Zusammenfassung des Urteils SGDIV.2020.1: Verwaltungsgericht
Das Steuergericht hat in einem Fall über Verzugszinsen auf Steuerrechnungen für die Jahre 2011 bis 2017 entschieden. Es wurde festgestellt, dass keine Verzugszinsen geschuldet sind, da keine Nachweise für zugestellte Steuerrechnungen vorlagen. Die Rekurrenten argumentierten, dass sie keine Steuerrechnungen erhalten hätten und daher keine Zinsen schulden. Das Gericht prüfte die Zustellung der Rechnungen und kam zu dem Schluss, dass die Rekurrenten glaubhaft gemacht haben, keine Zustellung erhalten zu haben. Aufgrund dieser Argumentation wurden die Rekurrenten von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen für die Jahre 2011-2017 befreit.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SGDIV.2020.1 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Steuergericht |
Datum: | 16.08.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Steuer; Rekurrenten; Verzugszins; Vorinstanz; Zustellung; Steuerjahr; Steuerrechnung; Beweis; Sendungen; Vorbezugsrechnungen; Steuerjahre; Fälligkeit; B-Post; Verzugszinspflicht; Steuerrechnungen; Verzugszinsen; Darstellung; Steuergericht; Bundessteuer; Steuerperiode; Verfügung; Entscheid; Hausnummer; Ehegatten |
Rechtsnorm: | Art. 161 DBG ;Art. 163 DBG ;Art. 164 DBG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | -, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1900 |
Geschäftsnummer: | SGDIV.2020.1 |
Instanz: | Steuergericht |
Entscheiddatum: | 16.08.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_SG.2022.54 |
Titel: | Zinsrechnungen Staats- und Bundessteuern 2009-2017 |
Resümee: | Steuerbezug, Zinspflicht, StG § 179, DBG Art. 163, 164. In casu keine Verzugszinspflicht mangels Nachweis zugestellter Steuerrechnungen. |
KSGE 2021 Nr. 16
StG § 179, DBG Art. 163, 164. Steuerbezug, Zinspflicht. In casu keine Verzugszinspflicht mangels Nachweis zugestellter Steuerrechnungen.
Aus den Erwägungen
2. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Verfahren vor Steuergericht nur noch die von der Vorinstanz erhobenen Verzugszinsen auf den Vorbezugsrechnungen für die Steuerjahre 2011 bis 2017 umstritten sind. Hinsichtlich der Verzugszinsforderungen für die Steuerjahre 2009 und 2010 zeigt sich, dass für diese Jahre gemäss der tabellarischen Übersicht des KSTA zum Einspracheentscheid vom 31. Januar 2020 keine Verzugszinsen geschuldet sind. Entsprechend sind die Rekurrenten bezüglich dieser Steuerjahre nicht beschwert, was sich denn auch darin widerspiegelt, dass die Rekurrenten im Rahmen ihrer Eingabe folgerichtig «nur» die Aufhebung des Einspracheentscheids bezüglich der Verzugszinsforderungen für die Steuerjahre 2011 bis 2017 fordern. Demgemäss liegt der Fokus des vorliegenden Verfahrens auf den von der Vorinstanz erhobenen Verzugszinsforderungen für die Steuerjahre 2011 bis 2017.
3.1 Als Fälligkeitstermin gilt bei der direkten Bundessteuer der 1. März des auf das Steuerjahr folgenden Kalenderjahres (Art. 161 Abs. 1 DBG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über Fälligkeit und Verzinsung der direkten Bundessteuer [SR 642.124]). Die entsprechende Steuer muss innert 30 Tagen nach ihrer Fälligkeit entrichtet werden (Art. 163 Abs. 1 DBG). Für nicht fristgemäss entrichtete Beträge ist somit ab dem 31. Tag ein Verzugszins geschuldet (Art. 164 Abs. 1 DBG). Hat der Zahlungspflichtige bei Eintritt der Fälligkeit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen noch keine Steuerrechnung erhalten, beginnt die Zinspflicht erst Tage nach deren Zustellung (Art. 164 Abs. 2 DBG).
