Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2021.16 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 17.11.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Das Berufungsgericht überprüfte die Umstände und relevanten Faktoren für die Strafzumessung bei einer versuchten vorsätzlichen Tötung in Notwehrlage. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Delikten im Notwehrexzess ist uneinheitlich. Das Berufungsgericht folgte einer bestimmten Methodik, die die Bewertung des Verschuldens unter Einbezug des Notwehrexzesses vorsieht. Diese Methodik wurde auch in einem früheren Urteil des Berufungsgerichts angewendet. Das Urteil des Obergerichts, Strafkammer, erging am 17. November 2021 (STBER.2021.16). |
Schlagwörter: | Zumessung; Urteil; Tötung; STBER; Vorgehen; Notwehrlage; Notwehrexzess; Verschulden; Versuch; Beschuldigten; Angriff; Berufungsgericht; Bundesgericht; Tatverschulden; Notwehrexzesses; Schritt; Methodik; Kammer; Versuchte; Begehung; Schuldspruch; Vorinstanz; Instanz; Verminderung; ünden |
Rechtsnorm: | Art. 16 StGB ; Art. 22 StGB ; |
Referenz BGE: | 134 IV 132; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | STBER.2021.16 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 17.11.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2022.17 |
Titel: | versuchte vorsätzliche Tötung, Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sowie Widerruf |
Resümee: | Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und Art. 16 Abs. 1 StGB. Versuchte vorsätzliche Tötung, methodisches Vorgehen bei der Strafzumessung bei einer Begehung in Notwehrlage. |
SOG 2021 Nr. 8
Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und Art. 16 Abs. 1 StGB. Versuchte vorsätzliche Tötung, methodisches Vorgehen bei der Strafzumessung bei einer Begehung in Notwehrlage.
Sachverhalt:
Obwohl der Schuldspruch der Vorinstanz wegen versuchter vorsätzlicher Tötung in Rechtskraft erwachsen war, überprüfte das Berufungsgericht die Umstände und die für die Strafzumessung relevanten Faktoren in freier Kognition neu, namentlich hinsichtlich der umstrittenen Notwehrlage; dies in Nachachtung des Urteils des Bundesgerichts 6B_1167/2015 vom 25. August 2016 E. 1.3, wonach bei einem rechtskräftigen Schuldspruch ein behaupteter abweichender Verlauf zu prüfen ist, falls dies für die Strafzumessung relevant sein kann. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz bejahten eine Notwehrlage.
Aus den Erwägungen:
3. Konkrete Strafzumessung
3.1 In Bezug auf das methodische Vorgehen bei der Strafzumessung bei einer Deliktsbegehung im Notwehrexzess ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht einheitlich:
- Im Urteil 6B_585/2008 vom 19. Juni 2009 E. 3.5 führte das Bundesgericht aus: «Das Tatverschulden lässt sich im vorliegenden Fall nur unter Einbezug des Notwehrexzesses bewerten. Erst das daraus resultierende Verschulden kann durch die verminderte Zurechnungsfähigkeit (Schuldfähigkeit) beeinflusst werden. Wer vermindert zurechnungsfähig (schuldfähig) ist, dessen Verschulden ist geringer, was im Vergleich zu einem voll Zurechnungsfähigen (Schuldfähigen) zu einer tieferen (milderen) Strafe führt. Im Interesse einer nachvollziehbaren Strafzumessung ist es sinnvoll, im Urteil in einem ersten Schritt darzutun, wie gross das Tatverschulden (und allenfalls die sich daraus ergebende hypothetische Strafe) wäre, wenn keine Verminderung vorläge. In einem zweiten Schritt ist zu begründen, wie sich die Verminderung auf die Verschuldenseinschätzung auswirkt und welches die daraus resultierende angemessene (hypothetische) Strafe ist. Diese Strafe ist dann gegebenenfalls in einem dritten Schritt aufgrund täterrelevanter bzw. tatunabhängiger Strafzumessungsfaktoren zu erhöhen bzw. zu reduzieren (vgl. BGE 134 IV 132 E. 6.1 S. 135).» - Im Urteil 6B_1039/2010 vom 10. Mai 2011 E. 3.4 schützte das Bundesgericht die Strafzumessungsmethodik der Vorinstanz, welche zunächst das Tatverschulden bei hypothetisch vollendeter Tötung festgestellt, dieses dann zufolge Versuchs reduziert hatte und schliesslich unter Berücksichtigung des Notwehrexzesses eine weitere Reduktion vorgenommen hatte.
Mathys schliesst sich in seinem Leitfaden Strafzumessung (2. Auflage, Basel 2019, N. 174, S. 68) der Methodik gemäss Entscheid 6B_585/2008 an. Das Berufungsgericht ist dieser Methodik im Urteil STBER.2020.75 vom 19. März 2021 ebenfalls gefolgt, ohne dies jedoch zu begründen. Tatsächlich ist es so, dass eine Bewertung des Verschuldens unter anfänglicher Ausklammerung des Notwehrexzesses (analog der Vorgehensweise beim vollendeten Versuch) praktisch kaum möglich ist. Der Umstand, dass sich der Beschuldigten gegen einen unrechtmässigen Angriff gewehrt hat, beschlägt nämlich bereits mehrere objektive und subjektive Tatkomponenten. So lässt das Abwehren eines unrechtmässigen Angriffs seitens des Geschädigten durch den Beschuldigten die Tat als weniger verwerflich erscheinen, als dies bei einem grundlosen Angriff durch den Beschuldigten auf den Geschädigten der Fall wäre. Auch die kriminelle Energie und die Skrupellosigkeit wären geringer. Im Rahmen der subjektiven Tatkomponente "Beweggründe und Ziele des Täters" macht es ebenfalls einen Unterschied, ob sich der Beschuldigten gegen einen unrechtmässigen Angriff wehrt bspw. aus Wut Rache handelt. An der vom Berufungsgericht in STBER.2020.75 gewählten Methodik ist daher festzuhalten.
Obergericht, Strafkammer, Urteil vom 17. November 2021 (STBER.2021.16)
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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