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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2021.110)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2021.110: Verwaltungsgericht

Das Obergericht hat entschieden, dass der Beschuldigte A.___ sich der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig gemacht hat. Er wird zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 40.00 verurteilt, mit bedingtem Strafvollzug und einer Probezeit von 2 Jahren. Das Gericht stellte fest, dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde. Die Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von CHF 1'290.00 sind vom Beschuldigten zu tragen. Es steht ihm keine Parteientschädigung zu.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2021.110

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2021.110
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2021.110 vom 23.08.2022 (SO)
Datum:23.08.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Unfall; Beschuldigten; Urteil; Verfahren; Vorinstanz; Fahrzeug; Massnahme; Apos; Feststellung; Fahrunfähigkeit; Berufung; Beweis; Unfalls; Vereitelung; Verletzung; Massnahmen; Polizei; Staat; Recht; Tatbestand; Anordnung; Geldstrafe; Trunk; Urteils; Sachverhalt; Zeugin; Tagessätze; Verhalten; AnklS
Rechtsnorm: Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 406 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 429 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 51 SVG ;Art. 55 SVG ;Art. 90 SVG ;Art. 91a SVG ;Art. 92 SVG ;
Referenz BGE:115 IV 51; 124 IV 88; 127 I 38; 128 I 81; 131 IV 36; 138 V 74; 144 IV 198; 144 IV 362; 145 IV 50;
Kommentar:
Bernhard Waldmann, Thomas, Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Art. 91 SVG, 2004

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2021.110

 
Geschäftsnummer: STBER.2021.110
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 23.08.2022 
FindInfo-Nummer: O_ST.2022.64
Titel: Verletzung der Verkehrsregeln, Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer), pflichtwidriges Verhalten bei Unfall

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 23. August 2022           

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichter Kiefer

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiberin Schmid

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anklägerin

 

gegen

 

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Camill Droll,

                                                                             Beschuldigter und Berufungskläger

 

betreffend     Verletzung der Verkehrsregeln, Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer), pflichtwidriges Verhalten bei Unfall


Das Verfahren wurde in Anwendung von Art. 406 Abs. 2 StPO schriftlich geführt.

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I.              Prozessgeschichte

 

1. Am 20. August 2018 erliess die Staatsanwaltschaft Solothurn gegen A.___ (nachfolgend Beschuldigter) einen Strafbefehl (Aktenseite [AS] 81 ff.) wegen Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 SVG, Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV), Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Art. 91 a Abs. 1 SVG, Art. 55 SVG) und pflichtwidrigem Verhalten bei Unfall (Art. 92 Abs. 1 SVG, Art. 51 Abs. 3 SVG) und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 40.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, einer Busse von CHF 1'200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu 20 Tagen Freiheitsstrafe, und zur Übernahme der Verfahrenskosten.

 

Dem Beschuldigten wurde vorgehalten, am 29. März 2018, zwischen 17:15 und 17:45 Uhr in [Ort1] an der [Strasse], Parkplatz, als Lenker des Personenwagens Mercedes-Benz, [Kontrollschild2], zufolge Mangels an Aufmerksamkeit beim Rückwärtsfahren den korrekt geparkten Personenwagen VW Golf, [Kontrollschild1], von B.___ (nachfolgend Geschädigter) übersehen und eine Streifkollision mit diesem verursacht zu haben. Am VW Golf des Geschädigten sei ein Sachschaden von ca. CHF 4'000.00 entstanden (Anklagesachverhalt [AnklS] Ziff. 1.). Zudem habe sich der Beschuldigte von der Unfallstelle entfernt und sich dadurch unmittelbar der Anordnung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit entzogen, mit welchen er nach Verursachen des zuvor beschriebenen Verkehrsunfalls habe rechnen müssen. Nach eigenen Angaben habe der Beschuldigte nach dem Unfall am Wohndomizil 9 dl Bier getrunken und 2 bis 3 Mal seinen Mund mit Schnaps gespült und daher Nachtrunk geltend gemacht (AnklS. Ziff. 2.). Sodann habe der Beschuldigte nach der Kollision seine gesetzlichen Pflichten als Schadenverursacher nicht wahrgenommen, indem er dem Geschädigten nicht sofort seinen Namen und seine Adresse angegeben unverzüglich die Polizei verständigt habe (AnklS. Ziff. 3.).

 

2. Mit Schreiben vom 26. August 2018 erhob der Beschuldigte Einsprache gegen den Strafbefehl (AS 83).

 

3. Nach Gutheissung mehrerer Beweisanträge des Beschuldigten überwies die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 2. September 2019 die Akten dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Strafverfahrens (AS 1 ff.).

 

4. Am 5. Oktober 2021 erliess die Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen nach durchgeführter Hauptverhandlung vom 4. Oktober 2021 das folgende Urteil:

 

1.    Es wird festgestellt, dass der Vorhalt der Verletzung der Verkehrsregeln durch Mangel an Aufmerksamkeit (AnklS. Ziff. 1) sowie der Vorhalt des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (AnklS. Ziff. 3), beides angeblich begangen am 29.03.2018, verjährt sind.

 

2.    Der Beschuldigte A.___ hat sich der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig gemacht, begangen am 29.03.2018 (AnklS. Ziff. 2).

 

3.    Der Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 40.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 2 Jahren.

 

4.    Der Staat Solothurn hat dem Beschuldigten A.___ eine reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 2'656.15 auszurichten.

