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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2021.45)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2021.45: Verwaltungsgericht

Das Obergericht hat in einem Strafverfahren gegen A.___ entschieden, dass er am 6. Oktober 2019 eine grobe Verkehrsregelverletzung begangen hat, indem er mit überhöhter Geschwindigkeit in die Bahnhofstrasse eingebogen ist und die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat. A.___ wurde zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 70.00 und einer Busse von CHF 850.00 verurteilt. Nachdem A.___ Berufung eingelegt hatte, wurde die Geldstrafe auf 75 Tagessätze zu je CHF 90.00 erhöht, und die Busse auf CHF 1'170.00 festgesetzt. Die Verbindungsbusse entspricht 13 Tagen Freiheitsstrafe. Das Gericht stellte fest, dass A.___ die Geschwindigkeit nicht angepasst hatte und somit eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit anderer verursacht hatte. Das Urteil wurde vom Obergericht bestätigt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2021.45

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2021.45
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2021.45 vom 04.05.2022 (SO)
Datum:04.05.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Geschwindigkeit; Fahrzeug; Beschuldigten; Vorinstanz; Berufung; Verkehr; Geldstrafe; Beweis; Verkehrs; Urteil; Recht; Bahnhof; Strasse; Verfahren; Bahnhofstrasse; Sachverhalt; Aussage; Busse; Apos; Verbindung; Tagessätze; Urteils; Polizist; Ausführungen
Rechtsnorm: Art. 106 StGB ;Art. 31 SVG ;Art. 32 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 4 VRV ;Art. 42 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:103 IV 45; 123 II 37; 124 IV 88; 127 I 38; 128 I 81; 131 IV 133; 134 IV 60; 135 IV 188; 138 V 74; 144 IV 198;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2021.45

 
Geschäftsnummer: STBER.2021.45
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 04.05.2022 
FindInfo-Nummer: O_ST.2022.33
Titel: Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 4. Mai 2022        

Es wirken mit:

Präsident von Felten    

Oberrichter Marti

Oberrichter Kiefer   

Gerichtsschreiberin Schmid

 

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anklägerin

 

gegen

 

A.___, vertreten durch Patrick Hasler, Rechtsanwalt und Notar,

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz


Die Berufung wird in Anwendung von Art. 406 Abs. 2 lit. a StPO im schriftlichen Verfahren behandelt.

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Am 6. Oktober 2019, 22:18 Uhr, überwachten die beiden Polizisten Gfr B.___ und Pol C.___ den Durchgangsverkehr Biberist / Lohn-Ammannsegg. Dabei standen sie an der Bahnhofstrasse in Biberist, auf Höhe der Bernstrasse 10, mit Blickrichtung auf die Bernstrasse (Hauptstrasse). Aufgrund eines Linienbusses, der in die Bahnhofstrasse einbog, wechselte die Patrouille die Strassenseite (andere Seite der Bernstrasse) und beobachtete den Verkehr sodann vom Schulweg aus. Kurz darauf habe die Patrouille das Fahrzeug des Beschuldigten und Berufungsklägers A.___ (nachfolgend Beschuldigter), einen PW VW Golf, Kennzeichen SO-[...], mit überhöhter Geschwindigkeit festgestellt. Der Lenker (der Beschuldigte) sei genau auf Höhe des Patrouillenfahrzeuges von der Bernstrasse in die Bahnhofstrasse gefahren, wobei er regelrecht in die Nebenstrasse (Bahnhofstrasse, Zone 30) gedriftet sei. Durch die überhöhte Geschwindigkeit und das abrupte Bremsen habe es das Fahrzeug um knapp 180 Grad gedreht (Blickrichtung Lohn-Ammannsegg) und es sei für kurze Zeit auf beiden Fahrspuren stehen geblieben. Danach habe der Beschuldigte seine Fahrt in Richtung Bahnhof fortgesetzt. Das Manöver habe der Patrouille nicht den Anschein gemacht, dass allein die herrschenden Witterungsverhältnisse (Nacht, dunkel, Regen, ca. 12 Grad) der Grund dafür gewesen seien, sondern dass das festgestellte Manöver absichtlich durch den Beschuldigten gewollt gewesen sei. Zwecks Kontrolle wurde der PW mittels Matrix-Leuchte «Stop Polizei» angehalten und kontrolliert. Der Lenker identifizierte sich als der Beschuldigte. Er war in Begleitung von zwei Freunden. Auf sein Fahrverhalten angesprochen, habe der Beschuldigte mündlich angegeben, dass er wisse, dass er zu schnell gekommen sei. Ein durchgeführter Atemalkoholtest verlief negativ. Im Rahmen des Erstbefragungsprotokolls wollte der Beschuldigte keine Angaben machen, ausser dass die Strasse nass gewesen sei (Strafanzeige Aktenseite [AS] 5 ff.).

 

2. Nach erfolgter Anzeigeerstattung gegen den Beschuldigten durch die Polizei Stadt Grenchen vom 24. Oktober 2019 erliess die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn am 25. Mai 2020 einen Strafbefehl gegen den Beschuldigten wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 SVG) durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit (Art. 32 Abs. 1 SVG, Art. 4 Abs. 1 VRV) und Nichtbeherrschen des Fahrzeuges (Art. 31 Abs. 1 SVG) und bestrafte diesen mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 70.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, und einer Busse von CHF 850.00, bei Nichtzahlung ersatzweise zu 13 Tagen Freiheitsstrafe, und auferlegte ihm die Verfahrenskosten von CHF 425.00 (AS 3 f.).

 

3. Nachdem der Beschuldigte am 2. Juni 2020 fristgerecht Einsprache erhoben hatte (AS 23), hielt die Staatsanwaltschaft am angefochtenen Strafbefehl fest und überwies die Einsprache mit Verfügung vom 8. Juni 2020 zur Beurteilung an das zuständige Richteramt Bucheggberg-Wasseramt. (AS 1 f.).

