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Urteil Verwaltungsgericht (SO - SGNEB.2022.1)

Zusammenfassung des Urteils SGNEB.2022.1: Verwaltungsgericht

Das Steuergericht hat entschieden, dass der Erwerb eines Mehrfamilienhauses nicht steuerfrei ist, wenn eine Wohnung vermietet wird. Der Rekurrent hatte Einspruch eingelegt und argumentiert, dass die Vermietung nur einen Teil der Liegenschaft betrifft. Das Steueramt hat den Einspruch abgewiesen, da keine teilweise Steuerbefreiung vorgesehen ist. Der Rekurrent hat daraufhin Rekurs beim KStA eingereicht, der ebenfalls abgelehnt wurde. Das Gericht entschied, dass die Steuerbefreiung nur für ausschliesslich selbstgenutztes Wohneigentum gilt. Der Rekurrent muss die Gerichtskosten von CHF 4'585 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts SGNEB.2022.1

Kanton:SO
Fallnummer:SGNEB.2022.1
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Steuergericht
Verwaltungsgericht Entscheid SGNEB.2022.1 vom 21.11.2022 (SO)
Datum:21.11.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Steuer; Rekurrent; Wohnung; Handänderung; Grundstück; Entscheid; Steuerbefreiung; Liegenschaft; Rekurs; Handänderungssteuer; SGNEB; Einsprache; Wohneigentum; Wohnungen; Mehrfamilienhaus; Einspracheentscheid; Rekurrenten; Anspruch; Gesetzes; Begründung; Erwerb; Steuergericht; Gehör; Rechtsgleichheit; Miteigentümer; Selbstnutzung; Familien; Verfügung; Eigentümer
Rechtsnorm: Art. 127 BV ;Art. 29 BV ;Art. 6 EMRK ;Art. 646 ZGB ;Art. 8 BV ;
Referenz BGE:124 II 377; 131 II 6; 137 II 270; 138 I 229;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts SGNEB.2022.1

 
Geschäftsnummer: SGNEB.2022.1
Instanz: Steuergericht
Entscheiddatum: 21.11.2022 
FindInfo-Nummer: O_SG.2024.16
Titel: Handänderungssteuer

Resümee:

Handänderungssteuer, steuerfreie Handänderungen, § 207 Abs. 1 lit. g StG.
Keine steuerfreie Handänderung für Mehrfamilienhäuser wie hier ein Haus mit zwei Wohnungen; keine abweichende, wirtschaftliche Betrachtungsweise.

 

Steuergericht

Urteil vom 21. November 2022

Es wirken mit:

Präsident:     Müller

Richter:         Kellerhals, Roberti

Sekretär:      Hatzinger

In Sachen  SGNEB.2022.1

A. Z.

v.d.

 

 

gegen

 

 

Kant. Steueramt

 

betreffend Handänderungssteuer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


hat das Steuergericht den Akten entnommen:

1.    Mit Kaufvertrag vom 14. Januar 2019 erwarb A. Z. (Rekurrent) das Grundstück Grundbuch X. 001 zum Kaufpreis von CHF 2‘350‘000 zu Alleineigentum. Auf dem Grundstück befindet sich laut Protokoll der Katasterschatzung ein Wohnhaus am Y. Weg 2 mit zwei Wohnungen. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags reichte der Rekurrent ein Gesuch ein um steuerfreie Handänderung für dauernd und ausschliesslich selbst genutztes Wohneigentum. Bei den Angaben zum Grundstück kreuzte er das Feld „Einfamilienhaus“ und nicht das Feld „Mehrfamilienhaus“ an.

 

 

2.    Im Rahmen der 2. Kontrolle verweigerte das kantonale Steueramt diese Steuerbefreiung, weil das Mehrfamilienhaus teilweise vermietet sei. Mit Veranlagungsverfügung und Rechnung vom 3. November 2021 erhob das Departementssekretariat FD vom Rekurrenten eine Handänderungssteuer von CHF 51'700 basierend auf dem Verkehrswert der Liegenschaft von CHF 2‘350‘000 und einem Steuersatz von 2.2 %.

