Zusammenfassung des Urteils STBER.2021.58: Verwaltungsgericht
Die Strafkammer des Obergerichts entscheidet im Fall von harten Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) gegen den Beschuldigten A.___. Dieser wurde beschuldigt, am 14. Juni 2020 kinderpornografisches Material über Facebook verbreitet zu haben. Das Gericht fällt ein Urteil, in dem der Beschuldigte schuldig gesprochen wird, jedoch von einer Bestrafung abgesehen wird. Er muss jedoch die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'800.00 tragen. Das Urteil wird vom Obergericht gefällt, mit Vizepräsident Kiefer als Richter. Der Beschuldigte hatte das Video mit kinderpornografischem Inhalt erhalten, gespeichert und an andere weitergeleitet. Trotz seiner Schutzbehauptung, das falsche Video versehentlich verschickt zu haben, wird er der mehrfachen Tatbegehung schuldig gesprochen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beschuldigte, da die Berufungsklägerin vollumfänglich obsiegt. Die Geldstrafe für den Beschuldigten beläuft sich auf 30 Tagessätze zu je CHF 30.00, deren Vollzug aufgeschoben wird. Die Probezeit beträgt zwei Jahre.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2021.58 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 18.08.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Video; Richt; Beschuldigten; Urteil; Verfahren; Pornografie; Berufung; Handlung; Handlungen; Facebook; Verfahrens; Person; Videos; Geldstrafe; Minderjährige; Minderjährigen; Staat; Empfänger; Täter; Urteils; WhatsApp; Verfahren; Tagessätze; Staatsanwaltschaft; Apos; |
Rechtsnorm: | Art. 197 StGB ;Art. 248 StPO ;Art. 326 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 52 StGB ; |
Referenz BGE: | 131 IV 64; 135 IV 130; |
Kommentar: | Andreas Donatsch, Viktor Lieber, Wolfgang Wohlers, Schweizer, Kommentar zum Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 428 Abs. 1 OR StPO, 1900 |
Geschäftsnummer: | STBER.2021.58 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 18.08.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2022.55 |
Titel: | harte Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 18. August 2022 Es wirken mit: Vizepräsident Kiefer Oberrichter Marti Oberrichterin Scherrer Reber Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker
In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, Berufungsklägerin
A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Cornelia Dippon, Beschuldigter
betreffend harte Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen)
Die Strafkammer des Obergerichts zieht im schriftlichen Verfahren in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Am 15. Juni 2020 erstellte das National Center for Missing and Exploited Children (nachfolgend NCMEC) in den Vereinigten Staaten auf eine entsprechende Benachrichtigung des Providers (Facebook) hin einen Bericht («CyberTipline Report […]», Verfahrensordner TGSPR.2020.147, Aktenseiten [nachfolgend «AS»] 13 – 23), der mittels gesicherter VPN Linie direkt der zuständigen ausländischen Polizeibehörde, vorliegend der Bundeskriminalpolizei (nachfolgend BKP), weitergeleitet wurde (AS 8 ff.). Der User des Facebook Profils «[alias A.___]» mit der E-Mail Adresse «[...]@[...].ch», dem Usernamen «[alias A.___]» (AS 15) sowie dem Geburtsdatum […] wird gemäss diesem Bericht verdächtigt, am 14. Juni 2020 (08:08:39 Uhr, UTC) über Facebook eine Videodatei mit kinderpornographischem Inhalt verbreitet und anderen Internetbenutzern zur Verfügung gestellt zu haben (insbesondere AS 23).
2. Gestützt auf die vom NCMEC übermittelte Login IP Adresse konnte von der BKP bzw. vom Dienst für Post- und Fernmeldeüberwachung als Anschlussinhaber A.___, wohnhaft in [Ort 1], ermittelt werden (vgl. den Bericht der BKP wegen Verdachts der Verbreitung von Pornografie via Internet vom 20.7.2020, AS 9).
3. Am 18. August 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (nachfolgend Staatsanwaltschaft) gegen A.___ (nachfolgend Beschuldigter) eine Strafuntersuchung wegen Pornografie nach Art. 197 StGB (AS 86) und ordnete gleichentags die Durchsuchung seiner Wohnräumlichkeiten an (AS 89 f.), welche am darauf folgenden Tag stattfand (AS 92 ff.).
4. Die Polizei des Kantons Solothurn legte am 27. August 2020 ihren Bericht über die forensische Datensicherung und -auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Beschuldigten vor (AS 25 - 30). Am 5. September 2020 wurde der Beschuldigte polizeilich einvernommen (AS 31 ff.) und gleichentags erging auch die polizeiliche Strafanzeige (AS 5 ff.).
5. Die Staatsanwaltschaft erhob am 10. November 2020 Anklage gegen den Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwältin Cornelia Dippon (AS 95), wegen harter Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) durch Konsum (Art. 197 Abs. 5 Satz 2 StGB) und durch Inverkehrbringen (Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB) und überwies die Akten zusammen mit einem Schlussbericht nach Art. 326 Abs. 2 StPO dem Richteramt Thal-Gäu zum Entscheid (AS 107 ff.).
6. Die erstinstanzliche Hauptverhandlung vor dem Amtsgerichtspräsidenten des Richteramtes Thal-Gäu fand am 26. April 2021 statt (Verfahrensprotokoll: AS 126 ff., Einvernahmeprotokoll des Beschuldigten: AS 126 ff.). Die Vorinstanz fällte gleichentags folgendes Urteil (AS 134 ff.):
« 1. A.___ hat sich der harten Pornografie, begangen in der Zeit vom 11. Juni 2020 bis am 14. Juni 2020, schuldig gemacht. 2. Von einer Bestrafung wird gestützt auf Art. 52 StGB abgesehen. 3. Von einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot wird gestützt auf Art. 67 Abs. 4bis StGB abgesehen. 4. Die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'800.00, hat A.___ zu bezahlen. Auf eine nachfolgende schriftliche Begründung des Urteils wird verzichtet, wenn keine Partei gegen das Urteil ein Rechtsmittel ergreift innert 10 Tagen seit der Zustellung des Dispositivs eine schriftliche Begründung ausdrücklich verlangt (Art. 82 StPO). In diesem Fall reduziert sich die Urteilsgebühr auf CHF 300.00 und A.___ hat noch CHF 1'500.00 zu bezahlen.»
