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Urteil Verwaltungsgericht (SO - STBER.2020.14)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2020.14: Verwaltungsgericht

Die Eidgenössische Spielbankenkommission hat A.___ beschuldigt, Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung oder Zulassung betrieben zu haben. Nach einem langen Verfahren wurde A.___ freigesprochen, da die Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten war und das neue Geldspielgesetz keine Strafnorm für die Nichteinhaltung der Vorführpflicht vorsieht. Die Berufungsklägerin forderte den Schuldspruch nach neuem Recht, jedoch wurde festgestellt, dass der Beschuldigte nach altem Recht nicht strafbar war. Die Gerichtskosten tragen der Bund und der Kanton Solothurn, die Entschädigung für die Verteidigung wird vom Bund übernommen. Der Beschuldigte wurde freigesprochen, und es kann Beschwerde beim Bundesgericht eingelegt werden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts STBER.2020.14

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2020.14
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Strafkammer
Verwaltungsgericht Entscheid STBER.2020.14 vom 11.04.2022 (SO)
Datum:11.04.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Spiel; Magic; Bundes; Recht; Beschuldigte; Berufung; Verfahren; Urteil; Spielbank; Gericht; Spielbanken; Beschuldigten; Entschädigung; Glücksspielautomat; Glücksspielautomaten; Fruit; VStrR; Verfügung; Apos; Vegas; Gerät; Berufungsklägerin; «Magic; Glücksspiele; Black; Fruits; Bundesgericht; Geräte; Poker; Verfahrens
Rechtsnorm: Art. 2 StGB ;Art. 333 StGB ;Art. 423 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 97 StGB ;
Referenz BGE:126 IV 5; 134 IV 328; 134 IV 82; 138 IV 106; 139 IV 62; 142 IV 11; 89 IV 113;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts STBER.2020.14

 
Geschäftsnummer: STBER.2020.14
Instanz: Strafkammer
Entscheiddatum: 11.04.2022 
FindInfo-Nummer: O_ST.2022.27
Titel: Vergehen gegen das Spielbankengesetz

Resümee:

 

Obergericht

Strafkammer

 

 

 

 

 

 

Urteil vom 11. April 2022

Es wirken mit:

Präsident von Felten   

Oberrichter Kiefer    

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker

 

In Sachen

Eidgenössische Spielbankenkommission ESBK, 

Berufungsklägerin

 

gegen

 

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter

Beschuldigter

 

betreffend     Übertretung des Spielbankengesetzes

 


 

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

 

1. Am 8. August 2013 wurden im Rahmen einer koordinierten Kontrolle wegen Glücksspielautomaten von der Kantonspolizei Solothurn zwei mutmassliche Glücksspielautomaten (Nr. […] und […]) im Untergeschoss der Bar «D.___» in [Ort1] sichergestellt (Strafanzeige/Rapport vom 28.11.2013, Akten Verwaltungsstrafverfahren der ESBK, Nr: 62-2013-117, Register 1, Aktenseiten 1 ff., nachfolgend zitiert «1/1 ff.»).

 

2. Die ESBK wurde am 17. Dezember 2013 mit der Strafanzeige bedient (5/19 ff.). In der Folge eröffnete diese ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Bar «D.___», A.___, nachfolgend Beschuldigter, und beschlagnahmte mit Verfügung vom 31. Januar 2014 die beiden vorgenannten Automaten (2/1 ff.).

 

3. Mit Schlussprotokoll vom 21. April 2016 präsentierte die ESBK ihr Untersuchungsergebnis (7/1 ff.) und am 14. Dezember 2016 erliess sie den Strafbescheid gegen den Beschuldigten (7/39 ff.). Gleichentags verfügte die ESKB im Einziehungsverfahren gegen unbekannt die Einziehung und Vernichtung der beiden Automaten [...] und [...], deren Eigentümer nicht eruiert werden konnte. Ebenso wurde der Kasseninhalt von CHF 40.00 einzogen (7/65 f.). Dieser Einziehungsbescheid wurde im Bundesblatt publiziert (7/67) und erwuchs in Rechtskraft (7/66).

 

4. Der Beschuldigte liess am 13. Januar 2017 durch seinen amtlichen Verteidiger, Rechtsanwalt Oliver Wächter, innert Frist Einsprache gegen den Strafbescheid (7/68 ff.) erheben. Hierauf erging am 20. August 2018 in Anwendung von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG sowie Art. 62 ff. und Art. 94 ff. VStrR folgende Strafverfügung der ESBK (7/81 ff.):

« 1.    A.___ wird des Aufstellens von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs, begangen in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis am 8. August 2013 im Restaurant «D.___» in [Ort1], durch:

 

-       Anbieten des Gerätes [...] mit den als Glücksspielautomaten bzw. als Glücksspiele qualifizierten Spielen Black Hawk, Tetrimania; Fenix Play 27, Magic oft he Ring, Mystery Jack, Magic Fruits 27, Fire Bird, Magic Fruits 81, Magic Hot 4, Casino Vegas, Miami Beach, Vegas Hot, Fenix Play, American Roulette, Black Jack 21, Turbo Poker, Vegas Reels II, Magic Poker, Black Horse, Hot Party, Magic Target, Magic Fruits, Fruit Mania und Magic Hot