 

5.    Die Verfahrenskosten, mit einer Gerichtsgebühr von CHF 600.00, belaufen sich auf total CHF 1’591.40. Davon hat der Beschuldigte CHF 660.20 (1/2 von CHF 1'320.40) zu bezahlen, die restlichen Kosten gehen zu Lasten des Staates Solothurn. 

 

5. Der Beschuldigte meldete am 15. Oktober 2021 fristgerecht Berufung an (AS 134). Am 15. November 2021 wurde ihm das begründete Urteil zugestellt (AS 155).

 

6. Der Beschuldigte erklärte mit Eingabe vom 2. Dezember 2021 die Berufung gegen das Urteil der Amtsgerichtsstatthalterin. Angefochten würden die Ziffern 2 bis 5 des erstinstanzlichen Urteils. Der Beschuldigte beantragte, er sei vom Vorwurf der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit freizusprechen, ihm seien die Kosten der privaten Verteidigung für das vorinstanzliche Verfahren vollständig gemäss eingereichter Kostennote zu ersetzen, dem Beschuldigten seien die Kosten der privaten Verteidigung für das Berufungsverfahren vom Staat zu ersetzten und die Gerichtskosten seien vom Staat zu tragen.

 

7. Am 7. Dezember 2021 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf entsprechende Verfügung des Obergerichts vom 3. Dezember 2021 hin auf einen Antrag auf Nichteintreten, eine Anschlussberufung und eine weitere Teilnahme am Verfahren.

 

8. Mit Eingabe vom 15. Dezember 2021 beantragte der Beschuldigte die Durchführung der Berufung im schriftlichen Verfahren.

 

9. Mit Verfügung vom 4. Januar 2022 ordnete der Instruktionsrichter das schriftliche Verfahren an, setzte dem Beschuldigten Frist zur Berufungsbegründung und forderte ihn zur Einreichung von diversen Dokumenten zu seiner finanziellen Situation auf.

 

10. Mit Eingabe vom 4. Februar 2022 reichte der Beschuldigte die Berufungsbegründung und die Kostennote der Verteidigung ein.

 

11. Mit Verfügung vom 7. Februar 2022 stellte das Berufungsgericht fest, dass der Beschuldigte keine Belege zu seiner finanziellen Situation eingereicht hatte und forderte daher von Amtes wegen seine Steuerakten ein. Diese gingen am 23. Februar 2022 ein.

 

 

II.            Berufungsgegenstand

 

1. Das Urteil der Vorinstanz wurde vom Beschuldigten in Bezug auf die Ziffern 2 bis 5 angefochten. Gestützt auf Art. 404 Abs. 1 StPO wird das Urteil deshalb nur in diesen Punkten geprüft. Zugunsten der beschuldigten Person kann das Gericht auch nicht angefochtene Punkte überprüfen, um gesetzwidrige unbillige Entscheidungen zu verhindern (Abs. 2).

 

2. Die Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils, wonach festgestellt wurde, dass der Vorhalt der Verletzung der Verkehrsregeln durch Mangel an Aufmerksamkeit (AnklS. Ziff. 1) sowie der Vorhalt des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (AnklS. Ziff. 3), beides angeblich begangen am 29. März 2018, verjährt sind, ist damit in Rechtskraft erwachsen.

 

3. Der Beschuldigte brachte in der Berufungsbegründung vor, die Vorinstanz hätte in ihrem Urteil nicht nur feststellen dürfen, dass die beiden Vorhalte der Verletzung der Verkehrsregeln durch Mangel an Aufmerksamkeit (AnklS. Ziff. 1) und des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (AnklS. Ziff. 3) verjährt seien, sondern sie hätte das Verfahren diesbezüglich einstellen müssen.

 

4.1. Im Entscheid BGE 144 IV 362 führte das Bundesgericht aus, dass die Staatanwaltschaft das Verfahren vollständig teilweise einstellen könne. Eine Teileinstellung komme nur in Betracht, wenn mehrere Lebensvorgänge Taten im prozessualen Sinn zu beurteilen seien, die einer separaten Erledigung zugänglich seien. Soweit es sich hingegen lediglich um eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs handle, scheide eine teilweise Verfahrenseinstellung aus. Wegen ein und derselben Tat im prozessualen Sinn könne nicht aus einem rechtlichen Gesichtspunkt verurteilt und aus einem anderen das Verfahren eingestellt werden. Tatidentität liege vor, wenn dem ersten und zweiten Strafverfahren identische im wesentlichen gleiche Tatsachen zu Grunde lägen (BGE 144 IV 362 E.1.3.1 und 1.3.2).

 

4.2. Im vorliegenden Fall sind die drei Vorhalte, die dem Beschuldigten gemacht werden, eng miteinander verknüpft und einer separaten Beurteilung nicht zugänglich. So wird dem Beschuldigten in der Anklageschrift Ziff. 3 vorgehalten, die Meldepflicht nicht erfüllt zu haben, indem er dem Geschädigten nicht sofort seinen Namen und seine Adresse angab die Polizei verständigte. Dieser Lebenssachverhalt ist untrennbar mit dem Vorhalt in der Anklageschrift Ziff. 2 verbunden, wonach sich der Beschuldigte von der Unfallstelle entfernt habe. In der Anklageschrift Ziff. 2 wird zudem auf Ziff. 1 verwiesen (Verletzung der Verkehrsregeln durch Mangel an Aufmerksamkeit). Das vorgehaltene Verhalten des Beschuldigten – Entfernen von der Unfallstelle, Nachtrunk – steht zumindest bezüglich des subjektiven Tatbestands somit in einem engen, kaum zu trennenden Zusammenhang mit der vorgehaltenen Verkehrsregelverletzung.