 

 

3.    Mit Schreiben vom 3. Dezember 2021 liess der Rekurrent gegen diese Veranlagungsverfügung Einsprache erheben. Dabei verlangte er sinngemäss die Aufhebung der Handänderungssteuer und die Erhebung dieser Steuer nur auf dem vermieteten Teil der Liegenschaft. Der Rekurrent berief sich auf das verfassungsmässige Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV. Bei Stockwerkeigentum Miteigentum mit angemerkter Nutzungsordnung werde die teilweise Steuerbefreiung gewährt. Seine Situation mit der Vermietung der Einlegerwohnung sei ähnlich. Auch er nutze seine Wohnung ausschliesslich selbst. Der Mieter dürfe nur die räumlich abgegrenzte Wohnung benützen. Mit der Steuerbefreiung von selbstbenutztem Wohneigentum wollte der Gesetzgeber den Eigentumserwerb zu Wohnzwecken insbesondere für junge Familien fördern. Die vorgenommene Besteuerung des gesamten Verkehrswerts des Grundstücks verstosse somit gegen Sinn und Zweck dieser Regelung.

 

 

4.    Mit Verfügung vom 4. Februar 2022 wurde die Einsprache vom Steueramt des Kantons Solothurn (KStA) abgewiesen. Das KStA führte dabei aus, dass eine Steuerbefreiung ausgeschlossen sei, wenn ein Erwerber das Grundstück nur teilweise bewohne. Vorliegend habe der Rekurrent ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen erworben. Gemäss Schätzungsprotokoll der Gebäudeversicherung weise eine Wohnung 15.25 und die andere 7 Raumeinheiten auf. Die kleinere Wohnung sei fremdvermietet. Stockwerkeigentum sei nicht begründet worden. Auch eine Nutzungsordnung sei nicht eingetragen worden. Eine Steuerbefreiung sei gesetzlich nicht vorgesehen, wenn der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses eine Wohnung selbst bewohne und eine andere Wohnung vermiete.

 

 

5.    Gegen den Einspracheentscheid erhob der Rekurrent am 7. März 2022 Rekurs an das Kantonale Steuergericht mit dem Rechtsbegehren, den Einspracheentscheid aufzuheben und die Handänderungssteuer nur auf dem vermieteten Teil der Liegenschaft zu erheben. Festgehalten wurde, dass der Einspracheentscheid den Anspruch auf rechtliches Gehör verletze, weil sich die Vorinstanz nicht ansatzweise mit dem geltend gemachten Verstoss gegen die Rechtsgleichheit und der teleologischen Auslegung des Gesetzes auseinandergesetzt habe. Der Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot wird auch im Rekurs gerügt, da die Vermietung einer Wohnung nicht anders behandelt werden dürfe, als wenn ein Stockwerkeigentümer ein Miteigentümer mit Sondernutzungsrecht eine von zwei Wohnungen fremdvermiete. Auch eine bürgerfreundliche Auslegung des Gesetzestextes würde zur Steuerbefreiung führen. Die Käufer dürften gegenüber Stockwerkeigentümern sondernutzungsberechtigten Miteigentümern nicht benachteiligt werden.  Dies gelte umso mehr, als die Einlegerwohnung mit 116 m2 hier eine untergeordnete Bedeutung habe. Diese Auffassung decke sich mit den regierungsrätlichen Erwägungen zur Anpassung der Vollzugsverordnung. Die vorliegende Konstellation sei vom Gesetzgeber nicht geregelt worden. Es liege kein qualifiziertes Schweigen, sondern eine planwidrige Unvollständigkeit vor. Diese Gesetzeslücke sei vom Gericht zu füllen.

