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Urteil Verwaltungsgericht (SO - SCBES.2023.50)

Zusammenfassung des Urteils SCBES.2023.50: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A.___ wurde vom Betreibungsamt Thierstein auf Beträge von insgesamt CHF 17'252.90 betrieben. Sie erhob Teilrechtsvorschläge und beantragte, dass diese Betreibungen nicht an Dritte weitergegeben werden. Das Betreibungsamt wies die Gesuche ab, woraufhin A.___ Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs einreichte. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Gläubigerin die Betreibungen nicht weiterverfolgt habe und daher die Nichtbekanntgabe gerechtfertigt sei. Die Aufsichtsbehörde entschied zugunsten der Beschwerdeführerin und wies das Betreibungsamt an, die Betreibungen vorläufig nicht mehr bekanntzugeben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts SCBES.2023.50

Kanton:SO
Fallnummer:SCBES.2023.50
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Verwaltungsgericht Entscheid SCBES.2023.50 vom 16.08.2023 (SO)
Datum:16.08.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Betreibung; SchKG; Betreibungsamt; Betreibungen; Frist; Gläubiger; Gesuch; Recht; Gläubigerin; Verfahren; Schuldbetreibung; Konkurs; Zahlung; Apos; Beseitigung; Nichtbekanntgabe; Teilrechtsvorschläge; Aufsichtsbehörde; Verfügungen; Gesuche; Schuldner; Rechtsvorschlages; Forderungen; Zivilprozess; Rechtsöffnung; Betreibungsamtes; Zustellung; Zahlungsbefehle; Person
Rechtsnorm: Art. 20a KG ;Art. 79 KG ;Art. 88 KG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts SCBES.2023.50

 
Geschäftsnummer: SCBES.2023.50
Instanz: Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Entscheiddatum: 16.08.2023 
FindInfo-Nummer: O_SC.2023.44
Titel: Nichtbekanntgabe einer Betreibung an Dritte

Resümee:

 

Aufsichtsbehörde für

Schuldbetreibung und Konkurs

 

 

 

 

 

Urteil vom 16. August 2023

Es wirken mit:

Präsident von Felten

Oberrichterin Hunkeler

Oberrichter Flückiger   

Gerichtsschreiber Isch

In Sachen

A.___,

 

Beschwerdeführerin

 

 

gegen

 

 

Betreibungsamt Thierstein,

 

Beschwerdegegner

 

betreffend     Nichtbekanntgabe einer Betreibung an Dritte


zieht die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs in Erwägung:

I.

 

1.1 Mit Zahlungsbefehlen Nrn. [...] und [...] betrieb die B.___ (nachfolgend Gläubigerin), A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) auf die Beträge CHF 3'243.65 sowie CHF 14'009.25. Als Forderungsgründe wurden «Abrechnung vom 07.07.21 zum Vergleich des Richteramts vom 07.11.19 über CHF 3'243.65» sowie «a.) Genehmigte B.___-Abrechnung 19/20 per 30.09.20 mit einem Eigentümersaldo von CHF 7'209.25 ./. Zahlung 03.11.20 von CHF 1'200.00 ./. Zahlung 03.02.21 von CHF 600.00; b.) 4 fälliges Quartalskonto gemäss genehmigtem Budget 20/21 CHF 8'600.00.» angegeben. Gegen diese beiden Betreibungen erhob die Beschwerdeführerin am 23. August 2021 fristgerecht Teilrechtsvorschläge.

 

1.2 Am 7. Juni 2023 reichte die Beschwerdeführerin beim Betreibungsamt Thierstein je ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der obengenannten Betreibungen Nr. [...] und [...] an Dritte ein.

 

1.3 Mit Verfügungen vom 20. Juni 2023 (der Beschwerdeführerin zugstellt am 22. Juni 2023) wies das Betreibungsamt die Gesuche der Beschwerdeführerin um Nichtbekanntgabe der Betreibungen Nr. [...] und [...] an Dritte ab.