 

4.3. Eine Einstellung der Vorhalte gemäss Anklageschrift Ziff. 1 und 3 hätte deshalb zu einer Entfaltung der Sperrwirkung gemäss dem Grundsatz «ne bis in idem» geführt. Es liegen nicht mehrere Lebenssachverhalte vor, welche einer separaten Beurteilung zugänglich wären. Die Vorinstanz hat deshalb die Anklageziffern 1 und 3 zu Recht nicht eingestellt.

 

4.4. Die Feststellung der eingetretenen Verjährung gemäss Ziff. 1 des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs bezüglich den erwähnten Anklagepunkten war allerdings unnötig; diese Ziffer des erstinstanzlichen Urteils ändert aber nichts daran, dass die Vorinstanz weder eine Einstellung des Verfahrens noch einen Freispruch vorgenommen hat. Damit steht einer Beurteilung des Vorhalts gemäss Ziff. 2 der Anklageschrift (Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit) nichts entgegen.

 

 

III.           Sachverhalt und Beweiswürdigung

 

1. Der Beschuldigte bestritt sämtliche Vorwürfe von Beginn an. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist daher mittels Beweiswürdigung zu erstellen.

 

2. Bestreitet ein Beschuldigter die ihm vorgeworfenen Taten, so hat das Gericht den Sachverhalt aufgrund der Untersuchungsakten und der vor Gericht vorgebrachten Argumente nach den allgemein gültigen Beweisregeln zu erstellen. Gemäss der aus Art. 32 Abs. 1 BV fliessenden und in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Maxime «in dubio pro reo» ist bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld zu vermuten, dass der einer strafbaren Handlung Beschuldigte unschuldig ist (BGE 127 I 38 E. 2a). Aufgrund der Unschuldsvermutung besteht Beweisbedürftigkeit, das heisst der verfolgende Staat hat dem Beschuldigten alle objektiven und subjektiven Tatbestandselemente nachzuweisen. Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt tatsächlich so verwirklicht hat (BGE 138 V 74 E. 7; BGE 128 I 81 E. 2).

 

Liegen keine direkten Beweise vor, ist nach der Rechtsprechung auch ein indirekter Beweis zulässig. Eine Mehrzahl von Indizien können in ihrer Gesamtheit zu einer Gewissheit verdichten, so dass bei objektiver Betrachtung keine Zweifel bestehen bleiben, dass sich der Sachverhalt anklagegemäss verwirklicht hat. Stellt der Beschuldigte ihn entlastende Behauptungen auf, ohne dass er diese zu einem gewissen Grad glaubhaft machen kann, so findet der Grundsatz «in dubio pro reo» als Beweislastregel keine Anwendung. Es muss nicht jede Schutzbehauptung, die sich auf wenig Anhaltspunkte stützt, durch hieb- und stichfeste Beweise widerlegt werden (Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2017, Art. 10 N 2a; Tophinke, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 10 N 21).

 

Demzufolge ist im Rahmen der Sachverhaltserstellung zu prüfen, ob der Richter in objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses von einem bestimmten Sachverhalt überzeugt ist (Art. 10 Abs. 3 StPO; BGE 124 IV 88 E. 2a). Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass keine absolute Sicherheit in der Beweisführung erreicht werden kann. Es genügt, dass das Beweisergebnis über jeden vernünftigen Zweifel erhaben ist. Bloss abstrakte theoretisch mögliche Zweifel dürfen nicht massgebend sein, weil solche immer möglich sind. Es genügt daher, wenn vernünftige Zweifel an der Schuld ausgeschlossen werden können.

 

3. Die Vorinstanz hat die relevanten Beweismittel (Aussagen der Zeugin und des Beschuldigten, Sachbeweise) korrekt zusammengefasst, es kann an dieser Stelle auf ihre ausführlichen Ausführungen (Urteilsseite [US] 7 – 9) verwiesen werden. Die Vorinstanz gelangt nach Würdigung der Beweismittel zum Schluss, dass die Aussagen der Zeugin glaubhaft seien und mit zahlreichen objektiv feststellbaren Tatsachen übereinstimmten. Der vorgehaltene Sachverhalt sei rechtsgenüglich nachgewiesen.

 

4.1 Vorliegend ist unbestritten und erstellt, dass sich am 29. März 2018, zwischen 17:15 Uhr und 17:45 Uhr, in [Ort1] auf dem Parkplatz an der [Strasse] ein Unfall ereignete, bei dem der Personenwagen VW Golf, [Kontrollschild1], Halter B.___, beschädigt wurde.