7. Gegen dieses Urteil meldete der Oberstaatsanwalt mit Eingabe vom 30. April 2021 rechtzeitig die Berufung an (AS 140).
8. Das begründete Urteil wurde den Parteien am 8. Juni 2021 zugestellt (AS 152 und AS 153) und enthält in Bezug auf die zur Anwendung gebrachten Strafbestimmungen folgende Berichtigung (US 5/AS 147):
« Nach dem Gesagten ist der Beschuldigte der harten Pornografie durch Herstellung und Besitz i.S.v. Art. 197 Abs. 4 StGB (mithin nicht zum Konsum) und durch Inverkehrbringen i.S.v. Art. 197 Abs. 4 StGB schuldig zu sprechen. Der im Urteilsdispositiv aufgeführte Strafartikel Art. 197 Abs. 5 StGB, welcher auf den Konsum harter Pornografie abzielt, erfolgte fälschlicherweise und wird hier im begründeten Urteil berichtigt.»
9. Mit Berufungserklärung vom 13. Juni 2021 ficht die Staatsanwaltschaft das erstinstanzliche Urteil in den folgenden Punkten an:
- Ziff. 1 (Schuldpunkt), insoweit keine Verurteilung wegen mehrfacher Widerhandlung im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB erfolgte; - Ziff. 2 (Absehen von Bestrafung).
Verlangt wird ein Schuldspruch wegen mehrfacher Widerhandlung gegen Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB (Pornografie, die tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hat), begangen am 11. und 14. Juni 2020, sowie die Verurteilung des Beschuldigten zu einer angemessenen Geldstrafe.
Zudem erklärte die Staatsanwaltschaft in ihrer Eingabe vorsorglich ihre Zustimmung zu einem etwaigen schriftlichen Verfahren.
10. Mit Eingabe vom 14. Juli 2021 verzichtete der Beschuldigte auf eine Anschlussberufungserklärung und stimmte dem schriftlichen Verfahren zu.
11. Mit Verfügung vom 26. November 2021 wurde auf den 7. April 2022 zur Hauptverhandlung vor Obergericht vorgeladen. Nachdem die Verteidigung mit Eingabe vom 5. Januar 2022 den Instruktionsrichter ersucht hatte, auf ein mündliches Verfahren zu verzichten, wurde diese mit Verfügung vom 12. Januar 2022 abgesetzt und im Einverständnis beider Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet (Art. 406 Abs. 2 StPO).
12. Innert Frist ging am 14. Januar 2022 die schriftliche Berufungsbegründung der Berufungsklägerin ein. Mit Eingabe vom 7. Februar 2022 folgte die Stellungnahme der Verteidigung zur Berufungsbegründung mit den folgenden Anträgen:
« 1. A.___ sei schuldig zu sprechen der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB. 2. A.___ sei zu verurteilen zu einer Geldstrafe von drei Tagessätzen zu je CHF 40.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren.» 3. Die Kosten dieses Verfahrens seien dem Staat aufzuerlegen.»
13. Die Berufungsklägerin verzichtete hierauf auf eine weitere inhaltliche Stellungnahme (vgl. Eingabe vom 10.2.2022).
14. In Rechtskraft erwachsen ist Dispositivziffer 3 des erstinstanzlichen Urteils: Verzicht auf ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot gestützt auf Art. 67 Abs. 4bis StGB.
II. Sachverhalt
1. Vorhalt
Der dem Beschuldigten zur Last gelegte Lebenssachverhalt wird in der Anklageschrift vom 10. November 2020 (nachfolgend AKS) wie folgt umschrieben (AS 1):
« Harte Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) durch Konsum (Art. 197 Abs. 5 Satz 2 StGB) sowie harte Pornografie (tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) durch Inverkehrbringen (Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB) Begangen [vom] 11. Juni 2020, um 10:54 Uhr, bis am 14. Juni 2020, um 10:08 Uhr, annahmeweise in [Ort 1], [Adresse], Domizil des Beschuldigten, indem der Beschuldigte vorsätzlich eine Videoaufnahme, welche einen eindeutig im Schutzalter stehenden Knaben (Kleinkind) beim Analverkehr mit einer erwachsenen Person zeigt, auf seinem Mobiltelefon […] abspeicherte und damit herstellte und besass. Zudem verbreitete der Beschuldigte das Video, indem er es am 11. Juni 2020 um 10:54 Uhr per WhatsApp an «B.___» (+41 […]) sowie am 14. Juni 2020 um 10:08 Uhr via Facebook an «C.___» ([E-Mail […]) sendete.»