 

 

6.    In ihrer Vernehmlassung vom 1. April 2022 beantragte das KStA, den Rekurs kostenfällig abzuweisen. Dabei verwies es auf den ausführlich begründeten Einspracheentscheid. Weiter wurde festgehalten, dass auch bei der Grundstückgewinnsteuer ein Steueraufschub bei ausschliesslicher Selbstnutzung gewährt werde. Praxisgemäss könne bei Vermietung der Wohnung keine Steuerbefreiung gewährt werden. Der Gesetzestext dürfe daher so verstanden werden, dass bei teilweiser Bewohnung eine Steuerbefreiung ausgeschlossen sei. Steuerbefreiungstatbestände seien restriktiv auszulegen. Beim Alleineigentum erstrecke sich das Eigentum im Gegensatz zum Stockwerkeigentum auf die gesamte Liegenschaft. Daher sei hier nicht von einer gleichen Situation im Sinne des Rechtsgleichheitsgebots auszugehen. Eine Begründung müsse sich auch nicht mit jedem einzelnen Vorbringen auseinandersetzen. Das rechtliche Gehör sei daher nicht verletzt. 

 

 

7.    Mit Replik vom 25. Juli 2022 liess der Rekurrent mitteilen, dass die zweite Wohnung nicht vermietet werde. Sie werde von den zwei Töchtern der Ehefrau als Familienwohnung benutzt. Die 14 und 16 Jahre alten Kinder hätten kein Interesse an einer eigenen Haushaltsführung. Sie würden bei den Eltern essen. Auch die Wäsche werde von den Eltern gewaschen. Der Rekurrent bewohne somit die gesamte Liegenschaft mit seinen Töchtern. Die Liegenschaft sei ein Einfamilienhaus und nicht ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen. Bei der Grundstückgewinnsteuer sei eine anteilsmässige Steuerbefreiung für den selbstbewohnten Teil vorgesehen. Der Vergleich mit der Handänderungssteuer hinke daher. Vorliegend sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zielführend. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Norm seien massgebend, nicht die privatrechtliche Gestaltung. Eine Vermietung könne durchaus mit dem vermieteten Stockwerkeigentum verglichen werden. Der Stockwerkeigentümer verfüge für eine eigene Grundbuchnummer. Dies sei der einzige Unterschied.

 

 

 

Das Steuergericht zieht in Erwägung:

1.    Gemäss § 214 Abs. 3 StG (Steuergesetz, BGS 614.11) kann ein Steuerpflichtiger gegen den Einspracheentscheid über die Veranlagung einer Handänderungssteuer beim Kantonalen Steuergericht (KSG) Rekurs erheben. Der Rekurrent ist daher grundsätzlich zur Einlegung des Rechtsmittels legitimiert und das angerufene Gericht sachlich zuständig. Der Rekurs ist nach § 216 Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 StG innert 30 Tagen von der Zustellung an gerechnet, einzureichen. Der Einspracheentscheid datiert vom 4. Februar 2022. Am 7. März 2022 wurde der Rekurs der Post übergeben. Das Rechtsmittel wurde fristgerecht erhoben. Auf den Rekurs ist einzutreten.

 

 

2.    Der Handänderungssteuer unterliegen Handänderungen an Grundstücken (§ 205 Abs. 1 StG), wobei unter einer Handänderung jedes Rechtsgeschäft verstanden wird, mit dem die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über ein Grundstück übergeht (§ 206 Abs. 1 StG). Indem das Steuergesetz vom 1. Dezember 1985 für die Handänderungssteuer auf die wirtschaftliche Handänderung abstellt, übernimmt es die Praxis der früheren kantonalen Rekurskommission, begründet im Entscheid KRKE 1979 Nr. 24. Damals entschied die KRK, nur die wirtschaftliche Handänderung gebe Anlass zur Erhebung der Handänderungsgebühr. Unter „wirtschaftlicher Handänderung“ verstand es den „Wechsel in der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt über ein Grundstück, ohne dass das Rechtssubjekt, welches rechtsgeschäftlich die Verfügungsmacht und damit die Beherrschung des Grundstücks erworben hat, zivilrechtlich als Eigentümer in Erscheinung träte; der Drittperson wird ermöglicht, über eine Liegenschaft zu verfügen, obwohl sie rein zivilrechtlich gesehen nicht Eigentümer geworden ist“ (KRKE 1979 Nr. 24 E. 3). Diese Rechtsprechung ist sowohl in der Lehre (vgl. Monteil, Zum Objekt der solothurnischen Handänderungssteuer, in: Festschrift 500 Jahre Solothurn im Bund, Solothurn 1981, S. 321) als auch in der späteren publizierten Rechtsprechung des KSG (KSGE 1997 Nr. 12 E. 2; 1998 Nr. 14 E. 2; 2002 Nr. 8 E. 2; 2003 Nr. 1 E. 2; 2005 Nr. 9 E. 1; 2006 Nr. 12 E. 2; 2007 Nr. 11 E. 3; 2013 Nr. 13 E. 2) übernommen worden.

