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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2021.19)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2021.19
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2021.19 vom 07.09.2021 (SO)
Datum:07.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Der Fall dreht sich um einen Raub, begangen an einem Ehepaar, bei dem mehrere Wertgegenstände gestohlen wurden. Der Beschuldigte wird beschuldigt, in das Haus des Ehepaars eingebrochen zu sein und sich gewaltsam Zugang verschafft zu haben. Es werden mehrere Delikte wie Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Verstoss gegen das Ausländergesetz angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 41 Monaten sowie weitere Massnahmen wie die Widerrufung einer bedingten Entlassung und die Verweisung des Beschuldigten aus dem Land. Die Verteidigung hingegen fordert Freisprüche in einigen Punkten und eine Reduzierung der Strafe. Nach einer ausführlichen Verhandlung und Beweisführung wird das Urteil verkündet, wobei die Schuldsprüche und Strafmass festgelegt werden. Die Parteien haben die Möglichkeit, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.
Schlagwörter: Beschuldigte; Beschuldigten; Urteil; Gericht; Diebstahl; Staat; Urteils; Apos; Hausfrieden; Hausfriedensbruch; Täter; Beruf; Berufung; Freiheit; Recht; Diebstahls; Hausfriedensbruchs; Freiheitsstrafe; Verfahren; Gericht; Verfahren; Sicherheit; Schirm; Strasse; Staatsanwaltschaft; Sicherheitshaft; Person; Vorinstanz
Rechtsnorm: Art. 110 StGB ; Art. 118 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 139 StGB ; Art. 140 StGB ; Art. 144 StGB ; Art. 186 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 286 StGB ; Art. 3 StPO ; Art. 31 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 369 StGB ; Art. 381 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 42 StGB ; Art. 423 StPO ; Art. 43 StGB ; Art. 431 StPO ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 5 StPO ; Art. 50 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 6 EMRK ; Art. 66a StGB ; Art. 89 StGB ;
Referenz BGE:101 IV 116; 105 IV 225; 117 IV 7; 121 IV 202; 121 IV 49; 127 II 176; 134 IV 1; 134 IV 97; 135 IV 146; 136 IV 1; 136 IV 55; 137 IV 57; 138 IV 120; 139 IV 243; 142 IV 265; 144 IV 313; 147 IV 55; 92 IV 154;
Kommentar:
Keller, Hans, Basler Kommentar Strafrecht I, Art. 47 StGB, 2019
Entscheid
 
Geschäftsnummer: STBER.2021.19
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 07.09.2021 
FindInfo-Nummer: O_ST.2021.66
Titel: Raub (Nötigungshandlung), evtl. Diebstahl in echter Konkurrenz zu einfacher Körperverletzung, mehrfacher versuchter Diebstahl, mehrfacher Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerhandlung gegen das Ausländergesetz durch rechtswidrige Einreise und Aufenthalt in der Schweiz trotz gültigem Einreisever

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 7. September 2021

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Kiefer

Ersatzrichter Hagmann  

Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anschlussberufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, 

Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Raub (Nötigungshandlung), evtl. Diebstahl in echter Konkurrenz zu einfacher Körperverletzung, mehrfacher versuchter Diebstahl, mehrfacher Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerhandlung gegen das Ausländergesetz durch rechtswidrige Einreise und Aufenthalt in der Schweiz trotz gültigem Einreiseverbot, Hinderung einer Amtshandlung


Es erscheinen zur Hauptverhandlung vor Obergericht vom 7. September 2021, 8:30 Uhr:

1.    Staatsanwältin B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin;

2.    A.___, Beschuldigter und Berufungskläger, zugeführt von der Kantonspolizei Solothurn;

3.    Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, amtliche Verteidigerin des Beschuldigten.

 

Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung, stellt die anwesenden Personen fest und gibt die Besetzung des Berufungsgerichts bekannt. In der Folge fasst der Vorsitzende das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht Dorneck-Thierstein vom 10. Dezember 2020 zusammen, gegen welches der Beschuldigte die Berufung anmelden liess. Er erörtert, gegen welche Urteilspunkte sich die Berufung richtet und nennt die vom Beschuldigten mit der Berufungserklärung gestellten Abänderungsanträge (vgl. hierzu ausführlich nachfolgende Ziff. I.10.). Ebenso erwähnt er die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anschlussberufung und deren Anträge. Den weiteren Verhandlungsablauf skizziert der Vorsitzende wie folgt:

 

-     Vorfragen und Vorbemerkungen;

-     Befragung des Beschuldigten zur Sache und Person;

-     Frage nach Beweisanträgen und Abschluss des Beweisverfahrens;

-     Parteivorträge mit allfälliger Replik und Duplik;

-     letztes Wort des Beschuldigten;

-     geheime Urteilsberatung;

-     mündliche Urteilseröffnung, gleichentags um 16:00 Uhr.

 

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass das Berufungsgericht – für den Fall einer Verurteilung des Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe, welche die bereits ausgestandene Haft überdaure – auch über die Anordnung der Sicherheitshaft zu befinden habe. Schliesslich orientiert der Vorsitzende über die derzeit geltenden Corona-Schutzmassnahmen und bittet Rechtsanwältin Weisskopf, ihre Honorarnote für das Berufungsverfahren Staatsanwältin B.___ zur Einsicht vorzulegen.

 

Staatsanwältin B.___ wirft keine Vorfragen auf und hat keine Vorbemerkungen.

 

Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf erklärt, der Vorsitzende solle den Beschuldigten vorab über die Risiken des Rechtsmittelverfahrens aufklären. Sie sei heute hier, weil sie aufgrund der notwendigen Verteidigung hier sein müsse. Sie sei vom Beschuldigten nicht instruiert worden und eine gemeinsame Besprechung habe nicht durchgeführt werden können. Sie habe keinen Wechsel der amtlichen Verteidigung beantragt, weil sie davon ausgehe, dass eine Verschiebung der Berufungsverhandlung nicht im Interesse ihres Mandanten liege. Wenn der Beschuldigte einen solchen Wechsel aber wünsche, müsse man ihm diesen auch ermöglichen. Der Beschuldigte solle sich zu dieser Frage heute äussern können.

 

Der Vorsitzende erklärt dem Beschuldigten, dass es sich vorliegend um einen Fall einer notwendigen Verteidigung handle, das Gesetz gehe demnach davon aus, dass er zwingend eine Verteidigerin brauche. Er selber könne sich im Rahmen seiner Befragung sowohl zur Sache als auch zu seiner Person äussern. Zudem habe er die Möglichkeit, sich mit dem sog. letzten Wort, worunter eine abschliessende Stellungnahme des Beschuldigten verstanden werde, an das Gericht zu wenden. Es sei aber nicht vorgesehen, dass die beschuldigte Person selber einen eigenen Parteivortrag halte und auf diese Weise die Rolle der Verteidigung übernehme.

 

Des Weiteren weist er den Beschuldigten darauf hin, dass das Berufungsverfahren auch gewisse Risiken berge, weil die Staatsanwaltschaft die Anschlussberufung zu Lasten des Beschuldigten ergriffen habe. Aufgrund dieser Ausgangslage könne nämlich die Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil auch zu Lasten des Beschuldigten abändern. Werde eine Berufung zurückgezogen, falle zwangsläufig auch die Anschlussberufung dahin, so dass eine Verschärfung des Urteils nicht mehr möglich sei.

 

Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er dies verstanden habe, führt der Beschuldigte aus, er habe ein Anrecht auf ein faires Verfahren. Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft selbständig die Berufung erhoben hätte, wenn die Vorinstanz mit ihrer Tatqualifikation (Diebstahl statt Raub) falsch gelegen wäre. Es stelle sich die Frage, welchen Zweck die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel verfolge. Wenn der Vortrag der Staatsanwaltschaft als Drohung rüberkomme und es darum gehe, Druck auf die beschuldigte Person auszuüben, habe dies mit einem fairen Verfahren nichts mehr zu tun.

 

In Bezug auf seine Verteidigungsrechte verweise er auf Art. 6 EMRK. Er habe das Recht, sich selber zu verteidigen und an seiner Verteidigung teilzuhaben. Er kenne die Rechtsprechung zur Frage, wann eine amtliche Verteidigung erforderlich sei. Zudem verweise er auf Art. 3 StPO, wonach die Strafbehörden alle Verfahrensbeteiligten gleich zu behandeln hätten.

 

Der Vorsitzende weist den Beschuldigten darauf hin, dass er sich im Rahmen seines letzten Wortes ausführlich äussern könne. Mit dieser Möglichkeit sei dem Recht des Beschuldigten, an der Verteidigung teilzuhaben bzw. sich selbst zu verteidigen, Genüge getan. Er habe die von ihm persönlich verfassten Eingaben an das Gericht so verstanden, dass er sich prinzipiell nicht von einer Drittperson verteidigen lassen wolle. Es könnte aber auch sein, dass er ein spezifisches Problem mit seiner derzeitigen amtlichen Verteidigerin im Sinne eines Vertrauensbruches habe. Auf die Frage, ob Letzteres zutreffe, führt der Beschuldigte aus, er habe sich hierzu bereits ausreichend schriftlich geäussert, es sei nun weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, darauf zurück zu kommen.

 

Es folgt nach vorgängiger Belehrung durch den Vorsitzenden die Befragung des Beschuldigten zur Sache und Person (vgl. hierzu das Audio-Dokument sowie das separate Einvernahmeprotokoll vom 7.9.2021: Akten Berufungsverfahren, Seite [nachfolgend OGer AS] 71 und 72 ff.).

 

Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Sache (Vorhalt gemäss AKS 4.6, Hausfriedensbruch zum Nachteil von C.___) stellt der Beschuldigte folgenden Beweisantrag (vgl. OGer AS 77):

 

Es sei Herr C.___ als Zeuge vor Obergericht vorzuladen und zum Schreiben vom 15. September 2020 zu befragen.

 

Staatsanwältin B.___ bringt in ihrer Stellungnahme zu diesem Beweisantrag vor, nach ihrer Erinnerung habe die Vorinstanz nach Eingang der schriftlichen Eingabe von Herrn C.___ vom 15. September 2020 mit separater Verfügung festgestellt, dass sich dieser nun nicht mehr als Privatkläger konstituiere. Wenn nun vor Berufungsgericht geltend gemacht werde, mit diesem Schreiben sei der Rückzug des Strafantrages erfolgt, erachte sie diesen Einwand als verspätet. Der Beweisantrag, wonach Herr C.___ zu diesem Schreiben zu befragen sei, sei deshalb abzuweisen.

 

Die amtliche Verteidigerin hält dem entgegen, selbst wenn es diese erstinstanzliche Feststellungsverfügung gegeben habe, sei der Beweisantrag nicht zu spät gestellt worden. Wenn das Berufungsgericht daran zweifeln sollte, dass es sich bei dem von Herrn C.___ verfassten Schreiben vom 15. September 2020 um einen Rückzug des Strafantrages handle, sei der Beweisantrag ihres Mandanten gerechtfertigt. Das Gericht habe Herrn C.___ zu diesem Schreiben als Zeuge einzuvernehmen. Weitere Beweisanträge stelle die Verteidigung nicht.

 

In der Folge wird die Hauptverhandlung von 9:50 Uhr bis 10:15 Uhr für die geheime Beratung des Beweisantrages und eine Pause unterbrochen.

 

Anschliessend eröffnet der Vorsitzende den Parteien mündlich folgenden Beschluss:

 

« Der Beweisantrag des Beschuldigten, es sei Herr C.___ als Zeuge zu befragen, wird abgewiesen.»

 

Zur Begründung führt der Vorsitzende aus, das Berufungsgericht werde im Rahmen der Urteilsberatung den Inhalt der schriftlichen Erklärung von Herrn C.___ zu würdigen haben. Sofern bei der vertieften Würdigung dieser schriftlichen Eingaben Unklarheiten auftauchen sollten, habe das Berufungsgericht die Möglichkeit, die Parteiverhandlung wieder aufzunehmen und ergänzende Beweise abzunehmen. Da derzeit aber keine solche Unklarheiten vorlägen, werde von einer Zeugenbefragung von Herrn C.___ abgesehen.

Staatsanwältin B.___ stellt und begründet für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin folgende Anträge (OGer AS 83 f.):

« 1.  Es sei festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts von Dorneck-Thierstein vom 10. Dezember 2020 betreffend die Urteilsziffern 1, 2, 3.4, 3.5, 8 sowie 9 in Rechtskraft erwachsen sei.

  2.  A.___ sei schuldig zu sprechen im Sinne der Anklage wegen Raubes (Anklageschrift Ziffer 1), versuchten Diebstahls (Anklageschrift Ziff. 2.3) sowie wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs (Anklageschrift Ziffern 4.4 und 4.6).

  3.  Die A.___ mit Verfügung der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft vom 6. November 2018 gewährte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug sei zu widerrufen.

  4.  A.___ sei unter Einbezug der Rückversetzung gemäss Ziffer 3 hiervor sowie gestützt auf die Schuldsprüche gemäss Ziffer 2 hiervor zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 41 Monaten (Gesamtstrafe) und einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à CHF 10.00.

  5.  Die von A.___ seit dem 25. Oktober 2019 bis am 10. Dezember 2020 erstandene Untersuchungshaft (413 Tage) sowie die seit dem 11. Dezember 2020 bis heute erstandene Sicherheitshaft (271 Tage) seien dem Beschuldigten an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

  6.  A.___ sei für die Dauer von 12 Jahren des Landes zu verweisen.

  7.  Gegen A.___ sei zur Sicherung des Strafvollzuges Sicherheitshaft anzuordnen.

  8.  Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung durch Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, sei durch das erkennende Gericht festzusetzen und zufolge des amtlichen Mandates vom Staat Solothurn zu bezahlen. Es sei weiter zu verfügen, dass der Beschuldigte die entsprechenden Kosten dem Kanton zurückzuerstatten habe, sobald es seine finanziellen Verhältnisse zulassen.

  9.  Die gemäss Ziffer 11 des Urteils des Amtsgerichts von Dorneck-Thierstein vom 10. Dezember 2020 vom Beschuldigten für das erstinstanzliche Verfahren zu bezahlenden (anteilsmässigen) Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 11'625.00 sowie die gesamten Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren seien dem Beschuldigten A.___ zur Bezahlung aufzuerlegen.»

 

Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf stellt und begründet im Namen und Auftrag des Beschuldigten und Berufungsklägers folgende Anträge (OGer AS 85):

 

« 1.    Es sei Ziff. 3.1 des angefochtenen Urteils aufzuheben und A.___ vom Vorwurf des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von K.___ freizusprechen.

  2.    Es sei Ziff. 3.2 des angefochtenen Urteils aufzuheben und das Verfahren gegen A.___ wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von C.___ einzustellen.

  3.    Es sei A.___ des Diebstahls und des Hausfriedensbruchs zum Nachteil des Ehepaars D.___ und E.___, der Widerhandlung gegen das AIG sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig zu sprechen.

  4.    Es sei Ziff. 5 des angefochtenen Urteils aufzuheben und A.___ mit einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten zu bestrafen.

  5.    Es sei A.___ für die rechtswidrige Sicherheitshaft vom 11. Dezember 2020 bis 26. Februar 2021 angemessen zu entschädigen.

  6.    Es sei A.___ umgehend aus der Haft zu entlassen und er sei für die Überhaft angemessen zu entschädigen.

  7.    Es sei Ziff. 11 des angefochtenen Urteils aufzuheben und A.___ maximal 50 % der Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen sowie die Urteilsgebühr zu reduzieren.

  8.    Es sei Ziff. 10 des angefochtenen Urteils teilweise aufzuheben und den Rückforderungsanspruch des Staates auf 50 % des amtlichen Honorars zu beschränken.

  9.    A.___ sei eine Parteientschädigung in Höhe der einzureichenden Kostennote der amtlichen Verteidigerin zuzusprechen.

  10.  Die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens seien vom Kanton Solothurn zu tragen.

  11. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.»

Die beiden Parteivertreterinnen halten anschliessend je einen kurzen zweiten Parteivortrag.