2. Unbestrittener Sachverhalt
Der zur Anklage gebrachte Sachverhalt wird vom Beschuldigten weitgehend nicht bestritten (in Bezug auf den bestrittenen Teil: vgl. nachfolgende Ziffer II.3.). Zusammengefasst kann Folgendes festgehalten werden:
2.1 Im Rahmen der von der Staatsanwaltschaft angeordneten (AS 89) und am 19. August 2020 durchgeführten Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten wurde das Mobiltelefon des Beschuldigten sichergestellt. Der Beschuldigte verzichtete nach erfolgter Rechtsbelehrung betreffend die Durchsuchung und Siegelung von Aufzeichnungen und Geräten (Art. 248 StPO) unterschriftlich auf eine Siegelung (AS 94). Die Sichtung der Mobiltelefondaten durch die IT Forensik mit Cellebrite Reader brachte zwar keine verbotenen Darstellungen auf dem Gerät selber zum Vorschein, jedoch konnte in zwei WhatsApp-Nachrichten je ein Vorschaubild («Thumbnail») des vom Provider (Facebook) gemeldeten Videos festgestellt werden. Aus dem der forensischen Datenauswertung beigelegten Cellebrite Extraction Report (AS 27 ff.) erschliesst sich, dass
- das besagte Video am 6. April 2020 um 20:36:29 Uhr von der Mobiltelefonnummer «Alias D.___» (+41 [...]) via WhatsApp auf die Mobiltelefonnummer des Beschuldigten (+41 […]) weitergeleitet («forewarded») und von diesem empfangen wurde (AS 29); - das besagte Video von der Mobiltelefonnummer des Beschuldigten (+41 […]) am 11. Juni 2020 um 08:54:21 Uhr via WhatsApp an «B.___» (+41 […]) verschickt wurde, beim Empfänger um 8:54:26 Uhr ankam und von diesem um 08:54:59 Uhr gelesen bzw. gesichtet wurde (AS 30).
Die Facebook-Nachricht, mit welcher das besagte Video am 14. Juni 2020 um 8:08:39 Uhr (UTC, sog. koordinierte Weltzeit) bzw. um 10:08:39 Uhr (Schweizer Zeitzone, UTC + 2 Stunden) mit dem Nutzernamen «[alias A.___]» an den Empfänger C.___ (E-Mail […]) verschickt wurde, konnte auf dem Mobiltelefongerät nicht gefunden werden (AS 53).
2.2 Der Beschuldigte gestand den Empfang des besagten Videos am 6. April 2020 von «Alias D.___» per WhatsApp bereits in der tatnächsten Einvernahme auf Vorlage des Berichts der Forensischen Datensicherung und Auswertung (AS 34). Auf die Frage, wer «Alias D.___» (wohl ein Pseudonym) sei, nannte der Beschuldigte dessen Nachname (D.___) und Wohnort ([Ort 2]), so dass dieser in der Folge ausfindig gemacht werden konnte. D.___ gestand in dem gegen ihn geführten separaten Strafverfahren den Versand des Videos (vgl. Strafanzeige vom 21.9.2020: AS 41 ff.; Einvernahmeprotokoll: AS 49).
Angesprochen auf dem Umstand, dass das Video nicht mehr auf seinem Handy habe gefunden werden können, räumte der Beschuldigte ein, das Video gelöscht zu haben, dies jedoch nicht nach dessen (teilweisen) Sichtung (vgl. hierzu AS 130: Er habe den Film angetippt und nach ein, zwei Sekunden sei er wieder «raus» gegangen), sondern erst, als er damals eine Meldung von Facebook erhalten habe. Er sei – so seine sinngemässen Ausführungen in der tatnächsten Einvernahme (AS 36) – davon ausgegangen, dass die Meldung von Facebook im Zusammenhang mit diesem Video gestanden sei und habe es deshalb gelöscht.
2.3 Auch der (zweimalige) Versand des besagten Videos wird vom Beschuldigten nicht in Abrede gestellt: Sowohl die Weiterleitung via WhatsApp am 11. Juni 2020 an «B.___» (+41 […]), die sich zumindest mittels Vorschaubild rekonstruieren liess (vgl. Ziff. I.2.1), als auch jene via Facebook am 14. Juni 2020 an C.___ werden eingestanden: Ja, es handle sich beim Facebook-Profil «[alias A.___]», bei welchem die Mailadresse [...]@[...].ch hinterlegt sei, um sein Profil (AS 33). Bei dem einen Empfänger (C.___) handle es sich um einen Bekannten, […] und mit dem er auch schon zusammen gesessen sei, der zweite Empfänger (B.___, vom Beschuldigten auch mehrmals als «[alias B.___]» bezeichnet) sei der Sohn von C.___ und ein Kollege von ihm (AS 35, 131).
2.4 Das Video zeigt einen Jungen, dessen Alter im Bereich von ca. 5 bis 6 Jahren liegt (so auch die Einschätzung des Beschuldigten selbst auf die entsprechende Frage anlässlich der polizeilichen Einvernahme: vgl. Antwort auf Frage 18, AS 34). Das Video mit einer Laufzeit von 1:14 Minuten zeigt die anale Penetration (oder Versuch dazu) des Buben bei einer erwachsenen (weiblichen) Person, wobei einzelne Einstellungen gezielt das Glied des Kleinkindes heranzoomen (vgl. die beiden letzten Standfotos: AS 22, in leicht besserer Fotoqualität/Auflösung auch unter AS 38 abgelegt).
2.5 Es ist – zu Gunsten des Beschuldigten – davon auszugehen, dass die Speicherung des Videos auf dessen Natelgerät aufgrund der entsprechenden Grundeinstellungen automatisch erfolgt ist.
3. Bestrittener Sachverhalt
3.1 Vom Beschuldigten wird – obwohl im Berufungsverfahren ein Schuldspruch wegen mehrfacher Tatbegehung beantragt wird – in tatsächlicher Hinsicht vorgebracht, er habe nie ein Video mit kinderpornografischem Inhalt verschicken wollen. Das Video sei versehentlich an die genannten Empfänger geraten. Er habe das falsche Video erwischt (AS 35; AS 130). Auf die Nachfrage des Vorderrichters, ob ihm dies gleich zweimal passiert sei: Ja. Er habe das nicht extra herumgeschickt. Es sei dumm gelaufen. Beim zweiten Mal habe er dann, als es ihm das Facebook[-Profil] blockiert habe, gemerkt, dass etwas nicht gut sei; es habe ihm das Facebook-Profil «zugemacht» (AS 131; 133).