 

4.2 Die Zeugin C.___ gab anlässlich der Erstbefragung am 29. März 2018 zu Protokoll, sie habe gesehen, wie ein schwarzer Audi Mercedes beim Rückwärtsfahren in das Fahrzeug des Geschädigten gefahren sei. Ein älterer grauhaariger Mann sei daraufhin ausgestiegen, habe den Schaden begutachtet, sei wieder eingestiegen und weggefahren. Sie habe das Kontrollschild des Unfallverursachers aufgeschrieben, als dieser den Hinterhof mit den Parkplätzen verlassen habe. Es sei [Kontrollschild2] gewesen. Am 25. April 2019 gab sie gegenüber der Staatsanwaltschaft wieder an, sie habe den Unfall gesehen. Der Fahrer habe die Tür aufgemacht, kurz nach hinten geschaut und sei dann weggefahren. Daher habe sie die Autonummer notiert. Sie könne sich nicht mehr erinnern, ob es ein Mann eine Frau gewesen sei, sie habe nur graue Haare gesehen. Das Fahrzeug sei dunkel gewesen. Für die detaillierten Aussagen kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (US 8 f.).

 

4.3 Der Beschuldigte gab am 29. März 2018 zu Protokoll, er sei zur fraglichen Zeit gar nicht in [Ort1] gewesen. Er sei um 16:30 Uhr zu Hause in [Ort2] angekommen. Dort habe er drei kleine Biere getrunken und den Mund mehrfach mit Schnaps gespült, da er Zahnschmerzen gehabt habe. Er habe kein anderes Fahrzeug touchiert. An seinem Fahrzeug habe es immer kleine Schäden. Am 15. Mai 2018 sagte er gegenüber der Polizei erneut im Wesentlichen das Gleiche aus: Er sei ca. um 16:30 Uhr mit seinem Mercedes mit dem Kontrollschild [Kontrollschild2] zu Hause gewesen. Er sei an dem Tag nie in [Ort1] gewesen. Er habe in einem Restaurant eine 3dl-Stange Bier und zu Hause noch drei Flaschen à 3 dl getrunken und sich den Mund 2 bis 3 Mal mit Schnaps ausgespült wegen der Zahnschmerzen. Er wisse nicht, woher die Abriebspuren an seiner Stossstange kämen, es gebe mehrere Spuren an seinem Wagen. Er verstehe nicht, weshalb die Zeugin sein Fahrzeug gesehen haben wolle, da er nicht vor Ort gewesen sei. Auch an der Hauptverhandlung vom 4. Oktober 2021 bestritt er, zum Tatzeitpunkt in [Ort1] gewesen zu sein. Für die detaillierten Aussagen kann wiederum auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen werden (US 9).

 

4.4 Es lagen folgende Sachbeweise vor: Die Dokumentation des Schadens am Fahrzeug des Geschädigten (AS 59) zeigt, dass sich der Schaden an der Beifahrertür vorne und hinten auf einer Höhe von 60 bis 64 cm ab Boden befand. Auch am Fahrzeug des Beschuldigten konnte an der Heckstossstange hinten links auf einer Höhe von 60 cm ab Boden ein kleiner Schaden festgestellt werden (AS 59 f.).

 

An beiden Fahrzeugen wurden mittels Mikrospurenband Proben entnommen. Die Untersuchung konnte allerdings keine verwertbaren Materialspuren feststellen (AS 26 ff.). Eine Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen könne nicht nachgewiesen, aufgrund fehlenden Fremdlacks eines unbekannten Drittfahrzeuges aber auch nicht ausgeschlossen werden.

 

Ein forensisch-toxikologisches Gutachten ergab beim Beschuldigten am Abend des 29. März 2018 eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,47 Gewichtspromille (AS 32 f.). Die behauptete Gesamttrinkmenge des Beschuldigten konnte widerlegt werden. Eine Rückrechnung auf den Ereigniszeitpunkt war nicht möglich.

 

5. Der Aussage des Beschuldigten, sein Auto und er seien gar nicht vor Ort gewesen, als es zum Unfall kam, steht diejenige der Zeugin gegenüber, die den Unfall von ihrem Küchenfenster aus beobachtete. Die Aussagen der Zeugin waren dabei konstant und im Wesentlichen deckungsgleich. Dass sie sich anlässlich der zweiten Befragung nach über einem Jahr nicht mehr an jedes Detail erinnern konnte, erstaunt dabei nicht und schadet der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht. Der Vorinstanz ist auch zuzustimmen, dass keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, weshalb die Zeugin hätte lügen sollen. Dies wird vom Beschuldigten in seiner Berufung auch nicht behauptet. Die Zeugin beschrieb einen dunklen Personenwagen, bei der ersten Aussage gab sie an, ein Audi Mercedes, aber kein Kombi. Die Beschreibung passt genau zum schwarzen Mercedes des Beschuldigten. Auch beschrieb sie den Lenker in der ersten Einvernahme unmittelbar nach dem Ereignis als älteren Mann mit grauen Haaren, was ebenfalls zum Beschuldigten passt. Auch die Schadensbilder der beiden Fahrzeuge stimmen mit dem von der Zeugin geschilderten Unfallhergang überein. Zwar konnte der Untersuchungsbericht eine Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen nicht nachweisen. Es ist hierzu anzumerken, dass gemäss Untersuchungsbericht bei geringen Kollisionen nicht zwingend nachweisbare Materialübertragungen stattfänden. Zudem sind beide Fahrzeuge schwarz und dem Kriminaltechnischen Dienst wurden keine Proben von Eigenmaterial zugestellt (AS 26 ff.). Der Beschuldigte hat den Schaden am Fahrzeug des Geschädigten auch realisiert. Gemäss Strafanzeige wies dieser Kollisionsspuren an der Beifahrertüre vorne/hinten auf, diverse Kratzspuren und Risse von 48 – 70 cm Höhe ab Boden waren sichtbar (AS 8). Die Strafanzeige hält fest, «der Schaden am Personenwagen der Fahrschule [Name] war unübersehbar» (AS8). Der Vorinstanz ist sodann zuzustimmen, dass es höchst unwahrscheinlich erscheint, dass die Zeugin eine falsche Autonummer aufgeschrieben hat. Es handelt sich zum einen um eine mit vier Ziffern vergleichsweise kurze und eingängige Nummer und zum anderen waren der Zeugin die Folgen ihrer Beobachtung bewusst, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie die Nummer korrekt aufschrieb. Sie gab sodann in der staatsanwaltlichen Einvernahme an, es könne nicht sein, dass sie die Nummer falsch aufgeschrieben habe. Sie könne sich Nummern zudem gut merken (AS 55). Es kann folglich auf die Aussagen der Zeugin und die passenden Sachbeweise – soweit vorhanden – abgestellt werden. Es ist damit erstellt, dass sich der Unfall wie in der Anklageschrift beschrieben zugetragen hat.