Der Beschuldigte macht von seinem Recht auf das letzte Wort im Wesentlichen sinngemäss wie folgt Gebrauch:

Die Staatsanwaltschaft beantrage vor Obergericht trotz mehrerer Freisprüche im erstinstanzlichen Verfahren eine Freiheitsstrafe, die im Vergleich zum Antrag vor erster Instanz einen Monat höher ausfalle. Er sei der Meinung, dass diese Erhöhung des Strafmasses um einen Monat auf persönliche Motive der Staatsanwältin zurückzuführen sei. Solche persönlichen Motive seien aber verboten. Bei der Strafzumessung gelte das Asperations- und nicht das Verschärfungsprinzip. Das Asperationsprinzip besage, dass weitere Strafen nicht in voller Höhe, sondern lediglich massvoll anzurechnen seien. Wenn nun aber die weiteren Strafen fast in voller Höhe zur Einsatzstrafe addiert würden, wie dies von der Vorinstanz gemacht und von der Staatsanwaltschaft beantragt worden sei, sei dies nicht mehr massvoll und ein schwerer Fehler. Ein weiterer gravierender Fehler liege darin, dass die Täterkomponenten nicht einmalig, sondern gleich mehrfach zu seinen Lasten berücksichtigt worden seien. Nicht nachvollziehbar sei zudem, wie die Vorinstanz – trotz diverser Freisprüche – auf ein Strafmass komme, das fast identisch sei mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dass die Staatsanwaltschaft Vorhalte trotz Aussichtslosigkeit zur Anklage gebracht habe, zeige, wie wenig souverän diese Behörde vor Gericht auftrete. Man könne den Vorhalt gemäss AKZ 1 rechtlich gar nicht als Raub qualifizieren, sonst müsse man das erstinstanzliche Gericht für blöd halten. In Bezug auf die unrechtmässige Haft sei der Vorinstanz ebenfalls ein gravierender Fehler passiert, wofür er eine entsprechende Anerkennung und keine Entschädigung wolle. In den weiteren Punkten schliesse er sich seiner Verteidigerin an, die gut ausgeführt habe. Abschliessend wolle er bemerken, dass er aufgefordert worden sei, seine Anwältin nicht mehr zu kontaktieren. Daran habe er sich gehalten. Er müsse sich, wenn er nach Deutschland zurückgehe, dort gegen mehrere Personen verwahren, doch das sei eine andere Geschichte.

Um 11:25 Uhr erklärt der Vorsitzende die Parteiverhandlung für geschlossen und das Gericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.

Es erscheinen zur mündlichen Urteilseröffnung vor Obergericht vom 7. September 2021, 16:30 Uhr:

1.      Staatsanwältin B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin;

2.      A.___, Beschuldigter und Berufungskläger, zugeführt von der Kantonspolizei Solothurn;

3.      Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, amtliche Verteidigerin des Beschuldigten.

Der Vorsitzende begrüsst die anwesenden Personen und entschuldigt sich vorab für die eingetretene halbstündige Verspätung. Er verliest das Erkanntnis des Berufungsurteils, fasst das Beweisergebnis und die rechtliche Würdigung zusammen und erörtert die Strafzumessungsfaktoren und das Strafmass. Des Weiteren begründet er die zugesprochene Genugtuung, die Kostenfolgen des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens sowie den Entscheid betreffend Sicherheitshaft. Abschliessend weist der Vorsitzende auf die postalische Zustellung des Urteilsdispositivs und des separaten Haftbeschlusses in den nächsten Tagen hin und erklärt den Lauf der Rechtsmittelfrist. Hierauf ergreift der Beschuldigte das Wort und teilt mit, er werde die Richter des Berufungsgerichts in Deutschland zur Anzeige bringen. Es gebe andere Gründe für seine Haft.

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

 

I. Prozessgeschichte

 

1. Am Montag, 14. Januar 2019, 21:24 Uhr, meldete E.___, wohnhaft in [Ort1], [Strasse ], telefonisch via Alarmzentrale, sie sei soeben von einem Einbrecher überrascht worden. Der Einbrecher sei noch vor Ort und habe eine «Rangelei» mit ihrem Ehemann im Eingangsbereich. Beim Eintreffen der Polizei konnte das geschädigte Ehepaar im Innern des Einfamilienhauses angetroffen werden. Der Geschädigte, D.___, wies am Kinn, Ohrläppchen links und den Lippen mehrere kleine Rissquetschwunden auf. Des Weiteren klagte er über Schmerzen im Unterleib und Brustbereich. Die Geschädigte klagte über Schmerzen im Daumengelenk rechts. Im Eingangsbereich konnten diverse am Boden liegende Gegenstände festgestellt werden, welche auf einen Kampf deuteten. Des Weiteren konnten schmutzige (Erde/Schlamm) Schuhspuren, welche in das 1. OG führten, festgestellt werden. Im 1. OG waren sämtliche Räume und Behältnisse durchsucht worden. Der Täter befand sich nicht mehr vor Ort (Akten Seiten [nachfolgend AS] 1 ff.).

 

2. Anlässlich der Tatbestandsaufnahme am [Strasse1] in [Ort1] wurden ab einem aufgefundenen Stück eines Latexhandschuhs Spuren gesichert und ausgewertet. Das daraus ermittelte DNA-Profil stimmte mit dem in der DNA-Datenbank gespeicherten Profil von A.___ (nachfolgend Beschuldigter) überein (AS 34 f.).

 

3. Am 15. Februar 2019 eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen Verdachts auf Raub, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Zufolge unbekannten Aufenthaltes schrieb sie den Beschuldigten zur Verhaftung aus. Die Strafuntersuchung wurde in der Folge laufend hinsichtlich weiterer mutmasslicher (versuchter) Einbruchdiebstähle sowie zusätzlicher Delikte ausgedehnt (AS 401 ff.).

 

4. Am 25. Oktober 2019, um 23:15 Uhr, wurde der Beschuldigte, der zu Fuss von [Ort2] Richtung [Ort3] unterwegs war, auf der Höhe des Coop [Ort2] von einer Grenzwachpatrouille gesichtet. Der Beschuldigte flüchtete und konnte schliesslich am Grenzübergang [Ort3] festgenommen werden. In seinen Effekten führte der Beschuldigte u.a. zwei Bohrer mit sich, welche gemäss polizeilichen Vermutungen zum Aufbohren von Fensterrahmen dienen sollten (AS 459 f.). Am 29. Oktober 2019 wurde über den Beschuldigten durch das zuständige Haftgericht Untersuchungshaft bis zum 28. Januar 2020 angeordnet (AS 482 f.). Nachfolgend wurde die Untersuchungshaft mehrfach verlängert (AS 508 f., 579 ff.).

 

5. Am 4. Mai 2020 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten Anklage beim Amtsgericht Dorneck-Thierstein wegen Raubes (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB), evtl. Diebstahls i.V.m. einfacher Körperverletzung, mehrfachen versuchten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB), mehrfachem Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB), Widerhandlung gegen das AIG (Missachten des Einreiseverbotes und rechtswidriger Aufenthalt gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. a und b AIG) sowie Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) (AS 705 ff.). Gleichzeitig beantragte die Staatsanwaltschaft beim Haftgericht die Anordnung der Sicherheitshaft, was mit Verfügung des Haftgerichts vom 15. Mai 2020 bewilligt wurde, indem das Haftgericht die Sicherheitshaft bis zum 3. Oktober 2020 anordnete (AS 592.25 ff., 863).

 

6. Am 9. Oktober 2020 verlängerte das Haftgericht die Sicherheitshaft bis zum 11. Dezember 2020 und stellte gleichzeitig fest, dass das Amtsgericht Dorneck-Thierstein das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt habe (AS 861 ff.).

 

7. Am 10. Dezember 2020 fällte das Amtsgericht Dorneck-Thierstein folgendes Urteil (AS 988 ff.):

 

« 1.    Das Verfahren gegen A.___ wegen Hausfriedensbruchs, angeblich begangen in der Zeit vom 23. Juli 2019, 23:50 Uhr, bis 24. Juli 2019, 00:16 Uhr in [Ort4], [Strasse1], z. N. von F.___, wird eingestellt (AKZ 4.5.). 

2.    A.___ wird freigesprochen vom Vorhalt:

2.1.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 18. Juli 2019, um ca. 00:40 Uhr, in [Ort2], [Strasse1], z. N. von G.___ (AKZ 2.1. und 4.2.);

2.2.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 20. Juli 2019, in der Zeit von 22:20 Uhr bis 22:46 Uhr, in [Ort5], [Strasse1], z. N. von H.___ (AKZ 2.2. und 4.3.);

2.3.    des versuchten Diebstahls, angeblich begangen am 23. Juli 2019, 23:50 Uhr, bis 24. Juli 2019, 00:16 Uhr, in [Ort4], [Strasse2], z. N. von F.___ (AKZ 2.4.);

2.4.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 23. Juli 2019, 23:50 Uhr, bis 24. Juli 2019, 00:16 Uhr, in [Ort4], [Strasse3] z. N. von I.___ (AKZ 2.6. und 4.7.);

2.5.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 16. September 2019, in der Zeit von 02:00 Uhr bis 03:00 Uhr, in [Ort2], [Strasse2], z. N. von J.___ (AKZ 2.7. und 4.8.);

2.6.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 1. Oktober 2019, um 03:00 Uhr, in [Ort5], [Strasse2], z. N. von L.___ (AKZ 2.8. und 4.9.);

3.    A.___ hat sich schuldig gemacht:

3.1.    des Diebstahls und Hausfriedensbruchs, begangen am 14. Januar 2019, in der Zeit von ca. 21:10 Uhr bis 21:30 Uhr in [Ort1], [Strasse1], z. N. von D.___ und E.___ (AKZ 1 und 4.1.);

3.2.    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, begangen am 23. Juli 2019, in der Zeit von 22:41 Uhr bis 22:42 Uhr, in [Ort4], [Strasse1], z. N. von K.___ (AKZ 2.3 und 4.4);

3.3.    des Hausfriedensbruchs, begangen am 23. Juli 2019, 23:50 Uhr, bis 24. Juli 2019, 00:16 Uhr, in [Ort4], [Strasse4], z. N. von C.___ (AKZ 4.6.);

3.4.    der Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz durch Missachtung des Einreiseverbots und durch rechtswidrigen Aufenthalt, begangen in der Zeit vom 14. Januar 2019 bis 25. Oktober 2019, um 23:15 Uhr in [Ort2], [Strasse3], sowie an anderen unbekannten Orten (AKZ 5);

3.5.    der Hinderung einer Amtshandlung, begangen am 25. Oktober 2019, ca. 23:15 Uhr in [Ort3], Grenzübergang (AKZ 6);

4.    Die dem Beschuldigten von der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft am 06. November 2018 für eine Reststrafe von 478 Tagen gewährte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug per 16. November 2018 wird widerrufen.

5.    A.___ wird unter Einbezug der Reststrafe gemäss Ziff. 4 hievor im Sinne einer Gesamtstrafe verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 37 Monaten sowie einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 10.00.

Die vom 25.10.2019 bis heute ausgestandene Untersuchungshaft (413 Tage) ist dem Beschuldigten an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

6.    Der Beschuldigte A.___ wird zur Sicherung des Vollzugs in Sicherheitshaft behalten.

7.    A.___ wird in Anwendung von Art. 66a StGB für 15 Jahre des Landes verwiesen.

8.    Der Privatkläger 3, H.___, wird zur Geltendmachung seiner Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen.

9.    Die mit Beschlagnahmeverfügung vom 9. April 2020 beschlagnahmten Gegenstände werden, mit Ausnahme der nachfolgend aufgeführten, eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu vernichten.

Folgende Gegenstände können, nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils an die Privatkläger 1 und 2, E.___ und D.___, herausgegeben werden:

-        1 Werbeschirm REZ, Nylon, blau, ESO Schöne Ferien (Griff mittels Klebstoff repariert)

-        1 Werbeschirm Nylon, weiss Swissair (verbogen)

10.  Die Gesamtentschädigung der amtlichen Verteidigerin, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird auf gesamthaft CHF 17'712.00 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn zu zahlen, zahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn. Davon auszubezahlen sind noch CHF 10'812.00 (CHF 17'712.00 minus Akontozahlung von CHF 6'900.00, vgl. Verfügung vom 04.05.2020).

Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von CHF 13'284.00 sowie der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin im Umfang von CHF 3'461.20 (Differenz zu vollem Honorar) sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).

11.  Die Verfahrenskosten von CHF 15'500.00 (inkl. einer Staatsgebühr von CHF 8'000.00, Gerichtsauslagen, Kosten des Vorverfahrens sowie der Haftverfahren von CHF 6'885.20 hat mit CHF 11'625.00 A.___ zu bezahlen und mit CHF 3'875.00 der Staat Solothurn zu tragen.»

 

8. Am 23. Dezember 2020 meldete der Beschuldigte gegen dieses Urteil die Berufung an (AS 1017).

 

9. Am 9. März 2021 verfügte der Präsident des Berufungsgerichts die Verlängerung der Sicherheitshaft für die Dauer des Berufungsverfahrens (OGer AS 22 f.).

 

10. Nachdem dem Beschuldigten am 24. Februar 2021 das begründete Urteil zugestellt worden war (AS 1100), erhob dieser am 16. März 2021 die Berufungserklärung (OGer AS 28 f.). Diese richtet sich gegen die Schuldsprüche wegen versuchten Diebstahls und Hausfriedensbruchs z.Nt. von K.___ (AKZ 2.3 und 4.4) sowie wegen Hausfriedensbruchs z.Nt. von C.___ (AKZ 4.6), gegen die Strafzumessung sowie die Höhe der erstinstanzlichen Urteilsgebühr und die entsprechende Verlegung der Verfahrenskosten. Hinsichtlich der Vorhalte gemäss AKZ. 2.3 und 4.4 wird ein Freispruch verlangt, hinsichtlich des Vorhalts gemäss AKZ 4.6 die Einstellung des Verfahrens, eventualiter ein Freispruch. Die Freiheitsstrafe sei zu reduzieren. Ebenso sei die Urteilsgebühr der Vorinstanz zu reduzieren und die erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien dem Beschuldigten zu max. 50 % aufzuerlegen (ebenso sei die Rückforderung des vom Staat an die amtliche Verteidigerin auszuzahlenden Honorars auf 50 % zu beschränken).

 

11. Am 29. März 2021 erklärte die Staatsanwaltschaft die Anschlussberufung betreffend den Vorhalt gemäss Ziff. 1 der Anklageschrift und beantragt diesbezüglich einen Schuldspruch wegen Raubes. Weiter wird eine höhere Freiheitsstrafe beantragt (OGer AS 39 f.).

 

12. Am 4. Mai 2021 wurden der Beschuldigte, seine amtliche Verteidigerin und die Staatsanwältin zur Berufungsverhandlung auf den 7. September 2021 vorgeladen (OGer AS 47 f.).

 

 

II. Gegenstand des Berufungsverfahrens und rechtskräftige Schuldsprüche

 

1. Nicht angefochten und somit in Rechtskraft erwachsen sind folgende Ziffern des erstinstanzlichen Urteils:

 

-           Ziff. 1: Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich des angeblichen Hausfriedensbruchs z.Nt. von F.___ (AKZ 4.5)

-           Ziff. 2: Freisprüche wegen mehrfachen versuchten Diebstahls und mehrfachen Hausfriedensbruchs (AKZ 2.1/4.2, 2.2/4.3, 2.4, 2.6/4.7, 2.7/4.8, 2.8/4.9)

-           Ziff. 3: Schuldsprüche wegen Hausfriedensbruchs zum Nachteil von D.___ und E.___ (AKZ 4.1), Widerhandlung gegen das AIG (AKZ 5) und Hinderung einer Amtshandlung (AKZ 6)

-           Entscheid über die Zivilforderung (UZ 8)

-           Entscheid über beschlagnahmte Gegenstände (UZ 9)

-           Entschädigung der amtlichen Verteidigerin der Höhe nach (UZ 10)

 

Rechtskräftig ist zudem nicht nur die Anordnung der Landesverweisung, sondern ebenso deren konkrete Dauer von 15 Jahren (UZ 7). Beide Parteien haben davon abgesehen, diese Urteilsziffer im Rechtsmittelverfahren anzufechten. Die Staatsanwaltschaft kann nicht den Prozessgegenstand des Berufungsverfahrens nachträglich mit dem erstmals anlässlich der obergerichtlichen Hauptverhandlung gestellten Antrag, die Landesverweisung auf die Dauer von 12 Jahren zu beschränken, ausdehnen. Sie hätte hierzu zugunsten des Beschuldigten die Anschlussberufung ergreifen müssen (Art. 381 Abs. 1 StPO).

 

Rechtskräftig sind ebenso die von der Vorinstanz bloss implizit ausgefällten Freisprüche in Bezug auf die Vorhalte der einfachen Körperverletzung gemäss AKZ 1, des versuchten Diebstahls gemäss AKZ 2.5 sowie der Sachbeschädigung gemäss AKZ 3.

 

Nicht formell angefochten, aber im Rahmen der Strafzumessung durch das Berufungsgericht praxisgemäss dennoch zu überprüfen ist die Rückversetzung in den Strafvollzug hinsichtlich einer von der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft am 6. November 2018 zum bedingten Vollzug aufgeschobenen Reststrafe von 478 Tagen Freiheitsstrafe (bedingte Entlassung aus dem Vollzug der vom Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 22.3.2016 verhängten Freiheitsstrafe von 6 Jahren am 16.11.2018 bei einer Probezeit bis 8.3.2020).