 

-       Anbieten des Gerätes [...] mit den als Glücksspielautomaten bzw. Glücksspiele qualifizierten Spielen Black Hawk, Tetrimania, Fenix Play 27, Magic of the Ring, Mystery Jack, Magic Fruits 81, Football Mania, Casino Vegas, Miami Beach, Magic Fruits 4, Hot Party, Magic Target, Vegas Hot, Fruit Mania, Magic Fruits, Black Horse, Black Jack 21, Fenix Play, Magic Hot, Vegas Reels II, Magic Poker, American Poker V und Extra Bingo

 

für schuldig befunden.

  2.    A.___ wird zu einer Busse von CHF 1'700.00 verurteilt.

  3.    Das Gesuch um amtliche Verteidigung wird gutgeheissen.

  4.    RA Oliver Wächter wird als amtlicher Verteidiger von A.___ eingesetzt.

  5.    Die beantragten Einvernahmen von B.___ und C.___ werden abgelehnt.

  6.    Der Antrag um direkte gerichtliche Überweisung wird abgewiesen.

  7.    Die anteilsmässigen Kosten des Verfahrens in der Höhe von CHF 1'700.00 werden A.___ auferlegt.

  8.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird auf CHF 2'288.45 festgesetzt. Diese Barauslagen betreffend die Entschädigung des amtlichen Verteidigers in der Höhe von CHF 2'288.45 gehen zu Lasten der Staatskasse.

  9.    Zustellung an: A.___, p. Adr. Rechtsanwalt lic. iur. Oliver Wächter (…).»

 

5. Mit Eingabe vom 3. September 2018 (8/1 ff.) verlangte die Verteidigung namens des Beschuldigten die Beurteilung der Strafverfügung durch das Strafgericht, so dass die ESBK die Strafverfügung mit den Akten am 28. September 2018 dem Oberstaatsanwalt überwies (abgelegt vor 1/1, nicht paginiert). Die Überweisung gilt gemäss Art. 73 Abs. 2 VStrR als Anklage. Eine zusätzliche Untersuchung nach StPO findet nicht statt (Art. 73 Abs. 3 VStrR).

 

6. Am 9. Oktober 2018 gingen die Akten beim Richteramt Olten-Gösgen ein (vgl. Journaleintrag, Akten Vorinstanz, Aktenseite 1, nachfolgend zitiert «O-G AS 1»). Die erstinstanzliche Hauptverhandlung fand am 25. November 2019 statt (O-G AS 28 ff.) und am 2. Dezember 2019 erging folgendes Urteil des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Olten-Gösgen (O-G AS 42 ff.):

 

« 1.  Der Beschuldigte A.___ hat sich der Übertretung gegen das Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz), angeblich begangen in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis 8. August 2013 durch Aufstellen[s] von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs, nicht schuldig gemacht und wird freigesprochen.

2.  Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten A.___ im Verfahren der Eidgenössischen Spielbankenkommission ESBK, Rechtsanwalt Oliver Wächter, wird auf 2'288.45 Franken (inklusive 8 % bzw. 7,7 % Mehrwertsteuer und Auslagen) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung durch die Staatskasse des Bundes zu bezahlen.

3.  Der Staat Solothurn hat dem Beschuldigten A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter, eine Parteientschädigung von 4'692.90 Franken (inklusive 7,7 % Mehrwertsteuer und Auslagen) zu vergüten, auszahlbar durch die Zentrale Gerichtskasse Solothurn, 4502 Solothurn.

4.  Die Kosten des Verfahrens der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) gehen zu Lasten der Staatskasse des Bundes.

5.  Die Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens trägt der Staat Solothurn.»

 

7. Gegen dieses Urteil meldete die ESBK (nachfolgend auch Berufungsklägerin) innert Frist die Berufung an (O-G AS 49 ff.). Mit Berufungserklärung vom 4. März 2020 (Akten des Berufungsverfahrens vor Obergericht, Aktenseiten 2 ff., nachfolgend zitiert «OGer AS 2 ff.») stellt die Berufungsklägerin folgende Abänderungsanträge:

 

1.)     Aufhebung der Dispositivziffern 1, 3, 4 und 5 des erstinstanzlichen Urteils;

2.)     Schuldspruch des Beschuldigten wegen:

·           Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Geldspiele gemäss Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS durch Durchführen von Spielbankenspielen ohne die dafür notwendige Konzession,

·           Eventualiter: Schuldspruch wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken gemäss Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG durch Aufstellen von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs

begangen in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis am 8. August 2013 im Restaurant «D.___» in [Ort1], durch

