Zusammenfassung des Urteils SGSTA.2019.75: Verwaltungsgericht
Die Entscheidung betrifft eine Aktiengesellschaft mit asymmetrischer Dividendenausschüttung, bei der der nicht angefochtene Generalversammlungsbeschluss nicht nichtig ist. Es wird festgestellt, dass die Dividendenbeschlüsse gegen das Gleichbehandlungsgebot des Obligationenrechts verstossen. Weiterhin wird diskutiert, ob der Beschluss nichtig oder nur anfechtbar ist und dass die Beschlüsse nach Ablauf der Anfechtungsfrist als gültig gelten. Die Vorinstanz berücksichtigt die Bevorzugung der Rekurrentin bei der Dividendenausschüttung aufgrund des erhöhten Arbeitsaufwands eines Verwaltungsratsmitglieds. Das Steuergeheimnis wurde nicht verletzt, und daher werden die Gewinn- und Kapitalsteuern der Rekurrentin für die Steuerperioden 2016 und 2017 entsprechend den Steuererklärungen veranlagt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SGSTA.2019.75 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Steuergericht |
Datum: | 14.06.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Dividende; Dividenden; Generalversammlung; Aktionär; Aktien; Recht; Anfechtung; Rekurrentin; Dividendenausschüttung; Nichtigkeit; Schenkung; Vorinstanz; Anfechtungs; Aktiengesellschaft; Beschlüsse; Beschluss; Kapital; Aktionäre; Gleichbehandlungsgebot; Dividendenbeschlüsse; Anfechtbarkeit; Generalversammlungsbeschlüsse; Generalversammlungen; Aktionärinnen; Anfechtungsklage; Personen; Generalversammlungsbeschluss; Kapitaleinlage; ögensmässige |
Rechtsnorm: | Art. 660 OR ;Art. 661 OR ;Art. 680 OR ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | SGSTA.2019.75 |
Instanz: | Steuergericht |
Entscheiddatum: | 14.06.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_SG.2022.56 |
Titel: | Staats- und Bundessteuern 2016 und 2017 |
Resümee: | Juristische Personen, Dividende. In casu Aktiengesellschaft mit asymmetrischer Dividendenausschüttung; nicht angefochtener Generalversammlungsbeschluss nicht nichtig; weder Schenkung an Verwaltungsratsmitglied noch verdeckte Kapitaleinlage. |
KSGE 2021 Nr. 18
Juristische Personen, Dividende. In casu Aktiengesellschaft mit asymmetrischer Dividendenausschüttung; nicht angefochtener Generalversammlungsbeschluss nicht nichtig; weder Schenkung an Verwaltungsratsmitglied noch verdeckte Kapitaleinlage.
Aus den Erwägungen
2.1 Sämtlichen Aktionäre einer Aktiengesellschaft stehen vermögensmässige und nicht vermögensmässige Rechte zu, wobei das Recht auf Dividende (Art. 660 Abs. 1 OR, Obligationenrecht, SR 220) das wohl wichtigste vermögensmässige Recht darstellt. Die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes, insbesondere die Festsetzung der Dividende und Tantieme, steht gemäss Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR der Generalversammlung zu. Die Generalversammlung verfügt hierbei über einen erheblichen Ermessensspielraum, doch findet dieser seine Grenzen in den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Hierzu gehört der Grundsatz gemäss Art. 661 OR, wonach die Anteile am Gewinn und am Liquidationsergebnis, sofern die Statuten nicht etwas Anderes vorsehen, im Verhältnis der auf das Aktienkapital einbezahlten Beträge zu berechnen sind. Für eine Bevorzugung einzelner Aktionäre besteht die Möglichkeit, Vorzugsaktien zu schaffen. Wie von der Vorinstanz festgestellt worden ist, verfügt die B. Z. AG nur über eine einzige Aktienkategorie. Die Rekurrentin hat denn auch nicht bestritten, dass die B. Z. AG über keine statutarische Grundlage zur Abweichung vom Gleichbehandlungsgebot verfügt. Die im vorliegenden Fall massgeblichen Dividendenbeschlüsse der Generalversammlung verletzen somit das obligationenrechtliche Gleichbehandlungsgebot.