 

2. Das Berufungsgericht wird somit die von der Staatsanwaltschaft beantragte andere rechtliche Würdigung des im Übrigen unbestrittenen Diebstahls, begangen am 14. Januar 2019 an [Strasse1] in [Ort1] z.Nt. von D.___ und E.___, sowie den Vorwurf des versuchten Diebstahls und Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 23. Juli 2019 an [Strasse1] z.Nt. von K.___ und des Hausfriedensbruchs, angeblich begangen am 23. Juli 2019 an [Strasse4] z.Nt. von C.___, die Strafzumessung unter Einbezug der Beurteilung der Rückversetzung und die Kostenfolgen zu beurteilen haben.

 

3. Die rechtskräftigen Schuldsprüche beziehen sich auf folgende Vorhalte:

 

Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB)

begangen am 14. Januar 2019, in der Zeit von ca. 21:10 Uhr bis ca. 21:30 Uhr, in [Ort1], [Strasse1], Einfamilienhaus, zum Nachteil der beiden Geschädigten D.___ und E.___, indem der Beschuldigte gegen den Willen der Berechtigten unrechtmässig obgenannte Örtlichkeit unbemerkt durch die unverschlossene Haupteingangstüre betrat und sich gegen den Willen der Berechtigten unrechtmässig darin aufhielt.

 

Widerhandlung gegen das Ausländer- und lntegrationsgesetz durch Missachtung des Einreiseverbotes und durch rechtswidrigen Aufenthalt (Art. 115 Abs. 1 lit. a und lit. b AIG, Art. 5 Abs. 1 lit. d AIG)

begangen in der Zeit vom 14. Januar 2019 bis 25. Oktober 2019, um 23:15 Uhr, in [Ort2], [Strasse3], sowie an anderen unbekannten Orten, indem der Beschuldigte, deutscher Staatsangehöriger, zu einer unbekannten Zeit illegal über die Grenze in die Schweiz einreiste, obwohl er am 16. März 2018 vom Staatssekretariat für Migration SEM mit einem Einreiseverbot, gültig in der Zeit vom 16. März 2018 bis 15. März 2033 (eröffnet am 16. März 2018), belegt worden war, und sich somit illegal im Lande aufhielt.

 

Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB)

begangen am 25. Oktober 2019, ca. 23:15 Uhr, in [Ort3], Grenzübergang, so wie Umgebung, indem der Beschuldigte Polizeibeamte an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse lag, hinderte. Konkret wollten die beiden Polizeibeamten des Grenzwachkorps, Wm M.___ und Kpl N.___, den Beschuldigten einer sicherheitspolizeilichen Kontrolle unterziehen. Als der Beschuldigte die Polizeibeamten erblickt und realisiert hatte, dass er einer polizeilichen Anhaltung und einer damit einhergehenden Kontrolle unterzogen werden sollte, ergriff er trotz mehreren Aufforderungen stehen zu bleiben zu Fuss die Flucht. Der Beschuldigte konnte sodann nach kurzer Flucht am Grenzübergang [Ort3] eingeholt, zu Boden geführt und arretiert werden. Durch seine Flucht entzog sich der Beschuldigte zumindest vorübergehend einer Personen- und Effektenkontrolle durch die Polizeibeamten des Grenzwachkorps.

 

 

III. Formelle Rüge

 

1. Vor Obergericht bestritt der Beschuldigte zwar nicht die rechtmässige Zusammensetzung des Berufungsgerichts, rügte aber– im Rahmen seiner Befragung zur Sache (vgl. OGer AS 78) – erneut, dass im erstinstanzlichen Verfahren sein Anspruch auf die gesetzmässige Richterin verletzt worden sei. Im erstinstanzlichen Verfahren habe nicht die gesetzmässige Richterin geamtet, denn diese sei nicht nach Kriterien ausgewählt worden, die zuvor (beispielsweise durch eine Geschäftsverteilungsordnung) festgelegt worden seien. Wenn ihm bereits vor erster Instanz die gesetzmässige Richterin gefehlt habe, sei daraus zu folgern, dass auch das Berufungsgericht nicht hätte zusammentreten dürfen (OGer AS 78).

 

2. Gemäss § 19 Abs. 1 (Satz 1) des Gesetzes über die Gerichtsorganisation (GO, BGS 125.12) wählt der Kantonsrat den leitenden und die weiteren Haftrichter. Die Haftrichter sind von Gesetzes wegen zugleich Statthalter der Amtsgerichtspräsidenten (§ 19 Abs. 1, Satz 2 GO). Als Vorsitzende amtete im erstinstanzlichen Verfahren Barbara Müller-Brunold, welche gewählte Haftrichterin und demnach zugleich Statthalterin des Amtsgerichtspräsidenten resp. der Amtsgerichtspräsidentin ist. In letztgenannter Funktion vertritt sie – wie in casu – die Amtsgerichtspräsidenten auch regelmässig in Straffällen. Des Weiteren setzte sich der erstinstanzliche Spruchkörper aus Amtsrichter Dürr und Amtsrichterin Voegtli sowie Amtsgerichtsschreiberin Zwyer zusammen. Damit erging das erstinstanzliche Urteil vom 10. Dezember 2020 in der vom Gesetz vorgesehenen Besetzung. Die Rüge des Beschuldigten ist somit unbegründet.  

 

 

IV. Beweiswürdigung

 

1. Vorwurf des Raubes/Diebstahls zum Nachteil von D.___ und E.___ (AZ 1)

 

1.1 Gemäss Strafanzeige (AS 1 ff.) wurden insgesamt 5 Herrenarmbanduhren im Gesamtwert von CHF 2'600.00 sowie ein Fingerring, eine Armkette, ein Armreif und eine kleine Schmuckdose, Gesamtwert CHF 1'320.00, gestohlen. Für den Diebstahl des Fingerrings, der Armkette, des Armreifs und der Schmuckbox leistete die Generali-Versicherung dem Ehepaar D.___ und E.___ eine Entschädigung von CHF 1'117.60 (darin enthalten ist auch eine beschädigte Fitnessuhr sowie eine beschädigte Uhrenbox). Diesbezüglich kann auf AS 17 ff. und 29 ff. verwiesen werden.

 

1.2 E.___ machte anlässlich ihrer Einvernahme vom 15. Januar 2019 im Wesentlichen folgende Aussagen (AS 52 ff): Die unbekannte Person sei die Treppe runtergekommen und habe an ihrem Mann vorbei via Eingangstüre nach draussen gehen wollen. Ihr Mann habe den Beschuldigten dann gepackt und die zwei hätten zu kämpfen begonnen. Als sie gesehen habe, dass der Unbekannte auf ihrem Mann gelegen sei, habe sie einen Regenschirm behändigt und habe diesen dem Beschuldigten mit dem Holzgriff über den Kopf gezogen. Der Holzgriff sei dabei kaputt gegangen. Sie habe den Schirm in der Folge gekehrt und mit dem spitzen Ende zwischen die Beine des Beschuldigten gestochen. Schliesslich hätten ihren Mann die Kräfte verlassen und der Beschuldigte habe durch die Eingangstüre hinaus können. Dieser sei nicht gerannt, sondern gemächlich «gelaufen». Während des Kampfes habe der Beschuldigte noch ein paar Mal «ich schiesse, ich schiesse, habe Waffe» gesagt. Ansonsten habe er lediglich kurz gestöhnt, als sie ihm den Regenschirm über den Kopf gehauen habe und er von ihrem Mann eine bekommen habe. Sie selber sei nicht angegriffen worden. Sie habe sich lediglich den Daumen verstaucht, als sie ihrem Mann geholfen habe.  

 

Anlässlich einer weiteren polizeilichen Einvernahme vom 7. November 2019 bestätigte E.___ ihre Aussagen weitestgehend (AS 106 ff.). Der Beschuldigte habe direkt nach draussen gehen wollen. Ihr Mann sei ihm aber in den Weg gestanden und habe ihn gepackt. Unter dem Arm habe der Beschuldigte die Box mit den Uhren gehabt. Sie habe gesehen, wie ihr Mann ein bisschen in Bedrängnis gekommen sei und habe dem Beschuldigten dann den Schirm über den Kopf gehauen. Ihr Mann habe weiter mit dem Beschuldigten gekämpft und habe diesen nicht raus- lassen wollen. Sie habe das Gefühl gehabt, der Beschuldigte habe nur wegwollen. Sie hätten sich Faustschläge geteilt. Sie habe dann nochmals den Schirm genommen und dem Beschuldigten den Schirm unten rein gestossen. Plötzlich habe der Beschuldigte gesagt «ich schiesse, ich schiesse». Da sei der Beschuldigte bereits neben der Haustüre gestanden. Sie habe diesen dann gefragt, wie er schiessen wolle, worauf dieser entgegnet habe «Habe Waffe, habe Waffe». Kurz darauf sei ihr Mann wahrscheinlich langsam mit den Kräften am Ende gewesen, weshalb der Beschuldigte das Haus habe verlassen können. Die Uhrenkiste sei im Kampf auf den Boden gefallen. Diese habe der Beschuldigte nicht mitnehmen können. Im Gerangel habe der Beschuldigte zudem einige Gegenstände verloren. Diese seien ihm wahrscheinlich aus der Tasche gefallen. Das sei ein Finger von einem Gummihandschuh sowie eine leere Verpackung von Papiertaschentüchern und eine Wasserflasche gewesen. Diese Sachen seien im Flur gelegen, als der Beschuldigte das Haus verlassen habe. Die Sachen seien zusammen mit den Uhren am Boden gelegen. Der Kampf habe vielleicht 10 15 Minuten gedauert. Ihr Mann habe es zuerst mit dem Beschuldigten aufnehmen können. Letztendlich hätten ihn aber die Kräfte verlassen. Wie der Beschuldigte die Treppe runtergekommen sei und ihr Mann die Uhren unter dessen Arm geklemmt gesehen habe, habe er ihn einfach nicht gehen lassen. Er habe den Beschuldigten gepackt. Sie habe den Eindruck gehabt, der Beschuldigte habe einfach nur gehen wollen. Er habe keinen bösen Eindruck gemacht. Er habe einfach nur fliehen wollen. Sie wisse die Reihenfolge nicht mehr genau. Der Beschuldigte habe – so glaube sie – zuerst einen Schirm genommen, worauf sie den anderen Schirm genommen und diesem über den Kopf gezogen habe. In diesem Zeitpunkt habe ihr Mann den Beschuldigten gehalten. Der Beschuldigte habe sich dann kurz den Kopf gehalten und leise aufgestöhnt. Einen Schirm habe sie benutzt und dem Beschuldigten auf den Kopf geschlagen. Den anderen Schirm habe der Beschuldigte genommen. Dieser sei vorne durch ihren Mann und den Beschuldigten zusammengedrückt worden. Dabei sei der Schirm gekrümmt worden. Ihr sei ein Fingerring entwendet worden. Ein spezieller Ring mit Brillanten. Weiter eine Armspange (Toledoschmuck) und eine Armkette aus Gold. Ein paar Sachen habe sie unter dem Bett gefunden. Diese seien vom Beschuldigten unters Bett geworfen worden. Es fehlten nur noch der Ring, die Armspange und die Armkette. Ihr Mann habe den Beschuldigten ein paar Stufen hinunter gestossen. Die Treppe mache da so eine Kurve. Der Beschuldigte sei aber nicht die ganze Treppe runtergefallen. Er sei auch nicht gestürzt. Sie habe nur die Uhren gesehen. Sie denke, den Schmuck habe der Beschuldigte in den Hosen- Jackentaschen gehabt. Auf Vorhalt des Inhaltes des anonymen Schreibens an die Polizei, wonach der Beschuldigte, nachdem er von Frau E.___ mit dem Schirm auf den Kopf geschlagen worden sei, instinktiv in die Brusttasche gegriffen und instinktiv versucht habe, sich seiner Restbeute zu entledigen: Nein, das stimme nicht. Am Boden sei nichts weiter gelegen als die Uhren und die von ihr bereits erwähnten Gegenstände. Es stimme auch nicht, dass der Beschuldigte die Uhrenschachtel, die er unter dem Arm gehalten habe, sogleich fallen gelassen habe. Diese Dinge seien ihm erst während des Kampfes heruntergefallen. Sie sei ganz sicher, dass der Beschuldigte von einer Waffe gesprochen habe. Er habe gesagt «ich schiesse» und «habe Waffe, habe Waffe». Sie denke aber, dass er das nur gesagt habe, um weg zu kommen. Sonst hätte sie sich ihm nicht in den Weg gestellt.

 

Schliesslich bestätigte E.___ ihre früheren Aussagen auch weitgehend anlässlich der Befragung vor der Vorinstanz (AS 923 ff.): Als der Beschuldigte die Treppe runter gekommen sei, habe ihn ihr Mann abgefangen. Die beiden hätten dann angefangen zu kämpfen, Boxhiebe ausgetauscht und so. Sie habe die Polizei rufen wollen, dann aber gesehen, dass ihr Mann in Bedrängnis gekommen sei. Darauf habe sie den Schirm gepackt und diesen dem Beschuldigten über den Schädel gezogen. Der Kampf habe danach noch ca. 15 - 20 Minuten gedauert, bis der Beschuldigte schliesslich habe flüchten können. Der Beschuldigte habe «ich schiesse, ich schiesse» gesagt. In diesem Zeitpunkt sei dieser bei der Haustüre auf der linken Seite gestanden. Sie habe sich dann vor ihn gestellt und gefragt «ja, wie?». Darauf habe der Beschuldigte entgegnet «Habe Waffe, habe Waffe». Das sei kurz vor seiner Flucht gewesen. Sie habe aber keine Waffe gesehen. Wie dem Beschuldigten die Flucht gelungen sei: Ihren Mann hätten langsam die Kräfte verlassen, der Beschuldigte habe dann die Türe öffnen und sich entfernen können. Der Beschuldigte habe lediglich kleinere Sachen mitgenommen, einen Ring, einen Toledoarmreif und eine Armkette. Der Beschuldigte habe eine Kiste mit Uhren unter den Arm geklemmt gehabt, als er runter gekommen sei. Beim Kämpfen sei ihm diese dann runtergefallen. Auf Vorhalt: Der Beschuldigte habe überhaupt keine Anstalten gemacht, dass er seine Beute zurückgeben möchte. Auf Vorhalt: Angst habe sie keine gehabt. Sie habe gedacht, dass er keine Waffe habe.

 

1.3 D.___ machte anlässlich seiner Einvernahme vom 15. Januar 2019 folgende Aussagen (AS 56): Der Unbekannte sei ganz normal die Treppe runter gekommen. Er sei etwa drei Meter von ihm entfernt gewesen. Sie seien beide ein bisschen «Paff» gewesen. Der Beschuldigte habe dann beschleunigt und an ihm vorbei Richtung Haupteingang gehen wollen. Statt die Türe aufzumachen und sich für den Besuch zu bedanken, habe er den Beschuldigten reflexartig angesprungen und ihn zurückhalten wollen. Seine Frau habe gesehen, dass der Beschuldigte ein Schmuckkästchen unter dem Arm gehalten habe. Er habe ihn dann an den Radiator gedrückt. Er habe versucht, den Beschuldigten in den Griff zu bekommen und zu blockieren. Seine Frau habe dem Beschuldigten dann den Schirm über den Kopf geschlagen. Der Beschuldigte habe dann auch einen Schirm ergriffen, weil er natürlich flüchten wollte. Der Beschuldigte habe versucht, ihm den Schirm in den Unterleib zu rammen, was ihm teilweise auch gelungen sei. Der Schirm sei jetzt krumm. Er habe einfach die Distanz verkürzt, dass der Beschuldigte keinen Schwung habe holen können. Er habe sich gedacht, dass er den Beschuldigten irgendwie an der Flucht hindern könne, dieser habe sich aber vehement gewehrt, mit allen Tricks. Zwischenzeitlich habe er den Beschuldigten mit der Faust auf dessen linke Gesichtshälfte getroffen. Dies sicher zwei- bis dreimal. Irgendwann habe er den Beschuldigten auch in den Würgegriff nehmen wollen. Er habe sich gedacht, dass er dem Beschuldigten ein bisschen die Luft nehmen könne und sich dieser vielleicht beruhigen werde. Er habe ihn dann aber aus dem Griff verloren. Irgendwann habe der Beschuldigte gesagt «ich schiesse». Dies sicher dreimal. Dies habe er sicher gesagt, weil er gemerkt habe, dass er in Bedrängnis gekommen sei, und weil er unbedingt habe flüchten wollen. Es sei ihm schliesslich gelungen, die Türe zu öffnen und sich ins Freie zu begeben. Er sei die []Strasse1] [Ort1] hinauf gehumpelt. Er habe sich schon Mühe gegeben, sich schnell aus dem Staub zu machen. Er habe aber einen schleppenden Gang gehabt. Der Schmuckkasten sei zurückgeblieben. Er denke, dass der Beschuldigte aus einer Notlage gehandelt habe. Er habe diesen als eher träge wahrgenommen und ordne ihn nicht in die Profi-Einbrechertruppe ein. Er sei nicht auf Angriff aus gewesen und habe einfach flüchten wollen. Er schätze ihn nicht als aggressiven Einbrecher ein.