-       Anbieten des Gerätes [...] mit den als Glücksspielautomaten bzw. als Glücksspiele qualifizierten Spielen «Black Hawk», «Tetrimania»; «Fenix Play 27», «Magic of the Ring», «Mystery Jack», «Magic Fruits 27», «Fire Bird», «Magic Fruits 81», «Magic Hot 4», «Casino Vegas», «Miami Beach», «Vegas Hot», «Fenix Play», «American Roulette», «Black Jack 21», «Turbo Poker», «Vegas Reels II», «Magic Poker», «Black Horse», «Hot Party», «Magic Target», «Magic Fruits», «Fruit Mania» und «Magic Hot»;

-       Anbieten des Gerätes [...] mit den als Glücksspielautomaten bzw. Glücksspiele qualifizierten Spielen «Black Hawk», «Tetrimania», «Fenix Play 27», «Magic of the Ring», «Mystery Jack», «Magic Fruits 81», «Football Mania», «Casino Vegas», «Miami Beach», «Magic Fruits 4», «Hot Party», «Magic Target», «Vegas Hot», «Fruit Mania», «Magic Fruits», «Black Horse», «Black Jack 21», «Fenix Play», «Magic Hot», «Vegas Reels II», «Magic Poker», «American Poker» V» und «Extra Bingo».

3.)     Verurteilung des Beschuldigten zu einer angemessenen Geldstrafe sowie zu einer Busse, wobei die Bezahlung der Geldstrafe unter Ansetzung einer angemessenen Probezeit aufzuschieben und die Busse zu bezahlen sei.

          Eventualiter: Verurteilung zu einer Busse von CHF 1'700.00.

4.)     Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschuldigten.

 

Nicht angefochten wird von der Berufungsklägerin Dispositivziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils (Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten für das Verwaltungsstrafverfahren zu Lasten der Staatskasse des Bundes). Soweit die Höhe der Entschädigung betreffend, ist diese Dispositivziffer in Rechtskraft erwachsen. Die Frage einer allfälligen Rückerstattung dieser Entschädigung (vgl. hierzu Art. 33 Abs. 3 VStrR) hängt davon ab, ob dem Beschuldigten für das Verwaltungsstrafverfahren Kosten aufzuerlegen sind. Dies entscheidet sich nach dem Prozessausgang (vgl. hierzu nachfolgende Ziff. III.1.1).

 

8. Vom Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft wurden keine Rechtsmittel eingelegt.

 

9. Nachdem sich sowohl die Berufungsklägerin als auch der Beschuldigte mit der Durchführung des schriftlichen Verfahrens einverstanden erklärt hatten, ging am 29. April 2020 die schriftliche Berufungsbegründung der Berufungsklägerin (OGer AS 18 ff.) beim Obergericht ein. Am 22. Mai 2020 nahm die Verteidigung hierzu Stellung und liess für den Beschuldigten folgende Anträge stellen (OGer AS 34 ff.):

 

« 1.  Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen.

  2.  Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsklägerin.»

 

10. Am 3. Juni 2020 verfügte der Instruktionsrichter, dass das vorliegende Verfahren bis zur Rechtskraft des Verfahrens STBER.2019.56 zu sistieren sei, da sich in jenem Verfahren die gleichen Rechtsfragen wie im vorliegenden Verfahren stellten. Es erscheine deshalb angezeigt, den Eintritt der Rechtskraft des Verfahrens STBER.2019.56 abzuwarten (OGer AS 51).

 

11. Mit Verfügung vom 22. September 2021 wies der Instruktionsrichter die Parteien auf das im Verfahren STBER.2019.56 ergangene und in anonymisierter Form publizierte Urteil des Bundesgerichts 6B_928/2020 vom 6. September 2021 hin, hob die Verfahrenssistierung auf und setzte der Berufungsklägerin Frist für eine allfällige Replik (OGer AS 52). Die Replik ging am 13. Oktober 2021 (OGer AS 54 ff.) ein und mit Eingabe vom 18. Oktober 2021 nahm die Verteidigung abschliessend Stellung und reichte ihre Honorarnote ins Recht (OGer AS 60 ff.).

 

 

II. Prüfung des anwendbaren Rechts und der Strafbarkeit

 

1. Grundsatz der lex mitior

 

Am 1. Januar 2019 ist das neue Bundesgesetz über Geldspiele (BGS, SR 935.51) in Kraft getreten, welches das Spielbankengesetz abgelöst hat. Da das dem Beschuldigten vorgehaltene Verhalten vor Inkrafttreten dieses neuen Bundesgesetzes liegt, stellt sich die Frage des anwendbaren Rechts. Gemäss Art. 2 VStrR gelten die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches für Taten, die in der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes mit Strafe bedroht sind, soweit dieses Gesetz das einzelne Verwaltungsgesetz nichts anderes bestimmt. Da weder das VStrR noch die Spezialerlasse Sonderbestimmungen kennen, gelangt Art. 2 StGB zur Anwendung. Nach dessen Abs. 1 ist die rückwirkende Anwendung der Gesetzesänderung unzulässig, wenn sie sich zu Lasten des Täters auswirken würde. Daraus leitet sich ab, dass grundsätzlich jenes Gesetz anwendbar ist, das im Zeitpunkt der verübten Tat galt, es sei denn, das neue Gesetz sei das mildere (Art. 2 Abs. 2 StGB). Die Rückwirkung des milderen Gesetzes (lex mitior) folgt dem Gedanken, dass nicht mehr milder bestraft werden soll, weil die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint (BGE 134 IV 82 E. 6.1 S. 87 mit Hinweis auf BGE 89 IV 113 E. I/1a S. 116). Das Anknüpfungskriterium der lex mitior erfordert einen Vergleich der konkurrierenden Strafbestimmungen. Ob das neue im Vergleich zum alten Gesetz milder ist, beurteilt sich nicht nach einer abstrakten Betrachtungsweise, sondern in Bezug auf den konkreten Fall (Grundsatz der konkreten Vergleichsmethode). Der Richter hat die Tat sowohl nach altem als auch nach neuem Recht (hypothetisch) zu prüfen und durch Vergleich der Ergebnisse festzustellen, nach welchem der beiden Rechte der Täter besser wegkommt (BGE 134 IV 82 E. 6.2.1 S. 87 mit Hinweis auf BGE 126 IV 5 E. 2c S. 8).