 

 

3.1. Gemäss § 206 Abs. 1 StG wird die Handänderungssteuerpflicht durch jedes Rechtsgeschäft begründet, mit dem die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über ein Grundstück übergeht. Steuerfrei ist eine Handänderung nach § 207 Abs. 1 lit. g StG allerdings dann, wenn ein Grundstück als dauernd und ausschliesslich selbst genutztes Wohneigentum erworben wird. Vorliegend ist das Tatbestandselement "ausschliesslich selbst genutzt" umstritten, weil der Rekurrent eine von zwei Wohnungen fremdvermietet hat.

 

3.2. § 207 Abs. 1 lit. g StG, der den „Erwerb von Grundstücken als dauernd und ausschliesslich selbst genutztes Wohneigentum“ als steuerfreie Handänderung (im Unterschied zu anderen Handänderungen) privilegieren will, wurde durch die kantonale Volksabstimmung vom 29. November 2009 angefügt, wobei das Inkrafttreten der Bestimmung auf den 1. Januar 2011 festgelegt wurde. Der Wortlaut der angefügten Gesetzesbestimmung entstammt der ausformulierten Volksinitiative „Willkommen im Kanton Solothurn - Ja zur steuerfreien Handänderung von selbst bewohntem Wohneigentum“.

 

3.3. Das KSG hat seit Inkrafttreten der Norm bereits etliche Fälle in dieser Thematik entscheiden müssen, zumal bezüglich der Interpretation der „Ausschliesslichkeit“ zwischen Steuerbehörden und Steuerpflichtigen zum Teil erhebliche Differenzen bestanden. Im Urteil SGNEB.2012.2 vom 5. November 2012 (veröffentlicht in KSGE 2012 Nr. 13) entschied das KSG, dass die Ausschliesslichkeit von selbst genutztem Wohneigentum u.U. auch (noch) bejaht werden kann, wenn in einer Liegenschaft ein Mehrgenerationenhaushalt geführt wird. Weiter hat das KSG in einem anderen Fall vom 4. März 2013 (SGNEB.2012.8) entschieden, dass „Ausschliesslichkeit“ im Sinne der gesetzlichen Vorgabe zu verneinen ist, wenn diverse Miteigentümer eine Liegenschaft über mehrere Geschosse bewohnen, die separate Haushaltführungen möglich machen und als wahrscheinlich erscheinen lassen. Im Entscheid SGNEB.2015.4 vom 25. April 2016 hat das KSG festgehalten, dass keine ausschliessliche Selbstnutzung vorliegt, wenn die Käufer eines Einfamilienhauses ihr Haus mit einer zusätzlichen separaten Wohnung aufstocken, die rund 15 Monate nach dem Kauf fremdvermietet wird. Im Entscheid SGNEB.2016.3 vom 23. Januar 2017 (publ. unter gerichtsentscheide.so.ch) wurde entschieden, dass keine ausschliessliche Selbstnutzung mehr vorliegt, wenn ein Zimmer einer Liegenschaft während längerer Zeit über die Plattform airbnb vermietet wird. Im Entscheid SGNEB.2016.4 vom 23. Januar 2017 (publ. unter gerichtsentschiede.so.ch) hielt das KSG fest, dass keine ausschliessliche Selbstnutzung vorliegt, wenn von zwei zusammengebauten Einfamilienhäusern ein Hausteil fremdvermietet wird. Letztlich wurde im Entscheid SGNEB.2021.3 vom 21. Februar 2022 (publ. unter gerichtsentscheide.so.ch) festgehalten, dass keine ausschliessliche Selbstnutzung vorliegt, wenn verschiedene Miteigentümer unterschiedliche Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus bewohnen.