 

Anlässlich einer weiteren Einvernahme vom 7. November 2019 (AS 115 ff.) bestätigte auch D.___ weitgehend seine früheren Aussagen: Er habe eine fremde Person die Treppe runter kommen sehen, welche eine Schachtel unter dem Arm getragen habe. Er habe die Schachtel erkannt als diejenige, worin er seine antiken Uhren aufbewahre. Reflexartig habe er sich auf den Fremden gestürzt. Er habe bemerkt, dass dieser habe fliehen und die Türe erreichen wollen. Dabei habe er die Schachtel fallen lassen. Er habe diese fallen lassen müssen, weil er die Hände gebraucht habe. Er (D.___) habe die Flucht verhindern wollen. Seine Frau habe gesehen, wie sie sich gegenseitig verkeilten und sich so gegenseitig festhielten. Der eine habe festgehalten und der andere habe fliehen wollen. Da habe sich seine Frau entschieden, ihm zu helfen. Sie habe einen Schirm genommen und dem Fremden über den Kopf geschlagen. Danach sei der Kampf schätzungsweise 10 Minuten weiter gegangen. Schlussendlich habe der Eindringling die Türfalle erreicht, die Türe aufgerissen und sei geflohen. Der Beschuldigte habe keinen aggressiven Eindruck auf ihn gemacht. Er habe auch keine Waffen dabei gehabt. Es habe für ihn wie eine Verzweiflungstat ausgesehen. Er habe fast Mitleid mit ihm gehabt. Auf der anderen Seite sei er auch wütend gewesen. Er habe mit dem Fremden gerangelt. Dessen Ziel sei es gewesen, zu fliehen. Sein Ziel sei es gewesen, den Eindringling zurückzuhalten in der Hoffnung, die Polizei komme. Dies sei ihm aber nicht gelungen. Seine Frau habe der Polizei telefoniert und dem Eindringling einen Schirm über den Kopf gehauen. Der Beschuldigte habe noch versucht, ihm einen Schirm in den Unterleib zu rammen, dies sei ihm aber nicht gelungen. Er habe den Beschuldigten in den Schwitzkasten nehmen wollen, was aber nur für kurze Zeit gelungen sei. Dieser habe sich wieder befreien und dann flüchten können. Er habe ein paar blaue Flecken davongetragen, wisse jedoch nicht wovon. Vielleicht von ein paar Fäusten. Weiter habe er am Ohr eine Verletzung von einem Fingernagel gehabt. Seine Frau habe seines Wissens keine Verletzungen davongetragen. Was für Verletzungen der Beschuldigte erlitten habe, wisse er nicht. Er könne sich aber vorstellen, dass dieser auch ein paar blaue Flecken gehabt habe. Es sei teilweise ein aggressives Handgemenge gewesen. Ausser den Schirmen seien keine Gegenstände eingesetzt worden. Es sei nicht viel entwendet worden. Ein kleines Toledoarmband seiner Frau und vielleicht noch etwas Modeschmuck. Die Uhren seien ja beim Kampf zu Boden gefallen. Ansonsten habe der Beschuldigte noch Teile eines Latexhandschuhs, ein Papiertaschentuch, ein Säcklein mit weiteren Tüchern und eine Wasserflasche zurückgelassen. Ob er sich durch irgendeine Handlung des Beschuldigten genötigt gefühlt habe: Genötigt insofern, dass man in seinen Privatbereich eingedrungen sei. Er betrachte es auch als Nötigung, dass man irgendwelche Gegenstände von ihm wegnehmen wolle. Gegen seine Person habe er aber keine Nötigungshandlungen festgestellt, ausser Abwehrreaktionen, welche er als normal einstufe in einer solchen Situation. Hätte er wohl die Türe aufgemacht, wäre der Beschuldigte kampflos gegangen. Auch seine Frau habe sich nie dahingehend geäussert, dass sie sich genötigt gefühlt habe. Ob es möglich sei, dass die angeblichen Äusserungen des Beschuldigten «ich schiesse, ich schiesse» auch Schmerzenslaute gewesen sein könnten wie «au Scheisse, au Scheisse»? Das sei für ihn schwierig zu beantworten. Es könne schon sein. Er habe dem keine grosse Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Schliesslich bestätigte auch D.___ seine früheren Aussagen anlässlich der Befragung vor Vorinstanz (AS 928 ff.): Der Beschuldigte sei die Treppe runter gekommen mit einer Schachtel unter dem Arm. Da seien seine Uhren drin gewesen. Der Beschuldigte habe an ihm vorbei fliehen wollen. Er habe den Beschuldigten aufgehalten. Beim Handgemenge sei die Schachtel mit den Uhren runtergefallen. Er habe seine Frau gebeten, die Polizei zu rufen, und den Beschuldigten so lange festhalten wollen, bis die Polizei kommt. Durch das Handgemenge habe er aber schliesslich die Möglichkeit verloren, den Beschuldigten tatsächlich festzuhalten. Nach ca. einer Viertelstunde habe dieser fliehen können. Er sei leicht verletzt worden. Er habe Blutungen am Ohr, vermutlich von einem Fingernagel, und Prellungen gehabt. Er könne sich nicht mehr erinnern, was der Beschuldigte gesagt habe. Auf Vorhalt: Der Beschuldigte habe keine Waffe herausgeholt und ihn damit bedroht. Er habe auch keine Angst gehabt, dass der Beschuldigte eine Waffe habe. Seine Reaktion sei ein Reflex gewesen. Da sei keine Überlegung Logik dahinter gewesen. Auf die Frage, wie der Beschuldigte habe fliehen könne: Dieser habe von Anfang an fliehen wollen. Das Gerangel sei entstanden, weil er den Beschuldigten daran habe hindern wollen. Es sei ihm nicht gelungen, den Beschuldigten so lange festzuhalten, bis die Polizei komme. Dieser habe sich bis zur Türe vorarbeiten, diese öffnen und weglaufen können. Was der Beschuldigte mitgenommen habe: Seiner Ansicht nach nichts. Er habe die Uhrenschachtel gesehen, die dieser dabei gehabt habe. Diese Schachtel sei ihm aber dann runtergefallen. Was er in den Taschen gehabt habe, wisse er nicht. Das habe er nicht gesehen. Sie hätten dann festgestellt, dass einige Sachen gefehlt hätten. Kleinigkeiten, etwas Modeschmuck, nichts Wesentliches. Der Schaden sei grösser gewesen. (Ob der Beschuldigte bei der Auseinandersetzung Anstalten gemacht habe, die Beute zurückzugeben) Nein, er wüsste nicht wie. (Ob der Beschuldigte ihn auch angegriffen habe ob er sich ihm nur habe entziehen wollen) Der Beschuldigte habe aktiv seine Flucht begünstigt, indem er einen Schirm aus dem Schirmständer genommen habe und ihm diesen in den Unterleib habe stossen wollen. Er habe diesen aber zur Seite drücken können. Dadurch sei der Schirm gekrümmt worden.

 

1.4 Die Aussagen von D.___ und E.___ sind glaubhaft. Die beiden haben nicht nur kein ersichtliches Motiv, den Beschuldigten zu Unrecht falsch zu bezichtigen. Aus ihren Aussagen ist vielmehr auch keinerlei Belastungseifer ersichtlich. Ganz im Gegenteil haben sie stets betont, der Beschuldigte habe lediglich flüchten wollen und sich abgesehen davon in keiner Weise aggressiv verhalten. Beide Geschädigten machten auch keinerlei Hehl daraus, dass die Initiative zur körperlichen Auseinandersetzung von D.___ ausging und sich auch E.___ daran in durchaus resoluter Weise betätigte, indem sie dem Beschuldigten einen Schirm über den Kopf schlug und ihm die Schirmspitze zwischen die Beine stiess. Demgegenüber hat sich der Beschuldigte in keiner Weise um die Aufklärung des Sachverhaltes bemüht. Als er sich noch auf der Flucht befand, stellte er der Polizei zwar ein anonymes Schreiben zu, indem er den Sachverhalt aus Sicht eines angeblichen Zeugen schilderte (AS 64 ff.). Nach seiner Festnahme stritt er dann das Eindringen in die Privatliegenschaft des Ehepaars D.___ und E.___ bis zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung ab resp. schwieg sich dazu aus, bezog sich jedoch gleichzeitig immer auf das Schreiben eines angeblichen objektiven Beobachters. Anlässlich der polizeilichen Einvernahme einen Tag nach seiner Festnahme äusserte sich der Beschuldigte zum Vorwurf wie folgt (AS 201 ff.): «Was soll ich dazu sagen? Ich bin fassungslos. Ich habe keinen Raub gemacht, das verstehe ich nicht. Diese ganze Angelegenheit ist mir im Moment alles suspekt. Ich möchte von der Polizei genauere Angaben erhalten, damit ich mir ein Bild machen kann». Der Name [Ort1] sage ihm nichts. Er wisse nicht, dass er am 14. Januar 2019 in der Schweiz gewesen sei. Der Vorwurf des Raubes sei derart abstrus, dass er dazu nichts sagen wolle. Noch anlässlich der staatsanwaltlichen Schlusseinvernahme vom 24. Februar 2020 (AS 372) war er nicht bereit, sich zum Vorwurf zu äussern resp. bestritt, einen Raub begangen zu haben. Er werde sich vor Gericht weiter äussern. Gleichzeitig bezog er sich ausführlich auf den Inhalt des anonymen Schreibens und erschöpfte sich in weitschweifigen Vorwürfen betreffend die Gewaltanwendung seitens D.___ und E.___ und die Weigerung der Untersuchungsbehörden, deren Verhalten adäquat zu untersuchen. Erst anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gestand dann der Beschuldigte das Eindringen in das Haus von D.___ und E.___ in Diebstahlsabsicht ein (AS 933 ff.). Er machte jedoch geltend, sämtliche von ihm ergriffenen Wertgegenstände aus seinen Taschen entleert zu haben, als ihn Herr D.___ in den Schwitzkasten genommen habe. Er habe das Haus letztendlich ohne Beute verlassen. Er habe nur flüchten wollen und sich nur verteidigt. Er habe auch nie «ich schiesse, ich schiesse» gesagt, sondern «oh scheisse, oh scheisse». Auch vor Obergericht blieb er bei dieser Version, indem der zu diesem Vorhalt im Wesentlichen ausführte (vgl. OGer AS 73 - 76), er habe nur Gewalt angewendet, um sich dem Würgegriff des Geschädigten und den Schlägen mit dem Regenschirm zu entziehen und um zur Türe zu gelangen. Er habe sich der Gewalteinwirkung von Herrn D.___ zu entwinden versucht. Im Übrigen habe er auch keine Beute mehr dabei gehabt. Er sei ohne Beute aus dem Haus gegangen. Den Diebstahl im Obergeschoss des vom Ehepaar D.___ und E.___ bewohnten Hauses müsse er aber zugeben. Es sei um einen Kasten mit Uhren sowie um die vom Vorsitzenden erwähnten Schmuckstücke (einen Ring und zwei Armbänder) gegangen, doch diese Gegenstände seien alle aus der Tasche seiner Regenjacke auf den Boden herausgefallen. Die Auseinandersetzung sei nach seiner Einschätzung etwa 20 - 30 Sekunden gegangen. Dabei sei für ihn sofort erkennbar gewesen, dass D.___ ihn der Polizei habe ausliefern wollen, wenn erforderlich gar im bewusstlosen Zustand. Konfrontiert mit dem Umstand, dass D.___ und E.___ eine deutlich längere Dauer der Auseinandersetzung geschildert hätten (15 – 20 Minuten): Es sei bekannt, dass einem die Dauer viel länger vorkomme, wenn man sich anstrenge. Auf den Vorhalt der Aussage von Frau E.___, wonach er zu ihr gesagt haben solle «ich schiesse, ich schiesse, habe Waffe»: Das treffe nicht zu, wenn er etwas gesagt habe, dann sei dies aufgrund der erlittenen Schläge «oh scheisse, oh scheisse» gewesen. Er habe sich noch gewundert, weshalb E.___ zu ihm gesagt habe: «womit denn, womit denn?» Auf die Frage, ob ihm bewusst gewesen sei, dass das Ehepaar D.___ und E.___ zu Hause gewesen sei, als er über die nicht verschlossene Haustüre in das Haus eingedrungen sei: Ja, er habe das Ehepaar genau beobachten können. Angesichts der Fensterfronten und der verglasten Türelemente habe man im Prinzip jede Regung wahrnehmen können. Auf den Vorhalt, dass demnach die darauf folgende Auseinandersetzung für ihn nicht unerwartet habe sein können: Doch, denn es sei bislang nie zu einer Konfrontation mit Hausbewohnern gekommen und er habe eigentlich immer alles unter Kontrolle gehabt. Wenn es sich nun im besagten Fall anders abgespielt habe, sei dies als Zeichen zu werten, dass er es nicht mehr könne und sein lassen sollte. Danach gefragt, ob er von sich aus noch Ergänzungen zu diesem Vorfall anbringen wolle: Er sei der Auffassung, dass man nun einen Schlussstrich unter diese Sache ziehen sollte. D.___ und E.___ hätten ein negatives Erlebnis, zugleich aber auch ein Erfolgserlebnis gehabt, indem sie gezeigt hätten, dass es noch Hausbesitzer gebe, die sich wehren könnten.

 

Aus den Aussagen des Beschuldigten erschliesst sich, dass dieser im Wissen um die Anwesenheit von D.___ und E.___ – er habe sie genau beobachten und jede Regung wahrnehmen können – in deren Privatliegenschaft eindrang, hierauf in den oberen Stock gelang und dort – auch dies ist unbestritten – mehrere Wertgegenstände zur Aneignung wegnahm. In Bezug auf seine sehr ausführliche Schilderung der darauf folgenden Auseinandersetzung mit den beiden Hausbewohnern im Parterre der Liegenschaft ergibt sich allerdings der Eindruck, dass der Beschuldigte sehr bemüht war, die Gewalteinwirkungen auf ihn zu übertreiben und sich selbst als Opfer darzustellen. Das Aussageverhalten des Beschuldigten ist insgesamt somit nicht geeignet, die sehr glaubhaften Aussagen von D.___ und E.___ in Zweifel zu ziehen.

 

1.5 Als Beweisergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte durch die unverschlossene Eingangstüre von D.___ und E.___ in deren Einfamilienhaus eindrang, im Obergeschoss eine Schachtel mit fünf Uhren im Gesamtwert von CHF 2'600.00 sowie Schmuck im Gesamtwert von CHF 1'300.00 (einen Ring aus Gelbgold mit Edelsteinen, einen Toledo-Armreif und ein Armband aus Gelbgold) und eine Schmuckdose im Wert von CHF 20.00 behändigte und damit das Haus wieder verlassen wollte. Vor dem Ausgang, im Bereich der Treppe zum Obergeschoss, stellte sich D.___ dem Beschuldigten in den Weg und versuchte, den Beschuldigten am Verlassen des Hauses zu hindern. Es entwickelte sich ein gegenseitiges Handgemenge zwischen D.___ und dem Beschuldigten, wobei die Angaben der Geschädigten und des Beschuldigten zu dessen zeitlichen Dauer stark auseinandergehen. Auf der einen Seite ist bekannt, dass Opfer die Dauer eines für sie einschneidenden und bedrohlichen Ereignisses vielfach überschätzen, auf der anderen Seite gab E.___ zu Protokoll, ihr Ehemann sei mit der Zeit entkräftet gewesen und das Ereignis lässt sich auch in mehrere unterschiedliche, aufeinander folgende Teilakte unterteilen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen), so dass von einer handgreiflichen Auseinandersetzung von zumindest ein paar wenigen Minuten auszugehen ist. In deren Verlauf schlug E.___ dem Beschuldigten einen Schirm mit hölzernem Griff über den Kopf und stiess ihm die Schirmspitze zwischen die Beine. Auch der Beschuldigte behändigte einen Schirm und setzte diesen gegen D.___ ein, um sich diesen vom Leib zu halten. Im Verlaufe des Handgemenges liess der Beschuldigte die Schachtel mit den Uhren fallen. Schliesslich gelang es ihm, mit dem Schmuck das Haus zu verlassen, nachdem er kurz vorher, bei der Eingangstüre stehend, Richtung E.___ noch «ich schiesse, ich schiesse, habe Waffe» rief. Die Aussage des Beschuldigten, er habe nicht diese Worte verwendet, sondern «oh scheisse, oh scheisse» gesagt, ist als Schutzbehauptung zu werten. Die Geschädigte war sich in Bezug auf die konkrete Wortwahl des Beschuldigten sicher. Zudem bestätigte der Beschuldigte vor Obergericht ausdrücklich, E.___ habe ihm entgegnet «womit denn, womit denn?». Eine solche Fragestellung ergibt nur im Zusammenhang mit einem vorgängig angedrohten Waffengebrauch einen Sinn. Tatsächlich war der Beschuldigte jedoch nicht bewaffnet und auch D.___ und E.___ gingen nicht davon aus, dass der Beschuldigte bewaffnet war. Ausser den Uhren (vgl. die fotografischen Aufnahmen: AS 25 und AS 51) liess der Beschuldigte eine leere Getränkeflasche aus Pet, eine leere Tempo-Taschentuchverpackung sowie einen Teil eines Handschuhs am Tatort zurück (AS 37 sowie AS 47 - 50). Die Aussage des Beschuldigten, er habe auch den Schmuck vor Ort gelassen und die Liegenschaft ohne Beute verlassen, steht im Widerspruch zu den anderen Beweismitteln. Der Ring aus Gelbgold mit Edelsteinen, ein Toledo-Armreif und ein Armband aus Gelbgold befanden sich im Unterschied zu den vorgenannten Gegenständen nicht auf dem Boden (vgl. fotografische Dokumentation: AS 47 ff.) und konnten auch sonst nirgends im Haus des Ehepaars D.___ und E.___ sichergestellt werden (AS 47 ff.). Wie E.___ dies in allen Einvernahmen glaubhaft ausgeführt hat, fehlten diese Gegenstände, nachdem der Beschuldigte das Haus verlassen hatte. Sie wurden von diesem mitgenommen. Im Verlaufe der Auseinandersetzung wurden sowohl der Beschuldigte wie auch D.___ leicht verletzt.

