Nr. 7: «Diverse Unterlagen in Sichtmäppli» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 10 (Nr. 10: «Div. Unterlagen Bank F.___/Notizen/etc.» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 12 (Nr. 12: «Unterlagen Theorie [...]-Prüfung» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Lohnabrechnungen» (Nr. 16 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Rechnungen 2016» (Nr. 17 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Verträge» (Nr. 18 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Wohnung» (Nr. 19 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Ordner grau «Rechnungen 2012» (bis heute) (Nr. 20 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Tasche «Oro Vivo» mit Einweg Kanülen/Spritzen + Testocyp (Nr. 21 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an K.___

-       Bargeld (4x100/1x50), total CHF 450.00 in Portemonnaie A.___ (Nr. 28 gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte.

6.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) beschlagnahmt worden und nach Rechtskraft des Urteils an die jeweils berechtigte Person herauszugeben sind:

-       Einzahlungsscheine bzw. Einzahlungsscheinabrisse (Nr. 2: «Unterlagen Bank [G.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an die Beschuldigte

-       Gehaltsabrechnung Juli 2015 von L.___ im Original (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an L.___

-       Gehaltsabrechnung Juli 2015 von M.___ im Original (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017), an M.___.

7.    Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 6 des erstinstanzlichen Urteils folgende Gegenstände (Aufbewahrungsort: Polizei Kanton Solothurn in den Verfahrensakten) beschlagnahmt sowie eingezogen worden sind und nach Rechtskraft des Urteils zu vernichten sind:

-       Einzahlungsscheinhefte (Nr. 2: «Unterlagen Bank [G.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       drei Kassentransaktionsbelege sowie Konto-Eröffnungsbestätigung (Nr. 1: «Unterlagen Bank F.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Unterlagen Bank G.___ AG, Kopie Niederlassungsbewilligung, Kassentransaktionsbestätigung Bank F.___ AG (Nr. 8: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 9 (Nr. 9: «Bank G.___ Vertrag & Unterlagen» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017)

-       Sämtliche Unterlagen gemäss HD-Nr. 11 (Nr. 11: «Unterlagen Bank H.___ [betr.] L.___» gemäss Hausdurchsuchungsprotokoll vom 17.10.2017).

8.    Die Beschuldigte A.___ hat der Privatklägerin Bank F.___, [...], einen Betrag von CHF 50'000.00 nebst Zins zu 5% seit 9. August 2017 zu bezahlen.

9.    Die weitere Zivilforderung der Privatklägerin Bank F.___, [...], in der Höhe von CHF 83'309.25 nebst Zins zu 5 % seit 21. September 2017 wird nur dem Grundsatz nach gutgeheissen und im Übrigen auf den Zivilweg verwiesen.

10.  Die Privatklägerin Bank G.___ AG, [...], wird zur Geltendmachung ihrer Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

11.  Der Antrag der Beschuldigten A.___, es sei ihr eine Entschädigung/Genugtuung in Höhe von CHF 15'000.00 zu bezahlen, wird abgewiesen.

12.  Es wird festgestellt, dass gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziffer 11 des erstinstanzlichen Urteils die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger der Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Andreas Miescher, für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 32'559.65 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, bezahlt worden ist.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 32'559.65, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

Ein Nachforderungsanspruch ist vom amtlichen Verteidiger nicht geltend gemacht worden.

13.  Die Entschädigung für den amtlichen Verteidiger der Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Andreas Miescher, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 6’234.90 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, zu bezahlen.

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 6'234.90, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschuldigten erlauben.

Ein Nachforderungsanspruch ist vom amtlichen Verteidiger nicht geltend gemacht worden.

14.  Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 18'000.00, total CHF 28’055.00, sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 15'000.00, total CHF 15'120.00, werden der Beschuldigten A.___ zur Bezahlung auferlegt.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Vizepräsident                                                             Die Gerichtsschreiberin

Kiefer                                                                                Lupi De Bruycker



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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