4. Am 23. Februar 2021 erliess die Amtsgerichtsstatthalterin von Bucheggberg-Wasseramt nach durchgeführter Verhandlung mit Befragung des Beschuldigten und der beiden Polizisten als Zeugen das nachfolgende Urteil:

 

1.     A.___ hat sich der groben Verletzung der Verkehrsregeln, begangen am 6. Oktober 2019, schuldig gemacht.

 

2.     A.___ wird verurteilt zu:

a)    einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 70.00, unter Gewährung des bedingten Vollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren,

b)    einer Busse von CHF 850.00, ersatzweise zu 13 Tagen Freiheitsstrafe.

 

3.     Die Kosten des Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 800.00, total CHF 1'010.00, hat A.___ zu bezahlen.

Wird von keiner Partei ein Rechtsmittel ergriffen und nicht ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils verlangt, reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 250.00, womit sich die Kosten auf CHF 760.00 belaufen.

 

5. Gegen das Urteil meldete der Beschuldigte am 19. März 2021 die Berufung an und erhob nach Empfang des begründeten Urteils (8. Juni 2021) am 28. Juni 2021 die Berufungserklärung (AS 71 ff. und Akten Berufungsverfahren).

 

6. Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 2. Juli 2021 auf einen Antrag auf Nichteintreten, eine Anschlussberufung und die weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.

 

7. Mit Verfügung vom 16. Juli 2021 stellte der Instruktionsrichter in Aussicht, das schriftliche Verfahren anzuordnen und setzte dem Beschuldigten Frist zur Mitteilung, sollte er nicht einverstanden sein. Anschliessend werde ihm Frist zur Begründung der Berufung gesetzt. Der Rechtsvertreter des Beschuldigten teilte mit Eingabe vom 27. August 2021 mit, dass die Berufung im schriftlichen Verfahren behandelt werden könne.

 

8. Mit Verfügung vom 30. August 2021 wurde durch den Präsidenten das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten Frist zur Berufungsbegründung gesetzt. Diese ging am 14. Dezember 2021 beim Berufungsgericht ein, mit den Anträgen, der Beschuldigte sei vom Vorhalt der groben Verletzung der Verkehrsregeln, von einer Geldstrafe und von einer Busse freizusprechen, die Aufwendungen der Verteidigung für das ganze Strafverfahren seien in der Höhe der Kostennote zu ersetzen und die Verfahrenskosten vom Staat zu tragen.

 

 

II. Sachverhalt

 

1. Im Strafbefehl vom 25. Mai 2020 wird dem Beschuldigten vorgeworfen, am 6. Oktober 2019, um 22:18 Uhr, beim Abbiegen von der Bernstrasse in die Bahnhofstrasse in Biberist zufolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die herrschenden Verhältnisse (Verzweigung, nasse Fahrbahn) und abruptes Abbremsen die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren zu haben und in die Bahnhofstrasse gedriftet zu sein. Dabei habe es den Personenwagen um knapp 180 Grad gedreht und dieser sei schliesslich auf beiden Fahrspuren stehend zum Stillstand gekommen. Dadurch habe der Beschuldigte eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen und diese in Kauf genommen.

 

2. Die Vorinstanz ging grundsätzlich vom Sachverhalt wie in der Strafanzeige und im Strafbefehl beschrieben aus. Davon ausgenommen sei einzig die in der Strafanzeige geschilderte Aussage des Beschuldigten, dass er wisse, dass er zu schnell gefahren sei. Diese Aussage habe er nicht unterschriftlich zu Protokoll gegeben, weshalb nicht auf diese abgestellt werde.

 

3. Die Verteidigung machte in ihrer Berufungsbegründung geltend, das Urteil der Vorinstanz sei widersprüchlich und nicht stringent. Die Beweismittel seien willkürlich ausgelegt und das Urteil ergebnisorientiert begründet worden. Die Vorinstanz lege sich die Beweismittel anhand sachfremder Elemente zurecht bzw. habe keinerlei Beweiswürdigung vorgenommen. Sie habe auf die Aussage der beiden anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz befragten Polizisten abgestellt, ohne diese einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Zudem sei sie auf zahlreiche Vorbringen der Verteidigung nicht eingegangen.

 

Die in der Anklageschrift und dem vorinstanzlichen Entscheid umschriebenen Ereignisse (Kontrollverlust über das Fahrzeug beim Abbiegen aufgrund Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die herrschenden Verhältnisse und abruptes Bremsen und Driften in die Nebenstrasse) seien einzig auf die angeblich überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. Damit müsse die übersetzte Geschwindigkeit zweifelsfrei bewiesen werden. Es lägen jedoch keinerlei Beweismittel vor, welche Angaben zur konkreten Geschwindigkeit liefern würden.

 

Die Polizisten hätten die Geschwindigkeit nicht mit einem Geschwindigkeitsmesser gemessen. Anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz habe der befragte Pol C.___ angegeben, zur Geschwindigkeit des Beschuldigten zu wenig sagen zu können. Er könne sich nicht daran erinnern. Als Nebenstehender sei es auch schwierig einzuschätzen, wie schnell ein Fahrzeug fahre. Auch auf Nachfrage habe er die Frage nicht beantworten können.

 

Die effektiv gefahrene Geschwindigkeit habe von den Polizisten nicht wiedergegeben werden können. Dass Gfr B.___ vor der Vorinstanz ausgesagt habe, der Beschuldigte sei etwas schneller als 50 km/h gefahren, ändere daran nichts. In der Strafanzeige selbst seien keinerlei Angaben zur Geschwindigkeit gemacht worden. Wie der Polizist eineinhalb Jahre nach dem Vorfall plötzlich genauere Angaben wolle machen können, sei nicht nachvollziehbar und mutmassend. Er habe denn auch selbst ausgeführt, sich nicht mehr an jedes Detail erinnern zu können, da es schon eine Weile her sei.

