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Urteil Verwaltungsgericht (SO - SCBES.2023.6)

Zusammenfassung des Urteils SCBES.2023.6: Verwaltungsgericht

Die A.___ AG wurde von der C.___ mit einem Zahlungsbefehl über CHF 85.679,45 betrieben, aufgrund angeblich doppelt bezahlter Miete und nicht genutzter Räumlichkeiten. Die A.___ AG legte Beschwerde ein, da sie die Betreibung als haltlos und schikanös ansah. Die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs stellte fest, dass die Betreibung nichtig war, da die C.___ nicht rechtsfähig war. Der Zahlungsbefehl wurde für nichtig erklärt, und die Betreibung durfte nicht an Dritte weitergegeben werden. Es wurden keine Kosten erhoben, und keine Parteientschädigung wurde ausgerichtet.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts SCBES.2023.6

Kanton:SO
Fallnummer:SCBES.2023.6
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Verwaltungsgericht Entscheid SCBES.2023.6 vom 14.04.2023 (SO)
Datum:14.04.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Betreibung; Zahlungsbefehl; Betreibungsamt; Schuldbetreibung; Konkurs; Mietverhältnis; Forderung; Gläubiger; SchKG; Miete; Aufsichtsbehörde; Zweifel; Urteil; Betreibungsamts; Eigentümerin; Basel; Staehelin; Ansprüche; Vermieterin; Beilage; Schuldbetreibungs; Oberrichter; Olten-Gösgen; Thal-Gäu; Forderungsgr; Löschung; Betreibungsregister
Rechtsnorm: Art. 2 ZGB ;Art. 20a KG ;Art. 22 KG ;Art. 8a KG ;
Referenz BGE:113 III 2; 130 II 270;
Kommentar:
Adrian Staehelin, Basler Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Art. 67 SchKG, 2021

Entscheid des Verwaltungsgerichts SCBES.2023.6

 
Geschäftsnummer: SCBES.2023.6
Instanz: Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Entscheiddatum: 14.04.2023 
FindInfo-Nummer: O_SC.2023.22
Titel: Betreibung Nr. [...]

Resümee:

 

Aufsichtsbehörde für

Schuldbetreibung und Konkurs

 

 

 

 

 

Urteil vom 14. April 2023     

Es wirken mit:

Oberrichter von Felten, Vorsitz

Oberrichter Thomann

Oberrichterin Hunkeler   

Gerichtsschreiber Schaller

In Sachen

A.___ AG, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Studer,

 

Beschwerdeführerin

 

 

gegen

 

 

1. Betreibungsamt Olten-Gösgen

2. B.___ (C.___),

 

Beschwerdegegner

 

betreffend     Betreibung Nr. [...]

zieht die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs in Erwägung:

 

I.

 

1. Die C.___ hat die A.___ AG in der Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamtes Thal-Gäu mit Zahlungsbefehl vom 10. Januar 2023 über CHF 85’679.45 nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2021 betrieben. Als Forderungsgrund wurde angegeben: «Doppel bezahlte Miete / nicht Nutzung der Räumlichkeiten (keine Heizung, wasserschaden und keine Beleuchtung) Sale Mairno nicht realisieren können mit viel Verlusten. Schulungsräumlichkeiten nicht Nutzung, wegen keine Heizung und Wasserschaden, etc.».

 

2. Die A.___ AG (im Folgenden die Beschwerdeführerin) reichte am 19. Januar 2023 bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs eine Aufsichtsbeschwerde ein und stellt darin die folgenden Rechtsbegehren:

1. Es sei festzustellen, dass der Zahlungsbefehl des Betreibungsamts Olten-Gösgen Nr. [...] vom 10. Januar 2023 und das damit eingeleitete Betreibungsverfahren nichtig sind und die Beschwerdegegnerin sei zur Löschung des entsprechenden Eintrages im Betreibungsregister der Beschwerdeführerin zu verpflichten.