 

2. Vorwurf des versuchten Diebstahls und des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von K.___ (AZ 2.3/4.4)

 

In den Akten befindet sich eine Videoaufnahme (AS 198) von der hauseigenen Videoüberwachung von K.___ (Printscreens auf AS 197). Auf dem Video ist klar ersichtlich, wie die abgebildete Person die Türfalle der Eingangstüre nach unten drückt. Der Beschuldigte gab anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung auch zu, die Klinke an der Haustüre von K.___ betätigt zu haben (AS 938, Z. 244). Der Beschuldigte will jedoch nicht die Absicht gehabt haben, bei K.___ einzubrechen auch nur dessen Haus zu betreten. Er habe die Klinke gedrückt, weil ihn ein Kollege darum gebeten habe. Dieser Kollege habe ihn von Frankreich in die Schweiz gefahren, damit er dort die noch von früheren Einbrüchen gebunkerten Einbruchwerkzeuge behändigen konnte, um diese zu entsorgen. Dieser habe ihm gesagt, dass der Hausbewohner immer eine Dose mit Kugeln im Innern an der Klinke aufgehängt habe, damit er alarmiert werde, wenn jemand die Klinke betätige. Sein Kollege habe mit diesem Streit gehabt und diesen ärgern wollen (Z. 222 ff.). Diese Behauptung des Beschuldigten betreffend das Betätigen der Klinke, welche dieser erstmals anlässlich der Hauptverhandlung vorgebracht hatte und vor Obergericht bekräftigte (vgl. OGer AS 76: Er habe nur die Klinke betätigen wollen, um K.___ zu ärgern. Das sei ein übler Nachbarschaftsstreit bzw. -streich gewesen), muss indes als offensichtliche Schutzbehauptung gewertet werden. Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 26. Oktober 2019 sagte der Beschuldigte, mit dem Vorwurf des versuchten Einschleichdiebstahls am [Strasse1] in [Ort4] konfrontiert, noch folgendes aus (AS 202 f.): «Was soll ich denn sagen? Ich bin fassungslos», er könne schlicht und einfach nichts dazu sagen, er denke, er sei an diesem Tag zu Hause gewesen. Nach dem Grund seiner Einreise in die Schweiz bei seiner Festnahme am 25. Oktober 2019 befragt, gab der Beschuldigte jedoch bereits bei dieser Einvernahme an, er habe in der Schweiz noch Depots von Einbruchwerkzeugen seiner früheren Einbrüche im Kanton Basel-Landschaft gehabt und habe diese Werkzeuge entfernen wollen, nicht dass ihm wieder etwas angelastet werde.

 

Im Sinne eines klaren Beweisergebnisses kann aufgrund der objektiven Beweismittel, der glaubhaften Aussagen der Zeugin I.___ und ihrem Mann und der demgegenüber unglaubhaften und teilweise widersprüchlichen Angaben des Beschuldigten als erstellt angesehen werden, dass der Beschuldigte die Klinke bei K.___ betätigt hatte, in der Absicht dessen Haus zu betreten um dort einen Diebstahl begehen zu können.

 

3. Vorwurf des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von C.___ (AZ 4.6)

 

Sowohl die Zeugin I.___ wie auch ihr Mann, sagten beide übereinstimmend aus, eine Person gesehen zu haben, die im Quartier [Strasse 1] in [Ort4] herumgeschlichen sei und Türfallen betätigt habe. Dieser sei u.a. auch durch den Garten von C.___ geschlichen und habe sich dann vor dessen Haustüre aufgehalten. Es habe sich um dieselbe Person gehandelt, die sich auf der Videoüberwachung befunden habe, welche K.___ ihnen gezeigt habe (AS 244 ff., AS 903 ff.). Auch hinsichtlich dieses Vorhaltes ist aufgrund der glaubhaften Aussagen der beiden Zeugen erstellt, dass der Beschuldigte den Garten von C.___ betrat.

 

 

V. Rechtliche Würdigung

 

1. Diebstahl/Raub zum Nachteil von D.___ und E.___ (AZ 1)

 

1.1 Räuberischer Diebstahl im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist gegeben, wenn der Täter, auf einem Diebstahl in flagranti ertappt, d.h. nach Vollendung, aber vor Beendigung des Diebstahls, die in Absatz 1 von Art. 140 Ziff. 1 StGB genannten Nötigungsmittel verübt, um die Beute zu sichern. Dient die Gewaltanwendung nur zur Sicherung der Flucht ohne Beute, fällt sie nicht unter Art. 140 StGB (Urteil des Bundesgerichts 6B_651/2018 E. 6.3: «mangels Verknüpfung der qualifizierten Nötigung mit der Eigentumsverletzung», BGE 92 IV 154 f., 83 IV 67). Nach dem Gesetzeswortlaut ist nicht notwendig, dass es dem Täter auch gelingt, die Beute in Sicherheit zu bringen; es genügt, wenn er in Sicherungsabsicht die entsprechenden Nötigungshandlungen vornimmt (Stefan Trechsel/Dean Crameri, in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich/St. Gallen 2021, nachfolgend PK StGB, Art. 140 StGB N 12, mit weiteren Hinweisen).

 

Der räuberische Diebstahl setzt somit einen vollendeten Diebstahl voraus. Vollendet ist der Diebstahl mit der Herstellung eines neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams nach dem Willen des Täters. Nach der herrschenden Apprehensionstheorie ist dies der Fall, sobald der Täter die Sache ergriffen hat (Stefan Trechsel/Dean Crameri in: PK StGB, Art. 139 StGB N 11). Bei handlichen und leicht zu bewegenden Gegenständen reicht hierfür ein blosses Ergreifen und Festhalten in jedem Fall aus, wenn der Berechtigte seine ungehinderte Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Täters und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiedererlangen könnte.

 

Die Nötigungshandlung muss das Ziel haben, die Beute zu sichern, d. h. sich den Gewahrsam am Diebesgut zu erhalten. Vorausgesetzt ist allerdings nicht, dass die Sicherung der Beute einziges Handlungsziel ist. Will der Täter durch seine Nötigungshandlungen sowohl die Beute sichern als auch seine Flucht, so ist Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt, sofern es ihm nur primär um die Beutesicherung geht. Dienen die Nötigungshandlungen dagegen nur der Sicherung der Flucht des Diebes sollen sie nur verhindern, dass er erkannt wird, so liegt kein räuberischer Diebstahl, möglicherweise aber eine Nötigung i. S. v. Art. 181 in Konkurrenz mit einem Diebstahl i.S.v. Art. 139 StGB vor (Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht II, Basel 2019, nachfolgend zit. BSK StGB II, Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo, Art. 140 StGB N 52, mit weiteren Hinweisen).

 

1.2 Gemäss vorliegendem Beweisergebnis wollte D.___ den Beschuldigten mit Gewalt an der Flucht hindern, wogegen sich der Beschuldigte ebenfalls mit Gewalt wehrte. Dem Beschuldigten ging es darum, den Tatort zu verlassen. Dieses Motiv erschliesst sich nicht nur aus den Aussagen des Beschuldigten, sondern in aller Deutlichkeit auch aus den übereinstimmenden Aussagen der beiden Geschädigten, die an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden: E.___ sagte aus, der Beschuldigte habe einfach nur wegwollen. D.___ bestätigte dies mit den Worten, der Beschuldigte habe die Türe erreichen wollen, er habe unbedingt fliehen wollen, während es ihm (D.___) darum gegangen sei, den Eindringling (bis zum Eintreffen der Polizei) zurückzuhalten. Entlastend ergänzte er, es habe sich aus seiner Sicht um Abwehrreaktionen des Beschuldigten gehandelt, die er in einer solchen Situation als normal eingestuft habe. Die vom Beschuldigten angewendete Gewalt erschöpfte sich weitgehend in Gegenwehr gegen die im Rahmen der Notwehr durchaus rechtmässige und verhältnismässigen Gewaltanwendung von D.___ (und teilweise auch E.___). Zwar schilderten beide Geschädigten auch eine verbale Drohung des Beschuldigten, er habe eine Waffe und werde schiessen. Diese Drohung wurde jedoch von keinem der Geschädigten auch nur ansatzweise ernst genommen, da der Beschuldigte gar keine Waffe einsetzte und auch keine dabei hatte. Die wechselseitige handgreifliche Auseinandersetzung, deren Intensität nur unscharf umrissen werden kann, endete schliesslich, weil sich der Beschuldigte aus den Griffen von D.___ lösen und über die Eingangstüre den Tatort verlassen konnte. Einen Teil der Beute hatte der Beschuldigte zuvor – bedingt durch seine Gegenwehr und somit aufgrund seiner Fluchtbemühungen – fallen gelassen. Drei Schmuckstücke, welche er offensichtlich in den Taschen seiner Kleider verstaut hatte, nahm der Beschuldigte jedoch mit sich. Dieser Umstand könnte nun zur Annahme führen, die Handlungen des Beschuldigten hätten nicht bloss der Flucht, sondern zugleich der Beutesicherung gedient. Eine solche Betrachtungsweise hätte zur Folge, dass bei jeder unter Anwendung von Gewalt erfolgreichen Flucht des Täters der Tatbestand des räuberischen Diebstahls zu bejahen wäre, sofern dieser nicht zuvor sämtliche von ihm eingesteckten Gegenstände wieder auspacken und am Tatort hinlegen würde, was nicht zu überzeugen vermag. Entscheidend ist, dass im vorliegenden Fall die Handgreiflichkeiten des Beschuldigten unstrittig vom Fluchtgedanken getragen waren. In dieser Phase der wechselseitigen Auseinandersetzung war die Beutesicherung – aus der massgeblichen subjektiven Perspektive des Beschuldigten – nicht von Bedeutung. Dies legen auch die äusseren Umstände nahe: Der Beschuldigte liess den wertvolleren Teil seiner Beute – bedingt durch seine Gegenwehr – fallen. Die beiden Geschädigten schilderten keinerlei Bemühungen des Beschuldigten, die fallengelassenen Uhren wieder zu behändigen. Der Beschuldigte zielte mit der Gewaltanwendung in subjektiver Hinsicht nicht auf die Beutesicherung, sondern auf die Flucht ab. Am Rande sei diesbezüglich auch noch erwähnt, dass der Beschuldigte auch bisher in seiner durchaus eindrücklichen kriminellen Laufbahn nie Gewalt gegen Menschen anwendete, um Diebstähle zu begehen.

 

Der Tatbestand des Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist daher zu verneinen. Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt indes ohne weiteres den Tatbestand des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB, was auch vom Beschuldigten bzw. der Verteidigung unbestritten ist. Der Beschuldigte hat diesen Tatbestand sowohl hinsichtlich des Schmuckes als auch hinsichtlich der Uhren (an welchen er bereits Gewahrsam begründet hatte) vollendet.

 

2. Versuchter Diebstahl und Hausfriedensbruch zum Nachteil von K.___
(AZ 2.3/4.4)

 

Die rechtliche Qualifikation bedarf keiner vertieften Erläuterungen. Indem der Beschuldigte die Türklinke der Eingangstüre des Hauses von K.___ betätigte, hat er zwar noch nicht dessen Türschwelle überschritten, sehr wohl aber die «Schwelle» zur Tatvollendung, ab deren Erreichen es in aller Regel kein Zurück mehr gibt. Dass es dennoch nicht zum Diebstahl gekommen ist, lag lediglich daran, dass die Eingangstüre verschlossen war. Wäre die Türe nicht verschlossen gewesen, hätte nichts mehr den Beschuldigten daran gehindert, das Haus von K.___ zu betreten und dort Wertgegenstände zu entwenden. Mit dem Betreten des Eingangsbereiches und dem Betätigen der Türfalle hat der Beschuldigte jedoch den vom Hausfrieden geschützten Bereich des Geschädigten bereits betreten, weshalb ein vollendeter Hausfriedensbruch vorliegt. Der hierfür erforderliche Strafantrag stellte der Geschädigte innert der Frist von Art. 31 StGB am 24. Juli 2019. Es hat daher eine weitere Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB sowie wegen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB zu erfolgen.

 

3. Hausfriedensbruch zum Nachteil von C.___ (AZ 4.6)

 

Die Bestrafung wegen Hausfriedensbruch bedingt einen gültigen Strafantrag. Gemäss Art. 31 StGB erlischt das Antragsrecht nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. Erforderlich ist entgegen dem zu engen Wortlaut Kenntnis sowohl der Tat als auch des Täters (BGE 101 IV 116). Die Kenntnis von Tat und Täter muss so sicher und zuverlässig sein, dass die antragsberechtigte Person bei der Verfolgung des Betroffenen erhebliche Erfolgsaussichten hat und nicht selber riskieren muss, wegen übler Nachrede falscher Anschuldigung verfolgt zu werden. Einerseits genügt blosses «Kennenmüssen» blosser Verdacht nicht, doch braucht die antragsberechtigte Person andererseits noch über keine Beweismittel zu verfügen. Ein Strafantrag gegen unbekannte Täterschaft bewirkt nicht, dass die Frist zu laufen beginnt. Was die Berechnung der Frist betrifft, so wird der Tag, an dem die verletzte Person die nötige Kenntnis hat, nicht mitgezählt. Gemäss Art. 110 Abs. 6 StGB wird der Monat nach der Kalenderzeit berechnet, was so zu verstehen ist, dass ein Monat nicht zwingend 30 Tagen gleichzusetzen ist (BGE 127 II 176). Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag staatlich anerkannten Feiertag, so endet die Frist am darauffolgenden Werktag (OFK-StGB, 20. Aulf., 2018, N. 4, 6 f., 9).

 

Der Hausfriedensbruch zum Nachteil von C.___ ereignete sich in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 2019 und wurde der Polizei am 24. Juli 2019 durch eine Nachbarin, I.___ gemeldet (AS 232 f.). Der Strafantrag durch C.___ wurde am 25. Oktober 2019 gestellt (AS 236). Dem E-Mail vom 27. Februar 2020 seitens der Polizei Kanton Solothurn an die zuständige Staatsanwältin (AS 238) kann entnommen werden, dass C.___ durch die Polizei erst nach dem 7. Oktober 2019 über das Vorgefallene orientiert worden ist. Da es dem Beschuldigten nicht gelungen ist, ins Haus des Geschädigten einzudringen und auch nichts beschädigt worden ist, ist davon auszugehen, dass C.___ vor der Orientierung durch die Polizei gar keine Kenntnis von der Tat hatte. I.___ erwähnte zwar anlässlich ihrer Befragung vor der Vorinstanz, sie habe am nächsten Morgen über ihre Beobachtungen im «Nachbarchat» berichtet und ein Nachbar habe dann noch Bilder des «Täters» in den Chat gestellt. Diese Angaben sind jedoch zu unbestimmt, um C.___ konkret genügendes Wissen zu unterstellen, um einen Strafantrag stellen zu können. Sicherlich hatte er vor dem 7. Oktober 2019 jedoch keine Kenntnis von der Person des Täters. Daraus folgt, dass der Strafantrag von C.___ rechtzeitig gestellt worden ist.