3.2 Die Staatssteuer muss bis zum sog. Verfalltag, dem 31. Juli der jeweiligen Steuerperiode, entrichtet werden (§ 179 Abs. 1 StG i.V.m. § 3 Abs. 1 der Steuerverordnung Nr. 10 über Bezug, Fälligkeit und Verzinsung der Haupt- und Nebensteuern [StVO Nr. 10; BGS 614.159.10]. Wird der Steuerbetrag nicht fristgerecht entrichtet, so ist er vom Tag nach dem Verfall vom Ablauf der Zahlungsfrist an zu den vom Regierungsrat festzusetzenden Bedingungen verzinslich (§ 179 Abs. 2 StG). Wird der Steuerbetrag nicht bis zum Verfalltag entrichtet, wird ein Verzugszins erhoben (§ 11 StVO Nr. 10).
3.3 Eine Verzugszinspflicht setzt somit kumulativ voraus, dass (1) der Betrag fällig ist, (2) eine Zahlungsaufforderung zugestellt wurde und (3) der Betrag nicht bezahlt worden ist. Dies bedeutet, dass die Verzugspflicht erst nach Ablauf von 30 Tagen nach Zustellung einer provisorischen definitiven Steuerrechnung (frühestens aber 30 Tage nach Fälligkeit) beginnt (vgl. RICHNER et al., Handkommentar zum DBG, 3. A., Zürich 2016, Art. 164 N 4 f.).
4. Die Rekurrenten beantragen wie erwähnt, die in den Steuerrechnungen 2011 bis 2017 verfügten Zinsrechnungen aufzuheben und die fraglichen Verzugszinsen für die streitbetroffenen Jahre auf CHF 0 festzusetzen. Dies, indem sie bestreiten, Steuerrechnungen im Sinne von Art. 164 Abs. 2 DBG bzw. § 179 Abs. 3 StG erhalten zu haben, weshalb auch keine Schuldzinsen geschuldet sein können.
5.1 Grundsätzlich gilt eine Verfügung als eröffnet, wenn diese ordnungsgemäss zugestellt ist und der Steuerpflichtige davon Kenntnis nehmen kann; dass er davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich. Ob die Steuerbehörde ihre Verfügungen und Entscheide mit gewöhnlicher Post, eingeschriebenem Brief mit der hier gewählten Zustellungsart A-Post-Plus zustellen will, bleibt somit ihr überlassen. Allerdings dürfen aus einer mangelhaften (steuer-)behördlichen Zustellung einem Pflichtigen keine Nachteile erwachsen. Wird für die Eröffnung einer Verfügung eine Zustellungsform verwendet, bei welcher der Eingang beim Adressaten nicht genau nachweisbar ist, so ist es Sache der Behörde, den Beweis dafür zu erbringen, dass und an welchem Tag ihr Entscheid dem Pflichtigen zugestellt worden ist. Das betrifft in erster Linie uneingeschrieben verschickte (Veranlagungs-)Verfügungen. Wird bestritten und bestehen Zweifel darüber, dass ein Entscheid den Empfänger erreicht hat, fällt die Beweislast dafür der Behörde zu, welche die Beweislosigkeit verursacht hat (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts [BGE] 2C_570/2011 vom 24. Januar 2012, E. 4.1 m.w.H.). Ganz allgemein ist eine fehlerhafte Postzustellung nicht zu vermuten, sondern nur anzunehmen, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel erscheint. Auf die Darstellung des Adressaten, dass eine fehlerhafte Postzustellung vorliege, ist (nur) abzustellen, wenn seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu vermuten ist. Rein hypothetische Überlegungen und die nie auszuschliessende Möglichkeit von Zustellfehlern genügen für sich allein nicht, um die Vermutung umzustossen. Vielmehr müssen konkrete Anzeichen für einen Fehler vorhanden sein (BGE 2C_901/2017 vom 9. August 2019, E. 2.2.2; 2C_16/2019 vom 10. Januar 2019, E. 3.2.2; 2C_165/2015 vom 21. Februar 2015, E. 2.3; 142 IV 201, E. 2.3).