 

 

4.1. Vorliegend hat der Rekurrent mit Nutzen und Gefahr per 1. Februar 2019 ein Grundstück mit einer Liegenschaft gekauft. Auch wenn der Rekurrent von einem Einfamilienhaus spricht, gilt es festzuhalten, dass die Liegenschaft gemäss Schätzungsprotokoll der Solothurnischen Gebäudeversicherung (SGV) vom 17. Dezember 2015 (Vorakten Nr. 4) als Mehrfamilienhaus mit zwei Wohnungen eingeschätzt wurde. Eine Wohnung umfasst 7, die andere 15.25 Raumeinheiten. Den Steuererklärungen 2020 und 2021 (Vorakten Nr. 6) kann entnommen werden, dass der Rekurrent eine der beiden Wohnungen in dieser Zeit zum monatlichen Mietzins von CHF 1‘530 (bzw. CHF 18‘960 p.a.) vermietet hatte.

 

4.2. Dass eine Wohnung von den beiden schulpflichtigen und minderjährigen Töchtern der Ehefrau des Rekurrenten als Familienwohnung benutzt wird, wie erstmals in der Replik vom 25. Juli 2022 behauptet wurde, ist unbehilflich. Gemäss § 63bis Abs. 1 der Vollzugsverordnung zum Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern (VV StG; BSG 614.12) gilt eine Wohnung nur dann als ausschliesslich selbst genützt, wenn der Käufer eines Grundstücks in der Regel innert einem Jahr seit Vertragsschluss dort Wohnsitz nimmt. Gründe für das Abweichen von dieser Frist wurden nicht geltend gemacht. Sollten die minderjährigen Töchter des Rekurrenten effektiv im Jahr 2022 in die erwähnte Wohnung eingezogen sein, wäre damit die Jahresfrist längstens abgelaufen. Damit kann die umstrittene Frage, ob im Rahmen der Replik noch Noven vorgebracht werden können (vgl. Richner et al., Handkommentar zum DBG, 3. A., Art. 140 N 39), dahin gestellt bleiben. Ergänzend sei festgehalten, dass der Rekurrent für diese Behauptung keinerlei Beweis geliefert hat. Die Nachreichung von Beweismitteln wurde lediglich für den Bestreitungsfall angeboten. Nachdem der Rechtschriftenwechsel mit der Replik abgeschlossen ist, war ein Bestreiten im Rahmen des ordentlichen Rechtsschriftenwechsels nicht mehr möglich.

 

4.3. Somit ist hier davon auszugehen, dass die ausschliessliche Selbstnutzung des gesamten Gebäudes offenbar zumindest in den hier massgebenden Jahren 2020 und 2021 nicht praktiziert wurde. Die Wohnung im Erdgeschoss wurde vermietet, wie dies der Rekurrent auch noch im Rahmen der Rekursschrift selbst bestätigt und auch in seinen Steuererklärungen 2020 und 2021 deklariert hatte. Da sich die ausschliessliche Selbstnutzung des Wohneigentums aber stets auf die ganze Liegenschaft bezieht, kann hier auch eine anteilsmässige Befreiung von der Handänderungssteuer nicht gewährt werden (KSGE 2013, Nr. 14; KSG, Entscheid vom 25. April 2016, SGNEB.2015.4; Entscheid vom 23. Januar 2017, SGNEB.2016.3, a.a.O.; Entscheid vom 23. Januar 2017, SGNEB.2016.4, a.a.O.).

 

 

5.1. In BS 4 ff. seines Rekurses macht der Rekurrent eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Der Vorwurf wird damit begründet, dass die Vorinstanz im Einspracheentscheid auf die massgebenden Rügen gar nicht eingegangen sei. Verletzt seien Art. 29 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK.

 

5.2. Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK im Steuerverfahren keine Anwendung findet. Gegenstand des Verfahrens über die Steuerfestsetzung sind weder zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen noch strafrechtliche Anklagen. Im Übrigen geht der in Art.  6 Abs. 1 EMRK garantierte Gehörsanspruch nicht über den in Art. 29 Abs. 2 BV verankerten Anspruch hinaus (Zweifel et al., Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, 2. A., § 5 N 20).