 

Der Zeugenbeweis stelle ein ungeeignetes Mittel für den Beweis einer bestimmten Geschwindigkeit dar. Die Schätzung der Geschwindigkeit von blossem Auge sei eine sehr unzuverlässige Methode. Angaben von Zeugen stellten eine grobe Schätzung dar, die ohne konkrete Anhaltspunkte einer Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden könne, da Fehleinschätzungen sehr naheliegend seien. Ohne technische Hilfsmittel Vergleichsmöglichkeiten könne die Geschwindigkeit eines herankommenden Fahrzeuges nicht annähernd zuverlässig geschätzt werden. Die Beobachtung sei zudem aus einer sehr ungünstigen Position heraus sowie bei Dunkelheit und Regen getätigt worden. Der Beweis, mit welcher konkreten Geschwindigkeit der Beschuldigte gefahren sein solle, sei mit den vorliegenden Akten nicht zu erbringen.

 

Da der gesamte Vorwurf allein auf einem angeblichen Nichtanpassen der Geschwindigkeit basiere, diese jedoch nicht beweisbar sei, sei der Sachverhalt in der Anklageschrift nicht erstellt. «In dubio pro reo» habe ein Freispruch zu erfolgen.

 

Auch die übrigen in der Anklageschrift aufgeführten Manöver (abruptes Abbremsen und Driften) seien nicht erstellt. Der Vorwurf, der Beschuldigte habe abrupt gebremst, finde in den Akten nicht ansatzweise eine Stütze. Die beiden Polizisten hätten im Rahmen der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz auch keinerlei Aussagen zu einem angeblichen abrupten Abbremsen gemacht, womit dies nicht bewiesen und der Sachverhalt nicht erstellt sei.

 

Ebenso wenig sei das angebliche «Driften» erstellt. Beide Polizisten seien auch anlässlich ihrer Befragung nicht mehr sicher gewesen, wie es konkret abgelaufen sein solle. Sie hätten den Vorfall nicht mehr zu 100 % wiedergeben können. Ein Driften sei nur schon unter Berücksichtigung der Örtlichkeit ausgeschlossen. Die Bahnhofstrasse sei relativ schmal und eingangs mit einer Signalisationstafel 30 km/h versehen. Ein Hineindriften ohne Beschädigung des Autos dürfte unmöglich sein. Das Fahrzeug des Beschuldigten sei nicht beschädigt gewesen, was gegen ein Driften spreche. Die Ausführungen seien bereits aus faktischen Gründen nicht nachvollziehbar. Auch sei ausgeschlossen, dass sich das Auto in der Bahnhofstrasse (enge Strasse, Signalisationstafel) um 180 Grad gedreht und der Beschuldigte das Fahrzeug anschliessend in einer fliessenden Bewegung zurückgedreht haben solle. Ein solches Zurückdrehen sei aufgrund der Platzverhältnisse unmöglich. Darüber hinaus seien die Aussagen von Gfr B.___ nicht mit der Anklageschrift vereinbar, habe er doch ausgesagt, dass sich das Fahrzeug nahezu um 180 Grad gedreht habe mit Blickrichtung Lohn-Ammannsegg. Wäre die Blickrichtung zutreffend, handle es sich lediglich um eine Drehung um 45 Grad.

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher äusserer Umstände, der sehr vagen Aussagen der Polizisten und dass der Beschuldigte seit Beginn des Verfahrens festgehalten habe, dass es ihn nicht gedreht habe, sei im Zweifel davon auszugehen, dass diese angebliche Drehung um 180 Grad nicht erstellt sei, und es habe «in dubio pro reo» ein Freispruch zu erfolgen. Daran änderten auch die vorinstanzlichen Ausführungen nichts, wonach der Beschuldigte angeblich die Bodenhaftung verloren haben solle, werde dies in der Anklageschrift weder umschrieben noch vorgeworfen.

 

Sämtliche vorgehaltenen Manöver seien damit nicht erstellt.

 

4.1 Bestreitet ein Beschuldigter die ihm vorgeworfenen Taten, so hat das Gericht den Sachverhalt aufgrund der Untersuchungsakten und der vor Gericht vorgebrachten Argumente nach den allgemein gültigen Beweisregeln zu erstellen. Gemäss der aus Art. 32 Abs. 1 BV fliessenden und in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld zu vermuten, dass der einer strafbaren Handlung Beschuldigte unschuldig ist (BGE 127 I 38 E. 2a). Aufgrund der Unschuldsvermutung besteht Beweisbedürftigkeit, das heisst der verfolgende Staat hat dem Beschuldigten alle objektiven und subjektiven Tatbestandselemente nachzuweisen. Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt tatsächlich so verwirklicht hat (BGE 138 V 74 E. 7; BGE 128 I 81 E. 2).

 

Liegen keine direkten Beweise vor, ist nach der Rechtsprechung auch ein indirekter Beweis zulässig. Eine Mehrzahl von Indizien können in ihrer Gesamtheit zu einer Gewissheit verdichten, so dass bei objektiver Betrachtung keine Zweifel bestehen bleiben, dass sich der Sachverhalt anklagegemäss verwirklicht hat. Stellt der Beschuldigte ihn entlastende Behauptungen auf, ohne dass er diese zu einem gewissen Grad glaubhaft machen kann, so findet der Grundsatz «in dubio pro reo» als Beweislastregel keine Anwendung. Es muss nicht jede Schutzbehauptung, die sich auf wenig Anhaltspunkte stützt, durch hieb- und stichfeste Beweise widerlegt werden (Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2017, Art. 10 N 2a; Tophinke, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 10 N 21).