Nun befindet sich in den Akten der Vorinstanz ein Schreiben von C.___ vom 15. September 2020 mit folgendem Inhalt (AS 1041): Titel: Rückzug Klage. «Gerne möchte ich die Klage gegen A.___ zurückziehen. Hintergrund ist die Tatsache, dass uns kein Schaden entstanden ist. Weder fehlen uns Wertgegenstände noch stellten wir Sachschäden am Haus fest. Die Angelegenheit hat ein Ausmass angenommen, was aus meiner Optik den Aufwand nicht mehr rechtfertigt». C.___ hat sich nie explizit als Privatkläger konstituiert. Auf dem Strafantragsformular wurde lediglich vermerkt, dass ihm mitgeteilt wurde, dass er mit Unterzeichnung des Strafantrages automatisch die Stellung eines Privatklägers erlange. Am 23. April 2020 wurde ihm durch die Staatsanwaltschaft ein Parteirechtsformular zugeschickt (AS 615.4 f.). Mit dem Schreiben der Staatsanwaltschaft wurde er nochmals darauf hingewiesen, dass er mit der Stellung des Strafantrages gemäss Art. 118 Abs. 2 StPO zum Privatkläger geworden ist. Er wurde daher gebeten, dass Parteirechtsformular bis 30. April 2020 zurückzusenden. Den Akten ist jedoch nicht zu entnehmen, dass C.___ das Formular retourniert hat. C.___ hat somit mit Ausnahme der Unterzeichnung des Strafantrages nie irgendwelche Schritte gegen den Beschuldigten unternommen. Sein Schreiben vom 15. September 2020, in welchem er mitteilt, er möchte seine Klage zurückziehen, kann daher – aus der Sicht eines Laien – nicht anders gedeutet werden, als dass C.___ seinen Strafantrag (den er offensichtlich als Klage interpretierte, eine andere Klage hat er ja nie erhoben) zurückziehen wollte. Daran ändert auch die Verfügung der Amtsgerichtsstatthalterin vom 25. September 2020, Ziff. 2 (AS 812), nichts. Mit diesem Rückzug des Strafantrages ist jedoch die Grundlage für eine Bestrafung des Beschuldigten wegen Hausfriedensbruchs zum Nachteil von C.___ dahingefallen. Das Strafverfahren ist daher diesbezüglich einzustellen.

 

 

VI. Strafzumessung und Rückversetzung

 

1. Allgemeine Ausführungen

 

1.1 Nach Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).

 

1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts wie um das Ausmass seiner Beeinträchtigung, aber auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier ist auch die Skrupellosigkeit, wie auch umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt weiter auch von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände berühren die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.

 

1.3 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch über im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.

 

1.4 Vorstrafen stellen eines von mehreren täterbezogenen Merkmalen dar und stei-gern das konkrete Tatverschulden nicht. Das Sachgericht darf Vorstrafen nicht wie eigenständige Delikte im Rahmen einer «nachträglichen Gesamtstrafenbildung» würdigen. Nicht zulässig ist es, eine am Tatverschulden ausgerichtete prozentuale Straferhöhung vorzunehmen, mit der Folge, dass die gleiche Vorstrafe sich je nach Tatverschulden unterschiedlich stark straferhöhend auswirkt. Damit würde aus dem täterbezogenen Strafzumessungskriterium des Vorlebens ein tatbezogenes gemacht, was der gesetzlichen Konzeption von Art. 47 Abs. 1 StGB widerspricht, wonach Tat- und Täterkomponenten voneinander unabhängige Strafzumessungsfaktoren sind. Auch kann keine Vorstrafe derart straferhöhend berücksichtigt werden, dass der Täter faktisch ein zweites Mal für die bereits abgeurteilte Tat bestraft wird. Dies liefe sowohl dem Einzeltatschuldprinzip als auch dem Grundsatz «ne bis in idem» zuwider (vgl. Urteil 6B_249/2014 vom 16.10.2014 E. 2.4.2 mit Hinweis). Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 25.8.2015, 6B_510/2015, kann indes eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung zu einer Straferhöhung von einem Drittel des Strafmasses führen.

 

1.5 Nach der Rechtsprechung kann ein Geständnis bei der Beurteilung des Nachtat-verhaltens im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht auf Reue schliessen lässt der Täter dadurch zur Tataufdeckung über den eigenen Tatanteil beiträgt (vgl. BGE 121 IV 202 E. 2d/cc S. 205). Dies liegt darin begründet, dass ein Geständnis zur Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens und zur Wahrheitsfindung beitragen kann. Erleichtert das Geständnis die Strafverfolgung indes nicht, etwa weil der Täter nur aufgrund einer erdrückenden Beweislage gar erst nach Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils geständig geworden ist, ist eine Strafminderung nicht angebracht (Urteil 6B_473/2011 vom 13.10.2011 E. 5.4 mit Hinweisen). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erscheint eine Strafreduktion zufolge eines im vorstehend beschriebenen Sinne relevanten Geständnisses im Umfang von 1/5 bis zu 1/3 als angemessen (Hans Wiprächtiger/Stefan Keller in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I, 4. Aufl., Basel 2019, nachfolgend zit. BSK StGB I, Art. 47 StGB N 170).

 

1.6 Gemäss Lehre und Rechtsprechung sind an das Kriterium der erhöhten Strafempfindlichkeit sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine Freiheitsstrafe trifft grundsätzlich jeden hart, weshalb nur ausnahmsweise von einer erhöhten Strafempfindlichkeit auszugehen ist (Hans Wiprächtiger/Stefan Keller in: BSK StGB I, Art. 47 StGB N 150). Dies betrifft grundsätzlich auch das fortgeschrittene Alter eines Beschuldigten. Das Bundesgericht hat mehrfach erkannt, dass allein wegen des vergleichsweise hohen Alters des Verurteilten die Strafe nicht gemindert werden muss (Urteil 6B_291/2012 vom 16.7.2013, E.6.3; Hans Mathys, Leitfaden Strafzumessung, Basel 2016, N 265). Auch gesundheitliche Probleme sind an sich nicht geeignet, die Strafe zu mindern. Sie können ausnahmsweise strafreduzierend wirken, allerdings nur, wenn Abweichungen vom Grundsatz einer einheitlichen Leidempfindlichkeit geboten sind, was etwa bei Gehirnverletzten, Schwerkranken Taubstummen der Fall sein kann (Hans Wiprächtiger/Stefan Keller in: BSK StGB I, Art. 47 StGB N 150, 152; Hans Mathys, a.a.O., N 264).

 

1.7 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen. Es darf dabei jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Das Gericht hat die Strafe zudem zu erhöhen, d.h. die Mindeststrafe darf nicht ausgefällt werden. Das Asperationsprinzip kommt indes nur zur Anwendung, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1 S. 58). Hat der Täter mehrere Straftatbestände verwirklicht, für die das Gesetz wahlweise Freiheits- Geldstrafe vorsieht, hat der Richter nach der sog. konkreten Methode bei jeder Tat gesondert zu entscheiden und zu begründen, welche Sanktionsart angemessen ist.

 

1.8 Nach Art. 34 Abs. 1 StGB beträgt die maximale Geldstrafe 180 Tagessätze. Gemäss der Art. 41 Abs. 1 StGB kann das Gericht statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn (a) eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten, (b) eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption somit ultima ratio und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; Urteil 6B_483/2016 vom 30.4.2018 E. 3.3. 3 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100 f. mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweis). Das Gericht hat im Urteil die Wahl der Sanktionsart zu begründen (Art. 50 StGB; Urteile 6B_523/2018 vom 23.8.2018 E. 1.2.3; 6B_483/2016 vom 30.4.2018 E. 4.3, zur Publikation vorgesehen).

 

Gemäss einem neueren Urteil des Bundesgerichts vom 26. Oktober 2018 (BGE 144 IV 313) darf das Gericht eine Geldstrafe nicht in eine Freiheitsstrafe umwandeln, weil die Höhe der ersteren zusammen mit weiteren, für gleichzeitig zu beurtei-lende Taten auszusprechenden hypothetischen Geldstrafen das in Art. 34 Abs. 1 StGB festgesetzte Höchstmass überschreitet. Dies hindert das Gericht indes nicht daran, aus den in Art. 41 Abs. 1 StGB erwähnten Gründen insgesamt für sämtliche Delikte auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen.

 

1.9 Wurde eine Straftat lediglich versucht, ist im Rahmen der Strafzumessung zuerst eine Einsatzstrafe für das gemäss den Vorstellungen des Beschuldigten vollendete Delikt auszusprechen. Diese ist hernach in Anwendung von Art. 22 Abs. 1 StGB zu mindern. Der Umfang der Strafminderung hängt einerseits vom Ausmass der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges, andererseits von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (BGE 121 IV 49 E. 1 sowie Urteile 6B_865/2009 E 1.6.1; 6B_42/2015 E 2.4.1).

 

1.10 Die tat- und täterangemessene Strafe ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der (schwersten) anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser wird durch Strafschärfungs- Strafmilderungsgründe nicht automatisch erweitert, worauf innerhalb dieses neuen Rahmens die Strafe nach den üblichen Zumessungskriterien festzusetzen wäre. Vielmehr ist der ordentliche Strafrahmen nur zu verlassen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angedrohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint. Die Frage einer Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens kann sich stellen, wenn verschuldens- bzw. strafreduzierende Faktoren zusammentreffen, die einen objektiv an sich leichten Tatvorwurf weiter relativieren, so dass eine Strafe innerhalb des ordentlichen Strafrahmens dem Rechtsempfinden widerspräche. Die verminderte Schuldfähigkeit allein führt deshalb grundsätzlich nicht dazu, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen. Dazu bedarf es weiterer, ins Gewicht fallender Umstände, die das Verschulden als besonders leicht erscheinen lassen (BGE 136 IV 55 E. 5.8 S. 63, mit Hinweisen).

 

1.11 Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile des Bundesgerichts 6B_1096/2010 vom 7.7.2011 E. 4.2; 6B_1048/2010 vom 6.6.2011 E. 3.2 und 6B_763/2010 vom 26.4.2011 E. 4.1). Um dieser Forderung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bereits zu Beginn der Strafzumessung die objektive Tatschwere ausdrücklich zu qualifizieren (etwa als leicht, mittel, schwer) um damit eine Grundlage für die spätere Gesamteinschätzung des (subjektiven) Verschuldens zu schaffen. Auf diese Weise wird bereits am Anfang der Strafzumessung eine erste ungefähre und hypothetische Einstufung der möglichen Strafe vorgenommen, etwa im Falle einer vorsätzlichen Tötung bei mittlerer Tatschwere im Bereich von 10 - 15 Jahren (bei leichter Tat-schwere 5 - 10 Jahre und in schweren Fällen 15 - 20 Jahre). Diese hypothetische ungefähre Einsatzstrafe gilt es dann anhand der weiteren Strafzumessungskriterien zu verfeinern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Verschuldensgewichtung und Einbettung des Strafmasses innerhalb des Strafrahmens im gesamten «Strafzumessungsverlauf» in Einklang stehen (vgl. auch SJZ 100/2004, S. 175 f.).

 

1.12 Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an (Art. 89 Abs. 1 StGB). Ist trotz des während der Probezeit begangenen Verbrechens Vergehens nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf eine Rückversetzung. Es kann den Verurteilten stattdessen verwarnen und die Probezeit um höchstens die Hälfte der von der zuständigen Behörde ursprünglich festgesetzten Dauer verlängern (Art. 89 Abs. 2 StGB). Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt und trifft diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 StGB eine Gesamtstrafe (Art. 89 Abs. 6 Satz 1 StGB). Aus dieser Formulierung ergibt sich zunächst, dass die Bildung einer Gesamtstrafe überhaupt nur in Betracht fällt, wenn die Reststrafe und die neu ausgefällte Freiheitsstrafe für die Probezeitdelikte zu vollziehen sind. Ist dies der Fall, so hat das Gericht gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB eine solche Gesamtstrafe in «Anwendung von Art. 49 StGB» zu bilden. Offenkundig kann es deshalb nicht die mutmassliche Meinung des Gesetzgebers (gewesen) sein, das System von Art. 49 StGB bei der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren unbesehen zu übernehmen. Ebenso wenig soll es insoweit aber zulässig sein, den Vorstrafenrest und die ausgefällte Strafe für die neuen Straftaten gemäss dem Kumulationsprinzip wie bisher einfach zu addieren. Es kann deshalb im Rahmen von Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 StGB nur darum gehen, dem Täter bei der Festlegung der Sanktion in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips – im Vergleich zum Kumulationsprinzip – eine gewisse Privilegierung zu gewähren, wenn sowohl die Freiheitsstrafe für das neue Delikt als auch die konkrete Reststrafe zum Vollzug anstehen. Das Gericht hat dabei methodisch stets von derjenigen Strafe als «Einsatzstrafe» auszugehen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausgefällt hat. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich der noch zu vollziehende Vorstrafenrest in der Regel keiner, also auch nicht einer allfällig schwersten Tat zuordnen lässt, da insbesondere bei Vorliegen mehrerer Straftaten nicht gesagt werden kann, welche Delikte des Täters durch Strafverbüssung bereits «abgegolten» bzw. welche noch «offen» sind. Die für die neuen Straftaten ausgefällte Freiheitsstrafe bildet als Einsatzstrafe die Grundlage der Asperation. Das Gericht hat diese folglich mit Blick auf den Vorstrafenrest angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamtstrafe im Rückversetzungsverfahren (BGE 135 IV 146 E. 2.4.1).

 

2. Konkrete Strafzumessung und Entscheid über die Rückversetzung

 

2.1 Bestimmung der Einsatzstrafe für das schwerste Delikt

 

Vorliegend handelt es sich beim vollendeten Diebstahl zum Nachteil von D.___ und E.___ um die schwerste vom Beschuldigten verübte Straftat. Hierfür ist eine Einsatzstrafe festzulegen. Beim Ausmass des verschuldeten Erfolges ist zu berücksichtigen, dass der Deliktsbetrag dieses Vermögensdelikts mit CHF 3'920.00 zwar nicht ausserordentlich hoch ist. Indessen hängt bei Einbruch- Einschleichdiebstählen in Einfamilienhäusern der effektive finanzielle Deliktserfolg hauptsächlich vom Zufall ab. Dem Täter, der den Aufwand und das Risiko auf sich nimmt, in eine fremde Liegenschaft einzutreten, um einen Diebstahl zu begehen, ist grundsätzlich zu unterstellen, dass er nach möglichst wertvoller Beute, die sich zudem leicht abtransportieren lässt und leicht verkäuflich ist, Ausschau hält. Im Fokus stehen dabei v.a. Bargeld und Schmuck. Im Rahmen der objektiven Tatschwere ist jedoch zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Eindringen in eine bewohnte Liegenschaft grundsätzlich einen sehr schweren Eingriff in die individuellen Rechtsgüter der Betroffenen darstellt. Es ist allgemein bekannt, dass eine solche Tat für die Betroffenen meist eine einschneidende und anhaltende Verunsicherung bis hin zu schwerwiegenden psychischen Problemen nach sich ziehen kann. Dies ist genauso straferhöhend zu gewichten, wie der Umstand, dass es sich beim Beschuldigten um einen klassischen Kriminaltouristen handelt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_510/2013 vom 3.3.2014 E. 4.4). Der Umstand, dass es sich vorliegend nicht um einen eigentlichen Einbruchdiebstahl, sondern um einen sogenannten Einschleichdiebstahl handelte, mindert das Verschulden keineswegs. Der Beschuldigte betrat abends zwischen 21:00 Uhr und 22:00 Uhr die unverschlossene Liegenschaft des D.___ und E.___, das sich im Wohnzimmer befand und am Fernsehen war. Nach seinen eigenen Ausführungen vor Obergericht habe er bereits von aussen jede Regung im Innern des Gebäudes wahrnehmen können. Er wusste um die Präsenz der Hausbewohner und die Konfrontation mit ihnen konnte für den Beschuldigten somit nicht überraschend gewesen sein. Die Annahme des Beschuldigten, er hätte trotz deren Anwesenheit unbemerkt die Liegenschaft betreten, hierauf in den oberen Stock gelangen, dort Wertgegenstände ausfindig machen und behändigen und schliesslich das Haus über den Haupteingang im Parterre wiederum unbeobachtet verlassen können, erweist sich als abwegig. Überrascht konnte er demnach nicht von der Konfrontation an sich, sondern (wenn überhaupt) nur davon sein, wie resolut das Ehepaar im Rentneralter von seinem Notwehrrecht Gebrauch machte, ohne jedoch dessen Grenzen zu überschreiten. Das Vorgehen des Beschuldigten, quasi seelenruhig ein fremdes Haus zu betreten im Wissen darum, dass dessen Hausbewohner vor Ort und noch wach sind, zeugt von beachtlicher Skrupellosigkeit und Kaltschnäuzigkeit. Auch wenn der Beschuldigte nicht bewaffnet war und von den Geschädigten auch nicht als aggressiv beschrieben wurde, darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass eine Konfrontation mit Hausbewohnern im Rahmen eines Einschleichdiebstahls immer ein erhebliches Risiko birgt, ausser Kontrolle zu geraten und unter Umständen schlimm enden kann. So entwickelte sich denn auch ein Gerangel, das nicht bloss Sekunden, sondern zumindest ein paar wenige Minuten andauerte und durchaus von einer gewissen Dynamik geprägt war.