Eventualiter

Sei der Zahlungsbefehl des Betreibungsamts Olten-Gösgen Nr. [...] vom 10. Januar 2023 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zur Löschung des Eintrags im Betreibungsregister zu verpflichten.

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. MWSt. zulasten der Beschwerdegegnerin.

 

3. Das Betreibungsamt stellt in seiner Vernehmlassung vom 25. Januar 2023 keinen ausdrücklichen Antrag und weist auf den Grundsatz hin, dass im Zweifelsfall ein Zahlungsbefehl auszustellen sei und sich der Betriebene mittels Beschwerde zur Wehr setzen müsse. Sie werde sich dem Entscheid der Aufsichtsbehörde unterziehen.

 

4. Die C.___, der Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde, liess sich nicht vernehmen.

II.

 

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, vorliegend sei eine haltlose und schikanöse Betreibung von einer nicht existenten Gläubigerin erlassen worden. Die betreibende C.___ sei weder eine Gesellschaft noch ein Einzelunternehmen. Die Betreibung sei von einem nicht rechtsfähigen und auch nicht betreibungsfähigen Konstrukt erhoben worden. Deshalb sei der Zahlungsbefehl nichtig. Die Beschwerdeführerin sei Verwalterin für die D.___ AG, welche Eigentümerin eines Mietobjekts sei. Ab dem 10. März 2021 habe ein Mietverhältnis mit der Mieterin Frau B.___ bestanden. Dieses sei per 31. Juli 2022 wegen Zahlungsrückstandes gekündet worden. In der Folge sei es zwischen Frau B.___ und der D.___ AG zu diversen Rechtsstreitigkeiten gekommen. Für einen Teil der ausstehenden Mietzinse sei Frau B.___ erfolgreich betrieben worden. Zudem habe ein Ausweisungsverfahren anhängig gemacht werden müssen. Am 4. Oktober 2022 habe Frau B.___ das Mietobjekt verlassen, ohne die noch offenen Mieten und den verursachten Schaden zu bezahlen. Die gesamte Forderung aus dem Mietverhältnis mit Frau B.___ betrage inzwischen CHF 51’273.23. Ein Vertrag bestehe ausschliesslich zwischen Frau B.___ und der Eigentümerin. Zwischen der Beschwerdeführerin und der angeblichen Gläubigerin selbst bestehe kein Vertragsverhältnis. Es fehle daher offensichtlich an einem Forderungsgrund. Auf jede berechtigte Forderung der D.___ AG aus dem Mietverhältnis stelle Frau B.___ neue unbegründete Gegenforderungen, welche sie nie zu belegen vermöge. Im November 2022 habe Frau B.___ die D.___ AG willkürlich betrieben, mit ähnlichen Positionen wie in der vorliegenden Betreibung. Der Vergleich der Betreibungen gegen die D.___ AG und derjenigen gegen sie zeige frappant, dass Frau B.___ willkürlich irgendwelche Beträge und Forderungen erfinde und dass diese Beträge grundlos stetig steigen würden. Auch gegen die Betreibungen gegen die D.___ AG sei eine Aufsichtsbeschwerde erhoben worden. Im Dezember 2022 sei Frau B.___ eine Übersicht über alle geschuldeten Positionen (offene Mietzinse, Schäden, gerichtliche festgehaltene Prozesskosten etc.) zugestellt worden und sie sei zur Bezahlung dieser Positionen aufgefordert worden. Frau B.___ habe darauf mit der Rechnung «Betrohung Betreibung» und der hier angefochtenen Betreibung reagiert.

 

2.1 Nach Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG geben die Betreibungsämter Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn die Betreibung nichtig ist. Verfügungen sind nach Art. 22 SchKG nichtig, wenn sie gegen Vorschriften verstossen, die im öffentlichen Interesse im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind. Dazu gehört auch das Rechtsmissbrauchsverbot nach Art. 2 ZGB, welches in der gesamten Rechtsordnung, insbesondere im Schuldbetreibungsrecht, Anwendung findet (BGE 113 III 2 E. 2a S. 3; Urteil 7B.182/2005 vom 1. Dezember 2005, E. 2.3).