 

5.3. Art. 29 Abs. 2 BV garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Das rechtliche Gehör umfasst verschiedene Teilgehalte wie unter anderem den Anspruch auf Orientierung des Betroffenen, den Anspruch, sich äussern zu dürfen, den Anspruch auf Teilnahme am Beweisverfahren, den Anspruch auf Begründung von Verfügungen und Entscheiden den Anspruch auf deren korrekte Eröffnung (Steinmann, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 29 N 44 ff.). Vorliegend geht es um den Begründungsanspruch. Demnach muss eine Behörde die Vorbringen der Beteiligten hören, prüfen, berücksichtigen und ihren Entscheid vor diesem Hintergrund begründen (Steinmann, a.a.O., Art. 29 N 49). Nicht notwendig ist, dass sich eine Behörde mit jedem sachverhaltlichen rechtlichen Einwand auseinandersetzt. Eine Beschränkung auf die wesentlichen Gesichtspunkte und Leitlinien ist zulässig (BGE 137 II 270; 136 I 236; 133 III 445). Es genügt, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen nachvollzogen werden können, welche die Veranlagungsbehörde dem Entscheid zugrunde gelegt hat (Zweifel et al., a.a.O., § 21 N 15).

 

5.4. Vorliegend hat der Rekurrent im Einspracheverfahren primär gerügt, dass das Rechts-gleichheitsgebot verletzt sei und die vorgenommene Besteuerung des gesamten Verkehrswerts des Grundstücks gegen Sinn und Zweck der Steuerbefreiung bei selbstgenutztem Wohneigentum verstosse. Auch wenn im Einspracheentscheid nicht explizit auf die beiden erwähnten Rügen eingegangen wurde, konnten diesem Entscheid die wesentlichen Gründe entnommen werden, die zur Abweisung der Einsprache geführt haben. Explizit wurde festgehalten, dass eine teilweise Steuerbefreiung bei einem Mehrfamilienhaus gesetzlich nicht vorgesehen sei, wenn zumindest eine Wohnung fremdvermietet sei. Verwiesen wird auch auf die kantonale Gerichtspraxis. Damit war es dem Rekurrenten möglich, die Tragweite des Entscheids zu erkennen und die Überlegungen der Vorinstanz, die zum Entscheid geführt haben, nachzuvollziehen. Der Rekurrent konnte somit beurteilen, ob und mit welchen Argumenten er den Entscheid weiterziehen will (Zweifel et al., a.a.O., § 15 N 43). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher nicht auszumachen. Selbst wenn man in casu von einer ungenügenden Begründung ausgehen würde, ist festzuhalten, dass diese nicht zur Nichtigkeit des Entscheids, sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit führen würde. Aufgehoben wird ein Einspracheentscheid nur dann, wenn der Mangel im Rechtsmittelverfahren nicht geheilt werden kann. Eine Heilung tritt dann ein, wenn die Rechtsmittelbehörde mit voller Überprüfungsbefugnis ausgestattet ist, die Begründung im Rechtsmittelverfahren nachgeschoben und die betroffene Partei angehört wird (Zweifel et al., a.a.O., § 15 N 58). Dies ist vorliegend der Fall. Das KSG hat eine umfassende Überprüfungsbefugnis. Alle Mängel des angefochtenen Entscheids können gerügt werden. Die Kognition des Gerichts ist nicht eingeschränkt (Richner et al., a.a.O., Art. 140 N 33 ff.; Zweifel et al., a.a.O., § 24 N 5). Die Vorinstanz hat im Rahmen der Vernehmlassung zu den Rügen des Rekurrenten Stellung genommen. Der Rekurrent seinerseits konnte sich im Rahmen der Replik zur Vernehmlassung der Vorinstanz äussern. Ein allfälliger Mangel einer ungenügenden Begründung wäre vorliegend somit durch das Rekursverfahren geheilt worden. 

 

 

6.1. In den BS 7 ff. des Rekurses macht der Rekurrent eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV geltend. Mit dem Gleichbehandlungsgebot soll sichergestellt werden, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Nur wenn die Verhältnisse gleich zumindest ähnlich sind, kann eine gleiche Behandlung der Personen gefordert werden (Schweizer, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 8 N 19; BGE 138 I 229, 136 I 5).