 

Demzufolge ist im Rahmen der Sachverhaltserstellung zu prüfen, ob der Richter in objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses von einem bestimmten Sachverhalt überzeugt ist (Art. 10 Abs. 3 StPO; BGE 124 IV 88 E. 2a). Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass keine absolute Sicherheit in der Beweisführung erreicht werden kann. Es genügt, dass das Beweisergebnis über jeden vernünftigen Zweifel erhaben ist. Bloss abstrakte theoretisch mögliche Zweifel dürfen nicht massgebend sein, weil solche immer möglich sind. Es genügt daher, wenn vernünftige Zweifel an der Schuld ausgeschlossen werden können.

 

4.2 Die Vorinstanz hat die relevanten Beweismittel (Aussagen der Zeugen und – soweit vorhanden – Aussagen des Beschuldigten) korrekt zusammengefasst. Auch wenn sich die Vorinstanz nur sehr kurz mit der Beweislage auseinandersetzte, hat sie die Beweismittel doch in ihrer Gesamtheit gewürdigt. Die Vorinstanz gelangte nach Würdigung der Beweismittel zum Schluss, dass die Aussagen der beiden Zeugen überzeugend seien und ging daher grundsätzlich vom Sachverhalt, wie er in der Strafanzeige und im Strafbefehl beschrieben wurde, aus. Dem kann zugestimmt werden. Auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Ergänzungen.

 

4.3 Vorliegend ist unbestritten und gemäss Untersuchung erstellt, dass sich der Beschuldigte am fraglichen Abend zur Tatzeit am Tatort aufhielt und von der Bernstrasse in Biberist in Richtung Biberist Zentrum fahrend in die Bahnhofstrasse (auf Höhe der Raiffeisenbank) abbog. Ebenfalls unbestritten sind die Witterungsverhältnisse (Nacht, dunkel, Regen, ca. 12 Grad).

 

4.4 Gfr B.___ gab in der Strafanzeige vom 24. Oktober 2019 detailliert an, was die Patrouille (er und Pol C.___) in der Tatnacht beobachten konnte (AS 5 f.). Sowohl Gfr B.___ (AS 49 ff.) wie auch Pol C.___ (AS 54 ff.) sagten anlässlich der Befragung durch die Vorinstanz übereinstimmend aus, die Angaben im Rapport seinen korrekt. Sie gaben den Sachverhalt im Wesentlichen gleich wieder. Dass sie dabei nicht jedes Detail bestätigen konnten, ist in Anbetracht der seit dem Vorfall vergangenen Zeit nicht auffällig und nachvollziehbar.

 

Die Angaben von Gfr B.___, wonach das Fahrzeug sich um nahezu 180 Grad gedreht habe, sind denn auch ohne Weiteres mit der Anklageschrift vereinbar. So ist die Drehung um 180 Grad zur Ausgangsposition (auf der Bernstrasse in Fahrtrichtung Biberist) zur Endposition (Bahnhofstrasse, Blickrichtung Lohn-Ammannsegg) korrekt. So zeichnete der Zeuge die Bewegung auch vor der Vorinstanz auf der Karte ein (AS 60) und diese Darstellung wurde vom zweiten Zeugen bestätigt (auch wenn dieser nur eine Drehung um 90 Grad einzeichnete [AS 61]).

 

Dass ein Hineindriften in die Bahnhofstrasse aufgrund der Platzverhältnisse bereits unmöglich sei, ohne das Auto zu beschädigen, ist dagegen nicht nachvollziehbar. Die Signalisationstafel 30 km/h folgt erst nach einigen Metern (Fotoblatt AS 10). Beide Polizisten zeichneten den Standpunkt des Fahrzeugs nach dem Manöver unmittelbar in der Einfahrt der Bahnhofstrasse ein und damit ausreichend weit von der Signalisationstafel entfernt. Beim PW VW Golf des Beschuldigten handelt es sich im Weiteren um ein eher kleines und nicht überlanges Fahrzeug, mit dem eine anschliessende Weiterfahrt ohne aufwändiges Wendemanöver problemlos möglich war.

 

Dass das Fahrzeug des Beschuldigten beim Abbiegemanöver die Bodenhaftung verlor, ist ebenfalls erstellt. Beide Zeugen gaben übereinstimmend an, was bereits in der Strafanzeige festgehalten wurde, nämlich dass der PW von der Bernstrasse in die Bahnhofstrasse gedriftet, d.h. gerutscht, sei. Der Beschuldigte erklärte in seiner Einsprache gegen den Strafbefehl vom 1. Juni 2020 selbst, dass sein Fahrzeug gerutscht sei (AS 23). Er bestreitet zwar, dass er gedriftet und eine Drehung um 180 Grad erfolgt sei. Wenn ein Fahrzeug ins Rutschen gerät, hat es jedoch zweifelsohne die Bodenhaftung verloren. Die Äusserung des Beschuldigten in der Einsprache sind als Schutzbehauptung zu werten. Im weiteren Verfahren verweigerte er jegliche Aussage. Die Unterschriften seiner beiden angeblichen Beifahrer sind als Gefälligkeit zu werten. Die Angaben der beiden Zeugen sind dagegen glaubhaft und widerspruchsfrei.

 

4.5 Zusammengefasst ist damit der Anklagesachverhalt erstellt.

 

 

 

 

III. Rechtliche Würdigung

 

1. Die rechtliche Würdigung des Anklagesachverhaltes durch die Vorinstanz, auf deren Details erneut verwiesen werden kann, erfolgte mit überzeugender und zutreffender Begründung.