 

2. Gegen diese Verfügungen erhebt die Beschwerdeführerin am 3. Juli 2023 (Datum Postaufgabe) fristgerecht Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs und macht im Wesentlichen geltend, wie den beiden Abrechnungen vom 7. Oktober 2021 entnommen werden könne, habe sie diejenigen Forderungsbeträge, über welche sie keinen Teilrechtsvorschlag erhoben habe, dem Betreibungsamt überwiesen. Bei den beiden Beträgen, für welche sie Teilrechtsvorschlag erhoben habe, habe die Gläubigerin die Betreibungen bis heute nicht weiter prosequiert. Somit seien die Gesuche um Nichtbekanntgabe der Betreibungen an Dritte, was die Teilsrechtsvorschläge anbelange, gutzuheissen.

 

3. Mit Vernehmlassung vom 6. Juli 2023 stellt das Betreibungsamt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Zur Begründung führt das Betreibungsamt aus, die Gesuche seien abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin lediglich Teilrechtsvorschläge erhoben und Teilzahlungen geleistet habe. Zudem seien die Gesuche auch deswegen abzuweisen, weil diese mehr als ein Jahr nach Zustellung der Zahlungsbefehle gestellt worden seien.

 

II.

 

1.1 Gemäss dem seit 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG geben Ämter Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79 - 84) eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.

 

1.2 Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG wurde im Wesentlichen deshalb eingeführt, um den Schutz betroffener Personen vor den nachteiligen Auswirkungen ungerechtfertigter Betreibungen zu erhöhen. Es sollte Abhilfe geschaffen werden für den Fall, dass eine Betreibung in missbräuchlicher Weise zumindest ungerechtfertigt in ungerechtfertigter Höhe eingeleitet wurde. Im Visier standen einerseits Schikanebetreibungen, d.h. Betreibungen, die von der betreibenden Person wider besseres Wissen eingeleitet werden, andererseits Betreibungen von teilweise vollständig bestrittenen Forderungen (vgl. Jürgen Brönnimann, Zivilprozess und Vollstreckung national und international, Schnittstellen und Vergleiche, 2018, S. 405).

 

2. Der Wortlaut von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG verlangt, dass der Gläubiger ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags (Art. 79 - 84 SchKG) einleitet. Ob es sich dabei um ein im summarischen Verfahren behandeltes Rechtsöffnungsbegehren (Art. 251 lit. a ZPO) handeln muss auch ein ordentlicher Zivilprozess in Frage kommt, ist nicht ausdrücklich festgehalten. Der Verweis auf Art. 79 - 84 SchKG, welche grossmehrheitlich das summarische Rechtsöffnungsverfahren betreffen, deutet eher auf Ersteres hin. Art. 79 SchKG hält indes fest, dass der Gläubiger seinen Anspruch im Zivilprozess im Verwaltungsverfahren geltend zu machen hat. Ein ordentlicher Zivilprozess (Anerkennungsklage) ist damit zumindest nicht ausgeschlossen, zumal ein Rechtsöffnungstitel nicht zwingend bei Einleitung der Betreibung bereits vorzuliegen hat und dessen Nichtvorliegen somit auch nicht darauf schliessen lässt, dass die Betreibung ungerechtfertigt wäre (vgl. BSK SchKG I, Art. 80 N 13 und Art. 82 N 20, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin [Hrsg.], Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Basler Kommentar, 3. A., Basel 2021). So hält denn auch die diesbezügliche Weisung der Oberaufsicht SchKG fest, der Nachweis der Einleitung eines Verfahrens könne sich «aus einer Postaufgabe Eingangsbestätigung des Gesuchs um Rechtsöffnung der Anerkennungsklage ergeben» (Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 5 vom 18. Oktober 2018).