2.2 Während dem Aktionär eine Vielzahl von Pflichten zustehen, sieht das Aktienrecht als einzige Pflicht des Aktionärs die Liberierungspflicht für den Nennwert der Aktien vor. Weitergehende Leistungspflichten dürfen dem Aktionär gemäss Art. 680 Abs. 1 OR nicht auferlegt werden. Indem die zusätzliche Arbeitsleistung eines Verwaltungsrates via eine asymmetrische Dividendenausschüttung honoriert wird, erfolgt diese zu Lasten derjenigen Aktionäre, deren Dividendenanteil reduziert wird. Auch in dieser Hinsicht verletzen die Dividendenbeschlüsse somit zwingendes Aktienrecht.
2.3 Als Nächstes stellt sich die Frage, ob der gesetzeswidrige Generalversammlungsbe-schluss zu dessen Nichtigkeit bloss zu dessen Anfechtbarkeit führt.
2.3.1 Schwere Verletzungen der Aktionärsrechte führen gemäss Art. 706b Ziff. 1 und 2 OR zur Nichtigkeit des betreffenden Generalversammlungsbeschlusses. Die Grenzen zwischen der Anfechtbarkeit gemäss Art. 706 Abs. 2 Ziff. 1 OR und der Nichtigkeit im Sinne von Art. 706b Ziff. 1 und 2 OR sind indes fliessend. Generalversammlungsbeschlüsse, welche unter einem qualifizierten Mangel leiden, sind nichtig. Dazu gehören unter anderem die in Art. 706b Ziff. 1 bis 3 OR erwähnten eindeutigen Rechtsverletzungen. Im Gegensatz zu anfechtbaren Beschlüssen, welche nach Ablauf einer zweimonatigen Frist ihre Rechtswirkung entfalten, sind nichtige Beschlüsse mit Wirkung ex tunc ungültig. Der Übergang von blosser Anfechtbarkeit zu Nichtigkeit ist in einem breiten Bereich fliessend (URS SCHENKER, Die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen bei der Aktiengesellschaft, S. 47). Entscheidend ist die Frage, ob eine Gesetzesverletzung derart schwer wiegt, dass ein Beschluss ohne Aussicht auf Heilung ungültig bleibt, ob es im Sinne der Rechtssicherheit besser ist, dass der betreffende Beschluss gültig wird, wenn innert Frist keine Anfechtung erfolgt. Die Gerichtspraxis zeigt, dass die Gerichte bezüglich der Nichtigkeit äusserst zurückhaltend sind und ausserhalb von schweren Formfehlern bei der Einberufung und Durchführung von Generalversammlungen und der Verletzung von Vorschriften des Kapital- und Gläubigerschutzes kaum je die Nichtigkeit eines Beschlusses bejahen (SCHENKER, a.a.O.). Die von den Gerichten angewandte Zurückhaltung bei der Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen liegt in der damit verbundenen Rechtsunsicherheit begründet. Anfechtbarkeit ist somit die Regel und im Zweifelsfall anzunehmen. Generalversammlungsbeschlüsse sind also nur unter gravierenden Umständen, z.B. bei schweren Verstössen gegen die Grundsätze des ungeschriebenen Rechtes, nichtig (BRIGITTE TANNER, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, 5. Teil: Die Aktiengesellschaft, Art. 706b, S. 393, m.w.H.). Das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot hat seinen Ursprung im Minderheitenschutz. Im Aktienrecht gilt das Mehrheitsprinzip, was dazu führen kann, dass sich die Minderheitsaktionäre in ihren Interessen verletzt fühlen. Die (Minderheits-) Aktionäre erhalten mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage die Möglichkeit, gegen gesetzes- statutenwidrige Beschlüsse vorzugehen.