 

2.1 Die Vorinstanz führte zu Recht aus, dass der Faktor, der zum Ausbrechen des Fahrzeuges des Beschuldigten führen konnte, die überhöhte Geschwindigkeit gewesen sein muss. Dabei ging sie ausführlich auf die von der Verteidigung vorgebrachten Punkte und zitierte Rechtsprechung ein und stellte fest, dass das Fahrzeug des Beschuldigten beim Abbiegemanöver die Bodenhaftung verloren habe. Andere Faktoren als ein übliches Mass an Regen hätten nicht vorgelegen und seien auch nicht behauptet worden. Der einzige Faktor, welcher zu so einem Ausbrechen des Autos führen könne, sei eine überhöhte Geschwindigkeit. Von einer solchen sei daher auszugehen.

 

Der Beschuldigte habe aufgrund seiner für das Abbiegen zu hohen Geschwindigkeit das Fahrzeug nicht mehr so beherrschen können, dass er in der Lage gewesen wäre, auf andere Verkehrsteilnehmer, wie zum Beispiel ein anderes Auto, welches aus der Nebenstrasse rausfahren wollte, angemessen und vorsichtig zu reagieren. Anstatt wie geplant abzubiegen, habe er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, welches in der Folge über die Strasse gerutscht und erst nach einer 180 Grad Drehung stehen geblieben sei. Der Beschuldigte habe sein Fahrzeug bis zum Abbiegemanöver beherrscht. Dieses sei der Auslöser für den Kontrollverlust über das Auto gewesen. Damit habe der Beschuldigte eindeutig sein Fahrzeug im Sinne von Art. 31 Abs. 1 SVG nicht beherrscht.

 

Der Beschuldigte sei mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Abzweigung zugefahren. Durch das dadurch erforderliche abrupte Bremsen in Verbindung mit dem regennassen Boden habe der Beschuldigte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Das Fahrzeugheck sei ausgebrochen, das Fahrzeug unkontrolliert über die Strasse geschlittert und schlussendlich um 180 Grad gedreht auf der Gegenfahrbahn zum Stehen gekommen. Damit habe der Beschuldigte eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen. Es hätte zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug Fussgänger kommen können. Eine abstrakte Gefährdung, die für den Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung ausreiche, liege eindeutig vor.

 

In subjektiver Hinsicht habe der Beschuldigte damit rechnen müssen, durch das Zufahren auf eine Abzweigung mit hoher Geschwindigkeit bzw. durch das damit verbundene abrupte, starke Bremsen bei gleichzeitig erkennbar nasser Strasse die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren und damit andere Menschen zu gefährden. Somit liege beim Beschuldigten mindestens Eventualvorsatz vor. Damit sei festzuhalten, dass der Beschuldigte eine grobe Verkehrsregelverletzung durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeuges begangen habe.

 

2.2 Die Verteidigung bringt in der Berufungsbegründung vor, dass die effektive Geschwindigkeit weder genannt werde, noch beweismässig erstellt sei. Wenn die gefahrene Geschwindigkeit jedoch nicht bekannt und erwiesen sei, könne nicht beurteilt werden, ob diese angemessen gewesen sei nicht. Ohne Kenntnis der konkreten Geschwindigkeit sei es nicht möglich, in rechtlicher Hinsicht festzustellen, ob der Beschuldigte innerhalb der überblickbaren Strecke hätte anhalten können nicht. Dies decke sich denn auch mit der ständigen Rechtsprechung, wonach der Schluss auf eine nicht angemessene Geschwindigkeit nur aufgrund einer Sachverhaltsfeststellung zur tatsächlichen Geschwindigkeit möglich sei. Sei eine solche nicht getroffen, könne auch kein Schluss bezüglich einer überhöhten Geschwindigkeit gezogen werden (Urteil des Bundesgerichts 1P.29/2003 E. 3.5). Daran änderten auch die unzutreffenden Erwägungen der Vorinstanz nichts, wonach ein überraschender Faktor vorzuliegen habe. Ohne Kenntnis der effektiven Geschwindigkeit könne keinerlei rechtliche Subsumtion vorgenommen werden, da unter derartigen Umständen keinerlei Aussagen zur angemessenen Geschwindigkeit möglich seien.

 

Gemäss dem Bundesgericht dürfe auch allein aus der Tatsache, dass ein Fahrzeuglenker nicht rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten könne, nicht gefolgert werden, seine Geschwindigkeit sei übersetzt gewesen. Im Rahmen von Art. 32 Abs. 1 SVG sei vielmehr entscheidend, ob der Fahrzeuglenker die Geschwindigkeit so bemessen habe, dass er innerhalb der frei erkennbaren Strecke anhalten könne (BGE 103 IV 45, 99 IV 230). Auch für diese Beurteilung bedürfe es ebengerade der Kenntnis der effektiven Geschwindigkeit. Da diese vorliegend nicht bekannt sei, könne auch in rechtlicher Hinsicht keine Verurteilung erfolgen.

 

3.1 Nach Artikel 90 Absatz 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und dadurch die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Die Gefahr für die Sicherheit anderer Personen ist nicht erst bei einer konkreten Gefährdung, sondern bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung «ernstlich» im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG. Demgegenüber vermag eine rein abstrakte Gefahrschaffung nur Art. 90 Abs. 1 SVG zu erfüllen (u.a. BGE 131 IV 133 E. 3.2, 130 IV 32 E. 5.1). Wichtige bzw. grundlegende Verkehrsvorschriften sind u.a. jene über das Beherrschen des Fahrzeuges (u.a. 6B_666/2009 vom 24.9.2009) und die Geschwindigkeit (statt vieler BGE 123 II 37 E. 1e).

 

3.2 Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG hat der Fahrzeugführer sein Fahrzeug ständig so zu beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Dabei ist nach Art. 32 Abs. 1 SVG die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.