Nachfolgend ist das alte Recht (vgl. Ziff. II.2.) dem neuen Recht (vgl. Ziff. II.3.) gegenüberzustellen.

 

2. Strafbarkeit nach SBG

 

2.1 Im vorgehaltenen Tatzeitraum (12.7.2013 - 8.8.2013) stand das Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52) in Kraft. Vorab ist die Frage zu klären, ob in Bezug auf den zur Anklage gebrachten Straftatbestand (Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG) bereits die Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Art. 56 SBG droht als Sanktion Haft Busse bis zu CHF 500'000.00 an und ist demnach als Übertretungstatbestand ausgestaltet (Art. 333 Abs. 3 StGB). Gemäss Art. 57 Abs. 2 SBG verjährt die Übertretung nach 5 Jahren. Nach Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB werden bis zu ihren Anpassungen die Verfolgungsverjährungsfristen für Übertretungen, die über ein Jahr betragen, um die ordentliche Dauer verlängert, womit grundsätzlich eine Verfolgungsverjährungsfrist von insgesamt 10 Jahren resultieren würde. Führt jedoch die Regelung von Art. 333 Abs. 6 StGB im Nebenstrafrecht, worunter das Spielbankengesetz fällt, dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich diese auf das für letztere geltende Mass, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden (BGE 134 IV 328 E. 2.1; Urteil des Bundegerichts 6B_905/2017 vom 3.5.2018 E. 2). Im vorliegenden Fall resultiert eine massgebliche Verfolgungsverjährungsfrist von sieben Jahren (vgl. hierzu auch Urteile des Bundesgerichts 6B_395/2013 vom 13.6.2013 und 6B_770/2010 vom 28.2.2011 E. 5.2).

 

Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung nicht mehr ein (Art. 97 Abs. 3 StGB). Unter erstinstanzlichen Urteilen im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB, nach deren Ausfällung die Verjährung nicht mehr eintritt, sind nicht nur verurteilende, sondern auch freisprechende Erkenntnisse zu verstehen (BGE 139 IV 62, Regeste sowie E. 1.5 ff., insbesondere E. 1.5.9; Änderung der Rechtsprechung). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist bereits die Strafverfügung nach Art. 70 VStrR wie ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB zu behandeln (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_207/2017 vom 11.9.2017 E. 1.5; 6B_775/2009 vom 18.2.2010 E. 2.1; BGE 142 IV 11; BGE 133 IV 112).

 

Dem Beschuldigten wird in der Strafverfügung vorgehalten, die Tat «in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis am 08. August 2013» begangen zu haben. Die Strafverfügung, welche für die Verjährungsfrage einem erstinstanzlichen Urteil gleichgesetzt wird, datiert vom 20. August 2014 (7/81) und ist folglich vor Ablauf der massgeblichen 7-jährigen Frist erlassen worden. Die Verfolgungsverjährung ist somit noch nicht eingetreten.

 

Gleiches würde im Übrigen gelten, wenn man – entgegen der soeben dargelegten Rechtsauffassung – nicht auf die Strafverfügung, sondern auf das Urteil der Vorinstanz vom 2. Dezember 2019 abstellen würde. Auch dieses ist vor Ablauf der 7-jährigen Frist ergangen.

 