Auf die Nachfrage des Amtsgerichtspräsidenten, was er den beiden Empfängern dann tatsächlich habe schicken wollen: Ein lustiges Video, aber sicherlich nicht so etwas. Er könne sich nicht mehr erinnern, was er habe schicken wollen, aber er schicke nicht irgendein «Zeugs» Gewaltvideos so herum (AS 132).
3.2 Würdigung
Mit der Vorinstanz ist in Bezug auf die vom Beschuldigten geltend gemachte Verwechslung des versendeten Videos von einer Schutzbehauptung auszugehen. Dass dem Beschuldigten gleich zwei Mal an zwei unterschiedlichen Daten (11. und 14.6.2020) über zwei unterschiedliche Dienste (WhatsApp und Facebook) und in Bezug auf zwei unterschiedliche Empfänger dasselbe Missgeschick passiert sein soll, kann mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass das Vorschaubild (vgl. AS 29 und 30), welches vom User vor dem Versand zwingend jeweils ausgewählt bzw. angetippt werden muss, kein beliebiges, neutral gehaltenes Bild zeigt, sondern einen – hinter einer auf dem Bauch liegenden erwachsenen Person – knienden Jungen, dessen Gesichtskonturen deutlich erkennbar sind. Auch dies spricht gegen eine Verwechslung. Ebenso fällt auf, dass der Beschuldigte auf die Frage des Vorderrichters, was er denn tatsächlich den beiden Empfängern habe zustellen wollen, vage und diffus blieb. Seine angebliche zweimalige Verwechslung vermochte er nicht mit konkreten Ausführungen zu plausibilisieren. Ebenso wenig führte der Beschuldigte jemals aus, er habe sich mit den beiden Empfängern in Kontakt gesetzt und sich für die Zustellung entschuldigt, nachdem er sich der (behaupteten) Verwechslung bewusst geworden sei. Dies wäre indes zu erwarten gewesen, zumal er selber zu Protokoll gab, er finde solche kinderpornografischen Dateien eine Zumutung und scheusslich (vgl. AS 36).
4. Es ist in Würdigung der gesamten Umstände nicht nur die (automatische) Abspeicherung des besagten Videos am 6. April 2020 auf dem Mobiltelefongerät des Beschuldigten und dessen Besitz erstellt. Ebenso ist nachgewiesen, dass der Beschuldigte in der Folge das Video – im Wissen um dessen Inhalt – am 11. und 14. Juni 2020 willentlich an zwei unterschiedliche Empfänger (B.___ und C.___) via WhatsApp und Facebook verschickt hat.
III. Rechtliche Würdigung
1. Allgemeine Ausführungen zu Art. 197 Abs. 4 StGB
Wer Gegenstände Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich über elektronische Mittel sonst wie beschafft besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren Geldstrafe (Art. 197 Abs. 4 StGB).
Abs. 4 verbietet die sogenannte harte Pornografie, die gemäss dem vorgenannten Gesetzeswortlaut gegeben ist, wenn zum pornografischen Charakter mindestens eines von vier abschliessend aufgeführten Merkmalen hinzukommt, nämlich die Beteiligung von Tieren, der Einsatz von Gewalttätigkeiten sowie der nicht tatsächliche Einbezug von Minderjährigen und der tatsächliche Einbezug von Minderjährigen (Stefan Trechsel/Carlo Bertossa in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar Schweizerisches Strafgesetzbuch, 4. Auflage, St. Gallen/Zürich 2021, nachfolgend «PK StGB», Art. 197 StGB N 10).
Erfasst werden zunächst einmal umfassend alle Verhaltensweisen auf der Anbieterseite («herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt [und] zugänglich macht»). Über die Tathandlungsvarianten «erwirbt, sich über elektronische Mittel sonst wie beschafft besitzt» werden zusätzlich auch Verhaltensweisen erfasst, die theoretisch sowohl von einem reinen Konsumenten als auch vom Anbieter verwirklicht werden können. Bei einem reinen Konsumenten, der also nur seinen eigenen Konsum vorbereitet, kommt Abs. 4 allerdings nicht zur Anwendung, weil hier der privilegierende Tatbestand von Abs. 5 (mit einer herabgesetzten Strafobergrenze) vorgeht (Wolfgang Wohlers in: AJP 4/2020: Strafbarkeit des Umgangs mit Kinderpornografie, S. 393; ebenso Bernhard Isenring/Martin A. Kessler in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Auflage, Basel 2019, Art. 197 StGB N 49; vgl. in Bezug auf diese Abgrenzung auch die kantonale Rechtsprechung: STBER.2020.98 und STBER.2020.66).
Für den Anbieter pornografischen Materials haben die Erwerbsvarianten (im Sinne eines Auffangtatbestandes) nur in den Fällen Bedeutung, in welchen es nicht zu einer Abgabe gekommen ist bzw. sich diese nicht beweisen lässt (Wolfgang Wohlers in: AJP 4/2020: Strafbarkeit des Umgangs mit Kinderpornografie, S. 393).