 

4.1 Das Vorbringen der Verteidigung, die tatsächliche Geschwindigkeit des Beschuldigten sei gar nicht feststellbar, ist von der Hand zu weisen. Es ist zwar zutreffend, dass die tatsächliche Geschwindigkeit nicht bekannt ist, da diese nicht mit entsprechenden Mitteln gemessen wurde. Der Verteidigung ist insoweit zuzustimmen, dass eine Schätzung der Geschwindigkeit von blossem Auge schwierig und nicht exakt ist. Die exakte Geschwindigkeit spielt entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung jedoch vorliegend keine Rolle. Gemäss Art. 32 Abs. 1 SVG ist die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen. Naturgemäss muss die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges vor dem Abbiegen gedrosselt werden. Dies gilt umso mehr bei Regen, einer nassen Strasse und einer Verzweigung, die nur eingeschränkt einsehbar ist. Genau dies unterliess der Beschuldigte jedoch, fuhr zu schnell auf die Abzweigung zu und bremste abrupt, wodurch das Auto ins Rutschen geriet (Driften) und sich drehte. Es liegt somit ein Verstoss gegen Art. 32 Abs. 1 SVG vor.

 

4.2 Der Vorinstanz ist auch in Bezug auf die Ausführungen betreffend die von der Verteidigung in der Beschwerdebegründung erneut vorgebrachte Rechtsprechung zu folgen. Der Beschuldigte hatte es gerade nicht mit einem plötzlich auftretenden Hindernis zu tun, sondern bog in eine andere Strasse ein. Die Vorinstanz handelte damit nicht willkürlich, indem sie von einer für das Abbiegemanöver überhöhten Geschwindigkeit ausging.

 

4.3 Der Argumentation der Verteidigung betreffend die Konkurrenz von Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 32 Abs. 1 SVG kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar zutreffend, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung Art. 32 Abs. 1 SVG als lex specialis Art. 31 Abs. 1 SVG vorgeht, wenn lediglich die eigene Fahrgeschwindigkeit als Erfordernis der Fahrzeugbeherrschung in Frage stehen. Der Beschuldigte verlor die Beherrschung über sein Fahrzeug aber – wie im Strafbefehl korrekt wiedergegeben – durch das Nichtanpassen seiner Geschwindigkeit an die Verhältnisse (Verzweigung, nasse Strasse) sowie durch das abrupte Abbremsen für das Abbiegen. Der Kontrollverlust resultierte aus der übersetzten Geschwindigkeit einerseits und dem abrupten Abbremsen, um die Kurve zu erwischen, andererseits. Damit hat die Vorinstanz den Sachverhalt nicht fälschlicherweise sowohl unter Art. 31 Abs. 1 SVG wie auch Art. 32 Abs. 1 SVG subsumiert, sich jedoch diesbezüglich unklar und nicht ausreichend detailliert ausgedrückt. Die Vorinstanz stellte somit ebenfalls zu Recht fest, dass der Beschuldigte durch das zu schnelle Abbiegemanöver die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Das Fahrzeug rutschte über die Strasse und kam erst nach einer Drehung von fast 180 Grad über beide Fahrstreifen stehend zum Stillstand. Damit hat er auch den Tatbestand von Art. 31 Abs. 1 SVG erfüllt. Im Übrigen würde sich am Urteil nichts ändern, wenn nur Art. 32 Abs. 1 SVG zur Anwendung käme.

 

4.4 Der Vorinstanz ist auch in ihrer Argumentation zu folgen, dass der Beschuldigte durch sein Manöver eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat. Auf die entsprechenden Ausführungen kann verwiesen werden. Durch sein zu schnelles Zufahren auf die Abzweigung, das abrupte Bremsen und in der Folge das Rutschen bzw. Driften um die Kurve mit einer Drehung um knapp 180 Grad, bis das Fahrzeug des Beschuldigten auf der Bahnhofstrasse auf beiden Fahrstreifen stehend zum Stillstand kam, ist der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG eindeutig erfüllt. Obwohl es spät an einem Sonntagabend war und demgemäss wenig Verkehr herrschte, hätte es zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug in der Bahnhof­strasse auch einem Fussgänger kommen können. Die Strasse war aus der Fahrtrichtung des Beschuldigten schlecht einsehbar, insbesondere bei Dunkelheit und Regen. Auch wenn der Beschuldigte keine konkrete Gefährdung für andere hervorrief, so ist eine erhöhte abstrakte Gefährdung, wie von der Vorinstanz ausgeführt, klar zu bejahen. Eine solche reicht für den Tatbestand indessen aus.

 

4.5 Auch den Ausführungen der Vorinstanz zum subjektiven Tatbestand ist nichts hinzuzufügen und auf die entsprechende Argumentation kann verwiesen werden. Die Vorinstanz ging zu Recht davon aus, dass der Beschuldigte mindestens mit Eventualvorsatz handelte.

 

4.6 Zusammenfassend hat die Vorinstanz eine korrekte rechtliche Würdigung vorgenommen. Der Beschuldigte ist damit der groben Verkehrsregelverletzung durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeugs im Sinne von Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG schuldig zu sprechen.

 

 

IV. Strafzumessung

 

1. Grundsätze

 

Die Strafzumessung erfolgt nach dem Verschulden des Täters, unter Berücksichtigung des Vorlebens, der persönlichen Verhältnisse sowie der Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).

 

2. Strafrahmen und Vorgaben aufgrund des Verschlechterungsverbotes

 

Die grobe Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 2 SVG stellt ein Vergehen dar. Sie ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren einer Geldstrafe bedroht.