5.2 Für den Beginn der Verzugszinspflicht bedarf es, wie erwähnt, unter anderem einer Zahlungsaufforderung. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz werden sämtliche provisorischen Steuerrechnungen mit B-Post versendet. Entsprechend kann die Vorinstanz, wie sie selbst einräumt, den Nachweis der erfolgten Zustellung der Steuervorbezugsrechnungen für die streitbetroffenen Jahre nicht erbringen. Demgemäss ist im Umkehrschluss grundsätzlich auf die Darstellung der Empfänger, mithin der Rekurrenten abzustellen. Die vorgebrachten Gründe müssen aber mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung nachvollziehbar erscheinen und einer gewissen Wahrscheinlichkeit entsprechen. Die Vermutung von allgemeinen Zustellungsfehlern genügt dabei gerade nicht.
5.3 Die Rekurrenten bringen zunächst vor, dass sie davon ausgehen, dass ihr Protest gegen die zu hohen Vorbezugsrechnungen 2009/2010 der Grund dafür sei, dass für die Steuerperioden 2011 bis 2017 keine Vorbezugsrechnungen erstellt und versandt worden seien. Eine solche Intervention ist offenbar weder auf Seiten der Rekurrenten noch auf Seiten der Vorinstanz aktenkundig. Unabhängig davon gilt es aber zu berücksichtigen, dass - wie von der Vorinstanz nachvollziehbar dargelegt - der von den Rekurrenten (gestützt auf ihre Intervention beim KSTA) monierte Stopp der Vorbezugsrechnungen einen umfassenden Veranlagungsstopp bedingt hätte. Dies war aber offensichtlich gemäss den vorliegenden Unterlagen gerade nicht der Fall. Entsprechend überzeugt dieses Argument der Rekurrenten nicht.
5.4 Weiter machen die Rekurrenten geltend, dass (1) an derselben Strasse ein C. Z. wohnen würde (Hausnummer W.), (2) dessen Hausnummer der Postfachnummer der Ehegatten entsprechen würde und (3) der in der Korrespondenz des KSTA jeweils verwendete Doppelname der Ehegatten gleich lauten würde wie der Name von C. Z. Die Vorinstanz anerkennt zwar diese Punkte, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren könne, dass dies den Rekurrenten im vorliegenden Rechtsmittelverfahren sehr gelegen komme. Darüber hinaus dürfe nicht vergessen werden, dass die Rekurrenten nachweislich gewisse (weitere) mit B-Post verschickte Sendungen des KSTA nachweislich erhalten hätten. So etwa die definitive Veranlagung der Staats- und Bundessteuern 2008, gegen welche die Rekurrenten Einsprache erhoben hätten. Zufälligerweise hätten die Rekurrenten also diejenigen Dokumente des KSTA, die ihnen zum Vorteil gereicht hätten, stets erhalten. Nur die Vorbezugsrechnungen, die eine Verzugszinspflicht zu ihren Ungunsten begründen würden, wollten sie nicht erhalten haben. Weiter weist die Vorinstanz auch darauf hin, dass es sich bei den Vorbezugsrechnungen um verschiedene Sendungen aus verschiedenen Jahren handeln würde. Es sei deshalb absolut realitätsfremd, die Ausnahme einer sehr seltenen Fehlzustellung zur Regel zu machen. Ein weiteres Indiz sei auch, dass die Rekurrenten die «vorteilhaften» Rechnungen bzw. Veranlagungen (so etwa hinsichtlich der Steuerperioden 2009 und 2010, bei welchen aufgrund eines vorhandenen Guthabens keine Verzugszinsen geschuldete gewesen seien) stets erhalten hätten. Erst ab der Steuerperiode 2011 würden sich die Rekurrenten auf die angebliche Nichtzustellung berufen.