Der Begriff «nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen» umschreibt den sogenannten virtuellen Kindsmissbrauch und zielt auf Sachverhalte, in welchen die sexuellen Handlungen mit gestalterischen elektronischen Mitteln dargestellt werden, beispielsweise in Comics, Animationsfilmen in Computerspielen. Die «tatsächlichen sexuellen Handlungen mit Minderjährigen» betreffen demgegenüber sexuelle Handlungen unter Einbezug von realen minderjährigen Personen (Urteil des Bundesgerichts 1B_189/2018 vom 2.5.2018 E. 3.2). Der Unterschied zwischen den beiden Tatbestandsvarianten ist einzig für die Strafdrohung relevant: Der Strafrahmen erweitert sich bei der sog. qualifiziert-harten Pornografie im Vergleich zur einfach-harten Pornografie auf der Anbieterseite (Abs. 4) von drei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe und auf der Konsumentenseite (Abs. 5) von einem auf drei Jahre (Wolfgang Wohlers in: AJP 4/2020: Strafbarkeit des Umfangs mit Kinderpornografie, S. 394 f.).
In subjektiver Hinsicht wird Vorsatz verlangt, wobei Eventualvorsatz ausreichend ist und im Hinblick auf die Wissenskomponente des Vorsatzes keine exakten juristischen Kenntnisse erforderlich sind; es reicht aus, dass der Beschuldigte den (kinder-)pornografischen Gehalt der Darstellung laienhaft (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre) nachvollzogen hat (Wolfgang Wohlers in: AJP 4/2020, S. 393 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_229/2019 vom 27.5.2019 E. 3.2). 2. Subsumption
2.1 Der Beschuldigte hat gemäss dem Beweisergebnis das besagte Video, welches tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hat (Analverkehr eines ca. 5- bis 6-jährigen Jungen mit einer erwachsenen Person) am 6. April 2020 per WhatsApp erhalten. Dieses Video, das der Beschuldigte, wie er eingestand, zumindest auszugsweise ansah, wurde in seinem Natelgerät abgespeichert. Dieser Prozess wird in rechtlicher Hinsicht von der Tatbestandsvariante des «Herstellens» (Art. 197 Abs. 4 [Satz 2] StGB) erfasst und zwar auch dann, wenn das Speichern des Videos vom Beschuldigten nicht aktiv veranlasst worden ist, sondern – wovon vorliegend auszugehen ist – ohne sein Zutun aufgrund entsprechender Handy-Grundeinstellungen automatisch erfolgt ist.
2.2 Der Beschuldigte bewahrte das Video über mehrere Wochen auf seinem Handy auf, räumte er doch ein, die Löschung des Videos erst vorgenommen zu haben, nachdem ihm das Facebook-Profil blockiert worden sei (vgl. AS 36). Der Löschvorgang ist deshalb zeitlich nach dem 14. Juni 2020 (frühestens 08:08:39 UTC, vgl. CyberTipline Report, AS13 ff.) anzusiedeln. In rechtlicher Hinsicht ist folglich auch die Tatbestandsvariante des Besitzes von qualifiziert-harter Pornografie für den zur Anklage gebrachten Tatzeitraum (11. Juni 2020 [10:54 Uhr] bis 14. Juni 2020 [10:08 Uhr]) erfüllt.
2.3 Der Beschuldigte hat das besagte Video zweimal verschickt, am 11. Juni 2020 über WhatsApp an B.___ und am 14. Juni 2020 über Facebook an C.___. Damit hat der Beschuldigte das Video in den Verkehr gebracht. Auch der subjektive Tatbestand ist erfüllt: Der Beschuldigte wusste um den kinderpornografischen Inhalt des Videos, denn er schaute sich dieses auszugsweise an. Ebenso leitete er dieses Video in der Folge willentlich an die vorgenannten Personen weiter. Ein Versehen (ungewollte Zustellung durch falsche Auswahl bzw. Verwechslung des Videos) kann, wie im Rahmen der Beweiswürdigung erörtert worden ist (vgl. hierzu II.3.2), ausgeschlossen werden.
2.4 Sowohl die Herstellung (im Sinne der Abspeicherung) als auch der Besitz (Aufbewahrung) haben subsidiären Charakter und werden, wenn – wie vorliegend – dem Beschuldigten auch das vorsätzliche Verschicken des kinderpornografischen Filmmaterials nachgewiesen ist, von der Tatbestandsvariante des Inverkehrbringens konsumiert.
2.5 In rechtlicher Hinsicht ist von einer mehrfachen Tatbegehung auszugehen: Nachdem der Beschuldigte das Video mit kinderpornografischem Inhalt am 11. Juni 2014 an B.___ verschickte (1. Tathandlung), fasste der Beschuldigte drei Tage später einen neuen Tatentschluss und sendete es über einen anderen Kanal (Facebook) an einen anderen Adressaten (C.___).
Der Beschuldigte ist deshalb der mehrfachen (harten) Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 (Satz 2) StGB (Inverkehrbringen), begangen am 11. und 14. Juni 2020, schuldig zu sprechen.
IV. Prüfung der Strafbefreiung
1. Allgemeine Ausführungen
Gemäss Art. 52 StGB sieht die zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind.
Im Leitentscheid BGE 135 IV 130 hält das Bundesgericht hierzu Folgendes fest: « 5.3.2 Voraussetzung für die Strafbefreiung und Einstellung des Verfahrens gemäss Art. 52 StGB ist die Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (Riklin, a.a.O., N. 14 zu Art. 52 StGB). Die Würdigung des Verschuldens des Täters richtet sich nach den in Art. 47 StGB aufgeführten Strafzumessungskriterien (Riklin, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB; Dupuis und andere, Code pénal, Bd. I, 2008, N. 4 zu Art. 52 StGB; Daniel Jositsch, Strafbefreiung gemäss Art. 52 StGBneu und prozessrechtliche Umsetzung, SJZ 100/2004 S. 4). Der Begriff der Tatfolgen umfasst nicht nur den tatbestandsmässigen Erfolg, sondern sämtliche vom Täter verschuldete Auswirkungen der Tat (Riklin, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB). Diese müssen stets gering sein. Schwerwiegendere Folgen können nicht durch andere, zu Gunsten des Betroffenen wirkende Komponenten ausgeglichen werden (Riklin, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB).