 

6. Die Ereignisse nach dem Unfall (Kontrolle des Schadens und Wegfahren, ohne die gesetzlichen Pflichten zu beachten, Nachtrunk) sind rechtsgenüglich nachgewiesen. Auch dieser Sachverhalt ist damit erstellt.

 

 

IV.          Rechtliche Würdigung

 

1.1 Der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a Abs. 1 SVG macht sich schuldig, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde mit deren Anordnung gerechnet werden musste, einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt entzogen hat den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat. Damit soll verhindert werden, dass der sich korrekt einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit unterziehende Fahrzeugführer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht sie sonst wie vereitelt (BGE 145 IV 50 E. 3.1 S. 51 mit Hinweisen).

 

1.2 Art. 91a Abs. 1 SVG nennt die Tatvarianten des Sich-Widersetzens, Sich-Entziehens und der Vereitelung. Der Tatbestand kann sowohl durch ein aktives Tun (z.B. Widerstand gegen den Vollzug der Massnahme, Flucht, Nachtrunk, Beseitigung von Testergebnissen) als auch durch eine Unterlassung (z.B. ausgebliebene Meldung bei der Polizei) erfüllt werden.

 

Besteht das inkriminierte Verhalten in einer Unterlassung, so kann es den Tatbestand – gemäss den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen zum unechten Unterlassungsdelikt – nur erfüllen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht (Urteil des Bundesgerichts 6S.359/2005 vom 22.12.2006 E. 2.1). Die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfüllt den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nur, wenn (1) der Fahrzeuglenker gemäss Art. 51 SVG zur sofortigen Meldung verpflichtet ist, (2) die Meldepflicht der Abklärung des Unfalls und damit allenfalls auch der Ermittlung des Zustands des Fahrzeuglenkers dient (Zweckzusammenhang), (3) die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn (4) bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Alkoholkontrolle angeordnet hätte.

 

1.3 Subjektiv ist Vorsatz erforderlich, wobei Eventualvorsatz genügt. Gemäss dem Wortlaut der Bestimmung werden auch Untersuchungsmassnahmen erfasst, «mit deren Anordnung gerechnet werden musste». Mit dieser Formulierung will der Gesetzgeber verdeutlichen, dass die amtliche Anordnung einer Blutprobe einer anderen Untersuchungsmassnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit kein objektives Tatbestandsmerkmal bildet, der Wortlaut soll aber nicht zur falschen Annahme verleiten, dass blosse Fahrlässigkeit genügen könnte. Die Bestrafung nach Art. 91a SVG setzt den Nachweis des Vorsatzes voraus, wohingegen die fahrlässige Tatbegehung straflos bleibt.

 

Der Vorsatz bzw. Eventualvorsatz ist bei der Tatbestandsvariante der unterlassenen Meldung an die Polizei nur gegeben, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht sowie die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Alkoholprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gemäss Art. 51 SVG vorgeschriebenen und ohne Weiteres möglichen Meldung an die Polizei vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Alkoholkontrolle gewertet werden kann (BGE 131 IV 36 E. 2.2.1).

 

Zum Vorsatz der Tathandlung der Vereitelung (im engeren Sinne) wird auf nachfolgende Ziff. 3.1 verwiesen.

 

1.4 Art. 91a SVG ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Erfolgsdelikt konzipiert: Der tatbestandsmässige Erfolg ist darin zu erblicken, dass es nicht (mehr) gelingt, die Fahrunfähigkeit des Täters zum Zeitpunkt der Fahrt bzw. des Unfalls zuverlässig zu ermitteln (vgl. BGE 115 IV 51 E. 5, Urteil des Bundesgerichts 6B_216/2010 vom 11.5.2010 E. 3.1.2, 6B_91/2008 vom 11.3.2008 E. 2.1.1). Hat der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, liegt ein Versuch vor (Urteil 6B_53/2019 vom 22.1.2020 E 6.3 mit zahlreichen Hinweisen).

 

2. Gemäss erstelltem Sachverhalt hatte der Beschuldigte realisiert, dass sich eine Kollision mit Sachschaden an einem anderen Fahrzeug ereignet hatte. Dennoch verliess er die Unfallstelle, ohne dem Geschädigten seinen Namen anzugeben die Polizei zu verständigen. Er hat damit klarerweise die in Art. 51 SVG festgehaltene Meldepflicht missachtet.