 

6.2. Gemäss § 207 Abs. 1 lit. g StG ist der Erwerb von Grundstücken als dauernd und ausschliesslich selbst genutztes Wohneigentum steuerfrei. Dass auch der Erwerb einer dauernd und ausschliesslich selbst genutzten Eigentumswohnung steuerfrei ist, liegt auf der Hand, gilt doch auch das Stockwerkeigentum rechtlich als Grundstück (Art. 23 Grundbuchverordnung [GBV; SR 211.432.11] i.V.m. Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB). Der Stockwerkeigentümer bewohnt somit ausschliesslich sein eigenes Grundstück. Beim blossen Miteigentum ist dieser Zusammenhang weniger klar ersichtlich, besitzt doch ein Miteigentümer nur einen bestimmten Bruchteil einer Sache (Art. 646 Abs. 1 ZGB), ohne diesen Anteil näher zu bezeichnen. Daher ist es nachvollziehbar, dass nur dann von dauernd und ausschliesslich selbst genutztem Wohneigentum gesprochen werden kann, wenn der Nutzungsanspruch des Miteigentumsanteils in einer im Grundbuch eingetragenen Nutzungs- und Verwaltungsordnung auf jene Wohnung fixiert worden ist, die vom Miteigentümer ausschliesslich selbst bewohnt wird (KSG vom 4. März 2013, SGNEB.2012.8).

 

6.3. Beim Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, der eine Wohnung selbst bewohnt und die restlichen Wohnungen vermietet, kann hingegen nicht mehr behauptet werden, dass der Eigentümer sein Grundstück ausschliesslich selbst bewohnt. Hier ist offensichtlich, dass ein Teil seines Grundstücks von anderen Personen bewohnt wird. Dass somit nach Praxis des KSG (vgl. zuletzt Entscheid vom 21. Februar 2022, SGNEB.2021.3, a.a.O.) in diesen Fällen keine Steuerbefreiung gewährt wird, ist nicht zu beanstanden. Ein Verstoss gegen das Gebot der Rechtsgleichheit ist nicht auszumachen, weil die Verhältnisse zwischen dem Mehrfamilienhausbesitzer mit Fremdvermietung einerseits und dem Stockwerkeigentümer bzw. dem Miteigentümer mit eingetragener Nutzungs- und Verwaltungsordnung andererseits ungleich sind.

 

 

7.1. In BS 20 des Rekurses behauptet der Rekurrent, dass es Sinn und Zweck der neuen Regelung von § 207 Abs. 1 lit. g StG sei, den Eigentumserwerb zu eigenen Wohnzwecken insbesondere für junge Familien zu fördern. Unbestritten ist, dass mit der Initiative der Eigentumserwerb gefördert werden soll. Die Initiative richtete sich nicht speziell an junge Familien, sondern generell an Personen, die sich einen Eigentumserwerb nur knapp leisten können. Dazu zählen laut Initiativkomitee junge Familien genauso wie Seniorinnen Senioren (vgl. auch RRB Nr. 2009/146, Ziff. 1.3). Es liegt aber auf der Hand, dass die Initiative nicht den Erwerb von Mehrfamilienhäusern avisierte, sondern den Erwerb eines selbstbewohnten Einfamilienhauses. Ausdrücklich wurde in der Abstimmungszeitung festgehalten, dass für Ferienwohnungen Liegenschaften, die nur vorübergehend teilweise selbst bewohnt werden (Mehrfamilienhaus Geschäftshaus mit Wohnung) keine Steuerbefreiung gewährt werden kann.

 

7.2. Steuerbefreiungstatbestände sind nach herrschender Rechtsprechung (BGE 131 II 6; für die MwSt: BGE 124 II 377), gerade auch mit Rücksicht auf den verfassungsmässigen Grundsatz der Allgemeinheit der Steuern (Art. 127 Abs. 2 BV), eher restriktiv auszulegen. Verlangt wird wegen des Ausnahmecharakters auch eine qualifizierte Begründung von Steuerbefreiungen (Hangartner, Der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung, in: Cagianut/Vallender [Hrsg.], Steuerrecht: ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, Festschrift für Ernst Höhn, S. 103). Das Prinzip der Allgemeinheit der Steuern konkretisiert das Gebot der Rechtsgleichheit und verlangt, dass möglichst sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner für den Finanzaufwand des Staates aufkommen müssen. Auch wenn sich das Prinzip primär auf die subjektive Seite des Steuerrechtsverhältnisses bezieht, richtet sich das Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung von der Grundidee her gegen jede Art der Privilegierung und Diskriminierung (Vallender/Wiederkehr, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 127 N 14).