 

2.2 Es kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, eine Betreibung sei rechtsmissbräuchlich und damit nichtig. Schon nach Art. 2 ZGB ist nur der offenbare Missbrauch eines Rechts nicht zu schützen. Das Schuldbetreibungsrecht ermöglicht es einem Gläubiger, einen Zahlungsbefehl zu erwirken, ohne die materielle Berechtigung nachzuweisen. Solange ein Gläubiger tatsächlich die Einforderung eines Anspruchs bezweckt, ist Rechtsmissbrauch praktisch ausgeschlossen. Das Betreibungsamt darf nicht prüfen, ob der Anspruch rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist. Verfolgt der Gläubiger mit der Betreibung aber offensichtlich Ziele, die nichts mit einer Zwangsvollstreckung zu tun haben bzw. mit dem Grundsatz von Treu und Glauben absolut unvereinbar sind, wie Kreditschädigung, Verwirrung, Bedrängung, Zermürbung und Schikanierung des Schuldners, so ist die Betreibung rechtsmissbräuchlich und damit nichtig. In solchen Fällen ist das Betreibungsamt berechtigt und verpflichtet, die Nichtigkeit festzustellen und die Ausstellung des Zahlungsbefehls zu verweigern. Es handelt sich um eine verfahrensrechtliche Verpflichtung, die keine Kognition im materiellen Bereich erfordert. Im Zweifelsfall ist der Zahlungsbefehl auszustellen (Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.]: Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel Kommentar, Bd. II, Basel 2021 N 12 zu Art. 22 und N 15 f. zu Art 69 SchKG, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; BGE 130 II 270 E. 3.2; 115 III 18 E. 3b; Urteil des Bundesgerichts 5A_588/2011 vom 18. November 2011).

 

3. Gläubiger einer Betreibung kann grundsätzlich nur sein, wer über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt und damit parteifähig ist. Die C.___ ist nicht rechtsfähig und damit auch nicht betreibungsfähig. Eine solche Betreibung ist nichtig (Sabine Kofmel Ehrenzeller in: Adrian Staehelin et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Basel 2021, Art. 67 N 18 und 19b). Eine fehlerhafte Parteibezeichnung wird indessen im Sinne einer Ausnahme geheilt, sofern der Schuldner über die Identität des Betreibungsgläubigers keine Zweifel hegen konnte und durch nichts in seinen Interessen beeinträchtigt war (Sabine Kofmel Ehrenzeller, a.a.O., Art. 67 N 17). Für die Beschwerdeführerin konnten keine Zweifel daran bestehen, dass hinter der C.___ die natürliche Person B.___ steht bzw. B.___ unter dieser Bezeichnung Geschäfte führt, obwohl die C.___ nicht im Handelsregister eingetragen ist. Bereits im Mietvertrag wird «C.___, B.___» als Mieterin aufgeführt. Die von der Beschwerdeführerin ausgesprochene Kündigungsandrohung vom 12. Mai 2022 sowie die Kündigung vom 28. Juni 2022 sind an C.___ und an B.___ adressiert (Sammelbeilage 6 zur Beschwerde; soweit nichts Anderes vermerkt wird, werden nachfolgend die Beschwerdebeilagen zitiert). Diese beiden Bezeichnungen finden sich in der sämtlichen eingereichten Korrespondenz zwischen den Parteien. Für die Beschwerdeführerin konnte somit kein Zweifel darüber bestehen, wer sie betrieben hat. So trägt sie gleich eingangs ihrer materiellen Ausführungen in der Beschwerde vor, die Gläubigerin C.___ werde von B.___ geführt (BS 7). Die fehlerhafte Gläubigerbezeichnung macht den Zahlungsbefehl daher nicht nichtig. Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren ist demnach B.___. Das Rubrum wird entsprechend angepasst.