 

3.1 Die Tatbestandsvariante der Zweckvereitelung, unter welche der Nachtrunk fällt, setzt weder eine bereits angeordnete Untersuchung noch eine Verletzung von Verhaltenspflichten bei Unfallsituationen voraus. Vorausgesetzt wird in objektiver Hinsicht einzig, dass die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war und durch den Nachtrunk die zuverlässige Ermittlung der Blutalkoholkonzentration für den massgebenden Zeitpunkt verunmöglicht in relevanter Weise beeinträchtigt wurde (BGE 131 IV 36 E 2.2.4; Urteil 6S.42/2004 vom 12.5.2004 E 2.1.3 und 2.2.1; Christof Riedo in: Marcel Alexander Niggli/Thomas Probst/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, nachfolgend zitiert «BSK SVG», Art. 91a SVG N 224; Philippe Weissenberger, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, nachfolgend zitiert «Komm. SVG», Art. 91a SVG N 8).

In subjektiver Hinsicht wird in Bezug auf das Wissensmoment verlangt, dass der Beschuldigte mit der Möglichkeit der Anordnung einer Untersuchungsmassnahme rechnete und sich gleichzeitig bewusst war, dass er mit seinem Verhalten den Zweck der Massnahme (Feststellung der Fahrunfähigkeit) vereitelt. Mit Blick auf das Willensmoment wird vorausgesetzt, dass der Beschuldigte diesen Erfolg anstrebt (direkter Vorsatz) (im Sinne des Eventualvorsatzes) zumindest in Kauf nimmt (Christof Riedo in: BSK SVG, Art. 91a SVG N 234).

 

Diese subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen fasst das Bundesgericht in folgender Kurzformel zusammen: Der Täter muss den Willen haben, den Zweck der von ihm als sehr wahrscheinlich erkannten Massnahme zu vereiteln (BGE 131 IV 36 E 2.2.2 und 2.2.4 mit Hinweisen sowie Weissenberger, Komm. SVG, Art. 91a SVG N 18 mit weiterem Hinweis auf 6S.412/2004 vom 16.12.2005 E. 3.3).

 

3.2 Unbestritten ist in objektiver Hinsicht der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges. Es ist erstellt, dass im vorliegenden Fall die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration für den massgebenden Zeitpunkt (Unfallzeitpunkt) durch den Nachtrunk des Beschuldigten effektiv verunmöglicht wurde. Dem Gutachten des Kantonsspitals Aarau vom 2. Mai 2018 (AS 32 f.) kann entnommen werden, dass die Angaben zur Gesamttrinkmenge des Beschuldigten rechnerisch widerlegt werden konnten. Eine Rückrechnung auf den Ereigniszeitpunkt konnte nicht durchgeführt werden. In rechtlicher Hinsicht steht folglich fest, dass die Tathandlung (Nachtrunk) kausal den Taterfolg herbeigeführt hat.

 

3.3 Zu prüfen ist weiter, ob bei objektiver Betrachtung die Anordnung einer Blutprobe im Zeitpunkt der Tathandlung (Nachtrunk) sehr wahrscheinlich war. Das Bundesgericht sah den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassung der sofortigen Meldung des Unfalls an die Polizei als erfüllt, wenn der Fahrzeuglenker zur unverzüglichen Benachrichtigung der Polizei verpflichtet und diese möglich war und wenn bei objektiver Betrachtung der massgebenden Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls sehr wahrscheinlich eine Blutprobe angeordnet hätte (BGE 131 IV 36 E. 2.2.1 S. 39). Während die Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe nach der bisherigen Rechtsprechung von den konkreten Umständen des Falles (Art, Schwere und Hergang des Unfalls, Zustand sowie Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall) abhängig gemacht wurde (BGE 131 IV 36 E. 2.2.1 S. 39; 126 IV 53 E. 2a S. 55 f.), muss nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter Hinweis auf Art. 55 Abs. 1 SVG (in Kraft seit 1. Januar 2005; AS 2002 2767, 2004 2849) grundsätzlich bereits mit der Anordnung einer Alkoholkontrolle gerechnet werden, wenn ein Fahrzeugführer in einen Unfall verwickelt ist (Urteil 6B_461/2017 E. 2.3).

 

Die Anklageschrift vom 2. September 2019 nennt als Umstand, der für eine solche Anordnung spricht, den durch den Beschuldigten verursachten Verkehrsunfall. Die Vorinstanz wies zudem darauf hin, dass der Zeitpunkt des Unfalls ebenfalls als Indiz für eine zu erwartende Massnahmenanordnung zur Feststellung der Fahrunfähigkeit zu werten sei: Der Vorfall ereignete sich zwischen 17:15 Uhr und 17:45 Uhr und damit kurz nach Feierabend. Ebenfalls könne das Parkmanöver, das zum Unfall führte, als einfach eingestuft werden, weshalb ein Zwischenfall auf eine Beeinträchtigung hinweisen könne. Im Weiteren sei dem Beschuldigten bereits einmal wegen «Angetrunkenheit» der Führerausweis entzogen worden, was der Polizei bei entsprechender Systemabfrage ebenfalls aufgefallen wäre und sie höchstwahrscheinlich auch aus diesem Grund einen Alkoholtest angeordnet hätte. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass all dies gewichtige Argumente für eine zu erwartende Massnahmenanordnung zur Feststellung der Fahrunfähigkeit sind. Objektiv war die Anordnung einer solchen zweifellos sehr wahrscheinlich.