2.2 Die altrechtlichen Bestimmungen lauten wie folgt: Wer einen Geschicklichkeits- Glücksspielautomaten (Geldspielautomaten) in Verkehr setzen will, muss ihn gemäss Art. 61 Abs. 1 der Verordnung über Glücksspiele und Spielbanken (VSBG, SR 935.521) vor Inbetriebnahme bei der ESBK vorführen. Die ESBK entscheidet, ob es sich beim vorgeführten Geldspielautomaten um einen Geschicklichkeits- um einen Glücksspielautomaten handelt (Art. 64 Abs. 1 VSBG). Sie erlässt hierzu eine Feststellungsverfügung, die im Bundesblatt veröffentlicht wird (vgl. BGE 138 IV 106 E 5.3.2 S. 111). Das massgebliche Abgrenzungskriterium ist, ob die Entscheidung über den in Aussicht gestellten Geldgewinn einen anderen geldwerten Vorteil in unverkennbarer Weise von der Geschicklichkeit der Spielerin des Spielers abhängt ob sie überwiegend auf Zufall beruht (Art. 63 VSBG, vgl. auch die Legaldefinition des Glückspiels nach Art. 3 Abs. 1 SBG). Die Pflicht zur Vorführung eines Geldspielautomaten zum Zweck von dessen Qualifizierung durch die ESBK gilt – unter Vorbehalt der vorliegend nicht relevanten Ausnahmen gemäss Art. 62 VSBG – uneingeschränkt, d.h. nicht nur für konzessionierte Spielbanken, sondern auch für Personen Betriebe ohne Spielbankenkonzession wie beispielsweise Gaststätten (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 6B_899/2017 vom 3.5.2018 E. 2.3 und 6B_709/2011 vom 5.7.2012 E. 2.4.2).

 

Diese Vorführpflicht wird strafrechtlich abgesichert bzw. deren Nichteinhaltung sanktioniert: Gemäss Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG wird mit Haft Busse bis zu CHF 500'000.00 bestraft, wer Spielsysteme Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Prüfung zum Zweck des Betriebs aufstellt. Bei einer fahrlässigen Tatbegehung droht eine Busse von maximal CHF 250'000.00 (Art. 56 Abs. 2 SBG).

 

Bevor sich die Frage stellt, ob die Beweismittel verwertbar sind – was von der Verteidigung des Beschuldigten vehement bestritten wird (vgl. die Stellungnahmen vom 22.5.2020 und 18.10.2021) – und ob sich ein tatbestandsmässiges Verhalten im Sinne von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG beweisen lässt, ist nachfolgend (Ziff. II.3.) zu klären, ob die Strafbarkeit des vorgehaltenen Verhaltens unter neuem Recht überhaupt fortbesteht.

 

3. Strafbarkeit nach BGS

 

3.1 Das auf den 1. Januar 2019 in Kraft getretene Bundesgesetz über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS; SR 935.51), welches das SBG abgelöst hat, kennt keine Norm, welche die Nichteinhaltung der Vorführpflicht für die Anbieter unter Strafe stellt. Alleine die Missachtung der Vorführpflicht kann demnach unter neuem Recht nicht mehr vorgeworfen werden, vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 6B_928/2020, vom 6. September 2021 (E. 3.4.3): «Obwohl die meisten Handlungen, die durch das SBG unter Strafe gestellt wurden, in das neue Gesetz übernommen worden sind, ist diese Vorführungspflicht gemäss neuem Recht gerade nicht mehr vorgesehen.»

 

In der Botschaft zum Geldspielgesetz vom 21. Oktober 2015 (BBl 2015 8503 f. sowie auch 8497) wird hierzu Folgendes festgehalten: Das Bundesgericht habe mit Urteil vom 16. März 2012 dem Strafrichter untersagt, selbst das Spiel innerhalb des Strafverfahrens zu qualifizieren (BGE 138 IV 106), mit der Folge, dass bei jeder Eröffnung eines Strafverfahrens gleichzeitig ein Verwaltungsverfahren habe eröffnet werden müssen, um vorgängig die betreffenden Spiele zu qualifizieren. Es habe demnach kein Strafurteil gefällt werden können, bevor das Verwaltungsverfahren beendet worden sei. Das neue Recht sehe keine vergleichbaren Kompetenzen zugunsten einer Verwaltungsbehörde vor; die für die Beurteilung von Straftaten zuständige Behörde sei befugt, die Qualifikation der Spiele vorzunehmen, soweit keine rechtskräftige Verfügung einer Verwaltungsbehörde vorliege.

 

3.2 Da das BGS keine Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG entsprechende Strafnorm kennt, befasst sich die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren – mit Blick auf das neue Recht – denn auch nicht mehr mit der unterlassenen Vorführung der Automaten, sondern nur noch mit der Tathandlung des Durchführens von Spielbankenspielen (vgl. schriftliche Berufungsbegründung, Ziff. 7.1.2, OGer AS 29): Der Berufungsbeklagte sei zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung vom 8. August 2013 Inhaber des Lokals gewesen, in welchem die zwei Geräte [...] und [...] vorgefunden worden seien. Beide Geräte seien betriebsbereit gewesen und bespielt worden. Der Berufungsbeklagte habe demnach für Drittpersonen Spielbankenspiele zugänglich gemacht und somit Dritten ein illegales Spielangebot zur Benutzung angeboten. Folglich habe er Spielbankenspiele angeboten und dies in einem Lokal («D.___» in [Ort1]), bei welchem es sich nicht um eine konzessionierte Spielbank im Sinne des Geldspielgesetzes gehandelt habe. Der objektive Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS sei demnach erfüllt. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt, denn der Berufungsbeklagte habe zumindest eventualvorsätzlich gehandelt (OGer AS 30).