 

4. Die in der Betreibung geltend gemachten Ansprüche beruhen nach dem angegebenen Forderungsgrund auf dem Mietverhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin B.___ und der Eigentümerin und Vermieterin D.___ AG. Die Beschwerdeführerin ist deren Verwalterin und Vertreterin im Verhältnis mit den Mietern. Sie ist es, welche die Forderungen der Eigentümerin gegenüber den Mietern geltend macht. Nach ihrer Darstellung hat die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin im Dezember 2022 nochmals zur Bezahlung ausstehender Mietzinse und weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis aufgefordert (vgl. Beilage 7). Darauf hat die Beschwerdegegnerin schon am 2. Januar 2023 Gegenforderungen erhoben und die Betreibung angedroht und gleichentags ein Betreibungsbegehren gegen die Beschwerdeführerin gestellt (Beilage 3 und Beilage 1 des Betreibungsamtes). Die Beschwerdegegnerin hat der Darstellung der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Zahlungsaufforderung vom Dezember 2022 und der Betreibung durch die Beschwerdegegnerin ist unverkennbar. Wieso die Beschwerdegegnerin die Vertreterin ihrer Vermieterin für die aus dem Mietverhältnis abgeleiteten Ansprüche auf dem Betreibungsweg belangt, ist nicht nachvollziehbar. Es musste auch der Beschwerdegegnerin klar sein, dass sie gegenüber der Beschwerdeführerin keinerlei Ansprüche aus dem Mietverhältnis haben konnte. Dies gilt umso mehr, als sie Ansprüche aus dem Mietverhältnis bereits auf dem Betreibungswege gegen die Vermieterin geltend gemacht hat. Es besteht kein Anzeichen dafür, dass sie diese nach Zustellung der Zahlungsbefehle weiterverfolgt hätte (Sammelbeilage 8). Andererseits hat die Beschwerdegegnerin die von ihr erhobenen Gegenansprüche bereits erfolglos im Rechtsöffnungsverfahren eingewendet, das die D.___ AG als Vermieterin gegen sie geführt hat (Beilage 9). Aus den gesamten Umständen wird somit offensichtlich, dass es sich bei der Betreibung Nr. [...] über den Betrag von CHF 85’679.45. nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2021 um eine Rachebetreibung handelt. Diese ist nichtig. Anzumerken ist, dass sich die Rechtsmissbräuchlichkeit der Betreibung erst aus den im Beschwerdeverfahren vorliegenden Akten ergeben hat und diese vom Betreibungsamt im Zeitpunkt der Einreichung des Betreibungsbegehrens nicht erkennbar war.

 

5. Die Beschwerdeführerin verlangt die Löschung des Eintrages der vorliegenden Betreibung im Betreibungsregister. Nach Art. 8a Abs. 1 SchKG sind nichtige Betreibungshandlungen in den betreibungsrechtlichen Protokollen und Registern mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen und gegenüber Dritten im Rahmen des Einsichtsrechts zu unterdrücken. Sie werden jedoch nicht formell gelöscht (Flavio Cometta/Urs Möckli in: Adrian Staehelin et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Basel 2021, Art. 22 N 19).

 

6. Die Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen, und es ist die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls festzustellen. Das Beschwerdeverfahren ist nach Art. 20a SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG unentgeltlich. Die Ausrichtung einer Parteientschädigung kommt nicht in Betracht (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach wird erkannt:

1.     Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und es wird festgestellt, dass der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamts Thal-Gäu nichtig ist.

2.     Die Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamts Thal-Gäu ist Dritten nicht zur Kenntnis zu geben.

3.     Es werden keine Kosten erhoben.

4.     Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs

Der Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

von Felten                                                                         Schaller



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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