 

Die Vorinstanz hat die grobe Verkehrsregelverletzung mit einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 70.00 (mit einer Probezeit von 2 Jahren) und einer Verbindungsbusse von CHF 850.00 geahndet. Da im vorliegenden Fall ausschliesslich der Beschuldigte die Berufung eingelegt hat, gilt das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO): Das Berufungsgericht darf somit nicht eine Sanktion aussprechen, welche den Beschuldigten schwerer trifft als die vorgenannte Geldstrafe und Busse. Folglich fällt eine Freiheitsstrafe von vornherein ausser Betracht. Gleiches gilt für eine unbedingte höhere Geldstrafe.

 

3. Konkretes Strafmass

 

Die Anzahl der Tagessätze ist nach dem Verschulden des Täters zu bestimmen (Art. 34 Abs. 1 StGB). Es sind dabei folgende Strafzumessungsfaktoren zu würdigen:

 

-     Tatkomponenten:

 

Betreffend die objektive Tatschwere ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass der Beschuldigte durch sein Verhalten wichtige Verkehrsregeln verletzte, jedoch sein Verschulden innerhalb aller gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG denkbaren Tatvarianten gerade noch als leicht zu qualifizieren ist. Das Überschreiten der angemessenen Geschwindigkeit war erheblich, wenn es zu einem derartigen Driftmanöver führte. Obwohl das Verhalten des Beschuldigten zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug einer Person mit schweren Folgen hätte führen können, verursachte der Beschuldigte weder einen Sach- noch einen Personenschaden. Die Sichtverhältnisse waren aufgrund der Dunkelheit und des Regens eingeschränkt. Als weiterer erschwerender Faktor ist die unübersichtliche Kreuzung, in die der Beschuldigte hineindriftete, zu nennen. Entlastend wirkt sich mit Blick auf die Tatschwere und insbesondere das Gefährdungspotential demgegenüber der Umstand aus, dass an einem Sonntag kurz nach zehn Uhr abends sicherlich nicht mit einem grossen Verkehrsaufkommen zu rechnen war. Eine konkrete Gefährdung darf unter diesen Umständen nicht angenommen werden.

 

Was die subjektive Tatschwere betrifft, so handelte der Beschuldigte eventualvorsätzlich. Die Gründe für seine Fahrt sind nicht bekannt. Spezielle Vorkommnisse aussergewöhnliche Belastungen sind im Zusammenhang mit der Fahrt nicht auszumachen und wurden nicht geltend gemacht. Es wäre demnach dem Beschuldigten ein Leichtes gewesen, sich regelkonform zu verhalten. Vergegenwärtigt man sich das gesamte Spektrum von Fallkonstellationen, die unter die grobe Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 2 SVG fallen und die vorliegend die relevante Vergleichsgrösse bilden, so liegt noch ein leichtes Tatverschulden vor. Die Vorinstanz ging bei der Höhe der Einsatzstrafe von einem Strafrahmen von 180 Tagessätzen aus. Art. 90 Abs. 2 SVG legt jedoch einen Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe fest. Ausgehend von diesem Strafrahmen erscheint aufgrund der Qualifizierung des Verschuldens als leicht eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen als angemessen.

 

-     Täterkomponenten:

 

Die Vorinstanz unterliess es, konkrete Ausführungen zum Vorleben des Beschuldigten zu machen. Aufgrund der Aussageverweigerung des Beschuldigten anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz ist lediglich bekannt, dass er Gebäudetechniker und ledig ist (Strafanzeige AS 5). Aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Auszug aus dem Strafregister gehen keine Vorstrafen hervor. Allerdings ist dem IVZ-Register ein Führerausweisentzug vom 18. Dezember 2015 zu entnehmen (AS 12). Gesamthaft sind die Täterkomponenten gerade noch neutral zu werten. Es bleibt damit bei einem Strafmass von 75 Tagessätzen (zur Aufteilung dieses Strafmasses in eine Geldstrafe und akzessorische Busse vgl. nachfolgende Ziff. IV.6).

 

4. Höhe des Tagessatzes

 

Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB).

 

Über die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten ist wenig bekannt. Er unterliess es, seine aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation im Berufungsverfahren zu dokumentieren. Vor der Vorinstanz verweigerte er die Aussage. Die Vorinstanz ging von der Steuerveranlagung des Beschuldigten von 2018 aus (Jahreseinkommen von CHF 38'489.00 [AS14 ff.]) und errechnete einen Tagessatz von CHF 70.00.Die vom Berufungsgericht eingeholte letzte Steuerveranlagung aus dem Jahre 2021 inklusive der Steuererklärung des Beschuldigten (inkl. Lohnausweis 2021) weist ein Nettojahreseinkommen von CHF 47'117.00 (monatlich CHF 3'926.00) aus. Ausgehend von diesem Betrag würde sich der Tagessatz nach dem Pauschalabzug für Steuern und Krankenkassen von 30 % (= CHF 1'177.80) auf CHF 90.00 (= CHF 2'748.20 : 30) belaufen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst die Erhöhung des Tagessatzes nicht gegen das in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerte Verschlechterungsverbot, wenn diese aufgrund von Tatsachen erfolgt, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten, auch wenn das Rechtsmittel nur zu Gunsten der beschuldigten Person ergriffen worden ist. Ob solche Tatsachen vor nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten sind, ist unerheblich (BGE 144 IV 198 E. 5.3 f.). Die von Amtes wegen eingeholte Steuerveranlagung des Jahres 2021, aus welcher die heute bessere finanzielle Situation des Beschuldigten hervorgeht, konnte der Vorinstanz nicht bekannt sein. Daher kann eine strengere Bestrafung ausgefällt werden, auch wenn die Berufung nur durch den Beschuldigten ergriffen wurde. Die Tagessatzhöhe ist daher auf CHF 90.00 festzusetzen.