5.3.3 Mit der Regelung von Art. 52 StGB hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, dass in allen Bagatellstraftaten generell auf eine strafrechtliche Sanktion verzichtet wird. Eine Strafbefreiung (‘exemption de peine’; ‘impunità’) kommt nur bei Delikten in Frage, bei denen keinerlei Strafbedürfnis besteht. Auch bei einem Bagatelldelikt kann daher wegen Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen eine Strafbefreiung nur angeordnet werden, wenn es sich von anderen Fällen mit geringem Verschulden und geringen Tatfolgen qualitativ unterscheidet. Das Verhalten des Täters muss im Quervergleich zu typischen unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden Taten insgesamt – vom Verschulden wie von den Tatfolgen her – als unerheblich erscheinen, so dass die Strafbedürftigkeit offensichtlich fehlt.»
2. Konkrete Prüfung
Die Vorinstanz bejaht ein fehlendes Strafbedürfnis und begründet dies insbesondere mit dem Bagatellcharakter der Tat; der nicht pädophile Beschuldigte habe das Video nicht konsumiert und auch keine Handlungen zum Eigenkonsum begangen (US 6). Der Bagatellcharakter ist nach der soeben dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung jedoch für sich allein kein Grund, um von einer Bestrafung Umgang zu nehmen. Es müssen vielmehr weitere Kriterien hinzutreten, welche den konkreten Fall auch von anderen Bagatellfällen unterscheiden, die hier aber nicht auszumachen sind.
Die Strafbefreiung lässt sich auch nicht mit dem ausgebliebenen Eigenkonsum überzeugend begründen. Das vom Beschuldigten begangene Inverkehrbringen von qualifiziert-harter Pornografie wiegt schwerer als der vom Gesetzgeber privilegierte Eigenkonsum (Handlungen nach Art. 197 Abs. 4 [Satz 2] StGB stellen Verbrechen, Handlungen nach Art. 197 Abs. 5 [Satz 2] dagegen Vergehen dar; vgl. hierzu auch vorstehende Ziff. III.1.).
Die Vorinstanz hebt des Weiteren hervor, der Beschuldigte sei selber nicht pädophil und die Empfänger der Nachricht seien ihrerseits mutmasslich ebenfalls keine Pädophile, entsprechend habe er nicht dazu beigetragen, die Herstellung von Kinderpornografie zu fördern. Es handle sich beim Beschuldigten nicht um die Art Person, welche mit Art. 197 StGB bestraft werden solle. Dies vermag aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen: Die Strafbestimmung von Art. 197 Abs. 4 StGB zielt auf ein umfassendes Verbot der harten Pornografie ab, entsprechend ausführlich und weitreichend ist die Liste der unter Strafe gestellten Verhaltensweisen, worunter auch reine Vorbereitungshandlungen fallen. Das Strafbedürfnis entfällt nicht, wenn im konkreten Einzelfall unbekannt ist, ob der Täter die vom Täter bedienten Empfänger des kinderpornografischen Videomaterials pädosexuell veranlagt sind (vgl. auch die Ausführungen in der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft, S. 2 [Mitte) - S. 3 [1. Absatz]).
Der Begriff der Tatfolgen, die geringfügig sein müssen, um eine Strafbefreiung zu rechtfertigen, sind nach Lehre und Rechtsprechung weit zu fassen. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass die Vorinstanz die Auswirkungen der Tat auf das im Video dargestellte und instrumentalisierte Kind unberücksichtigt liess. Minderjährige sollen jedoch nicht nur davor geschützt werden, dass Videos mit harter Pornografie mit ihnen als «Darsteller» zu Stande kommen, d.h. produziert werden; deren Schutz soll sich darüber hinaus auch darauf erstrecken, dass die durch die pornografische Darstellung bewirkte Persönlichkeitsverletzung nicht mit der Weiterleitung über Kanäle wie WhatsApp und Facebook perpetuiert wird (vgl. hierzu auch BGE 131 IV 64 E. 11.4 S. 77: «Das Wissen um die Existenz, mögliche Verbreitung und voraussehbare Verwendung der Darstellung der Straftat kann für das Opfer aber ähnlich unerträglich sein wie die Erinnerung an die Tat selbst»). Mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des im Video dargestellten Kleinkindes kann nicht von unerheblichen und nicht strafwürdigen Tatfolgen ausgegangen werden. Das hat umso mehr zu gelten, als das Video eine schwere tatsächliche sexuelle Handlung (Analverkehr eines Kleinkindes mit einer erwachsenen Person) zeigt und der Beschuldigte dieses Video an mehrere Personen verschickt hat. Ein Anwendungsfall von Art. 52 StGB ist deshalb, was auch von der Verteidigung unbestritten blieb, zu verneinen.
V. Strafzumessung
1. Allgemeine Grundsätze
1.1 Die Strafzumessung erfolgt nach dem Verschulden des Täters, unter Berücksichtigung des Vorlebens, der persönlichen Verhältnisse sowie der Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB). Es gilt also, Tat- und Täterkomponenten gesondert zu betrachten.
1.2 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).