 

3.3 Mit diesen Ausführungen zu Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS entfernt sich die Berufungsklägerin in unzulässiger Weise von der Anklage, die das Prozessthema fixiert. Zu diesem Schluss kam auch das Bundesgericht auf die Beschwerde der ESBK hin im Verfahren STBER.2019.56, dem dieselbe Ausgangslage zu Grunde lag, was die Verfahrensleitung denn auch zum vorgenannten Sistierungsentscheid bewog (vgl. vorstehende Ziff. I.10.).

 

Mit Urteil 6B_928/2020 vom 6. September 2021 hielt das Bundesgericht Folgendes fest:

 

-           E. 3.4.2: «Im Zentrum des strafrechtlichen Vorwurfs steht somit, wie die Vorinstanz überzeugend darlegt, die Unterlassung der Vorführung und damit zusammenhängend das Versäumnis, die Automaten vor dem Aufstellen einer Qualifikation durch die Fachbehörde unterzogen zu haben. Der Strafbescheid, die Strafverfügung sowie die Überweisungsverfügung beziehen sich denn auch ausdrücklich auf die dieses Verhalten bestrafende Bestimmung in Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG. 

 

-        Der von der Beschwerdeführerin (ESBK) vertretenen Auffassung, wonach der Beschwerdegegner den neurechtlichen Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS erfülle, hält das Bundesgericht Folgendes entgegen (E. 3.4.3: «Sie verkennt dabei, dass nicht das Anbieten und Durchführen eingeklagt wird, sondern die Unterlassung der Vorführung der Geräte. (…)»

 

3.4 Die Parallelen zum vorliegenden Fall sind offenkundig: Auch die vorliegende Strafverfügung Nr. 62-2013-117 (7/81 ff.) ist unmissverständlich auf den Tatbestand von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG ausgerichtet. So wird in den Erwägungen unter Ziff. III. («ad objektiver Tatbestand») dieser Strafverfügung ausgeführt, der objektive Tatbestand von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG umfasse als Tathandlung das Aufstellen zum Zwecke des Betriebes, als Tatobjekt Geldspielsysteme Glücksspielautomaten und als drittes Element das Fehlen einer Prüfung, Konformitätsbewertung einer Zulassung (7/90). Im Rahmen der fallbezogenen Subsumption gelangt die ESBK zum Ergebnis, die beiden Geräte [...] und [...] hätten nicht über eine Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung verfügt (Erw. III.9.3: 7/90) und seien vom 13. Juli 2013 bis am 8. August 2013 zum Zwecke des Betriebs in der Bar D.___ aufgestellt worden, weshalb der objektive Tatbestand von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG erfüllt sei (7/91).

 

Wenn nun die Berufungsklägerin in ihrer Replik vom 13. Oktober 2021 behauptet (OGer AS 58), der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich grundlegend vom Sachverhalt dieser bundesgerichtlichen Entscheidung, kann dem nicht gefolgt werden. Worin dieser grundlegende Unterschied in tatsächlicher Hinsicht bestehen soll, wird von der Berufungsklägerin in der Folge auch nicht aufgezeigt und ein solcher ist nicht auszumachen. Die Argumentation der Berufungsklägerin in der Replik, wonach der in der Strafverfügung Nr. 62-2013-117 dargelegte Sachverhalt eindeutig auch das Anbieten der Geräte mit den als Glücksspielautomaten bzw. Glücksspiele qualifizierten Spiele umfasse (OGer AS 58), zielt ins Leere. Die ESBK hat in der Strafverfügung Nr. 62-2011-046/02 vom 21. Juni 2017, welche dem Verfahren STBER.2019.56 bzw. dem Urteil des Bundesgerichts 6B_928/2020 vom 6. September 2021 zu Grunde lag, exakt dieselbe Formulierung verwendet, um den Tatvorhalt zu umschreiben (vgl. das anonymisierte Urteil vom 27.5.2020, abrufbar unter: https://gerichtsentscheide.so.ch, zuletzt besucht am 5.4.2022):

 

«A.___ wird des Aufstellens von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs, mehrfach begangen während ca. zwei Monaten bis zum 30. Juni 2011 im Lokal Club B.___ an der […] in [Ort2], durch

 

-        Anbieten der Geräte […], […] und […] als Glücksspielautomaten, mit den 27 als Glücksspiele qualifizierten Spielen American Roulette, Black Jack (21), Vegas Poker, Magic Fruits, Magic Hot, Fenix Play, Turbo Play, Vegas Hot, Black Horse, Vegas Reels II, American Poker V, Joker Poker, Magic Poker, Turbo Poker, Fruit Mania, Hot Party, Lost Treasure, Magic Target, Beach Party, Babylon Treasure, Arcade, Three Cards, Magic Colors, Extra Bingo, Sic-Bo, Mega Bols, American Superball

 

für schuldig befunden.»

 

Auch in diesem Fall stand demnach fest, dass das Anbieten der Geräte in der Strafverfügung zwar genannt wird, dies aber nichts daran ändert, dass der Vorhalt der Strafverfügung nicht auf das Anbieten von Glücksspielautomaten bzw. auf das Organisieren und Durchführen von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken, sondern – wie nun auch höchstrichterlich bestätigt (6B_928/2020 vom 6.9.2021 E. 3.4.2) – auf das Aufstellen von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs abzielt.