 

3.4 Ein Schuldspruch kann nur erfolgen, wenn der Nachweis gelingt, dass der Beschuldigte selber mit der Anordnung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit rechnete bzw. sich dieser Schluss aufgrund der äusseren Umstände zweifellos aufdrängte. Auch dies kann im vorliegenden Fall bejaht werden. Der Beschuldigte, der bereits einmal wegen «Angetrunkenheit» seinen Führerausweis abgeben musste, musste klarerweise nach Verursachen eines derartigen Unfalls mit einer solchen Massnahme rechnen. Durch das Verlassen der Unfallstelle und den Nachtrunk hat er damit den Tatbestand von Art. 91a Abs. 1 SVG erfüllt und ist folglich wegen Vereitelung der Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig zu sprechen.

 

 

V.            Strafzumessung

 

1. Die Strafzumessung erfolgt nach dem Verschulden des Täters, unter Berücksichtigung des Vorlebens, der persönlichen Verhältnisse sowie der Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).

 

2. Die Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nach Art. 91a Abs. 1 SVG stellt ein Vergehen dar. Sie ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren einer Geldstrafe bedroht. Die Vorinstanz hat eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 40.00 (mit einer Probezeit von 2 Jahren) ausgesprochen. Da im vorliegenden Fall ausschliesslich der Beschuldigte die Berufung eingelegt hat, gilt das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO): Das Berufungsgericht darf somit nicht eine Sanktion aussprechen, welche den Beschuldigten schwerer trifft als die vorgenannte Geldstrafe und Busse. Folglich fällt eine Freiheitsstrafe von vornherein ausser Betracht. Gleiches gilt für eine unbedingte höhere Geldstrafe.

 

3. Die Anzahl der Tagessätze ist nach dem Verschulden des Täters zu bestimmen (Art. 34 Abs. 1 StGB). Es sind dabei folgende Strafzumessungsfaktoren zu würdigen:

 

-     Tatkomponenten:

 

Betreffend die objektive Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte sich nicht nur von der Unfallstelle entfernte und zu Hause Alkohol trank, sondern sich sogar noch mit Schnaps den Mund ausspülte. Sein Verschulden kann bestenfalls noch als leicht qualifiziert werden.

 

Was die subjektive Tatschwere betrifft, so handelte der Beschuldigte vorsätzlich. Es wäre dem Beschuldigten ein Leichtes gewesen, sich regelkonform zu verhalten. Vergegenwärtigt man sich das gesamte Spektrum von Fallkonstellationen, die unter den Tatbestand fallen und die vorliegend die relevante Vergleichsgrösse bilden, so liegt bestenfalls noch ein leichtes Tatverschulden vor. Die Vorinstanz qualifizierte das Verschulden als sehr leicht und setze die Einsatzstrafe bei 30 Tagessätzen Geldstrafe fest. Diese Strafe erscheint selbst bei einem sehr leichten Verschulden als zu tief. Ausgehend von einem gerade noch leichten Verschulden ist eine Einsatzstrafe von 60 Tagessätzen angemessen.

 

-     Täterkomponenten:

 

Die Vorinstanz führte aus, der Beschuldigte sei verheiratet und habe eine Arbeitsstelle, wobei er zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils krankgeschrieben war. Der Beschuldigte ist einschlägig vorbestraft: Am 15. März 2013 wurde er von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wegen Verletzung der Verkehrsregeln und Fahrens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je CHF 110.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von CHF 1'000.00 verurteilt. In Anbetracht dessen, dass diese Verurteilung mittlerweile 9 ½ Jahre und bei Tatbegehung 5 Jahre zurücklag, kann der Vorinstanz gerade noch zugestimmt werden, dass die Vorstrafe nicht straferhöhend zu berücksichtigen ist, trotz der Einschlägigkeit. Gesamthaft sind die Täterkomponenten damit neutral zu werten. Es bleibt bei einem Strafmass von 60 Tagessätzen.

 

4. Es sind im Verfahren Verzögerungen entstanden, die als Verletzung des Beschleunigungsgebots zu qualifizieren sind. Das Verfahren dauerte insgesamt rund 4 ¼ Jahre. Mehrfach ruhte das Verfahren ohne ersichtlichen Grund (vom 29. Oktober 2018 bis 28. Februar 2019 [AS 63] und vom 13. Dezember 2019 bis 7. Dezember 2020 [AS 94 f.]). Der Sachverhalt war indessen nicht komplex und in rechtlicher Hinsicht stellten sich keine Fragen, welche diesen Zeitablauf rechtfertigen würden. Das Verfahren dauerte daher deutlich zu lange. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im Urteilsdispositiv ausdrücklich festzuhalten und die Strafe ist zur Abgeltung der Verletzung um 10 Tagessätze auf 50 Tagessätze zu reduzieren. Aufgrund des Verschlechterungsverbots bleibt es vorliegend jedoch bei einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

 

5. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB).