2. Konkretes Strafmass
2.1 Der Strafrahmen von Art. 197 Abs. 4 (Satz 2) StGB erstreckt sich von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Für das erste Inverkehrbringen (Versand des Videos mit kinderpornografischem Inhalt am 11. Juni 2020) ist die Einsatzstrafe zu bestimmen. Das Tatverschulden ist in Anbetracht des gesamten Tatspektrums in Übereinstimmung mit den von den beiden Parteien vertretenen Auffassungen als noch sehr leicht einzustufen. Es lässt sich keine hohe kriminelle Energie erkennen: Das Tatvorgehen war einfach und mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden. Der Versand des Videos erfolgte über die üblichen digitalen Kanäle (WhatsApp und Facebook). Der Beschuldigte traf keinerlei Vorkehrungen, um den Versand zu tarnen (z.B. Darknet). Das Video zeigt mit Blick auf den weiten Begriff der sexuellen Handlungen eine schwere sexuelle Handlung (Analverkehr), wobei kein Element der Gewalt gezeigt wird und – anders als in der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft dargelegt – nicht die anale Penetration eines Kleinkindes durch eine erwachsene Person, sondern die umgekehrte Konstellation gezeigt wird. Es ist nicht bekannt, dass dem Versand ein finanzielles Motiv zu Grunde lag. Der Beschuldigte erhielt keine finanzielle Gegenleistung vom Empfänger. Weshalb er das Video verschickte, konnte nicht abschliessend geklärt werden. Die Einsatzstrafe ist auf 25 Tagessätze Geldstrafe festzusetzen. Auch für die zweite Tathandlung (Versand desselben Videos an C.___) erweisen sich 25 Tagessätze Geldstrafe als angemessen. Unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips (Art. 49 Abs. 1 StGB) ist die Einsatzstrafe um 12 Tagessätze auf 37 Tagessätze Geldstrafe zu erhöhen.
Zu den Täterkomponenten ist Folgendes festzuhalten: Der Beschuldigte ist (nicht einschlägig) vorbestraft und die Verurteilung liegt nun annähernd neun Jahre zurück (Verurteilung vom 28.10.2013 zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 70.00 wegen eines Vergehens gegen das Waffengesetz). Der Beschuldigte arbeitet als [...], ist Vater von zwei Kindern mit Jahrgang […] und […], lebt von seinen Kindern und deren Mutter getrennt und kommt seinen finanziellen Verpflichtungen nach. In Bezug auf das Nachtatverhalten ist zu berücksichtigen, dass er von Anbeginn den Empfang, die Speicherung des kinderpornografischen Videos und auch dessen Weiterversand an zwei Personen gestand und mit den Untersuchungsbehörden kooperierte. Dem Beschuldigten ist auch zu Gute zu halten, dass er mit seinen Angaben zur Identifikation jener Person beitrug, die ihm am 6. April 2020 die besagte Videodatei zugestellt hatte. In Bezug auf den Versand bestritt er jedoch bis zum Schluss hartnäckig den Vorsatz und somit eine strafrechtliche Verantwortung, indem er sich auf ein angebliches Versehen berief (er habe das falsche Video erwischt). In Anbetracht dieser Schutzbehauptung kann nicht von einer umfassenden Einsicht und Reue ausgegangen werden. Eine erhöhte Strafempfindlichkeit ist auch unter Berücksichtigung des gesamten Sanktionenpakets (sog. Folgenberücksichtigung) nicht auszumachen. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz (US 6) ist weder die Strafe an sich noch deren Eintrag im Strafregister unverhältnismässig. Es ist – anders als beispielsweise bei verurteilten Personen mit einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheits-, Sozial- Justizwesen – nicht damit zu rechnen, dass der Strafregistereintrag wegen (harter) Pornografie die berufliche Zukunft des Beschuldigten als [...] gefährden wird.
Die Täterkomponenten rechtfertigen in einer Gesamtschau eine Strafminderung im Umfang von 7 Tagessätzen, so dass eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen resultiert.
2.2 Ausgangspunkt für die Bemessung der Tagessatzhöhe bildet das aktuelle Nettoeinkommen von CHF 3'491.60 (vgl. die im Berufungsverfahren eingereichte Lohnabrechnung). Dem Beschuldigten ist ein Pauschalabzug (Steuern, Krankenkasse etc.) von 30 % (CHF 1'047.50) zu gewähren. Vom Zwischentotal (CHF 2'444.10) sind die vom Beschuldigten geleisteten Kinderalimente in Abzug zu bringen, die total CHF 1'400.00 ausmachen (vgl. Steuerklärung 2020 sowie Eingabe der Verteidigung vom 7.2.2022, S. 3), so dass ein Tagessatz von abgerundet CHF 30.00 (= CHF 1'044.10 : 30) resultiert.
2.3 Der Vollzug der Geldstrafe ist aufzuschieben und die Probezeit auf das gesetzliche Minimum von zwei Jahren festzusetzen (Art. 42 Abs. 1 StGB, Art. 44 Abs. 1 StGB).
Der Beschuldigte wird darauf hingewiesen (Art. 44 Abs. 3 StGB), dass die Geldstrafe vollstreckt werden kann (Widerruf des gewährten bedingten Vollzuges), wenn er sich nicht bewährt, d.h. wenn er während der zweijährigen Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht und deshalb zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten verüben wird (Art. 46 Abs. 1 StGB).
VI. Kosten- und Entschädigungsfolgen
1. Kostenfolgen
1.1 Erstinstanzliches Verfahren
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die erstinstanzlichen Kosten mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'800.00, vollumfänglich vom Beschuldigten zu bezahlen (Art. 426 Abs. 1 StPO).
1.2 Berufungsverfahren
1.2.1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Es handelt sich hierbei um eine den zivilprozessualen Grundsätzen angenäherte Regelung (Yvona Griesser in: Andreas Donatsch, Viktor Lieber, Sarah Summers, Wolfgang Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, nachfolgend zit. «StPO-Kommentar», Art. 428 StPO N 1). Ob eine Partei als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden (Urteil des Bundesgerichts 6B_1118/2016 vom 10.7.2017 E. 1.2.2).