2.3.2 Im vorliegenden Fall wird mit der asymmetrischen Dividendenausschüttung das Gleichbehandlungsgebot und damit ein vermögenswertes Recht der nicht begünstigten Aktionärinnen verletzt. Die beiden zu beurteilenden Dividendenbeschlüsse erfolgten einstimmig, d.h. unter Zustimmung der beiden benachteiligten Aktionärinnen. Beide Aktionärinnen (bzw. ihr Vertreter) verfügen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit über ausreichend Sachkenntnis, um sich der Konsequenzen und Wirkung ihrer Zustimmung zum Dividendenbeschluss vollumfänglich bewusst zu sein. Gemeinsam verfügen sie über eine Aktienmehrheit und hätten ihrer finanziellen Benachteiligung somit entgegenwirken können. Sollte sich eine der benachteiligten Aktionärinnen nach der Beschlussfassung in ihren Rechten verletzt gefühlt haben, hätte diese im Rahmen einer Anfechtungsklage ohne weiteres geltend gemacht werden können. Eine Heilung der hier verletzten Aktionärsrechte ist also mit dem milderen Mittel der Anfechtungsklage erreichbar. Im vorliegenden Fall von einem nichtigen Dividendenbeschluss auszugehen, entspricht weder dem Interesse der Rechtsordnung noch der betroffenen Gesellschaft. Wie oben ausgeführt, hätten die relevanten Dividendenbeschlüsse dagegen Gegenstand einer Anfechtungsklage sein können. Da die Frist zur Einreichung einer Anfechtungsklage ungenutzt verstrichen ist, sind die Beschlüsse der Generalversammlungen 2017 und 2018 im heutigen Zeitpunkt jedoch rechtsgültig.
2.4 Die Bevorzugung der Rekurrentin bei der Dividendenausschüttung wird von dieser mit dem erhöhten Arbeitsaufwand des von ihr entsandten VR-Mitgliedes C. X. begründet. Die Vorinstanz hat das Vorliegen dieses Mehraufwandes nicht in Frage gestellt. Ebenfalls nicht in Frage gestellt wird die Angemessenheit des Salärs, welches C. X. als Arbeitnehmer der B. Z. AG erhält. Das Bundesgericht hatte in der Vergangenheit wiederholt die Frage zu klären, wann Dividenden in Lohn umqualifiziert werden. In diesen Fällen handelte es sich beim Aktionär jeweils um natürliche Personen, welche gleichzeitig Arbeitnehmer der betroffenen Gesellschaften waren. Das Bundesgericht hat in seiner Praxis lediglich dann eine Umqualifikation vorgenommen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Lohn- und Dividendenzahlung vorlag (Bundesgerichtsentscheid 9C_669/2011 vom 25. Oktober 2012). Das Vorliegen eines solchen Missverhältnisses hat die Vorinstanz in ihrer Argumentation nicht geltend gemacht. Der von der Rekurrentin angeführte zusätzliche Effort von C. X. wurde von der Vorinstanz ebenfalls nicht in Zweifel gezogen. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einem Schenkungsverhältnis mit C. X. als Begünstigtem ausgegangen werden. Die fehlende Gegenleistung bzw. die Unentgeltlichkeit ist begriffsnotwendige Voraussetzung einer Schenkung (BEAT SCHÖNENBERGER, Vertragsverhältnisse Teil 1: Innominatkontrakte, Kauf, Tausch, Schenkung, Miete, Leihe, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, S. 310, Ziff. 5). Der Argumentation der Vorinstanz, wonach C. X. eine verdeckte Kapitaleinlage in Höhe der von E. X. erhaltenen Schenkung getätigt haben soll, kann somit nicht gefolgt werden. Im Übrigen wurden nach den unbestrittenen Angaben der Rekurrentin die umstrittenen Dividendenausschüttungen in den entsprechenden Verrechnungssteuerformularen für die Geschäftsjahre 2016 und 2017 gemäss den Beschlüssen der Generalversammlungen der B. Z. AG deklariert und dabei wurde offenbar auch festgehalten, dass die Dividendenausschüttungen nicht im Verhältnis des Gesellschaftskapitals erfolgt seien.
3. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Dividendenentscheide der Generalversammlungen 2017 und 2018 der Rekurrentin nach Ablauf der Anfechtungsfrist als gültig zustande gekommen gelten und daher von der Vorinstanz zu berücksichtigen sind. Ausserdem ist das Steuergeheimnis hier nicht verletzt worden, da im vorliegenden Rechtsmittelverfahren keine Informationen offengelegt worden sind, welche den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht bekannt wären. Rekurs und Beschwerde erweisen sich damit als begründet und sind gutzuheissen. Demnach sind die Gewinn- und Kapitalsteuern der Rekurrentin bezüglich der Steuerperioden 2016 und 2017 gemäss den entsprechenden Steuererklärungen der Rekurrentin zu veranlagen.
Steuergericht, Urteil vom 14. Juni 2021 (SGSTA.2019.75;BST.2019.70) |
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