 

In subjektiver Hinsicht relativiert sich das erhebliche objektive Tatverschulden keineswegs. Der Beschuldigte handelte mit direktem Vorsatz und aus egoistischen Beweggründen. Aufgrund der Aussage des Beschuldigten, zusammen mit seiner Ehefrau eine existenzsichernde Rente zu beziehen, kann auch abgeleitet werden, dass der Beschuldigte nicht darauf angewiesen war, durch strafbare Handlungen zu einem Zusatzeinkommen zu gelangen. Auch sonst sind keinerlei Gründe ersichtlich, die den Beschuldigten daran gehindert hätten, sich wohl zu verhalten. Der Umstand, dass der Beschuldigte in seinem Alter nach wie vor Einbrüche, resp. Einschleichdiebstähle verübt, anstatt den Ruhestand zu geniessen, zeugt von doch eindrücklicher krimineller Energie.

 

Ausgehend von einem gerade noch leichten Tatverschulden und einem ordentlichen Strafrahmen, der sich nach oben bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe erstreckt, erscheint insgesamt eine Einsatzstrafe von 16 Monaten für den Diebstahl zum Nachteil von D.___ und E.___ angemessen.

 

2.2 Asperation hinsichtlich weiterer Delikte

 

Vorwegzunehmen ist, dass der Beschuldigte für sämtliche weiteren Delikte – mit Ausnahme der Hinderung einer Amtshandlung (vgl. hierzu nachfolgende Ziff. VI.2.6) – mit einer Freiheitsstrafe zu bestrafen ist, da ein Blick ins Strafregister (OGer AS 62 ff.) klar zeigt, dass sich der Beschuldigte von Geldstrafen kaum beeindrucken lassen wird.

 

In Bezug auf den Vorhalt zum Nachteil von K.___ ist festzustellen, dass sich für den Beschuldigten eine Konfrontation mit dem Geschädigten allenfalls Nachbarn (wozu es ja hinsichtlich I.___ auch kam) in Anbetracht des Tatobjektes (Privatliegenschaft innerhalb einer Wohnsiedlung) und der Tatzeit (22:41 bis 22:42 Uhr) als durchaus wahrscheinlich aufdrängen musste. Diesen Diebstahlsversuch beging der Beschuldigte ein halbes Jahr nach dem Einschleichdiebstahl zum Nachteil des D.___ und E.___ (Vorhalt gemäss AKZ 1) und die Vorgehensweise ist, was die beabsichtigte Tat anbelangt, identisch mit dem letztgenannten Delikt. Die Darstellung des Beschuldigten vor Obergericht, wonach die handgreifliche Auseinandersetzung bei dem Ehepaar D.___ und E.___ sinngemäss zum Wendepunkt in seinem Leben geworden sei und er zur Erkenntnis gelangt sei, die Delinquenz nun endgültig sein zu lassen, wird angesichts dieser Chronologie der Ereignisse entkräftet.

 

Für den vollendeten Diebstahl wäre von einer Einsatzstrafe von 12 Monaten auszugehen. Zufolge Versuchs ist die Strafe auf 8 Monate zu reduzieren, was zu einer asperationsweisen Erhöhung der Einsatzstrafe um 4 Monate führt.

 

Der Hausfriedensbruch zum Nachteil von K.___ ist mit einem Monat zu veranschlagen, jener zum Nachteil des D.___ und E.___, der noch dreister war, ist mit 1 ½ Monaten zu veranschlagen, was in Anwendung des Asperationsprinzips zu einer Straferhöhung von insgesamt einem weiteren Monat führt.

 

Was die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt anbelangt, bestätigte der Beschuldigte vor Obergericht, dass er unmittelbar nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug am 16. November 2018 die Schweiz verlassen habe (vgl. OGer AS 77). Das Einreiseverbot vom 16. März 2018 erfolgte notabene wegen seiner regelmässigen strafbaren Handlungen. Dennoch reiste der Beschuldigte bereits kurze Zeit nach der (bedingten) Entlassung aus einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wiederum in die Schweiz ein, um hier weitere Delikte zu begehen. Auf diese Weise manifestierte er, sich keinen Deut um das verhängte Einreiseverbot zu scheren. Es rechtfertigt sich (wiederum unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips) eine weitere Straferhöhung um einen Monat, so dass vor Berücksichtigung der Täterkomponente eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten resultiert.

 

2.3 Täterkomponente

 

Aus den spärlichen Angaben in den Akten und den Aussagen des Beschuldigten vor erster Instanz und im Vorverfahren ist über dessen Vorleben folgendes bekannt:

 

Der Beschuldigte ist am 28. August 1947 geboren und deutscher Staatsangehöriger. Gemäss Angaben des Beschuldigten bei der polizeilichen Befragung zur Person (AS 676 f.) sei er verheiratet und habe zwei Kinder sowie drei Enkelkinder. Anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung ergänzte der Beschuldigte, dass er schon seit 45 Jahren verheiratet sei. Vor seiner Verhaftung sei er in Deutschland wohnhaft gewesen. Dort wohne er seit ungefähr 30 Jahren. Er habe mehrere abgeschlossene Ausbildungen, insb. in technischer Hinsicht. Aktuell erziele er zusammen mit seiner Frau ein hinreichendes Renteneinkommen (AS 934). Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes machte der Beschuldigte im Rahmen der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft nach vorläufiger Festnahme (AS 463 ff.) geltend, er habe zwei Thrombosen und Lungenembolien. Er sei deshalb körperlich erheblich geschwächt. Im Haftverfahren reichte der Beschuldigte einen Arztbericht von Dr. […] vom 12. April 2013 ein, worin über ein postthrombotisches Syndrom nach «3/12 Thromboembolie (fulminante Lungenembolie, 3-Etagen-Phlebothrombose) mit noch ausgedehnten Restthromben berichtet wird (AS 539). Im Rahmen der Beurteilung der Hafterstehungsfähigkeit berichtete Dr. […] am 26. Oktober 2019, der Beschuldigte habe gemäss eigenen Angaben vor sechs Jahren eine tiefe Beinvenenthrombose und Lungenembolie sowie vor ca. sechs Monaten nach Absetzen der Blutverdünnung und bei Bluthochdruck ein Rezidiv einer tiefen Beinvenenthrombose erlitten. Gemäss Untersuchung sei der Beschuldigte in gutem Allgemeinzustand und leide an keinerlei aktuellen Beschwerden. Der Blutdruck sei im normalen Bereich. Die Hafterstehungsfähigkeit wurde bejaht.

 

Vor Obergericht machte der Beschuldigte zu seiner Person ergänzende Angaben, ohne dass sich daraus ein im Ergebnis klareres Bild über sein Vorleben ergab. Befragt nach den Ursachen seiner Delinquenz, deutete der Beschuldigte mit dem Verweis auf die «Kinder der Landstrasse» an, dass ihm bereits in jungen Jahren schweres Unrecht widerfahren sei, wobei sein Schicksal noch wesentlich schlimmer gewesen sei als jenes dieser Kinder. Konkreteres wollte der Beschuldigte dann aber nicht preisgeben und machte geltend, diese Vorgänge seien nach wie vor schambesetzt und würden den Rahmen dieser Verhandlung sprengen (OGer AS 79 f.). Was der Beschuldigte durchlebte und inwiefern diese Ereignisse in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner jahrelangen Delinquenz stehen, blieb bis zum Schluss offen. Konfrontiert mit seinen vielen deliktischen Rückfällen, verwies der Beschuldigte vor Obergericht auf seine deutlich gesenkte Hemmschwelle und sein stark reduziertes Angstpotenzial (OGer AS 79 f.). Zugleich schilderte er, wie er ausserhalb seiner Zeit im Strafvollzug in Norddeutschland ein ganz normales Leben führe und Spass darin finde, im eigenen Garten zu arbeiten, spazieren zu gehen, die Enkelkinder von der Schule abzuholen und mit diesen Hausaufgaben zu machen (OGer AS 81). Sofern die vom Beschuldigten behauptete gute soziale und familiäre Integration den Tatsachen entsprechen sollte, bleibt unklar, weshalb diese keine stützende und mit Blick auf die Delinquenz präventive Wirkung entfalten konnte.

 

Im Schweizerischen Strafregister ist der Beschuldigte aktuell mit insgesamt vier Vorstrafen verzeichnet (OGer AS 63 ff.):

 

Am 31. Mai 2005 wurde er vom Kantonsgericht Schwyz wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und mehrfachen Verweisungsbruchs zu 28 Monaten Zuchthaus verurteilt.

 

Am 18. März 2008 wurde er vom Strafgericht Basel-Landschaft wegen gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und mehrfacher Missachtung der Einreisesperre zu einer Freiheitsstrafe von 25 Monaten verurteilt.

 

Am 4. August 2009 wurde der Beschuldigte vom Kantonsgericht Basel-Landschaft wegen versuchten Diebstahls, Hausfriedensbruchs und rechtswidriger Einreise zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt.

 

Am 22. März 2016 schliesslich folgte eine Verurteilung durch das Kantonsgericht Basel-Landschaft wegen mehrfachen sowie gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie rechtswidriger Einreise und rechtswidrigem Aufenthalt zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren.

 

Im Deutschen Strafregister ist der Beschuldigte ebenfalls eingetragen, jedoch liegen diese Verurteilungen so weit zurück, dass sie nach schweizerischen Grundsätzen (Art. 369 StGB) bereits entfernt worden wären. Die Auszüge aus dem deutschen Strafregister können dem Beschuldigten daher nicht mehr entgegengehalten werden.

 

Insgesamt zeugen die Vorstrafen des Beschuldigten von einer eindrücklichen Unbelehrbarkeit. So beging der Beschuldigte die im vorliegenden Verfahren schwerste Straftat (Einschleichdiebstahl zum Nachteil des D.___ und E.___) lediglich knapp zwei Monate nach seiner bedingten Entlassung aus einer sechsjährigen Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Delikte. Diese exemplarische Uneinsichtigkeit legte der Beschuldigte auch durch sein Verhalten im Strafverfahren an den Tag. Von einem Geständnis als Ausdruck von Reue und Einsicht kann keine Rede sein. Vielmehr sieht sich der Beschuldigte als Opfer völlig ungerechtfertigter physischer Misshandlungen durch das Ehepaar D.___ und E.___ und verunglimpft damit die tatsächlichen Opfer. Ausdruck dieser Rollenumkehr ist auch seine Aussage vor Obergericht, das Ehepaar D.___ und E.___ hätten an jenem Abend ein Erfolgserlebnis gehabt. Fakt ist, dass sich D.___ und E.___ gegen den Beschuldigten, der in ihre Privatsphäre eingedrungen war, wehren durften und die Grenzen der Notwehr nie überschritten. Anstatt Einsicht in das Unrecht seiner Taten zu bezeugen, kritisiert der Beschuldigte immer wieder die Schweiz pauschal für irgendwelches Fehlverhalten aus der Gegenwart Vergangenheit sowie die Justiz im Besonderen. Dies scheint beim Beschuldigten System zu haben, erachtete er doch bereits das frühere Strafverfahren im Kanton Basel-Landschaft als rechtsstaatlich unhaltbar. Insgesamt imponiert der Beschuldigte doch durch eine Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit die selbst im Quervergleich mit anderen Rechtsbrechern seinesgleichen sucht. Was die übrigen persönlichen Verhältnisse anbelangt, vermag der Beschuldigte daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Insbesondere ist auch eine erhöhte Strafempfindlichkeit zu verneinen. Der Beschuldigte mit Jahrgang 1947 ist zwar in fortgeschrittenem Alter, kann jedoch durchaus als fitter und «rüstiger» Rentner bezeichnet werden. Mit Blick auf die vorstehenden allgemeinen Erwägungen zur Strafempfindlichkeit zufolge angeschlagener Gesundheit fortgeschrittenen Alters ist eine erhöhte Strafempfindlichkeit klar zu verneinen.

 

Strafmindernd wird in der Regel die Anordnung einer Landesverweisung als Massnahme mit pönalem Charakter berücksichtigt. Wenn sich aber der Beschuldigte (wie vorliegend) nur zur Begehung von Delikten in der Schweiz aufhält, ansonsten aber hier über keine beruflichen sozialen Bindungen und insbesondere über keinen legalen Aufenthaltstitel verfügt (das SEM hat gegen ihn ein Einreiseverbot verfügt), ist eine Strafreduktion wegen der angeordneten Landesverweisung nicht angezeigt.

 

Die tatbezogene Einsatzstrafe von gesamthaft 22 Monaten ist zufolge des deliktisch doch stark belasteten Vorlebens und der eindrücklichen Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit deutlich zu erhöhen. Eine Erhöhung um 5 Monate auf 27 Monate erscheint angemessen.

 

Das Haftgericht hat mit Verfügung vom 9. Oktober 2020 (AS 861 ff.) eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen (Art. 5 Abs. 2 StPO) durch die Vorinstanz festgestellt. Diese Verletzung, welche im nachfolgenden Urteilsdispositiv festzuhalten ist, erweist sich – im Quervergleich mit anderen Fällen – als eher leicht. Es rechtfertigt sich deswegen eine Strafreduktion um 2 Monate auf 25 Monate Freiheitsstrafe.

 

2.4 Vollzugsform

 

Diese Strafe ist zwingend zu vollziehen. Die Voraussetzungen für den teilweisen Strafaufschub nach Art. 43 StGB sind nicht erfüllt. Aufgrund der Verurteilung zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe im Jahre 2016 käme ein teilbedingter Strafvollzug nur in Frage, wenn besonders günstige Verhältnisse vorlägen (vgl. die Bestimmung von Art. 42 Abs. 2 StGB, welche auch für den teilbedingten Strafvollzug zur Anwendung gelangt: BGE 134 IV 1 E. 5.3.1). Solche sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Dem Beschuldigten muss vielmehr aufgrund seiner vielen einschlägigen Vorstrafen und der ausgeprägten Uneinsichtigkeit in das Unrecht seiner Taten eine Schlechtprognose gestellt werden.

2.5 Entscheid über die Rückversetzung und Bildung der Gesamtstrafe

 

Dass angesichts der denkbar schlechten Prognose hinsichtlich künftigen Wohlverhaltens des Beschuldigten die Rückversetzung bezüglich der Reststrafe (478 Tage Freiheitsstrafe) anzuordnen ist (Art. 89 Abs. 1 StGB), bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Ausgehend von der Freiheitsstrafe von 25 Monaten für die neuen Straftaten erscheint in Anbetracht des Vorstrafenrests von 478 Tagen – in gemässigter Anwendung des Asperationsprinzips (vgl. hierzu vorstehende Ziff. VI.1.12) – eine weitere Straferhöhung um 12 Monate als angemessen. Der Beschuldigte ist somit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 37 Monaten zu verurteilen.

 

2.6 Geldstrafe

 

Für die Hinderung einer Amtshandlung ist mit der Vorinstanz eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 10.00 zu verhängen.

 

2.7 Anrechnung Haft

 

Die ausgestandene Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft (25.10.2019 - 7.9.2021) ist an die Hauptsanktion (Freiheitsstrafe von 37 Monaten) anzurechnen (Art. 51 StGB).

 

2.8 Sicherheitshaft

 

Es wird festgestellt, dass mit separatem Beschluss der Strafkammer vom 7. September 2021 für den Fall einer Beschwerde in Strafsachen mit aufschiebender Wirkung zur Sicherung des Strafvollzuges Sicherheitshaft angeordnet wurde. Es kann vollumfänglich auf den separaten Beschluss (OGer AS 90 ff.) verwiesen werden.