 

5. Bedingter Vollzug

 

Bereits aus dem Verschlechterungsverbot ergibt sich, dass der Vollzug der Geldstrafe nach Art. 42 Abs. 1 StGB aufzuschieben ist. Im Übrigen kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Mangels Vorstrafen sind keine Gründe für eine unbedingte Strafe ersichtlich. Ebenfalls erscheint die von der Vorinstanz festgesetzte Probezeit des gesetzlichen Minimums von zwei Jahren angemessen.

 

Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 44 Abs. 3 StGB darauf hingewiesen, dass die Geldstrafe vollstreckt werden kann (Widerruf des gewährten bedingten Vollzuges), wenn er sich nicht bewährt, d.h. wenn er während der zweijährigen Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht und deshalb zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten verüben wird (Art. 46 Abs. 1 StGB).

 

6. Verbindungsbusse

 

Zu bestätigen ist grundsätzlich auch die Aussprechung einer Verbindungbusse. Die Strafenkombination nach Art. 42 Abs. 4 StGB dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (BGE 134 IV 60 E. 7.3.1 S. 74 f. mit Hinweisen). Würde das Vergehen vorliegend ausschliesslich mit einer bedingten Geldstrafe geahndet, käme der Beschuldigte im Ergebnis besser weg als derjenige Lenker, der nur wegen einer einfachen Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 SVG verurteilt wird, denn in sein Vermögen würde weniger eingegriffen als mit der stets unbedingten Busse. Um diese stossende Sanktionsfolge zu vermeiden, ist vorliegend die bedingte Geldstrafe mit einer akzessorischen Busse zu verbinden (Art. 42 Abs. 4 StGB).

 

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Strafenkombination hat das Bundesgericht in BGE 135 IV 188 den akzessorischen Charakter der Verbindungsstrafe betont: Die Obergrenze sei bei der Verbindungsstrafe grundsätzlich bei einem Fünftel der insgesamt schuldangemessenen Strafe festzulegen. Abweichungen von dieser Regel seien aber im Bereich tiefer Strafen denkbar, um sicherzustellen, dass der Verbindungsstrafe nicht eine lediglich symbolische Bedeutung zukommt. Für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe nach Art. 106 Abs. 2 StGB erweise es sich in der Regel als sachgerecht, die bei der Geldstrafe bereits ermittelte Tagessatzhöhe als Umrechnungsschlüssel zu verwenden, indem der Betrag der Verbindungsbusse durch jene dividiert werde (BGE 134 IV 60 E. 7.3.3).

 

In Anbetracht der angemessenen Geldstrafe von insgesamt 75 Tagessätzen rechtfertigt es sich, die Verbindungsbusse auf CHF 1’170.00 festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe macht 13 Tage aus (Umwandlungssatz von CHF 90.00, entsprechend der errechneten Tagessatzhöhe). Es würde eine Geldstrafe von 62 Tagessätzen verbleiben, welche allerdings mit Blick auf das Verschlechterungsverbot auf 50 Tagessätze zu reduzieren ist. Die Erhöhung der Verbindungsbusse entsprechend dem erhöhten Tagessatz stellt keine Verletzung des Verschlechterungsverbotes dar. Die Busse soll – wie auch die Geldstrafe – das Verschulden des Beschuldigten sanktionieren. Wenn dieser nun wirtschaftlich besser gestellt ist als zur Zeit des erstinstanzlichen Urteils, muss die Busse gestützt auf Art. 391 Abs. 2 StPO ebenfalls entsprechend erhöht werden. Die Verbindungsbusse ergibt sich zudem aus der Geldstrafe und ist letztlich ein Teil dieser. Sie ist auch daher analog zur Geldstrafe den verbesserten Verhältnissen angepasst zu erhöhen. Ansonsten kann dem Prinzip, wonach der wirtschaftlich Starke von einer Geldstrafe nicht minder hart getroffen werden darf als der wirtschaftlich Schwache, nicht Rechnung getragen werden (vgl. BGE 144 IV 198 E. 5.4.3).

 

 

V. Kosten

 

1. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, welche mit einer Urteilsgebühr von CHF 800.00 total CHF 1’010.00 ausmachen, sind in Anwendung von Art. 426 Abs. 1 i.V.m. Art. 428 Abs. 3 StPO dem verurteilten Beschuldigten aufzuerlegen.

 

2. Da der Beschuldigte mit der Berufung unterliegt, hat er auch die Kosten des Berufungsverfahrens, welche mit einer Urteilsgebühr von CHF 1'000.00 insgesamt CHF 1'040.00 betragen, zu bezahlen.

 

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens steht dem Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, weder für das erst- noch das zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung zu. Der entsprechende Antrag ist abzuweisen.

Demnach wird in Anwendung von Art. 31 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 2 SVG; Art. 34, Art. 42 Abs. 1 und 4, Art. 44 Abs. 1, Art. 47, Art. 106 StGB; Art. 82 Abs. 4, Art. 391 Abs. 2, Art. 406 Abs. 2 lit. a, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3 StPO erkannt:

1.    Der Beschuldigte A.___ hat sich der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeuges, begangen am 6. Oktober 2019, schuldig gemacht.

 

2.    Der Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu:

 

a)    einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 90.00, unter Gewährung des bedingten Vollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren,

 

b)    einer Busse von CHF 1’170.00, ersatzweise zu 13 Tagen Freiheitsstrafe.

 

3.    Der Antrag des Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, auf Zusprechung einer Parteientschädigung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren wird abgewiesen.

 

4.    Der Beschuldigte hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von total CHF 1'010.00 zu bezahlen. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Gerichtsgebühr von CHF 1'000.00, zuzüglich Auslagen von CHF 40.00, werden dem Beschuldigten vollumfänglich auferlegt. Der Beschuldigte hat somit insgesamt Prozesskosten in der Höhe von CHF 2'050.00 zu bezahlen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Von Felten                                                                        Schmid



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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