 

7.3. In BS 37 seiner Replik verweist der Rekurrent auf einen Regierungsratsbeschluss (RRB Nr. 2010/1744). In Ziff. 2.15 dieses Beschlusses hat aber auch der Regierungsrat klar festgehalten, dass eine Steuerbefreiung ausgeschlossen sei, wenn der Erwerber das Grundstück nur teilweise selbstbewohne und es im Übrigen vermiete. Dem Rekurrenten ist zwar beizupflichten, dass eine untergeordnete geschäftliche Nutzung einer Liegenschaft einer Steuerbefreiung nicht entgegensteht. Dies hat aber mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun, geht es doch hier explizit nicht um eine teilweise geschäftliche Nutzung der eigenen Liegenschaft, sondern um die Vermietung einer Wohnung an Drittpersonen. Nachdem der Gesetzestext klar festhält, dass nur dauernd und ausschliesslich selbstgenutztes Wohneigentum von der Besteuerung ausgenommen werden kann und eine teilweise Steuerbefreiung nicht vorgesehen ist, muss der Erwerb eines Mehrfamilienhauses der Handänderungssteuer unterworfen werden, auch wenn eine Wohnung vom Eigentümer selbst bewohnt wird (vgl. auch RRB Nr. 2009/146, Ziff. 6.1). Ein Verstoss gegen Sinn und Zweck dieser Regelung ist hier nicht auszumachen.

 

7.4. Eine vom Gesetzestext abweichende wirtschaftliche Betrachtungsweise, die zur Um-deutung der Gesetzesnorm führen würde, ist im Steuerrecht nicht zulässig (Gassner, Wirtschaftliche Betrachtungsweise und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, in: Cagianut/Vallender [Hrsg.], Steuerrecht: ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, Festschrift für Ernst Höhn, S. 74). Auch wenn bei der Grundstückgewinnsteuer in § 51 Abs. 1 StG ebenfalls von einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegenschaft gesprochen wird (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG), gilt es klar festzuhalten, dass es bei der Grundstückgewinnsteuer nicht um einen Tatbestand der Steuerbefreiung, sondern um einen Steueraufschub infolge einer Ersatzbeschaffung geht. Die beiden Bestimmungen sind daher klar auseinanderzuhalten (vgl. zur Grundstückgewinnsteuer: Zweifel et al., Schweizerisches Grundstückgewinnsteuerrecht, § 7 N 89 ff.).

 

 

8.    Damit ist der Rekurs vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Rekurrent die Kosten des Rekursverfahrens von CHF 4'585 (Grundgebühr: CHF 2'000; Zuschlag: CHF 2‘585 [5 % von CHF 51'700]) zu bezahlen. Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

 

 

****************


 

Demnach wird erkannt:

1.    Der Rekurs wird abgewiesen.

2.    Die Gerichtskosten von CHF 4'585 werden dem Rekurrenten zur Bezahlung auferlegt.

Im Namen des Steuergerichts

Der Präsident:                      Der Sekretär:

Dr. Th. A. Müller                  W. Hatzinger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsmittel:   Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht (Adresse: Schweizerisches Bundesgericht, 1000 Lausanne 14) Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angaben der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten.

 

 

 

 

 

Dieser Entscheid ist schriftlich zu eröffnen an:

- Vertreter des Rekurrenten (eingeschrieben)

- KStA, Sondersteuern (mit Akten)

- KStA, Rechtsdienst

- Amtschreiberei

- Betriebswirtschaftliche Dienste FD

 

 

 

(Die gegen dieses Urteil vor Bundesgericht erhobene Beschwerde wurde mit Urteil 9C_118/2023 vom 11. Mai 2023 abgewiesen)

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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