 

Über die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten ist wenig bekannt. Er unterliess es, seine aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation im Berufungsverfahren zu dokumentieren, weshalb von Amtes wegen die Steuerakten eingeholt wurden. Die Vorinstanz setzte die Höhe des Tagessatzes auf CHF 40.00 fest, entsprechend dem Strafbefehl. Dieser Berechnung (AS 169) lag ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 2'125.00 zugrunde. Dieses ging offenbar aus dem Einkommen des Steuerjahres 2016 hervor (AS 168), welches mit CHF 27'500.00 wesentlich tiefer war als im Steuerjahr 2020. Vor der Vorinstanz gab der Beschuldigte an, aktuell nicht zu arbeiten und Krankentaggelder in der Höhe von CHF 3'300.00 netto monatlich zu beziehen. Ob er aktuell wieder erwerbstätig ist, ist nicht bekannt. Ausgehend vom Einkommen im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (Krankentaggelder) ergäbe sich ein höherer Tagessatz als im Strafbefehl. Der Tagessatz nach dem Pauschalabzug für Steuern und Krankenkassen von 30 % (= CHF 990.00) würde sich auf CHF 70.00 (= CHF 2'310.00: 30) belaufen. Die Vorinstanz unterliess es jedoch, den Tagessatz den veränderten Verhältnissen anzupassen. Der Steuerveranlagung des Jahres 2020 kann sodann entnommen werden, dass der Beschuldigte ein steuerbares Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit von CHF 70'782.00 generierte. Ausgehend vom Lohnausweis des Jahres 2020 (CHF 70'782.00, entspricht monatlich CHF 5'898.50) würde sich der Tagessatz nach dem Pauschalabzug für Steuern und Krankenkassen von 30 % (= CHF 1'796.00) gar auf CHF 130.00 (= CHF 4'192.00: 30) belaufen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst die Erhöhung des Tagessatzes nicht gegen das in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerte Verschlechterungsverbot, wenn diese aufgrund von Tatsachen erfolgt, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten, auch wenn das Rechtsmittel nur zu Gunsten der beschuldigten Person ergriffen worden ist. Ob solche Tatsachen vor nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten sind, ist unerheblich (BGE 144 IV 198 E. 5.3 f.). Die von Amtes wegen eingeholte Steuerveranlagung datiert aus dem Jahr 2020 und damit vor dem an der erstinstanzlichen Verhandlung dokumentierten wiederum verminderten Einkommen. Aktuellere Angaben liegen nicht vor. Die Vorinstanz versäumte es, den Tagessatz dem damals aktuellen, wenn auch verringerten Einkommen anzupassen. Jedoch war der Vorinstanz die neue finanzielle Situation bekannt, weshalb eine Erhöhung auf CHF 70.00 als Folge des Verschlechterungsverbotes jetzt nicht mehr möglich ist. Daher bleibt die Tagessatzhöhe von CHF 40.00 bestehen.

 

6. Bereits aus dem Verschlechterungsverbot ergibt sich, dass der Vollzug der Geldstrafe nach Art. 42 Abs. 1 StGB aufzuschieben ist. Im Übrigen kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (US 14 f.). Aufgrund der seit der Vorstrafe sowie der zu beurteilenden Tat vergangenen Zeit kann eine Schlechtprognose verneint werden. Ebenfalls erscheint die von der Vorinstanz festgesetzte Probezeit des gesetzlichen Minimums von zwei Jahren angemessen.

 

Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 44 Abs. 3 StGB darauf hingewiesen, dass die Geldstrafe vollstreckt werden kann (Widerruf des gewährten bedingten Vollzuges), wenn er sich nicht bewährt, d.h. wenn er während der zweijährigen Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht und deshalb zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten verüben wird (Art. 46 Abs. 1 StGB).

 

 

VI.          Kosten

 

1. Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kostenentscheid zu bestätigen.

 

2. Da der Beschuldigte mit der Berufung unterliegt, hat er die Kosten des Berufungsverfahrens, welche mit einer Urteilsgebühr von CHF 1'200.00 insgesamt CHF 1'290.00 betragen, zu bezahlen.

 

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens steht dem Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Camill Droll, für das zweitinstanzliche Verfahren keine Parteientschädigung zu. Der entsprechende Antrag ist abzuweisen. Die Entschädigung des erstinstanzlichen Verfahrens ist zu bestätigen.

 

Demnach wird in Anwendung von Art. 55, Art. 91a Abs. 1 SVG; Art. 34, Art. 42 Abs 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 47 StGB; Art. 82 Abs. 4, Art. 391 Abs. 2, Art. 404 Abs. 1, Art. 406 Abs. 2, Art. 426 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1, Art. 429 StPO erkannt:

 

1.    Der Beschuldigte A.___ hat sich der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig gemacht, begangen am 29. März 2018 (AnklS. Ziff. 2).

 

2.    Der Beschuldigte A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 40.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren.

 

3.    Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist.

 

4.    Der Staat Solothurn hat dem Beschuldigten A.___ für das erstinstanzliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 2'656.15 auszurichten.

 

5.    Für das Berufungsverfahren wird dem Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Camill Droll, keine Parteientschädigung zugesprochen.

 

6.    Die Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Verfahrens, mit einer Gerichtsgebühr von CHF 600.00, belaufen sich auf total CHF 1’591.40. Davon hat der Beschuldigte CHF 660.20 (1/2 von CHF 1'320.40) zu bezahlen, die restlichen Kosten gehen zu Lasten des Staates Solothurn.

 

7.    Die Kosten für das Berufungsverfahren mit einer Urteilsgebühr von CHF 1'200.00, total CHF 1'290.00, werden dem Beschuldigten auferlegt.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Schmid

 

Der vorliegende Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 7B_211/2022 vom 12. März 2024 aufgehoben.



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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