 

3.5 Hinzu kommt Folgendes: Dass die Organisation von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken nicht zur Anklage gebracht wurde, obwohl die ESBK gestützt auf die beiden technischen Geräteanalysen mit Schlussprotokoll vom 21. April 2016 zur Überzeugung gelangt war, man habe auf den beiden Geräten ausschliesslich auf das Spielangebot «Vegas Multigame Offline» zugreifen können und die Geräte (wiederum gemäss dem Untersuchungsergebnis der ESBK) seien zwischen dem 12. Juli 2013 und dem 8. August 2013 regelmässig benutzt worden (vgl. Schlussprotokoll: 7/4 f.), hat folgenden Hintergrund: Auf dem Gerät [...] wurden gemäss ESBK insgesamt 24 und auf dem Gerät [...] insgesamt 23 automatisierte Spiele angeboten. Deren Qualifikation als Glücksspiele im Sinne von Art. 3 Abs. 2 SBG erfolgte jedoch erst nach dem angeklagten Tatzeitraum (12.7.2013 - 8.8.2013): Die massgeblichen Qualifikationsverfügungen datieren vom 26. Februar 2014 (Spiel «Magic Fruits 4»), 4. April 2014 und 24. Juni 2015 (zu den Einzelheiten vgl.: 7/84). Gemäss dem Leitentscheid BGE 138 IV 106, auf den im vorliegenden Verfahren bereits im Anfangsstadium der Untersuchung explizit hingewiesen wurde (vgl. 5/001: Schreiben vom 9.1.2014), kann der Betrieb eines Spielautomaten ausserhalb einer konzessionierten Spielbank den Straftatbestand von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG nur erfüllen, wenn der Automat durch Verfügung der Eidgenössischen Spielbankenkommission als Glücksspielautomat qualifiziert worden ist und allfällige Rechtsmittel gegen diese Verfügung keine aufschiebende Wirkung haben. Da diese Voraussetzung der Strafbarkeit vorliegend – wie auch bereits im Verfahren STBER.2019.56 – fehlte, wich die ESBK als Anklagebehörde auf die Strafnorm von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG aus.

 

Diese fehlende Strafbarkeit blendet jedoch die Berufungsklägerin in ihrer Argumentation aus: Sie stellt bei der Abhandlung der übergangsrechtlichen Problematik (Bestimmung der lex mitior) der neurechtlichen Bestimmung von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS nicht das altrechtliche Pendant (Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG), sondern Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG gegenüber, obwohl diese Norm eine andere Verhaltensweise (Unterlassung der Vorführung) sanktioniert. Daraus folgt: Selbst wenn man – entgegen der von der Berufungsinstanz und vom Bundesgericht im Parallelfall STBER.2019.56 vertretenen Auffassung – davon ausgehen würde, die Anwendung von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS stelle lediglich eine abweichende rechtliche Würdigung desselben Sachverhaltes dar, müsste der Beschuldigte mit Blick auf den Grundsatz der lex mitior zwingend freigesprochen werden. Auch dies hat das Bundesgericht mit Urteil 6B_928/2020 vom 6. September 2021 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, indem es festhielt (E. 3.4.3), dass das von der Beschwerdeführerin genannte Verhalten nicht nur nicht eingeklagt worden sei, sondern überdies altrechtlich von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG erfasst würde (vgl. Urteil 6B_536/2020 vom 23. Juni 2021 E. 3; vgl. VISCHER, a.a.O., S. 218 mit Hinweisen). Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG sanktioniere mit Haft mit Busse bis zu CHF 500'000.00, wer Glücksspiele ausserhalb konzessionierter Spielbanken organisiere gewerbsmässig betreibe. Ein solches Verhalten falle bereits deshalb ausser Betracht, weil es mangels Durchführung eines administrativen Unterstellungsverfahrens an einer Verfügung der ESBK betreffend die Qualifikation der Automaten fehle (mit Hinweis auf BGE 138 IV 106 E. 5.3.2; Urteil 6B_899/2017 vom 3.5.2018 E. 1.9). Bleibt der Beschuldigte – wie vorliegend – gestützt auf die im Tatzeitraum geltende Norm von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG straflos, kann dessen Strafbarkeit nicht herbeigeführt werden, indem in Missachtung von Art. 2 Abs. 2 StGB die strengere Bestimmung rückwirkend zur Anwendung gebracht wird.

 

3.6 Zusammenfassend steht fest, dass der Beschuldigte freigesprochen werden muss. Damit erübrigt es sich, im Einzelnen auf die Rügen der Verteidigung betreffend die Verwertbarkeit der Beweismittel einzugehen. Selbst wenn sich – entgegen der Vorinstanz und der Argumentation des Beschuldigten – der zur Anklage gebrachte Sachverhalt nachweisen liesse, bliebe der Beschuldigte in Anwendung von Art. 2 Abs. 2 StGB straflos. Der Freispruch der Vorinstanz ist zu bestätigen.