1.2.2 Der Beschuldigte beantragt, es seien die Prozesskosten dem Staat aufzuerlegen und lässt dies von der Verteidigung wie folgt begründen: Es sei zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte bereits vor erster Instanz eine – wenn auch geringe – Verurteilung beantragt habe. Der Beschuldigte habe folglich das Verfahren vor Obergericht nicht verursacht und solle daher für diese Kosten nicht aufkommen müssen. Art. 426 StPO sei zu berücksichtigen.
1.2.3 Dem ist Folgendes entgegen zu halten: Im vorliegenden Fall werden die von der Berufungsklägerin gestellten Anträge von der Berufungsinstanz vollumfänglich gutgeheissen. Sie obsiegt damit vollständig, so dass die Kosten des Berufungsverfahrens vom Beschuldigten als Berufungsbeklagten bzw. Rechtsmittelgegner zu bezahlen sind (vgl. hierzu auch Yvona Griesser in: StPO-Kommentar, Art. 428 StPO N 4; Thomas Domeisen in: Marcel Alexander Niggli/Marianne Heer/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, nachfolgend zit. «BSK StPO», Art. 428 StPO N 8).
Zu keinem abweichenden Schluss führt der Umstand, dass der Beschuldigte – in Übereinstimmung mit der Berufungsklägerin und in Abweichung zum erstinstanzlichen Erkanntnis – im Berufungsverfahren eine Verurteilung wegen einer mehrfachen Tatbegehung im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB und sowohl erst- als auch zweitinstanzlich eine Bestrafung mit einer Geldstrafe beantragt hat. Denn als unterliegend gilt nach den zivilprozessualen Grundsätzen auch die beklagte Partei, die sich den Anträgen der Klägerin unterzieht. Erstinstanzlich hatte der Beschuldigte beantragt, er sei von den schwerer wiegenden Vorhalten des Inverkehrbringens harter Pornografie freizusprechen und nur wegen des Besitzes von harter Pornografie zu einer Geldstrafe von drei Tagessätzen zu je CHF 40.00 zu verurteilen.
Die Kostenauflage zu Lasten des Beschuldigten rechtfertigt sich auch mit Blick auf das Verursacherprinzip, denn dieser hat durch sein deliktisches Verhalten das Strafverfahren und die damit einhergehenden Kosten verursacht. Zu diesen Verfahrenskosten gehören nicht nur die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, sondern auch die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens, welches – wie vorliegend – erforderlich war, um ein rechtskonformes Urteil zu erwirken.
Nichts zu Gunsten des Beschuldigten lässt sich aus dem von der Verteidigung in ihrer Stellungnahme vom 7. Februar 2022 erwähnten Art. 426 StPO ableiten.
Abs. 1 dieser Bestimmung sieht die Kostenpflicht der beschuldigten Person im Falle ihrer Verurteilung vor und kommt vorliegend für die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zur Anwendung (vgl. Ziff. IV.1.1). Die Ausnahmebestimmung von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO, wonach die beschuldigte Person die Verfahrenskosten nicht trägt, welche der Bund Kanton durch unnötige fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht hat, ist nicht einschlägig: Die erstinstanzlichen Verfahrenshandlungen waren sicherlich nicht unnötig (Beurteilung des zur Anklage gebrachten Vorhaltes von Amtes wegen). Ebenso wenig waren diese fehlerhaft im (engeren) Sinne dieser Bestimmung: Der Vorderrichter war nicht an die Anträge der Parteivertreter gebunden, sondern hatte sein Urteil unter Beachtung der Offizialmaxime zu fällen. Die Frage, ob kein Strafbedürfnis (mehr) besteht und deshalb von einer Bestrafung in Anwendung von Art. 52 StGB abzusehen ist, erfordert eine Einzelfallbetrachtung, die mit einem gewissen Ermessen verbunden ist. Im Anwendungsbereich von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO muss jedoch die betreffende Verfahrenshandlung, um zu einer Kostenauflage zu Lasten des Staates zu führen, bei einer objektivierenden Betrachtungsweise bereits «ex tunc» fehlerhaft sein (vgl. die Beispiele von Thomas Domeisen in: BSK StPO, Art. 426 StPO N 15: u.a. Wiederholung von Verfahrenshandlungen wegen einer falschen Terminangabe, Einholung eines für den untersuchten Drogenhandel irrelevanten Gutachtens über den Drogenkonsum der beschuldigten Person). Eine solche Fehlerhaftigkeit liegt bei einem Urteil, welches von der Berufungsinstanz nach einlässlicher Prüfung der konkreten Umstände abgeändert wird, nicht vor.
Abschliessend ist festzuhalten, dass die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 800.00 insgesamt CHF 850.00 ausmachen. Diese Kosten sind in Anwendung von Art. 428 Abs. 1 StPO vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen.
2.2 Parteientschädigung
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschuldigte weder für das erst- noch für das zweitinstanzliche Verfahren einen Anspruch auf Parteientschädigung. Demnach wird in Anwendung von Art. 42 Abs. 1, Art. 44, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 197 Abs. 4 Satz 2, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3 StPO erkannt: 1. A.___ hat sich der mehrfachen harten Pornografie, begangen am 11. Juni 2020 und 14. Juni 2020, schuldig gemacht. 2. A.___ wird zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 30.00 verurteilt, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. 2. Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 3 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 26. April 2021 von einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot gestützt auf Art. 67 Abs. 4bis StGB abgesehen worden ist. 3. Für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren ist A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Cornelia Dippon, keine Parteientschädigung zuzusprechen. 4. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600.00, total CHF 1'800.00, sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 800.00, total CHF 850.00, hat A.___ zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Kiefer Lupi De Bruycker |
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