 

3.1 Vorweg ist dem Betreibungsamt zwar insofern recht zu geben, dass aufgrund der Teilzahlung der in Betreibung gesetzten Forderungen der Schuldnerin angenommen werden kann, dass es sich zumindest nicht gänzlich um eine ungerechtfertigte Betreibung handelt. Wie vorstehend festgehalten, wurde Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG aber nicht nur wegen Betreibungen, die von der betreibenden Person wider besseres Wissen eingeleitet wurden eingeführt, sondern auch wegen Betreibungen von teilweise vollständig bestrittenen Forderungen. Die Anwendung von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG kann demnach – entgegen der Ansicht des Betreibungsamtes – auch im vorliegenden Fall nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden. Die Beschwerdeführerin hat denn auch mit den erhobenen Teilrechtsvorschlägen bereits bei Erhalt der Zahlungsbefehle zum Ausdruck gebracht, dass sie lediglich einen Teil der Forderungen bestreitet. Sodann ist das Recht der Schuldnerin, nach Ablauf der dreimonatigen Frist ein Gesuch gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG zu stellen (s. E. II. 1.1 hiervor) – entgegen der Ansicht des Betreibungsamtes – an keine zeitlichen Schranken gebunden. Das heisst, das Gesuch kann danach jederzeit gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Betreibung infolge Zeitablaufs ein Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG nicht mehr fortgesetzt werden kann. Da die Betreibung aber erst nach fünf Jahren nicht mehr in der Betreibungsauskunft erscheint, hat ein Schuldner grundsätzlich nach wie vor ein Interesse, diese für Dritte nicht einsehbar zu machen (BSK SchKG I, a.a.O., Rz. 49 zu Art. 8a). Wenn die Frist gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG abgelaufen ist und der Betriebene ein Gesuch gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d stellt, so ist dieses Gesuch grundsätzlich ohne weitere Aufforderung an den Gläubiger gutzuheissen, weil die Betreibung gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG nicht mehr fortgesetzt werden kann. Jedoch ist hierbei der zweite Satz von Art. 88 Abs. 2 SchKG zu beachten, wonach diese Frist im Falle eines erhobenen Rechtsvorschlages zwischen der Einleitung und der Erledigung eines allenfalls dadurch veranlassten Gerichts- Verwaltungsverfahrens stillsteht. Da es vorliegend nicht ausgeschlossen ist, dass die Gläubigerin innert der einjährigen Frist ein Gerichtsverfahren angestrebt hat, hätte das Betreibungsamt der Gläubigerin eine Frist von 20 Tagen ansetzen müssen, um allenfalls den Nachweis zu erbringen, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79 - 84) eingeleitet wurde (vgl. E. II. 1.1 hiervor).

 

3.2 Gestützt auf die vorgehenden Ausführungen werden die Verfügungen des Betreibungsamtes vom 20. Juni 2023 somit in Gutheissung der Beschwerde aufgehoben. Die Sache wird an das Betreibungsamt zurückgewiesen, damit es der Gläubigerin eine Frist von 20 Tagen setzt, um allenfalls den Nachweis zu erbringen, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79 - 84) eingeleitet wurde. Zudem wird das Betreibungsamt von Amtes wegen angewiesen, die Betreibungen Nr. [...] und [...] an Dritte vorläufig nicht mehr bekanntzugeben. Sollte die Gläubigerin innert der 20-tägigen Frist den Nachweis erbringen, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung der Teilrechtsvorschläge eingeleitet wurde, so wären die Betreibungen Dritten wieder bekannt zu geben.

 

4. Das Beschwerdeverfahren ist nach Art. 20a SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG unentgeltlich. Die Ausrichtung einer Parteientschädigung kommt nicht in Betracht (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach wird erkannt:

1.    Die Verfügungen des Betreibungsamtes vom 20. Juni 2023 werden in Gutheissung der Beschwerde aufgehoben. Die Sache wird an das Betreibungsamt zurückgewiesen, damit es der Gläubigerin eine Frist gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG im Sinne der Erwägungen setzt.

2.    Das Betreibungsamt wird von Amtes wegen angewiesen, die Betreibungen Nr. [...] und [...] an Dritte vorläufig nicht mehr bekanntzugeben. Sollte die Gläubigerin innert der 20-tägigen Frist den Nachweis erbringen, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung der Teilrechtsvorschläge eingeleitet wurde, so wären die Betreibungen Dritten wieder bekannt zu geben.

3.    Es werden keine Kosten erhoben.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

von Felten                                                                         Isch



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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