5.5 Hierzu ist festzuhalten, dass das Vorbringen der Rekurrenten zwar prima vista erstaunen mag. So erscheint es, wie von der Vorinstanz vorgebracht, grundsätzlich schwer vorstellbar, dass sämtliche B-Post Sendungen über die streitbetroffenen Jahre den Rekurrenten nicht zugestellt worden sein sollen. Allerdings zeigt sich in diesem speziell gelagerten Fall aber auch, dass an derselben Strasse unbestrittenermassen ein C. Z. (Hausnummer W.) wohnt, dessen Hausnummer der Postfachnummer der Ehegatten entspricht und der in der Korrespondenz des KSTA jeweils verwendete Doppelname der Ehegatten gleich lautet wie derjenige Name von C. Z. (wobei diesbezüglich anzumerken ist, dass das KSTA per 4. Juli 2019 die Adressierung entsprechend angepasst hat, um künftige Verwechslungen zu vermeiden).
5.6 Entsprechend und mit Blick auf die vorstehende bundesgerichtliche Rechtsprechung gilt, dass die von den Rekurrenten vorgebrachte Darstellung zumindest nicht ausserhalb jedweder Wahrscheinlichen liegt und damit auch konkrete Anhaltspunkte liefert, die letztlich über die - wie in andern durch das angerufene Steuergericht zu beurteilenden Verfahren - jeweils pauschal monierte fehlerhafte Postzustellung hinausgeht. Weiter gilt es zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Fall um die Frage des Zustellnachweises im Zusammenhang mit B-Post Sendungen handelt, wobei die vorstehende bundesgerichtliche Rechtsprechung, soweit ersichtlich, stets A-Post Plus und eingeschriebene Briefsendungen zum Gegenstand hat. Entsprechend ist der diesbezügliche, durch das Bundesgericht aufgestellte Grundsatz, wonach der gute Glaube der steuerpflichtigen Personen bezüglich ihrer Darstellung grundsätzlich vermutet werden dürfe, umso entscheidender, als es sich im vorliegenden Fall um B-Post Sendungen handelt. Die Zustellung solcher Sendungen kann die Vorinstanz bekanntlich nicht erbringen. Anders dagegen würde sich der Fall bei eingeschriebenen A-Post Plus Briefpostsendungen präsentieren. Hier wird der Empfang der Postsendung quittiert bzw. die Zustellung elektronisch erfasst, wodurch die Steuerbehörde den Versand grundsätzlich nachzuweisen vermag und die Ansprüche an die Behauptung des Nichtzugangs entsprechend höher sind. Im Umkehrschluss und im Sinne der allgemeinen Beweislastverteilung erscheint es deshalb im vorliegenden Fall als legitim, auf die Richtigkeit der Darstellung der Rekurrenten abzustellen, da diese wie erwähnt nicht gänzlich ausserhalb des Wahrscheinlichen liegt und über eine herkömmliche und pauschale Bestreitung der Zustellung hinausgeht. Dieser Schluss erscheint auch deshalb zulässig, da der Nichtzugang von B-Post Sendungen eine negative Tatsache ist, für welche naturgemäss kein voller Beweis erbracht werden kann, bzw. die Beweislast im Ergebnis der Behörde zufällt, welche die Beweislosigkeit verursacht hat.
6. Rekurs und Beschwerde erweisen sich nach den Erwägungen als begründet und sind somit gutzuheissen. Der angefochtene Einspracheentscheid ist aufzuheben. Die Rekurrenten schulden für die Steuerjahre 2011-2017 keine Verzugszinsen.
Steuergericht, Urteil vom 16. August 2021(SGDIV.2020.1) |
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