 

 

III. Kosten- und Entschädigungsfolgen

 

1. Kostenfolgen

 

1.1 Bei diesem Verfahrensausgang erliegen die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der ESBK auf der Staatskasse des Bundes (Art. 95 Abs. 1 VStR, e contrario).

 

1.2 Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens sind in Anwendung von Art. 97 Abs. 1 VStrR i.V.m. Art. 423 StPO bzw. Art. 428 Abs. 1 StPO vom Kanton Solothurn zu tragen.

 

2. Entschädigungsfolgen

 

2.1 Amtliche Verteidigung im Verwaltungsstrafverfahren

 

Im Verwaltungsstrafverfahren wurde Rechtsanwalt Oliver Wächter als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten eingesetzt und seine Entschädigung auf CHF 2'288.45 festgesetzt (vgl. Dispositivziff. 4 und 8 der Strafverfügung Nr. 62-2013-117 vom 20.8.2018: 7/96). Der Höhe nach ist diese Entschädigung in Rechtskraft erwachsen.

 

Diese Entschädigung bildet Teil der Verfahrenskosten (Art. 33 Abs. 3 VStrR) und ist in Anbetracht des Ausgangs des Verfahrens von der Staatskasse des Bundes zu bezahlen.

 

2.2 Private Verteidigung im gerichtlichen Verfahren

 

Vor erster Instanz verzichtete Rechtsanwalt Oliver Wächter darauf, ein Gesuch auf amtliche Verteidigung einzureichen (O-G AS 27). Er nahm als privater Verteidiger die Interessen des Beschuldigten wahr.

 

Gemäss Art. 99 Abs. 1 VStrR ist dem Beschuldigten, gegen den das Verfahren eingestellt der nur wegen Ordnungswidrigkeit bestraft wird, auf Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten. Zu den «anderen Nachteilen» sind auch die notwendigen und angemessenen Kosten einer frei gewählten Verteidigung (Wahlverteidigung) zu zählen (vgl. Friedrich Frank/Lorenz Garland in: BSK VStrR, Art. 99 VStrR N 27).

 

Im Falle eines Freispruches im gerichtlichen Verfahren beruht der Entschädigungsanspruch gestützt auf Art. 101 Abs. 1 VStrR auf der sinngemässen Anwendung von Art. 99 VStrR. Diese Entschädigung geht in Anwendung von Art. 101 Abs. 1 VStrR i.V.m. Art. 99 Abs. 3 VStrR zu Lasten des Bundes.

 

Für das erstinstanzliche Verfahren wurde die Parteientschädigung auf total CHF 4'692.90 festgesetzt. Dieser Betrag ist zu bestätigen.

 

Für das Berufungsverfahren macht der private Verteidiger einen Aufwand von total 15,75 Stunden zu je CHF 270.00 (CHF 4'252.50) sowie Auslagen von CHF 61.10 geltend. Zuzüglich 7,7 % MWST resultieren CHF 4'645.75 (OGer AS 64).

 

Der geltend gemachte Stundenansatz von CHF 270.00 wurde von der Berufungsklägerin nicht bestritten. Mit Blick auf die besondere Materie und die erforderlichen Spezialkenntnisse im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens erweist sich dieser als gerechtfertigt. Die Entschädigung ist im geltend gemachten Umfang gutzuheissen.

 

Der Bund hat demnach dem Beschuldigten, privat vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter, für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von total CHF 4'692.90 und für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von total CHF 4’645.75 zu bezahlen.

 

 


 

Demnach wird in Anwendung von Art. 2 Abs. 2 StGB; Art. 33 VStrR, Art. 97 Abs. 1, Art. 99 Abs. 1 und 3, Art. 101 VStrR sowie Art. 423 sowie Art. 428 Abs. 1 StPO erkannt:

 

1.    Der Beschuldigte A.___ wird vom Vorwurf der Übertretung des Spielbankengesetzes durch Aufstellen von Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung Zulassung zum Zwecke des Betriebs freigesprochen.

2.    Es wird festgestellt, dass die Entschädigung des amtlichen Verteidigers des Beschuldigten A.___, Rechtsanwalt Oliver Wächter, gemäss der diesbezüglich rechtskräftigen Ziffer 2 des Urteils des a.o. Amtsgerichtsstatthalters von Olten-Gösgen vom 2. Dezember 2019 für das Verwaltungsstrafverfahren auf CHF 2'288.45 (inklusive Auslagen sowie 8 % bzw. 7,7 % MWST) festgesetzt worden ist.

Diese Entschädigung ist von der Staatskasse des Bundes zu bezahlen.

3.    Der Bund hat dem Beschuldigten A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Wächter, für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 4'692.90 (inklusive Auslagen und 7,7 % MWST) und für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 4’645.75 (inklusive Auslagen und 7,7 % MWST) zu bezahlen.

4.    Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der ESBK gehen zu Lasten der Staatskasse des Bundes.

5.    Die Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und des Berufungsverfahrens trägt der Staat Solothurn.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

von Felten                                                                         Lupi De Bruycker



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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