 

 

VII. Genugtuung

 

1. Mit Beschluss vom 5. Februar 2021 wies die Beschwerdekammer des Obergerichts die Beschwerde des Beschuldigten gegen die angeordnete Verlängerung der Sicherheitshaft ab (AS 1050 ff.). Sie kam zum Schluss, die Vorinstanz habe das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Die Staatsanwaltschaft habe vor Amtsgericht keinen Antrag auf Sicherheitshaft gestellt und die Vorinstanz habe dem Beschwerdeführer vor Anordnung der Sicherheitshaft keine Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äussern (AS 1053). Die Beschwerdekammer sah von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz ab, weil sie darin einen formalistischen Leerlauf erblickte: Angesichts der vollen Kognition der Beschwerdekammer und des dem Beschuldigten gewährten rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren sei von einer Heilung der Gehörsverletzung auszugehen (AS 1054). Auf das Begehren des Beschwerdeführers, es sei ihm wegen der widerrechtlichen Haft eine angemessene Entschädigung zuzusprechen, ging die Beschwerdekammer nicht näher ein (vgl. Erw. 5, AS 1056), da Haftentschädigungsbegehren nicht im Haftprüfungsverfahren zu entscheiden seien (mit Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung).

 

2. Vor Obergericht beantragt die amtliche Verteidigerin, es sei der Beschuldigte für die rechtswidrige Sicherheitshaft vom 11. Dezember 2020 bis 26. Februar 2021 angemessen zu entschädigen (vgl. Verfahrensprotokoll).

 

3. Im vorliegenden Fall verlängerte das Haftgericht mit Verfügung vom 9. Oktober 2020 (AS 861 ff.) die Sicherheitshaft gegen den Beschuldigten bis am 11. Dezember 2020 (vgl. Dispositiv-Ziff. 1, AS 866). Ab dem 12. Dezember 2020 fehlte ein formgültiger Hafttitel, da die von der Vorinstanz angeordnete Haftverlängerung an einem Formfehler (Verletzung des rechtlichen Gehörs) litt. Dieser rechtswidrige Zustand endete, nachdem dem Beschuldigten das rechtliche Gehör im Beschwerdeverfahren gewährt worden war und die Beschwerdekammer mit Beschluss vom 5. Februar 2021 die Voraussetzungen für die Verlängerung der Sicherheitshaft bejaht hatte. Es ist folglich im nachfolgenden Urteilsdispositiv festzuhalten, dass die gegen den Beschuldigten angeordnete Sicherheitshaft mangels formgültigen Hafttitels zwischen dem 12. Dezember 2020 und dem 5. Februar 2021 rechtswidrig war.

 

4. Der Beschuldigte hat aufgrund der rechtswidrigen Inhaftierung vom 12. Dezember 2020 bis 5. Februar 2021 gestützt auf Art. 431 Abs. 1 StPO Anspruch auf eine Genugtuung. Dieser Anspruch ist von Amtes wegen zu prüfen. Bei der Frage der konkreten Höhe der Genugtuung kommt dem Gericht Ermessen zu. Die Verteidigung verzichtete darauf, einen konkreten Betrag zu beantragen und verwies auf den Grundsatz der Angemessenheit. Zu berücksichtigen ist, dass sich der Beschuldigte am 12. Dezember 2020 bereits annähernd 14 Monate in Haft befand (Haftantritt am 25.10.2019). Der Eingriff ist somit nicht vergleichbar mit Konstellationen, bei welchen einer Person erstmals die Freiheit entzogen und diese aus einem intakten familiären, sozialen und beruflichen Umfeld herausgerissen wird. Zu beachten ist auch, dass der Entscheid der Vorinstanz in formeller, nicht aber in materieller Hinsicht fehlerhaft war. Die materiellen Voraussetzungen für die Verlängerung der Haft lagen vor. Hinzu kommt, dass sämtliche erstandenen Tage in Haft (mithin auch jene vom 12.12.2020 - 5.2.2021) in Anwendung von Art. 51 StGB an die Freiheitsstrafe angerechnet werden können, so dass sich diese Sanktion um 684 Tage reduziert. Diese Möglichkeit der Anrechnung entfällt, wenn der Staat dem Beschuldigten eine Genugtuung zufolge Überhaft (Art. 431 Abs. 2 StPO) zufolge eines Freispruches (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO) bezahlen muss. Bei diesen beiden Konstellationen kommt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. 6B_574/2010 vom 31.1.2011 E. 2.3) in der Regel ein Ansatz von CHF 200.00 pro Hafttag zur Anwendung, sofern es sich um einen kürzeren Freiheitsentzug handelt. Bei einer längeren Inhaftierungsdauer hat eine Reduktion dieses Ansatzes zu erfolgen. In Anbetracht der vorgenannten Besonderheiten ist ein deutlich tieferer Betrag angezeigt. Angemessen erscheint ein Genugtuungsbetrag von pauschal CHF 2'000.00.

 

5. Die besondere Natur der Genugtuung verlangt eine tatsächliche Erfüllung im Sinne von Art. 125 Ziff. 2 OR. Die Genugtuung darf demnach nicht mit den vom Beschuldigten zu bezahlenden Verfahrenskosten zur Verrechnung gebracht werden (vgl. BGE 147 IV 55 E. 2.5 und 2.6 sowie BGE 139 IV 243 E. 5).

 

 

VIII. Kosten- und Entschädigungsfolgen

 

1. Erstinstanzliches Verfahren

 

1.1 Die Vorinstanz hat die Urteilsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 8'000.00 festgesetzt. Der Beschuldigte verlangt eine Reduktion dieser Gebühr und lässt vor Berufungsgericht von seiner Verteidigerin geltend machen, die Gebühr sei massiv überhöht. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Der Vorinstanz hat bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr einen Ermessensspielraum. Der kantonale Gebührentarif (GT, BGS 615.11) sieht für Urteile eines Amtsgerichts eine Staatsgebühr von minimal CHF 80.00 und maximal CHF 75'000.00 vor (§ 146 Abs. 1 lit. b GT). Die Vorinstanz hat ihr Ermessen pflichtgemäss ausgeübt. Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bildete eine Vielzahl von Vorhalten. Deren Prüfung war aufwändig und anspruchsvoll, so dass die Urteilsgebühr in der Höhe von CHF 8'000.00 zu bestätigen ist. Mit den (unbestrittenen) weiteren Kosten (insbesondere Auslagen) ergeben sich CHF 15’000.00.

 

1.2 Zutreffend ist demgegenüber der Einwand der Verteidigung in Bezug auf die Aufteilung dieser Kosten. Die Kostenverlegung der Vorinstanz erscheint mit 3/4 zu Lasten des Beschuldigten angesichts der doch beträchtlichen Freisprüche als deutlich zu streng. Angemessen erscheint es, dem Beschuldigten, wie von der Verteidigung beantragt, 50 % der erstinstanzlichen Verfahrenskosten (= CHF 7'750.00) aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 3 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO). Die verbleibenden CHF 7'750.00 erliegen auf dem Staat (Art. 423 Abs. 1 StPO).

 

1.3 Es wird festgestellt, dass gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziffer 10 des erstinstanzlichen Urteils die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, Solothurn, für das erstinstanzliche Verfahren auf total CHF 17'712.00 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, bezahlt worden ist.

 

Vorzubehalten ist der Rückforderungsanspruch des Staates, der ebenfalls auf 50 %, somit CHF 8'856.00, zu beschränken ist (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO). Der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin, der ebenfalls vorzubehalten ist (Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO), macht ½ der Differenz zum vollem Honorar aus. Ausgehend von einem vollen Honorar von CHF 4'614.95 (vgl. US 32) sind dies CHF 2'307.50.

 

2. Berufungsverfahren

 

2.1 Für das Berufungsverfahren, in welchem gewisse Urteilspunkte nicht mehr zu überprüfen waren, ist die Urteilsgebühr auf CHF 3'000.00, total CHF 3'190.00, festzusetzen.

 

Der Beschuldigte unterliegt im Berufungsverfahren grösstenteils. Lediglich in Bezug auf einen Vorhalt (Hausfriedensbruch zum Nachteil von C.___ gemäss AKZ 4.6) erfolgt nun (im Unterschied zur Vorinstanz) eine Verfahrenseinstellung. Zudem erreichte der Beschuldigte eine andere Verlegung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten. In Anbetracht dieses Verfahrensausganges hat der Beschuldigte von den Kosten des Berufungsverfahrens 4/5 (= CHF 2'552.00) zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). 1/5 (= CHF 638.00) erliegen auf dem Staat Solothurn.

 

2.2 Die von der amtlichen Verteidigerin eingereichte Honorarnote für das Berufungsverfahren setzt sich aus einem Aufwand (inkl. Abschlussarbeiten, jedoch exkl. HV und Urteilseröffnung) von 8,83 Stunden, Auslagen von CHF 78.00 und 7,7 % MWST zusammen, was sich als angemessen erweist. Hinzu zu rechnen sind 4 Stunden zu je CHF 180.00 für die HV und Urteilseröffnung, womit – auf der Grundlage eines Stundenansatzes von CHF 180.00 für das amtliche Mandat – eine Entschädigung von total CHF 2'571.25 (Aufwand. CHF 2'309.40, Auslagen: CHF 78.00, 7,7 % MWST auf CHF 2'387.40: CHF 183.85) resultiert, die Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, auszubezahlen ist. Vorzubehalten sind der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von CHF 2'057.00 (= 4/5 von CHF 2'571.25) sowie der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin im Umfang von CHF 552.70 (= 4/5 der vollen Differenz, welche sich wie folgt berechnet: 12,83 Stunden x CHF 50.00 [CHF 230.00 – CHF 180.00], zzgl. 7,7 % MWST).

Demnach wird in Anwendung von Art. 33 Abs. 1, Art. 34, Art. 40, Art. 47, Art. 49 Abs. 1, Art. 51, Art. 66a Abs. 1 lit. d, Art. 69, Art. 89 Abs. 1 und 6, Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs.1, Art. 139 Ziff. 1, Art. 186, Art. 286 StGB; Art. 115 Abs. 1 lit. a, Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG; Art. 126 Abs. 2 lit b und d, Art. 135, Art. 423 Abs. 1, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und 3 sowie Art. 431 Abs. 1 StPO beschlossen und erkannt:

1.      Es wird festgestellt, dass das Verfahren gegen den Beschuldigten A.___ wegen Hausfriedensbruchs zum Nachteil von F.___ (AKZ 4.5) gemäss rechtskräftigen Ziffer 1 des Urteils des Amtsgerichts von Dorneck-Thierstein vom 10. Dezember 2020 (nachfolgend erstinstanzliches Urteil) eingestellt worden ist.

2.    Das Verfahren gegen A.___ wegen Hausfriedensbruchs zum Nachteil von C.___ (AKZ 4.6) wird eingestellt.

3.    Es wird festgestellt, dass A.___ gemäss dem erstinstanzlichen Urteilrechtskräftig freigesprochen worden ist vom Vorhalt:

-       des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von G.___ (AKZ 2.1 und 4.2; Ziffer 2.1 des erstinstanzlichen Urteils);

-       des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von H.___ (AKZ 2.2 und 4.3; Ziffer 2.2 des erstinstanzlichen Urteils);

-       des versuchten Diebstahls zum Nachteil von F.___ (AKZ 2.4; Ziffer 2.3 des erstinstanzlichen Urteils);

-       des versuchten Diebstahls zum Nachteil von C.___ (AKZ 2.5);

-       des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von I.___ (AKZ 2.6 und 4.7; Ziffer 2.4 des erstinstanzlichen Urteils);

-       des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von J.___ (AKZ 2.7 und 4.8; Ziffer 2.5 des erstinstanzlichen Urteils);

-       des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs zum Nachteil von L.___ (AKZ 2.8 und 4.9; Ziffer 2.6 des erstinstanzlichen Urteils);

-       der einfachen Körperverletzung (AKZ 1);

-       der Sachbeschädigung (AKZ 3).

4.    Es wird festgestellt, dass sich A.___ gemäss dem erstinstanzlichen Urteil rechtskräftig schuldig gemacht hat:

-     des Hausfriedensbruchs, begangen am 14. Januar 2019, in der Zeit von ca. 21:10 Uhr bis 21:30 Uhr in [Ort1], [Strasse1], zum Nachteil von D.___ und E.___ (AKZ 4.1, teilweise Ziff. 3.1 des erstinstanzlichen Urteils);

-       der Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz durch Missachtung des Einreiseverbots und durch rechtswidrigen Aufenthalt, begangen in der Zeit vom 14. Januar 2019 bis 25. Oktober 2019, um 23:15 Uhr in [Ort2], [Strasse3], sowie an anderen unbekannten Orten (AKZ 5; Ziffer 3.4 des erstinstanzlichen Urteils);

-       der Hinderung einer Amtshandlung, begangen am 25. Oktober 2019, ca. 23:15 Uhr in [Ort3], Grenzübergang (AKZ 6; Ziffer 3.5 des erstinstanzlichen Urteils).

5.    A.___ hat sich zudem schuldig gemacht:

       -    des Diebstahls, begangen am 14. Januar 2019, in der Zeit von ca. 21:10 Uhr bis 21:30 Uhr in [Ort1], [Strasse1], zum Nachteil von D.___ und E.___ (AKZ 1);

       -    des versuchten Diebstahls sowie des Hausfriedensbruchs, begangen am 23. Juli 2019, in der Zeit von 22:41 Uhr bis 22:42 Uhr, in [Ort4], [Strasse1], zum Nachteil von K.___ (AKZ 2.3 und 4.4).

6.    Die A.___ von der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft am 6. November 2018 für eine Reststrafe von 478 Tagen gewährte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug per 16. November 2018 wird widerrufen.

7.    Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot (in Haftsachen) verletzt worden ist.

8.    A.___ wird verurteilt:

-       (unter Einbezug der Reststrafe gemäss Ziff. 6 hiervor) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 37 Monaten;

-       zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 10.00.

9.    Es wird festgestellt, dass A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 7 des erstinstanzlichen Urteils für 15 Jahre des Landes verwiesen wird.

10.  A.___ wird die ausgestandene Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft (25.10.2019 bis 7.9.2021) an die Freiheitsstrafe von 37 Monaten angerechnet.

11.  Es wird festgestellt, dass die gegen A.___ angeordnete Sicherheitshaft mangels formgültigen Hafttitels zwischen dem 12. Dezember 2020 und dem 5. Februar 2021 rechtswidrig war.

12.  A.___ wird für die rechtswidrige Haft eine Genugtuung von pauschal CHF 2'000.00 zugesprochen.

13.  Es wird festgestellt, dass mit separatem Beschluss vom 7. September 2021 für den Fall, dass gegen das Berufungsurteil eine Beschwerde in Strafsachen mit aufschiebender Wirkung erhoben wird, zur Sicherung des Vollzuges Sicherheitshaft angeordnet wurde.

14.  Es wird festgestellt, dass der Privatkläger H.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteils zur Geltendmachung seiner Zivilforderung auf den Zivilweg verwiesen worden ist.

15.  Es wird festgestellt, dass gemäss rechtskräftiger Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils die mit Beschlagnahmeverfügung vom 9. April 2020 beschlagnahmten Gegenstände – mit Ausnahme der nachfolgen aufgeführten – eingezogen worden und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zu vernichten sind.

Es wird festgestellt, dass die nachfolgenden Gegenstände (Aufbewahrungsort: Richteramt Dorneck-Thierstein) gemäss rechtskräftiger Ziff. 9 des erstinstanzlichen Urteils an die Privatkläger E.___ und D.___ herausgegeben werden können:

 

-     1 Werbeschirm REZ, Nylon, blau, ESO Schöne Ferien (Griff mittels Klebstoff repariert)

-     1 Werbeschirm Nylon, weiss Swissair (verbogen)

 

16.  Es wird festgestellt, dass gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziffer 10 des erstinstanzlichen Urteils die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin von A.___, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, für das erstinstanzliche Verfahren auf total CHF 17'712.00 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, bezahlt worden ist.

Vorbehalten bleiben der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von CHF 8'856.00 (= ½ von CHF 17'712.00) sowie der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin im Umfang von CHF 2'307.50 (= ½ der Differenz zu vollem Honorar), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

17.  Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin von A.___, Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf, wird für das Berufungsverfahren auf total CHF 2'571.25 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, bezahlt.

Vorbehalten bleiben der der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von CHF 2'057.00 (= 4/5 von CHF 2'571.25) sowie der Nachzahlungsanspruch der amtlichen Verteidigerin im Umfang von CHF 552.70 (= 4/5 der Differenz zu vollem Honorar), sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

18.  Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 8'000.00, total CHF 15'500.00, hat A.___ im Umfang von CHF 7'750.00 (= ½ von CHF 15'500.00) zu tragen. Die andere Hälfte der Verfahrenskosten erliegen auf dem Staat Solothurn.

19.  Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 3'190.00, hat der Beschuldigte im Umfang von 4/5 (= CHF 2'552.00) zu tragen. 1/5 (= CHF 638.00) erliegen auf dem Staat Solothurn.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Lupi De Bruycker

 

 

 

 

 

Der vorliegende Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 23. März 2022 bestätigt.

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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